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""nsu"" in den Verfassungsschutz Trends
  • selbsternannte "Nationalisten". Darüber hinaus sind auch die beiden im NSU-Prozess Verurteilten Rechtsextremisten Andre E. und Ralf WOHLLEBEN wieder
ne"88 gegen selbsternannte "Nationalisten". Darüber hinaus sind auch die beiden im NSU-Prozess Verurteilten Rechtsextremisten Andre E. und Ralf WOHLLEBEN wieder in der rechtsextremistischen Szene aktiv und nahmen in Sachsen an Szeneveranstaltungen teil. Weitere relevante "Sammlungspunkte" der Szene waren die sogenannten Trauermärsche89 und Heldengedenken90. Diese dienen der Zusammenführung der Szene und geben einzelnen Führungspersonen die Möglichkeit, signifikanten Einfluss auf große Teile der strukturell nicht klar verortbaren neonationalsozialistischen Szene zu gewinnen. Der in Sachsen bedeutende "Trauermarsch" findet jährlich anlässlich der Bombardierung der Stadt Dresden am 13. Februar 1945 statt. Im Jahr 2018 nahmen an der Veranstaltung der Dresdner Szenegröße Maik MÜLLER am 10. Februar 520 Personen teil (2017: 700). Eine weitere Veranstaltung des bayerischen Rechtsextremisten und Holocaustleugners Gerhard ITTNER am 17. Februar mit ca. 220 Teilnehmern wurde durch die Ordnungsbehörden aufgelöst. ITTNER war bereits im Jahr 2017 mit volksverhetzenden Redeinhalten bei dieser Veranstaltung aufgefallen. Darüber hinaus fand der jährliche "Trauermarsch" aus Anlass des Todestages von Rudolf HESS 91 am 18. August in Berlin mit ca. 700 Teilnehmern statt. Dabei kam es im Vorfeld zu Verwirrspielen mit dem politischen Gegner über den tatsächlichen Veranstaltungsort. Das "Heldengedenken" findet um den "Volkstrauertag" statt. Aus diesem Grund führt die Partei DER DRITTE W EG seit mehreren Jahren einen "Trauermarsch" in Wunsiedel (BY) durch, wo sich das ehemalige Grab von Rudolf HESS befand. Auch dort gab es bei der diesjährigen Veranstaltung am 17. November stagnierende Teilnehmerzahlen. Im Jahr 2018 wurden im November landesweit verschiedene kleine "Gedenkaktionen" von NEONATIONALSOZIALISTEN, der Partei DER DRITTE W EG oder subkulturell geprägten Rechtsextremisten wie der BRIGADE 8 oder den SCHLESISCHEN JUNGS ausgerichtet. Es handelte sich häufig um kleinere Propagandaaktionen an verschiedenen Denkmälern, an denen meistens Personenpotenziale im einstelligen bis unteren zweistelligen Bereich teilnahmen. Außer den Veranstaltungen im November gab es auch lokale "Heldengedenken", wie die jährliche Veranstaltung am 22. April in Niederkaina (Lkr. Bautzen), an der 2018 ca. 100 Personen teilnahmen. Ein weiterer Aspekt, der große Teile der neonationalsozialistischen Szene 2018 band, waren die großen "Mischveranstaltungen", wie das "Schild und Schwert Festival"92, welches im April und im November in Ostritz (Lkr. Görlitz) stattfand. Auch hier kam es zu einer "Sammlung" und - damit verbunden - zu einer Selbstbestätigung und Motivation der gesamten rechtsextremistischen Szene. 88 "Fememorde" sind politische Morde, die die Tötung von Angehörigen rechtsextremistischer Gruppierungen wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden durch ebensolche Gruppenmitglieder in der Zeit der Weimarer Republik bezeichnet. Der Begriff wird auch als Synonym für "politisch motivierte Morde" verwendet. 89 Bei diesen revisionistisch geprägten "Trauermärschen" werden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges zwecks Diffamierung der damaligen Alliierten herausgegriffen, um von den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands abzulenken. Sie dienen der Selbstbestätigung der Szene, der Propagierung ihrer rechtsextremistischen Ideologie und der faktischen Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus. 90 Beim "Heldengedenken" werden an Gedenkstätten für die während des Zweiten Weltkrieges gefallenen Soldaten einzelne rechtsextremistische Veranstaltungen durchgeführt. Dabei werden die Toten als "Helden" und "Kämpfer" im Sinne der rechtsextremistischen Szene propagandistisch vereinnahmt. Von landesweiter Bedeutung sind schließlich die Aktionen aus Anlass des "Volkstrauertages". Dieser dient eigentlich dem alle Völker vereinenden Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt. Rechtsextremisten instrumentalisieren diesen Tag für sich, um Gedenkstätten (mit ausschließlich deutschen Gefallenen) zu reinigen und dort kleinere Propagandaveranstaltungen durchzuführen. Auch dies ist eine Aktivität, die die gesamte rechtsextremistische Szene verbindet. 91 Rudolf HESS spielte in dem Bestreben der rechtsextremistischen Szene, das nationalsozialistische Deutschland in ein positives Licht zu rücken, stets eine wichtige Rolle. Er wird wahrheitswidrig von der Szene dafür instrumentalisiert, das "Dritte Reich" als friedfertig darzustellen. Ebenso sind in der Szene Verschwörungstheorien um seine angebliche Ermordung im ehemaligen Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau verbreitet. Sie werden genutzt, um sich in HESS' Namen als "Opfer" "verbrecherischer Komplotte" darzustellen. Aus diesem Grund hat sein Todestag, der 17. August, für die rechtsextremistische Szene nach wie vor eine hohe Bedeutung. 92 siehe Abschnitt II.1.3.2 NATIONALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (NPD) und II.1.7.5 Landkreis Görlitz 43
  • Szene, u. a. nach mehreren Exekutivmaßnahmen nach Bekanntwerden des NSU bzw. infolge des Bedeutungsverlusts der NPD, wird hier durch schwarmartiges
Diese Aktivität belegt erneut, wie die rechtsextremistische Szene durch die konstante Kooperation mit einer nichtextremistischen Organisation versucht, einen regionalen Akteur für ihre Sache zu gewinnen und in ihre Vernetzungen einzubinden. Auch in Chemnitz geschah dies bereits vor den Ereignissen Ende August 2018. So waren überregional vernetzte Rechtsextremisten vor dem 18. August maßgeblich an einer nichtextremistischen Veranstaltung in Chemnitz unter dem Titel "Deutsch und stolz drauf!" beteiligt. An dieser nahmen 120 Personen teil. Unter den Rednern befanden sich auch der Vorsitzende des Vereins FREIGEIST E. V., Stefan HARTUNG, sowie der "Volkslehrer", ein bundesweit bekannter Antisemit und Verschwörungstheoretiker. Ausblick Die Vernetzungsbestrebungen von Rechtsextremisten sind eines der dynamischsten und komplexesten Phänomene im derzeitigen Rechtsextremismus. Sie verkörpern zahlreiche Wandlungen der letzten Jahre und zeigen auf, wohin sich die Szene langfristig entwickeln könnte. Infolge der großflächigen Auflösung von Strukturen in der rechtsextremistischen Szene, u. a. nach mehreren Exekutivmaßnahmen nach Bekanntwerden des NSU bzw. infolge des Bedeutungsverlusts der NPD, wird hier durch schwarmartiges Zusammenwirken der verschiedenen Spektren die Handlungsfähigkeit wie auch die politische Einflussnahme der Szene gesteigert. Die vernetzten Akteure agieren dabei stark ereignisbezogen und entfalten gerade bei einem allgemein anschlussfähigen Ereignishintergrund, wie in Chemnitz, mithilfe digitaler Medien binnen kurzer Zeit eine enorme Mobilisierungskraft (sogenannte Smartmobs). Diese kommt weniger durch ein hohes Personenpotenzial zustande, sondern vor allem durch die zahlreichen Zugänge zu weiteren Personenkreisen. Daneben gibt es jedoch auch das konstante Arbeiten der einzelnen Akteure in der Fläche und vor Ort. Gerade die hier teilweise bestehenden Strukturen, wie auch die aktiven Einzelpersonen, die sich teils ganz anderer Strukturen außerhalb der rechtsextremistischen Szene bedienen, vollführen eine regelrechte rechtsextremistische "Graswurzelarbeit" und bauen kontinuierlich ihre Kontakte und Kooperationsformen auch gegenüber nichtextremistischen Strukturen auf und aus. Es ist davon auszugehen, dass bei günstigen Ereignislagen die Mobilisierungsfähigkeit dieser Netzwerke zum Tragen kommt. Außerdem dürften weitere Akteure in diese Vernetzungen miteingebunden werden. Die Kooperationen zwischen den überregional vernetzten Akteuren werden sich in Zukunft weiter festigen. Es ist nicht auszuschließen, dass dadurch und durch die Förderung einzelner Personen vor Ort auch neue Gruppierungen entstehen. Unterhalb der Schwelle bundesweit wahrnehmbarer Aktivitäten sind durch die überregional vernetzten Akteure in und außerhalb Sachsens verschiedene kleinere Veranstaltungen zu erwarten, die ihren Beitrag zur Verstetigung, zur Festigung und zur Dynamik dieser Vernetzungen leisten. 1.5 Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den rechtsextremistischen Parteien und den parteiungebundenen rechtsextremistischen Strukturen existiert ein weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Personen, die als rechtsextremistische Strafund Gewalttäter oder als Teilnehmer von rechtsextremistischen Szeneveranstaltungen vor allem bei Konzerten in Erscheinung treten, sich darüber hinaus jedoch keiner konkreten rechtsextremistischen Struktur zuordnen lassen. Darunter fallen auch subkulturell geprägte Rechtsextremisten, die der Fußballfanszene angehören. 76
  • Juli 2018 im Verfahren zum NATIONALSOZIALISTISCHEN UNTERGRUND (NSU) vor dem Oberlandesgericht München das Urteil. Das Strafverfahren wegen des Verdachts
Es ist hinsichtlich seiner Größe und der damit verbundenen Kaufkraft eine wichtige Quelle für die rechtsextremistische Konzertund Vertriebsszene. Das Gros der Konzertteilnehmer und Konsumenten rechtsextremistischer Merchandising-Artikel besteht aus dem unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial. Diese Personengruppe lenkt durch ihr Nachfrageverhalten auch die Ausrichtung des Angebotes rechtsextremistischer Vertriebe. Hierbei gab es in den letzten Jahren einen verstärkten Bedarf an Szeneartikeln, mit denen eine rechtsextremistische Gesinnung auch im Alltag unterhalb der Schwelle von Propagandastraftaten zum Ausdruck gebracht werden kann. Die konsequente Verfolgung und Verurteilung der Straftäter führten zu einem starken Rückgang der durch Anhänger aus dem unstrukturierten rechtsextremistischen Personenkreis begangenen Gewalttaten und sonstigen Delikte.140 Die Ereignisse in Chemnitz sind jedoch eine Bestätigung dafür, dass die Asylthematik weiterhin einen hohen Stellenwert in der rechtsextremistischen Szene besitzt und in konkreten Konstellationen auch zu schweren Gewaltstraftaten aus dieser Szene führt. 1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus Vier Strafverfahren der vergangenen Jahre, in denen es um terroristische bzw. kriminelle Strukturen im Bereich Rechtsextremismus ging (SSSS 129, 129a StGB) wiesen einen Bezug zum Freistaat Sachsen auf. Die Verfahren betrafen die Gruppierungen OLDSCHOOL SOCIETY (OSS), die "Gruppe Freital", die FREIE KAMERADSCHAFT DRESDEN (FKD) und die Gruppe REVOLUTION CHEMNITZ. Außerdem fiel am 11. Juli 2018 im Verfahren zum NATIONALSOZIALISTISCHEN UNTERGRUND (NSU) vor dem Oberlandesgericht München das Urteil. Das Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung von und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen Mitglieder der OLDSCHOOL SOCIETY wurde im Jahr 2016 vor dem Oberlandesgericht München geführt. Vier führende Mitglieder der OSS, darunter zwei Angeklagte aus Sachsen, wurden nach elfmonatiger Hauptverhandlung am 15. März 2017 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt141. Nach Überzeugung des Gerichts war die OSS darauf ausgerichtet, Ausländer durch körperliche Gewalt und mit Brandanschlägen aus Deutschland zu vertreiben. 142 Am 22. Oktober 2018 wurde vor dem Oberlandesgericht Dresden Anklage gegen ein weiteres mutmaßliches Mitglied der OSS erhoben. Gegen zwei weitere mutmaßliche Mitglieder der OSS begann im Februar 2019 der Prozess. Im März 2017 begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen die "Gruppe Freital". Den Angeklagten wurde u. a. das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion am 1. November 2015 an einer dezentralen Asylunterkunft in Freital (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) vorgeworfen. Bereits im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 waren zahlreiche Exekutivmaßnahmen erfolgt. Nachdem im April 2016 der Generalbundesanwalt (GBA) das Verfahren übernommen und beim Oberlandesgericht Dresden im November 2016 Anklage erhoben hatte, fiel im März 2018 das Urteil: Alle Mitglieder der "Gruppe Freital" wurden wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie wegen versuchten Mordes bzw. wegen Beihilfe hierzu zu Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt. 140 siehe Abschnitt II.1.8 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 141 Das Urteil ist rechtskräftig. 142 Die OSS hatte sich Mitte des Jahres 2014 - auch unter Beteiligung sächsischer Rechtsextremisten - zunächst bundesweit als virtuelle rechtsextremistische Gruppe im Internet gegründet. 78
  • wegen Mitgliedschaft und Unterstützung der terroristischen Vereinigung NATIONALSOZIALISTISCHER UNTERGRUND (NSU). Verhandelt wurde wegen des Verdachts des Mordes in neun Fällen
Im Zusammenhang mit einem Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ("Gruppe Freital") gemäß SS 129a StGB wurden am 28. März 2018 erneut umfangreiche Exekutivmaßnahmen durchgeführt. Es konnten u. a. Waffen und rechtsextremistische Devotionalien sichergestellt werden. Das Verfahren, das bis 2017 bei der Bundesanwaltschaft geführt wurde, richtet sich gegen zehn weitere Personen. Sie werden beschuldigt, an den Straftaten der "Gruppe Freital" beteiligt gewesen zu sein. Bereits am 30. November 2016 durchsuchte die Polizei Wohnobjekte von 17 mutmaßlichen Angehörigen der neonationalsozialistischen Gruppierung FREIE KAMERADSCHAFT DRESDEN (FKD) in Dresden und im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Rahmen eines seit April 2016 bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden anhängigen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB). Es wurden Waffen, Munition, illegale Pyrotechnik, Vermummungsgegenstände, schriftliche Unterlagen und Speichermedien sichergestellt. Gegen sechs Beschuldigte wurde Haftbefehl erlassen. Zwei Angeklagte wurden im August 2017 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt; das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Bezüglich sechs weiterer Angeklagten steht das Urteil noch aus. Außerdem laufen nach wie vor Ermittlungen gegen weitere Personen, die im Verdacht stehen, Mitglieder oder Unterstützer der FKD gewesen zu sein. Den Angehörigen der FKD wird vorgeworfen, seit Juni 2015 in wechselnder Besetzung eine Vielzahl von Straftaten begangen zu haben, darunter die Beteiligung an der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, versuchte Brandstiftung, schwerer Landfriedensbruch, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Diverse Gewalttaten richteten sich gegen Asylbewerber und Asylbewerberunterkünfte im Raum Dresden sowie gegen den mutmaßlichen politischen Gegner. So wurden Bürger mit Migrationshintergrund auf dem Stadtfest in Dresden am 20. August 2016 gezielt angegriffen; es kam zu massiven Körperverletzungen. Außerdem beteiligten sich FKD-Mitglieder an den Ausschreitungen von Rechtsextremisten und Hooligans im "linken" Leipziger Szeneviertel Connewitz am 11. Januar 2016. Ein 2018 eingeleitetes Verfahren der Bundesanwaltschaft richtet sich gegen die Gruppe REVOLUTION CHEMNITZ: Am 1./2. Oktober 2018 wurden durch die Polizei Durchsuchungen bei acht mutmaßlichen Täter wegen der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung durchgeführt. Diese acht Personen wurden auf Grundlage von Haftbefehlen festgenommen. Grund ist ein vom Generalbundesanwalt geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gem. SS 129a StGB. Den Durchsuchungen vorausgegangen war ein am 14. September 2018 in Chemnitz begangener besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs. Im Nachgang zu einer von PRO CHEMNITZ mit 3.500 Teilnehmern durchgeführten Demonstration kam es in Chemnitz auf der Schlossteichinsel zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von deutschen Staatsangehörigen und einer Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund. Fünf Tatverdächtige dieses Vorfalls konnten im Zuge weiterer Ermittlungen einer insgesamt mutmaßlich achtköpfigen Gruppe REVOLUTION CHEMNITZ zugeordnet werden. In Bezug auf diese Beschuldigte besteht der Verdacht der Planung von gewalttätigen Angriffen auf Ausländer und politische Gegner, darunter Repräsentanten gesellschaftlicher Gruppen und politischer Parteien. Darüber hinaus sollen Absprachen über eine bisher nicht näher bekannte gewalttätige Aktion zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 getroffen worden sein. Die Beschuldigten sind als teilweise langjährige Rechtsextremisten bekannt. Einer der Tatverdächtigen war Mitglied der 2007 verbotenen rechtsextremistischen Gruppierung STURM 34 in Mittweida. Einen Abschluss fand am 11. Juli 2018 der Prozess gegen Beate ZSCHÄPE und eine Reihe weiterer Beschuldigter wegen Mitgliedschaft und Unterstützung der terroristischen Vereinigung NATIONALSOZIALISTISCHER UNTERGRUND (NSU). Verhandelt wurde wegen des Verdachts des Mordes in neun Fällen, des versuchten Mordes in 32 Fällen (Nagelbombenattentat in der Keupstraße in Köln), des versuchten Mordes (Sprengstoffanschlag in der Propsteigasse in Köln), des Mordes und Mordversuchs an zwei Polizeibeamten in Heilbronn, von Raubüberfällen sowie des versuchten Mordes durch eine schwere Brandstiftung in der Frühlingsstraße in Zwickau. 79
  • Markenzeichen der Trickfilmfigur Paulchen Panther, die vom rechtsterroristischen NSU in seiner Selbstbezichtigungs-DVD mehrfach verwendet wurde. 180 Facebook-Profil
Nachdem die Veranstaltung bislang stets klandestin organisiert worden war, erfolgte im Berichtsjahr eine offene Anmeldung bei der Stadt Ostritz. Sie wurde von den Veranstaltern nun auch intensiv beworben, was zu den im Vergleich zum letzten Jahr deutlich gestiegenen Teilnehmerzahlen beigetragen hat. Mittlerweile bildet der KdN eine feste Größe in der Szene. Auf dem Veranstaltungsgelände standen den Organisatoren um den Dortmunder Rechtsextremisten Alexander DEPTOLLA sowie dem russischen Hooligan, Kampfsportler und Inhaber der Marke "White Rex" Denis NIKITIN zwei 500 m 2 große Hallen zur Verfügung. Unter den Besuchern befanden sich Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz, der Tschechischen Republik und der Ukraine. Das Kämpferfeld von etwa 40 Personen war ebenfalls international besetzt. Es kämpften Mitglieder der JN Sachsen und auch der "TIWAZ-Gemeinschaft", welche erst im Juni 2018 im sächsischen Grünhain-Beierfeld eine eigene Kampfsportveranstaltung mit ca. 450 Teilnehmern organisiert hatte. Die Gruppierung "WARDON"178 betrieb während der Veranstaltung eine "Feldküche" und bot an, dass anstatt mit Geld auch mit "Sport" bezahlt werden könne. Nach Aussage der Organisatoren des KdN sollen einige Besucher dieses Angebot auch wahrgenommen haben. Die Intention von "WARDON" wurde durch einen Facebook-Eintrag deutlich: "Wir sind entschlossen, einen neuen Menschenschlag heranzuziehen!" Hinter dieser Aussage steht ganz deutlich der direkte Bezug auf den Nationalsozialismus, der sich die rassistische Heranziehung eines "neuen Menschen", des sogenannten Herrenmenschen, auf die Fahnen geschrieben hatte. Fraglich bleibt, ob die Nutzung des Hotels "Neißeblick" einmalig war, oder ob sich dieses auch für den KdN als Austragungsort verstetigt. Mit der Durchführung sollten hier offensichtlich Synergieeffekte mit dem ersten "Schild und Schwert Festival" im April genutzt werden. Für eine Fortführung spricht auch, dass sich das Gelände gut nach außen, z. B. vor Fotografen, abschirmen lässt. Auch wenn von den bisherigen Veranstaltungen keine Gefahren bzw. Straftaten ausgingen, machten die Organisatoren aus ihrer Einstellung keinen Hehl, wie es das folgende Zitat vom KdN in Bezug auf die Absage des "Rock gegen Überfremdung 3" deutlich belegt: "Wir wissen, warum wir dieses System hassen. Wir wissen, warum wir seine Diener verachten, egal, auf welcher Ebene sie ihr Tun verrichten. Wir wissen, warum es für uns keinen Frieden mit diesen Zuständen geben kann. Sollen sie sich ihre Platzverweise und Verbote sonst wo hinstecken. Wir bleiben unbequem, wir bleiben unbändig! Heute ist nicht aller Tage179, das ist sicher!"180 Parteiungebundene Strukturen NEONATIONALSOZIALISTEN und SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTEN Waren im parteiungebundenen Spektrum der rechtsextremistischen Szene im Jahr 2017 noch die neonationalsozialistischen Gruppierungen KOLLEKTIV OBERLAUSITZ in Weißwasser sowie die FREIEN KRÄFTE MITTEL/OSTSACHSEN (FKMO) aktiv, so entfalteten beide im aktuellen Berichtsjahr im Landkreis keine Aktivitäten mehr. Die Führungsperson des KOLLEKTIVS OBERLAUSITZ, der Liedermacher OIRAM bzw. Mario ALBRECHT, war jedoch weiterhin in der rechtsextremistischen Musikszene aktiv.181 Die rechtsextremistische Szene des Landkreises organisierte im Jahr 2018 mehrere größere Veranstaltungen: Nach den Veranstaltungen im Hotel "Neißeblick" in Ostritz 2017 sowie am Quitzdorfer See bei Niesky im Jahr 2016 folgte am 15. September die nunmehr dritte Auflage des "Ostsächsischen 178 überregionale Kampfsportgruppierung von Rechtsextremisten 179 Schreibweise wie im Original; Die Formulierung "Heute ist nicht alle Tage" ist ein Markenzeichen der Trickfilmfigur Paulchen Panther, die vom rechtsterroristischen NSU in seiner Selbstbezichtigungs-DVD mehrfach verwendet wurde. 180 Facebook-Profil KdN 2018 (Stand: 25. August 2018) 181 siehe Abschnitt II.1.4.5 Rechtsextremistische Musik 101
  • historischen Nationalsozialismus in Deutschland, wegen der Mordserie des rechtsterroristischen NSU und der fremdenfeindlichen Übergriffe in den 1990er Jahren sowie
Öffentliche Aktionen von oder mit Beteiligung von AUTONOMEN im Freistaat Sachsen 250 200 182 150 139 102 100 87 90 50 0 2014 2015 2016 2017 2018 Im Gegensatz hierzu zeigen nicht angemeldete Demonstrationen eine hohe Eigendynamik, die häufig zu gewalttätigen Ausschreitungen führen. Gewalthandeln entspricht dem Selbstverständnis AUTONOMER und wird häufig als Reaktion auf "repressiv" empfundene staatliche Maßnahmen dargestellt.263 Gesellschaftlich relevante Themen, die den Kernbereich linksextremistischer Ideologie treffen, führen dabei zu einer erhöhten Zahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten, die aus dem Demonstrationsgeschehen heraus begangen werden. Dies gilt auch, wenn der politische Gegner im öffentlichen Raum direkt angegriffen werden kann. Aktionsfelder der AUTONOMEN Aktionsfelder der AUTONOMEN Die von AUTONOMEN besetzten Aktionsfelder hängen von den jeweiligen politiZu den aktuellen Aktionsfeldern AUTONOMER gehören neben schen Rahmenbedingungen und aktueldem "Antifaschismuskampf" Themen wie "Antirassismus/ len politischen Debatten ab. Asyl", "Antirepression", "Antikapitalismus", "Antisexismus" und der Kampf für "Freiräume". So waren im Berichtsjahr die Themenfelder "Antirepression" und "Antifaschismus" sowie der Kampf für "Freiräume" bestimmend. Ereignisbezogen erlangte zudem das Themenfeld "Kurdistan-Solidarität" im ersten Halbjahr 2018 Bedeutung für die autonome Szene. Wegen der Militäroffensive türkischer Streitkräfte im kurdisch verwalteten Kanton Afrin (Nordsyrien) nahmen sächsische AUTONOME an zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen gegen das aus ihrer Sicht "faschistische" Regime der AKP sowie die vermeintliche Unterstützung durch deutsche Rüstungsfirmen und gegen die Außenpolitik der Bundesregierung teil.264 "Antifaschismuskampf" Von zentraler Bedeutung für die autonome Szene ist der Kampf gegen alle vermeintlichen und tatsächlichen Erscheinungsformen von Faschismus aufgrund der Erfahrungen mit dem historischen Nationalsozialismus in Deutschland, wegen der Mordserie des rechtsterroristischen NSU und der fremdenfeindlichen Übergriffe in den 1990er Jahren sowie der Jahre 2015 und 2016. Eng in Zusammenhang mit dem "Antifaschismuskampf" steht die Ablehnung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, da "kapitalistische Klasseninteressen" den Faschismus - nach Auffassung 263 siehe Abschnitte II.3.3.1 AUTONOME in Leipzig und II.3.3.2 AUTONOME in Dresden 264 siehe Abschnitt II.5.3 ARBEITERPARTEI KURDISTANS 150
  • warfen unbekannte Täter aus Anlass der Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München mehrere Farbkugeln gegen die Außenfassade des Polizeire306
Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 2016 2017 2018 60 52 50 40 35 30 25 20 15 14 12 10 10 10 10 0 Leipzig Dresden andere Regionen Im ersten Halbjahr besaß die militärische Offensive der Türkei in Afrin große Relevanz für die linksextremistische Szene, was gewaltbereite Linksextremisten zu Straftaten veranlasste. Durch das Themenfeld "Afrin" gerieten auch demokratische Parteien in den Fokus linksextremistischer Straftäter: In der Nacht zum 19. Februar 2018 beschädigten unbekannte Täter drei Schaufensterscheiben eines SPD-Bürgerbüros in der Dresdner Neustadt, zu dem sich auf indymedia.org ein "Kommando Berfin Zilan" bekannte. Der SPD wurde vorgeworfen, dass die Revolution in Rojava mit ihrer Unterstützung angegriffen werde. Der "Freiheitskampf" der "seit Jahrzehnten verfolgt(en) und unterdrückt(en) Kurd*innen" sei "Vorbild für jeden Menschen der sich für eine befreite Gesellschaft einsetzt". Am 19. März 2018 wurde das Bürgerbüro einer SPD-Abgeordneten in Dresden beschädigt. Die Aktion wurde auf der Internetseite "Fight4Afrin" 306 dokumentiert. Daneben war auch die Firma Thyssen Krupp Aufzüge GmbH Ziel eines Anschlags. Am 13. April 2018 wurde ein Firmenfahrzeug durch unbekannte Täter in Brand gesetzt. In dem hierzu auf indymedia.org veröffentlichten Tatbekenntnis wurden zur Begründung für die Wahl des Anschlagszieles die Rüstungsexporte von Thyssen Krupp an die türkische Regierung angeführt. Weitere klandestine Aktionen gegen den politischen Gegner, den Staat oder Wirtschaftsunternehmen: Am 9. Juni 2018 wurden zwei Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand gesetzt. Am 15. Juni 2018 wurde in einem Kabelkanal eine unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtung aufgefunden, welche bereits teilweise ausgelöst worden war. In der Nacht zum 12. Juli 2018 warfen unbekannte Täter aus Anlass der Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München mehrere Farbkugeln gegen die Außenfassade des Polizeire306 Der Blog "Fight4Afrin" unter https://fight4afrin.noblogs.org enthält einen Aufruf der "radikalen Linken" in Europa zu militanten Aktionen und dokumentiert seither in Europa begangene Aktionen. 168
  • SOZIALES AKTIONSBÜNDNIS 1. MAI NATIONALES VERSANDHAUS (Vertrieb) NATIONALSOZIALISTISCHER UNTERGRUND (NSU) NEUBEGINN (Band) NEW SOCIETY (NS-BOYS) NORDSACHSEN-VERSAND (Vertrieb, siehe
LEICHENZUG (Band) LIBERGRAPHIX (Verlag) LOKIS TRUHE (Vertrieb) MOSHPIT (Band) MUDHATER (siehe DRYVE BY SUIZHYDE) NATION & W ISSEN (Verlag) NATIONALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (NPD) NATIONALE SOZIALISTEN CHEMNITZ (verboten seit 28. März 2014) NATIONALE SOZIALISTEN DÖBELN (verboten seit 18. Februar 2013) NATIONALE SOZIALISTEN HOYERSWERDA (NSHOY) / FREIE KRÄFTE HOYERSWERDA NATIONALER JUGENDBLOCK E. V.(NJB) NATIONALES UND SOZIALES AKTIONSBÜNDNIS 1. MAI NATIONALES VERSANDHAUS (Vertrieb) NATIONALSOZIALISTISCHER UNTERGRUND (NSU) NEUBEGINN (Band) NEW SOCIETY (NS-BOYS) NORDSACHSEN-VERSAND (Vertrieb, siehe NATIONALES VERSANDHAUS) ODIN-VERSAND (Vertrieb, siehe NATIONALES VERSANDHAUS) OIRAM (Liedermacher) OLDSCHOOL SOCIETY (OSS) OVERDRESSED (Band) PARANOID (Band) PC-RECORDS (Vertrieb) PECKERWOOD BROTHERHOOD PIONIER (Band) PRO CHEMNITZ (BÜRGERBEWEGUNG PRO CHEMNITZ) RAC'N'ROLL-TEUFEL (Band) REPRO-MEDIEN (Vertrieb) REVOLUTION CHEMNITZ REVOLUTIONÄRE NATIONALE JUGEND (RNJ) RING NATIONALER FRAUEN (RNF, siehe NATIONALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (NPD)) SACHSENBLUT (Band) SACHSONIA (Band) SCHLESISCHE JUNGS NIESKY SCHRATT (Liedermacher) SELBSTSTELLER (Band) STAHLFRONT (Band) STAHLWERK (Band) STEREOTYP (Band) STREETFIGHT-VERSAND (Vertrieb, siehe NATIONALES VERSANDHAUS) THEMATIK 25 (Band) THOYTONIA (Band) TREUESCHWUR (Band) TRUE AGGRESSION (Band) ÜBERZEUGUNGSTÄTER VOGTLAND (Band) VERBOTEN (Band) VOLKSNAH (Band) W. U. T. (W HITE UNITED TERROR) (Band) WEISSE W ÖLFE TERRORCREW (WWT, verboten seit 16. März 2016) WEIßER RABE/DER W EIßE RABE WHITE RESISTANCE (Band) WIR FÜR LEIPZIG 254
  • Gewaltpotenzial 78 2.1 Rechtsextremistische Gewalt nach Aufdeckung des NSU 79 2.2 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern 81 2.3 Rechtsextremistisch motivierte
Ausländerextremismus 64 1. Personenpotenzial Bayern 66 2. Gewaltpotenzial 66 3. Strukturen 67 3.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), ehemals Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 67 3.2 Türkische Linke 70 3.2.1 DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) / Devrimei Sol (Revolutionäre Linke) 70 3.2.2 Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten - Partizan Flügel (TKP/ML - Partizan Flügel) 71 3.2.3 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) 72 3.3 Türkische Nationalisten 73 3.4 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) 74 Rechtsextremismus 76 1. Personenpotenzial Bayern 78 2. Gewaltpotenzial 78 2.1 Rechtsextremistische Gewalt nach Aufdeckung des NSU 79 2.2 Gewaltorientierte rechtsextremistische Szene in Bayern 81 2.3 Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten 82 3. Rechtsextremistische Themenfelder und Aktionsformen 84 3.1 Rechtsextremistische Themenfelder 84 3.2 Rechtsextremistische Aktionsformen 86 3.2.1 Rechtsextremistische Bürgerinitiativen 86 3.2.2 Rechtsextremistische Aktivitäten bei gesellschaftlichen Veranstaltungen 87 3.2.3 Internationale Kontakte bayerischer Rechtsextremisten 87 4. Frauen und Rechtsextremismus 88 5. Internet, Musik und Vertriebsstrukturen 90 5.1 Rechtsextremisten im Internet 90 5.2 Rechtsextremistische Musik 91 5.3 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen 94 5.4 Rechtsextremistische Internet-Radios und -TV 96 12
  • Zusammenhang mit der Aufdeckung der menschenverachtenden Mordserie des NSU vollzogen: Die personenund fallbezogene Bearbeitung rechtsextremistischer Aktivitäten haben wir deutlich ausgebaut
Strukturveränderungen haben wir auch im Zusammenhang mit der Aufdeckung der menschenverachtenden Mordserie des NSU vollzogen: Die personenund fallbezogene Bearbeitung rechtsextremistischer Aktivitäten haben wir deutlich ausgebaut, die für den Inlandsextremismus zuständige Abteilung wurde hierzu umstrukturiert. Um die große Zahl an Asservaten auszuwerten, die im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen das Freie Netz Süd (FNS) sichergestellt wurden, haben wir eine eigene Arbeitseinheit eingerichtet, in der wir auch von Beamten der Bayerischen Polizei unterstützt werden. Zudem haben wir die Präventionsarbeit in der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) weiter verstärkt. Auch im Verfassungsschutzverbund wurden viele neue Strukturen geschaffen, beispielhaft sind hier die Einrichtung des Gemeinsamen Extremismusund Terrorismus-Abwehrzentrums (GETZ) und die Schaffung einer Rechtsextremismus-Datei zu nennen. Wir verlieren dabei aber auch die übrigen Phänomenbereiche nicht aus dem Fokus. Derzeit beschäftigt uns insbesondere die Ausreise von Salafisten in Richtung Syrien. Rückkehrer, die in Syrien Kampferfahrung gesammelt haben, können die Gefährdungslage in Deutschland massiv verändern. Wir behalten aber auch diejenigen im Blick, die die Gefahren des Islamismus dazu instrumentalisieren, um gegen den Islam insgesamt zu hetzen und den Muslimen das Grundrecht auf Religionsfreiheit abzusprechen. Voraussetzung für die stetige Anpassung an neue Bedrohungslagen ist unsere qualifiziierte und motivierte Mitarbeiterschaft. Ein Großteil unseres Personals hat eine Polizeiausbildung durchlaufen und steht damit für die enge Verzahnung mit der Polizei. Daneben beschäftigen wir aber auch Spezialisten wie Politikwissenschaftler, Islamwissenschaftler oder Informatiker, die zusätzliches Know-how und neue Perspektiven mitbringen. Die große Bandbreite der Qualifikationen hilft uns, unsere vielfältigen Aufgaben in einer immer komplexer werdenden Welt zu bewältigen. Um zügig auf neue Herausforderungen reagieren zu können, suchen wir nicht zuletzt auch den stetigen Austausch mit der Öffentlichkeit. Wir stellen uns der Diskussion und sind dankbar für Anregungen, die uns noch besser machen können. München, im März 2014 -- Or2357 Dr. Burkhard Körner Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz 10
  • Justiz sowie von schulischen und außerschulischen scher Untergrund (NSU) und ihrer Mordserie wurde analog Bildungsträgern angefragt. zum Bereich des islamistischen
VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2021 Zusammenarbeit Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden Der Berliner Verfassungsschutz ist Teil der deutschen Sicherauf den Weg gebracht. Im Dezember 2011 wurde das "Geheitsarchitektur. Die Aufgaben des Inlandsnachrichtenmeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" (GAR) dienstes werden in der föderalen Struktur Deutschlands vom eingerichtet. Es dient der engeren Koordination und KooperaBundesamt für Verfassungsschutz und den 16 Landesbehörtion zwischen den Nachrichtendiensten und den Polizeibehörden gemeinsam wahrgenommen. Der Vorteil liegt darin, dass den von Bund und Ländern und wurde im Herbst 2012 in das die eigentliche Beobachtung abgestimmt auf die jeweiligen neue "Gemeinsame Extremismusund TerrorismusabwehrzenExtremismusschwerpunkte auf Landesebene erfolgen kann, trum" (GETZ) für alle Phänomenbereiche (außer Islamismus) wo ein guter Einblick in die regionale extremistische Szene eingegliedert. Auch der Berliner Verfassungsschutz ist dort mit und eine eingespielte Zusammenarbeit mit den übrigen Laneinem Verbindungsbeamten vertreten. desbehörden besteht, die Beratung der Politik stattfindet und lokale Netzwerke für Deradikalisierung und Prävention ins 2019 wurde zur Förderung der engeren Zusammenarbeit bei Leben gerufen werden. Es besteht keine Überordnung oder der Aufklärung rechtsextremistischer Strukturen und Straftaten Weisungsbefugnis des Bundesamtes gegenüber den Landesin Berlin das "Gemeinsame Informationsund Bewertungsbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat jedoch zentrum Rechtsextremismus" (GIBZ) unter der Geschäftsfühals Zentralstelle die Aufgabe, die Zusammenarbeit auf dem rung des Berliner Verfassungsschutzes gegründet. Gebiet des Verfassungsschutzes zu koordinieren. Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Von der Polizei unterscheidet sich der Verfassungsschutz Die Information von Politik und Öffentlichkeit über Gefahren dadurch, dass er nicht für die Strafverfolgung und die Gefahfür die freiheitliche demokratische Grundordnung ist die zentrenabwehr zuständig ist, sondern im Rahmen seiner Strukturrale Aufgabe des Berliner Verfassungsschutzes.92 aufklärung im Vorfeld konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit tätig wird. Er verfügt dabei nicht über polizeiliche Er informiert den Senat, das Abgeordnetenhaus und die Zwangsbefugnisse. Auch organisatorisch müssen VerfasÖffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen in den Beobachsungsschutz und Polizei getrennt sein (organisatorisches tungsfeldern - so weitgehend und intensiv wie möglich. Damit Trennungsgebot). Darüber hinaus muss der Datenaustausch leistet er einen wichtigen Beitrag zur Extremismusprävention. zwischen Verfassungsschutz und Polizei den Anforderungen des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten informatioDer Verfassungsschutz informiert nicht nur in unterschiednellen Trennungsprinzips genügen. Dementsprechend ist die lichen Publikationen und über das Internet. Mitarbeiterinnen Informationsübermittlung für ein mögliches operatives polizeiund Mitarbeiter halten auch Vorträge für Bildungseinrichtunliches Tätigwerden nur zum Schutz eines herausragenden gen und interessierte Organisationen. Zudem veranstaltet öffentlichen Interesses zulässig. Ein solches Interesse ist beider Berliner Verfassungsschutz Symposien zu seinen Themenspielsweise die Bekämpfung des internationalen Terrorismus feldern. oder die Verhinderung oder Verfolgung verfassungsfeindlich motivierter Straftaten. Publikationen Der Berliner Verfassungsschutz hat mehrere PublikationsreiAngesichts der anhaltenden Bedrohung durch den islamistihen entwickelt, um dem unterschiedlichen Informationsbedarf schen Terrorismus haben die Innenminister die Zusammengerecht zu werden. Alle Publikationen können schriftlich bearbeit der Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren stellt werden und sind im Internet abrufbar.93 Neben Broschüausgebaut. 2004 hat das "Gemeinsame Terrorismusabwehrren, die Einzelphänomene verfassungsfeindlicher Bestrebunzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow seine Arbeit aufgenommen. gen beleuchten, gibt der jährliche Verfassungsschutzbericht Neben Vertretern des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine Gesamtübersicht über Bestrebungen und Tätigkeiten im (BfV), des Bundeskriminalamtes (BKA), des BundesnachrichSinne von SS 5 Abs. 2 VSG Bln. Auch eine Publikation, die über tendienstes (BND) und des Generalbundesanwalts (GBA) ist die Aufgaben und die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes auch der Berliner Verfassungsschutz neben allen weiteren informiert, liegt vor. Landesbehörden für Verfassungsschutz dort vertreten. Das GTAZ ermöglicht, Informationen zum islamistischen TerrorisVeranstaltungsarbeit mus umgehend gemeinsam zu analysieren und die operatiDer Berliner Verfassungsschutz hat zahlreiche Vortragsverven Maßnahmen abzustimmen. Gerade bei der Bewältigung anstaltungen durchgeführt. Dabei wurde sowohl über die besonderer Gefährdungslagen hat sich diese KooperationsExtremismusfelder, die der Verfassungsschutz beobachtet, als und Informationsanbahnungsplattform als nützlich erwiesen. auch über die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes informiert. Die Vortragsveranstaltungen wurden insbesondere von Nach der Aufdeckung der Gruppierung NationalsozialistiPolizei und Justiz sowie von schulischen und außerschulischen scher Untergrund (NSU) und ihrer Mordserie wurde analog Bildungsträgern angefragt. zum Bereich des islamistischen Terrorismus auch bei der Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus eine 98
  • Wert eines Menschen bestimmt. Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat die besondere Gefährlichkeit der Szene und die Notwendigkeit eines
Rechtsextremismus hat viele verschiedene Ausprägungen: Parteien kämpfen um Einfluss in Parlamenten. Ideologen versuchen, rassistisches und nationalistisches Gedankengut intellektuell zu verpacken. Antisemiten schreiben der Existenz von Juden die Ursache aller Probleme zu. Neonazis bekennen sich offen zum Nationalsozialismus und treten aggressiv und kämpferisch auf. Daneben versuchen sie durch die Gründung von Tarnorganisationen, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Kennzeichnend für alle rechtsextremistischen Strömungen sind jedoch die übersteigerte Betonung der Nation sowie ein autoritäres Denken, das die "Volksgemeinschaft" über das Individuum stellt. Gemeinsames Ziel ist die Abschaffung zentraler Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, beispielsweise das Recht auf Wahlen. Darüber hinaus richten sich rechtsextremistische Bestrebungen gegen die universelle Geltung der Menschenrechte und die im Grundgesetz verankerte Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Das rechtsextremistische Weltbild geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer "Rasse" den Wert eines Menschen bestimmt. Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat die besondere Gefährlichkeit der Szene und die Notwendigkeit eines entschiedenen Vorgehens gegen rechtsextremistische Bestrebungen bestätigt. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013 71 Rechtsextremismus
  • Nationalsozialismus 116 (SAG) 160 Nationalsozialistischer Stalinismus 149,167 Untergrund (NSU) 79 STERKTV 68 Ndrangheta 207 Stidda 207 Neonazismus 116 NUCE
J oO Jihadistischer Salafismus 31,51 Office of Special K Affairs (OSA) 185 Kameradschaften 122-135 Online-Imame 53 Kommunistische Partei Open Source Jihad 34 Chinas (KPC) 193 Outlaw Motorcycle Konvertiten 28,32,34,35 Gang (OMCG) 202 Kommunistische Partei Outlaws MC 202 P Deutschlands (KPD) 162,166, 170 L Parteiverbotsverfahren 105 Legalistischer Islamismus 29,36 Politischer Salafismus 29,51 Lies!, Koranverteilprojekt 30,53 R Linksruck 160 Religious Technology M Center (RTC) 183 Maoismus 150, 167 Risalat-ul-Ikhwan 44 Marxismus 148,177 Rock Maschine MC 204 MarxismusSs Leninismus 148, 162, 171 Sacra Corona Unita 207 MEDNUCE, Kurdischer Salahuddin-Moschee 53 Satellitensender 68 Salafismus 50-58 Merkez-Moschee 40 Satudarah MC 202 Milli Gazete 36 Scharia 27,36,50,59 Mongols MC 202 Schulhof-CDs 91 Muhacirun 39 Schwarzer Block 145 Muhammad-Karikaturen 29,53 Serxwebun Mujahidin 54,59 (Unabhängigkeit) 67 N Skinhead-Bands 92 Naschid 34 Skinheads 78,92, 133 Nationale Allianz Social engineering 196 für Cyber-Sicherheit 199 Sozialistische Arbeitergruppe Nationalsozialismus 116 (SAG) 160 Nationalsozialistischer Stalinismus 149,167 Untergrund (NSU) 79 STERKTV 68 Ndrangheta 207 Stidda 207 Neonazismus 116 NUCE TV 68 Stichwortregister
  • zivilisatorischen Bruch dar, wie er seit dem Ende des NSU nicht mehr vorgekommen ist. Die Täter haben ihre hasserfüllte Ideologie
Liebe Bürgerinnen und Bürger, im vergangenen Jahr starben drei Menschen durch die Hand rechtsextremistisch motivierter Attentäter. Im Juni wurde der Regierungspräsident von Kassel vor seinem Haus aus nächster Nähe erschossen. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden löste das Bekenntnis des Regierungspräsidenten zum Schutz der zu uns geflüchteten Menschen die fremdenfeindlich motivierte Hasstat aus. Nur vier Monate später versuchte ein ebenfalls rechtsextremistisch motivierter Täter in Halle unter jüdischen Gläubigen während des Gottesdienstes ein Massaker anzurichten. Als die Tat an den Sicherheitsvorkehrungen der Synagoge scheiterte, richtete er zwei Menschen, die sich zufällig in der Nähe des Tatortes aufhielten, regelrecht hin und verletzte auf der Flucht weitere Menschen zum Teil schwer. Das zeitgleich im Internet veröffentlichte "Manifest" des Täters ist eine üble Mixtur aus antisemitischen Verschwörungstheorien sowie Frauenund Muslimfeindlichkeit. Ende Februar diesen Jahres eröffnete ein Einzeltäter in Hanau auf offener Straße das Feuer und tötete neun willkürlich ausgewählte Opfer und ein Familienmitglied. Diese Mordanschläge stellen einen zivilisatorischen Bruch dar, wie er seit dem Ende des NSU nicht mehr vorgekommen ist. Die Täter haben ihre hasserfüllte Ideologie über den rechtsstaatlichen Grundkonsens der Unantastbarkeit der Menschenwürde und über das Recht auf Leben gestellt. Der Täter von Halle hatte in Nachahmung US-amerikanischer Attentäter seine Tat live ins Internet übertragen. Diesem Tätertypus geht es nicht nur darum, seiner Ideologie ein mörderisches Fanal zu setzen, er will dabei möglichst weltweit gesehen und zur Inspiration für Nachahmer werden. Die Täter zielen dabei insbesondere auf jene Internetforen, in denen sich Gleichgesinnte mit immer aggressiver werdender Hetze gegenseitig aufstacheln. Für die Sicherheitsbehörden wird es daher immer wichtiger, diese Hassforen stärker aufzuklären und radikalisierte Einzeltäter oder Kleinstgruppen so früh wie möglich zu identifizieren, bevor sie ihre Gewaltphantasien in die Tat umsetzen. Im Bereich der Vorfeldaufklärung kommt dem Verfassungsschutz eine besondere Bedeutung zu. Während die Taten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit zu Recht Abscheu hervorrufen, herrscht bei Gewaltausbrüchen von Linksextremisten eine eigentümliche Zurückhaltung. Gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten werden nicht 5
  • versandt, die unter anderem mit "Nationalschen Inhalten SozialistischeOffensive", "Wehrmacht", "NSU 2.0", "Elysium", "Staatsstreichorchester" und "Atomwaffen Division Deutschland" unterzeichnet waren
Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht Bayern 2019 Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 bekam die rechtsextremistische Szene ideologischen und propagandistischen Auftrieb, wodurch ein Resonanzboden für rechtsextremistische Ideologiefragmente entstand. Die Folge war ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein Umfeld hinein, das bislang nicht in rechtsextremistischen Strukturen verankert war, diesen aber offenkundig ideologisch nahesteht. Dies hatte Auswirkungen auf Radikalisierungsprozesse und rechtsextremistisch motivierte politische Gewalt: Viele Strafund Gewalttaten gegenüber Flüchtlingen und deren Unterkünfte wurden in der Folge von radikalisierten Personen und Kleingruppen begangen, die bislang keine Bindung an rechtsextremistische Strukturen aufwiesen. Befeuert wird dies insbesondere durch unzählige Hasskommentare im Internet und in sozialen Netzwerken, die geprägt sind von der rassistischen Abwertung von Migranten und teilweise offen kommunizierten Gewaltfantasien. Der Personenkreis, von dem rechtsextremistisch motivierte Gewalt ausgehen kann, hat sich dadurch vergrößert. Seit 2018 wurden bundesweit verschiedene Drohmails an Drohmails mit Presseorgane, Behörden, Organisationen und Personen des rechtsextremistiöffentlichen Lebens versandt, die unter anderem mit "Nationalschen Inhalten SozialistischeOffensive", "Wehrmacht", "NSU 2.0", "Elysium", "Staatsstreichorchester" und "Atomwaffen Division Deutschland" unterzeichnet waren. Am 9. Oktober fanden in vier Bundesländern Durchsuchungsaktionen wegen Drohmails mit islamfeindlichen Inhalten statt. Hintergrund waren 23 Drohschreiben, die in der Zeit vom 8. bis zum 23. Juli bundesweit an verschiedene Institutionen verschickt wurden. Betroffen davon waren unter anderem Ankerzentren in Bayern, islamische Zentren, Moscheen, Parteizentralen sowie Presseund Medienagenturen. Gedroht wurde beispielsweise mit Sprengstoffanschlägen. Unterzeichnet waren die Drohschreiben mit "Volksfront", "Combat 18" oder "Blood & Honour ("Trotz Verbot sind wir nicht tot")". In der Nacht vom 1./2. Juni wurde der Präsident des RegierungsMordanschlag auf präsidiums Kassel, Dr. Walter Siegfried Dr. Lübcke, auf seinem RegierungspräsidenWohngrundstück in Wolfhagen (Hessen) aus nächster Nähe erten von Kassel schossen. Ein tatauslösendes Motiv soll eine Äußerung des späteren Opfers auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung in Lohfelden (Hessen) vom 14. Oktober 2015 zum Thema Flüchtlinge gewesen sein. Dr. Lübcke hatte sich zu der humanitären Verpflichtung, Schutzsuchenden zu helfen, bekannt und in Reaktion auf wiederholte, migrantenfeindliche Zwischenrufe geäußert "Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen". In der Folge erhielt er bedrohende oder beleidigende Zuschriften. 99
  • Ende wird sicherlich auch für diesen Mord der NSU verantwortlich gemacht werden." Den Tod Dr. Lübckes thematisierte am 2. Juni
Verfassungsschutzbericht Bayern 2019 Rechtsextremismus Die Partei "Der Dritte Weg" (III. Weg) hatte am 17. Oktober 2015 gegen Dr. Lübcke agitiert und seine Aussage als Beleg für einen angeblichen gegen Einheimische gerichteten "Bevölkerungsaustausch" dargestellt. Den Tod Dr. Lübckes griff der "III. Weg" am 6. Juni erneut agitatorisch auf ("Überfremdungspolitiker Walter Lübcke tot aufgefunden") und mutmaßte zynisch: "Aber am Ende wird sicherlich auch für diesen Mord der NSU verantwortlich gemacht werden." Den Tod Dr. Lübckes thematisierte am 2. Juni auch der Versammlungsleiter von PEGIDA Nürnberg/ PEGIDA Mittelfranken auf seinem Facebook-Profil. Dies nutzten andere Facebooknutzer für verunglimpfende Kommentare, beispielsweise "Das schlechte Carma trifft irgendwann jeden" oder "Diese Regierung schürt den Hass [...] wer Wind säht wird Sturm ernten". (Fehler jeweils vom Original übernommen). Am 15. Juni wurde ein dringend Tatverdächtiger festgenommen. Er soll Dr. Lübcke heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet haben. Nach Ansicht des Generalbundesanwalts liegen zureichende Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund der Straftat vor: Sie ergeben sich insbesondere aus dem Vorleben des Tatverdächtigen und seinen öffentlich geäußerten politischen Ansichten. Die Ermittlungen bezüglich weiterer Tatbeteiligter und Hintermänner dauern noch an. Laut Generalbundesanwalt wird gegen den Tatverdächtigen zudem wegen des Verdachts ermittelt, bereits am 6. Januar 2016 in Lohfelden versucht zu haben, einen irakischen Asylbewerber heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten. Anschlag auf eine Am 9. Oktober erschoss ein noch am gleichen Tag festgenomSynagoge in Halle mener Tatverdächtiger in Halle a. d. Saale vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei zufällig anwesende Personen und verletzte während seiner Flucht mehrere Personen. Der Tatverdächtige hattte zunächst erfolglos versucht, mithilfe von Waffen und Sprengmitteln in eine Synagoge einzudringen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft plante der Tatverdächtige aus seiner rechtsextremistischen und antisemitischen Gesinnung heraus am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur einen Mordanschlag auf Mitbürger jüdischen Glaubens. Der Tatverdächtige filmte das Tatgeschehen und stellte die Aufnahmen als Live-Stream ins Internet. Dies deutet darauf hin, dass das Internet und die dort zu erwartende Resonanz auf die Tat in seiner Gedankenwelt eine zentrale Rolle spielten. In den Aufnahmen inszenierte sich der Tatverdächtige wie ein Computerspieler in der realen Welt. So setzte er sich "Ziele" 100
  • nützlich erwiesen. Nach der Aufdeckung der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und ihrer Mordserie wurde analog zum Bereich des islamistischen Terrorismus
Verfassungsschutz Berlin Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus haben die Innenminister die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren ausgebaut. 2004 hat das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow seine Arbeit aufgenommen. Neben Vertretern des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Generalbundesanwalts (GBA) ist auch der Berliner Verfassungsschutz neben allen weiteren Landesbehörden für Verfassungsschutz dort vertreten. Das GTAZ ermöglicht, Informationen zum islamistischen Terrorismus umgehend gemeinsam zu analysieren und die operativen Maßnahmen abzustimmen. Gerade bei der Bewältigung besonderer Gefährdungslagen hat sich diese Kooperationsund Informationsanbahnungsplattform als nützlich erwiesen. Nach der Aufdeckung der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und ihrer Mordserie wurde analog zum Bereich des islamistischen Terrorismus auch bei der Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf den Weg gebracht. Im Dezember 2011 wurde das "Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus" (GAR) eingerichtet. Es dient der engeren Koordination und Kooperation zwischen den Nachrichtendiensten und den Polizeibehörden von Bund und Ländern und wurde im Herbst 2012 in das neue "Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) für alle Phänomenbereiche (außer Islamismus) eingegliedert. Auch der Berliner Verfassungsschutz ist dort mit einem Verbindungsbeamten vertreten. 2019 wurde zur Förderung der engeren Zusammenarbeit bei der Aufklärung rechtsextremistischer Strukturen und Straftaten in Berlin das "Gemeinsame Informationsund Bewertungszentrum Rechtsextremismus" (GIBZ) unter der Geschäftsführung des Berliner Verfassungsschutzes gegründet.3 3 Zum GIBZ vgl. S. 63. 23
  • Mails beispielsweise als "Nationalsozialistische Offensive", "Wehrmacht", "NSU 2.0", "Cyberreichswehr" sowie "Die Musiker des Staatsstreichorchesters". Sie verschickten die Schreiben über
Solche Droh-E-Mails sollen Menschen einschüchtern und sie so in ihrem Sicherheitsempfinden und Handeln einschränken. Teilweise werden in den Schreiben auch erpresserische finanzielle Forderungen gestellt. Die Urheber solcher Mails agitieren sehr häufig unter Bezugnahme auf rechtsextremistische Personen und Organisationen, in deren Namen bereits Attentate begangen wurden. Sie versuchen so, ihren Drohungen und Forderungen zusätzliches Gewicht zu verleihen. Nicht selten werden solche Schreiben aus demselben Grund unmittelbar nach rechtsextremistischen Attentaten versandt. Die Absender bezeichneten sich in den E-Mails beispielsweise als "Nationalsozialistische Offensive", "Wehrmacht", "NSU 2.0", "Cyberreichswehr" sowie "Die Musiker des Staatsstreichorchesters". Sie verschickten die Schreiben über E-Mail-Dienstleister aus dem Ausland, vor allem aus den USA und Russland, wodurch sie hoffen, ihre Spuren verwischen zu können. Daneben wurden auch sogenannte Trash-Mailer benutzt. Hierbei handelt es sich um WegwerfE-Mailadressen, die nur wenige Stunden Bestand haben, ehe sie vom jeweiligen Anbieter samt aller Nutzerdaten gelöscht werden. Seit Juli wurden zudem bundesweit Drohschreiben bekannt, deren Urheber sich als Sympathisanten der militanten neonazistischen Gruppierung "Combat 18" 20 und der rechtsterroristischen "Atomwaffen Division Deutschland" (AWD)21 bezeichneten. Im Oktober wurde im Namen der AWD eine solche E- Mail versandt, die sich gegen eine Bundespolitikerin und einen Bundespolitiker richtete. Die E-Mail ging bei mehreren Empfängern ein, so auch medienwirksam bei der Redaktion einer Berliner Tageszeitung. Wörtlich hieß es in dieser Mail: 20 "Combat 18" wurde am 23. 1. 2020 durch den Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat verboten. 21 Die neonazistische "Atomwaffen Division" hat ihren Ursprung in den USA und beruft sich u. a. auf den rechtsextremistischen Autor James Mason und den 2017 verstorbenen Massenmörder Charles Manson. Mitglieder dieser Gruppierung, deren Wortund Bildsprache einen ausgeprägten Gewaltfetischismus offenbart, haben 2017 in den USA fünf Menschen ermordet. 40
  • wurden, ein Klima der Angst zu erzeugen. Unterschrieben mit "NSU 2.0" oder "Staatsstreichorchester" wurden zahlreiche solche Drohschreiben an Vertreterinnen
"minderwertig" abgewertete Menschen stehen als Feindbild im Fokus rechtsextremistischer Ideologien. Rechtsextremistische Gewalt richtet sich daher ganz überwiegend gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen. Das Jahr 2019 hat gezeigt, dass die Bereitschaft von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten zur Begehung auch schwerster Straftaten, bis hin zu politisch motiviertem Mord und terroristischen Attentaten, zunimmt. Auch in Deutschland töteten Rechtsextremisten. In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke auf seiner Veranda erschossen. Dr. Lübcke hatte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung während einer Diskussionsveranstaltung mit der Werteordnung der Bundesrepublik verteidigt. Dies genügte, um zum Ziel rechtsextremistischer Hetze und schließlich, nach allem was bislang zur Tat bekannt ist, einer politisch motivierten Tötung zu werden. Am 9. Oktober schoss ein bewaffneter Attentäter in Halle vor der dortigen Synagoge und einem türkischen Schnellimbiss um sich und brachte mehrere Sprengkörper zur Explosion. Der Attentäter erschoss zwei Menschen, nachdem ihm das Eindringen in die Synagoge misslang. In dieser befanden sich ca. 50 Personen, um gemeinsam den jüdischen Feiertag Jom Kippur zu begehen. Sie waren das eigentliche Ziel des offenbar antisemitisch motivierten Attentats. Der Attentäter filmte seine Tat und übertrug diese live über das Internet. Das Attentat von Halle ähnelte damit in frappierender Weise dem Anschlag von Christchurch, sowohl was die Tatausübung und die Wahl des Anschlagsziels betraf, als auch durch die Nutzung einer spezifischen Wortund Bildsprache und die Übertragung der Tat durch einen Livestream. Parallel zu diesen schweren Gewalttaten versuchten Rechtsextremisten auch mit diversen Drohschreiben, die per Post oder E-Mail versandt wurden, ein Klima der Angst zu erzeugen. Unterschrieben mit "NSU 2.0" oder "Staatsstreichorchester" wurden zahlreiche solche Drohschreiben an Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft und Politik auch in Berlin versandt. Teilweise 60
  • Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) haben deutlich gemacht, dass der Informationsaustausch und die Vernetzung zwischen
Verfassungsschutz in Hamburg 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die wichtigste gemeinsame Datei ist das bundesweite Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS), das nach mehreren Jahrzehnten im Jahr 2012 durch ein neues System abgelöst wurde. Im neuen "NADIS-WN" (WN für WissensNetz) werden mehr Informationen erfasst und für alle Berechtigten im Verbund zur Verfügung gestellt. Es bietet deutlich bessere Möglichkeiten für Analysen. Die Entwicklungen im Bereich des islamistischen Terrorismus und die Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) haben deutlich gemacht, dass der Informationsaustausch und die Vernetzung zwischen den Verfassungsschutzbehörden und den Sicherheitsbehörden insgesamt fortentwickelt werden musste. Als Folge wurden gemeinsame Dateien mit den Polizeibehörden geschaffen. Für den Bereich des islamistischen Terrorismus nahm bereits am 30. März 2007 die "Antiterrordatei" (ATD) und auf dem Gebiet des gewaltorientierten Rechtsextremismus am 19. September 2012 die "Rechtsextremismusdatei" (RED) ihren Betrieb auf. Am 19. Februar 2020 wurde das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz (3. WaffRÄndG) im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Waffenbehörden haben im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung unter anderem bei den jeweiligen Verfassungsschutzbehörden die Auskunft einzuholen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen. Das Gesetz trat in wichtigen Teilen am 20. Februar 2020 in Kraft. Die übrigen Vorschriften zur Reform des Waffenrechts treten im Laufe des Jahres in Kraft. 23