FREISTAAT THÜRINGEN VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 1998 Thüringer Innenministerium ' Verfassüngsschutzbericht Thüringen 1998 Mai 1999 IMPRESSUM Herausgeber: Thüringer Innenministerium Steigerstraße 24 99096 Erfurt Telefon (03 61)37-900 Druck: Gutenberg Druckerei GmbH Weimar Vorwort Die freiheitliche demokratische Grundordnung in Thüringen beruht auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates. Die Freiheit des Einzelnen steht dabei im Mittelpunkt. Insbesondere die Bürger eines neuen Bundeslandes wissen diese Errungenschaft zu schätzen. Damit aber die Freiheit von den Gegnern der Staatsordnung nicht missbraucht oder beseitigt werden kann, besitzt diese eine streitbare und abwehrbereite Konstitution. Einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Demokratie leistet das Landesamt für Verfassungsschutz. Es deckt verfassungsfeindliche Bestrebungen auf, liefert Erkenntnisse über Extremisten und Gefährdungsanalysen. Diese bilden die Voraussetzung für entsprechende Gegenmaßnahmen, aber auch für die Aufklärung der Bevölkerung. Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick der Aktivitäten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz. Er umfasst die Ergebnisse der Beobachtung des Rechts-, Linksund des Ausländerextremismus, der Bestrebungen der Scientology-Organisation sowie der Spionageabwehr und des Geheimschutzes. Der vom Thüringer Innenministerium herausgegebene Bericht führt auf, welche Gruppierungen in welchem Umfang die freiheitliche demokratische Grundordnung bedrohten. Im einzelnen ist festzustellen, dass sich die Zahl der von Rechtsextremisten verübten Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 1 2 % verringerte. Die Zahl der Gewalttaten insgesamt stieg, dagegen sank die der gegen den politischen Gegner verübten Gewalttaten. Die Zahl der von Linksextremisten verübten Straftaten stieg, insbesondere in Folge der Demostration "Gegen rechten Konsens" in Saalfeld am 14. März 1998, deutlich an, allerdings von einem wesentlich niedrigeren Ausgangspunkt, wobei der Umfang der Gewalttaten etwa konstant blieb. Die aktuellen Zahlen geben - wenn auch zwischen den einzelnen extremistischen Gruppen deutlich differenziert wird - allen Anlass zu größter Wachsamkeit. Der Verfassungsschutzbericht trägt zur Information der Bürger bei, welche sich an den innenpolitischen Diskussionen beteiligen und ihre Verantwortung für das Fortleben der Demokratie wahrnehmen möchten. Das Thüringer Innenministerium wendet sich deshalb an Sie und bietet Ihnen mit dieser Publikation einen aktuellen Überblick der extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen in unserem Land. Dr. Richard Dewes Erfurt, Mai 1999 Thüringer Innenminister Inhaltsverzeichnis I. Einige Informationen zum Verfassungsschutz 7 1. Verfassungsschutz - Instrument der streitbaren Demokratie 7 2. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) 8 3. Verfassungsschutz durch Aufklärung 11 II. Rechtsextremismus 14 1. Überblick 14 2. Ideologischer Hintergrund 15 3. Rechtsextremistische Parteien 15 3.1 Die Republikaner (REP) 15 3.2 Deutsche Volksunion (DVU) 18 3.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 22 3.4 Junge Nationaldemokraten (JN) 29 3.5 Exkurs: Die NPD auf dem W e g zu einer Nationalrevolutionären Partei 31 4. Neonazis 38 4.1 Anti-Antifa 38 4.2 Thüringer Heimatschutz (THS) 38 4.3 Gedenkaktionen für Rudolf Heß 39 4.4 Skinheads 42 5. Aktionen rechter Publizisten in Thüringen 46 6. Neue Kommunikationsmedien 48 7. Rechtsextremistische Straftaten im Überblick 50 IM. Linksextremismus 51 1. Überblick 51 2. Ideologischer Hintergrund 52 3. Marxistisch-Leninistische Parteien und Organisationen 52 3.1 Die Beobachtung kommunistischer Parteien durch die Verfassungsschutzbehörden 52 3.2 Die Kommunistische Plattform (KPF) der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) 53 3.3 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 56 3.4 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 58 3.5 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 58 3.6 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 60 3.7 Rote Hilfe e. V (RH) 61 3.8 Roter Tisch der Kommunisten Thüringens 62 4. Autonome 63 4.1 Allgemeines 63 4.2 Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation ( A A / B O ) 64 4.3 Exkurs: Autonome Anti-Reichtums-Kampagne 65 4.4 Bundesweite Aktionen 66 4.5 Die autonome Szene in Thüringen 72 4.6 Exkurs: Was gibt es im Infoladen? 72 4.7 Aktionen autonomer Gruppen in Thüringen 73 5. Terroristische Gruppierungen 80 6. Nutzung moderner Kommunikationsmedien durch Linksextremisten 80 7. Linksextremistische Straftaten im Überblick 81 IV. Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 82 1. Allgemeines 82 2. Die wichtigsten extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland 83 3. Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 85 4. Linksextremistische türkische Organisationen 93 5. Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Indern 96 6. Ausländerextremismus und neue Kommunikationsmedien 96 V. Scientology-Organisation (SO) 97 1. Allgemeines 97 2. Organisation 98 3. Scientology mit Demokratieverständnis? 100 4. Die SO in Thüringen 101 5. Die SO im Internet 102 VI. Spionageabwehr 103 1. Überblick 103 2. Mittel und Methoden fremder Nachrichtendienste 103 3. Spionage und neue Medien 104 4. Fortwirkende Strukturen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR 110 VII. Ereigniskalender 112 VIII Geheimschutz 116 1. Allgemeines 117 2. Personeller und materieller Geheimschutz 117 3. Zuständigkeiten und praktische Durchführung 117 4. Sicherheitsüberprüfungen 119 5. Datenerhebung und -Verarbeitung bei Sicherheitsüberprüfungen 122 IX. Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten 123 1. Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Beobachtungsaufgaben 123 2. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs 126 3. Wohnraumüberwachunqen 128 Anhang: Thüringer Verfassungsschutzgesetz (ThürVSG) 129 Abkürzungsverzeichnis 141 Personenregister 145 Sachregister 148 I. Einige Informationen zum Verfassungs schütz 1. Verfassungsschutz - Instrument der streitbaren Demokratie Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringen garantieren allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Maß an Freiheit. Nach den Erfahrungen mit der Weimarer Verfassung verpflichtet das Grundgesetz den Staat aber auch dazu, den Kräften entgegenzuwirken, die die freiheitliche demokratische Grundordnung untergraben und letztlich beseitigen wollen, um eine andere Ordnung zu errichten, die nicht von unserer Verfassung getragen ist. Das Grundgesetz schreibt also nicht nur Prinzipien des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats fest, sondern trifft auch Vorkehrungen zu seinem Schutz. Diese Verfassung bekennt sich zur streitbaren Demokratie. Die streitbare Demokratie beschreitet - notwendigerweise - einen schwierigen Weg: Sie ist grundsätzlich auch ihren Gegnern gegenüber tolerant. Die Freiheitsrechte - wie beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Demonstrationsrecht - stehen auch Personen, Vereinen und Parteien zu, die den demokratischen Staat beseitigen wollen. Jedoch liefert sich die streitbare Demokratie derartigen Bestrebungen nicht tatenlos aus. So ist beispielsweise nach den Artikeln 9 und 21 des Grundgesetzes das Verbot verfassungswidriger Parteien und Vereine, nach Artikel 18 die Aberkennung von Grundrechten möglich. Daneben sehen das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden vor. Dem Bundesverfassungsschutzgesetz entsprechend unterhält der Freistaat Thüringen eine Landesoberbehörde mit dem Namen Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV). 2. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ist wie folgt strukturiert: Präsident Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Zentrale Dienste Politischer Extremismus Nachrichtendienste/ Geheimschutz Referat 11 Referat 21 Referat 31 Grundsatzund Linksextremismus Spionageabwehr Rechtsfragen, G 10 Referat 12 Referat 22 Referat 32 Personal, Haushalt, Rechtsextremismus Aufklärung fortwirkender Innerer Dienst Strukturen des MfS Referat 13 Referat 23 Referat 33 EDV, Registratur, Ausländerextremismus Personeller und Poststelle materieller Geheimschutz Referat 14 Referat 24 Observation, Technik Forschung und Personenschutz Werbung Referat 15 Referat 25 Of fentl ichkeifsa rbeit Neue Formen des Berichtswesen Extremismus Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ist für jeden Bürger erreichbar: Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz Postfach 796 oder Haarbergstraße 61 99015 Erfurt 99097 Erfurt Telefon 03 6 1 / 4 4 0 6 - 0 Telefax 03 6 1 / 4 4 0 6 - 2 51 Das Aufsichtsreferat im Thüringer Innenministerium hat folgende Adresse: Thüringer Innenministerium Referat 49 Steigerstraße 24 99096 Erfurt Telefon 0 3 6 1 / 3 7 - 9 0 0 Telefax 03 6 1 / 3 7 - 9 3 4 4 4 Abteilung Zentrale Dienste Die Abteilung Zentrale Dienste ist für den inneren Dienstbetrieb des TLfV zuständig. Sie gliedert sich in die Referate Grundsatzund Rechtsfragen, G-10 (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses - Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz), Personal, Haushalt und Innerer Dienst des TLfV, EDV und Registratur, Observation und Technik, Berichtswesen und Öffentlichkeitsarbeit. Von den nach außen wirksamen Aktivitäten dieser Abteilung sind die Organisation und Durchführung von Vorträgen, Ausstellungen und Informationsständen, das Beantworten von Bürgeranfragen und die Herausgabe von periodischer Berichterstattung erwähnenswert. Seine periodische Berichterstattung versteht das TLfV als Serviceangebot gegenüber der Öffentlichkeit und Fachbehörden, insbesondere solchen, die Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrnehmen; dieses Serviceangebot umfasst insbesondere die für die Behörden bestimmte Wochenlage und die Monatsberichte sowie Vorbereitung des Verfassungsschutzberichtes, den das Thüringer Innenministerium jährlich herausgibt. Abteilung Politischer Extremismus Die Aufgabenstellung der Abteilung Politischer Extremismus des TLfV wird von den Gegebenheiten im Lande, d. h. vom Auftreten extremistischer Gruppierungen in Thüringen, im wesentlichen bestimmt; denn hierüber Informationen zu sammeln und in geeigneter Form weiterzuleiten, ist ihr gesetzlicher Auftrag. In einer Vielzahl von Fällen erfolgten aufgrund der Erkenntnisweitergabe des TLfV unmittelbar Maßnahmen der Polizei und anderer Behörden. Innerhalb der Abteilung Politischer Extremismus erfolgt eine Aufgliederung in Links-, Rechtsund Ausländerextremismus und in Neue Formen des Extremismus. Das Referat Rechtsextremismus legte seinen Schwerpunkt auf die Informationsbeschaffung im Bereich der militanten, weit gehend unorganisiert tätigen Neonazis, bei denen es in Thüringen weit reichende Überschneidungen mit der jugendlichen Gewaltszene gibt. Daneben oblag ihm die Beobachtung der "klassischen", auch in Thüringen existenten rechtsextremistischen Parteien - wie Republikaner (REP), Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Deutsche Volksunion (DVU). Das Referat Linksextremismus hatte seinen Schwerpunkt in der Informationsbeschaffung der linksextremistischen autonomen Szene, die ihrerseits teilidentisch mit der jugendlichen Gewaltszene ist bzw. sich mit der politischen Zielsetzung des antifaschistischen Kampfes aus dieser rekrutiert. Daneben beschäftigte sich das Referat mit der Beobachtung der orthodoxen linksextremistischen Parteien - wie der Kommunistischen Plattform der Partei des Demokratischen Sozialismus (KPF), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Das Referat Ausländerextremismus beschaffte Informationen aus der sich in Thüringen nunmehr fest etablierenden kurdischen und türkischen Extremistenszene. Schwerpunkt war die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), aber auch die ebenfalls verbotene linksextreme Devrimci Sol (Dev Sol) oder die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML). Seit Juni 1 997 wird die Scientology Organisation (SO) vom Landesamt beobachtet. Nach wie vor bestehen in Thüringen keine offiziellen Niederlassungen der SO. Der gewonnene Erkenntnisstand betrifft dementsprechend Einzelmitglieder und deren Aktivitäten. Abteilung Nachrichtendienste/Geheimschutz Die Abteilung Nachrichtendienste/Geheimschutz des TLfV umfasst die Referate Spionageabwehr, Fortwirkende Strukturen des MfS und Personeller und materieller Geheimschutz. Das Referat Spionageabwehr legte seinen Schwerpunkt in die Aufklärung der im Lande verbliebenen Agenten und Helfer des sowjetischen Geheimdienstes KGB und seiner russischen Nachfolgedienste, insbesondere den Dienst für Auslandsaufklärung (SWR), den militärischen Geheimdienst Hauptverwaltung Aufklärung beim Generalstab (GRU) und den Föderalen Sicherheitsdienst (FSB), sofern er Auslandsaufklärung in Thüringen betreibt. Ergaben sich aus der Aufklärungsarbeit Hinweise auf Straftaten, wurden diese Erkenntnisse an die zuständigen Sicherheitsbehörden abgegeben. Das Referat Fortwirkende Strukturen des MfS wertete sein umfangreiches systematisches Material aus und verfolgte die sich daraus ergebenen Spuren sowie Einzelhinweise aus der Bevölkerung, die allerdings häufig wenig ergiebig waren. Sie bezogen sich zum einen auf vermeintliche oder tatsächliche Bereicherung von SED-Kadern, zum anderen auf scheinbare weiterbestehende MfSStrukturen. Der Schwerpunkt des Referates Personeller und materieller Ceheimschutz lag auch im Berichtszeitraum in der Mitwirkung von Sicherheitsüberprüfungsverfahren. Daneben führte das Referat in einer Reihe von Fällen Sabotageund Geheimschutzberatung bei Behörden und Firmen durch. 10 3. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann nicht allein von staatlichen Behörden geschützt werden. Hierzu bedarf es auch der Mithilfe aller Bürgerinnen und Bürger. Die Bedeutung der politischen Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen erfordert eine umfangreiche Aufklärung über die Gefahren, die durch den politischen Extremismus drohen. Information und Aufklärung sind für den Bürger erforderlich, um die wahren Absichten extremistischer Bestrebungen erkennen zu können. Es liegt im Interesse jedes Einzelnen, dass die politisch Verantwortlichen durch die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes rechtzeitig in die Lage versetzt werden, verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen abzuwehren und zu bekämpfen. Die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Organisationen und Bestrebungen informiert werden. Im Freistaat Thüringen wird Öffentlichkeitsarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes sowohl vom Thüringer Innenministerium als auch vom TLfV wahrgenommen. FAIRSTÄNDNIS-Kampagne Vor dem Hintergrund der Zunahme politisch motivierter Gewalttaten gegen Ausländer starteten die Innenministerien von Bund und Ländern 1 992 unter dem Motto "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass" eine bundesweite Aufklärungskampagne gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Ziel dieser im Jahr 1 998 fortgeführten Kampagne, an der sich auch das Thüringer Innenministerium beteiligt, ist es, über den Extremismus und seine Gefahren sowie über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus als Bestandteile rechtsextremistischer Ideologie aufzuklären. Zu diesem Zweck wurden (insbesondere an Jugendliche) Aufklärungsmaterialien wie z. B. das Schülerheft "basta - Nein zur Gewalt", Poster "Gewalt ist die falsche Wahl" und "Annäherung statt Gewalt", das Computerspiel "Dunkle Schatten" sowie weitere Werbematerialien mit dem Logo der Kampagne verteilt. Wanderausstellung "Demokratie - aber sicher!" Ebenfalls Bestandteil der Aufklärungsarbeit ist die gemeinsame Wanderausstellung der neuen Bundesländer "Demokratie - aber sicher!" geworden. Diese Ausstellung wird bereits seit Januar 1995 vom Thüringer Innenministerium vorwiegend an Schulen gezeigt. Im Juni 1998 wurde sie im Albert-Schweitzer-Gymna- sium in Sömmerda vor insgesamt 900 Schülern präsentiert. Ein Mitarbeiter des Thüringer Innenministerium betreute die Ausstellung. Zielgruppen dieser Wanderausstellung sind vor allem Schüler und Jugendliche ab etwa 1 3 Jahren, Multiplikatoren, die mit Jugendlichen arbeiten, sowie alle interessierten Bürgerinnen und Bürger. Auf neun Stelltafeln informiert die Ausstellung über Grundrechte sowie über die Erscheinungsformen des Extremismus und gibt Auskunft über die Arbeit des Verfassungsschutzes, der als "Frühwarnsystem" auf die Gefahren hinweist, die der Demokratie durch Extremismus und Terrorismus drohen. Die Texte, Tafeln und Bilder wollen nicht nur informieren, sondern auch zur Auseinandersetzung mit den dargestellten Themen anregen. Ergänzt wird die Präsentation durch ein Begleitheft, anschauliches Informationsmaterial (Poster, Faltblätter, Broschüren, Computerspiele "Dunkle Schatten" und "Was steckt dahinter?" etc.) und durch Exponate. In die Ausstellung integriert ist auch die bundesweit laufende Aufklärungskampagne "FAIRSTANDNIS". Die Broschüren und Werbematerialien der Ausstellung und Kampagne sind über das Thüringer Innenministerium erhältlich. Verfassungsschutzbericht Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger durch den jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit einer Auflagenhöhe von mehreren tausend Exemplaren. Der Verfassungsschutzbericht wird an Behörden, Institutionen, Schulen und interessierte Bürgerinnen und Bürger kostenlos versandt. Er kann entweder beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Postfach 796, 99015 Erfurt, Telefon 03 6 1 / 4 4 0 6 - 0 , Telefax 03 6 1 / 4 4 0 6 - 2 5 1 oder beim Thüringer Innenministerium, Referat 49, Steigerstraße 24, 99096 Erfurt, Telefon 03 61 / 3 79 34 38, Telefax 0361 / 3 7 9 3 4 4 4 angefordert werden. "In guter Verfassung. Erfurter Beiträge zum Verfassungsschutz" Das TLfV setzte in diesem Jahr die 1997 gestartete Buchreihe "In guter Verfassung. Erfurter Beiträge zum Verfassungsschutz" fort. Der zweite Band erschien Mitte des Jahres und befasst sich u. a. mit Themen wie: * Mit Geheimdienstmethoden zur Macht * Einstellungen der Bevölkerung zur freiheitlichen Demokratie in Thüringen * Fortsetzung der SED-Propaganda in der PDS * Linker Geschichtsrevisionismus * Scientology - eine Gefahr für die Demokratie * Verfassungsschutz und Informationsflut Aus der Reihe Demokratie im Diskurs erschien Ende November der 4. Band mit dem Titel "... dich brenn' ich eigenhändig an ...". Er enthält Informationen 12 zur Gedenkstätte Buchenwald. Fotos und Text spüren der Frage "Buchenwald - Kristallisationspunkt für Extremisten?" nach. Beide Bände werden kostenlos an alle Hochschul-, Fachschul-, Kreisund Stadtbibliotheken und an Schulen Thüringens verteilt. Interessenten können alle Bände der Reihe Demokratie im Diskurs auch unter folgender Anschrift bestellen: Heron Verlagsges. mbH Albrechtstraße 43 99092 Erfurt Telefon 0 3 6 1 / 2 1 1 1667 Telefax 0 3 6 1 / 2 1 1 3961 In der Reihe sind bisher erschienen: Band 1 Gernot Achsnich, Gerhard Böhm, Markus Dürig, Frank Ebert, Helmut Roewer Innere Sicherheit im vereinten Deutschland. Ein Lesebuch. Heron Verlag, Erfurt 1997, 175 S., 39,80 DM, ISBN 3-9806080-0-X Band 2 Katrin Brandenburg, Petra Höhn, Laszlo Korinek, Falk Lange, Ingolf Lewandowski, Helmut Roewer, Egon Seren In guter Verfassung. Erfurter Beiträge zum Verfassungsschutz. Heron Verlag, Erfurt 1997, 195 S., 39,80 DM, ISBN 3-9806080-1 -8 Band 3 Andreas Dornheim, Henrik Eberle, Petra Höhn, Norbert Jung, Helmut Rannacher, Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Egon Seren, Uta Sittig In guter Verfassung II. Erfurter Beiträge zum Verfassungsschutz. Heron Verlag, Erfurt 1998, 392 S., 60,00 DM, ISBN 3-9806080-2-6 Band 4 Claudia Timpel, Stefan Schäfer ... dich brenn' ich eigenhändig an ... Ein Lesebuch. Heron Verlag, Erfurt 1998, 102 S., 39,80 DM, ISBN 3-9806080-3-4 Im Jahr 1 998 fanden mehrere Veranstaltungen im TLfV statt, bei denen folgende Vorträge gehalten worden sind: * 1 2. März - Peter Marx, Deutschlandradio Berlin, "Die Journalisten und das MfS." * 27. Mai - Henrik Eberle M. A., Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, "Wirkt die SED-Propaganda weiter?" * 17. Juni - Heinz Voigt, Geschichtswerkstatt Jena, "Der 17. Juni 1 953 - Arbeiteraufstand, Volksaufstand oder faschistischer Putsch?" * 16. September - Prof. Dr. Wolfgang Krieger, Philipps-Universität Marburg, "Nachrichtendienste im Kalten Krieg - ein Überblick." * 1 3. Oktober - Heinz Mestrup M. A., Westfälische Wilhelms-Universität Münster, "Die SED im Bezirk Erfurt und die Wende 1989." * 16. NovemberProf. Dr. Hermann-Josef Rupieper, Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, "Feindobjekt Spinne - zur operativen Arbeit des MfS." Die Mitarbeiter des TLfV haben auch 1 998 vor Bundeswehrangehörigen, in Verwaltungsschulen, Schulen, Landratsämtern sowie vor Parteien, Verbänden und politischen Stiftungen in Vorträgen über Aufgabenstellung und Schwerpunkte des TLfV referiert. Anfragen von Medienvertretern nahmen breiten Raum ein, ihnen misst das TLfV auch weiterhin große Bedeutung zu. II. Rechtsextremismus 1. Überblick Die Situation des Rechtsextremismus im Freistaat Thüringen hat sich im Vergleich zum Vorjahr geändert. Insbesondere hat sich die Mitgliederzahl der rechtsextremistischen Parteien beträchtlich erhöht. Die Entwicklung stellt sich im einzelnen wie folgt dar: * Vergleicht man die Entwicklung der Mitgliederzahlen der etablierten rechtsextremistischen Parteien im vergangenen Jahr, lassen sich unterschiedliche Tendenzen erkennen. Mit ca. 200 Mitgliedern - zuvor etwa 90 - hat die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) in Thüringen einen Zuwachs zu verzeichnen. Ebenso die Deutsche Volksunion (DVU) mit rund 200 Mitgliedern - zuvor etwa 40. Die Republikaner (REP) haben mit derzeit ca. 220 Mitgliedern in Thüringen - zuvor waren es 260 - eine Abnahme zu verzeichnen. * Zu den Rechtsextremisten in der nicht organisierten Neonazi-Szene zählen etwa 300 Angehörige rechtsextremistisch orientierter Jugendsubkulturen und Mitglieder informeller Gruppen. Dazu kommen etwa 310 Skinheads. * Der im Osten des Landes aktive Thüringer Heimatschutz (THS) - etwa 120 Personen - ragt aus dem Neonazi-Spektrum durch seine Organisationsund Vernetzungsansätze heraus. * Die Addition der oben angeführten Mitgliedszahlen führt zu einer Summe von ca 1.350 Personen, die dem rechtsextremistischen Potenzial zuzurechnen wären. Dabei sind aber Doppelmitgliedschaften bzw. doppelte Zugehörigkeiten nicht berücksichtigt. Das tatsächliche Potenzial liegt 10 bis 20% niedriger. 14 2. Ideologischer Hintergrund Rechtsextremistisches Denken wurzelt nicht in einem fest strukturierten Lehrgebäude. Es besteht aus geistigen Versatzstücken unterschiedlicher Herkunft, die innerhalb der jeweiligen Ausprägung des Rechtsextremismus mehr oder weniger deutlich zu Tage treten. Grundelemente sind: * ein überzogener, häufig aggressiver Nationalismus, der das Prinzip der Völkerverständigung missachtet, * die Überbetonung der Staatsinteressen gegenüber den persönlichen Freiheitsrechten der Bürger (völkischer Kollektivismus), * eine völkische Ideologie, die in verschärfter Form als Rassenideologie und Fremdenfeindlichkeit auftritt, wobei dem Antisemitismus eine besondere Stellung zukommt, * Leugnung oder Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus sowie Hervorhebung angeblich positiver Elemente des Dritten Reiches. (Einige Neonazis sind freilich inzwischen dazu übergegangen, das Vorgehen der Nationalsozialisten zu verteidigen, ja zu verherrlichen.) 3. Rechtsextremistische Parteien 3.1 Die Republikaner (REP) Franz Schönhuber und zwei ehemalige Bundestagsabgeordnete der CSU gründeten im Jahr 1 983 die Partei Die Republikaner. Nach innerparteilichen Streitigkeiten 1 994 setzte sich gegen den Bundesvorsitzenden Schönhuber der bisherige Stellvertreter und Fraktionsvorsitzende des Landes Baden-Württemberg, Dr. Rolf Schlierer, durch. Der Partei gehören bundesweit 15.500 Mitglieder an (1 997: 15.500). Der Bundesvorstand hat seinen Sitz in Berlin und gibt monatlich die Publikation Der RepubMcaner mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren heraus. Zwar weisen die Republikaner jegliche rechtsextremistische Tendenz weit von sich. Insbesondere der Bundesvorsitzende Schlierer ist um ein seriöses rechtskonservatives Erscheinungsbild bemüht. Trotzdem zeigen sich in einzelnen Proklamationen Distanz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Fremdenfeindlichkeit, kollektivistische und geschichtsrevisionistische Vorstellungen. Auf dem Bundesparteitag der Republikaner am 21./22. November in Hinterskirchen/Lkr. Landshut in Bayern stand Schlierer als einziger Kandidat für die Wahl des Bundesvorsitzenden zur Verfügung; er wurde mit 318 von 390 Stimmen wiedergewählt. Christian Käs, baden-württembergischer Landesvorsitzender und Verfechter einer Aktionseinheit rechter Parteien, hatte seine Kandidatur zurückgezogen, immerhin erzielte er bei der Wahl der fünf Stellvertreter das zweitbeste Ergebnis. Auch Schlierer setzte DER Bubis contra Wal" nales Volk? - Seilt- 7 sich in seinem Rechen REPUBLIKANER schaftsbericht dafür ein, eine Konkurrenz unter den rechtsextremistischen Par teien zu vermeiden. W o es Hessen soll deutsch bleiben! das Wahlrecht zulasse, Rol-Grüilbrauchteinei)DenkzetlSDie Republikaner inden I andtag sollten Listenverbindungen mm * UrwurEliäten. eingegangen werden. Dies bedeute aber keine Koope ration mit der DVU. Einen Antrag von 17 Delegier ten, den Ruhsdorfer A b grenzungsbeschluss aufzu heben, lehnte die Mehrheit der Versammelten ab. Pressemitteilungen zu Damit der Löwe wieder Krallen zeigt folge wollen Republikaner Am 7. Februar Republikaner wählen-Die Mtemai eiui Hessen und DVU bei den Land tagswahlen im Jahr 1999 nicht gegeneinander an treten. Bereits Mitte N o vember soll es Absprachen zwischen DVU-Chef Dr. Gerhard Frey und dem Monatliche Publikation der Partei Die Republikaner Republikaner-Vorsitzenden Dr. Rolf Schlierer gegeben haben. Die DVU hofft so, der "ernsten Bedrohung", welche die neue Regie rungskoalition "für den Bestand der deutschen N a t i o n " bedeute, begegnen zu können. Schlierer konnte mit der Abmachung immerhin seinem Stellvertreter und Rivalen Christian Käs die Luft aus dem Segel nehmen. Dieser hatte während des letzten Parteitages versucht, mit der Forderung nach "enger Zusammenarbeit mit anderen rechten Kräften" sich den Parteivorsitz zu erobern. Die Republikaner in Thüringen Die Republikaner gründeten ihren Thüringer Landesverband Anfang 1 9 9 2 , sie werden im Freistaat seit Februar 1995 durch das Landesamt für Verfassungs schutz beobachtet. Der Thüringer Verbund zählt etwa 220 Mitglieder und weist damit eine rückläufige Tendenz auf (1997: 2 6 0 ; 1996: 280). Auch in Thüringen werden die Kritiker des Bundesvorsitzenden Schlierer lau ter, sie verweisen auf die Erfolge der DVU, etwa zur Landtagswahl in Sachsen16 Anhalt, und meinen, dass die andere Ist das die rechte Partei die Wähler in der richtigen Weise anspricht und mit überlegener Takdeutsche Zukunft? Erst Verkohlt, jetzt Verschrödert tik ein großes Potenzial an Gesinnungsgenossen mobilisieren kann. Sie wenden sich gegen den Beschluss zur AbgrenArbeitslos zung von anderen rechten Parteien Obdachlos ("Ruhsdorfer Beschluss") und halten den Scf)//erer-Kurs für zu starr und nicht wirkHoffnungslos Die Altparteien kümmern sich um alles in der sam genug. Viele Mitglieder wünschen Welt - nur nicht um die sich einen Wechsel an der Führungsspitze oder sie traten selbst bereits zur Not in Deutschland! Unverschuldet in Noi geratene Deutsche schämen sich DVU oder NPD über. häufig, berechtigte Sozialhiife anzunehmen, und verzichten Scheinasylanten haben da keine Probleme. A m 15. M ä r z fand in Erfurt der LanSo kann es nicht weitergehen! desparteitag der Republikaner mit etwa Wir REPUBLIKANER sagen: 80Teilnehmern statt. Der damalige LanSchluß damit! desvorsitzende Rüdiger Ziegler thematiKEINE LEISTUNGEN FÜR ILLEGALE UND SCHEINASYLANTEN sierte in seinem Referat die ArbeitslosigFlugblatt der Republikaner keit und den Euro. Nachdem Ziegler auf der Landesvorstandssitzung am 8. August zurückgetreten war, übernahm Dr. Heinz-Joachim Schneider die Führung des Thüringer Verbandes. Bei den Bundestagswahlen am 27. September errangen die Republikaner in Thüringen 1,58% der Stimmen (1994: 1,4%). Mit diesem geringen Zuwachs blieb das Ergebnis weit hinter den Erwartungen der Partei zurück. Nicht mit Aktion Kornblume - Infostände der Republikaner Gewalt Die Republikaner präsentierten sich am sondern mit dem 5. Juni in Eisenach und am 6. Juni in Schmalkalden mit Infoständen. Die von einem Republikaner aus Baden-WürttemStimmzettel berg geleiteten Infostände fanden im den Rahmen der Aktion Kornblume statt. Sie dienten der Agitation und Propaganda Asylmißbrauch mit Blick auf die bevorstehende Bundesstoppen I tagswahl. Die Kampagne wurde gezielt wählen. Politik für Deutschland. Flugblatt der Republikaner 17 von der Bundespartei unterstützt und mit finanziellen Zuschüssen aus der Parteizentrale versorgt. Die Zeitung Der Republikanerhatte bereits im April in einem Beitrag über KarlAugust Schaal (Tübingen), dem Bundesbeauftragten für bürgernahe Wahlkampfunterstützung, die Aktion Kornblume angekündigt. Die Partei hofft auf eine "Elite des Dienens". Schaal stellte eine Wahlkampftruppe zusammen, die mit Info-Ständen, Kleinveranstaltungen und anderen bürgernahen Einzelaktionen den einzelnen Kreisverbänden Hilfe leistet. Mitteldeutsche Konferenz am 6. Juni in Zella-Mehlis Republikaner aus Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen versammelten sich zur Mitteldeutschen Konferenz in Zella-Mehlis/Lkr. Schmalkalden-Meiningen in der Gaststätte Waldhof. Überraschend nahmen an der Veranstaltung auch der Bundesschatzmeister Reinhold Giegold und der Bundesvorsitzende der Republikaner Dr. Rolf Schlierer teil. Führende Funktionäre der Republikaner aus Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen hatten die Mitteldeutsche Konferenz als ein Instrumentarium eingerichtet, um die Chancen der örtlichen Verbände bei den Wahlen zu erhöhen. Die Republikaner auf dem Jenaer Marktplatz Bereits am Vormittag des 18. Juli betrieben die Republikaner in Jena/Lobeda mit Lautsprecherwagen Werbung für ihre Kundgebung auf dem Jenaer Marktplatz. Sie begann gegen 14.00 Uhr mit 50 bis 60 Personen. Als Redner trat auch der REP-Bundesvorsitzende Dr. Rolf Schlierer auf. Er richtete heftige Angriffe gegen den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und warf Gewerkschaften und Gegendemonstranten Defizite ihres Demokratie-Verständnisses vor. Auf dem Jenaer Eichplatz fand eine Gegendemonstration unter dem Motto "Gegen Rechtsradikalismus" statt. Vor Ende dieser Veranstaltung zog eine Personengruppe der linken Szene zum Marktplatz, dem Kundgebungsort der Republikaner. Dort versammelten sich etwa 400 Gegendemonstranten und lenkten mit Trillerpfeifen die Aufmerksamkeit auf sich. Die Rede Schlierers wurde zusätzlich durch das Glockengeläut der Stadtkirche übertönt. Einige linke Demonstranten warfen rohe Eier in Richtung Tribüne, die Schlierers Sicherheitsdienst abschirmte. 3.2 Deutsche Völksunion (DVU) Der Münchner Verleger Dr. Gerhard Frey gründete 1987 die Partei Deutsche Volksunion und hat seitdem die Zügel fest in der Hand. Sie ist mit 15.000 Mitgliedern eine der beiden größeren rechtsextremistischen Parteien. 18 Einen Schwerpunkt der Aktivitäten dieser Partei bildet die Veröffentlichung von Zeitungen und Büchern. Von großer Bedeutung sind dabei die Deutsche Nationalzeitung (DNZj und die Deutsche Wochenzeitung (DWZ), die der Verleger und Parteivorsitzende Frey in Personalunion herausgibt. In diesen Blättern finden sich vorrangig Themen wie Ausländerkriminalität, Wiedergutmachung, Antisemitis-. mus oder das "Märtyrertum der Rechtsextremisten" in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Dabei üben die Autoren Zurückhaltung bei der Formulierung extremistischer Positionen. Frey versucht sich selbst als "demokratischer Rechter" darzustellen, auch für die DVU beansprucht er Verfassungsloyalität. Mit diesem propagandistischen Geschick und dem flächendeckenden Einsatz von Werbeträgern gelang der DVU auch der Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. DVU-Großveranstaltung in Passau Dem jährlichen Rhythmus folgend, veranstaltete der Bundesvorstand der DVU am 26. September, einen Tag vor der Bundestagswahl, in der Passauer Nibelungenhalle eine Großkundgebung. Vor 3.800 Teilnehmern sprachen Dr. Gerhard Frey, Franz Schönhuber sowie der französische Europaabgeordnete Yvan Blot von der Front National (FN). Frey äußerte sich zu den Themen "Kampf für ein deutsches Deutschland" und "Wir wehren uns gegen ein Kurdistan in Berlin". Auf dem Weg zur rechten Einheitspartei? Die DVU ist nur bedingt bündniswillig und -fähig. Zwar bekennt sie sich öffentlich zu einer Bündnispolitik der rechten Parteien. Wahlbündnisse scheiterten bisher aber an dem Führungsanspruch Freys. Allerdings soll es Mitte November Absprachen zwischen dem DVU-Chef und dem REP-Vorsitzenden Dr. Rolf Schlierer gegeben haben. Pressemitteilungen zufolge wollen die Republikaner und die DVU bei den Landtagswahlen 1 999 nicht gegeneinander antreten. Bei der Wahl in Hessen am 7. Februar werde die DVU nicht kandidieren. Dafür soll - bei Verzicht der Republikaner - die DVU für die Wahl zum Bremer Landesparlament am 6. Juni eigene Kandidaten aufstellen. In Thüringen gab es bereits am 10. Januar in Zella-Mehlis Gespräche zwischen REP, DVU, NPD und dem FranzSchönniNber-Freundeskreis. Die Initiative ging von Kurt Hoppe, einem ehemaligen Republikaner, jetzt DVU, aus. Die Teilnehmer der Veranstaltung konnten sich darauf einigen, "dass nur gemeinsam etwas erreicht werden kann". Kommen DVU und REP zusammen? 19 Der Thüringer Landesverband der DVU In Thüringen gibt es den Landesverband der DVU seit 1991 mit Sitz in Arnstadt. Im Juni 1 998 gründeten sich in Hildburghausen und Sonneberg Kreisverbände. Durch das erfolgreiche Abschneiden der DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, wohl auch wegen der Richtungskämpfe bei den Republikanern, erhöhte sich die Mitgliederzahl der DVU deutlich auf 200 (1997: 40). Es zeigte sich auch, dass immer häufiger Firmen und Privatpersonen in Thüringen bereit sind, der DVU finanzielle und personelle Hilfe zu gewähren, um den Aufbau des Landesverbandes - auch mit Blick auf die Landtagswahlen - zu unterstützen. Die Thüringer DVU im Bundestagswahlkampf Die Deutsche Volksunion (DVU) stellte sich in verschiedenen Städten Thüringens mit Infoständen vor, so am 15. August in Zella-Mehlis/Lkr. SchmalkaldenMeinigen und Bad Salzungen/Wartburgkreis und am 16. August in SaalfeldGorndorf/Lkr. Saalfeld/Rudolstadt. Sie standen unter dem Motto "Was Deutsch ist muss Deutsch bleiben". Die DVU führte im Bundestagswahlkampf fort, womit sie bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt begonnen hatte. Sie leitete einen mit hohem Aufwand geführten "Werbefeldzug" ein. Eine Flut von Postwurfsendungen erreichte Thüringens Briefkästen. So erfolgte beispielsweise die Verteilung einer Sonderausgabe der Deutschen Wochenzeitung an Thüringer Haushalte u.a. in Jena und Weimar. Der Inhalt der Zeitung sollte gezielt die Sorgen und Ängste eines noch unentschlossenen Protestwählerpotenzials ansprechen. Mit 1,2% bundesweit und 2,87% der Stimmen in Thüringen konnte die DVU ihren Wahlerfolg der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am 26. April (12,9%) nicht wiederholen bzw. fortsetzen. DVU-Stammtische Der Thüringer Landesverband veranstaltet regelmäßig DVU-Stammtische in Weimar, 1 998 fanden acht dieser Veranstaltungen statt. Erwähnenswert ist der Stammtisch am 22. Mai. Während bei der letzten Versammlung am 4. April etwa 30 Personen teilnahmen, kamen im Mai ca. 55. In seiner Rede sprach der Landesvorsitzende Gerhard Konrad auch gleich den Grund des gestiegenen Interesses an: der Erfolg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Seit dem Wahltermin habe es bereits 20 Eintritte in die Thüringer DVU gegeben. Kurt Hoppe, bis Februar 1 997 Landesvorsitzender der Thüringer Republikaner, gratulierte zum Wahlerfolg und griff den Bundesvorsitzenden Dr. Rolf Schlierer in seiner Rede an. Es waren auch Mitglieder der Republikaner aus Altenburg anwesend, die sich ebenfalls negativ über Dr. Schlierer äußerten und wahrscheinlich zur DVU übertreten werden. 20 Während des Stammtisches am 25. Juli mit 36 Teilnehmern kam es wieder zu Neueintritten. Konrad informierte die Mitglied er seiner Partei über den Wahlkampf für die Bundestagswahl. Sie konnte inzwischen auf einen Mitgliederbestand von mehr als 200 verweisen. Die Auswertung der Bundestagswahl lieferte das Thema für den Stammtisch am 24. Oktober, an dem 25 Personen teilnahmen. Zum Volkstrauertag trafen sich am 15. November etwa 50 Personen auf der Schmücke bei Oberhof/Ilmkreis zu einer einstündigen Zusammenkunft. Der DVUVorsitzende Konrad, Ottmar Wallner aus Bayern sowie der Anmelder der Veranstaltung Karl-Heinz Geyer hielten Ansprachen, die ein Lautsprecherwagen Die Sprache der DVU - übertrug. ein Flugblatt DVU-Veranstaltungen in Kleinjena/Sachsen-Anhalt Über einen kostenlosen Bustransfer sammelte die DVU am 14. November ihre Anhänger und Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein. In Thüringen konnten die Anhänger in Altenburg, Erfurt, Gera, Hildburghausen, Jena, Mühlhausen, Nordhausen, Saalfeld, Suhl und Weimar zusteigen. Außerdem reisten Personen aus Berlin, München, Nürnberg und Mecklenburg-Vorpommern an. Während der Veranstaltung in Kleinjena bei Naumburg präsentierte der Parteivorsitzende Dr. Gerhard Frey neben einer Wertung des enttäuschenden Wahlergebnisses auf Bundesebene Themen wie Arbeitslosigkeit - Ausländer - Euro - Medien - Kinderschänder. Gerhard Konrad, der Thüringer Parteichef, führte aus, dass auch die DVU Thüringens sich neu organisiere, die Mitgliederwerbung werde forciert. Als /Conrad ankündigte, die DVU werde sich an der Landtagswahl in Thüringen beteiligen, fiel ihm Frey barsch ins Wort. Er erklärte, dass während der Veranstaltung noch nichts zur Wahlstrategie gesagt würde. Helmut Wolf, Vorsitzender der DVU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, berichtete über die Arbeit seiner Fraktion, insbesondere zu den Themen Asylbewerber, "Stasi-Ausschuss", Medienboykott und Obdachlosigkeit. An der Veranstaltung nahmen etwa 400 bis 500 Personen teil, etwa 50% davon waren wahrscheinlich DVU-Mitglieder. Eine starke Polizeipräsenz verhinderte Ausschreitungen. 21 Am 1 2. Dezember fand in Kleinjena erneut eine Veranstaltung der DVU mit 400 bis 500 Teilnehmern statt. Der Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey sprach zum Thema "Wie geht es weiter bei der deutschen Rechten?". Heinrich Gerlach, DVU-Fraktionsgeschäftsführer Sachsen-Anhalt ging auf die Frage "Was hat Deutschland von der neuen Regierung wirklich zu erwarten?" ein. Thüringer Anhänger konnten über einen kostenlosen Bustransfer von zwölf Orten, u. a. Weimar, Erfurt, Jena, Gera und Saalfeld nach Kleinjena gelangen. 3.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Der 1964 gegründeten Partei gehören bundesweit etwa 6.000 Mitglieder an (1997: 4.300). Hervorzuheben sind ihre Erfolge in Sachsen, hier gehören ihr ca. 1.400 Mitglieder an. In ihrer Politik thematisiert sie vorrangig Ausländer, Asylbewerber und strebt eine Volksgemeinschaft an, in der die Freiheitsrechte des einzelnen deutlich untergeordnet werden sollen. Als zentrales Publikationsorgan der Partei dient die monatlich mit einer Auflage von 8.000 erscheinende Deutsche Stimme. Die unter ihrem früheren Vorsitzenden Günter Deckert eher unbedeutende Partei ist inzwischen - neben Republikanern und Deutscher Volksunion - im Blickfeld der Öffentlichkeit wieder aufgetaucht. Dem seit 1996 amtierenden Bundesvorsitzenden Udo Voigt gelang es, die NPD wieder als eigenständige Kraft im rechtsextremistischen Lager zu etablieren. Mit Aktionsbündnissen, in die auch unterschiedliche rechtsextremistische Strömungen außerhalb des Parteienspektrums einbezogen werden, stellt sich die NPD als Integrationskraft dar. Erste Erfolge ermutigen die Aktivisten auf ihrem Weg zu einer rechten Sammlungsbewegung. Der NPD geht es dabei weniger um schnelle Wahlerfolge als um den Aufbau tragfähiger Strukturen. Sie strebt vorerst die Meinungsführerschaft im rechten Lager an. Dabei bedient sie sich einer Doppelstrategie: zum einen stärkt sich die Partei, indem sie den traditionellen Kurs der NPD als Wahlpartei fortführt, zum anderen dirigiert die Parteiführung aber auch die Nationale Außerparlamentarische Opposition (NAPO). Damit stellt sie die Schnittstelle zum rekrutierbaren und mobilisierbaren Umfeld her. Unter der Flugblatt der NPD Formel Nationaler Widerstand wollen die 22 r Nationaldemokraten die festgefügte Ordnung einer Parteiorganisation mit "jugendlich-krafvollem" neonazistischen Mobilisierungspotenzial verbinden. Die NPD wird weiterhin Gemeinschaftserlebnisse - Großveranstaltungen und Aufmärsche - bieten und bisherige Größenordnungen der Mobilisierung möglichst noch steigern. Bundesweite Veranstaltungen Am 10./11. Januar führte die NPD ihren Bundesparteitag mit etwa 300 Anwesenden, darunter 1 73 Delegierte, in Stavenhagen/Mecklenburg-Vorpommern durch. In seinem politisch-organisatorischen Lagebericht führte Vo/c/fden politischen Aufschwung, den die Partei feststellen konnte, auf die Kundgebungen in München und Leipzig im Jahre 1997 zurück. Die finanzielle Situation der Partei bezeichnete Voigt als zufriedenstellend. Der Bundesvorstand arbeite ausgesprochen wirtschaftlich und gehe mit den Parteigeldern sehr gewissenhaft um. Als Gastredner trat Manfred Roeder ani. Er referierte unter dem Titel "Roeders Antwort an Rühe". In der Presse ist Roeder mit der Aussage zitiert worden, dass die politischen Verhältnisse in Deutschland möglicherweise mit Gewaltanwendung geändert werden müssten. Unter dem Motto "Organisierter Wille bedeutet Macht" veranstaltete die NPD am 7. Februar in Verbindung mit ihrem Bundeswahlkongress den "Tag des Nationalen Widerstands". Etwa 4.000 Personen versammelten sich in der Nibelungenhalle in Passau/Bayern; der größte Teil entstammte der Skinheadund Neonaziszene. Aus Thüringen waren ca. 140 ORGANISIERTER WILLE bis 1 50 Personen in drei Bussen angeBEDEUTET MACHT reist. Die beiden hiesigen Infotelefone Nationales Infotelefon (NIT) Mitteldeutschland und Deutschlandsturm hatten zur Teilnahme aufgerufen. Während des "Parteifestes" traten Holger Apfel, Udo Voigt, Manfred Roeder und Jürgen Rieger als Redner auf. Sie polemisierten gegen die "deutschlandfeindliche Regierung", die Ungleichbehandlung von Rechts und Links sowie gegen die "systembeherrschte" Presse. In den drei Diskussionsforen ging es um die Themen "Nationalistische Wirtschaftspolitik heute!", "Rechtskampf in der BRD" und "Einheit der Rechten - Trugbild oder ZuFaltblatt zum "Parteifest" der NPD kunftsvision?" in Passau 23 Ca. 2.000 Personen nahmen an der Gegendemonstration teil, größere Zwischenfälle blieben aus. Es wurden insgesamt 73 Personen festgenommen, davon 40 aus der linken und 33 aus der rechten Szene. Während die meisten Rechtsextremisten wegen Verstößen nach dem Versammlungsgesetz und nach SS86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) in Polizeigewahrsam genommen wurden, fielen die Linksextremisten hauptsächlich durch Gewaltdelikte auf. Aktionen zum 1. Mai Nach Anmeldungen von Mai-Demonstrationen durch die NPD versuchten die betroffenen Städte, u.a. Leipzig/Sachsen und Gera/Thüringen, sich mit Verbotsverfügungen gegen die NPD-Veranstaltung und die als sicher zu erwartenden Krawalle durch die linksextremistische Szene zu wehren. Die NPD schöpfte alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel, einschließlich einer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht, aus. In letzter Instanz hob das Oberverwaltungsgericht Bautzen am 30. April ein Verbot der NPD-Kundgebung durch die Stadt Leipzig auf. Die NPD konnte somit die schon vor einem Jahr angemeldete Demonstration durchführen. Der gleichfalls geplante Marsch durch die Stadt blieb jedoch verboten. Die zuvor von der NPD angemeldeten Ersatzveranstaltungen in Gera und Halle/Sachsen-Anhalt wurden durch die zuständigen Behörden verboten. Das Verbot für Gera wurde durch das Oberverwaltungsgericht Weimar bestätigt. Das gemeinsame Auftreten von NPD und Neonazis zeigt erneut, dass die NPD eine ernst zu nehmende organisatorische Kraft im deutschen Rechtsextremismus ist, die bei Aktionen dieser Art mühelos über 5.000 Personen mobilisieren kann. Ein scharfer organisatorischer Bruch besteht jedoch zu den Rechtsextremisten der DVU und der Republikaner. An der Kundgebung beteiligten sich etwa 4.000 bis 5.000 Personen. Der Bundesvorsitzende Udo Voigt und der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN), Sascha Roßmüller, traten als Redner auf. Vor und nach der Veranstaltung kam es zu erheblichen Störaktionen durch Personen des linken Spektrums sowie zu AusFlugblatt der NPD einandersetzungen zwischen Polizei und 24 Veranstaltungsteilnehmern. Ein Großaufgebot von Beamten verhinderte ein Zusammentreffen der Teilnehmer der NPD-Kundgebung mit den 5.000 linken Gegendemonstranten. Aus Thüringen waren NPD-Mitglieder und Neonazis, die sich Thüringer Heimatschutz (THS) nennen, mit drei Bussen zum Veranstaltungsort angereist. Das Zusammengehen von Neonazis und NPD zeigt erneut, dass es keine Berührungsängste zwischen den etablierten Nationaldemokraten und gewaltbereiten Neonazis gibt. Großdemonstration in Rostock Am 19. September fand im Rostocker Stadtteil Dierkow eine Großdemonstration der NPD statt. An dem Aufmarsch beteiligten sich ca. 3.000 Rechtsextremisten. Die Zahl der Gegendemonstranten belief sich auf ca. 2.000 Personen, darunter etwa 400 Autonome. Unter den Teilnehmern befanden sich auch Thüringer Sympathisanten. Die NPD hatte im Vorfeld bundesweit Kontaktadressen bekanntgegeben, über die Busfahrtgemeinschaften organisiert wurden. Für Thüringer Demonstranten standen Busse ab Gotha und Jena/Saalfeld zur Verfügung. Als Redner der Großkundgebung traten Udo Voigt, Christian Worch, Manfred Roeder, Torsten Kowalski und Peter Stöckicht auf. Sie forderten die NPD-Anhänger auf, am 27. September die Wahllokale aufzusuchen. Worch erklärte, die Verantwortlichen für die Ausschreitungen 1992 in Rostock-Lichtenhagen seien in Bonn zu suchen und sprach von einer Entladung "gerechten Volkszorns". Stöckicht verlangte, die SS müsse wie die Wehrmacht anerkannt werden. Am Rande der NPD-Veranstaltung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppierungen und zahlreichen vorläufigen Festnahmen. Tagung des Bundesvorstandes der NPD in Crossen/Thüringen Am 31. Oktober/1. November tagte der NPD-Vorstand turnusgemäß in Crossen an der Elster (bei Gera). Der Parteivorsitzende Udo Voigt bewertete die Ergebnisse der Bundestagswahl positiv. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sei die Partei mit 1,1 % der Stimmen erstmals seit 10 Jahren wieder in den Genuss der staatlichen Parteifinanzierung gekommen. Die Strategie, hier einen reinen Jungund Erstwählerwahlkampf zu führen, habe sich ausgezahlt. Etwa 15% der Erstwähler stimmten für die NPD. In drei bis fünf Jahren will die Partei sich als Jugendpartei und als Partei des sozialen Fortschritts durchgesetzt haben. Den Ausführungen Voigts ließ sich ein Hinweis auf die ideologische Kurskorrektur der NPD-Führung entnehmen. Sie bemüht sich - mit ihrem Konzept des nationalen Sozialismus - zum einen um frühere SEDoder PDS-Mitglieder, zum 25 anderen um frühere Angehörige der Neonaziszene. Gleichzeitig soll aber der - noch etwas nebulöse - Sozialismusgedanke auch ältere NPD-Mitglieder nicht verprellen. Der Thüringer Landesverband der NPD Die Thüringer NPD - mit Sitz in Gotha - gliedert sich in drei Regionalverbände (Thüringen N o r d , Mitte/Süd und Ost) sowie in die neun Kreisverbände Erfurt, Greiz, Umkreis, Saale-HolzlandKreis, Saale-Orla-Kreis, SaalKlartext feld/Rudolstadt, Suhl, UnstrutHainich-Kreis und Wartburgkreis. Durch Übertritte von den Republifür Volkstum, Kultur, Wahrheit und Recht kanern und Neueintritte konnte die NPD ihre Mitgliederzahl von 4 0 (1997) auf etwa 2 0 0 steigern. Deshalb ist auch die Gründung weiterer Kreisverbände vorgesehen. Die Regionalverbände sollen dagegen abgeschafft werden, um die Organisation zu straffen. Bis November unterhielt die NPD in Gotha das Infotelefon NIT-Mitteldeutschland. Der Landesvorsitzende Frank Golkowski führte jährlich drei bis fünf Schulungsveranstaltungen durch. Allerdings w a r es der NPD Thüringens nicht gelungen, die für die Teilnahme D LH i- I TL- * i j L an der Bundestagswahl notwendi- a rublikation des Thüringer Landesverban- . . rl Ar NPD 9en Unterstützungsunterschritten aufzubringen. Wegen dieser und wohl auch anderer Schwierigkeiten trat Colkowski im November von seinem Amt zurück. Bis zu einer Neuwahl amtiert Roswitha Schumann aus Gera als Landesvorsitzende. Demonstration in Erfurt A m 1 3. Januar meldete der NPD-Landesvorsitzende Frank Colkowski eine Veranstaltung unter freiem Himmel mit einem Umzug an. Der Anlass der Veranstaltung steht im Zusammenhang mit einem versuchten Totschlag am 10. Januar in der Diskothek " M A D " in Erfurt. Hier wurde ein Mitarbeiter eines Sicherheits26 r dienstes durch zwei türkische Staatsangehörige nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung durch einen Messerstich in die linke Brust lebensgefährlich verletzt. Das Nationale Infotelefon Mitteldeutschland und das Nationale Infotele fon Deutschlandsturm riefen in ihren Ansagetexten zur Teilnahme an der De monstration in Erfurt auf. Am 17. Januar führte die NPD Thüringen unter dem Motto "Gegen Auslän dergewalt in Thüringen" in Erfurt einen Aufzug durch. Ca. 90 NPD-Anhänger begaben sich gegen 15.00 Uhr vom Willy-Brandt-Platz auf der vorgeschriebe nen Marschroute zum Domplatz. Die Veranstaltung dauerte bis etwa 16.10 Uhr an. Dabei kam es zu spontanen Gegendemonstrationen von ca. 40 Personen. Der Einsatz polizeilicher Kräfte gewährleistete eine störungsfreie Durchführung des Aufzuges der NPD und der Gegendemonstration. Am Rande des Aufzuges wurden acht Personen des rechtsextremistischen Spektrums vorläufig festgenom men. Zusammenstöße in Saalfeld Am 2. Februar hatte der Landesvorsitzende Golkowski für seine Partei eine Ver sammlung unter freiem Himmel in Saalfeld am 14. März angemeldet. Sie sollte unter dem Motto "Thüringer Jugend gegen links/Meinungsfreiheit für alle Natio nalen" stehen. Im Vorfeld wurden in Thüringen und auch in Bayern "Spuki"-Klebeaktionen so wie Flugblätter mit dem Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration festgestellt. Auch über das Thule-Netz und die beiden Infotelefone Nationales Infotelefon (NIT) Mitteldeutschland, Gotha, und Deutschlandsturm wurde mobilisiert. Am 3. März kam es gegen 21.00 Uhr zu einem Zusammen Saalfeld braucht stoß zwischen ca. 50 Rechtsextre KEINE misten und ebenso vielen Linksex Chaostage durch linke Schläger! tremisten. Die Polizei verhinderte weitere Ausschreitungen und stellte bei der Untersuchung eines Pkw-Innenraumes Flugblätter und i Aktionstag gegen Linke Gewalt Aufkleber fest, die sich gegen KUNDGEBUNG DES SNATIONALEN WIDERSTANDS eine Antifa-Demonstration am 14. 14.03.199$ in Saatfeld März in Saalfeld richteten (ver gleiche hierzu auch Seite 74). Das Landratsamt Saalfeld/RuINFORMATION dolstadt erteilte für die angemel NIT-Deutschiandsturm dete Demonstration am 10. März erhebliche Auflagen. Am 14. Aufruf zur NPD-Demonstration März setzte sich der NPD-Demonam 14. März in Saalfeld 27 strationszug gegen 14.00 Uhr in Bewegung. Laut Polizeiangaben nahmen etwa 300 Personen teil. Es gelang der Polizei, diesen Zug von der linken Demonstration "Gegen den rechten Konsens" zu trennen, dadurch wurden Ausschreitungen verhindert. Im Verlauf des Polizeieinsatzes kam es bei den Rechtsextremisten zu 58 Freiheitsentziehungen nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) und des Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Landesparteitag der NPD Thüringen Am 2. Mai fand in Gierstädt/Lkr. Gotha der Landesparteitag der NPD Thüringen statt. Von den ca. 120 Teilnehmern waren ca. 100 stimmberechtigt. Frank Golkowski und Andreas Schönleben wurden in ihren Amtern als NPD-Vorsitzender bzw. als stellvertretender Vorsitzender r< bestätigt. Zum Vorsitzenden des LandesWirsinüdie schiedsgerichtes wurde Werner Bernhardt gewählt, der inzwischen als Verleger (Verlag Neues Denken) und Herausgeber der Stimme für Deutschland beAtieil kannt geworden ist. zuerstfür Während des Parteitages diskutierten die Teilnehmer über die Struktur des Landesverbandes und beschlossen, die ReDeutsche! gionalverbände abzuschaffen. Hans Günter Eisenecker, der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD, ging in seiNPD ner Rede auf die juristischen Auseinandersetzungen im Vorfeld der NPDGroßveranstaltung zum 1. Mai ein. Außerdem erteilte er einer ZusammenarFluqblatt der NPD beit mit den Republikanern (REP) und der Deutschen Volksunion (DVU) eine klare Absage. Die NPD habe - nach Eisenecker - mehr Gemeinsamkeiten mit der PDS. REP und DVU seien kapitalistische Parteien, während die NPD Wert auf das "sozialistische Moment" lege. Infostände der NPD in Apolda und Jena Am 16. Mai und am 8. Juli präsentierte sich der NPD-Landesverband Thüringen in Apolda mit Informationsständen. Führende Vertreter des Landesverbandes standen den Besuchern als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Veranstaltungen verliefen störungsfrei. 28 Am 11. Juli gingen bei der Polizei in Jena Notrufe ein. Die Anrufer wiesen auf bewaffnete Personen am NPD-Infostand hin, von denen sie sich bedroht fühlten. Außerdem warnten sie vor einer Auseinandersetzung dieser Leute mit 20 Personen des linksextremistischen Spektrums. Die Polizei löste darauf den Infostand auf und nahm ca. 20 Personen aus der rechtsextremistischen Szene fest. In einem PKW, der am Infostand parkte, stellten Polizeibeamte Stichund Schlagwaffen sicher. NPD-Demonstration am 17. Oktober in Jena Der Thüringer Landesverband der NPD hatte für den 17. Oktober eine Versammlung unter freiem Himmel angemeldet. Das Thema der Veranstaltung lautete "Gegen linke Gewalt, Drogen und Polizeiwillkür". 45 Teilnehmer der NPD-Demonstration sammelten sich gegen 15.00 Uhr auf dem Jenaer Inselplatz. Sie hatten sich diesem Ort z. T. nur unter Polizeischutz nähern können. Ebenfalls unter starker Polizeibegleitung marschierten sie dann zum Marktplatz. Die Kundgebung dauerte etwa 15 Minuten. In provisorischen Redebeiträgen beklagten die Neonazis Andre Kapke und Tino Brandt die widrigen Umstände dieser Demonstration. An einem Abbruchhaus am Marktplatz hing ein Transparent mit der Aufschrift "Faschos töten - unsere Geduld ist zu Ende". Nach der Veranstaltung wurden die Teilnehmer mit einem Bus abtransportiert, um eine Konfrontation mit den Gegendemonstranten zu vermeiden. 3.4 Junge Nationaldemokraten (JN) Der 1 969 gegründeten Jugendorganisation der NPD gehören bundesweit 400 Mitglieder (einschließlich JN-Anwärter) an. Sie versteht sich als Kaderorganisation, die der Bildung einer Führungselite dienen soll. Interessenten der JN sollen sich zunächst in den Stufen Mitgliederanwärter, Mitglieder, Aktivisten, Kaderanwärter und Kader bewähren. Teilnehmer, die der Neonaziszene entstammen, müssen nicht unbedingt ihre Gesinnung ändern, sie haben sich aber dem "JN-Stil" anzupassen, dazu gehören Disziplin, Schulungen, Gewaltverzicht, Alkoholverbot bei Demonstrationen, außerdem dürfen keine Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen getragen werden. Allerdings stellen die aktivistisch ausgeFaltblatt der JN 29 richteten Jungen Nationaldemokraten deutlicher als die NPD selbst ihre verfassungsfeindliche Gesinnung dar. Seit Anfang 1998 gibt es in Thüringen auch die Jungen Nationaldemokraten mit zwei Mitgliedern. Diese vergleichsweise geringe Resonanz lässt sich auf Rivalitäten zwischen dem Landesvorstand der NPD unter Frank Colkowski und dem neonazistisch orientierten Thüringer Heimatschutz zurückführen. Dennoch führte der Bundesvorstand der JN seine Schulungen in den Jahren 1 996, 1 997 und 1998 in Thüringen durch. Osterschulung der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Plothen Vom 9. bis zum 12. April hielten die Jungen Nationaldemokraten in Plothen/Saale-Orla-Kreis in Thüringen ihre Osterschulung ab. Etwa 60 Personen unterstellten sich einem paramilitärischen Reglement des Tagesablaufes durch Steffen Hupka. Die Themen der Schulung spiegeln die Inhalte des rechtsextremistischen Denkens wider: * Die sechs europäischen Hauptrassen. * Grundlagen nationalrevolutionärer Wirtschaftsgestaltung. * Sind wir Deutschen Sozialisten Faschisten? * Gott und Vaterland/Neuheidentum. * Die Freimaurer - Synagoge des Satans. Eine von Steffen Hupka geleitete Schulungsgruppe beschäftigte sich mit der Strategie und Taktik der nationalistischen Bewegung. Langfristig käme es darauf an, das Volk im nationalistischen Sinn zu erziehen. Dabei soll ihm das Konsumdenken und das "Weltgefühl" ausgetrieben werden. Taktisch wird ein Wahlsieg ohne Koalition angestrebt. Das Thema "Basisgruppen der JN" diskutierend, nahmen sich die JN-Kader vor, ihre Mitglieder auf Ortsund Kreisebene täglich "24 Stunden zu betreuen". Das betrifft - neben direkten politischen Aktivitäten - also den gesamten Alltag, insbesondere eine gemeinsame Gestaltung der Freizeit. Die Mitglieder und Interessenten würden so in eine Gruppe eingebunden, dass sie "wie bei einer Sekte kaum mehr raus können". Demonstration zum Jahrestag des Todes von Sandro Weilkes Die Jungen Nationaldemokraten führten am 9. Mai von 15.00 bis 15.30 Uhr in Neuhaus am Rennweg/Lkr. Sonneberg eine Veranstaltung unter dem Motto "Nicht Rache - Nur Gerechtigkeit für Sandro Weilkes" durch. Damit erinnerten sie an eine tätliche Auseinandersetzung zwischen rechtsund linksgerichteten Jugendlichen, bei der Weilkes 1995 tödlich verletzt worden war. An der Veranstaltung mit Kranzniederlegung am Marktplatz nahmen 250 Personen teil, darunter zahlreiche junge Frauen. Alexander von Webenau, Mitglied 30 des JN-Bundesvorstandes, trat als Redner auf. Es kam zu 15 Ermittlungsverfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (SS86a StGB) und Verstößen gegen das Uniformierungsverbot (SS3 Versammlungsgesetz). Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten (JN) Am 11. und 1 2. Juli fand bei Rohrbach/Bayern der Bundeskongress der Jungen Nationaldemokraten mit 140 Teilnehmern statt. Holger Apfel hob in seinem Bericht hervor, dass die JN-Mitglieder im Durchschnitt deutlich jünger geworden seien. Während die NPD die Wahlpartei sei, betrachte sich die JN als Kaderschmiede und Speerspitze des nationalen Widerstands. Die NPD-Erfolge der letzten Jahre gingen auf die Aktivitäten des Jugendverbands zurück. Dieser trete nun auch freier und autonomer auf. Der Mitgliederzustrom ist - nach Apfel - ungebrochen und übersteige alle Erwartungen. 3.5 Exkurs: Die NPD auf dem Weg zu einer nationalrevolutionären Partei? Die NPD im Wahljahr 1998 Auch im Wahljahr 1998 folgte die NPD ihrem Drei-Säulen-Konzept: "Kampf um die Straße - Kampf um die Köpfe - Kampf um die Parlamente"'. Beim Kampf um die Parlamente war die NPD nur mäßig erfolgreich. Bei den Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag erhielt die NPD 126.571 Stimmen, das entsprach 0,3 Prozent. Die meisten Stimmen (34.485) bekam die Partei in Sachsen, 1,2 Prozent. In Thüringen trat die NPD nicht zu den Bundestagswahlen an, da ihr die notwendigen Unterschriften der Unterstützer fehlten. Bei den Wahlen zum Landtag in Mecklenburg-Vorpommern kam die NPD auf 1,1 Prozent. In den Wahlkämpfen gab sich die Partei in erster Linie sozial. Die NPD wandte sich gegen den "sozialen Abbau zu Lasten derer, die sich nicht wehren können". Außerdem kündigte die NPD an, sich für "Arbeitnehmer und Rentner", "Arbeitslose und Bauern", "Jugendliche und Kinderreiche" einzusetzen.2 Die einzelnen Wahlkampfmaterialien stellten dann jedoch nationalistische Themen in den Mittelpunkt. "Arbeit zuerst für Deutsche!" forderte ein Flugblatt, die Arbeitslosigkeit werde "weiter verschärft durch den ungebremsten Zuzug weiterer Ausländermassen".3 Die Ablehnung des Euro verknüpfte die Partei mit einer Angstkam- 1 NPD, Parteivorstand, Aufruf zur Deutschlandspende 1 998. 2 NPD, Parteivorstand, Aufruf der NPD zur Bundestagswahl. 3 Thesen zur Zeit, Arbeit & Rente, Auszüge aus dem Programm der NPD, Einzelblattsammlung für Interessenten aus Thüringen. 31 pagne. 4 Insgesamt sei eine "neue Politik mehr als überfällig", die Bundesrepublik Deutschland stehe "heute kurz vor dem wirtschaftlichen und sozialen Ende". 5 Die Schlussfolgerungen waren in einem Ton gehalten, der üblicherweise nicht im rechtsextremen Spektrum anzutreffen ist. Die Partei wandte sich gegen "reines Profitdenken", das "kapitalistische System" wurde als "volksfeindlich" gebrandmarkt. Die NPD stehe "für eine totale Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft". 6 Hikumonffllos. A M V I V I storische Analogien zur Weimarer Repu******* mmw*MM -- nru _ DieNationalenblik drängen sich auf. Durch die Rezeption der Philosophen Oswald Spengler7 und Arthur Moeller van den Brück8 hielten sozialistische VorFlugblatt der NPD speziell für JungStellungen ' " der radikalen Rechten Ein"L/ zug. Kennzeichnend für diese Konzepte w a r die Interpretation des Sozialismus als Gegenentwurf zum Liberalismus. Die angestrebte Gesellschaft war ein Ständestaat, eine Volksgemeinschaft, in der jeder den ihm zugewiesenen Platz einzunehmen hatte. Der Wirtschaft wurde vorgeworfen, traditionelle Bindungen zu zerstören und Profitinteressen über die Interessen der Gemeinschaft zu stellen. Rückblick: NSDAP, Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten, Widerstandskreis In das 1920 formulierte und als "unabänderlich" deklarierte Programm der N a - tionalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ging eine Reihe a nti kapitalistischer Vorstellungen ein. Die Schlagworte "Verstaatlichung", "Gewinnbeteiligung", "Bodenreform" und "Brechung der Zinsknechtschaft" suggerierten einen gesellschaftsverändernden Anspruch, der einen sozialistisch orientierten Flügel in der Partei entstehen ließ. 9 Doch das von der Gruppe um Gregor und 4 NPD, Landesverband Thüringen, Flugblatt "Die Mark bleibt, basta!" 5 NPD, Parteivorstand, Flugblatt "Arbeit zuerst für Deutsche!" 6 Ebenda. 7 Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, München 1 923, Neuausgabe München 1 993. Vor allem: Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, München 1 920. 8 Arthur Moeller van den Brück, Das Dritte Reich, Hamburg 1923. 9 Das Programm der NSDAP ist abgedruckt in: Werner Moser, Der Sturm auf die Republik - Frühgeschichte der NSDAP, Düsseldorf u. a. 1994, S. 468 ff. 32 Otto Strasser auf der Bamberger Führertagung am 14. Februar 1 926 präsentierte kapitalismuskritische Reformprojekt fand keine Mehrheit. 1928 legte Adolf Hitler für die NSDAP ein eindeutiges Bekenntnis zum Privateigentum ab, was zu heftigen Auseinandersetzungen in der Partei führte.10 Im Juli 1930 trat Otto Strasser mit der Parole "Die Sozialisten verlassen die NSDAP!" aus der Partei aus. Die Zahl der Anhänger von Otto Strassers Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten (KGRNS) blieb auf wenige hundert beschränkt. Trotzdem legte die KGRNS eine Reihe von detaillierten Konzepten zur revolutionären Umgestaltung Deutschlands vor. In seiner Schrift "Aufbau des deutschen Sozialismus" forderte Otto Strasser 1 932 die Verstaatlichung von Grund, Bodenschätzen und Produktionsmitteln. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung ging Otto Strasser ins Exil.11 Gregor Strasser blieb in der NSDAP und präsentierte im Frühjahr 1932 ein sozialistisch orientiertes Wirtschaftsprogramm. Im Wahlkampf wurde dieses Papier eingesetzt, danach jedoch von Hitler zurückgewiesen. Gregor Strasser schied im Dezember 1932 aus allen Parteiämtern aus, 1 934 wurde er im Zuge des so genannten Röfim-Putsches ermordet.12 Für Ernst Niekisch, den herausragenden Theoretiker der Verbindung von Revolution und Nationalismus, waren die Brüder Strasser jedoch nur "49prozentige Antikapitalisten". Jede "humanitär begründete Form von 'Sozialismus' überhaupt - auch wenn er sich 'Nationalsozialismus oder 'deutscher' Sozialismus" nenne, bezeichnete Niekisch 1 932 als "zersetzende" Tendenz, die den "kriegerischen Willen des deutschen Menschen" auslöse.13 Niekisch empfand den Bolschewismus in der Sowjetunion als geglückteste Symbiose von Nationalismus und Sozialismus. Entsprechend radikal war seine Konzeption von der Gesellschaft, die er in seiner Zeitschrift Widerstand - Blätter für sozialistische und nationalrevolutionäre Politik verbreitete. Niekisch verachtete den "Geist von 1789", lehnte das parlamentarische System ab und plädierte für eine fruchtbare Wechselbeziehung zwischen dienstbereiten Untertanen und einem starken Staat, der sich gegen äußere Gegner wenden sollte.14 Unter den Lesern der Schriften seines Verlages etablierte Niekisch bereits in den zwanziger Jahren den "Widerstandskreis", einen losen Bund mit revolutionärer Programmatik, jedoch ohne wirkliches politisches Gewicht. Für die NSDAP empfand Niekisch keinerlei Sympathie. 1929 warf er ihr vor, sich dem "internationalen Kapitalismus" ergeben zu haben. 1932 veröffentlichte er die 10 Karlheinz Weißmann, Der Nationale Sozialismus - Ideologie und Bewegung 1890 bis 1933, München 1998. 11 Patrick Moreau, Nationalsozialismus von links. Die "Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten" und die "Schwarze Front" Otto Strassers 1 9 3 0 - 1 9 3 5 , Stuttgart 1985. 12 Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf - Die Geschichte der SS, München 1984, S. 116 ff. 13 Birgit Rätsch-Langejürgen, Das Prinzip Widerstand - Leben und Wirken von Ernst Niekisch, Bonn 1 9 9 7 , S. 186. i i Ebenda, S. 360. 33 Schrift "Hitler, ein deutsches Verhängnis". Niekischs Zeitschrift Widerstand, die bisher vor allem die Republik kritisiert hatte, wandte sich nach 1933 gegen die nationalsozialistische Diktatur. Er forderte die Schaffung einer Volksgemeinschaft "jenseits" der kapitalistischen Gesellschaft und wandte sich gegen den Antisemitismus der NSDAP. 1935 wurde Niekischs Zeitschrift verboten, 1937 zerschlug die Gestapo den Widerstandskreis, 1939 verurteilte der Volksgerichtshof Niekisch zu lebenslanger Haft. Unmittelbar nach Kriegsende stellte sich Niekisch der KPD zur Verfügung und wurde später Professor für Politik an der Humboldt-Universität Berlin. Seine unorthodoxe Interpretation des Marxismus-Leninismus führte zu Konflikten mit der SED. 1955 trat Niekisch aus der SED aus. Er starb 1967 weitgehend unbeachtet in Westberlin.'5 Von der Neuen Rechten wird das Werk Ernst Niekischs ausgesprochen selektiv rezipiert. Zu den Splittergruppen, die sich ausdrücklich auf Niekisch beriefen, zählten in den achtziger Jahren die Vereinigungen Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation und Nationalrevolutionärer Koordinierungsausschuss/Politische Offensive. Für Jürgen Hatzenbichler, der sich heute als Vordenker der Neuen Rechten empfindet, bleiben die Gedanken Niekischs "intellektuell anregend", jedoch "politisch vielfach wenig umsetzbar".]6 Es ist davon auszugehen, dass die Schriften der Nationalrevolutionäre der Weimarer Republik von Anhängern der NPD rezipiert werden. Der Buchversand des NPD-Verlautbarungsorgans Deutsche Stimme^7 hat sowohl Schriften von Otto Strasser als auch von Ernst Niekisch im Angebot. Direkte Zitate aus der Programmatik der NSDAP, der Widerstandsbewegung Ernst Niekischs oder der Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten finden sich in den Materialien der NPD nicht. Daher ist es notwendig, genauer auf die Vorstellungen der NPD von Wirtschaft und Gesellschaft einzugehen. Wirfschaft und Gesellschaft in der Programmatik der NPD Die NPD verfügt nicht über ein ausgereiftes Wirtschaftskonzept. Die Äußerungen des 1 996er Parteiprogramms zur Wirtschaft sind vage, auch im Wahlkampf des Jahres 1 998 beschränkte sich die Partei auf wenige Postulate. Als Ziel der Wirtschaftspolitik der NPD beschreibt das Parteiprogramm eine "Synthese von unternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung". Zu diesem Zweck sollen "Rahmenrichtlinien" für die Wirtschaft erlassen werden, eine Einschränkung der "Subventions-, Steuer-, Kreditund Zinsprivilegien" ist geplant. Die systematisch betriebene "Internationalisierung der Volkswirtschaften" lehnt die NPD ebenso 15 Ernst Niekisch, Gewagtes Leben, Köln 1958 und Gegen den Strom, Köln 1974 (Erinnerungen). 16 Jürgen Hatzenbichler, Querdenker - Konservative Revolutionäre, Engerda 1 995, 5. 103. 17 Es handelt sich nicht um eine reguläre Mitgliederzeitschrift. Auf vier Seiten sind Meldungen und Kommentare versammelt, die den Parteimitgliedern Hilfestellung bei der Interpretation politischer Ereignisse geben. 34 a b , wie das "keinem Volk verpflichtete 'EG/EU-Europa'". A n die Stelle des bisTHESEN ZUR ZEIT Au&tKje aus dem Proq^s- n -n-v N a ^ o r i a t e w w a i t s c h f i Partp* DeuiscMarcJs (NPQi herigen Wirtschaftssystems soll eine "am heimischen Lebensraum" orientierte "vielseitige und ausgewogene soziale Volkswi rtschaft" treten.' 8 Auch nach der BunArbeit destagswahl 1998 hielt die NPD an der Vorstellung von einer "raumorientierten Volksgemeinschaft" fest. Die deutsche Wirtschaft habe "dem deutschen Volk, seiner materiellen Sicherung und seiner geistig kulturellen Entwicklung zu dienen", formulierte der Parteivorsitzende Udo Voigt im November 1998. 1 9 Das nicht näher beschriebene Konzept Damit die Arbeitsplätze der "raumorientierten Volkswirtschaft" und Renten sicher bleiben geht auf Vorstellungen der Nationalökonomie des 19 Jahrhunderts zurück. / / P a r t e / 7 n f o r m a f / o n ^ e r NPD Einen ersten Höhepunkt erreichte die Debatte um eine Einschränkung des Freihandels in der großen Depression nach der Schaffung des Deutschen Reiches 1 8 7 1 . Die Finanzund Zollreform von 1879 führte jedoch nicht zum Ende der Wirtschaftskrise. 20 Die nationalsozialistische Autarkiepolitik nach 1 933 war von Anbeginn auf eine Reorganisation der Rüstungswirtschaft gerichtet. Die Grundprinzipien kapitalistischen Wirtschaftens tastete die NSDAP nicht an, sie beschränkte sich auf flankierende Sozialpolitik. Die Gestaltung einer ständisch orientierten Volksgemeinschaft wurde nur in Ansätzen verwirklicht. 21 Während sich die NPD in ihren Wahlkampfmaterialien kritisch zum kapitalistischen System g a b , fehlte in ihrem 1 998er Spendenaufruf derartige Rhetorik. In dem an mögliche Geldgeber gerichteten Brief charakterisiert sich die NPD zurückhaltend als "Alternative zum liberalkapitalistischen System". 22 Auch bei der Kampagne gegen den Euro kritisierte die NPD nicht das Wirtschaftssystem an sich. Die Partei schürte mit Warnungen vor "obskuren Firmen" und "den überalteten maroden Industrien anderer EU-Länder" Angst vor Verarmung und 18 Parteiprogramm der NPD, Abschnitte 4 bis 6. 19 Deutsche Stimme Extra 1 1 / 9 8 , S. 2. 20 Karl Erich Born, Wirtschaftsund Sozialgeschichte des Deutschen Kaiserreiches, Stuttgart 1985. 21 Vgl. Timothy Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich: Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, Opladen 1 978 und Avraham Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, Frankfurt/Main 1988. Im internationalen Vergleich: Mark Harrison, The economics of World W a r II: Six great powers in international comparsion, Cambridge 1988. 22 NPD Parteivorstand, Aufruf zur Deutschlandspende 1998. 35 der Aufgabe deutscher Interessen.23 Das THESEN ZUR ZEIT Gesellschaftsmodell der NPD ist ähnlich Ataaüge aus dem Programm Sei Nai-ofiaiaamokratisetier! Pasai Deutsch a"ds (f,FC zurückhaltend formuliert. Der Mensch soll, so der Parteivorsitzende Voigt 1 998, in "sozialer Gerechtigkeit leben, Arbeit finden und seine Zukunft und die seiner Familie planen können". Auch das Partei programm bezieht sich auf die Eckpunkte Familie und soziale Sicherung. Das Schlagwort der "nationalen Volksgemein schaft" macht jedoch deutlich, dass die NPD dem "multikulturellen Einheitswahn" eine deutliche Absage erteilt. Ausländer seien aus "dem deutschen Sozialversiche rungswesen" auszugliedern, fordert das Parteiprogramm.24 Der Vorwand des Missbrauchs von Sozialleistungen Parteiinformation der NPD bemäntelt die Konsequenz der Forde rung. Eine Ausgliederung aus dem Versi cherungssystem bedeutet den Entzug jeglicher Arbeitserlaubnis und damit der Existenzgrundlage. Nationalrevolutionäre Tendenzen in der NPD Die rückwärts gewandten Konzepte der NPD für Wirtschaft und Gesellschaft werden durch eine zielgerichtete Ansprache der Jugend durch revolutionäre Pro paganda ergänzt. Die Partei geht von einer langfristigen Wirkung dieser Propa ganda aus. "Wer die Jugend hat, dem gehört die Zukunft", formulierte der Par teivorsitzende Udo Voigt in einem Leitartikel der Deutschen Stimme.25 Auf der vorwiegend von jungen NPD-Anhängern besuchten Demonstration am 1. Mai 1998 vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal schlug der Parteivorsitzende dementsprechend radikalere Töne an. Voigt forderte eine "totale Umstrukturie rung der deutschen Wirtschaft", "Überwindung der kapitalistischen Zinswirt schaft" und geißelte die "multinationalen Großkonzerne".26 In den Wahlkampf materialien spitzte die NPD noch weiter zu. Unter der Überschrift "Untergang oder Widerstand" polemisierte sie gegen die "Wirtschaftspolitik des volksfeind lichen kapitalistischen Systems".27 Die Ablehnung des Kapitalismus führte in der 23 Flugblatt "Die Mark bleibt, basta!", NPD, Landesverband Thüringen. 24 Parteiprogramm der NPD, Abschnitt 7. 25 Deutsche Stimme extra 1 0 / 9 8 , S. 2. 26 Deutsche Stimme extra 5 / 9 8 , S. 1. 27 NPD, Parteivorstand, Flugblatt "Arbeit zuerst für Deutsche!" 36 NPD auch zu Überlegungen zur Neubewertung der DDR. Der Parteivorsitzende gab die Richtung der Debatte in der Deutschen Stimme vor. Die NPD dürfe nicht davor zurückschrecken, meinte Voigt, "positive Aspekte" der DDR, "gerade in der Sozialpolitik" aufzugreifen und "positiv besetzte Bezugspunkte herzustellen". Der Bevölkerung müsse klargemacht werden, dass die NPD, "die faktische Nachfolge der Kommunisten in der Vertretung sozialer Lebensinteressen angetreten" habe. Voigt ging sogar so weit, die Position der NPD im "rechten Lager" in Frage zu stellen. Der von ihm eingeforderte "moderne Nationalismus" müsse "in allererster Linie" die soziale Frage thematisieren.28 Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende, Hans Günter Eisenecker, betonte in seiner Rede auf dem Landesparteitag der NPD in Thüringen am 2. Mai das "sozialistische Moment". Daher arbeite die Partei nicht mit den Republikanern und der Deutschen Volksunion zusammen. Eisenecker stellte auch "Gemeinsamkeiten" mit der PDS fest, eine Einschätzung die allerdings in der NPD nur von wenigen geteilt wird. Die 300 Demonstranten der NPD am 20. Juni 1998 in Berlin skandierten: "Gegen PDS und Kapital - unser Kampf ist national." Die Strategie der Partei zur Gewinnung der Jugend wird durch den vorsichtigen Ausbau der parteinahen Kaderorganisationen Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) und Junge Nationaldemokraten (JN) ergänzt. Der NHB möchte die "geistige Speerspitze des neuen Nationalismus" sein.29 Die JN bekennen sich zu einer nicht näher definierten "revolutionären Idee" und streben danach, diese Idee als "politische Soldaten" zu verkörpern.30 Insgesamt wandte sich die NPD im Wahljahr 1998 jedoch ausdrücklich an jene Mitmenschen, die die "'Schnauze' voll haben von der Politik der Etablierten".31 Dieser prinzipiellen Oppositionsrolle sind alle anderen Überlegungen untergeordnet. Die Einbeziehung revolutionärer Gedanken und die Anknüpfung an sozialistische Gesellschaftsmodelle bietet die Chance, das Interesse an der NPD zu erhöhen und die Mitgliederzahl zu erhöhen. In der Programmatik der Partei hat sich die Öffnung für neue Inhalte nicht niedergeschlagen. So gilt auch 1998 das Urteil der Extremismusforscher Uwe Backes und Eckhard Jesse, dass die militanten Rechtsextremisten bislang "wenig Innovatives zu Wege gebracht" hätten.32 Auch der Rückgriff der NPD auf national-revolutionäre Rezepte ist nicht als "innovativ" zu bezeichnen. Die Verbindung von sozialer Demagogie, Kapitalismuskritik und Ausländerfeindlichkeit erwies sich jedoch 1 998 insbesondere bei Jugendlichen in zunehmendem Maße als attraktiv. 28 Deutsche Stimme extra 7 / 9 8 , S. 2. 29 NHB, Flugblatt "Dem deutschen Geist verbunden schaffen wir das Reich von morgen!" 30 Junge Nationaldemokraten, Eine andere Jugend, eine revolutionäre Idee, eine junge Politik. 31 NPD-Parteivorstand, Aufruf der NPD zur Bundestagswahl. 32 Uwe Backes und Eckhard Jesse, Neue Formen des politischen Extremismus? In: Jahrbuch Extremismus und Demokratie, Baden-Baden 1998, S. 22. 37 4. Neonazis 4.1 Anti-Antifa Der Hamburger Neonazi Christian Worch gründete 1992 als Reaktion auf wachsende Angriffe militanter Linksextremisten die Anti-Antifa. In ihrer Propaganda richtet sie sich sowohl gegen den politischen Gegner als auch gegen Institutionen des demokratischen Rechtsstaats. Die Anti-Antifa organisiert den Aufbau informeller Gruppen, d. h. den Zusammenschluss von Rechtsextremisten ohne formale Mitgliedschaft und hierarchisch gegliederte Strukturen, die von regional anerkannten Führungsfiguren gegründet und angeleitet werden. Sie stehen aber untereinander in Kontakt. Dies scheint auch im übrigen rechtsextremistischen Lager Akzeptanz zu finden. Die so vorgenommene Konzentration auf einen gemeinsamen Gegner bietet Möglichkeiten, die Rechtsextremisten "organisationslos" zu verflechten. Im Oktober 1994 wurde erstmals eine Gruppierung Anti-Antifa Ostthüringen bekannt. Ab Mai 1995 fanden wöchentliche Treffen statt. Die Zahl der Beteiligten erhöhte sich von anfangs 20 auf ca. 1 20 Personen. Diese Gruppierung bildete ein Sammelbecken für Neonazis, die hauptsächlich aus dem Raum Saalfeld/Rudolstadt, Gera, Jena, Sonneberg, Weimar, Ilmenau, Gotha, Kahla und Nordbayern kamen. 4.2 Thüringer Heimatschutz (THS) Seit Anfang 1 997 tritt die Anti-Antifa Ostthüringen hauptsächlich als Thüringer Heimatschutz auf; ein Name, den dieser unstrukturierte Personenzusammenschluss früher gelegentlich führte. Der Thüringer Heimatschutz, der unter der Führung Tino Brandts steht, gliedert sich zur Zeit in drei Sektionen: Sektion Jena (vormals Kameradschaft Jena), Sektion Saalfeld, Sektion Sonneberg. Die Gruppierung unterhält über Thüringen hinaus Verbindungen zu führenden "Größen" der rechtsextremistischen Szene. Im März 1 997 gelang es einem Angehörigen des THS in Heilsberg eine Gastwirtschaft gleichen Namens anzumieten. Er betrieb die Gastwirtschaft bis zum 30. April 1998. In diesem Zeitraum fanden regelmäßig die so genannten "Mittwochstreffs" statt. Im ersten Quartal des Jahres wurden auch drei Skinheadkonzerte durchgeführt, die ohne Vorkommnisse verliefen. Da der THS bisher keinen geeigneten Treffort (Gaststätte) gefunden hat, finden seit April keine regelmäßigen Treffen mehr statt. Wie jedes Jahr, beteiligten sich Angehörige des THS an den Rudolf-HeßGedenkveranstaltungen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes. Zusätzlich führten sie am 22. August in Gera und Gotha Heß-Veranstaltungen durch. 38 Angehörige des THS nahmen an folgenden NPD-Veranstaltungen teil: * Demonstration "Gegen Ausländergewalt in Thüringen" in Erfurt am 17. Januar Ich bin dumm, faul, häßlich - darum gehe ich zur ANTIFA! * Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung in Dresden am 24. Januar Auf zur Großkundgebung gegen linken Terror * Demonstration gegen linke Gewalt in Saalfeld am am 14.03.1998 tn Saalfeid/Thüringen 14. März Thüringer Heimatschutz Sektion Jena * 1. Mai-Demonstration in Leipzig * Wahlabschlussdemonstration in Rostock am 19. September Das Feindbild des * Demonstration gegen linke Gewalt in Jena am Thüringer Heimat17. Oktober schutzes Rohrbombenfund in Jena Am 26. Januar durchsuchte die Polizei in Jena/Thüringen die Wohnobjekte der Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie eine von diesen genutzte Garage. Es bestand der Verdacht, dass die drei Genannten an der Herstellung mehrerer selbstgefertigter, überwiegend nicht zündfähiger Sprengkörper bzw. Bombenattrappen beteiligt waren, die zwischen Oktober 1 996 und Dezember 1 997 im Raum Jena aufgefunden worden waren. In der Garage stellte die Polizei u. a. vier funktionsfähige Rohrbomben sicher. Gegen die drei Tatverdächtigen erging Haftbefehl. Sie sind derzeit flüchtig. Im Januar 1997 war gegen die Tatverdächtigen und andere Angehörige des Thüringer Heimatschutzes (THS) bereits ein Ermittlungsverfahren wegen der Versendung von Briefbombenattrappen an die Thüringische Landeszeitung, die Stadtverwaltung sowie die Polizeidirektion Jena eingeleitet worden. 4.3 Gedenkaktionen für Rudolf-Heß Rudolf Heß - Stellvertreter des Führers Rudolf Heß (1894-1987), der "Stellvertreter des Führers", belegte nach Hitler und Cöring in der NS-Parteihierarchie den dritten Rang. Am ersten Weltkrieg nahm er als Stoßtruppführer und später als Flieger teil. 1919 schloss er sich der Thule-Gesellschaft an und trat im Januar 1920 der NSDAP bei. Nach seiner Teilnahme am Hitlerputsch am 9. November 1923 war Heß für sieben Monate in Festungshaft und half Hitler bei der Schlussredaktion von "Mein Kampf". Am 2 1 . April 1933 wurde Heß, von der Öffentlichkeit 39 fast unbemerkt, zum Stellvertreter des Parteiführers bestimmt. Heß huldigte einem Führerkult, der kein Maß kannte. Für ihn war Hitler eine gottähnliche Gestalt. Sein Auftritt als selbst ernannter Friedensbote beendete die Parteikarriere. Am 10. Mai 1941 flog er mit einem Jagdflugzeug nach Schottland und sprang, 20 Kilometer vom Wohnsitz des Duke of Hamilton entfernt, mit einem Fallschirm ab. Er hoffte durch Vermittlung des Herzogs, den er 1936 während der Olympischen Spiele in Berlin kennen gelernt hatte, die britische Regierung zu überzeugen, dass Hitler nicht die Absicht habe, die gleichfalls nordische Nation zu vernichten. Er verlange "nur" freie Hand Titelblatt der neonazistischen Zeitfür die Lebensraum-Politik in Osteuropa. schrift Zentralorgan Heß wurde einfach gefangen genommen und als Kriegsgefangener behandelt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1 987 saß er im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau ein und wurde durch rechtsextremistische Gruppierungen bald zum Märtyrer hochgespielt. Vorbereitungen auf den Rudo/f-Heß-Gedenktag Auch zum 11. Todestag von Rudolf Heß am 17. August war damit zu rechnen, dass die Rechtsextremisten diese Gelegenheit nutzen, um sich öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Nach der gescheiterten zentralen Heß-Gedenkveranstaltung 1 997 hatten sie angekündigt, den nationalen Widerstand auch zukünftig mit diesem Todestag zu verbinden. Im Unterschied zu den Vorjahren, in denen bereits ab Ende Mai in den Nationalen Info-Telefonen, Mailboxen, im Internet, aber auch auf Flugblättern, Aufklebern und "Spuckis" Aufrufe zur Teilnahme an den Heß-Aktionen erschienen, wurde in diesem Jahr relativ wenig geworben. Im Juni tauchte in NordrheinWestfalen ein Flugblatt auf, in dem für den 15. August zu einem Rudolf-HeßGedenkmarsch aufgerufen wurde. Bei den Unterzeichnern fand sich aber keiner der führenden Personen aus der rechten Szene. Die rechtsextremistischen Parteien hatten bereits signalisiert, dass sie sich weder an den Vorbereitungen noch an den Aktionen zu Rudolf Heß beteiligten. Die bevorstehende Bundestagswahl mag diese Zurückhaltung verstärkt haben. 40 Vereinzelte Aktionen in Deutschland Obwohl sich inzwischen herausstellte, dass eine zentrale Veranstaltung in Dänemark geplant war, musste für das Aktionswochenende weiterhin mit regionalen Veranstaltungen gerechnet werden. Im Raum Kassel/Hessen versuchten am 15. August 30 bis 50 Personen, die dem Aufruf des Aktionskomitees Rudolf Heß gefolgt waren, in Richtung Dortmund zu gelangen. Von den 30 Teilnehmern nahm die Polizei etwa 20 Personen fest. Da die Stadt Brilon/Nordrhein-Westfalen von der Polizei gesperrt war, fuhren sie nach Marsberg/Nordrhein-Westfalen, wo ein Teil von ihnen festgenommen wurde. Die verbliebenen Demonstrationsteilnehmer "kesselte" die Polizei in Korbach/Hessen ein und nahm dort fünf weitere Personen fest. In Goslar/Niedersachsen versuchte der Neonazi Thorsten Heise eine Gedenkaktion durchzuführen. In Thüringen tauchte im Vorfeld des Aktionswochenendes in einigen Städten und Gemeinden Propaganda-Material mit Bezug zum Heß-Todestag auf. Aufmärsche fanden am 15./16. August in Thüringen aber nicht statt. Aufmarsch in Greve (Dänemark) Nachdem Greve, etwa 20 Kilometer südlich von Kopenhagen, als Veranstaltungsort feststand, fanden verstärkt Grenzkontrollen statt, zahlreiche Rechtsextremisten wurden am Grenzübertritt gehindert. Dennoch gelang es ca. 100 bis 150 Personen, darunter 70 bis 80 Deutsche, an der Kundgebung am 1 6. August in Greve teilzunehmen. Darunter waren auch einige Thüringer. Der halbstündige Aufmarsch führte vom Hauptquartier der Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung (DNSB) zum Rathaus. Wie die Presse berichtete, hatten Hunderte von Polizeibeamten die Umgebung des Vereinshauses der DNSB abgeriegelt, um eine Konfrontation zwischen den Neonazis und militanten Antifaschisten zu vermeiden. Etliche Autonome versuchten, die Straßensperren zu beseitigen. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm etwa 30 Demonstranten, darunter auch Deutsche, fest. Demonstrationen am 22. August in Gotha und Gera Am Vormittag des 22. August kam es in Gera und Gotha zu unangemeldeten Aufmärschen, initiiert durch den Thüringer Heimatschutz (THS). Beide Aufmärsche dauerten nur jeweils wenige Minuten. In Gotha marschierten 60 bis 70 Jugendliche, die teilweise vermummt waren, in Fünferreihen durch die Stadt. Die Gruppe skandierte mehrfach die Parole "Hier marschiert die nationale Einheitsfront". An der Spitze ihres Zuges trug die Gruppe ein Bettlaken mit der Aufschrift "Rudolf Heß, das war Mord". Beim Eintreffen der Polizei hatte sich der Aufmarsch bereits aufgelöst. 41 Fast zeitgleich zogen in Gera etwa 20 Angehörige der rechten Szene - Parolen rufend - mit Fahnen und Transparenten durch die Stadt. Sie bewegten sich zum Teil im Laufschritt durch die Straßen. Bürger hatten die Polizei frühzeitig alarmiert. So konnten die Beamten 16 Personen vorläufig festnehmen. Außerdem stellten sie ein Spruchband mit der Aufschrift "Rudolf Heß - unvergessen - Kameradschaft Gera" sicher. 4.4 Skinheads Die in den 60er Jahren erstmalig in Großbritannien aufgetretene Skinhead-Bewegung war zunächst eine unpolitische Subkultur. Mit zunehmenden sozialen Problemen in Großbritannien erfolgte in den 70er Jahren eine Politisierung der Szene, die Anfang der 80er Jahre auch in der Bundesrepublik in Erscheinung trat. Ihre Ablehnung gegenüber Staat und Gesellschaft bringen Skinheads durch ihr auffälliges Erscheinungsbild zum Ausdruck: Glatze bzw. kurzgeschorene Haare, Bomberjacke und Springerstiefel. Skinheads haben ein übersteigertes Nationalbewusstsein. Ihre Vorstellungen zu Fragen der Weltanschauung sind jedoch sehr diffus. Gewalttätige Aktionen - zumeist spontan nach Alkoholexzessen - richten sich in erster Linie gegen ihre Feindbilder "Ausländer" und "Linke". Die rechtsextremistische Skinheadszene in Thüringen verzeichnete 1 998 mit ca. 310 Personen einen Zuwachs (1997: ca. 200). Entgegen einer bisherigen Strukturlosigkeit innerhalb der Szene sind zunehmend Organisationsansätze erkennbar. In den 80er und 90er Jahren sind zwei Organisationen mit internationaler Ausrichtung entstanden, die Hammerskins (nationalsozialistisches Weltbild) und die in England entstandene Blood & Honour-Bewegung. Letztere propagiert einen europäischen "Befreiungsnationalismus" gegenüber Kapitalismus und Kommunismus und erstrebt eine autonome Struktur für die Skinheadszene. Sie ist in den einzelnen Staaten in Sektionen gegliedert. In Thüringen existiert eine Sektion dieser Bewegung seit 1997. Darüber hinaus ist Ende 1997 in Thüringen die "White-Youth-Bewegung" gegründet worden. Das Ziel der Bewegung besteht darin, junge Leute zu organisieren und an die "älteren" Kameraden zu binden. Eine weitere Aufgabe sieht sie in der Unterstützung inhaftierter Kameraden. In unregelmäßigen Abständen finden Treffen statt, auf denen "erreichte Dinge" ausgewertet werden (Szenepublikation Blood & Honour Nr. 6). Darüber hinaus sind Mitglieder der Bewegung an der Organisation von Skinkonzerten beteiligt. Die weiblichen Anhänger der Szene haben sich in den "White German Girls" zusammengefunden. Innerhalb der Gruppierung besteht das Ziel, sich überregional zu vereinigen und White Youth Germany ins Leben zu rufen. 42 Skinheadmusik/-konzerte Skinheadmusik und -konzerte sind neben den Szenepublikationen (Fanzines) entscheidende Elemente für den Zusammenhalt der Szene. Sie dienen als Forum für Kontakte, dem Austausch von Informationen und zur Förderung des inneren Zusammenhalts bzw. der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Durch Besuche von nationalen und internationalen Musikveranstaltungen entsteht ein Netz persönlicher Beziehungen. In der vielfältigen Skinhead-Musikszene muss differenziert werden: Neben Skinheadbands, die rechtsextremistisches Gedankengut propagieren bzw. rassistische und volksverhetzende Texte verbreiten, gibt es auch heute solche, die weit gehend unpolitisch, zumindest nicht extremistisch sind - letztere befassen sich hauptsächlich mit sozialkritischen Themen zu Staat und Gesellschaft, sie stellen staatliche Institutionen, Arbeitgeber und Eltern in Frage. Die im vergangenen Jahr festzustellende Zunahme von Skinheadkonzerten in Thüringen hat sich auch 1998 mit 17 stattgefundenen Konzerten fortgesetzt. Im ersten Halbjahr 1998 war es den zuständigen Behörden kaum möglich, Schritte gegen beabsichtigte Konzerte einzuleiten, da diese Veranstaltungen häufig nicht oder nicht rechtzeitig bekannt wurden. Diese Situation änderte sich jedoch im zweiten Halbjahr 1 998, so dass eine große Anzahl von beabsichtigten Skinheadkonzerten durch die zuständigen Behörden verhindert werden konnten. Die Mehrzahl der Konzerte 1998 fand im Raum Ostthüringen (Lkr. Altenburg, Greiz und Gera) statt. Neben einigen kleineren Veranstaltungen belief sich die Teilnehmerzahl in der Regel zwischen 200 und 300 Personen. Das mit Abstand größte Konzert 1 998 in Thüringen, bei dem auch ausländische Bands auftraten, fand am 19. September in Pölzig/Lkr. Greiz statt. Dieses ursprünglich in der Schweiz geplante und dort verbotene Konzert verlegte der Veranstalter kurzfristig nach Thüringen. Vor etwa 800 Teilnehmern traten die Bands "No Alibi" (USA), "Max Resist" (USA), "Plüton Svea" (Schweden) und "Weiße Riesen" (Deutschland) auf. Während des Konzertes kam es zu "Sieg Heil"-Rufen und Zeigen des Hitergrußes. In Thüringen sind bisher 14 Skinheadbands bekannt geworden. * "Legion Ost", Gera * "Vergeltung", Jena * "Dragoner", Weimar * "Schlagabtausch", Erfurt * "Oigenik", Gera * "Kreuzfeuer", Altenburg * "Donnertyrann", Erfurt * "Normannen", Altenburg * "Bataillon", Gotha * "Volksverhetzer", " W l " , Sonneberg 43 * "Brutale Haie", Erfurt * "Order of Purity", Gera * "Oithanasie", "Gassenhauer" oder "Voll die Guten", Gera * "Reichsfront" oder "Reichssturm", Erfurt Vielfach sind bereits die Bandnamen aussagekräftig. Häufig geben sie Aufschluss über die Denkund Anschauungsweise der Bandmitglieder. Den Namen "Schlagabtausch" begründen die Mitglieder beispielsweise wie folgt: "Weil wir so liebe Typen sind und keinem CD der Band "Kreuzfeuer" Menschen was Böses wollen. Wer das nicht glaubt, kriegt eine gescheuert." (Interview in Blood & Honour Nr. 6) Demgegenüber will die Band "Oigenik" mit ihrem Namen ihr Bestreben nach Reinhaltung der deutschen Rasse (Eugenik = Erbgesundheitspflege, -lehre) zum Ausdruck bringen. Die Mitglied er von "Donnertyrann" sehen sich von der Gesellschaft "verdonnert" und meinen, als "gewaltherrschende Idioten" hingestellt zu werden. In den Augen der Gesellschaft seien sie der Donnertyrann. (Interview in Fanzine Der gestiefelte Kater Nr. 4) Andere Bands stoßen auf ihre Namen scheinbar zufällig. Die Idee zu der Bezeichnung "Normannen" kam den Bandmitgliedern beim Schmökern in alten Wikinger-Geschichten, bei denen sie auf den Stamm der "Nordmänner" stießen. Neben den Bandnamen lassen sich aus dem Inhalt der Texte Rückschlüsse auf die Ideologie und Anschauungsweise ziehen. Vielfach erfüllen einzelne Titel Straftatbestände. Deshalb nutzen auch thüringische Bands die MögCD der Band "Normannen'' lichkeit ihre CDs im Ausland zu 44 produzieren. Beispielsweise entstand die CD "Ohne Worte" der Band "Legion Ost", die die Straftatbestände der Volksverhetzung (SS 1 30 StGB) und Gewaltdarstellung (SS131 StGB) erfüllt, in Zusammenarbeit mit dem Musikverlag NS 88 bzw. NS Records. Er fordert deutsche Skinheadbands auf, Demo-Material für Produktionen zur Verfügung zu stellen und den Umweg über das Ausland zu nutzen, damit ihre Tonträger "unzensiert" veröffentlicht werden können. Ein Beispiel für einen Text, der den Straftatbestand der Gewaltdarstellung (SS131 StGB) erfüllt, bietet der Song "Blutrausch" von der Band "Volksverhetzer". U. a. heißt es: "Du hast ihn vor Dir liegen, hilflos und am Boden Da nimmst Du noch mal Anlauf und springst ihm in den Hoden." Das "Doitschlandlied" der "Brutalen Haie" erfüllt demgegenüber den Straftatbestand der Volksverhetzung (SS 130 StGB): "Ausländer haben sich eingeschlichen wir sind außer Rand und Band ihr braucht doch nicht hier zu leben zieht doch in euer Kanakenland. Wir wollen Deutschland sauber und rein wir wollen Deutschland nur für uns allein." Die Fluktuation bei den Bandmitgliedern ist groß. Häufig treten Mitglieder einer Band zu einer anderen über. Besetzungswechsel, die teils durch Verhaftungen einzelner Bandmitglieder erforderlich werden und Konfrontationen mit den zuständigen Ordnungsbehörden führen nicht selten zur Auflösung einer Band. Skinheads im Internet Die Entwicklung der Informationstechnik bietet auch den Skinheads neue Möglichkeiten der Strukturierung und internationalen Vernetzung. Da das Verbreiten extremistischen Gedankengutes über das Internet aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nur schwer eingedämmt werden kann, übt diese Möglichkeit eine besondere Anziehungskraft aus. Vor allem eröffnet es ihnen ungehinderten Zugang auch zu Beiträgen mit strafbarem Inhalt. Daneben ist es geeignet, neue Interessenkreise unter der Jugend anzusprechen. Dabei kommen den Skins die weltweite Datenfreiheit und die in den einzelnen Staaten jeweils unterschiedlichen Rechtsvorschriften zustatten. Skinheads nutzen das Internet hauptsächlich für den Vertriebund Versandhandel von Skin-Produkten. Das Internet ermöglicht einen breiten Überblick über die gesamte Angebotspalette verschiedener Homepages. Im Internet-Versandhandel werden u. a. Bücher, Tonträger, Videos, Fahnen und T-Shirts angeboten. 45 5. Aktionen rechter Publizisten in Thüringen Die Zeitung Stimme für Deutschland Werner Bernhardt (NPD) unterhielt seit Anfang des Jahres 1 998 in Erfurt den Verlag Neues Denken. Im Januar gab er die Zeitung Mitteldeutsche Stimme als Probeexemplar heraus. Ein in Magdeburg erscheinendes Blatt gleichen Namens setzte gerichtlich die Untersagung des Namens für die Erfurter Publikation durch. Mit dem Datum des 31. März erschien daraufhin das erste Probeexemplar der nunmehr umbenannten Stimme für Deutschland. Ab Ende Mai sollte die Zeitung vierzehntägig erscheinen. Neben dem Herausgeber Bernhardt arbeitete der Neonazi Thomas Dienel in der Redaktion der Zeitung mit. Im Impressum wird er unter den Pseudonymen Zeitung Stimme für Deutschland Tobias Künzel und Thomas Fritz genannt. Dienel war von August bis November 1 991 Vorsitzender der NPD Thüringen. Ende 1 992 trat er aus der NPD aus und gründete im April 1 992 die neonazistische Deutsche Nationale Partei (DNP). Seit Bekanntwerden der Dieneischen Aktivitäten versuchte das TLfV die Geldgeber des Projektes ausfindig zu machen. Im Rahmen der bestehenden Ubermittlungsmöglichkeiten des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes wurden Förderer bzw. vermutliche Förderer auf den Gegenstand des Verlags hingewiesen. Das Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit sowie das Arbeitsamt Erfurt stellten daraufhin die Förderung ein bzw. forderten bereits gezahlte Beträge zurück. Das Nationale Infotelefon Deutschlandsturm meldete sich am 19. Mai mit einer Sonderansage, in der die "üble Hetzund Verleumdungskampagne" der "regierungsamtlichen Medien" gegen den Verlag Neues Denken beklagt wird. Geplant sei gewesen, eine Wochenboulevardzeitung bundesweit an die Kioske zu bringen. "Dieses Vorhaben", meldete das Infotelefon weiter, "flog wegen der guten Arbeit einiger Spitzel rechtzeitig auf ...". Am 20. Mai hatte der Verlag Neues Denken einen Konkursantrag gestellt. 46 Deutscher Kongress der Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP) e. V. in Gera Der vom 24. bis zum 26. April in Gera durchgeführte Deutsche Kongress der Gesellschaft für Freie Publizistik stand unter dem Motto: "1848-1998: 150 Jahre Kampf um Selbstbestimmung und Einheit". Während der Tagung wurden vor rund 300 Teilnehmern Vorträge gehalten zu Themen wie: * Deutsche Freiheit in Osterreich, * Deutschland im Europa der Vaterländer, * Die Bundesrepublik Deutschland und ihr Staatsvolk, * Geld, Macht und politische Klasse, * Antifaschismus als politisches Kampfmittel der Linken. Die von dem früheren Chefideologen der NPD Dr. Rolf Kosiek geleitete Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. ist die mitgliederstärkste rechtsextremistische "Kulturvereinigung". Der GFP gehören eine Reihe von Verlegern, Redakteuren, Schriftstellern und Buchhändlern an. Sie gibt vor, sich für die Freiheit des Wortes einzusetzen, über angebliche Geschichtsentstellungen - insbesondere zur Kriegsschuld des NS-Regimes - aufzuklären und einseitige Verzerrungen in der Zeitgeschichte richtigzustellen. Lesertreffen der Zeitschrift Recht und Wahrheit in llfeld Vom 5. bis zum 7. Juni fand in Ilfeld/Lkr. Nordhausen das Lesertreffen der Zeitschrift Recht und Wahrheit. Stimme des parteiunabhängigen freien Deutschen statt. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Zeit zum Aufbruch!". Vor etwa 90 Teilnehmern hielt Georg Albert Bosse, Redakteur, Herausgeber und Verleger der Zeitschrift Recht und Wahrheit, die Vorträge über den Wahlerfolg der DVU in Sachsen-Anhalt, der Rolle der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien und über die Einführung des Euro. Ein weiteres Lesertreffen fand vom 23. bis zum 25. Oktober wiederum in llfeld mit 70 bis 80 Personen statt. Die Zeitschrift Recht und Wahrheit ist Organ des Vereins Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V. (DDF). Die Die Zeitschrift Recht und Wahrheit 47 Publikation erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 2.000 bis 3.000 Exemplaren. Sie wird weit über die DDF hinaus gelesen. In den mehrseitigen Aufsätzen werden Themen wie Zweiter Weltkrieg, Nationalsozialismus, Holocaust, Europa, Finanzpolitik oder auch antisemitisch ausgerichtete Verschwörungstheorien behandelt. 6. Neue Kommunikationsmedien In den letzten Jahren nutzten Rechtsextremisten zunehmend neue elektronische Medien. Mit Hilfe von Mobiltelefonen, Mailboxsystemen, Infotelefonen und des Internets arbeiten sie an der internationalen Vernetzung und Strukturierung der Szene. Neben dem Austausch von Diskussionsbeiträgen, Veranstaltungshinweisen und der Koordinierung von Veranstaltungen betreiben die Rechtsextremisten antisemitische und rassistische Hetze bzw. verbreiten die eigene Propaganda und Ideologie. Unter den neuen Kommunikationsmedien gewinnt das Internet zunehmend an Bedeutung. Insbesondere die Infotelefone bleiben ein kostengünstiges, allgemein zugängliches, von jedem und überall abrufbares Medium. Mailboxsysteme In Mailboxsystemen sind mehrere Mailboxen ("elektronische Briefkästen") zusammengeschlossen. Die Mailbox selbst ist ein PC, der entweder über ein Modem oder einen ISDN-Anschluss mit der Telefonleitung verbunden ist. Dieser kann von anderen Computern angerufen werden. Beliebige Informationen, wie z. B. Texte, Bilder, Flugblätter können auf diese Weise abgerufen werden. Dem einfachen Interessenten steht dabei jedoch nur eine begrenzte Auswahl an Dateien zur Verfügung, während der so genannte User über ein Passwort und eine persönliche Userkennung verfügt und somit uneingeschränkten Zugriff nehmen kann. Von Bedeutung sind hierbei das Thule-Netz und das Nordland-Netz. Sie bieten ihren Nutzern ein Podium zum Informationsaustausch, das überwiegend für Diskussionen und Kommentierung aktueller szenebezogener Ereignisse genutzt wird. Die Nutzung der Mailboxsysteme ist 1 998 zurückgegangen. Einige Nutzer hatten sich aufgrund interner Streitigkeiten aus dem Netz verabschiedet. Außerdem verdrängt die wachsende Benutzung des Internets die der Mailboxen. 48 Nationale Infotelefone (NIT) Einen wichtigen Bestandteil der internationalen Vernetzung unter den Rechtsextremisten bilden die NIT. Dabei handelt es sich um Anrufbeantworter mit Ansagetexten, die regelmäßig wechseln. Sie dienen der Mobilisierung und Koordinierung von Szeneveranstaltungen. Zu diesen Zwecken werden anlassbezogene Nachrichten auf Anrufbeantworter gesprochen. In Thüringen waren 1998 zwei NIT geschaltet. Frank Colkowski, der bis zu seinem Rücktritt im November als Landesvorsitzender der NPD Thüringen fungierte, betrieb das NIT Mitteldeutschland mit Sitz in Gotha. Seit August 1996 wurden darüber überwiegend NPD-Meldungen mit lokalem Bezug verbreitet. Seit Colkowskis Rücktritt ist das NIT inaktiv. Das NIT Deutschlandsturm ist im August 1997 eingerichtet worden. Betreiber war der Verlag Neues Denken. Neben einem Veranstaltungsservice wurden lokale Ereignisse kommentiert. Nachdem bekannt wurde, dass der Neonazi Thomas Dienet im Verlag beschäftigt war und eine Rückforderung von Fördermitteln auf den Verlag zukam, sah sich dieser gezwungen, Konkurs anzumelden. Gleichzeitig stellte er den Betrieb des NIT ein. Die letzte Ansage vom 19. Mai wies auf eine "üble Hetzund Verleumdungskampagne" von Staat und Medien gegen den Verlag hin. Das Internet Das Internet ist das weltweit größte Kommunikationssystem. Es dient den Rechtsextremisten als ein allgemein zugängliches Kommunikationsund Propagandamedium, über das sie u.a. rechtsextremistische Literatur, Musik mit z.T. strafbaren Inhalten und verfassungsfeindliche Symbole verbreiten können. Strafrechtlich relevante Inhalte werden anonym über ausländische Provider in das weltweite, dezentrale Netz eingestellt, so dass strafrechtliche Maßnahmen deutscher Behörden ins Leere laufen. Das Internet eröffnet so die Möglichkeit des ungehinderten Zugangs zu Beiträgen mit strafbarem Inhalt. Daneben wird das Internet auch zur Mobilisierung der Szene genutzt. Aber vor allem dient dieser attraktive Werbeträger dazu, neue Interessentenkreise, besonders unter der Jugend, anzusprechen. Rechtsextremisten nutzen das Internet zugleich zur Selbstdarstellung. Sie stellen Informationen über eigene Organisationen, Publikationen und Ideologie ein. Zudem floriert über das Internet der Versandhandel. Angebotslisten und Bestellmöglichkeiten sind abrufbar, so können beispielsweise CDs, Fahnen etc. "online" bestellt werden. Anzahl und Umfang der Internetangebote sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Die Zahl deutscher "Homepages" lag Ende des Jahres bei ca. 200 (1996: ca. 30; 1997: ca. 100). Immer mehr Organisationen haben eine "Homepage" eingerichtet, zum Teil bieten sie einen eigenen Zugangsservice ins Internet an. 49 Das o. g. Thule-Netz besitzt eine eigene Netzadresse im World-WideWeb (WWW), dem bekanntesten Teil des Internet. Ansagetexte einzelner NIT sind ebenfalls über das Internet abrufbar. 7. Rechtsextremistische Straftaten im Überblick Vergleich erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Straftaten Thüringen 1996 1997 1998 Straftaten insgesamt: 939 1.206 1.064 davon sind hervorzuheben: Propagandadelikte 803 1.051 844 fremdenfeindliche Straftaten 119 140 111 antisemitische Straftaten 33 42 44 gegen politische Gegner 29 31 19 Vergleich Straftaten-Gewalttaten 1064 D Straftaten I Gewalttaten Vergleich erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Gewalttaten Thüringen 1996 1997 1998 Gewalttaten insgesamt: 89 49 61 davon sind hervorzuheben: fremdenfeindliche Straftaten 30 18 13 antisemitische Straftaten 3 1 0 gegen politische Gegner 11 6 8 50 In Thüringen ist 1998 eine Abnahme der Straftaten um 143 zu verzeichnen. Den größten Teil der insgesamt 1.064 Straftaten nehmen die Propagandadelikte (844) ein, diese sind um 207 zurückgegangen. Die Zahl der Gewalttaten ist um 12 auf 61 angestiegen. Dagegen ist aber die Zahl der Gewalttaten gegen politische Gegner sowie die mit fremdenfeindlicher und antisemitischer Ausrichtung gesunken. Vergleich der Gewalttaten in Thüringen 11 D fremdenfeindlich t"_M I D * antisemitisch gegen politischen Gegner 1996 III. Linksextremismus 1. Überblick In der Bundesrepublik Deutschland beträgt das Potenzial der revolutionären Marxisten - einschließlich der Kommunistischen Plattform der PDS - 28.400 Personen. Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten umfasst mehr als 7.000 Personen, wobei bei anlassbezogenen Aktionen/Demonstrationen ein Mobilisierungspotenzial von weiteren mehreren tausend Personen hinzukommt. Die Situation des Linksextremismus im Freistaat Thüringen hat sich im Jahr 1 998 wenig verändert. Eine Zunahme von Anhängern und Sympathisanten im autonomen Spektrum war jedoch nach der Saalfeld-Demonstration am 14. März erkennbar. Nach wie vor gibt es * wenige Mitglieder in marxistisch-leninistischen Parteien sowie einige Sympatisanten, * eine größere Anzahl von Marxisten-Leninisten in anderen Gruppierungen und Parteien, * einen gefestigten Bestand an autonomen Gruppen mit etwa 300 bis 350 Anhängern, der sich organisatorisch weiter entwickelte und informelle Vernetzungsmöglichkeiten nutzte. Dieses Potenzial tritt insbesondere bei Auseinandersetzungen mit dem rechtsextremistischen Lager und bei Aktionen und Demonstrationen in Erscheinung. Bundesweite und überregionale Veranstaltungen wurden von Thüringer Linksextremisten 1998 vermehrt wahrgenommen. 51 2. Ideologischer Hintergrund Wie bei den Rechtsextremisten finden sich auch bei den Linksextremisten ideologisch voneinander abweichende Positionen. Neben Anhängern der "wissenschaftlichen Sozialismusund Kommunismustheorien" stehen Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Autonome. Grundlage der unterschiedlichen Anschauungen und Theoriebildungen bleiben die Werke von Marx, Engels, Lenin sowie auch die von Stalin, Trotzki und Mao Tse-tung. Allen Linksextremisten gemeinsam ist das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Dafür wollen sie einen, ihren jeweiligen Vorstellungen entsprechenden Ersatz schaffen - mag es sich dabei um ein marxistisch-leninistisches Staatsgebilde oder auch eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" handeln. Das Bekenntnis der Linksextremisten zur revolutionären Gewalt, zu Klassenkampf und Klassenherrschaft verbindet ihre sonst oft divergierenden Ansichten. Dabei wird der Grundsatz, dass sich diese Veränderungen nur durch den Einsatz revolutionärer Gewalt vollziehen, aus taktischen Gründen oft verschwiegen. Bei tagespolitischen Auseinandersetzungen wird dann zu legalen, gewaltfreien Formen der politischen Auseinandersetzung gegriffen. 3. Marxistisch-leninistische Parteien und Organisationen 3.1 Die Beobachtung kommunistischer Parteien durch die Verfassungsschutzbehörden Ein Aufgabenschwerpunkt der Verfassungsschutzbehörden im politischen Extremismus bleibt weiterhin die Beobachtung der linksextremistischen Szene, sowohl der militanten Autonomen wie auch den im Bundesgebiet agierenden revolutionär-marxistischen Organisationen und Parteien. Zu ihnen gehören u. a. die "Marxistische Gruppe" (MG), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) mit ihren Nebenund Vorfeldorganisationen, die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Rote Hilfe e.V." (RH), die "Kommunistische Plattform" (KPF) in der PDS sowie weitere trotzkische Zusammenschlüsse mit teilweise bis zu 500 Mitgliedern. Diesem Spektrum werden z. Z. etwa 28.000 bis 29.000 Mitglieder zugerechnet. Linksextremisten bekennen sich grundsätzlich zur "revolutionären Gewalt". Sie setzen dabei überwiegend auf "legale Kampfformen" im Rahmen ihrer antidemokratischen Agitation und Propagandatätigkeit. Das Ziel, anstelle der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine sozialistisch/kommunistisch geprägte Diktatur zu errichten, bleibt erhalten. Sie wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland beseitigen. Obwohl der Niedergang des real existierenden Sozialismus in Europa zu deutlichen Mitgliederverlusten beim linksextremistischen Potenzial geführt hat, lässt sich seit ei52 nigen Jahren jedoch eine Konsolidierung der organisierten Parteien und Gruppierungen feststellen. Die Annahme, der historische Niedergang des Sozialismus habe seine Ursache nicht im Marxismus-Leninismus, sondern nur in der mangelnden Ausführung einer an sich guten Idee, findet in jüngster Zeit vermehrt Zustimmung im Sympathisantenkreis dieser Organisationen. Zunehmend fallen auch frühere ideologische Abgrenzungen. Gewachsen ist die Bündnisfähigkeit - auch zwischen militanten und nichtmilitanten linksextremistischen Gruppen - bei bundesweiten Aktionen. Die Berührungsängste zwischen der Kommunistischen Plattform (KPF) der PDS und den militanten Autonomen sind kaum noch erkennbar. Ausländische und inländische kommunistische Parteien arbeiten zusammen. Die revolutionär-marxistischen Parteien und Organisationen werden neue Anhänger gewinnen. Zum einen ist ihre Ideologie nicht geächtet; ihre Vertreter treten selbstbewusst auf und sind dabei, ihre Verbindungen und Strukturen insbesondere im europäischen Rahmen zu entfalten. Auch das vorhandene rechtsextremistische Potenzial im Bundesgebiet mit ihren vielfachen Strömungen und Spielarten trägt dazu bei, dass die linksextremistischen Gruppierungen nicht kleiner werden; ihnen gilt ihr besonderes Augenmerk im Rahmen der "Antifaschismus-Bewegung". In den neuen Ländern entladen sich Spannungen zwischen rechtem und linkem Potenzial hauptsächlich in Form von tagtäglichen, z.T. tätlichen Auseinandersetzungen. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder werden ihrem gesetzlichen Auftrag, Informationen über linksextremistische Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten, auch weiterhin nachkommen. Nur so ist eine zutreffende und lückenlose Erkenntnislage zu erhalten. Sie dient nicht nur zur Unterrichtung der politischen Führung, sondern garantiert auch die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. 3.2 Die Kommunistische Plattform (KPF) der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) Die Kommunistische Plattform (KPF) ist ihrer Satzung nach ein Zusammenschluss innerhalb der Gesamtpartei. Gegründet wurde sie im Dezember 1989 von Kommunisten in der damaligen SED-PDS, um der Zersplitterung der Partei in sog. K- Gruppen (kommunistische Gruppen) entgegenzuwirken. Die KPF Thüringen konstituierte sich offiziell im März 1 993 in Erfurt. Die Mitstreiter der Plattform wollen kommunistisches Gedankengut stärker in die Programmatik und praktische Politik der Partei einbringen. Sie treten für ein breites linkes Bündnis unter Einbeziehung der Gewerkschaften, der Friedensbewegung, der Bürgerinitiativen und anderen politischen Bewegungen ein. Die Plattform strebt die Entwicklung einer sozialistischen Alternative zum "bestehen- den kapitalistischen System" an. Die Zugehörigkeit zur KPF bestimmt sich danach, ob sich jemand mit ihren inhaltlichen Vorstellungen identifiziert und an der Arbeit der Plattform teilnimmt. Die KPF selbst ist demnach offen für alle, untter Kommunistischen Plattform