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"links or rechts" in den Verfassungsschutz Trends
  • Rechtsextremismus Straße, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Parlamente") entwickelt, die 2004 mit dem "Kampf um den organisierten Willen
  • Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) oder beteiligte sich an rechtsextremistischen Großdemonstrationen anderer Veranstalter (u. a. "Dresden Gedenken"). Mitglieder ihrer Jugendorganisation, der "Jungen
  • gemeinsame Demonstration zum 1. Mai mit der Partei "Die Rechte" in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). In Niedersachsen haben schon seit Jahren
Rechtsextremismus Straße, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Parlamente") entwickelt, die 2004 mit dem "Kampf um den organisierten Willen" zu einem Vier-Säulen-Konzept ausgebaut wurde. Zurzeit deutet jedoch vieles darauf hin, dass die bisherige Strategie nicht fortgeführt wird. Hintergrund dürfte die anhaltende Krise der Partei sein, in der sie sich seit Jahren befindet. Hatte die NPD bei Wahlerfolgen in der Vergangenheit noch von den Protestbewegungen gegen die Sozialreformen der Bundesregierung profitiert, verschob sich ab 2014 der thematische Schwerpunkt in Richtung "Asylmissbrauch" und "Überfremdung". Auf Grundlage des Positionspapiers "Wille - Gemeinschaft - Tat" und infolge der seit der Bundestagswahl 2017 anhaltenden Schwäche als Wahlpartei, versucht die NPD, sich verstärkt als Weltanschauungspartei auszurichten. So hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende Thorsten Heise 2018 innerhalb der Partei den sogenannten völkischen Flügel ausgerufen, dem auch einige niedersächsische Funktionäre angehören. Der Bundesvorsitzende Franz erklärte nach dem Bundesparteitag im Hinblick auf den Kampf um die Parlamente, dass "die NPD in Zukunft nicht mehr als die Wahlpartei geplant ist, wie wir sie aus den letzten Jahren kennen". Die mangelnde Kampagnenfähigkeit der Partei lässt auch den "Kampf um die Straße" in den Hintergrund rücken. Im Berichtsjahr organisierte sie nur wenige eigene kleinere Veranstaltungen, wie z. B. den Trauermarsch am 08.05.2022 in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) oder beteiligte sich an rechtsextremistischen Großdemonstrationen anderer Veranstalter (u. a. "Dresden Gedenken"). Mitglieder ihrer Jugendorganisation, der "Jungen Nationalisten" (JN), unterstützten eine gemeinsame Demonstration zum 1. Mai mit der Partei "Die Rechte" in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). In Niedersachsen haben schon seit Jahren keine Demonstrationen mehr stattgefunden. Bundesparteitag der NPD in Hessen Am 14. und 15.05.2022 fand im hessischen Altenstadt der erste Bundesparteitag der NPD seit 2019 statt. Die rund 150 Delegierten bestätigten den Bundesvorsitzenden Frank Franz in seinem Amt, der sich damit gegen seinen Herausforderer Lennart Schwarzbach aus Hamburg durchsetzen konnte. Schwarzbach, der die parteiinterne Opposition der sogenannten Traditionalisten anführte, erhielt nur halb so viele Stimmen wie Franz. Dessen Stellvertreter wurden Thorsten Heise (Thüringen), Sebastian Schmidtke (Thüringen) und der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt (Berlin). Der neue Vorsitzende der NPD-Jugendorganisation, Sebastian Weigler aus Braunschweig, der eine Rede zur Lage der JN hielt, wurde als Beisitzer erstmals in den Bundesvorstand gewählt. 103
  • Rechtsextremismus Mit den Netzwerktagen verfolgt die NPD ihre spätestens seit dem letzten Bundesparteitag im Mai offen proklamierte Strategie, weniger
  • Teilnahme mehrerer unterschiedlicher Akteure aus dem Bereich des Rechtsextremismus verdeutlicht ein Vernetzungsinteresse. Dass es darüber hinaus zu einer tatsächlichen Zusammenarbeit
  • ähnlicher, jährlich wiederkehrender Veranstaltungen (Sonnenwendfeiern u. a.). 2.10 Die Rechte Sitz/Verbreitung Sitz des Bundesverbandes: Dortmund (Nordrhein-Westfalen); Sitz des Landesverbandes
Rechtsextremismus Mit den Netzwerktagen verfolgt die NPD ihre spätestens seit dem letzten Bundesparteitag im Mai offen proklamierte Strategie, weniger als Partei, sondern vermehrt als "Netzwerker, Dienstleister, punktueller Bündnispartner und regionaler Motor von Bürgerprotesten" aufzutreten. Ein Beispiel hierfür ist die Gründung der NPD-nahen Kleinstpartei "Freie Sachsen". Aufgrund dieser parteiintern umstrittenen Strategie war der traditionelle Flügel beim Netzwerktag gar nicht vertreten, und die JN nur mit einer Person. Die Teilnahme mehrerer unterschiedlicher Akteure aus dem Bereich des Rechtsextremismus verdeutlicht ein Vernetzungsinteresse. Dass es darüber hinaus zu einer tatsächlichen Zusammenarbeit der insgesamt nach wie vor heterogenen Szene kommt, ist jedoch fraglich. Die Bemühungen des niedersächsischen Landesverbandes konzentrierten sich auf Veranstaltungen im eigenen Objekt in Eschede, die jedoch wie in den Vorjahren keine größere Resonanz erzeugten und immer wieder von Gegendemonstrationen begleitet wurden. Der "Hof Finkenberg" kann als Ankerpunkt der NPD und ihrer politischen Arbeit in Niedersachsen betrachtet werden, auch wenn die Partei in den meisten Landesteilen faktisch nicht mehr präsent oder wahrnehmbar ist. Der schleichende Niedergang wird dadurch aber nicht aufgehalten. Eine Entwicklung zu einem Gemeinschaftsoder Bildungszentrum von überregionaler Bedeutung zeichnet sich derzeit nicht ab. Das diesjährige "politische Herbstfest", ehemals auch von der NPD als "Erntedankfest" bezeichnet, stellt hier keine Ausnahme dar, sondern reiht sich ein in eine Kette ähnlicher, jährlich wiederkehrender Veranstaltungen (Sonnenwendfeiern u. a.). 2.10 Die Rechte Sitz/Verbreitung Sitz des Bundesverbandes: Dortmund (Nordrhein-Westfalen); Sitz des Landesverbandes: Braunschweig Gründung/ 2012 (Bundesverband); Bestehen seit 2013 (Landesverband) Struktur/ Bundesvorsitzender: Christian Worch ; Landesvorsitzender: Martin Repräsentanz Kiese; neun Landesverbände im Bundesgebiet; 108
  • NVerfSchG. Sie richtet sich gegen den demokratischen Rechtsstaat (Art. 20 GG) und in Teilen gegen die im Grundgesetz verbrieften Freiheits
  • Hose und Hemd mit "Sturmvogel"-Emblem auf dem linken Ärmel. Im Rahmen des Sommerlagers führte eine vierköpfige Mädchengruppe in "Sturmvogel
Rechtsextremismus Die Verfassungsfeindlichkeit "Völkischer Personenzusammenschlüsse/Völkischer Siedler in Niedersachsen" zeigt sich in ihrer fundamentalen Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach SS 4 Abs. 3 NVerfSchG. Sie richtet sich gegen den demokratischen Rechtsstaat (Art. 20 GG) und in Teilen gegen die im Grundgesetz verbrieften Freiheits-, Gleichheitsund Menschenrechte (Art. 1 - 4 GG). Ebenfalls widerspricht sie dem Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 GG) und dem Gedanken des friedlichen Zusammenlebens der Völker (Art. 26 GG). Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Völkischer Jugendbund veranstaltet Sommerlager In der Zeit vom 30.07. bis 07.08.2022 führte die völkische Organisation "Der Sturmvogel - Deutscher Jugendbund" unter dem Leitsatz "Der Fröhlichkeit die Türen auf"35 ein Sommerlager mit vermutlich bundesweiter Beteiligung auf dem "Immenhof" in der Gemeinde Bispingen (Landkreis Heidekreis) durch. Auf dem "Immenhof" hatte zuvor vom 24. bis 26.06.2022 ein Treffen zur geplanten Gründung einer Siedlungsgemeinschaft stattgefunden, an dem etwa 60 Personen mit Verbindungen zu Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und zur völkisch geprägten "Anastasia-Bewegung" teilgenommen haben. Der "Immenhof" selbst steht beim Amtsgericht Soltau zur Versteigerung an. An dem Sommerlager im Dorf Hützel nahmen etwa 30 bis 40 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen acht und 25 Jahren teil. Auf dem Grundstück wurden sechs Zelte, zwei Gemeinschaftszelte und ein Fahnenmast mit einer gehissten Fahne der Organisation festgestellt. Das Programm umfasste neben dem Musizieren und körperlicher Betätigung auch eine ideologische Schulung. Die Teilnehmenden trugen eine Kluft aus Rock und Bluse bzw. aus Hose und Hemd mit "Sturmvogel"-Emblem auf dem linken Ärmel. Im Rahmen des Sommerlagers führte eine vierköpfige Mädchengruppe in "Sturmvogel"-Kluft und mit Wimpelstab am 02.08.2022 in der Lüneburger Fußgängerzone eine öffentlichkeitswirksame 35 Der Leitsatz des Lagers: "Der Fröhlichkeit die Türen auf" ist Titelzeile eines Liedes von Hans Baumann (1914-1988), einem ehemaligen Mitglied der Reichsführung der Hitlerjugend. 115
  • Rechtsextremismus Musikdarbietung auf. Presseberichten zufolge gaben die Mädchen an, aus Kiel, Leipzig, Rostock und Uelzen zu kommen
  • Erziehung und Schule Völkische Siedler sind darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auf Kinder und Jugendliche zu übertragen. Dieser generationenübergreifende Ansatz
  • pluralistischer Wertvorstellungen andererseits. Die Institution Schule ist aus (rechts-)extremistischer Perspektive oftmals ein Indoktrinationsinstrument des verhassten Staates
Rechtsextremismus Musikdarbietung auf. Presseberichten zufolge gaben die Mädchen an, aus Kiel, Leipzig, Rostock und Uelzen zu kommen und in der Tradition des historischen "Wandervogels" zu stehen, womit eine unpolitische Betätigung assoziiert werden sollte.36 Völkische Aktivitäten in den Bereichen Bildung, Erziehung und Schule Völkische Siedler sind darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auf Kinder und Jugendliche zu übertragen. Dieser generationenübergreifende Ansatz nimmt insbesondere in völkischen Familien einen hohen Stellenwert ein. Zur völkisch ausgerichteten Lebensweise gehört deshalb auch die Befassung mit pädagogischen Themen. Die Herstellung einer Gruppenkonformität ist dabei als übergeordnetes Ziel zu werten. Diese soll dazu dienen, die eigenen Kinder gegen die als schädlich empfundenen gesellschaftlichen Einflüsse zu immunisieren und sie im Sinne des eigenen extremistischen Weltbildes charakterlich zu festigen. Im Fall von schulpflichtigen Kindern ergibt sich daraus zwangsläufig ein Spannungsverhältnis zwischen der familiären bzw. außerschulischen Sozialisierung einerseits und der insbesondere im schulischen Lehrplan vorgesehenen Vermittlung demokratischer und pluralistischer Wertvorstellungen andererseits. Die Institution Schule ist aus (rechts-)extremistischer Perspektive oftmals ein Indoktrinationsinstrument des verhassten Staates bzw. ein Ort, an dem dieser den Schülerinnen und Schülern gezielt seine "Agenda" von Toleranz, Multikulturalismus und Liberalismus beibringt. Gleichzeitig ist eine elterliche Einflussnahme auf die in staatlichen Schulen vermittelten Inhalte nur schwer möglich. Angesichts dieser kaum lösbaren Konfliktsituation erscheint es für viele extremistisch geprägte Erziehungsberechtigte folgerichtig, ihre Kinder dem staatlichen Schulbetrieb nach Möglichkeit zu entziehen. Im Berichtszeitraum sind diesbezüglich verschiedene Strategien und Vorgehensweisen völkischer Akteure festgestellt worden. So gab es in Einzelfällen Versuche der ideologischen Einflussnahme auf Schulen in freier Trägerschaft. 36 Als "Wandervogel" wird eine Jugendbewegung bezeichnet, die um 1900 entstanden ist und die den Beginn der Jugendbewegung in Deutschland darstellt. Ziel der Bewegung in dieser Zeit war es, mit Gruppen von Gleichaltrigen zu wandern. 116
  • Rechtsextremismus Freie Schulen verfügen mitunter über geringere Kontrollmechanismen, was Lerninhalte, Lehrkörper und Anwesenheitspflichten betrifft. Aufgrund einer in der Regel geringeren
  • Unterrichtsabläufe zu nehmen. U. a. wurde versucht, völkische bzw. rechtsextremistische Schriften in den Schulalltag zu integrieren. Aus dem völkischen Spektrum
Rechtsextremismus Freie Schulen verfügen mitunter über geringere Kontrollmechanismen, was Lerninhalte, Lehrkörper und Anwesenheitspflichten betrifft. Aufgrund einer in der Regel geringeren Schülerzahl bieten sie gleichzeitig im Rahmen der Elternarbeit häufig ungleich höhere Beteiligungsund Einflussmöglichkeiten als staatliche Schulen. In diesem Umfeld ist es etwa völkischen Siedlern eher möglich, ihre Ideologie subtil innerhalb der Elternund Lehrerschaft einzustreuen oder durch unterschiedliches Engagement in die schulischen Strukturen einzubringen. Mittelfristig kann dies zu einer Normalisierung bzw. Akzeptanz völkischer Ideologie führen. Innerhalb der Schulgemeinschaft lässt sich so ein Status erlangen, der es erleichtert, Einfluss auf bestimmte Lerninhalte und Unterrichtsabläufe zu nehmen. U. a. wurde versucht, völkische bzw. rechtsextremistische Schriften in den Schulalltag zu integrieren. Aus dem völkischen Spektrum sind auch vermehrt Bemühungen festzustellen, Kinder gänzlich dem regulierten Schulbetrieb bzw. dessen Strukturen zu entziehen und diese privat als sogenannte Freilerner zu unterrichten. Eine herausgehobene Rolle sowohl in der Argumentation als auch in der Zielsetzung von Bildung, Erziehung und Schule spielen für völkische Siedler die Schriften der "Anastasia-Bewegung" und ein daraus abgeleitetes Pädagogikkonzept. Im Zentrum der Buchreihe steht die Idee der Gründung von autarken Familienlandsitzen und deren Zusammenschluss. Die in den Büchern hergeleitete Ideologie besteht im Wesentlichen aus der fundamentalen Ablehnung der modernen Gesellschaft bzw. ihrer als überaus schädlich empfundenen Begleiterscheinungen (Drogenkonsum, Kapitalismus, Krieg, Prostitution usw.). Als Gegenmodell wird das Idealbild einer natürlichen und naturverbundenen Lebensweise entworfen. Gesellschaftlicher Pluralismus wird strikt abgelehnt, ethnische Homogenität und "Reinheit" hingegen als das naturgewollte Idealbild präsentiert. Darüber hinaus enthalten die Schriften zahlreiche eindeutig antisemitische Passagen. In der Gesamtbetrachtung bietet die Buchreihe diverse Anknüpfungspunkte für die völkische Blut-und-Boden-Ideologie. In den "Anastasia"-Büchern sind die Themen Bildung und Erziehung von zentraler Bedeutung. Bereits in "unseren" Kindern sei "alles Wissen angelegt", dessen Entfaltung aber durch die Einflüsse der modernen Welt verhindert werde. Diese vermeintliche Erkenntnis dient Anhängern der "Anastasia-Bewegung" als Fundament eigener Pädagogikkonzepte. Die relevanteste pädagogische Umsetzung der "Anastasia"-Ideologie ist das sogenannte Schetinin-Konzept. Im Jahr 1997 gründete der mittlerweile verstorbene russische Staatsbürger Michail Petrowitsch Schetinin in der südrussischen Stadt Tekos eine von der "Anastasia"-Buchreihe inspirierte Schule. Das Pädagogikkonzept umfasst weder Lehrpersonal im engeren Sinn noch konkrete 117
  • Rechtsextremismus Unterrichtsfächer. Kinder sind nach diesem Konzept sowohl Schüler als auch Lehrer. Insgesamt soll eine ganzheitliche Schulbildung entstehen, die sich
  • können. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Im Zusammenhang mit der Bildung rechtsextremistischer Netzwerke sind die durch mediale Berichterstattung wiederholt
Rechtsextremismus Unterrichtsfächer. Kinder sind nach diesem Konzept sowohl Schüler als auch Lehrer. Insgesamt soll eine ganzheitliche Schulbildung entstehen, die sich auf die nach Schetinin elementaren - aus den Lehren der "Anastasia-Bewegung" abgeleiteten - Lebensbereiche erstreckt. Die Schetinin-Pädagogik hat mittlerweile auch in Deutschland viele Unterstützer. Sie wird nicht zuletzt durch weitreichenstarke Multiplikatoren aus völkischen Kreisen, aber auch aus der Szene der "Staatsdelegitimierer" (Corona-Leugner, Querdenker usw.) verbreitet und beworben. Im Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates"37 bildet die aktive Ablehnung des staatlich organisierten Schulsystems ebenfalls ein zentrales Element. Nicht nur die vermittelten Inhalte, auch die Corona-Schutzmaßnahmen, mit denen die Schülerinnen und Schüler während der Pandemie konfrontiert waren, stoßen in diesem Milieu teilweise auf erheblichen Widerstand. In den vergangenen Monaten richtete sich dieser konkret gegen einzelne Schulen und Schulvertreter sowie gegen politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler. Im Milieu der Corona-Leugner und Querdenker ist deshalb ein verstärktes Interesse bzw. eine vermehrte Sympathie für alternative Konzepte und Methoden in Bezug auf Bildung, Erziehung und Schule zu erkennen, auch hinsichtlich der Schetinin-Pädagogik. Daraus ergeben sich wiederum Schnittmengen und Kontakte zum völkischen Spektrum. In Niedersachsen sind bislang keine an der "Anastasia-Bewegung" bzw. an der Schetinin-Pädagogik angelehnte Schulgründungen oder -gründungsversuche bekannt geworden. Allerdings wurden auch in Niedersachsen Seminare und Schulungen sogenannter FreilernenIni tiativen festgestellt, die stark an der Schetinin-Pädagogik orientiert sind. Ein wesentliches Ziel dieser Schulungen besteht darin, die Teilnehmenden in die Lage zu versetzten, ihre Kinder eigenständig bzw. zu Hause unterrichten zu können. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Im Zusammenhang mit der Bildung rechtsextremistischer Netzwerke sind die durch mediale Berichterstattung wiederholt in den 37 Siehe Kapitel 2.3 "Aktuelle Entwicklungen". 118
  • Rechtsextremismus Grund der Beobachtung/Verfassungsfeindlichkeit Als "Reichsbürger und Selbstverwalter" werden Einzelpersonen und informell organisierte Gruppierungen sowie virtuelle Netzwerke bezeichnet, deren zentrales
  • fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat, seiner gesamten Rechtsordnung und deren Repräsentanten ist. Diese Überzeugung ist eng verknüpft
Rechtsextremismus Grund der Beobachtung/Verfassungsfeindlichkeit Als "Reichsbürger und Selbstverwalter" werden Einzelpersonen und informell organisierte Gruppierungen sowie virtuelle Netzwerke bezeichnet, deren zentrales organisationsübergreifendes bzw. personenübergreifendes Ideologieelement die fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat, seiner gesamten Rechtsordnung und deren Repräsentanten ist. Diese Überzeugung ist eng verknüpft mit einem verschwörungsideologischen Weltbild und der Vorstellung, die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat. Über diese verbindenden Ideologieelemente hinaus, stellt sich die Szene der "Reichsbürger und Selbstverwalter" als äußerst heterogen und uneinheitlich dar. "Reichsbürger" sind überzeugt, weiterhin und ausschließlich Angehörige eines "Deutschen Reiches" zu sein und nicht Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Je nach Gruppierung oder Person werden unterschiedliche historische Bezugspunkte, insbesondere die Jahre 1871, 1914 und 1937, für die "Reorganisation des Deutschen Reiches" angeführt. Gemeinsam ist allen der Rückgriff auf einen historischen und undemokratischen deutschen Staat sowie auf Grenzverläufe als Hoheitsgebiet, die deutlich über das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland hinausgehen. An die Stelle der aktuellen Staatsform und seiner institutionellen Ordnung soll eine eigene selbsternannte "Reichsregierung" treten, die in Zukunft die Regierungsgeschäfte für Deutschland führen soll. Bei den "Selbstverwaltern" handelt es sich um eine Gruppe von zumeist Einzelpersonen, die im Gegensatz zu "Reichsbürgern" nicht vom Weiterbestehen des Deutschen Reiches überzeugt sind. Die "Selbstverwalter" behaupten, sie könnten durch eine Erklärung ihrerseits oder durch den Rückgriff auf ein selbstdefiniertes Naturrecht aus der Bundesrepublik Deutschland austreten oder sie verneinen deren Existenz komplett. Einige "Selbstverwalter" gehen so weit, eigene Staatsgebilde auszurufen und ihr Haus oder Grundstück als souveränes Staatsgebiet zu proklamieren. Die Grenzen zwischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" sind fließend und bei vielen Personen vermischen sich Argumentationsmuster aus beiden Bereichen. Eine scharfe Trennung ist daher in der Praxis häufig nicht möglich. Aus der fundamentalen Ablehnung des Staates, seiner Behörden und Institutionen heraus sehen "Reichsbürger und Selbstverwalter" 122
  • Rechtsextremismus Selbstverwaltern" angeblich "reaktivierten" oder "reorganisierten" Gemeinden. So bezeichnen sie Ortschaften, wenn sie diese für unabhängig erklären bzw. eine eigene
  • versucht, eigene selbst produzierte "Reichsführerscheine" oder "Reichspersonenausweise" im offiziellen Rechtsverkehr zu verwenden. Der Verkauf solcher fiktiven Dokumente stellt zudem für
Rechtsextremismus Selbstverwaltern" angeblich "reaktivierten" oder "reorganisierten" Gemeinden. So bezeichnen sie Ortschaften, wenn sie diese für unabhängig erklären bzw. eine eigene Verwaltung für diese Gemeinden beanspruchen. Einige "Reichsbürger" zeichnen sich zudem durch die Erstellung und Verwendung von Phantasiedokumenten aus. Es wird versucht, eigene selbst produzierte "Reichsführerscheine" oder "Reichspersonenausweise" im offiziellen Rechtsverkehr zu verwenden. Der Verkauf solcher fiktiven Dokumente stellt zudem für einzelne Personen aus der Reichsbürgerszene eine lukrative Einnahmequelle dar. Die Reichsbürgerszene insgesamt verfügt über ein außerordentlich hohes Sendungsbewusstsein und vertritt ihre Ideologie offensiv nach außen. Zur Verbreitung ihrer Ideen und um andere Menschen für die eigene Sache zu gewinnen, greifen sie vorzugsweise auf das Internet zurück. Dabei dienen vor allem umfangreiche selbst erstellte Websites und Soziale Medien als Verbreitungsplattformen für die eigenen Inhalte. In letzter Zeit werden zunehmend auch Messenger-Dienste wie Telegram genutzt. Lokale Stammtische und andere niedrigschwellige persönliche Treffen dienen ebenfalls dazu, andere Menschen an die Reichsbürgerideologie heranzuführen und sich untereinander zu vernetzen. Unter "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" ist seit vielen Jahren eine ausgeprägt pro-russische Haltung verbreitet. In der Kommentierung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zeigt sich die Heterogenität der Szene deutlich. Es überwiegt ein Bild von Russland, mit einem vermeintlich starken Staatsoberhaupt, militärischer Potenzialität und nationalistischen Interessen, welches "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" als idealtypisches Staatsgebilde gilt. Zudem ist die kritiklose Übernahme russischer Staatspropaganda in diesen Kreisen verbreitet. Im Gegensatz dazu wird in einem Video der Internetpräsenz "staatenlos.info", die dem Reichsbürgermilieu zuzuordnen ist, das transnationale Verteidigungsbündnis NATO als schwach und jüdischen Interessen unterworfen dargestellt. Hierin spiegelt sich der Antisemitismus der Reichsbürgerszene wider. 39 39 Vgl. "Was ist, wenn Putin die Ukraine nicht angreift?", in: "staatenlos.info"; abgerufen auf "rutube.ru" am 18.11.2022. 124
  • Rechtsextremismus Gewaltpotenzial und Verhältnis zu Waffen Bei einem Teil der "Reichsbürger und Selbstverwalter" führt die absolute Ablehnung der Legitimität staatlichen
  • auch mit Gewalt Nachdruck zu verleihen bzw. sich bestehendem Recht und Gesetz zu widersetzen, stellt der Waffenbesitz eine potenzielle Gefahr
  • für den demokratischen Rechtsstaat und dessen Repräsentanten dar. Um das Gefahrenpotenzial zu minimieren, werden waffenrechtliche Erlaubnisse, soweit rechtlich möglich, entzogen
  • Reichsbürgerszene und der darin immanenten Ablehnung des geltenden Rechts zu verneinen. In Niedersachsen wurden aus diesem Grund bereits mehreren Personen
Rechtsextremismus Gewaltpotenzial und Verhältnis zu Waffen Bei einem Teil der "Reichsbürger und Selbstverwalter" führt die absolute Ablehnung der Legitimität staatlichen Handelns als weitere Eskalationsstufe zu aggressiven und gewalttätigen Verhaltensweisen gegenüber Gerichten, Behörden und insbesondere Polizeibeamten. Immer wieder haben "Reichsbürger" körperliche Gewalt angedroht und tatsächlich auch ausgeübt. Exemplarisch seien hier die Schusswechsel von "Reichsbürgern" mit der Polizei in Bayern und Sachsen-Anhalt genannt, bei denen am 19.10.2016 im bayerischen Georgensgmünd (Landkreis Roth) ein Polizeibeamter durch einen "Reichsbürger" erschossen wurde. Auch in Niedersachsen haben sich "Reichsbürger" bereits mit körperlicher Gewalt, zum Teil auch unter Einsatz von Waffen, gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr gesetzt. Beispielhaft hierfür ist das Verhalten einer Familie aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont, die in den Jahren 2018 und 2019 wiederholt mit Behördenvertretern in Konflikt geraten war. Zwei Familienmitglieder wurden im Februar 2020 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Aus der staatsablehnenden Grundhaltung der "Reichsbürger und Selbstverwalter" lässt sich ableiten, dass sich derartige Widerstandshandlungen wiederholen dürften. Angehörige der Reichsbürgerszene weisen allgemein eine Affinität zu Waffen auf. Durch die Bereitschaft von "Reichsbürgern und Selbstverwaltern", ihren eigenen Staatsvorstellungen teilweise auch mit Gewalt Nachdruck zu verleihen bzw. sich bestehendem Recht und Gesetz zu widersetzen, stellt der Waffenbesitz eine potenzielle Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat und dessen Repräsentanten dar. Um das Gefahrenpotenzial zu minimieren, werden waffenrechtliche Erlaubnisse, soweit rechtlich möglich, entzogen, sobald eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene bekannt wird. Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt voraus, dass der Erlaubnisinhaber die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzt. Diese Zuverlässigkeit ist jedoch im Fall einer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene und der darin immanenten Ablehnung des geltenden Rechts zu verneinen. In Niedersachsen wurden aus diesem Grund bereits mehreren Personen die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen. Die Überprüfung von Personen mit einer entsprechenden Genehmigung, die zugleich Bezüge zur Reichsbürgerideologie aufweisen, erfolgt fortlaufend und 125
  • Rechtsextremismus legitimer Staat, weshalb sämtliche Beschränkungsmaßnahmen keine Rechtsgrundlage besäßen und mithin nicht zu befolgen seien. In einschlägigen Kanälen auf Messenger
Rechtsextremismus legitimer Staat, weshalb sämtliche Beschränkungsmaßnahmen keine Rechtsgrundlage besäßen und mithin nicht zu befolgen seien. In einschlägigen Kanälen auf Messenger-Diensten und bei entsprechenden Gruppen in den Sozialen Medien vermischen sich zunehmend Reichsbürgerthesen mit allgemeinen Verschwörungserzählungen und Protestaufrufen gegen die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen. Angetrieben von der Dynamik des Protestgeschehens gegen die Corona-Politik haben sich in den Sozialen Medien und bei Messenger-Diensten diverse Mischszenen aus Anhängerinnen und Anhängern der Reichsbürgerideologie und weiteren, auch nicht ex tremistischen Personen aus dem Umfeld der Corona-Leugnerinnen und Corona-Leugner und Anhängerinnen und Anhänger anderer Verschwörungstheorien herausgebildet. Ebenso haben "Reichsbürger" wiederholt an lokalen Demonstrationen gegen die Corona-Politik in Niedersachen teilgenommen. Gerade zu dem stark radikalisierten Teil dieser Protestbewegung bestehen deutliche ideologische Schnittmengen. Der Glaube an ähnliche, im Kern oft antisemitische, globale Verschwörungserzählungen und die Überzeugung, das deutsche Volk oder der deutsche Staat seien nicht souverän, dient als verbindendes Element über die Szenegrenzen hinweg. Eine zunehmende Entgrenzung der Reichsbürgerszene in ideologischer und personeller Hinsicht ist die Folge. Viele "Reichsbürger" vertreten neben eindeutigen Reichsbürgerthesen auch antidemokratische oder den Staat delegitimierende Verschwörungserzählungen und Argumentationen aus der Corona-Leugner-Szene. Im Laufe des Jahres konnte der beginnende Wandel in der thematischen Ausrichtung des hieran anknüpfenden Protestgeschehens beobachtet werden. Analog zur medialen Berichterstattung verliert die Corona-Pandemie bei "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" an Bedeutung. Aktuelle Themen, die weite Teile der Gesellschaft beschäftigen, wie etwa steigende Inflationsraten und Energiekosten oder Sorgen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ergänzen das bisherige Hauptthema. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen steht weniger im Mittelpunkt als die Absicht, mit flexiblen Inhalten aktuelle gesellschaftliche Umbrüche und staatsbzw. demokratieferne Haltungen in der Gesellschaft aufzugreifen, um weitere Anhänger für das eigene ablehnende Handeln zu gewinnen. Ein 131
  • Rechtsextremismus ideologisch kohärentes Weltbild ist bei einem Teil der "Reichsbürger und Selbstverwalter" nicht vorhanden. Gleichzeitig werden Reichsbürgerthesen und Argumente
  • gleichbleibend hohe Aktivitätsniveau von "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" ist die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Verallgemeinernde Aussagen über eine
Rechtsextremismus ideologisch kohärentes Weltbild ist bei einem Teil der "Reichsbürger und Selbstverwalter" nicht vorhanden. Gleichzeitig werden Reichsbürgerthesen und Argumente in vielen im Zuge des Protestgeschehens neu entstandenen digitalen Kommunikationskanälen häufiger ohne Widerspruch geteilt und verbreitet. Diese stärkere Entgrenzung und Vernetzung über den Phänomenbereich hinaus führt dazu, dass eine alleinige Zuordnung von neu erfassten Personen zum Bereich der "Reichsbürger und Selbstverwalter" teilweise nicht sinnvoll erscheint. In Anbetracht dieser Entwicklungen steht zu befürchten, dass Personen aus dem radikalisierten Umfeld demokratiefeindlicher Proteste mit einer hohen Affinität zu Verschwörungserzählungen, Anschluss in der Reichsbürgerszene finden und dort ein geschlossenes extremistisches Weltbild entwickeln. Durch die weitere Verbreitung der Reichsbürgerideologie sowie durch das ausgeprägte Sendungsbewusstsein und das gleichbleibend hohe Aktivitätsniveau von "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" ist die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Verallgemeinernde Aussagen über eine etwaige gewalttätige Ausrichtung in Bezug auf dieses Personenpotenzial lassen sich wegen der Heterogenität der Szene nicht treffen. Gleichwohl besteht jederzeit die Möglichkeit, dass einzelne Personen vor allem im Umgang mit Behördenmitarbeitenden oder als Reaktion auf staatliche Maßnahmen zu Gewalt greifen, um ihre Anliegen durchzusetzen. Hinweise auf gezielte kriminelle oder gar terroristische Handlungen von einzelnen "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" liegen derzeit nicht vor. Gleiches gilt für den gezielten Aufbau von (verdeckt operierenden) Gruppen zum koordinierten Angriff auf staatliche Einrichtungen oder Mitarbeitende. Der Niedersächsische Verfassungsschutz bietet mehrere Präventionsund Informationsangebote zum Thema "Reichsbürger und Selbstverwalter" an. Neben Vorträgen hält der Niedersächsische Verfassungsschutz ein Faltblatt mit dem Titel "Reichsbürger und Selbstverwalter" vor, das auf der Webseite des Niedersächsischen Verfassungsschutzes zum Download zur Verfügung steht. 132
  • Linksextremismus übersehen. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, könnte das postautonome Projekt zumindest an seine Grenzen stoßen, wenn nicht sogar obsolet
  • werden. 3.4 Autonome/Postautonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Sitz/Verbreitung Landesweite Präsenz mit Schwerpunkten in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück
Linksextremismus übersehen. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, könnte das postautonome Projekt zumindest an seine Grenzen stoßen, wenn nicht sogar obsolet werden. 3.4 Autonome/Postautonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten Sitz/Verbreitung Landesweite Präsenz mit Schwerpunkten in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück Mitglieder/Anhänger/ Niedersachsen: 770 Sympathisanten Publikationen "autonomes Blättchen", Hannover (unregelmäßig) Finanzierung Finanzierung von Aktionen und Kampagnen durch Spenden sowie Solidaritätsveranstaltungen, keine Mitgliedsbeiträge Kurzportrait/Ziele Das Ziel autonomer Gruppierungen ist es, den Staat und seine Institutionen auch gewaltsam abzuschaffen und durch eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu ersetzen. Die autonome Bewegung kennt dabei keine mit kommunistischen Organisationen vergleichbare einheitliche und dogmatische Ideologie. Ihr Weltbild setzt sich vielmehr aus kommunistischen und anarchistischen Elementen zusammen. Die verschiedenen Gruppen der autonomen Bewegung finden sich über Aktionsund Themenfelder zusammen, die sich zu einem erheblichen Teil an aktuellen politischen Ereignissen und Problemfeldern orientieren. Diese Vorgehensweise soll dazu beitragen, den autonomen Widerstand öffentlich besser zu vermitteln, um so bis in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig zu werden. 143
  • Linksextremismus Schon seit Jahren leidet die autonome Szene sowohl bundesweit als auch in Niedersachsen unter internen Streitigkeiten, einer hohen Fluktuation
  • nach Meinung der "Autonomen" schützenden demokratischen Rechtsstaat werben. Ideologisch orientieren sie sich an marxistisch-leninistischen und anarchistischen Weltbildern. Sie verzichten
  • viele Personen zu erreichen und mittelfristig zu radikalisieren. "Interventionistische Linke" (IL) Die IL ist zurzeit das bedeutendste und größte postautonome
Linksextremismus Schon seit Jahren leidet die autonome Szene sowohl bundesweit als auch in Niedersachsen unter internen Streitigkeiten, einer hohen Fluktuation und mangelnder Motivation ihrer Akteure. So existieren autonome Gruppierungen oft nur kurzfristig: sie benennen sich entweder um, fusionieren oder lösen sich ganz auf. Verantwortlich dafür sind vor allem ungelöste Organisationsdebatten und eine theoretische Orientierungslosigkeit. Diese Entwicklung hat die "Autonomen" in eine schon seit Jahren andauernde substanzielle inhaltliche und strukturelle Krise gestürzt. Teile der autonomen Szene reflektieren diese Missstände schon seit Längerem und versuchen, für konkrete Projekte Gruppenstrukturen und Netzwerke aufzubauen. Diese sich oft als postautonom bezeichnenden Gruppierungen verstehen sich nach wie vor als "Autonome", auch wenn sie sich in einigen Punkten von diesen unterscheiden. Ihre Politik ist langfristiger angelegt und verfolgt eine Strategie der kleinen Schritte. Sie wollen sich organisieren, vernetzen und betreiben innerhalb des autonomen Spektrums eine strategische Bündnisorientierung mit einer breiten Öffnung ins demokratische Spektrum und zu bislang unpolitischen Bevölkerungsschichten. Dort wollen sie für einen Bruch mit dem Kapitalismus und den ihn nach Meinung der "Autonomen" schützenden demokratischen Rechtsstaat werben. Ideologisch orientieren sie sich an marxistisch-leninistischen und anarchistischen Weltbildern. Sie verzichten aber bewusst auf eine exakte ideologische Festlegung und somit auf eine dogmatische Interpretation der marxistischen und anarchistischen Klassiker. Diese ideologische Unverbindlichkeit macht es ihnen möglich, sich auf der Basis von Minimalkonsensen bis weit in orthodoxe, aber auch in nichtextremistische Kreise zu vernetzen. So wollen sie in einem langfristigen Prozess die herrschenden Verhältnisse überwinden und eine kommunistische Gesellschaft errichten. "Postautonome" greifen deshalb aktuelle politische (Krisen-)Themen auf, die bis in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig sind und versuchen, über deren gezielte Zuspitzung möglichst viele Personen zu erreichen und mittelfristig zu radikalisieren. "Interventionistische Linke" (IL) Die IL ist zurzeit das bedeutendste und größte postautonome Bündnis. Sie entstand 1999 als eine "strategische Verabredung" 145
  • Linksextremismus das "Zwischenstandspapier" der IL bis heute noch nicht erkennbar weiterentwickelt worden. Stieg die Anzahl ihrer Ortsgruppen in den letzten
  • sich - unser Neustart im Jahr 2021" hat die Göttinger linksextremistische Gruppierung "Antifaschistische Linke International" (A.L.I.) Ende Dezember 2021 auf ihrer
Linksextremismus das "Zwischenstandspapier" der IL bis heute noch nicht erkennbar weiterentwickelt worden. Stieg die Anzahl ihrer Ortsgruppen in den letzten Jahren zunächst kontinuierlich, so nimmt sie seit 2020 ab. Neben den Ortsgruppen aus Freiburg, Kassel, München und Münster hat sich nunmehr auch die Heilbronner Ortsgruppe aufgelöst bzw. ist aus der IL ausgetreten. In ihrer Austrittserklärung übt z. B. die IL Münster massive Kritik. So wirft sie der IL vor, sie habe "... versucht, die eigene Ratlosigkeit und den Ideenverlust durch eine große, vermeintlich schlagkräftige, nach innen funktionstüchtige Organisation zu ersetzen ...", um dann zu dem vernichtenden Fazit zu gelangen: "Wir wollten eine Organisierung neuen Typs und haben eine Organisation bekommen, die ihre Politik eher als Verwaltung denn als Suche nach radikalen Antworten versteht." (Internetseite münster alternativ vom 30.11.2021) Auch in Niedersachsen ist diese Entwicklung wahrnehmbar. Unter der Überschrift "Die A.L.I. trennt sich - unser Neustart im Jahr 2021" hat die Göttinger linksextremistische Gruppierung "Antifaschistische Linke International" (A.L.I.) Ende Dezember 2021 auf ihrer Website ihren Austritt aus der IL bekannt gegeben. In ihrer Austrittserklärung kritisiert die A.L.I., dass sich in der IL "... in den letzten Jahren Tendenzen verstärkt [hätten], die eine parteiförmige Organisation aufbauen wollen und in der strittige Fragen durch Abstimmungsstatuten oder ausgelagerte Kleingruppen mehr verwaltet als produktiv diskutiert werden." (Internetseite der A.L.I. vom 21.12.2021) Zugleich beschwert sich die A.L.I. darüber, dass ihnen ihre "Bündnispartner*innen die Solidarität entzogen [hätten]" als sie "von Seiten der Polizei und von Neonazis Gewalt" erfahren hätten und beklagen, "immer, wenn es zu inhaltlichen Auseinandersetzungen kam, knallte es zwischen uns." Aus diesen Gründen kommt die A.L.I. zu der Erkenntnis, dass sich die "Differenzen in unserer Gruppe ... nicht mehr in gemeinsame Praxis überführen" lassen und zieht daraus den Schluss: 149
  • Linksextremismus "Unser Organisationsverständnis ist nun nicht mehr mit den aufgebauten Abstimmungsmodi in der iL vereinbar. Unser Politikstil findet
  • Beginn der 1990er Jahre vor dem Hintergrund zunehmender rechtsextremistischer Übergriffe auf Migranten als eine neue Strömung innerhalb des autonomen Spektrums
Linksextremismus "Unser Organisationsverständnis ist nun nicht mehr mit den aufgebauten Abstimmungsmodi in der iL vereinbar. Unser Politikstil findet in der iL keinen Platz mehr. Wir werden also in Zukunft nicht mehr in der iL organisiert sein." (Internetseite der A.L.I. vom 27.12.2021) Diese Trennung von der IL betrifft aber nur einen Teil der A.L.I., denn die A.L.I. hat sich im Streit über die Zugehörigkeit zur IL gespalten. Während ein Teil der alten A.L.I. unter diesem Namen unabhängig von der IL weiterbesteht, macht ein anderer Teil unter der Bezeichnung "Sozialistische Perspektive" in der IL weiter. Im Gegensatz zur IL scheinen die rückläufigen Tendenzen beim Bündnis uG vorerst gestoppt zu sein. Die Anzahl der im Bündnis uG organisierten Gruppen in Deutschland hat sich 2022 nicht weiter reduziert, sondern vielmehr von acht auf zehn erhöht. "Antideutsche" und "Antiimperialisten" Die sogenannten Antideutschen bildeten sich mit Beginn der 1990er Jahre vor dem Hintergrund zunehmender rechtsextremistischer Übergriffe auf Migranten als eine neue Strömung innerhalb des autonomen Spektrums heraus. Ideologisch wenden sie sich gegen einen vermeintlichen deutschen Nationalismus. Mit der deutschen Wiedervereinigung befürchteten ihre Aktivisten ein Erstarken des Nationalismus innerhalb der vereinigten Bundesrepublik und die Entstehung eines "IV. Reichs" durch eine Rückkehr zum Nationalsozialismus. Im Zuge der Golfkriege von 1990 und 2003 solidarisierten sich die "Antideutschen" bedingungslos mit dem Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA. Eine für "Autonome" ungewöhnliche politische Haltung, da sie prinzipiell staatliche Strukturen, Institutionen und Repräsentanten ebenso ablehnen wie das westliche Wirtschaftsund Gesellschaftsmodell und jegliche Form von Militär. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit kam es zum Bruch zwischen den Antideutschen, die bislang immer nur eine Minderheitenposition innerhalb des autonomen Spektrums vertraten und vertreten, und den die autonome Szene dominierenden sogenannten Antiimperialisten mit ihrer ausgeprägten antiwestlichen, insbesondere antiamerikanischen und antiisraelischen Haltung. Dieser ideologische Bruch vollzieht sich nicht nur im autonomen, sondern auch im postautonomen Spektrum. So ist die IL mit ihren niedersächsischen 150
  • Linksextremismus Die zur IL gehörende "Basisdemokratische Linke" (BL) griff das Thema auf und rief zu einer bundesweiten Demonstration unter
  • weiter fort, so muss auch künftig mit Übergriffen von Linksextremisten auf Immobilienunternehmen und ihre Mitarbeitenden gerechnet werden. Am 03.10.2022 führten
Linksextremismus Die zur IL gehörende "Basisdemokratische Linke" (BL) griff das Thema auf und rief zu einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto "Vonovia & Co. enteignen" am Hauptunternehmenssitz von Vonovia in Bochum am 23.04.2022 auf und forderte die Teilnehmenden auf: "Kommt in den Enteignungsblock ... das Profitsystem Vonovia muss stillgelegt werden!" (Social Media-Account der BL, gelesen am 08.04.2022) Bleibt die Lage weiterhin so angespannt wie in den letzten Jahren und setzt sich die Konzentration auf dem Wohnungsmarkt weiter fort, so muss auch künftig mit Übergriffen von Linksextremisten auf Immobilienunternehmen und ihre Mitarbeitenden gerechnet werden. Am 03.10.2022 führten verschiedene Gruppen aus dem demokratischen und dem autonomen Spektrum gemeinsam einen "Tag der offenen Tür" im ehemaligen JVA-Gebäude der Stadt Göttingen durch. Die Alte JVA in Göttingen steht schon seit Jahren leer. Ursprünglich sollte das Gebäude eine Verwendung als Hostel finden, was aber aus finanziellen Gründen scheiterte. Während die Aktivisten es künftig als soziales Zentrum nutzen wollten, entschied die Stadt Göttingen im Juli, das Gebäude an einen privaten Investor zu verkaufen, der es in einen Co-Working-Space umwandeln will. Die Aktivisten öffneten die Tür der JVA und boten eine Begehung an. Während dessen besetzten etwa ein Dutzend vermummte Personen aus der autonomen Szene das Gebäude. Sie forderten, den Verkauf des Gebäudes zu stoppen und es stattdessen in ein soziales Zentrum umzuwandeln. Die Besetzerinnen und Besetzer der JVA verstanden ihre Aktion als ein Zeichen des Protests gegen Gentrifizierung, d. h. gegen Veränderungen von sozialund wohnräumlich gewachsenen Strukturen und für autonome "Freiräume". Einen Tag später forderte die Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen die Besetzer auf, bis zum 06.10.2022 um 10:00 Uhr das Gebäude zu verlassen, ansonsten würde die Stadt Göttingen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung stellen. Als sich auch nach Ablauf der um eine Stunde verlängerten Frist noch Personen 170
  • Linksextremismus Finanzierung Finanzierung von Aktionen und Kampagnen durch Spenden sowie Solidaritätsveranstaltungen, bei der FAU auch Mitgliedsbeiträge Kurzportrait/Ziele Neben dem Kommunismus
  • Anarchismus der zweite grundlegende Ideologiestrang des Linksextremismus. Beide Strömungen setzen sich dafür ein, die bestehende Ordnung zu überwinden. "Anarchisten" streben
Linksextremismus Finanzierung Finanzierung von Aktionen und Kampagnen durch Spenden sowie Solidaritätsveranstaltungen, bei der FAU auch Mitgliedsbeiträge Kurzportrait/Ziele Neben dem Kommunismus ist der Anarchismus der zweite grundlegende Ideologiestrang des Linksextremismus. Beide Strömungen setzen sich dafür ein, die bestehende Ordnung zu überwinden. "Anarchisten" streben die unmittelbare Errichtung einer herrschaftsfreien Gesellschaftsordnung an, in der der Mensch von allen politischen, ökonomischen und kulturellen Zwängen befreit leben kann. Im Anarchismus nimmt die individuelle Freiheit den höchsten Stellenwert ein. Vor diesem Hintergrund negieren "Anarchisten" sämtliche Hierarchieund Herrschaftsformen. Zudem sprechen sie nicht nur dem Staat und seinen Institutionen, sondern ebenso der (sozialen) Marktwirtschaft jegliche Existenzberechtigung ab. Als kleinste Einheit des anarchistischen Zusammenlebens gilt die sogenannte Kommune, im ökonomischen Bereich wird die Gründung föderal strukturierter Genossenschaften und Syndikate angestrebt. Der Anarchismus ist aber keineswegs als geschlossener Theorieblock zu verstehen. Vielmehr verbergen sich hinter dem Begriff verschiedene Strömungen mit z. T. sehr unterschiedlichen Konzepten. Unter den niedersächsischen "Anarchisten" ist der eher praxisorientierte Anarchosyndikalismus am stärksten vertreten.69 Er entstand im 19. Jahrhundert und fußt auf der Idee revolutionärer Basisgewerkschaften. So orientiert sich z. B. die FAU an anarchosyndikalistischen Konzepten. Grund der Beobachtung/Verfassungsfeindlichkeit Gemeinsames Ziel aller anarchistischen Gruppierungen ist es, den Staat und seine Institutionen abzuschaffen und durch eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" zu ersetzen. Hiermit richten sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind demnach verfassungsfeindlich (SS 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG). 69 Unter "Anarchosyndikalismus" versteht man eine gewerkschaftliche Organisierung, die auf anarchistischen Prinzipien beruht. Der "Anarchosyndikalismus" knüpft an die kollektiven, kommunistischen und solidarischen Varianten des Anarchismus an und überträgt diese auf die gewerkschaftliche Arbeit. Er will die Lohnabhängigen nach den Prinzipien von Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Solidarität organisieren. 177
  • Diese Strafe wird nach herrschender Meinung in der islamischen Rechtswissenschaft nur von einem Rechtsgelehrten bei besonders schweren Vergehen verhängt
Islamismus Nationalsozialismus gleichgesetzt wird, ist häufig ideologischer Kern der Äußerungen. Dabei wird teilweise auch in antisemitische bzw. antizionistische, globale Verschwörungstheorien abgeglitten. Ebenfalls regelmäßig thematisiert werden gerichtliche Prozesse in Deutschland gegen mutmaßliche islamistische Straftäter und die Situation von hierzulande oder in Syrien gefangenen Personen, die in glorifizierter Weise dargestellt werden. Staatsformen aus der Geschichte der islamischen Welt, wie z. B. das Kalifat oder das Emirat, werden des Weiteren als idealisierte Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens beschrieben, und es wird ihnen eine höhere (religiöse) Legitimität beigemessen als demokratischen Staaten. f Extremistische und gewaltorientierte Inhalte Offen extremistischer und gewaltorientierter Content stellt die quantitativ kleinste Gruppe der bekannten Äußerungen von Islamisten im Internet dar. Es dominieren hier vor allem besonders eng gefasste Glaubensauslegungen, takfiristische 84 Positionen und absolut gehaltene Freund-Freund-Schemata, welche durch stark aus dem Kontext gerissene Bezugsstellen begründet werden. Verbreitet werden diese Inhalte in der Regel von dem jihadistischen Salafismus nahestehenden Personen oder sich im Ausland aufhaltenden Jihadisten, die ein hohes Maß an konspirativem Verhalten zeigen. Häufig werden dabei jihadistische Anschläge bzw. die jeweiligen Täter verherrlicht, Videos von Hinrichtungen verbreitet oder zu Gewalttaten gegen vermeintlich feindliche Personen aufgerufen bzw. werden diese zumindest gebilligt. So wurden nach dem Anschlag auf einen LGBTIQ 85 -Club in Oslo am 25.06.2022 z. B. verstärkt ablehnende Äußerungen gegenüber Personen aus diesen Gruppen offen auf Social Media registriert. In diese Kategorie fällt auch die Propaganda internationaler, jihadistischer Organisationen wie des sogenannten Islamischen Staates (IS) oder al-Qaida, deren Reichweiten in den vergangenen Jahren zwar gesunken sind, 84 Unter dem arabischen Begriff "Takfir" wird die Exkommunizierung von Muslimen aus der Religion verstanden. Diese Strafe wird nach herrschender Meinung in der islamischen Rechtswissenschaft nur von einem Rechtsgelehrten bei besonders schweren Vergehen verhängt und zieht i.d.R. auch die Todesstrafe nach sich. Terroristische Vereinigungen wie der IS werden als "takfiristisch" bezeichnet, da diese Praxis dort teilweise inflationär und durch nicht gelehrte Privatpersonen zur standrechtlichen Aburteilung von Personen genutzt wird. 85 LGBTIQ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Inter, Queer. 194
  • Scharia, die von Salafisten als von Gott gegebene verbindliche Rechtsordnung verstanden wird, ist nach salafistischer Ideologie jeder weltlichen Gesetzgebung übergeordnet
  • ultimative Gesetzgeber angesehen wird, ist die Ausführung eines säkularen Rechtssystems, welches nicht auf göttlichem Gesetz (Scharia) basiert
Islamismus d. h. ein viele hundert Jahre altes Buch wäre zu primitiv, um heute in einer medizinischen Hochschule gelehrt zu werden. Heute, im Islam, ist jedoch das Gegenteil der Fall. Je weiter man zu der Zeit des Propheten - Allahs Heil und Segen auf ihm - zurückgeht, desto besser und reiner waren das Verständnis und die Implementierung der Religion." (Salafistische Internetseite, 2021) Alle Entwicklungen im Islam, die erst nach dieser islamischen Frühzeit eingesetzt haben, wie etwa liberalere Formen des Islams und die Vorstellung von der Gleichberechtigung der Geschlechter sowie demokratische Strukturen, werden von Salafisten abgelehnt. Die Scharia, die von Salafisten als von Gott gegebene verbindliche Rechtsordnung verstanden wird, ist nach salafistischer Ideologie jeder weltlichen Gesetzgebung übergeordnet. So sei einzig Gott der legitime Gesetzgeber und nicht das Volk. Die Beteiligung am demokratischen Prozess bezeichnen Salafisten daher als Polytheismus (arab. Schirk), werde doch der Mensch in der Demokratie über Gott erhöht. In der Konsequenz lehnen Salafisten die Geltung staatlicher Gesetze ab. In einer im Jahr 2012 verteilten Broschüre des "Deutschsprachigen Islamkreises e. V." (DIK) in Hannover heißt es entsprechend: "Da das Wort Ibadah [Dienst an Gott] totale Gehorsamkeit bedeutet und Allah als der ultimative Gesetzgeber angesehen wird, ist die Ausführung eines säkularen Rechtssystems, welches nicht auf göttlichem Gesetz (Scharia) basiert, ein Akt des Unglaubens bezüglich des göttlichen Gesetzes und ein Akt des Glaubens an die Richtigkeit solcher Systeme. Ein solcher Glaube gründet eine Form des Gottesdienstes an etwas anderem als an Allah (Schirk)." (Deutschsprachiger Islamkreis e. V. [Hrsg.], Was jeder Muslim wissen sollte, ohne Jahr, Seiten 8-9) Salafisten streben danach, Staat, Gesellschaft und das Privatleben jedes Individuums so umzugestalten, dass sie den vermeintlich von Gott geforderten Normen entsprechen. Konsequenterweise propagieren sie auch das nach ihrer Auslegung im Koran normierte ungleiche Verhältnis zwischen den Geschlechtern, u. a. ein Strafrecht, das auch Körperstrafen vorsieht und die Begrenzung der Religionsfreiheit. Die von Salafisten propagierte Staatsund Gesellschaftsordnung steht im deutlichen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Insbesondere werden die demokratischen Grundsätze der 199
  • russischen Anfläche dienen. Menschen, die persönliche und gesellschaftliche Rechtsoder dem Linksextremismus, ermöglichen. Kennstrategie, die darauf abzielt, die eigene vermeintliche Opfergriffskrieg
VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2024 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES 1 Entwicklungen und Tendenzen 2 Ideologie Zentrale Akteure der "Verfassungsschutzrelevanten DelegiAufgrund der weltpolitischen Veränderungen und einer allEinzelpersonen und Gruppierungen, die der "VerfassungsWeit verbreitete Motive im Zusammenhang mit der "Vertimierung des Staates", wie die "Querdenken"-Initiative, vergemeinen gesellschaftlichen Verunsicherung durch die Erschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" zugeordnet fassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" sind loren nach dem Ende der staatlichen Corona-Schutzmaßfahrung multipler Krisen erhält das Spektrum weiterhin Zulauf. werden, vertreten kein ideologisch einheitliches Weltbild. Sie die Relativierung des Nationalsozialismus und des Holocaust. nahmen stark an Bedeutung. Zwar waren auch im Jahr 2024 Verschwörungserzählungen scheinen vermeintlich einfache eint einerseits ihre verfassungsfeindliche Agitation gegen Die gegenwärtige Politik wird mit der des nationalsozialiseinzelne Akteure aus diesem Bereich noch aktiv und verAntworten auf komplexe, schwer durchschaubare Entwickstaatliche Institutionen und demokratisch legitimierte Veranttischen Regimes gleichgesetzt und demokratisch legitimierte suchten, sich als Multiplikatoren für die Szene zu halten. Die lungen zu bieten. Sie transportieren Feindbilder, die für alles wortungsträger. Andererseits fehlen Elemente, die eine einEntscheidungen mit nationalsozialistischen Verbrechen verSzene bemühte sich, gesellschaftlich relevante Themen jenNegative verantwortlich gemacht werden und als Projektionsdeutige Zuordnung zu einer Ideologie, wie beispielsweise dem glichen. Es handelt sich um eine zentrale Kommunikationsseits von Corona für sich zu nutzen, etwa den russischen Anfläche dienen. Menschen, die persönliche und gesellschaftliche Rechtsoder dem Linksextremismus, ermöglichen. Kennstrategie, die darauf abzielt, die eigene vermeintliche Opfergriffskrieg gegen die Ukraine und dessen Folgen oder die Krisenerfahrungen bewältigen müssen, verinnerlichen diese zeichnend für das Delegitimierungs-Spektrum ist vielmehr rolle zu überhöhen und gleichzeitig den Staat als Feindbild Proteste aus der Landwirtschaft. Es gelingt ihr jedoch bisher und kommen mit extremistischen Positionen in Berührung, das Vorgehen der Akteure, aus dem die Staatsfeindlichkeit maximal verächtlich zu machen. nicht, diese Themen erfolgreich zu besetzen. die sie in ihr Weltbild integrieren und im Verlauf ihrer Radikalideutlich wird. Sie machen unter anderem politische EntscheiDie übermächtigen und verbrecherischen Feindbilder Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Würtsierung um neue Ideologieelemente ergänzen. dungsträgerinnen und -träger verächtlich, um das Vertrauen aus Diktatur-Vergleichen oder antisemitisch aufgeladene temberg (LfV) konnte keinen Rückgang oder ein Ende von Diese Dynamik zeigt sich auch bei Gruppierungen, die in die Demokratie zu erschüttern. Durch die stetige DiffaFeindbilder aus Verschwörungserzählungen können zu - extremistischen Aktivitäten beobachten, die dem Delegichristlich-fundamentalistische Argumentationsmuster mit mierung kann die Akzeptanz für staatliches Handeln und möglicherweise auch gewaltsamer - Gegenwehr führen. timierungs-Spektrum zuzurechnen sind. Dieses ist äußerst extremistischen Inhalten vermischen. Das LfV beobachtet in demokratische Entscheidungsprozesse untergraben und im Neben dem Antisemitismus finden sich im Spektrum heterogen, teilt aber eine ausgeprägte Staatsfeindlichkeit. diesem Zusammenhang die "Evangelische Freikirche RiedErgebnis die Funktionsfähigkeit des Staates beeinträchtigt der "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" Die Ausgestaltung der Narrative und Aktionsformen variiert lingen" (EFK) und die "Baptistenkirche Zuverlässiges Wort werden. Die Diffamierung steigert sich bei einigen Akteuren viele weitere extremistische Elemente, vor allem aus dem stark. Deshalb treten die Akteure nicht geschlossen auf und Pforzheim" (BKZW) beziehungsweise "Deutschlands Seelen bis zur Befürwortung von Gewalt, etwa in Bezug auf die ForRechtsextremismus und von "Reichsbürgern" und "Selbstihre extremistischen Aktivitäten sind selten konzentriert Gewinnen". Diese Gruppierungen versuchen, Queerfeindderung nach (gewaltsamer) Absetzung, Inhaftierung oder gar verwaltern". Sie werden in das vorhandene extremistische wahrnehmbar, auch wenn sie weiterhin staatsdelegitimierende lichkeit, Antisemitismus und Staatsfeindlichkeit auf einer Tötung von Politikerinnen und Politikern. Kennzeichnend für Weltbild integriert, mit weiteren Ideologieelementen anInhalte verbreiten. Während des Corona-Protestgeschehens religiösen Ebene zu legitimieren. die Delegitimierung des Staates ist zudem die Befürwortung gereichert und öffnen das Spektrum für Vernetzungen in viele wurden neue Kontakte und Netzwerke geknüpft. Auf diese eines (gewaltsamen) Systemumsturzes, die häufig mit einem Richtungen. Vor dem Hintergrund der ohnehin heterogenen können extremistische Akteure zurückgreifen und es entfalschverstandenen Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 Szene im Delegitimierungsbereich und der Tatsache, dass stehen möglicherweise in Zukunft neue Gruppierungen. Hinzu GG begründet wird. eine einheitliche, klar abzugrenzende ideologische Klammer kommen Einzelpersonen, die sich durch den starken Glauben Extremistisch durchzogene Verschwörungsideologien fehlt, entstehen Mischideologien oder -szenen. an extremistische Verschwörungserzählungen schnell radibegleiten oder verstärken die Staatsdelegitimierung. Viele Das verbindende Element innerhalb der "Verfassungskalisieren, und damit eine zusätzliche Gefahr darstellen. Narrative enthalten antisemitische Inhalte und Codes wie schutzrelevanten Delegitimierung des Staates" ist eine grund"Globalisten", "Hochfinanz" und "Rothschild". Die QAnonsätzliche Staatsfeindlichkeit, die in letzter Konsequenz auch Verschwörungserzählung4 - oder einzelne Elemente daraus - den Einsatz von Gewalt legitimieren kann. sind im Delegitimierungs-Spektrum verbreitet. Das Landesamt für Verfassungsschutz stuft etwa zwanzig Prozent des Personenpotenzials als gewaltorientiert5 ein. Zahlreiche Akteure befürworten Gewalt, um ihre poliLaut dieser staatsfeindlichen und antisemitisch konnotischen Ziele zu erreichen, wenngleich sie in der Regel nicht tierten Verschwörungserzählung lenkt ein "Tiefer Staat" selbst gewaltsam agieren. ("Deep State") im Verborgenen alle politischen Entscheidungen. Er soll dämonische Folter-Rituale an entführten Kindern durchführen, um ein lebensverlängerndes Elixier zu gewinnen und langfristig seine Herrschaft über die Welt zu sichern. 4 Eine ausführliche Darstellung der QAnon-Verschwörungserzählung findet sich in der Publikation "Fürchtet euch! Funktionen von Untergangsszenarien im extremistischen Kontext" des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (2022). Abrufbar unter: https://www.verfassungsschutz-bw. de/,Lde/Startseite/Service/Studien [Stand: 26.11.2024]. 5 Vgl. Definition im Kapitel "Verfassungsschutz in Baden-Württemberg", S. 27. Der Begriff Gewaltorientierung beschreibt das Verhältnis von Extremismus und Gewalt in seiner ganzen Breite. Er umfasst in abstufender Weise extremistische Personen und Gruppen, die entweder gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend eingestellt sind. 82 83

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