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  • RECHTSEXTREMISMUS Opfer wird vergessen!", die zum Ziel hatte, jährlich am 13. Juli an die "Tausende[n] durch Ausländer getöteten Deutschen
  • für die Teilnehmer zur Verfügung. Auf der Internetseite von Recht und Wahrheit hieß es hierzu im Januar: "Unser Kulturzentrum Ludenbeck
  • Twitter-Kanal Meinolf Schönborn wurde zudem das "18. Recht und Wahrheit-Lesertreffen" für den 30. September bis 3. Oktober
  • Thüringen angekündigt. Nach Angaben auf der Homepage von Recht und Wahrheit sollten darüber hinaus auch Stammtische im Westerwald, Schwarzwald, Berlin
  • Immobilien als Anlauf-, Rückzugs-, Veranstaltungs-, Schulungsund Vernetzungsörtlichkeiten für die rechtsextremistische Szene. Auf der Homepage der Publikation Recht und Wahrheit wurde
RECHTSEXTREMISMUS Opfer wird vergessen!", die zum Ziel hatte, jährlich am 13. Juli an die "Tausende[n] durch Ausländer getöteten Deutschen" zu erinnern. "Kulturzentrum Ludenbeck" | Seit Dezember 2020 bewohnte Schönborn ein ehemaliges Hotel in Wesertal (Landkreis Kassel), dessen Ausbau zu einer überregionalen sowie szeneübergreifenden Veranstaltungsörtlichkeit er auch im Berichtsjahr kontinuierlich vorantrieb. Laut Schönborn standen in diesem Rahmen ein Versammlungsraum und Übernachtungsmöglichkeiten für die Teilnehmer zur Verfügung. Auf der Internetseite von Recht und Wahrheit hieß es hierzu im Januar: "Unser Kulturzentrum Ludenbeck ist als Gemeinschaftsprojekt verschiedener Patrioten entstanden. Die Vision war, im oberen Wesertal den sicheren Lebensraum für Generationen zu schaffen und zu gestalten". Über Telegram warb Schönborn für eine für den 10. September angekündigte Veranstaltung unter dem Motto "Kulturzentrum sucht Talente", die der Vernetzung "Gleichgesinnter" dienen sollte. Über den Twitter-Kanal Meinolf Schönborn wurde zudem das "18. Recht und Wahrheit-Lesertreffen" für den 30. September bis 3. Oktober in Thüringen angekündigt. Nach Angaben auf der Homepage von Recht und Wahrheit sollten darüber hinaus auch Stammtische im Westerwald, Schwarzwald, Berlin sowie im Rhein-Main-Gebiet stattfinden. Sowohl der Ausbau als auch die Nutzung des "Kulturzentrums" verdeutlichen die große Bedeutung von Immobilien als Anlauf-, Rückzugs-, Veranstaltungs-, Schulungsund Vernetzungsörtlichkeiten für die rechtsextremistische Szene. Auf der Homepage der Publikation Recht und Wahrheit wurde das Kulturzentrum im Januar wie folgt beschrieben: "Das Kulturzentrum Ludenbeck ist aber nicht nur Begegnungsu. Wohnstätte für Patrioten, sondern es soll auch eine ,feste Burg' sein, für schlimme Zeiten, die ohne Zweifel auf uns Deutsche schon in naher Zukunft zukommen werden". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 99
  • Schaffung eines ethnisch homogenen, diktatorischen Staats. Die Rechte des Einzelnen, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt - insgesamt Pluralismus - haben in der von Neonazis
  • nationalsozialistische "Weltanschauung" neu interpretiert oder "antikapitalistisch" mit Bezügen zum Linksextremismus und entsprechenden Aktionsformen "modernisiert". Die überwiegende Zahl der Neonazis befürwortet
RECHTSEXTREMISMUS Neonazis offensichtlich, insbesondere aktionsorientierte junge Männer für die Szene zu interessieren. IDEOLOGIE/ZIELE Neonazis orientieren sich, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, an der Ideologie des Nationalsozialismus (unter anderem an Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Nationalismus, Antipluralismus) und idealisieren Adolf Hitler, den "Führer" des nationalsozialistischen Unrechtsund Terrorregimes. AUF EINEN BLICK * "Volksgemeinschaft" - Revisionismus * Uneinheitlichkeit der Neonaziszene * Zahlencodes * Kampf gegen das "System" "Volksgemeinschaft" - Revisionismus | Das Ziel von Neonazis ist die Schaffung eines ethnisch homogenen, diktatorischen Staats. Die Rechte des Einzelnen, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt - insgesamt Pluralismus - haben in der von Neonazis angestrebten deutschen "Volksgemeinschaft" keinen Platz. Die "Volksgemeinschaft" schließt Menschen anderer Kulturen und auch solche "Deutsche" aus, die Neonazis aufgrund von Behinderungen, sexueller Orientierung und sozialer Marginalisierung als "unwert" einstufen. Das Individuum soll sich dem angeblichen Gesamtwillen des Volks unterordnen. Historische Tatsachen deuten Neonazis in revisionistischer Manier um und leugnen dabei auch den Holocaust. Uneinheitlichkeit der Neonaziszene | Die neonazistische Szene ist in sich nicht homogen. Zum einen wird das "Dritte Reich" als Vorbild betrachtet und eine Wiederherstellung des Nationalsozialismus angestrebt, zum anderen wird die nationalsozialistische "Weltanschauung" neu interpretiert oder "antikapitalistisch" mit Bezügen zum Linksextremismus und entsprechenden Aktionsformen "modernisiert". Die überwiegende Zahl der Neonazis befürwortet jedoch die Kernelemente des Nationalsozialismus: "Führerprinzip", Antisemitismus und die Ideologie der "Volksgemeinschaft". Zahlencodes | Intern bekennen sich Neonazis zu ihrer Ideologie, indem sie zum Beispiel nationalsozialistische Grußformeln ("Sieg Heil", "Heil Hitler") verwenden und den "Hitler-Geburtstag" feiern. Nach außen bekennen sich Neonazis wegen der Strafbarkeit eher in verklausulierter Form zum Nationalsozialismus, etwa in der Form der Selbstbezeichnung von Gruppierungen. So stand etwa bei dem 2015 durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport ver106 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • RECHTSEXTREMISMUS Landesparteitag | Im Rahmen des Landesparteitags der NPD Hessen am 15. Oktober wurde Stefan Jagsch zum neuen Vorsitzenden des Landesverbands
  • einer Neuausrichtung der Partei hin zu einer Sammlungsbewegung des rechtsextremistischen Spektrums. Bestandteile dieses Vorhabens waren unter anderem die Verschlankung
RECHTSEXTREMISMUS Landesparteitag | Im Rahmen des Landesparteitags der NPD Hessen am 15. Oktober wurde Stefan Jagsch zum neuen Vorsitzenden des Landesverbands gewählt. Der bisherige Parteivorsitzende Daniel Lachmann und der JN-Landesvorsitzende Thassilo Hantusch wurden zu stellvertretenden Landesvorsitzenden bestimmt. Daneben wurden vier Beisitzer, zwei Kassenprüfer und ein Landesschiedsgericht gewählt. Laut parteieigener Berichterstattung sah Jagsch die künftigen Schwerpunkte in der Werbung von Mitgliedern, der Durchführung von Veranstaltungen und der Unterstützung regierungskritischer Proteste. Unterstützt werden sollten dabei "Demonstrationen gegen die Deutschland-Abschaffer, die offensichtlich mit einer hirnlosen Energiepolitik unsere Heimat zerstören wollen". Im Anschluss an den Parteitag fand ein Vortrag des Bundesorganisationsleiters Patrick Wieschke zur Neuausrichtung der NPD statt, wofür er, so die Berichterstattung der Partei, "viel Zustimmung aus den Reihen des Publikums" erhielt. Als Vertreter des Bundesparteipräsidiums hatte Wieschke den Landesparteitag geleitet. Claus Cremer, Mitglied des Bundesvorstands und Landesvorsitzender der NPD Nordrhein-Westfalen, sprach ein Grußwort und forderte die Anwesenden zudem dazu auf, sich an Montagsdemonstrationen "gegen die volksfeindliche Politik der Etablierten Parteien" [sic] zu beteiligen. Bundesparteitag - Neuausrichtung der Partei | Der Bundesvorstand um den Bundesvorsitzenden Frank Franz verfolgte seit 2019 das Konzept einer Neuausrichtung der Partei hin zu einer Sammlungsbewegung des rechtsextremistischen Spektrums. Bestandteile dieses Vorhabens waren unter anderem die Verschlankung des Parteiapparats, die Fokussierung auf die kommunalpolitische Arbeit, eine Erhöhung der Anschlussfähigkeit als Dienstleister für andere "regierungskritische" Bewegungen und die Umbenennung der Partei in Die Heimat. Das Konzept wurde im Rahmen des am 14. und 15. Mai in Altenstadt (Wetteraukreis) durchgeführten Bundesparteitags vorgestellt. Im Vorfeld hatten Funktionäre das Treffen als "richtungsweisend" bezeichnet; Frank Franz hatte vom "vielleicht wichtigsten Parteitag, den die NPD je erlebt hat", gesprochen. Bei der Abstimmung verfehlte der Vorschlag des Bundesvorstands in Bezug auf den Namenswechsel knapp die nötige Zweidrittelmehrheit. Franz trat trotz dieser Niederlage wieder zur Wahl des Parteivorsitzenden an und wurde in seinem Amt bestätigt, genauso wie seine bisherigen Stellvertreter Udo Voigt und Thorsten Heise. Der langjährige NPD-Funktionär Sebastian Schmidtke wurde erstmalig zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Daniel Lachmann wurde Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 125
  • RECHTSEXTREMISMUS Entgegen dieser Ankündigung spalteten sich die JN nach der gescheiterten Umbenennung nicht von der Mutterpartei ab. Der JNBundesvorstand erklärte
  • Brandenburg) am 31. Januar. Damit wollten sie die eigene rechtsextremistische Ideologie verbreiten und eine Anschlussfähigkeit an die Protestbewegung erlangen
RECHTSEXTREMISMUS Entgegen dieser Ankündigung spalteten sich die JN nach der gescheiterten Umbenennung nicht von der Mutterpartei ab. Der JNBundesvorstand erklärte am 19. Mai, dass er an den Umbenennungsplänen festhalte und verwies auf den substanziellen Rückhalt für die Änderung in den Reihen der Delegierten: "Im Übrigen sind im neuen Parteivorstand keine Namens-Nostalgiker mehr zu finden. Die Arbeit hat begonnen, der Weg vorwärts ist glasklar. Und die NPD - bald ,Die Heimat' - soll sich der Unterstützung ihrer Jugendorganisation gewiss sein". Darüber hinaus beteiligten sich die JN an den Vernetzungsbestrebungen der NPD. "Gemeinschaftstag Hessen" | Vom 20. bis 22. Mai veranstalteten die JN einen "Gemeinschaftstag", bei dem der auf dem JN-Bundeskongress am 9. April in Thüringen zum Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden Paul Rzehaczek gewählte Sebastian Weigler anwesend war. Die Teilnehmer, darunter auch Neumitglieder, führten im Wald gemeinsam Sportübungen durch und ließen sich in Selbstverteidigung und Überlebenstechniken unterweisen. Im Mittelpunkt des "Gemeinschaftstags" stand die ritualisierte Aufnahme neuer Mitglieder: So zeigten später veröffentlichte Bilder die Teilnehmer mit Fackeln und Fahnen sowie in einheitlicher Kleidung. Reaktionen auf die "Corona-Maßnahmen" | Weiterhin kritisierte der JN-Bundesverband die angeblich verfehlte "Corona-Politik" der Bundesregierung. Vor allem zu Beginn des Berichtsjahrs beteiligten sich Aktivisten an Protestkundgebungen wie etwa in Hamburg am 8. Januar und in Jüterborg (Brandenburg) am 31. Januar. Damit wollten sie die eigene rechtsextremistische Ideologie verbreiten und eine Anschlussfähigkeit an die Protestbewegung erlangen. In Hessen nahmen einzelne JN-Aktivisten an Protesten teil, unter anderem am 2. Februar in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) und am 12. Februar in Hanau (Main-Kinzig-Kreis). Mit der Abschwächung der Pandemie und der damit einhergehenden Rücknahme der Beschränkungen ließ die Thematisierung der "Corona-Maßnahmen" durch die JN deutlich nach. Kampagne schuelersprecher.info | Im Rahmen der 2018 gestarteten Kampagne schuelersprecher.info nutzten die JN Hessen neben einem 2021 eingerichteten Telegram-Kanal nach wie vor die Homepage www.schuelersprecher.info als zentrales Medium. Die Homepage bot Interessenten die Möglichkeit, sich über die Kampagne und die bundesweit durchgeführten Aktionen zu informieren. Zudem wurde auf der Homepage eine "Schulhof-CD 2.0" mit einschlägigem Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 129
  • RECHTSEXTREMISMUS BEWERTUNG/AUSBLICK NPD Hessen | Vor dem Hintergrund der staatlichen "Corona-Maßnahmen" führte die NPD in Hessen nur wenige Parteiveranstaltungen
  • allem bei Protestkundgebungen offensichtlich nicht mit rechtsextremistischen Bestrebungen identifiziert werden wollte, nahmen ihre Aktivisten weitestgehend keinen sichtbaren Bezug zur Partei
RECHTSEXTREMISMUS BEWERTUNG/AUSBLICK NPD Hessen | Vor dem Hintergrund der staatlichen "Corona-Maßnahmen" führte die NPD in Hessen nur wenige Parteiveranstaltungen und öffentliche Aktionen durch. Um dennoch nach außen aktiv zu wirken und Interessenten für sich zu gewinnen, versuchte die NPD mittels ihrer Kritik an den "Corona-Maßnahmen" sowohl im virtuellen als auch "realen" Raum sich als "Kümmererin" zu inszenieren. Da die NPD vor allem bei Protestkundgebungen offensichtlich nicht mit rechtsextremistischen Bestrebungen identifiziert werden wollte, nahmen ihre Aktivisten weitestgehend keinen sichtbaren Bezug zur Partei, um dadurch einfacher mit ebenfalls demonstrierenden Bürgern ins Gespräch zu kommen. Im Zuge der allmählich auslaufenden "Corona-Maßnahmen" versuchte die NPD andere Themen zu besetzen. So rückte sie die "Energiekrise" und die Haltung der Bundesregierung in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - neben dem Kernthema "Migration" - verstärkt in den Fokus ihrer Agitation. Auch hier versuchte sich die NPD virtuell und "real" als Impulsgeberin der heterogenen Protestbewegung zu positionieren. Allerdings agierten in dieser Hinsicht nur wenige Akteure "auf die Straße", wobei in Hessen der Wetteraukreis sowie der Lahn-Dill-Kreis den Schwerpunkt bildeten. Zentral für die Zukunftsperspektive der NPD blieb die Frage der Neuausrichtung, das heißt die Umformung der Partei zu einer Netzwerkund Sammlungsbewegung. Die auf dem Bundesparteitag gescheiterte Namensänderung bremste dieses Unterfangen nur vorübergehend, im weiteren Verlauf des Berichtsjahrs erhöhte sich die Dynamik dieser Reformbestrebungen wieder. Die NPD Hessen unterstützte diesen Kurs, so war sie mittels der Social-Media-Kanäle Heimat Büdingen und Heimat Wetterau aktiv, bei einer Protestkundgebung zeigten zwei maßgebliche Parteifunktionäre ein Banner mit der Aufschrift Heimat Wetterau. Ob die angestrebte Neuausrichtung den stetigen Bedeutungsverlust der NPD aufhalten wird, ist allerdings fraglich. So bestehen parteiintern weiterhin große Differenzen über den künftigen Weg, wie die fehlende Mehrheit zur Umsetzung des Zukunftskonzepts auf dem Bundesparteitag zeigte. JN Hessen | Die Aktivitäten der JN Hessen im "realen" und im virtuellen Raum gingen im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr erneut zurück. Auch nach der allmählichen Rücknahme der "CoronaMaßnahmen" entfaltete die JN in Hessen nur in einem sehr geringen Maß wahrnehmbare Aktivitäten. Der maßgebliche Grund ist augenfällig in den weiterhin bestehenden strukturellen und personellen 134 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • RECHTSEXTREMISMUS "Revisionismus" eine wichtige Rolle, wobei die Partei auf fremdenfeindliche bzw. rechtsextremistische Narrative zurückgriff. AUF EINEN BLICK * Agitation während
RECHTSEXTREMISMUS "Revisionismus" eine wichtige Rolle, wobei die Partei auf fremdenfeindliche bzw. rechtsextremistische Narrative zurückgriff. AUF EINEN BLICK * Agitation während der Covid-19-Pandemie * Russischer Überfall auf die Ukraine * "Heißer Herbst" * "Gedenkveranstaltungen" * Weitere Treffen * Kontakte zu "nationalistischen Gruppierungen" im Ausland Agitation während der Covid-19-Pandemie | Sowohl in der virtuellen als auch in der "realen" Welt setzte Der Dritte Weg die Diffamierung der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowie der entsprechend handelnden Politiker und deren Krisenmanagement fort. Die durch die Bundespartei im März 2020 gestartete deutschlandweite Kampagne "Das System ist gefährlicher als Corona" sowie der Aufruf "Auf die Strasse - Impfpflicht verhindern! Zwangsmaßnahmen beenden!" wurden von Januar bis März weitergeführt. In deren Zentrum standen die Kritik an angeblich ungerechtfertigten Grundrechtseingriffen der Bundesregierung und das angeblich eigene "Kümmern". Der Dritte Weg rief dazu auf, sich an "Spaziergängen" zu beteiligen und gegen die "Zwangsmaßnahmen" der Regierung zu demonstrieren. Auf der Homepage der Partei wurden dazu Termine und Trefförtlichkeiten deutschlandweit veröffentlicht. Nach eigenen Angaben beteiligten sich Aktivisten der Partei regelmäßig an "Spaziergängen" in Hessen, unter anderem in Bad Hersfeld (Landkreis Hersfeld-Rotenburg), Bad Wildungen (Landkreis Waldeck-Frankenberg), Bensheim, Lampertheim (Kreis Bergstraße), Fulda (Landkreis Fulda), Groß-Gerau (Kreis Groß-Gerau), Limburg, Weilburg (Landkreis Limburg-Weilburg), Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis). Die Kampagne richtete sich insbesondere auch an nichtextremistische Teile der Bevölkerung, um so Anschlussfähigkeit an die Mitte der Gesellschaft herzustellen und gegebenenfalls weiteres Personenpotenzial für den Dritten Weg zu erschließen. Russischer Überfall auf die Ukraine | Im Rahmen der eindeutigen Positionierung des Dritten Wegs zugunsten der Ukraine stand das Bemühen im Mittelpunkt, das ukrainische Asov-Regiment zu unterstützen. Zu dem Regiment hatte die Partei bereits in der Vergangenheit einen engen Austausch gepflegt. Zu Kriegsbeginn richtete Der Dritte Weg auf seiner Homepage einen Liveticker ein, in dem mittels Videos und Beiträgen aus den umkämpften ukrainischen Gebieten berichtet wurde. Des Weiteren schuf die Partei auf ihrer Homepage die Unterseite "Märtyrer des ukrainischen Freiheitskampfes". Gemäß dem par136 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • RECHTSEXTREMISMUS "Gedenkveranstaltungen" | Verbunden mit der Forderung nach einem "zentralen Gedenktag" für die Opfer der alliierten Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs führte
  • für die Bombentoten am 13. Februar". Angemeldet von einem Rechtsextremisten, fand am 13. Februar in Dresden ein "Gedenkmarsch" unter
  • Personen, darunter Angehörige des Dritten Wegs, der Partei DIE RECHTE und der NPD. Im Zusammenhang mit der "Darmstädter Brandnacht
RECHTSEXTREMISMUS "Gedenkveranstaltungen" | Verbunden mit der Forderung nach einem "zentralen Gedenktag" für die Opfer der alliierten Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs führte Der Dritte Weg zum wiederholten Male seinen traditionellen "Gedenkmarsch" unter dem Motto "Wir tragen das Licht für Dresden weiter" durch. Den Startpunkt bildete ein Friedhof in Dresden (Sachsen), von dort aus wurde das "Licht für Dresden" vom 28. Januar bis 5. Februar in acht Etappen über einen etwa 270 Kilometer langen Rundkurs über Bautzen (Sachsen) und Cottbus (Brandenburg) zurück nach Dresden getragen. Auf der Homepage des Dritten Wegs hieß es: "Ein weiteres Mal ging ,Ein Licht für Dresden' durchs Land. Jeder der teilnehmenden Läufer war durch seinen Beitrag ein Teil eines größeren Ganzen. Jeder der Läufer und der Helfer im Hintergrund kann auf seinen Beitrag zurückblicken. Auch durch diese kreative Form des Gedenkens wird den deutschen Opfern des alliierten Bombenterrors eine Stimme gegeben. Eine Stimme, die heute kaum noch einer erheben will. Wir schweigen aber nicht. Wir fordern einen deutschlandweiten Gedenktag für die Bombentoten am 13. Februar". Angemeldet von einem Rechtsextremisten, fand am 13. Februar in Dresden ein "Gedenkmarsch" unter dem Motto "Vergesst niemals Dresden! Gedenken zu Ehren der Dresdner Luftkriegstoten des 13. Februar 1945" statt. Daran beteiligten sich etwa 800 Personen, darunter Angehörige des Dritten Wegs, der Partei DIE RECHTE und der NPD. Im Zusammenhang mit der "Darmstädter Brandnacht", die sich in der Nacht vom 11. auf den 12. September zum 78. Mal jährte, entzündeten Aktivisten des Dritten Wegs nach eigenen Angaben Kerzen mit dem Parteilogo und legten Kränze nieder. Anlässlich des 8. Mai 1945 führten Aktivisten des Dritten Wegs eine weitere "Gedenkveranstaltung" unter dem Motto "8. Mai - wir feiern nicht!" durch. Dabei stellten sie am Grab eines Angehörigen der SS auf der Kriegsgräberstätte Runkel (Landkreis Limburg-Weilburg) ein Grablicht mit dem Logo der Partei auf. Die zentrale "Gedenkveranstaltung" bildete für den Dritten Weg nach wie vor das "traditionelle Heldengedenken" anlässlich des Volkstrauertags in Wunsiedel (Bayern) unter dem Motto "Tot sind nur jene, die vergessen werden". Rund 120 Aktivisten der Partei zogen am 12. November 2022 in einem "Gedenkmarsch" durch die Stadt. Unter anderem trat der Parteivorsitzende Matthias Fischer als Redner auf, der Liedermacher Wegbereiter trug Lieder und ein Sprechspiel vor. In Hessen legten Aktivisten des Dritten Wegs laut eines bebilderten Beitrags auf der parteieigenen Internetseite an einem Kriegerdenkmal in Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau) ein "Gesteck mit 138 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • RECHTSEXTREMISMUS Grabkerzen" ab. Darüber hinaus hieß es in dem Beitrag: "Im Taunus legten Familien mit ihren Kindern auf einem Soldatenfriedhof
  • eine Feldbergfahrt im Taunus. Zudem führte die Partei Rechtsschulungen während eines Stützpunktabends und im Rahmen eines Selbstverteidigungskurses in Nordhessen durch
RECHTSEXTREMISMUS Grabkerzen" ab. Darüber hinaus hieß es in dem Beitrag: "Im Taunus legten Familien mit ihren Kindern auf einem Soldatenfriedhof einen selbstangefertigten Kranz nieder". Weitere Treffen | Über die Aktivitäten des Stützpunkts Westerwald/ Taunus des Dritten Wegs wurde auf der parteieigenen Homepage berichtet. Zu den Veranstaltungen, die in erster Linie eine Stärkung des Gemeinschaftsgefühls bezweckten, gehörten unter anderem regelmäßig stattfindende Stammtische. Im Berichtsjahr beschränkten sich die Aktivitäten des Stützpunkts Westerwald/Taunus auf regelmäßig stattfindende Stützpunktabende, eine Wanderung mit Liederabend in Nordhessen, mehrere Flugblattverteilungen im Lahn-DillKreis, Selbstverteidigungskurse im Westerwald und eine Feldbergfahrt im Taunus. Zudem führte die Partei Rechtsschulungen während eines Stützpunktabends und im Rahmen eines Selbstverteidigungskurses in Nordhessen durch. Als Anlässe für die Selbstverteidigungskurse nannte die Partei unter anderem eine Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage im Land, wobei hierfür die "ungezügelte Einwanderung" mitverantwortlich sei, und potenzielle gewalttätige Angriffe durch den politischen Gegner im Rahmen von Veranstaltungsteilnahmen auf sich oder die eigene Familie. Kontakte zu "nationalistischen Gruppierungen" im Ausland | Der Dritte Weg bemühte sich weiterhin, die Vernetzung mit "europäischen Nationalisten" voranzutreiben. Am 12. Februar nahmen Aktivisten des Dritten Wegs aus Hessen an der "Gedenkund Wandertour ,Ausbruch 60'" in Ungarn teil. Auf der Homepage des Dritten Wegs hieß es hierzu: "Das Ziel der Gedenktour ,Ausbruch' ist es, jeden Februar den ungarischen und deutschen Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg Budapest und damit ganz Westeuropa zweieinhalb Monate lang heldenmütig gegen die bolschewistische Rote Armee verteidigt hatten, unseren Respekt zu bekunden". Zusätzlich fand im Oktober im Westerwald eine Veranstaltung des Dritten Wegs mit Vorträgen statt, worüber die Partei unter der Überschrift "60-Km-Marsch als revolutionäre Form des Gedenkens" auf ihrer Internetseite berichtete. Darüber hinaus trafen sich im November in Finnland Akteure des Dritten Wegs mit Vertretern der italienischen Bewegung CasaPound, nationalen Aktivisten aus Schweden, Aktivisten der finnischen Gruppierung Sinimusta Liike (Blue and Black Movement) sowie weiteren "finnischen Nationalisten". Die Ziele des Treffens waren laut Angaben des Dritten Wegs auf seiner Internetseite die Organisation eines Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 139
  • RECHTSEXTREMISMUS neuen Hausprojekts in Finnland, der Austausch mit den finnischen Aktivisten sowie ein gemeinsames Sporttraining. ENTSTEHUNG/GESCHICHTE Die Partei Der Dritte
  • 25Punkte-Programm der NSDAP und enthält dessen rechtsextremistische - im Detail nationalsozialistische - Programmatik. In diesem Programm verdeutlicht sich die damit verbundene
RECHTSEXTREMISMUS neuen Hausprojekts in Finnland, der Austausch mit den finnischen Aktivisten sowie ein gemeinsames Sporttraining. ENTSTEHUNG/GESCHICHTE Die Partei Der Dritte Weg wurde 2013 in Heidelberg (BadenWürttemberg) gegründet. Nach und nach entstanden verschiedene länderübergreifende Stützpunkte, unter anderem der Stützpunkt Westerwald/Taunus, der im Wesentlichen den Landkreis LimburgWeilburg und den Lahn-Dill-Kreis sowie angrenzende Landkreise in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen umfasst. Seit ihrer Gründung führte die Partei vor allem Demonstrationen, "Heldengedenken", gegen Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik und die staatlichen "Corona-Maßnahmen" gerichtete Flugblattverteilaktionen durch bzw. veröffentlichte entsprechende Verlautbarungen im Internet. IDEOLOGIE/ZIELE Das "Zehn-Punkte-Programm" der Partei Der Dritte Weg bezieht sich sowohl von der Bezeichnung als auch vom Inhalt her auf das 25Punkte-Programm der NSDAP und enthält dessen rechtsextremistische - im Detail nationalsozialistische - Programmatik. In diesem Programm verdeutlicht sich die damit verbundene antidemokratische Ausrichtung des Dritten Wegs, die auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielt. AUF EINEN BLICK * "Zehn-Punkte-Programm" * "National, revolutionär, sozialistisch" * Das Volk als "Blutund Schicksalsgemeinschaft" - Liberalismus als "geistige Immunschwächekrankheit" "Zehn-Punkte-Programm" | In seinem Parteiprogramm benennt Der Dritte Weg einen "Deutschen Sozialismus, fernab von ausbeuterischem Kapitalismus sowie gleichmacherischem Kommunismus" als sein Ziel. Das deutsche Volk wird als "naturgesetzliche Gemeinschaft" gesehen. Eine Forderung der Partei besteht in der Förderung kinderreicher deutscher Familien zur "Abwendung des drohenden Volkstodes". Daneben gibt Der Dritte Weg die "Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" als ein weiteres Ziel an. Darüber hinaus vertritt die Partei in ihrem "Zehn-Punkte-Programm" ein geschichtsrevisionistisches Deutschlandbild. So wird eine "friedliche [...] Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen" gefordert. Weitere Forderungen sind sowohl die 140 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • RECHTSEXTREMISMUS Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien als auch die Einführung der Todesstrafe für Kindermord und andere Kapitalverbrechen. "National, revolutionär, sozialistisch" | Die Partei
  • knüpft damit zumindest in Teilen an die Programmatik des linken Flügels der NSDAP an. Der Programmatik des Dritten Wegs liegt
  • völkisches Menschenbild, das sich eng am Nationalsozialismus und der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene orientiert, zugrunde. So heißt es in der im Jahr
RECHTSEXTREMISMUS Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien als auch die Einführung der Todesstrafe für Kindermord und andere Kapitalverbrechen. "National, revolutionär, sozialistisch" | Die Partei Der Dritte Weg begreift sich gemäß ihres im Jahre 2015 veröffentlichten Selbstverständnisses als "nationalrevolutionär" und propagiert einen "deutschen Sozialismus" als "dritten Weg" abseits von Kommunismus und "Kapitalismus". Die Partei knüpft damit zumindest in Teilen an die Programmatik des linken Flügels der NSDAP an. Der Programmatik des Dritten Wegs liegt ein völkisches Menschenbild, das sich eng am Nationalsozialismus und der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene orientiert, zugrunde. So heißt es in der im Jahr 2017 erschienenen Broschüre "National, Revolutionär, Sozialistisch" in Bezug auf diese Kernbegriffe: "Nur diese drei Begriffe zusammengefasst ergeben eine ganzheitliche Wirkung, welche das politische, das wirtschaftliche, das soziale und das geistige Leben zu einer Synthese zusammenführt". Das Volk als "Blutund Schicksalsgemeinschaft" - Liberalismus als "geistige Immunschwächekrankheit" | Gemäß seines völkischen Menschenbilds definiert Der Dritte Weg den Nationalismus als die "politische Idee, die die Interessen und das Überleben des eigenen Volkes in den Mittelpunkt aller Betrachtungen und Entscheidungen" rücke. So komme der "echte Nationalismus" nicht ohne eine "völkische Komponente" aus, wobei das Blut der "Schlüssel zum Verständnis der volkseigenen Kultur und der Seele des völkischen Lebens" sei. Das Volk sei nicht nur eine "Blut-, sondern auch eine Schicksalsgemeinschaft", aus deren "übergeordnete[m] Willen" sich die Nation bilde. Im Liberalismus hingegen verkörpere der "Einzelne den wichtigsten Wert" und habe den "europäische[n] Mensche[n]" - einer Immunschwächekrankheit gleich - "auf seine Existenz als Einzelwesen reduziert und seiner Kultur, Heimat und Identität beraubt". In diesem Kontext sieht sich Der Dritte Weg "unseren kulturund blutsverwandten Völkern in Europa verbunden". In Bezug auf ihre Feindbilder beschränkt sich die Partei keinesfalls nur auf Deutschland: "Egal ob Westoder Ost-, Süd[-] oder Nordeuropa, es sitzen überall die gleichen Verräter, die gleichen Vertreter des feigen Bürgertums und die gleichen Geldempfänger des Kapitals in den Parlamenten. Daher können wir sie gar nicht anders als gleichsam hassen und verachten. Wir fiebern jedem Schlag, ja jedem Nadelstich, den die verschiedenen europäischen Bewegungen den volksfeindlichen Systemen beibringen, entgegen, begeistern uns über jeden Erfolg und Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 141
  • RECHTSEXTREMISMUS "Dort kann man am ehesten aus metapolitischer Dominanz auf der Straße sowie in den Medien parlamentarische Gestaltungsmacht werden
  • Flut, die uns nach vorne tragen kann, müssen rechtzeitig Pflöcke in die politische Landschaft geschlagen werden, bevor Ebbe und Repression
  • möglich sei, so Sellner, die "hochgesteckte[n] Ziele" des "rechten Lagers" in naher Zukunft zu erreichen, sei es in jedem
  • vorpolitischen) "tieferen Ebene" in der Gesellschaft will die Neue Rechte forcieren. In "dem Osten" sieht sie aufgrund der dort seit
  • Mittelschicht, einen geeigneten Anknüpfungspunkt zur Verbreitung ihrer rechtsextremistischen Ideologie. Vor diesem Hintergrund propagierte die Neue Rechte die Auffassung, dass
  • Grenzen des Denkund Sagbaren, dessen sich die Neue Rechte dabei zum Beispiel mittels der GU bedient, wird unter anderem
RECHTSEXTREMISMUS "Dort kann man am ehesten aus metapolitischer Dominanz auf der Straße sowie in den Medien parlamentarische Gestaltungsmacht werden. In der Flut, die uns nach vorne tragen kann, müssen rechtzeitig Pflöcke in die politische Landschaft geschlagen werden, bevor Ebbe und Repression uns wieder zurückdrängen". Angesichts dieser auf Langfristigkeit und Beharrlichkeit angelegten Strategie der Übernahme der "kulturellen Hegemonie" klammerte Sellner "strategische Irrwege wie eine militante Machtübernahme oder quasireligiöse Hoffnungen von Q-Anon bis Putin" aus. Stattdessen akzentuierte er die Bedeutung der "Leitstrategie der Reconquista, in der politische Gestaltungsmacht durch metapolitische Dominanz erlangt wird". Das Konzept der "Reconquista", ein zentraler Begriff in der "Weltanschauung" der IB, bestehe, so Sellner, im "Aufbau von ,people power' durch Demonstrationen, Aktionen, Elitenbildung, Kultur und Öffentlichkeitsarbeit". Hinzu kämen "Theoriebildung, Gegenöffentlichkeit, Gegenkultur und Bewegung". Selbst wenn es nicht möglich sei, so Sellner, die "hochgesteckte[n] Ziele" des "rechten Lagers" in naher Zukunft zu erreichen, sei es in jedem Fall möglich, das "patriotische Protestmilieu stärker auszubauen", das heißt im Rahmen der aktuellen Gegenwehr einen "Raumgewinn" zu erzielen. "Verlagerung des öffentlichen Diskurses in Richtung radikalerer Positionen" | Das Wachsen dieses "sozialen Milieus" bzw. dieser "metapolitischen" (vorpolitischen) "tieferen Ebene" in der Gesellschaft will die Neue Rechte forcieren. In "dem Osten" sieht sie aufgrund der dort seit Jahren wachsenden Unzufriedenheit mit der Demokratie, neuerdings gekoppelt mit sozialökonomischen Abstiegsund Verlustängsten in der Mittelschicht, einen geeigneten Anknüpfungspunkt zur Verbreitung ihrer rechtsextremistischen Ideologie. Vor diesem Hintergrund propagierte die Neue Rechte die Auffassung, dass es im Zuge der Proteste nicht zu einem revolutionären Bruch kommen werde. Sie wolle sich vielmehr an dem Geschehen beteiligen, so Kubitschek am 26. August in der Sezession, nicht nur "weil es sich so gehört", sondern "weil wir vielleicht etwas zurechtbiegen, verbessern, eindämmen, anheizen können". Das Prinzip des häufig nicht direkt wahrnehmbaren Verschiebens der Grenzen des Denkund Sagbaren, dessen sich die Neue Rechte dabei zum Beispiel mittels der GU bedient, wird unter anderem in der Kommunikationswissenschaft als "Mainstreaming" bezeichnet, das heißt, so die Kommunikationswissenschaftler Josephine B. Schmitt, Danilo Harles und Diana Rieger (2020), als ein Prozess, "bei dem eine langsame Verlagerung des öffentlichen Diskurses in Richtung radikalerer Positionen geschieht - ohne dass notwendiger146 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • gründungen das Grundgesetz, die Bundesrepublik Deutschland Medien: und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch Internetpräsenzen gewählten Repräsentanten nicht anerkennen
  • nicht an. Sie definieren sich als außerhalb der geltenden Rechtsordnung stehend und fordern Behörden sowie Gerichte auf, behördliches Handeln einzustellen
REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER Unter der Bezeichnung Reichsbürger und Selbstverwalter fasst der Angehörige: Verfassungsschutz Gruppierungen und Einzelpersonen zusammen, In Hessen etwa 1.100, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Bebundesweit rund 23.000 gründungen das Grundgesetz, die Bundesrepublik Deutschland Medien: und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch Internetpräsenzen gewählten Repräsentanten nicht anerkennen und ihnen die Legiti- \ mation absprechen. Reichsbürger propagieren das Fortbestehen eines historischen Deutschen Reichs, Selbstverwalter erfinden Fantasiestaaten und beanspruchen für sich ein von der Bundesrepublik Deutschland unabhängiges Territorium. Insgesamt erkennen Reichsbürger und Selbstverwalter die Staatlichkeit und die Souveränität der Bundesrepublik nicht an. Sie definieren sich als außerhalb der geltenden Rechtsordnung stehend und fordern Behörden sowie Gerichte auf, behördliches Handeln einzustellen. Darüber hinaus können sich Bestrebungen von Reichsbürgern und Selbstverwaltern auch gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Wenn solche Aktivitäten mit gebietsrevisionistischen Forderungen verbunden sind, steht dies nicht mit dem Gedanken der Völkerverständigung in Einklang. Insgesamt sind Reichsbürger und Selbstverwalter in hohem Maße bereit, gegen Gesetze zu verstoßen. Um die eigene Weltanschauung zu verbreiten, sich auszutauschen und sich zu vernetzen, ist das Internet das vornehmliche Medium der Reichsbürger und Selbstverwalter. Mittels Internetseiten, Videoportalen oder Präsenzen auf Social-Media-Plattformen prangert die Szene angebliche Missstände sowie deren angebliche Verursacher an und verbreitet, teilt und diskutiert vermeintliche Lösungsund Argumentationsstrategien. Auch außerhalb des virtuellen Raums versucht die Szene ihre Ideologie zu ver156 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • mittels derer sie sich in Gänze außerhalb der geltenden Rechtsordnung stehend definieren: "Werte [...], mit dem heutigen Schreiben an Sie werden
  • seinem Gerichtsurteil vom 03.02.20212 bestätigt, dass in allen Rechtsanagelegenheiten allein die Zuständigkeit des Deutschen Reiches, nicht 162 - Hessischer Verfassungsschutzbericht
REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER 2. ich bin immer die Gläubigerin, ihr - als ordentliche Verwaltung, wie es sich gehörte seit immer der Schuldner. Denn ohne meine Wertschöpfung könnt ihr gar Nichts. 3. ich nehme, falls sich die Okkupationsverwaltung dazu verleiten sollte, jeden Einzelnen von euch in die vollumfängliche private Haftung, will es eben keine Staatshaftung seit 1982 mehr gibt. 4. Der Bußgeldbescheid als Ursache ist schon Illegal gewesen. Es gab überhaupt kein Gesetz. Zudem hat auch diese "Empfehlung" keni [angeblicher] Minister unterschrieben (weil: Wer schreibt, der bleibt!) 5. Sollte es dennoch die Firma 'Landkreis Gießen' in Erwägung ziehen, diesen Zwang gegenüber meiner natürlichen und / oder juristischen Person umzudeuten, werde ich denjenigen vor ein Gericht bringen, sicherlich vor ein Scheingericht der Firma 'Bund / Germany' [...] Ich hoffe inständigst, daß es noch bei euch den Einen oder Anderen gibt, der noch nicht von Corona so sehr geschädigt ist, daß bei ihm oder ihr wenigstens noch ein paar [...] Stammhirnzellen funktionieren und daß dieser auch die Schnauze voll hat von dem ganzen satanischen Scheiß-Spiel da draußen Denn es wird allerhöchste Zeit dafür. Es sind schon genug Kinder gefressen, vergewaltigt, zu Adrenochrom verarbeitet worden. Und alles im Namen der - ach so feinenKirche!!!" (Schreibweise wie im Original.) Dieser Auszug steht beispielhaft für eine Vielzahl an Schreiben, die Angehörige der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter an Behörden und Behördenvertreter schicken. Das Schreiben enthält verschiedene szenetypische Narrative, es besitzt keine stringente Struktur und ist zusammenhanglos verfasst. Der Adressat wird persönlich angeschrieben, verleumdet und bedroht. Durch diese Einschüchterungsmethoden wird versucht, von den Adressaten Handlungen zu erzwingen. Zudem fügen Szeneangehörige ihren Schreiben häufig sogenannte Lebendoder Willenserklärungen bei, mittels derer sie sich in Gänze außerhalb der geltenden Rechtsordnung stehend definieren: "Werte [...], mit dem heutigen Schreiben an Sie werden Sie aufgefordert, eine Lizenz/Genehmigung, nach SHAEF-Gesetz, vorzulegen. Bitte weisen Sie ihre Legitimation der Alliierten nach, die Sie berechtigt, sogenanntes ,Bundesrecht' den Deutschen gegenüber zur Anwendung zu bringen! Auch sogenannte BRD-Bürgermeister und Landräte brauchen diese. Der Internationale Strafgerichtshof ISTHG in Den Haag hat in seinem Gerichtsurteil vom 03.02.20212 bestätigt, dass in allen Rechtsanagelegenheiten allein die Zuständigkeit des Deutschen Reiches, nicht 162 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • LINKSEXTREMISMUS listische Anarchisten" zu unterscheiden, die in jüngerer Zeit durch verschiedene "Aktionen" auffällig wurden. Für Anhänger der Strömung des "aufständischen/insurrektionalistischen
  • nach dem Verständnis von Autonomen unter anderem Demokratie und rechtsstaatliches Handeln. Die Vorgehensweisen und die Zusammensetzung autonomer Zusammenschlüsse sind heterogen
LINKSEXTREMISMUS listische Anarchisten" zu unterscheiden, die in jüngerer Zeit durch verschiedene "Aktionen" auffällig wurden. Für Anhänger der Strömung des "aufständischen/insurrektionalistischen Anarchismus" sind eine kompromisslose Opposition und permanente Attacken auf den sozialen und politischen Gegner zentrale Anliegen. Das bedeutet, dass diese Anarchisten gezielt auch Gewalttaten und Sabotageaktionen durchführen, um auf ihr Ziel, den Aufbau eines "antikapitalistischen" und völlig freien Systems, hinzuarbeiten. Anhänger dieser Strömung des Anarchismus agieren für gewöhnlich alleine oder in informellen Kleinstgruppen. Autonome Vorstellungen | Die Positionen von Autonomen verfolgen - verglichen mit denjenigen orthodox-kommunistischer Parteien - kein starres Dogma. Sie vermischen verschiedene Ideologiefragmente zu einem mitunter brüchigen Gesamtbild, das von Gruppe zu Gruppe variieren kann. Nicht die Partei, sondern das selbstbestimmte Individuum steht bei Autonomen im Mittelpunkt ("Politik der ersten Person"). Nach autonomer Auffassung muss der Einzelne ständig um seine Befreiung von "strukturellen Zwängen" kämpfen. Mit orthodoxen Kommunisten verbindet Autonome aber die Vorstellung von einer Welt, in der jeder im Rahmen einer kommunistischen Gesellschaft nach seinen Bedürfnissen leben und sich selbst verwirklichen kann: Dazu müssten alle "Systeme", die dem Individuum Pflichten und Zwänge auferlegen, beseitigt werden. Zu diesen "Systemen" gehören nach dem Verständnis von Autonomen unter anderem Demokratie und rechtsstaatliches Handeln. Die Vorgehensweisen und die Zusammensetzung autonomer Zusammenschlüsse sind heterogen. Einige Autonome versuchen, Ideen anarchistischer Prägung in die Realität umzusetzen, zum Beispiel durch die Errichtung "gewaltund herrschaftsfreier Räume" in Form von Besetzungen von Gebäuden. Andere Autonome, die auch als Postautonome bezeichnet werden, engagieren sich weiterhin in der Bündnisund Netzwerkarbeit, wobei sie zunehmend nichtextremistische Unterstützer zu gewinnen versuchen. Um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, halten Autonome generell die Anwendung von Gewalt für ein legitimes Mittel. Insbesondere auf Grund ihrer "militanten Aktionen" stellen Autonome eine konstante Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 177
  • LINKSEXTREMISMUS ben Tag veröffentlichten Unbekannte, die sich als "einige Autonome" bezeichneten, auf de.indymedia.org. ein Selbstbezichtigungsschreiben. Darin hieß es, dass
  • faschistischen Ideologie" veranstalte. Der Beitrag endete mit dem Appell: "Rechte haben Namen und Adressen! Rechten entgegentreten auf allen Ebenen
  • Selbstbezichtigungsschreiben über eine Sachbeschädigung am Wohnhaus und Fahrzeug des Rechtsextremisten Pierre Krebs aus Hessen, der im Rahmen des "Netzwerktags
LINKSEXTREMISMUS ben Tag veröffentlichten Unbekannte, die sich als "einige Autonome" bezeichneten, auf de.indymedia.org. ein Selbstbezichtigungsschreiben. Darin hieß es, dass die GU ein "neurechtes Projekt" aus dem Umfeld der IB sei und "Onlineseminare zu verschiedenen Themen im Bereich der rassistischen und faschistischen Ideologie" veranstalte. Der Beitrag endete mit dem Appell: "Rechte haben Namen und Adressen! Rechten entgegentreten auf allen Ebenen mit allen Mitteln!" * Kassel, 9. November: Auf die Fassade des früheren Wohnhauses einer Angehörigen der JA Kassel sprühten unbekannte Täter "AfD Abschaum", wobei in dem Schriftzug auch der Name der Betroffenen enthalten war. In einer Veröffentlichung der Gruppe T.A.S.K. war die Geschädigte bereits am 8. September als JA-Angehörige geoutet und eine veraltete Adresse veröffentlicht worden. * Kassel, 5. Dezember: Außerdem veröffentlichte T.A.S.K. einen "Rechercheüberblick" über "Anhänger der Kasseler AfD", worin sich auch Bilder der Betroffenen befanden. Diese sollen im Berichtsjahr mehrere Stammtische der AfD Kassel besucht haben. Der Beitrag wurde auch auf de.indymedia.org. eingestellt. * Kassel, 6. Dezember: Aus Protest gegen einen regelmäßig stattfindenden AfD-Stammtisch zogen etwa 100 Personen im Rahmen einer angemeldeten und von der Polizei begleiteten Demonstration unter dem Motto "kein Raum der AfD" zu der entsprechenden Gaststätte. Einige Teilnehmer zündeten Feuerwerkskörper und warfen zwei Flaschen in Richtung der Gaststätte. * Kassel, 9. Dezember: Unbekannte Personen veröffentlichten auf de.indymedia.org ein Selbstbezichtigungsschreiben über eine Sachbeschädigung am Wohnhaus und Fahrzeug des Rechtsextremisten Pierre Krebs aus Hessen, der im Rahmen des "Netzwerktags" der NPD-Publikation DS in Brandenburg auftreten sollte. Nahezu friedlich verlaufene Demonstration am 1. Mai | Unter dem Motto "Gemeinsam kämpfen gegen Krieg und Kapitalismus. International für Solidarität und Klassenkampf" führte das 2021 gegründete Bündnis Revolutionärer 1. Mai Frankfurt erneut eine Demonstration am 1. Mai in Frankfurt am Main durch. Teil des Bündnisses waren die trotzkistische Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) und andere Gruppen der "antiimperialistischen" Szene im Rhein-Main-Gebiet. Anders als im Vorjahr beteiligten sich autonome Gruppierungen wegen interner Auseinandersetzungen nicht an dem Bündnis; jedoch mobilisierten wie auch 2021 unter anderem Gruppen aus dem Phänomenbereich Extremismus mit Auslandsbezug für die Demonstration. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 183
  • LINKSEXTREMISMUS an, so etwa in Kassel am 8. September. Im August organisierte die SDAJ in Marburg zudem in einer Parkanlage
  • Veranstaltung "Sommer, Sonne, Sozialismus". Nach linksextremistischem Verständnis haben im "Kapitalismus" Bildungseinrichtungen nicht die Aufgabe, die Schüler zu mündigen und selbstständigen
LINKSEXTREMISMUS an, so etwa in Kassel am 8. September. Im August organisierte die SDAJ in Marburg zudem in einer Parkanlage die Veranstaltung "Sommer, Sonne, Sozialismus". Nach linksextremistischem Verständnis haben im "Kapitalismus" Bildungseinrichtungen nicht die Aufgabe, die Schüler zu mündigen und selbstständigen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, sondern sie möglichst früh "für das Kapital verwertbar" zu machen. Im Grundsatzpapier der SDAJ hieß es dazu: "Bildung in einem umfassenden Sinne ist nicht im Interesse des Kapitals. Der Staat sorgt durch seine Bewirtschaftung der 'Ressource' Bildung dafür, dass wir für das Kapital verwertbar werden. Wir sollen den Unternehmen möglichst früh und vorselektiert zur Verfügung stehen". Bewertung/Ausblick | Infolge mehrjähriger interner Auseinandersetzungen in der DKP, die im Rahmen des 22. Parteitags 2018 vorläufig beendet wurden, hatte auch die SDAJ Mitglieder verloren. Daher war das öffentliche Aktionspotenzial der SDAJ bis etwa 2019 rückläufig. Um diese Verluste auszugleichen, versucht die SDAJ in Hessen seit dieser Zeit, durch gezielte Schulaktionen wieder neue Mitglieder zu werben. Dabei will sich die SDAJ die häufige politische Unerfahrenheit von Heranwachsenden zunutze machen, um diese für sich zu gewinnen und zu indoktrinieren. Sollte es der SDAJ mit dieser Kampagne gelingen, Heranwachsende an sich zu binden, ist zu erwarten, dass die Organisation ihre Schulaktionen fortsetzen wird. ROTE HILFE E. V. (RH) Ideologie - Strukturen - Mitgliederzahlen | In Anlehnung an die 1924 in der Weimarer Republik von der KPD gegründete Rote Hilfe Deutschlands (RHD) versteht sich die RH laut ihrer Satzung als "parHessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 201
  • Gesellschaftsordnung nach islamischen Vorstellungen vollständig zu verändern und deren Rechtsgrundlagen, Werte und Herrschaftsordnungen entscheidend umzugestalten oder gänzlich abzuschaffen. Um islamistische
  • freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem demokratischen Gefüge generell: Rechtsstaatlichkeit sowie unveräußerliche Menschenund Bürgerrechte sollen vollständig überwunden werden. Das politische System
  • eine totalitär agierende Theokratie ersetzt werden, die von der rechtmäßig gewählten Legislative verabschiedeten Gesetze müssten einem sogenannten göttlichen Recht weichen
ISLAMISMUS MERKMALE Der Islam als Religion wird vom Verfassungsschutz nicht beobachtet. Muslime genießen - wie Anhänger aller anderen Religionen auch - in Deutschland das Grundrecht auf Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Unter Islamismus wird eine politische Ideologie verstanden, deren Zweck es ist, die bestehende Gesellschaftsordnung nach islamischen Vorstellungen vollständig zu verändern und deren Rechtsgrundlagen, Werte und Herrschaftsordnungen entscheidend umzugestalten oder gänzlich abzuschaffen. Um islamistische Bestrebungen handelt es sich, wenn das Handeln von Personen in einem oder für einen Personenzusammenschluss zielund zweckgerichtet danach ausgerichtet ist, gesellschaftliche und institutionalisierte Bereiche unter Berufung auf den Islam in einer Weise grundlegend und nachhaltig umzugestalten. Auf diese Weise zielen islamistische Bestrebungen darauf ab, einen oder mehrere zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehörende Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Dies kann mittels Gewaltanwendung oder Nutzung legaler Mittel geschehen. Diese Bestrebungen gründen sich auf einem Islamverständnis, das islamische Glaubensquellen und andere bedeutsame Überlieferungen in eigener Weise interpretiert. Islamistische Lesarten erheben dabei den Anspruch, eine allgemeinverbindliche Form des Islams erkannt zu haben und dessen Einhaltung diktieren zu können. AUF EINEN BLICK * Verfassungsfeindlichkeit des Islamismus * Entstehung des Islamismus * Ziele im Islamismus * Formen des Islamismus * Antisemitismus als verbindendes Element im Islamismus Verfassungsfeindlichkeit des Islamismus | Die totalitäre Veränderung einer Gesellschaft nach islamistischen Vorstellungen widerspricht elementar den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem demokratischen Gefüge generell: Rechtsstaatlichkeit sowie unveräußerliche Menschenund Bürgerrechte sollen vollständig überwunden werden. Das politische System einer demokratisch legitimierten Volksvertretung würde durch eine totalitär agierende Theokratie ersetzt werden, die von der rechtmäßig gewählten Legislative verabschiedeten Gesetze müssten einem sogenannten göttlichen Recht weichen. 206 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022
  • Zukunft soll der Islam die allein gültige gesellschaftliche und rechtliche Norm bilden. Islamisten akzeptieren in der Regel somit
  • Darüber hinaus brandmarken Islamisten die Standpunkte der etablierten islamischen Rechtsschulen als ungültige Veränderungen des Islams oder interpretieren diese Positionen zugunsten
  • reduzieren sich die Mittel und Methoden vieler Islamisten zur Rechtsfindung auf wenige frühislamische Prinzipien. Diese lassen keinen Spielraum für theologische
ISLAMISMUS Islamisten sind nicht auf Reformen bedacht, um im Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung friedlich in einer pluralistischen Gesellschaft zu leben, sondern streben nach einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse. Dabei verüben gewaltbereite Islamisten auch terroristische Gewalttaten. Die Mehrheit der Islamisten in Hessen, oft in Vereinen organisiert, nutzt weitaus subtilere Mittel: Sie strebt nach einflussreichen Positionen und versucht, ihre Interessen durch das Eindringen in relevante Bereiche von Politik und Gesellschaft zu vertreten. Entstehung des Islamismus | Der Islamismus nach heutigem Verständnis entwickelte sich im Nahen und Mittleren Osten des späten 18. und 19. Jahrhunderts als Gegenreaktion auf lokale Herrschaftsverhältnisse und als Reaktion auf den europäischen Kolonialismus: In zahlreichen islamisch geprägten Ländern versuchten Gruppierungen unterschiedlichsten Herkommens, sich gegen Benachteiligungen und Repressionen der Kolonialmächte zu wehren. Aus einer Wiederbelebung der islamischen Identität erhofften sich insbesondere Islamisten ein Erstarken ihrer Religion. Sie verbanden damit eine Universallösung für sämtliche gesellschaftlichen Probleme. Nach islamistischer Auffassung würde erst das Überwinden "unislamischer" Herrscher den Weg ebnen, an "glorreiche Zeiten" des Frühislams anzuknüpfen, die Machtverhältnisse neu zu bestimmen und alle Muslime in eine Weltgemeinde zu führen. Ziele im Islamismus | Trotz unterschiedlicher Entwicklung ist islamistischen Bewegungen ein ideologischer Kern gemeinsam: Die Vorstellung, sämtliche Probleme der Gegenwart durch eine Rückkehr zu einer idealisierten islamischen Frühzeit zu heilen und auf diese Weise eine universelle Ordnung zu schaffen, die dem Islam und seiner Glaubensgemeinschaft den höchsten Stellenwert einräumt. Für Gegenwart und Zukunft soll der Islam die allein gültige gesellschaftliche und rechtliche Norm bilden. Islamisten akzeptieren in der Regel somit nur den Koran und die überlieferte Prophetentradition (Sunna) als Grundlage für islamrechtliche Entscheidungen und Regelungen. Darüber hinaus brandmarken Islamisten die Standpunkte der etablierten islamischen Rechtsschulen als ungültige Veränderungen des Islams oder interpretieren diese Positionen zugunsten der eigenen islamistischen Auffassungen. Dabei reduzieren sich die Mittel und Methoden vieler Islamisten zur Rechtsfindung auf wenige frühislamische Prinzipien. Diese lassen keinen Spielraum für theologische Auslegungen außerhalb des Islams zu Zeiten des Propheten Muhammad zu. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 207
  • Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des vorliegenden Berichts noch nicht rechtskräftig. Am 1. Dezember verhängte das LG Frankfurt am Main gegen einen
  • Türkei nach Deutschland ausgeliefert worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Propaganda jihadistischer Gruppierungen | Die Nutzung des Internets ermöglichte es jihadistischen Gruppierungen
ISLAMISMUS aber trotzdem an einem "islamistischen Narrativ" festgehalten haben. Im April 2021 hatte die Polizei in der Wohnung des Angeklagten ein Waffen-, Sprengstoffund Munitionsarsenal sichergestellt. Zudem gab es Anhaltspunkte, dass er einen Anschlag plante. Der Verurteilte hatte die Waffen nicht nur gekauft und zusammengebaut, sondern mit ihnen auch geübt. Das Urteil war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des vorliegenden Berichts noch nicht rechtskräftig. Am 1. Dezember verhängte das LG Frankfurt am Main gegen einen 34-Jährigen wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. In einem umfassenden Geständnis sagte der Angeklagte aus, dass er Mitte 2021 mit einem Bekannten nach Syrien ausreisen wollte. Er sei aber im August im syrisch-türkischen Grenzgebiet festgenommen und zu Anfang des Berichtsjahrs von der Türkei nach Deutschland ausgeliefert worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Propaganda jihadistischer Gruppierungen | Die Nutzung des Internets ermöglichte es jihadistischen Gruppierungen, ihr Propagandamaterial mit geringem logistischen Aufwand weltweit zu verbreiten. Sie veröffentlichten die Produkte in einer hohen Schlagzahl, in verschiedenen Sprachen und in einer ansprechenden Gestaltung, sodass es möglich war, einen großen Adressatenkreis zu erreichen und einen Bezug zu den jeweiligen Staaten der "Ungläubigen" herzustellen. Der Jihad wurde zur individuellen Pflicht erklärt, wer diesen nicht führe, sein kein richtiger Muslim. Es sei "Sünde" unter "Ungläubigen" zu leben, die durch einen Anschlag "bereinigt" werden könne. Als mögliche Anschlagsszenarien wurden das Zünden einer Bombe in Menschenansammlungen oder der Angriff auf Gerichte, Botschaften oder Sicherheitszonen genannt. Zudem wurden Anleitungen zur Begehung von Attentaten oder zur Herstellung von Sprengstoff verbreitet. Da über das notwendige Know-how hinaus auch eine religiöse Legitimation für die Verbrechen geliefert wurde, könnten Einzeltäter zur Begehung eines Anschlages animiert werden. Die Verbreitung von Propaganda vereinfachte auch die Mobilisierung von (potenziellen) Kämpfern, Anhängern und Unterstützern und blieb daher für die Terrororganisationen ein zentrales Thema. Im Berichtsjahr gab es eine Vielzahl (neuer) jihadistischer Onlinemagazine, die sich auch gezielt an Personen außerhalb der organisationsgebundenen Strukturen und der Netzwerke wandten und versuchten, diese für Anschläge zu gewinnen. Weltweit waren Sympathisanten des globalen Jihads in der Lage, sich mit detailliertem "Lehrmaterial" aus dem Internet selbst auszubilden und sich in ihren Heimatländern zu betätigen, ohne unmittelbar in eine Terrororganisation eingebunden sein zu müssen. Dies umfasste sämtliche jihaHessischer Verfassungsschutzbericht 2022 - 217
  • Auslandsbezug lassen sich im Wesentlichen unterteilen in * nationalistische, rechtsextremistische Bestrebungen, * linksextremistische Bestrebungen sowie * ethnisch motivierte Autonomiebzw. Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Übergänge sind
EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG MERKMALE Der nichtreligiös motivierte Extremismus mit Auslandsbezug umfasst sicherheitsgefährdende extremistische und terroristische Bestrebungen in Deutschland, die im Zusammenhang mit politischgesellschaftlichen Entwicklungen im Ausland stehen und überwiegend von Menschen mit Bezug zu den politischen Verhältnissen in einem anderen Staat getragen werden. AUF EINEN BLICK * Gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker gerichtet * Breites Spektrum von Bestrebungen mit Auslandsbezug Gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker gerichtet | Extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung bzw. das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Bestrebungen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, indem ihre Urheber Gewalt anwenden oder darauf ausgerichtete Handlungen vorbereiten. Obwohl diese Bestrebungen nicht in erster Linie auf die Abschaffung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, können sie die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden. Breites Spektrum von Bestrebungen mit Auslandsbezug | Die Art der politischen Agitation zur Umsetzung dieser extremistischen Aktivitäten ist vielfältig. Sie reicht von Demonstrationen und Kundgebungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf bis hin zu "Spendensammelaktionen" und zur logistischen Unterstützung von Konfliktparteien im Herkunftsland. Das schließt die Unterstützung ausländischer terroristischer Gruppierungen ein. Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Organisationen mit Auslandsbezug lassen sich im Wesentlichen unterteilen in * nationalistische, rechtsextremistische Bestrebungen, * linksextremistische Bestrebungen sowie * ethnisch motivierte Autonomiebzw. Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Übergänge sind dabei oft fließend. 266 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2022

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