FREISTAAT THÜRINGEN VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 1 996 Thüringer Innenministerium Verfassungsschutzbericht Thüringen 1996 Vorwort Omne malum nascens facile opprimatur. Alles Übel ist im Entstehen leicht zu unterdrücken. Cicero (106-43 v. u.Z.) Zur erfolgreichen Bekämpfung eines Übels bedarf es der Wahl des richtigen - d.h. eines möglichst frühen - Zeitpunktes. Diese Ansicht war bereits dem römischen Staatsmann und Gelehrten Marcus Tullius Cicero vertraut, der von seinen Zeitgenossen aufgrund der Verdienste um den römischen Staat und das Wohl des Volkes mit dem Ehrentitel "pater patriae" (Vater des Vaterlandes) geehrt wurde. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Thüringen hat sich die Überzeugung, daß es einer (recht)zeitigen Abwehr von verfassungsfeindlichen Bestrebungen bedarf, in dem Bekenntnis zur "streitbaren Demokratie" niedergeschlagen. Der zu diesem Zwecke institutionalisierte Verfassungsschutz wird in Thüringen vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) - als obere Landesbehörde - und dem Thüringer Innenministerium (TIM) - als oberste Landesbehörde - übernommen. Diese g i b t - inzwischen bereits zum fünften Mal - den Jahresbericht über den Verfassungsschutz heraus. Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen von verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen in Thüringen sollen durch ihn aufgezeigt und dadurch für jedermann nachvollziehbar und verständlich werden. Längst ist zu den traditionellen Gebieten des politischen Extremismus, Linksbzw. Rechtsextremismus, der Ausländerextremismus hinzugekommen. Durch den verstärkten Zuzug ausländischer Arbeitskräfte wurden auch deren politische Auseinandersetzungen aus den Heimatländern nach Deutschland gebracht und hier ausgetragen. Neu hingegen sind heute extremistische Erscheinungen im Jugendbereich, die sich mit unpolitischen Gewalttätigkeiten und einfachen kriminellen Aktivitäten von Jugendlichen überschneiden. Die mehr oder minder politisch fundierten Grundlagen dieser Auseinandersetzungen zwischen "links" bzw. "rechts" orientierten Jugendgruppen lassen sich in Thüringen relativ häufig nachweisen. Das Phänomen hat sich auch 1996 weiter ausgedehnt. Gewaltbereitschaft bzw. -tätigkeit nehmen gerade unter Jugendlichen zu. Besondere Aktualität - auch darauf sei verwiesen - hat die noch immer umstrittene Frage nach der Beobachtung der Scientology-Organisation (SO) durch den Verfassungsschutz - präziser die Frage nach dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Schritt. Auch dieser Problematik gilt ein Beitrag des diesjährigen Berichtes. Ebenso wie bei den extremistischen Beobachtungsfeldern haben sich im Bereich der Spionageabwehr Veränderungen vollzogen. Geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte konzentrieren sich heute immer mehr auf das lukrative, politisch nur indirekt relevante Gebiet der Wirtschaftsspionage. Bilanzen und Statistiken von Straftaten, auch in diesem Bericht wieder als Gradmesser extremistischer Aktivitäten benutzt und für diese Fragestellung durchaus aussagekräftig, haben dennoch ihre Grenzen. Nur bedingt sind sie aussagefähig, sucht man nach den geistig-ideologischen Grundlagen extremistisch motivierter Straftaten und dem Ausmaß des hier vorhandenen Potentials - eines Potentials, das sich unter Umständen noch nicht in meßbare Aktivitäten umgesetzt hat. Erscheinungen eines Geschichtsrevisionismus - seien sie nun rechter oder linker Provenienz - gehören hier ebenso dazu wie solche eines "jugendlichen oder religiös motivierten Extremismus". Extremismus beginnt im Vorfeld von Straftatbeständen, ist nicht in jedem Fall mit Paragraphen des Strafgesetzbuches konform. Die geistig-politische Auseinandersetzung mit den entsprechenden Erscheinungen zu führen, kann nicht allein Aufgabe der zuständigen Behörden sein. In jedem Fall ist die Aufarbeitung derartiger Phänomene ebenso Anliegen des einzelnen Bürgers. Auch im System einer repräsentativen Demokratie ist er seiner Verantwortung für Bestand und Entwicklung des politischen Systems, dem er als Bürger angehört, nicht enthoben. Um ihn für diese Aufgabe zu rüsten und zu sensibilisieren, bedarf er aktueller Informationen und Sachkompetenz. Sie ihm nicht nur umfassend, sondern auch rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, ist Anliegen des Thüringer Verfassungsschutzberichtes. Ein Zitat aus dem ersten Erfahrungsbericht über die Beobachtung der Amter für Verfassungsschutz im Jahre 1968, hrsg. vom Bundesinnenministerium, mag Bedeutung und Notwendigkeit dieses Anliegens bestätigen: "Ein demokratischer Staat kann nur bestehen, wenn er nach allen Seiten, von denen Gefahr droht, wachsam ist, und nicht nur die Angriffe abwehrt, die im Augenblick gefährlicher zu sein scheinen. Die Erfahrung lehrt, daß die Erfolgsaussichten eines Angriffs wesentlich größer sind, wenn er aus einer Richtung geführt wird, aus der er nicht erwartet wird. Diese Erfahrung gilt auch für die Demokratie." Dr. Richard Dewes Erfurt, Mai 1997 Thüringer Innenminister Inhaltsverzeichnis I. Einige Informationen zum Verfassungsschutz 7 1. Verfassungsschutz - Instrument der streitbaren Demokratie 7 2. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) 7 3. Verfassungsschutz durch Aufklärung 10 II. Extremistische Jugendszene oder jugendliche Gewaltszene? 15 IM. Rechtsextremismus 19 1. Überblick 19 2. Ideologischer Hintergrund 20 3. Neonazis 20 3.1 Deutsche Nationalisten (DN) 20 3.2 Die Nationalen e.V. 21 3.3 Anti-Antifa 22 3.4 Skinheads 25 4. Rechtsextremistische Parteien 27 4.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Junge Nationaldemokraten (JN) 27 4.2 Die Republikaner (REP) 32 4.3 Deutsche Volksunion (DVU) 34 4.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 38 5. Verwirkung von Grundrechten 39 6. Rechtsextremistische Straftaten 41 6.1 Zahlenspiegel erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Straftaten 41 6.2 Ausgewählte Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund 42 IV. Linksextremismus 44 1. Überblick 44 2. Ideologischer Hintergrund 44 3. Marxistisch-Leninistische Parteien und Organisationen 45 3.1 Die Kommunistische Plattform der Partei des Demokratischen Sozialismus (KPF) 45 3.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 48 5 3.3 Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 50 3.4 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 52 3.5 "Rote Runde Tische" 53 4. Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre 54 5. Legendenbildung "Linker Revisionismus" als Baustein des politischen Extremismus 61 6. Terroristische Gruppierungen 63 6.1 Rote Armee Fraktion (RAF) 64 6.2 Revolutionäre Zellen (RZ)/Rote Zora 66 6.3 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 66 6.4 Untergrundzeitschrift radikal 67 7. Linksextremistische Straftaten 69 7.1 Zahlenspiegel erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Straftaten 69 7.2 Ausgewählte Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund 70 V. Verflechtungsund Vernetzungsbestrebungen von Extremisten 71 VI. Ausländerextremismus Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern 74 VII. Spionageund Sabotageabwehr 79 1. Überblick 79 2. Fortwirkende Strukturen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR 80 3. Tätigkeit fremder Nachrichtendienste 82 4. Schwerpunkt: Wirtschaftsspionage 85 5. Personeller und materieller Geheimschutz 87 VIII. Sonderthemen 88 1. Die Neue Rechte und die Konservative Revolution 89 2. Scientology-Organisation (SO) 94 Anhang: Abkürzungsverzeichnis 96 Personenregister 98 Sachregister IOI 6 I. Einige Informationen zum Verfassungsschutz 1. Verfassungsschutz - Instrument der streitbaren Demokratie Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaates Thüringen garantieren allen Bürgerinnen und Bürgern ein Höchstmaß an Freiheit. Doch verpflichtet das Grundgesetz den Staat aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Verfassung auch dazu, Kräften entgegenzuwirken, die die freiheitlich demokratische Grundordnung untergraben und letztlich beseitigen wollen, um eine andere Ordnung zu errichten, die nicht von der Verfassung getragen ist. Das Grundgesetz schreibt also nicht nur die Prinzipien des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates fest, sondern trifft auch Vorkehrungen zu seinem Schutz. Unsere Verfassung bekennt sich zur streitbaren Demokratie. Die streitbare Demokratie beschreitetnotwendigerweise - einen schwierigen Weg: Sie ist grundsätzlich auch ihren Gegnern gegenüber tolerant. Die Freiheitsrechte - wie beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Demonstrationsrecht - stehen auch Personen, Vereinen und Parteien zu, die den demokratischen Staat beseitigen wollen. Jedoch liefert sich die streitbare Demokratie derartigen Bestrebungen nicht tatenlos aus. So ist beispielsweise nach den Artikeln 9 und 21 des Grundgesetzes das Verbot verfassungswidriger Parteien und Vereine, nach Artikel 18 die Aberkennung von Grundrechten1 möglich. Daneben sieht das Grundgesetz in den Artikeln 73 Nr. 10b und c sowie 87 Abs. 1 vor, daß verfassungsfeindliche Bestrebungen nachrichtendienstlich zu beobachten sind. Die zu diesem Zweck nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz zu errichtende Verfassungsschutzbehörde unterhält der Freistaat Thüringen als selbständige Landesoberbehörde mit dem Namen Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV). 2. Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (TLfV) Der im Jahr 1992 begonnene Aufbau des TLfV wurde auch 1996 zügig fortgesetzt. Hierbei standen die Einstellung von Führungsnachwuchs und der Umzug in ein funktionsgerechtes Verwaltungsgebäude im Vordergrund der Bemühungen. Vgl. dazu ausführlicher das Kapitel Verwirkung von Grundrechten. 7 Bei der Einstellung von mehreren Mitarbeitern des höheren Dienstes wurde neben der wissenschaftlichen Qualifikation auch Wert darauf gelegt, daß bevorzugt Thüringer zum Zuge kamen. Entsprechende Maßstäbe wurden an künftige Mitarbeiter der Sachbearbeitungsebene angelegt, die zum Fachhochschulstudium an die Schule für Verfassungsschutz entsandt wurden. Mit der räumlichen Konzentration des TLfV Anfang Februar aus verschiedenen Liegenschaften "unter ein Dach" wurde die innere Struktur des Amtes grundlegend geändert: Die organisatorische Aufteilung in Zentrale Dienste, Auswertung, Beschaffung und Spionageabwehr wurde abgelöst durch eine Dreigliederung in zwei Fachabteilungen und eine Abteilung für Zentrale Dienste. Die Gliederung der Fachabteilungen orientiert sich an den beiden unterschiedlichen Beobachtungsfeldern, nämlich dem des politischen Extremismus und dem der fremden nachrichtendienstlichen Tätigkeiten. Die klassische Zweigliederung in Beschaffung und Auswertung aufzugeben, erschien angesichts des knappen Personalbestands des TLfV und unter dem Gesichtspunkt der Effektivitätssteigerung als sinnvoll. Die Feingliederung des Amtes erfolgte in Referate, denen die einzelnen Beobachtungsfelder inhaltlich zugeordnet sind. Als Neuerung innerhalb des Amtes und der Verfassungsschutzbehörden überhaupt wurde ein Referat Jugendgewalt in der Abteilung Politischer Extremismus geschaffen; seine Aufgabe besteht darin, unbeschadet einer möglichen Zuordnung der Jugendlichen zur einen oder anderen extremistischen Szene, die Erkenntnisse hierüber zu beschaffen und gebündelt an diejenigen Institutionen weiterzuleiten, deren Aufgabe die Prävention und die Bekämpfung von Jugendgewalt ist. Abteilung Politischer Extremismus Die Aufgabenstellung der Abteilung Politischer Extremismus des TLfV wird von den Gegebenheiten im Lande, d. h. vom Auftreten extremistischer Gruppierungen in Thüringen, im wesentlichen bestimmt; denn hierüber Informationen zu sammeln und in geeigneter Form weiterzuleiten, ist ihr gesetzlicher Auftrag. In einer Vielzahl von Fällen erfolgten aufgrund der Erkenntnisweitergabe des TLfV unmittelbar Maßnahmen der Polizei und anderer Behörden. In mindestens 15 Fällen dürften so öffentliche Krawalle vermieden worden sein oder diese konnten zumindest rechtzeitig eingedämmt werden. Innerhalb der Abteilung Politischer Extremismus erfolgt eine Aufgliederung in Links-, Rechtsund Ausländerextremismus. Das Referat Rechtsextremismus legte seinen Schwerpunkt auf die Informationsbeschaffung im Bereich der militanten, weitgehend unorganisiert tätigen Neonazis, bei denen es in Thüringen weitreichende Überschneidungen mit der jugendlichen Gewaltszene gibt. Daneben oblag ihm die Beobachtung der "klassischen", auch in Thüringen existenten rechtsextremistischen Gruppierungen - wie Republikaner (REP), Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), Deutsche Volksunion (DVU) und Deutsche Liga 8 für Volk und Heimat (DLVH). Das Referat Linksextremismus hatte seinen Schwerpunkt in der Informationsbeschaffung der linksextremistischen Autonomenszene, die ihrerseits teilidentisch mit der jugendlichen Gewaltszene ist bzw. sich unter der politischen Zielsetzung des antifaschistischen Kampfes aus dieser rekrutiert. Daneben oblag dem Referat die Beobachtung der orthodoxen linksextremistischen Gruppierungen - wie der Kommunistischen Plattform der Partei des Demokratischen Sozialismus (KPF), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Das Referat Ausländerextremismus nahm zu Jahresbeginn 1996 als selbständige Arbeitseinheit seine Tätigkeit zügig auf und beschaffte Informationen aus der sich in Thüringen nunmehr fest etablierenden kurdischen und türkischen Extremistenszene. Diese Arbeit birgt besondere Gefahrenmomente, die spezielle Schutzmaßnahmen für diese Mitarbeiter des TLfV erforderlich machen können. Abteilung Nachrichtendienste Die Abteilung Nachrichtendienste des TLfV umfaßt die Referate Spionageabwehr, MfS-Strukturen und Geheimschutz. Das Referat Spionageabwehr legte seinen Schwerpunkt in die Aufklärung der im Lande verbliebenen Überreste des sowjetischen Geheimdienstes KGB und seiner russischen Nachfolgedienste, insbesondere den Dienst für Auslandsaufklärung (SWR) und die Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation (FAPSI) sowie den fortbestehenden militärischen Geheimdienst Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab (GRU). Soweit die Aufklärungsarbeit konkrete Hinweise auf Straftaten ergab, wurden die Fälle an die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung abgegeben. Das Referat MfS-Strukturen komplettierte sein systematisches Material und verfolgte insbesondere auch Spuren aufgrund von Einzel hinweisen aus der Bevölkerung, die allerdings häufig wenig ergiebig waren. Sie bezogen sich zumeist auf vermeintliche oder tatsächliche Bereicherung von SED-Kadern. Der Schwerpunkt des Referates Geheimschutz lag auch im Berichtszeitraum in der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungsverfahren. Daneben führte das Referat in einer Reihe von Fällen Sabotageund Geheimschutzberatung bei Behörden und Firmen durch. Abteilung Zentrale Dienste Die Abteilung Zentrale Dienste ist u. a. für den inneren Dienstbetrieb des TLfV zuständig; sie gliedert sich in die Referate Grundsatzfragen und G-10, Personal und Haushalt des TLfV, EDV und Registratur, Observation und Technik, Berichtswesen und Öffentlichkeitsarbeit. Von den nach außen wirksamen Aktivitäten dieser Abteilung sind die Organisation und Durchführung von Vorträgen, Ausstel- 9 lungen und Informationsständen, das Beantworten von Bürgerpetitionen und die Herausgabe von periodischer Berichterstattung erwähnenswert. Seine periodische Berichterstattung versteht das TLfV als Serviceangebot gegenüber der Öffentlichkeit und Fachbehörden, insbesondere solchen, die Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrnehmen; dieses Serviceangebot umfaßt insbesondere die für Behörden bestimmte Wochenlage und die Monatsberichte sowie Vorbereitung des Verfassungsschutzberichtes, den das Thüringer Innenministerium jährlich herausgibt. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ist für jeden Bürger erreichbar: Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz Postfach 796 oder Haarbergstraße 61 99015 Erfurt 99097 Erfurt Telefon 0 3 6 1 / 4 4 0 6 - 0 Telefax 0361/4406-251 Das Aufsichtsreferat im Thüringer Innenministerium hat folgende Adresse: Thüringer Innenministerium Referat 24 Schillerstraße 27 99096 Erfurt Telefon 03 61/37-900 Telefax 03 6 1 / 3 7 9 3 4 4 4 3. Verfassungsschutz durch Aufklärung Der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung kann dauerhaft nicht ohne die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus gesichert werden. Dabei kommt dem Verfassungsschutz eine wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit gewährleistet, daß Regierung und Parlament, aber auch die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Organisationen und Bestrebungen informiert werden. Die Aufgaben des "Verfassungsschutzes durch Aufklärung" werden vom Thüringer Innenministerium und vom TLfV wahrgenommen. Dies geschieht z. T. durch entsprechende Vortragsund Diskussionsveranstaltungen. So nahmen Vertreter des TLfV beispielsweise an Gesprächsrunden politischer Parteien teil, die sich mit Fragen der inneren Sicherheit in Thüringen befaßten. Auch auf einschlägigen kulturellen Veranstaltungen war das TLfV vertreten. Speziell zum Thema Rechtsextremismus wurden Schülern und Auszubildenden Informationsangebote unterbreitet. 10 Ausstellungen Größte Unternehmung war die Ausstellung "Wir kennen ihn. Und Sie? - Verfassungsschutz in Deutschland" im Schloß Hue de Grais, Wolkramshausen/Lkr. Nordhausen. Die Ausstellung wurde zusammen mit dem Förderverein "Hue de Grais" veranstaltet. Sie informierte über die Institution Verfassungsschutz, ihre Aufgaben, Arbeitsweisen und Funktion sowie die gesetzlichen Grundlagen. Ebenso wurden die Schwerpunkte Linksund Rechtsextremismus, Ausländerextremismus und Spionageabwehr im Überblick vorgestellt. Mehr als 2000 Personen haben die Ausstellung, die von April 2 bis August zu sehen war, besucht. Zahlreiche von ihnen nutzten das Angebot sachkundiger Führungen. Dazu gehörten insbesondere Lehrer-Schüler-Gruppen, aber auch Referendare pädagogischer Fachrichtungen, Mitglieder des Nordhäuser Kreistages, Vertreter der Justiz sowie Einzelbesucher. Ein speziell vorbereiteter Katalog ergänzte und begleitete die Ausstellung ebenso wie Vorträge. Ebenfalls Bestandteil der Aufklärungsarbeit ist die gemeinsame Wanderausstellung der Innenministerien der neuen Länder "Demokratie - aber sicher!" geworden. Diese Ausstellung wird seit Januar 1995 vom Thüringer Innenministerium vorwiegend an Schulen gezeigt. Im März wurde sie im Gymnasium Georgianum in Hildburghausen vor insgesamt 1.200 Schülern präsentiert. Ein Mitarbeiter des Thüringer Innenministeriums betreute die Ausstellung und stand an einzelnen Tagen den Schülern und Lehrern als Ansprechund Diskussionspartner zur Verfügung. 2 Bei Datumsund Monatsangaben aus dem Berichtszeitraum wird die Jahreszahl nicht angegeben. 11 Weiter Ausstellungsorte waren: - Schloß "Hue de Grais" in Wolkramshausen im April (gemeinsam mit der o. g. Ausstellung "Wir kennen ihn. Und Sie? - Verfassungsschutz in Deutschland") -Johann-Gottried-Herder-Gymnasium in Suhl im Oktober (vor ca. 1.100 Schülern). Zielgruppen dieser Wanderausstellung sind vor allem Schüler und Jugendliche ab etwa 13 Jahren, Multiplikatoren, die mit Jugendlichen arbeiten, sowie alle interessierten Bürgerinnen und Bürger. Auf neun Stelltafeln informiert die Ausstellung über Grundrechte sowie über die Erscheinungsformen des Extremismus und gibt Auskunft über die Arbeit des Verfassungsschutzes, der als "Frühwarnsystem" auf die Gefahren hinweist, die der Demokratie durch Extremismus und Terrorismus drohen. Die Texte, Tafeln und Bilder wollen nicht nur informieren, sondern auch zur Auseinandersetzung mit den dargestellten Themen anregen. Ergänzt wird die Präsentation durch ein Begleitheft, anschauliches Informationsmaterial (Poster, Faltblätter, Broschüren, Computerspiele "Dunkle Schatten" und "Was steckt dahinter?" etc.) und teilweise durch Exponate. FAIRSTÄNDNIS-Kampagne Fremdenfeindlichkeit, politischer Extremismus und Gewalt sind nicht nur vorübergehende Erscheinungen. Vor dem Hintergrund der Zunahme politisch motivierter Gewalttaten gegen Ausländer starteten die Innenministerien von Bund und Ländern 1992 unter dem Logo "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß" eine bundesweite Aufklärungskampagne gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Ziel dieser FAIRSTANDNIS-Kampagne, an der sich auch das Thüringer Innenministerium beteiligt, ist es, über den Extremismus und seine Gefahren sowie über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus als Bestandteile rechtsextremistischer Ideologie aufzuklären. Zu diesem Zweck wurden (insbesondere an Jugendliche) Aufklärungsmaterialien wie z. B. das Schülerheft "basta - Nein zur Gewalt", Poster "Gewalt ist die falsche Wahl" und "Annäherung statt Gewalt", das Computerspiel "Dunkle Schatten" sowie Werbematerialien mit dem o. g. Logo verteilt. 13 Demokratie BuQdetninUterlnn des Innem Ein Heft für jugendliche 96/97 Hletzwrk gefangen, DUNKLE SCHATTEN2 Verfassungsschutzbericht Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Thüringer Verfassungsschutzes ist - nicht zuletzt - auch die Herausgabe des jährlichen Verfassungsschutzberichtes, der in einer Auflagenhöhe von mehreren Tausend Exemplaren an Behörden, Institutionen, Schulen sowie an interessierte Bürgerinnen und Bürger kostenlos versandt bzw. verteilt wird. 14 II. Extremistische Jugendszene oder jugendliche Gewaltszene? Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen in Thüringen ist strafrechtlich unauffällig und weit davon entfernt, sich in extremistischen und gewalttätigen Gruppen und Cliquen zu organisieren. Dieser Befund kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in Thüringen - wie in anderen Ländern auch - ein ernsthaftes Problem mit der jugendlichen Gewaltszene gibt. Auffällig ist hier vor allem die Zunahme von Gewaltstraftaten, die von Einzeltätern oder Gruppen der "linken" oder "rechten" Jugendszene begangen werden. Die Selbstsicht der Jugendlichen als "rechts" oder "links" und die Darstellung dieses Bildes in den Medien, der Offentlichkeit und der Politik führt vielfach zu dem Schluß, es handele sich hierbei um politischen Extremismus. In der übergroßen Zahl der Fälle ist diese Sicht nicht haltbar, fehlt der Gewalt doch oft eine unmittelbare politische Grundlage. Dabei ist allerdings eine eindeutige, trennscharfe Abgrenzung zu primär politisch motivierter Gewalt kaum möglich, da die Übergänge fließend sind. Gewaltbereitschaft und ihr Ausleben in Gewalttätigkeit äußern sich in unterschiedlichen Formen. Das Spektrum reicht von verbalen Übergriffen, dem Verwenden gewaltverherrlichender Symbole und dem Aufbau von Feindbildern bis zur Anwendung körperlicher Gewalt. In den meisten Fällen verhindert jedoch das rechtzeitige Eingreifen der Polizei eine Eskalation.3 Seit dem Anstieg fremdenfeindlicher Jugendgewalt zu Beginn der neunziger Jahre sehen sich Polizei und Justiz seitens der Medien und der Öffentlichkeit dem Vorwurf ausgesetzt, sich deren Kontrolle und Prävention in nur unzureichendem Maße angenommen zu haben. Diese Sicht ist kaum haltbar. Die Bestrafung von Gewaltdelikten ist rigoros, wenngleich die beabsichtigten Effekte einer Verurteilung häufig durch den zeitlich großen Abstand zwischen Tat und Strafe erheblich relativiert werden, da die Jugendlichen den Bezug zur Tat verlieren.4 Ursachen Es muß festgestellt werden, daß das allgemein und latent vorhandene jugendliche Gewaltpotential mobilisierbar ist, allerdings weniger im institutionellen, organisierten Rahmen, sondern spontan oder anlaßbezogen. Jugendlicher Aktionismus und ein kaum zu analysierendes Motivationsgemenge - aus "Wendefrust", sozialen Problemen, jugendlicher Rebellion, Verunsicherung aufgrund umfassenden gesellschaftlichen Wandels, Gruppendynamik, einem Überange- 3 Lewandowski, I.: Extremistisch erscheinende Gruppengewalt junger Mensachen - kriminologische Einsichten und justizielle Reaktionsformen. Gekürztes Skript o . g . Gutachtens, Jena 1997, S. 14. " a.a.O., S. Uff. bot massenmedialer Gewaltdarstellungen, Orientierungslosigkeit und allgemeinem Unmut - erzeugen ein Klima, in dem sich aufgestaute Aggression über das Ventil pseudopolitischer Gewalt entlädt. Bei der Mehrheit der Jugendlichen sind, wenn überhaupt, lediglich diffuse politische Vorstellungen feststellbar. So erstaunt nicht, daß die "Wahl" der politischen Seite oft zufällig geschieht. Der Freundeskreis, die an der Schule dominierende Weltanschauung, Spezifika der häuslichen Umgebung spielen in der Regel eine größere Rolle als eine aus politischem und historischemWissen begründete Meinung und so bewußt getroffene Entscheidung. Im Gegenteil: Das tatsächliche Interesse an Politik, die Informiertheit über politische Theorien und Ideologien sind - fehlen sie nicht ganz - äußerst gering. Dabei ist das Vermögen, theoretisch zu denken, bei linksorientierten Jugendlichen höher anzusetzen. Frust und "Null-Bock-Stimmung" spielen hier eine geringere Rolle. Das Phänomen jugendlicher Gewalt ist mit eindimensionalen Ansätzen nicht erklärbar, breit angelegte Ursachenforschung ist den Verfassungsschutzbehörden jedoch nur in Ansätzen möglich; allerdings werden die einschlägigen wissenschaftlichen Studien zum Thema im TLfV ausgewertet und mit eigenen Erkenntnissen verglichen. Hieraus ergibt sich, daß vor allem mangelnde Sozialkompetenz des einzelnen im Rahmen gruppendynamischer Prozesse in vielen Fällen zur Präferierung des einfachsten Weges der Problemlösung - dem Einsatz von Gewalt - führt. Formen Will man kategorisieren, lassen sich drei "Szene-Typen" ausmachen.: 1 .die "Führer" - wenige, meist ältere, wirklich politische Köpfe 2.einige primär politisch motivierte oder anpolitisierte "Mitläufer" in der zweiten und dritten Reihe 3.die übergroße Masse der Unpolitischen, Verführbaren und Instrumentalisierbaren. Diesen Jugendlichen fehlt häufig die Fähigkeit, andere Meinungen zu tolerieren und zu akzeptieren, Konflikte im Gespräch auszutragen und zu regeln. So führt die vergebliche Suche nach Anerkennung, Halt und Geborgenheit u. U. zu einer ersatzweisen Befriedigung in extremistischen Gruppen, wobei die "Urbane Bindung der Szenen" auffällig ist. Ansätze von Organisiertheit sind, mit wenigen Ausnahmen, nur in Städten ersichtlich, im ländlichen Bereich dagegen marginal. Diese Gruppen definieren sich nicht allein über mehr oder weniger dogmatische Idealbilder, sondern auch über Feindbilder. Die daraus folgende Entwicklung von Gewalttätigkeiten wird zu einer Ausweichstrategie, die letztlich der Selbstbestimmung dient. Die ideologieträchtige Ausrichtung der Jugendlichen ist damit nur noch Instrument des Gruppenzusammenhalts. 16 Unterschiede und Schwerpunkte Rechtsextremistisch orientierte Jugendliche Für rechtsextremistisch orientierte Jugendliche ist typisch, daß sie sich in losen, informellen Gruppen, meist innerhalb eines Stadtgebietes, zusammenfinden. Vereinfachte Feindbilder - Antifaschisten, Linke, Homosexuelle, Ausländer, Sicherheitskräfte - kennzeichnen ihre Ideologie. Die Masse der Gruppenmitglieder entspricht dem verbreiteten Klischee: jung, männlich, Hauptschulabgänger. Die hohe Instabilität der Gruppen zeigt sich insbesondere darin, daß ältere Jugendliche oft ausscheiden, wenn feste soziale Bindungen (Freundschaften, Eheschließungen, Eintritt ins Berufsleben) entstehen. Mädchen treten kaum und meist nur als Freundinnen von Mitgliedern in Erscheinung. Die Gruppen sind durchweg gewaltbereit. Männliche Mitglieder dominieren auch dabei. Alkoholeinfluß spielt eine erhebliche Rolle. Fest organisierte rechtsextremistische Jugendliche sind in Thüringen selten. Schwerpunkte - "Rechts" Für diesen Teil der jugendlichen Gewaltszene sind strukturarme Zusammenschlüsse kennzeichnend. Im Jahr 1994 wurde erstmals eine Gruppierung namens Anti-Antifa-Ostthüringen bekannt. Die Anti-Antifa, 1992 von dem Hamburger Neonazi Christian Worch gegründet, strebt eine informelle Vernetzung und Zentralisierung regionaler und lokaler rechtsextremer Potentiale ohne Formalmitgliedschaft und hierarchische Strukturierung an. Der gleichsam "autonome" Zusammenschluß, der auch unter der Bezeichnung Thüringer Heimatschutz (THS) firmiert, ist ein Sammelbecken, das Raum für Kontakt zwischen organisierten Neonazis und gewaltbereiten "nationalen" Jugendlichen bietet. Die Klientel stammt vor allem aus dem Raum Saalfeld-Rudolstadt, aus Gera, Jena, Sonneberg, Weimar, Gotha, Erfurt und Kahla. Linksextremistisch orientierte Jugendliche Linksextremistisch orientierte Jugendliche entstammen häufiger politisch interessierten Elternhäusern. In der Regel haben sie eine höhere Schulbildung. Jungen und Mädchen sind in den Gruppen weitgehend gleichberechtigt. Auch hier ist eine gewisse Fluktuation und ein wenig fester Verbund zu beobachten, wenngleich die Stabilität etwas größer zu veranschlagen ist. Als Beitrag zum "antifaschistischen Kampf" verstehen die Jugendlichen ihre Aktivitäten selbst, so u.a. das Sprühen von Parolen und Graffities. Schwerpunkte - "Links" Ein erheblicher Teil der jugendlichen Gewaltszene, der sich selbst "links" definiert, ist dem Bereich der Autonomen und hier dem Aktionsfeld "Antifaschis17 mus/Antirassismus" zuzuordnen. Militante Aktionen richten sich, getarnt als "antifaschistische Selbsthilfe", gegen "Faschos" und deren Struktur. Der Antifaschismus als Bindeglied bietet der traditionell in Kleinund Kleinstgrüppchen zersplitterten linken Szene die Möglichkeit, übergreifende Strukturen zu etablieren. Die autonome Jugendszene ist überwiegend in den Regionen Altenburg, Erfurt, Jena, Saalfeld, Rudolstadt, Gera und Weimar tätig. Gruppe, Identität und Gruppendynamik Die "Einsteiger" sind in der übergroßen Mehrheit apolitisch. Die Gründe liegen im Einstiegsalter (14-15 Jahre) und dem zum Teil dürftigen Wissen um historische und politische Zusammenhänge. Die Politisierung (besser: Pseudopolitisierung) beginnt in der Gruppe. Hier wirkt ein gruppendynamischer Anpassungsdruck, der individuelle Unterschiede nivelliert und über eine Art Wertevermittlung und Sinnstiftung eine Gruppenidentität erzeugt. Ein Wert dieser Art kann beispielsweise das Durchhalten beim "Kampfsaufen" sein. Ist das gruppenspezifische Selbstverständnis apolitisch, wird auch die Sozialisation des "Einsteigers" mit hoher Sicherheit in dieser Form verlaufen. Versteht sich die Gruppe selbst als "politisch", sind die Ergebnisse entsprechend, wobei der Grad der Identifikation in beiden Fällen wesentlich von der Existenz von Führungspersönlichkeiten abhängig ist. Wird das Selbstbild einer "politischen" Gruppe von außen (Medien, Öffentlichkeit, Politik) undifferenziert ernstgenommen, sind Stigmatisierung und Etikettierung sowie staatliche und gesellschaftliche Reaktionsformen programmiert. Dieser Automatismus kann sich allerdings dort verhängnisvoll auswirken, wo erst die Einwirkung von außen innerhalb einer an sich unpolitischen Gruppe eine "reaktive Mechanik" auslöst, die zu wirklicher Politisierung führt. Übergreifendes Merkmal der politischen und der unpolitischen Gruppen ist der jugendtypische Wunsch nach "Anderssein", wobei die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Gruppe in hohem Maße zufällig ist. Milieuund Stadtteilbindungen, Freundeskreise usw. spielen hier eine wesentlich größere Rolle als bewußte politische Wahlhandlungen. Gruppenoder Szenekarrieren sind eher selten. In den meisten Fällen führen Veränderungen im privaten Bereich (Arbeit, Ortswechsel etc.) zum Ausstieg. So genügte z. B. in einigen Fällen die Einberufung zur Bundeswehr und die damit einhergehende Trennung von Gruppe und Milieu zum Ausstieg. Schlußfolgerungen Abseits aller Spekulationen über die Existenz einer extremistischen Jugendszene mit klar definierbaren Rändern läßt sich zweifelsfrei eine wirklich existente, verbindende Dominante ausmachen: die Gewalt. Man kann ohne weiteres - als Teil einer weitaus größeren, apolitischen und nicht gewaltbereiten Jugendszene - 18 eine heterogene Teilmenge beschreiben, deren verbindendes Element eine latente Gewaltbereitschaft ist, deren Mitglieder sich mehr oder weniger zufällig mit politischen Versatzstücken schmücken. Sie gerieren sich "links" oder "rechts", wobei die Motivation für den einzelnen oder die Gruppe ebenso vielfältig ist wie ihre Herkunft, ihre Bildung oder die Spezifika subkultureller Milieus. Die Tendenz zur Gewaltanwendung wird noch verstärkt, wenn die Gruppen durch Vorurteile, Ausgrenzung und Isolation abgewertet, diskriminiert und kriminalisiert werden. Ein Patentrezept für die vorbeugende Verhinderung der gewalttätigen Jugendszene existiert nicht; gleiches gilt für die Bekämpfung, wo diese Szene in Erscheinung tritt. Wenig sinnvoll erscheint es, die Szene mit extremistischen Etiketten zu belegen, da hierdurch bestenfalls eine unerwünschte Aufwertung erfolgt. Nach Auffassung von Lewandowski könnten nicht Ausgrenzung und Stigmatisierung, sondern (wenn möglich) Dialog sowie das Angebot von Arbeit und Lehrstellen zu einer Trendwende führen. Hierbei darf das Angebot zum Dialog nicht mit der Illusion verwechselt werden, die Betroffenen seien zu Gesprächen auf hohem Abstraktionsniveau willens oder in der Lage. Das ist bei der Mehrzahl der Betroffenen offensichtlich nicht der Fall. Mögliche Maßnahmen sind nicht nur solche der Sozialarbeit. Die in den Konflikten zutage tretenden Probleme der Jugendlichen sind offenzulegen, um sie dem Versuch einer gewaltfreien Lösung zuzuführen. Dafür können sich gemeinsame "Rechts/Links-Projekte" eignen, sofern sie beide Seiten ansprechen. Entscheidend bleibt das Bemühen, gewaltbereite Jugendliche in die Gesellschaft zu integrieren.5 Gespräche mit Jugendlichen in Thüringen zeigen aber auch, daß die Uberbetonung der Beschäftigung mit der Gewaltszene wenig Verständnis bei denjenigen Jugendlichen findet, die sich im Hinblick auf Extremismus und Gewalt unauffällig oder sogar ablehnend verhalten. Hier gilt es dem fatalen Eindruck entgegenzutreten, man müsse nur genügend unangenehm auffallen, um die erwünschte öffentliche Förderung zu erfahren. III. Rechtsextremismus 1. Überblick Für die Situation des Rechtsextremismus im Freistaat Thüringen sind folgende Erscheinungen und Entwicklungen charakteristisch: - Das rechtsextremistische Potential umfaßt in Thüringen etwa 1000 Personen. Einen Teil davon stellen die Mitglieder der etablierten rechtsextremistischen 5 a.a.O., S. 23. Parteien. Vergleicht man die Entwicklung der Mitgliederzahlen im vergangenen Jahr, lassen sich unterschiedliche Tendenzen erkennen. Mit ca. 40 Mitgliedern - zuvor etwa 50 - hat die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) leichte Verluste zu verzeichnen. Mit nach wie vor knapp 50 Mitgliedern ist der Bestand der Deutschen Volksunion (DVU) stabil. Die Republikaner (REP) dagegen haben mit derzeit ca. 280 Mitgliedern in Thüringen - zuvor waren es 200-250 - einen Zuwachs zu verzeichnen. - Weitere Rechtsextremisten gehören der nicht organisierten Neonazi-Szene an -etwa 300 Angehörige rechtsextremistisch orientierter Jugendsubkulturen und Mitglieder informeller Gruppen. Dazu kommen etwa 200 Skinheads - Die in Thüringen aktive Anti-Antifa - inzwischen etwa 80 Personen - ragt aus dem Neonanzi-Spektrum durch ihre Organisationsansätze und Vernetzungsbemühungen heraus. 2. Ideologischer Hintergrund Rechtsextremistisches Denken wurzelt nicht in einem fest strukturierten Lehrgebäude. Es besteht aus geistigen Versatzstücken unterschiedlicher Herkunft, die innerhalb der jeweiligen Ausprägung des Rechtsextremismus mehr oder weniger deutlich zutage treten. Wesentliche Grundelemente sind: - ein überzogener, häufig aggressiver Nationalismus, der das Prinzip der Völkerverständigung mißachtet - die Uberbetonung von Staatsinteressen gegenüber den persönlichen Freiheitsrechten der Bürger, Interessen und Rechte des einzelnen stehen den angeblichen Bedürfnissen der "Volksgemeinschaft" hinten an (völkischer Kollektivismus) - eine völkische Ideologie, die in verschärfter Form als Rassenideologie und Fremdenfeindlichkeit auftritt, wobei dem Antisemitismus eine besondere Stellung zukommt - das Leugnen oder Verharmlosen der Verbrechen des Nationalsozialismus sowie die Hervorhebung angeblich positiver Elemente des Dritten Reiches (Geschichtsrevisionismus). Insbesondere Neonationalsozialisten knüpfen dabei an Geschichte, gesellschaftliche Strukturen und politische Führer dieser Zeit unmittelbar an und versuchen diese Tradition fortzuführen. 3. Neonazis 3.1 Deutsche Nationalisten (DN) Die DN wurde 1993 gegründet. Sitz der Organisation ist Mainz. Bundesweit verfügt sie über ca. 50 Mitglieder. Die DN hat sich einer "nationalen und volkstreuen Politik" verschrieben. Eine multikulturelle Gesellschaft lehnt sie ab. Maß20 geblicher Initiator und Mitbegründer war Michael Petri, der bis Oktober auch deren Bundesvorsitzender war. Damals hatte er in einer öffentlichen Erklärung seinen Rückzug aus der rechtsextremistischen Szene erklärt. Gegen Petri wird seit September 1995 vor dem Landgericht Koblenz wegen des Verdachts der Fortführung der vom Bundesminister des Inneren am 10. Dezember 1992 verbotenen neonazistischen Deutschen Alternative (DA) verhandelt. Nach den Exekutivmaßnahmen des Vorjahres sind die Aktivitäten der DN weiter zurückgegangen. Von dem im März 1994 in Schleusingen gegründeten Landesverband Thüringen konnten bisher keine Aktivitäten mit Außenwirkung festgestellt werden. Er hat sich - wie auch die Landesverbände Bayern und Berlin - praktisch aufgelöst. Auch weitere Landesverbände sind weitestgehend inaktiv. 3.2 Die Nationalen e.V. Die Nationalen e. V wurden im September 1991 von Angehörigen der NPD, der DLVH, der inzwischen verbotenen Freiheitlichen Demokratischen Arbeiterpartei (FAP) sowie ehemaligen Mitgliedern der REP gegründet. Die Organisation erhielt damals die Bezeichnung "Freiheitliche Wählergemeinschaft - Wir sind das Volk". Ihr Ziel war es, an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen im Mai 1992 teilzunehmen. Trotz des enttäuschenden Wahlergebnisses (0,16-0,69%) wurde die Zweckgemeinschaft weitergeführt und im August 1992 in den Verein Die Nationalen e. V umbenannt. Er wurde mit Sitz in Berlin gegründet. Im April 1995 wurde er in die gleichnamige Partei umgewandelt. Bereits in der Satzung vom 24. Juni 1993 bezeichneten sich die Nationalen als "eine von bestehenden Parteien enttäuschte Gemeinschaft deutscher Wähler", die sich "als Bestandteil der nationalen Bewegung in Deutschland" versteht. Ebenso definiert sie sich in der Präambel ihres Programms. Gemeinsam wolle man mit Gleichgesinnten die deutschen Interessen vertreten und sie, um politischen Einfluß zu erringen, zusammenführen. Die beabsichtigte Teilnahme an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Oktober 1995 scheiterte an fehlenden Unterstützerunterschriften. Vorsitzender der Organisation ist - bereits seit 1993 - Frank Schwerdt. Bundesweit verfügen die Nationalen derzeit über ca. 150 Mitglieder. Publikationsorgan der Vereinigung ist die Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ). Der Vorsitzende Schwerdt wurde am 16. September wegen Verbreitens von NS-Propagandamaterial sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Er hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Gegen Christian Wendt den Pressesprecher der Nationalen und leitenden Redakteur der BBZ war ein Verfahren in gleicher Sache anhängig. Wendt wurde am 10. Februar 1997 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne 21 Bewährung verurteilt. Darüber hinaus wurde er wegen übler Nachrede bereits im Dezember zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt. Er hatte den Brandenburger Innenminister in der ßßZals Stasi-Mitarbeiter bezeichnet. Seit August 1992 wird die BBZ von den Nationalen unter der Führung von Frank Schwerdt als Publikation für das gesamte rechtsextremistische Spektrum herausgegeben. Sie erscheint derzeit in den Regionalausgaben: Junges Franken, Neue Thüringer Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Mitteldeutsche Rundschau und Westdeutsche Volkszeitung. Die Nationalen, die lange Zeit in Thüringen organisatorisch nicht in Erscheinung traten, gründeten im März 1996 den Kreisverband Gera. Darüber hinaus unterhalten sie Kontakte zur Anti-Antifa Ostthüringen. In Thüringen machte die Organisation im Berichtszeitraum mehrfach auf sich aufmerksam. So wurden am 13. Februar in Gera Plakate geklebt. Zwei vom Vorsitzenden Schwerdt persönlich angemeldete Veranstaltungen wurden von den zuständigen Behörden verboten: 15. Februar / Gera Motto: " 5 1 . Jahrestag der Vernichtung Dresdens durch ongloamerikanische Bomber" 27. Februar / Erfurt Motto: "Gegen die politische Gewalt". Eine weitere Veranstaltung in Thüringen sollte unter der Beteiligung der Nationalen stattfinden. Sie war von einem Neonazi zum Volkstrauertag am 17. November in Gera angemeldet worden. Das Motto lautete: "51 Jahre Volksbetrug sind genug / Freiheit für Erich Priebke". Die 10 Ordner sollten von den Nationalen gestellt werden. Auch diese Veranstaltung wurde von der zuständigen Behörde verboten. 3.3 Anti-Antifa Die Anti-Antifa wurde 1992 von dem Hamburger Neonazi Christian Worch angeblich als Reaktion aufwachsende Angriffe militanter Linksextremisten gegründet. In ihrer Propaganda richtet sie sich sowohl gegen den politischen und publizistischen Gegner als auch gegen Institutionen des demokratischen Rechtsstaats. Insbesondere sind so Angehörige der "linken Szene" und vermeintliche Antifaschisten, Gewerkschafter, Journalisten, Mitglieder des "Repressionsapparates" - Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte ... - betroffen. Die Anti-Antifa organisiert den Aufbau informeller Gruppen, d. h. den Zusammenschluß von Rechtsextremisten ohne formale Mitgliedschaft und hierarchische Strukturen, die von regional anerkannten Führungsfiguren gegründet und angeleitet werden. Sie stehen untereinander in Kontakt. Dies scheint auch im übrigen Rechtsextre22 mismus Akzeptanz zu finden. Die so vorgenommene Konzentration auf einen gemeinsamen Gegner bietet Möglichkeiten, die Rechtsextremisten organisationslos zu verflechten. Erklärte Gegner der Anti-Antifa werden durch Überwachungsmaßnahmen ausgespäht. Die Ergebnisse wurden in verschiedenen Druckschriften publiziert. Die bislang umfangreichste Publikation - "Der Einblick" - erschien im November 1993. Im Oktober 1994 wurde erstmals eine Gruppierung Anti-Antifa Ostthüringen bekannt. Seit Mai 1995 werden regelmäßig wöchentliche Treffen abgehalten. Die Zahl der Beteiligten hat sich von anfänglich 20 auf ca. 80 Personen erhöht. Die Gruppierung, die auch unter der Bezeichnung Thüringer Heimatschutz (THS) aktiv ist, stellt ein Sammelbecken für Neonazis dar. Sie stammen hauptsächlich aus dem Raum Saalfeld/Rudolstadt, Gera, Jena, Sonneberg, Weimar, Ilmenau, Gotha, Kahla und Nordbayern. Jenenser Angehörige bezeichnen sich als Kameradschaft Jena. Im Berichtszeitraum kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner. Die Gruppierung unterhält über Thüringen hinaus Verbindungen zu führenden "Größen" der rechtsextremistischen Szene. So wurde z. B. ein Zeitungsprojekt gemeinsam geplant und durchgeführt. In enger Zusammenarbeit von Frank Schwerdt, dem Vorsitzenden der Nationalen e.V., und dem Führungsmitglied der Anti-Antifa Ostthüringen/THS, Tino Brandt, entstand die Neue Thüringer Zeitung - Stimme der Nationalen Erneuerung. Schwerdt wird im Impressum der Zeitung als Herausgeber benannt, Christian Wendt a\s leitender Redakteur. Brandt selbst, der auch den Lokalteil übernimmt, ist Wendts Stellvertreter. Die Zeitung erscheint zweimonatlich in einer Auflage von etwa 5.000 Exemplaren. Die letzte Ausgabe kam im November/Dezember heraus. Die Aktionen anläßlich des Todestages von Rudolf Heß am 17. August gehörten auch in diesem Jahr zu den wichtigsten Unternehmungen der Thüringer AntiAntifa. Anläßlich des 9. Todestages des Hitlerstellvertreters wurden von der rechten Szene wieder öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchgeführt. Nachdem in den vergangenen Jahren Aktionswochen angestrebt wurden, beschränkten sich die Organisatoren dieses Mal auf die Planung eines Aktionstages. Ziel war es, eine zentrale Kundgebung des "nationalen Spektrums" zu veranstalten. Zu diesem Zweck wurde das "Aktionskomitee Rudolf Heß 1996" gegründet. Unabhängig davon plante die JN, auf der Basis des Konzeptpapiers "Aktion 96", das von einem bekannten norddeutschen Neonazi erarbeitet wurde, eine zusätzliche Großveranstaltung. Die vom "Aktionskomitee Rudolf Heß" in Thüringen geplante Veranstaltung fand nicht statt. Ca. 50 Personen der Anti-Antifa Ostthüringen orientierten sich so auf eine eventuell stattfindende Großveranstaltung im Bundesgebiet. Diese fand - als eine von drei zentralen Veranstaltungen - in Worms/Rheinland-Pfalz statt. An dem unangemeldeten Aufmarsch beteiligten sich ca. 250 Rechtsextremisten. Sie führten Nazi-Embleme, Fahnen und Aufkleber mit sich. Im Verlauf 23 Rudolf-Heß-Cedenkveranstaltung 7 996 in Worms der Veranstaltung wurden 174 Personen, darunter ca. 25 Thüringer, in Gewahrsam genommen. Am gleichen Tag versammelten sich ca. 100 Personen der rechten Szene in Merseburg/Sachsen-Anhalt zu einer Heß-Kundgebung. Auch der Aufzug von ca. 250 Rechtsextremisten in Trollhättan/Südschweden, bei dem es zu Zusammenstößen zwischen den Rechten, Gegendemonstranten und der Polizei kam, wurde von "Kameraden" aus Deutschland unterstützt. In Thüringen selbst fanden keine nennenswerten Aktionen statt. Bei Polizeikontrollen wurden rechtsextremistisches Propagandamaterial, Messer und Schreckschußwaffen beschlagnahmt. 56 Personen wurden festbzw. in Gewahrsam genommen. In der rechten Szene wurden die Veranstaltungen in Worms - auch "Marsch der nationalen Einheit" genannt - und in Merseburg als Sieg gefeiert. Erstmals sei es gelungen, verschiedene rechte Gruppierungen zu einem gemeinsamen Auftreten zu bewegen. In Deutschland waren alle mit Heß in Zusammenhang stehenden Veranstaltungen untersagt worden. Bundesweit wurden wegen der befürchteten Ausschreitungen Versammlungsverbote verhängt. Das Ziel des "Aktionskomitees Rudolf Heß", "in Deutschland ein Fanal für Rudolf Heß zu setzen" und "in einer bundesdeutschen Stadt einen würdevollen Trauermarsch" durchzuführen, ist als gescheitert anzusehen. Gelungen allerdings ist es, erhebliche Sicherheitskräfte zu binden und für pressewirksames Auftreten zu sorgen. ttuöolf fjeß Kuöolf Fjcß leiht ber Entfcticibung phtionftag A. jr? Dcutfcrilanb matfdiiett am phtionftag 17. puguft1996 17. puguft 1996 I.M"IW Die Nationalen e V * Postfach 04 41 0-10324 Berlm-üchtenberg 01 727 3 93 63 40 Handzettel der Vereinigung Die Nationalen e. V. anläßlich des Rudolf-HeßTages 1996 3.4 Skinheads Die Ende der sechziger Jahre in Großbritannien entstandene Skinheadszene trat erstmalig Ende der siebziger Jahre im Bundesgebiet in Erscheinung. Die Ursache für das Entstehen der deutschen Skinheadszene waren nicht wie in Großbritannien soziale Nöte, sondern das Auflehnen der Jugendlichen gegen vermeintliche gesellschaftliche Mißstände. Die extreme Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft unterstreichen Skinheads durch die Gestaltung ihres Äußeren: kahlrasierte Köpfe, Bomberjacke, hochgekrempelte Jeans, Springerstiefel. Aus taktischen Gründen passen inzwischen jedoch viele Skinheads ihr äußerliches Erscheinungsbild zunehmend der bürgerlichen Umgebung an. Das erschwert gelegentlich eine Unterscheidung zwischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten rechtsextremistischen Jugendlichen. Lebensgefühl und szenetypisches Gruppenverhalten von Skinheads sind jedoch unveränderterhalten geblieben. Sie drücken sich besonders in gemeinschaftlichen Alkoholexzessen, Pflege der Feindbilder "Linke" und "Ausländer" sowie einer oft ungehemmten Enfaltung ihrer gewalttätigen Neigungen aus. Auch das gemeinsame Aufputschen beim Besuch von Skinheadkonzerten spielt eine wesentliche Rolle. Die rechtsextremistische Skinheadszene in Thüringen wird auf etwa 200 Personen geschätzt. 25 Organisationsstrukturen innerhalb der Skinheadszene sind bis auf wenige Ausnahmen nicht feststellbar. Einen gewissen Ersatz bieten verschiedene Kommunikationsmittel: Skinheadkonzerte und Fanzines. Fanzines, Szenepublikationen, gehören zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln in der Skinheadszene. Der Begriff, entstanden aus den Wörtern fan und magazine, stammt aus dem Englischen. Die Schriften, die in unregelmäßigen Abständen und geringen Stückzahlen erscheinen, können auch einen unpolitischen Inhalt haben. Vorwiegend befassen sie sich mit Konzertberichten, Band-Interviews, Neuvorstellungen von Tonträgern und aktuellen Ereignissen in der Szene. In Thüringen erschien seit Anfang 1995 neben einigen unpolitischen Fanzines auch ein rechtsextremistisches Fanzine aus Erfurt"Doitsche Musik". Die Zahl der Skinheadkonzerte im Freistaat ist im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Um Veranstaltungsverbote zu vermeiden, wurden die Konzerte teilweise unter Legenden angemeldet - z. B. als Geburtstagsfeier. Mit Ausnahme eines Konzertes am 15. Juni in Ramsla kam es dabei nicht zu Ausschreitungen. In Ramsla, einem kleinen Dorf bei Weimar, hatte in der Gaststätte "Hufeisen" ein Konzert mit mehreren rechtsextremistischen Musikgruppen stattgefunden. Neben der Weimarer Band "Dragoner" war u. a. auch die Potsdamer Gruppe "Proissenheads" beteiligt. Etwa 150 Personen waren aus Thüringen und weiteren Bundesländern angereist. Das Konzert wurde von der Polizei vorzeitig abgebrochen. Wegen diverser "Sieg Heil"-Rufe wurden 127 Besucher in Unterbindungsgewahrsam genommen. Gegen 12 Personen wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen zu verwenden, bzw. Volksverhetzung eingeleitet. Zu Ausschreitungen dieser Größenordnung kam es in Thüringen bei derartigen Konzerten erstmals. Weitere Konzerte in Thüringen verliefen unspektakulär: 1. Juni/Gera: In der Gaststätte "Heinrichsbrücke" spielten die Dortmunder Band "Oidoxy", die Potsdamer Band "Proissenheads" sowie die Gruppe "Volkstroie" aus Beeskow/Brandenburg. Die Veranstaltung wurde von etwa 250 Personen besucht, unter ihnen befanden sich auch Thüringer. Das Konzert verlief ohne Zwischenfälle. Bei polizeilichen Vorkontrollen wurden vier Personen wegen des Verdachts, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu verwenden, festgenommen. 27. Juli/Kleinrudestedt: Bei dem Konzert im Landkreis Sömmerda trat auch die Thüringer Skinband "Trabireiter" aus Erfurt auf. Weitere Bands waren die "Verlorenen Jungs" (Nordrhein-Westfalen), "Oiphorie" und "Dolly Day" aus Sachsen. Etwa 130 Skinheads besuchten die Veranstaltung. 26 9. November/Greiz: Bei dem Konzert trat u. a. die Geraer Band "Legion Ost" auf. Unter den übrigen Gruppen befand sich auch eine britische. Etwa 200 Personen besuchten das Konzert. Auch zahlreiche Konzerte in anderen Bundesländern wurden von Thüringer Skinheads besucht. So waren sie beispielsweise am 27. April im Dresdener "Brennhaus" vertreten. Hier spielte u. a. die Erfurter Band "Brutale Haie". Auch bei dem mit Abstand größten Konzert im Jahr 1996, das am 3. August in Ebersdorf/Bayern stattfand, waren Thüringer beteiligt. Insgesamt waren etwa 1.000 Personen angereist. Unter ihnen befanden sich auch zwei Thüringer, die wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen festgenommen wurden. In Thüringen existieren folgende rechtsextremistische Bands: Brutale Haie (Erfurt), Legion Ost (Gera), Dragoner (Weimar), Reichsfront (Erfurt), Gassenhauer, früher Oithanasie (Gera), Vergeltung (Jena). Auch zwei neue Gruppen wurden im Jahr 1996 gegründet: Bataillon (Gotha) und Volksverhetzer (Sonneberg). 4. Rechtsextremistische Parteien 4.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Junge Nationaldemokraten (JN) Nationaldemokratische Partei Deutschlands Die 1964 gegründete Partei hat bundesweit etwa 4.000 Mitglieder, ca. 40 von ihnen gehören zum Landesverband Thüringen. Unter der Führung ihres ehemaligen Bundesvorsitzenden, Günter Deckert, verfolgte sie vor allem eine gegen Ausländer, insbesondere gegen Asylbewerber, gerichtete Agitation. In vielen Verlautbarungen und Druckerzeugnissen wurden die Geschehnisse während des Nationalsozialismus verharmlost und relativiert. Die derzeitige Entwicklung der Bundespartei prägt der Sonderparteitag in Bad Dürkheim/Rheinland-Pfalz, der am 23./24. März stattfand. 198 Delegierte, unter ihnen einige Thüringer, waren vertreten. Sie wählten den bayerischen Landesvorsitzenden, Udo Voigt, mit knapper Mehrheit (88 Stimmen) zum neuen Bundesvorsitzenden. Der ehemalige Bundesvorsitzende, Günter Deckert, der aufgrund seiner Inhaftierung nicht am Parteitag teilnehmen konnte, erhielt 83 Stimmen. Voigt wollte sich vor allem auf die Selbstdarstellung der Partei in den Neuen Medien konzentrieren. Insbesondere gehe es dabei um die elektroni27 sehe Vernetzung der europäischen Nationalisten. Daneben sollte auch die Arbeit der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) gestärkt werden. Auf einer Pressekonferenz am 27. März in München benannte Voigt folgende Ziele: - Zurückstellung der "Revisionismus-Kampagne" des bisherigen Bundesvorsitzenden, Günter Deckert - Unterstützung der Bestrebungen zur Einigung der "Rechten" (Runde Tische), um den "Nationalen" in Deutschland eine Chance zu geben - Einleitung einer Zusammenarbeit des "Nationalen Lagers" mit den Vorständen der einzelnen Parteien und Gruppen - Erarbeitung einer "nationaldemokratischen" Lösung der sozialen Probleme - Intensivierung der elektronischen Vernetzung und verstärkte Nutzung des Kommunikationssystems Internet -verstärkte Aufmerksamkeit für die Arbeit der JN und Verbesserung ihres politischen Wirkens. Ein weiterer außerordentlicher Bundesparteitag der NPD fand am 7./8. Dezember in Ohrel bei Bremervörde/Niedersachsen statt. Im Mittelpunkt des Parteitages stand u.a. die Verabschiedung eines neuen Parteiprogrammes. Dieses bekennt sich zur Notwendigkeit einer politischen Neuorientierung. So strebe die NPD im Gegensatz zu den etablierten Kräften "den Austausch der Mächtigen an, um dem deutschen Volk im Rahmen der europäischen Völkerfamilie eine Zukunft zu geben". "Volksherrschaft" setze "Volksgemeinschaft" voraus. Das Programm spricht sich gegen Fremdherrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung aus. Es lehnt die in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung systematisch betriebene Internationalisierung ab. Auch Finanzfragen und die Lage der Partei waren Gegenstand der Diskussion. Der Parteivorsitzende, Udo Voigt, stellte dabei fest, daß die NPD sich wieder konsolidiere. Etwa 300 Delegierte nahmen am Parteitag teil. In Thüringen hatte das Nationale Infotelefon (NIT)6 Mitteldeutschland des Parteivorsitzenden, Frank Golkowski, für eine Teilnahme geworben. Er nahm selbst zusammen mit einigen Thüringern am Parteitag teil. Insgesamt scheint die Partei sich nach der existentiellen Krise im Vorjahr zu stabilisieren, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die Finanzlage ist leicht entspannt. Die Mitgliederzahl stagniert. Es sind jedoch regional gestiegene Aktivitäten und eine höhere Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen festzustellen. Im Thüringer Landesverband der NPD kam es 1 995 nach Auflösung mehrerer Kreisverbände wegen Inaktivität bzw. Mitgliedermangel zu einer Umstrukturierung. Es wurden die drei Regionalverbände Thüringen Nord, Thüringen Ost und Thüringen Süd gegründet. Landesvorsitzender der Partei ist Frank Golkowski. Er 6 Vgl. dazu ausführlicher Kapitel V. 28 wurde auf dem Thüringer Parteitag am 5. Mai in Eisenberg wiedergewählt. 30-40 Personen nahmen teil. Während im Vorjahr keine öffentlichen Veranstaltungen der Thüringer Parteiorganisation stattfanden, wurde sie 1996 mehrfach aktiv. Am 9. März meldete der Landesverband unter dem Motto "Der deutschen Jugend eine Zukunft" in Sonneberg eine Kundgebung mit anschließender Demonstration an. Etwa 90 Personen, überwiegend Mitglieder von NPD, JN und REP, waren an der Veranstaltung beteiligt. Unter den Rednern befanden sich Lutz Diener, der stellvertretende Landesvorsitzende der REP, Wolfgang Nahrath, Mitglied des NPDBundesvorstandes und früherer langjähriger Vorsitzender der verbotenen Wiking-Jugend (WJ), sowie der JN-Bundesvorsitzende, Holger Apfel. Eine weitere Demonstration fand am 6. April in Gera statt. Sie stand unter dem Motto "Korruption, Bestechung, Arbeitslosigkeit und kein Ende ...". Etwa 40 Personen nahmen teil. In Gotha demonstrierten am 15. Juni rund 30 Personen unter dem Thema "Bündnis für Deutschland - Gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit". U.a. trat auch der JN-Bundesvorsitzende, Holger Apfel, als Redner auf. tf\o$an8. C 99854 Gotha Postlach 3 41 3 ** *tfe'*' *>** Aufkleber der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) Am 12. Oktober wurde in Eisenberg ein Infostand der Partei betrieben. Er blieb jedoch ohne größere Resonanz. Am Volkstrauertag, dem 17. November, legte der Vorstand der Partei vor dem Gefallenendenkmal in Westhausen/Lkr. Gotha einen Kranz nieder. Ein ursprünglich geplanter Besuch der Mahnund 29 Gedenkstätte Buchenwald wurde nicht angetreten. An dem jährlichen internationalen Falangistentreffen in Madrid waren wie im Vorjahr Vertreter der Thüringer NPD beteiligt. Ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit wurde ein Schulungswochenende in Eisenberg durchgeführt. An der Veranstaltung am 12./13. Oktober nahmen etwa 15 Personen teil. Als Infodienst des Thüringer Landesverbandes erscheint seit 1995 vierteljährlich die Publikation KLARTEXT. Heinz-Hermann Kluß aus Sondershausen zeichnet als Vi.S.d.P. Zeitungsartikel und NPD-Propagandamaterial wurden vorrangig dargestellt. Seit August wird von Frank Golkowski das NIT Mitteldeutschland betrieben. Es ist das erste in den neuen Bundesländern. Frank Golkowski, der Vorsitzende der Thüringer NPD, wurde im Juni vom Amtsgericht Erfurt wegen Vortäuschens einer Straftat in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Sie wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Golkowski die gegen ihn gerichteten Drohbriefe, die Ende 1994 bei mehreren Zeitungen eingegangen waren, selbst verfaßt hatte. Junge Nationaldemokraten Die JN wurde 1 969 als Jugendorganisation der NPD gegründet. Bundesweit gehören ihr derzeit etwa 200 Mitglieder an. Zu Situation und Zielen der Organisation äußerte sich Holger Apfel, der Bundesvorsitzende, im Februar. Die JN sei gegen sinnlose Abgrenzungen und einseitige "Verteufelungen" innerhalb der Rechten. Gruppenegoismen müßten überwunden werden. Willkürliche Verbote hätten den "nationalen Widerstand" zusammenrücken lassen. Die JN besäße hier inzwischen die Meinungsführerschaft. Ihre wachsende Akzeptanz sei dem verschärften politischen Profil zuzuschreiben. Auf der Grundlage von Aktionsbündnissen hätte die JN durch provokative Protestaktionen in der jüngsten Zeit eine hohe Aktionsfähigkeit erreicht. Leitbild für die Aktivistenkader der JN sei der politische Soldat. Durch Grundlagenbildung und Schulung entwickele sich die JN zu einer gut organisierten, umfassend geschulten und selbständigen Kaderbewegung. Eine einseitige Festlegung auf revisionistische Fragen lehne sie ab. Sie bevorzuge einen nationalrevolutionären, antikapitalistischen und systemüberwindenden Ansatz. Für 1996 gelte es, mit einer Propagandaoffensive und einer Vielzahl dezentraler Aktionen den eigenen Mobilisierungsgrad zu steigern. Die Nationalisten müßten auch künftig der Progrom-Stimmung und dem staatlichen Druck standhalten. Da das politische System dem Untergang zustrebe, hätte die JN schon bald Gelegenheit, ihre politische Überzeugung anzuwenden. Aufgrund ihrer Aktionen, ihres konspirativen Verhaltens, der geistigen Ausbildung und Schulung stellt die JN inzwischen ein gewisses "Potential" dar. So 30 betonte Apfel in einem Interview, "daß man mit einem kleinen Häuflein gut ausgebildeter und aufeinander eingespielter Kameraden ziemlich viel erreichen kann". Der diesjährige Bundeskongreß der JN fand am 25./26. Mai in Leipzig statt. Ca. 120 Personen nahmen an ihm teil. Holger Apfel wurde in seinem Amt als Bundesvorsitzender bestätigt. Eine Bundesschulung der JN wurde am 6jl. April in Gera-Lusan durchgeführt. Die Veranstaltung leitete Apfel persönlich. Unter den etwa 40 Teilnehmern, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren, befanden sich auch Udo Voigt, der Parteivorsitzende der NPD, und Dr. Reinhold Oberlercher, der Publizist und Chefideologe des Deutschen Kolleg (DK). Auch auf zwei NPD-Veranstaltungen in Thüringen - am 9. März in Sonneberg und 15. Juni in Gotha - war die JN in Gestalt ihres Vorsitzenden präsent. Er trat als Redner auf. Für den 20. Juli hatte der JN-Bundesvorstand zu einem landesweiten Treffen von Interessenten eingeladen. Als Redner waren NPDund JN-Funktionäre vorgesehen. Für August plante die JN anläßlich des 9. Todestages von Rudolf Heß einen Aktionsmonat. Spektakuläre Aktionen sollten auf die Organisation aufmerksam machen. Die gewünschte Resonanz blieb jedoch aus. In Thüringen existiert bisher kein Landesverband der JN. Es gibt jedoch vereinzelt Interessenten. So waren im Rahmen der JN-Aktionswoche am 1. Mai DEUTSCH Keine Macht den bleibt unser Land Ausländerrückführung Abschiebung von Scheinasylanten Das ganze Deutschland uns Deutschen Kampf der Inländerfeindlichkeit NPD deutschbewußt - sozial - national NPD/JN, Postfach 103528,7000 Stuttgart 10, Zecken Junge Nationaldemokraten Spendenkorito 2 461025 Landesgirokasse Stuttgart Brockenberg 5a * 52223 (BLZ 600 501 01) V I S d P Deutsche BürgeraktloiVS Teutsch, A j T e i . & Fax: 02 406 / 632 62 Oerlin-München-Stuttgart * Eigendruck Handzettel der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) 31 auch 10 Thüringer an einem Aufzug in Bamberg beteiligt. Unter ihnen befanden sich die NPD-Funktionäre Golkowski und Schönleben. Insgesamt nahmen etwa 100 Personen an der Veranstaltung teil. 4.2 Die Republikaner (REP) Der 1983 in München gegründeten Partei gehören bundesweit noch etwa 15.000 Mitglieder an (1995: 16.000, 1994: 20.000). Dem Thüringer Landesverband der REP, der seit Februar 1995 als rechtsextremistische Partei beobachtet wird, gehören derzeit 280 Mitglieder an. Bundesvorsitzender ist seit Dezember 1994 Dr. Rolf Schlierer. Er hatte Franz Schönhuber, den langjährigen Vorsitzenden und Mitbegründer der REP, in seinem Amt abgelöst. Auf dem Bundesparteitag vom 4. bis 6. Oktober in Hannover wurde Schlierer in seinem Amt bestätigt. Schlierer grenzt sich von "Getto-Rechten", die Fundamentalopposition gegen den Staat betreiben, ab. Die REP seien die einzige demokratische Partei, die es im rechten Spektrum gäbe. Der Weg zur politischen Veränderung in Deutschland führe seines Erachtens nur über die Parlamente. Kennzeichnend für die REP sei das "Bekenntnis zur Nation" und zum Nationalstaat. Der Nationalsozialismus habe die Idee der Nation nicht widerlegt. Nur als Nationalstaat könne sich der Sozialstaat finanzieren, und nur aus einem Bund von Nationalstaaten könne Europa als tragfähige Einheit errichtet werden. Die REP seien daher "gegen das Maastricht-Europa" und gegen die Währungsunion. Denn Sozialabbau und Währungsunion seien gleichzusetzen. Als Gefahr für den sozialen Frieden sieht 5cn//erereine "ungebremste Zuwanderung" an. Er warnt vor wachsender Überfremdung und fordert den Stop der Massenzuwanderung, die soziale Mißstände, steigende Kriminalität und Sozialmißbrauch verursache. Wichtigste Veranstaltung der Bundespartei war der Parteitag vom 4. bis 6. Oktober in Hannover. Etwa 500 Personen nahmen an ihm teil, neben den Delegierten auch ca. 50 Gäste. Aus Thüringen waren 25 Personen angereist. Ohne Resonanz in der Öffentlichkeit fand am 13./14. Juli eine Bundesvorstandssitzung in Gotha statt. Auch der Parteivorsitzende Schlierer nahm an ihr teil. Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes der REP war bis zum Landesparteitag am 15. Februar 1997 Kurt Hoppe. Der neue Landesvorsitzende ist Rüdiger Ziegler, ehemals Vorsitzender des Kreisvorstandes Erfurt. Strukturelle Schwierigkeiten bringt die begrenzte Zahl von Aktivisten in diesem Landesverband mit sich. Nur etwa 30 Personen - von den genannten 280 - nehmen mehr oder weniger regelmäßig an den Parteiveranstaltungen teil. Fast jedes aktive Mitglied muß so für die Besetzung von Vorstandsämtern auf Kreisbzw. Landesebene oder andere Funktionen herangezogen werden. Die Arbeit in den 32 meisten Kreisverbänden kam streckenweise völlig zum Erliegen. Es wurde daher überlegt, die inaktiven Kreisverbände neu aufzubauen. Trotz dieser Schwierigkeiten kam es zu einer Reihe von öffentlichkeitswirksamen Aktionen des Landesverbandes. Noch im Vorjahr war er kaum in Erscheinung getreten. So fand am 4. Mai in Neuhaus eine Gedenkveranstaltung zum ersten Todestag von Sandro Weilkes statt. Dieser war am 6. Mai 1995 bei Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen der "rechten" und "linken" Szene getötet worden. Zu der Veranstaltung, zu der der Thüringer Landesverband der Partei eingeladen hatte, war bundesweit durch NIT mobilisiert worden. Mehr als 250 Personen - überwiegend Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren - nahmen schließlich teil. Unter ihnen befanden sich rund 50 REP-Mitglieder, zahlreiche Anhänger der Anti-Antifa Ostthüringen sowie Peter Dehoust, Bundesvorstandsmitglied der DLVH. Als Redner traten der stellvertretende Landesvorsitzende der REP Thüringen, Lutz Diener, und der stellvertretende Bundesvorsitzende, Otmar Wallner, auf. 12 Personen wurden während der Veranstaltung - u.a. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - vorläufig festgenommen. Eine weitere Gedenkveranstaltung führte der Landesverband anläßlich des Volkstrauertages am 17. November in Gehlberg/Schmücke durch. Die vom damaligen Landesvorsitzenden, Kurt Hoppe, angemeldete Veranstaltung stand unter dem Motto: "Laßt das Licht des Friedens scheinen, daß nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint". Zu den Rednern gehörte außer Hoppe selbst auch Otmar Wallner. An dem Treffen nahmen insgesamt 36 Personen aus Thüringen, Hessen und Bayern teil. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Zum 35. Jahrestag des Mauerbaues war am 10. August in Suhl eine überparteiliche Gedenkveranstaltung geplant, zu der NIT bundesweit aufriefen. Die REP-Landesgeschäftsstelle warnte vor einer Teilnahme, da sie Maßnahmen der Polizei aufgrund des bevorstehenden Todestages von Rudolf Heß erwartete. Die stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei, Otmar Wallner und Dr. Rudolf Krause, sprachen so schließlich nur vor etwa 30 Personen. Eine von der V LS ä.P 0 " Raou&iikar", PKWMtater SüsBe 9T. 53173 Bwif Aufkleber der Republikaner (REP) 33 PDS durchgeführte Gegendemonstration begleitete die Reden mit Buhrufen und Pfiffen. Statt der angekündigten 2.500 Teilnehmer waren allerdings nur 60 anwesend. Bereits im Vorfeld waren drei Personen vorläufig festgenommen worden, da sie gegen das Versammlungsgesetz verstießen bzw. gegen Polizeibeamte Widerstand geleistet hatten. Zu weiteren Störungen kam es nicht. Weitere Veranstaltungen führte der Hildburghäuser Kreisverband der REP am 9. November in Römhild und am 10. November in Veilsdorf durch. Sie wurden unter dem Motto "Ende der nationalen Gleichgültigkeit" durchgeführt. Am 7. Dezember fand auf Initiative des Kreisverbandes Jena in Maua eine Informationsveranstaltung statt. Sie stand unter dem Motto "Maastricht und Deutschland". Insgesamt nahmen etwa 50 Personen, Parteimitglieder und Gäste, teil. Interessierten Bürgern sollte vermittelt werden, daß in einem künftigen Europa weder auf die Nation noch auf deren Währung verzichtet werden könne. Seit Juni existiert der Freundeskreis Franz Schönhuber Ilmenau. Er hat sich zur Aufgabe gestellt, den Vorstellungen von Franz Schönhuber entsprechend, die Jugenderziehung im politischen Sinne zu förd ern und Schüler zu kreativen, kritischen Staatsbürgern zu erziehen. Der Freundeskreis führte Schülerwettbewerbe mit Preisausschreiben zu dem Thema "Demokratie als Bindeglied zwischen Staat und Volk" durch. Die Aufgabe bestand darin, die Bundesrepublik Deutschland auf ihre demokratischen Elemente hin zu untersuchen und festzustellen, inwiefern die Volksherrschaft von jedem Staatsbürger ausgeübt werden könne. 4.3 Deutsche Volksunion (DVU) Der von Dr. Gerhard Frey, einem Münchner Verleger, 1987 gegründeten DVU gehören bundesweit ca. 15.000 Mitglieder an. Im Thüringer Landesverband dürfte die Mitgliederzahl unter 50 liegen. Insgesamt ist die DVU so eine der mitgliederstärksten rechtsextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Agitation in den Organen Deutsche Nationalzeitung (DNZ) und Deutsche Wochenzeitung (DWZ) macht die rechtsextremistische Ausrichtung der DVU offensichtlich. Sie selbst versteht sich als "eine verfassungsmäßige, antiterroristische sowie gewaltablehnende Partei". Doch mit Slogans wie "Ausländerkrieg in Deutschland", "Ausländerkriminalität in Deutschland" und Auflistungen sonstiger "multikultureller" Probleme werden Ängste in der Bevölkerung geschürt. Weiterhin vertritt die DVU stets antisemitische Positionen. So verharmlost sie u.a. auch den Holocaust. Für den Erfolg Freys war die Werbewirkung der von ihm herausgegebenen Zeitungen DNZ und DWZ in maßgeblicher Weise verantwortlich. 34 Die DVU wird von Frey streng zentralistisch geführt. Alle Einnahmen, Spenden und ähnliches sind an die Zentrale in München abzuführen. Regionale Untergliederungen dürfen keine eigenen - d. h. von der Zentrale nicht genehmigten - Aktivitäten entfalten. Bei der Landtagswahl am 24. März in Schleswig-Holstein verfehlte die DVU mit 4,3% der Sti mmen den Wiedereinzug ins Parlament. Die DNZ/DWZ erklärten in ihren Ausgaben vom 29. März, daß das Wahlergebnis der Partei eine Enttäuschung sei. Nicht zuletzt um ein Zeichen gegen die "rechte Zersplitterung" zu setzen, sei die DVU in Baden-Württemberg nicht zur Wahl angetreten, die REP hätten entsprechend auf eine Kandidatur in Schleswig-Holstein verzichtet. Ein "rechter Burgfrieden" sei notwendig. An der DVU solle er nicht scheitern. Unter der Überschrift "Einheit der Rechten" heißt es in DNZ/DWZ vom 21 Juni, der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey habe die Bereitschaft der Partei, mit allen demokratischen nationalen Rechten zusammenzuarbeiten, bekräftigt. Klare Trennungslinien seien jedoch gegenüber "NS-Zirkeln" erforderlich. Sie würden meist zu Kriminalisierung und Verbot führen. Mit ihnen wolle die demokratische Rechte nichts zu tun haben. Distanz sei auch gegenüber chronischen Querulanten vonnöten, die schon sämtliche Rechtsparteien durchlaufen und überall nur Schaden angerichtet hätten. Von diesen Ausnahmen abgesehen, so betont Dr. Frey, könne und müsse mit allen nationalen Rechten über alles geredet werden. Das Gegeneinander im eigenen Lager müsse endlich überwunden werden. Die diesjährige Großkundgebung der DVU in der Passauer Nibelungenhalle fand am 28. September statt. Sie stand unter dem Motto "Noch ist Deutschland nicht verloren". Etwa 2.300 Personen nahmen teil. Als Gäste waren u. a. Delegationen aus Polen und Südtirol sowie Vertreter aus Flandern anwesend. Hauptredner war der Parteivorsitzende Dr. Frey. Er hob hervor, daß die Hamburger Bürgerschaftswahl im September nächsten Jahres zu den Schwerpunkten der Parteiarbeit gehöre. Auch in diesem Jahr wurde wieder ein Grußwort von Wladimir Schirinowski, dem Vorsitzenden der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei Rußlands (LDPR) verlesen. Gegen die Veranstaltung der DVU demonstrierten ca. 350 Personen. 20 Personen aus dem rechten und 8 aus dem linken Spektrum nahm die Polizei in Gewahrsam. Gegen mehrere Teilnehmer der Kundgebung wurde Anzeige erstattet, da sie den HitlerGruß gezeigt hatten. Postkarten, die bundesweit an verschiedene Behörden versandt wurden, offerierten eine Wochenzeitung bzw. Deutsche Nationalzeitung. Es wird vermutet, daß diese Aktion von DVU-Kreisen gesteuert wurde. Der Thüringer Landesverband der DVU existiert seit 1991. Landesvorsitzender ist Gerhard Konrad aus Arnstadt. Die Mitgliederzahlen dürften leicht rückläufig sein. Dennoch sind Bemühungen, einen Erfurter Kreisverband zu gründen, feststellbar. Aktivitäten des Landesverbandes kamen nach außen kaum zur Wirkung. 35 Seit Mai 1995 führt er regelmäßig - meist im Abstand von etwa 6 Wochen - Politische Stammtische durch. Zu ihnen wird in den Wochenzeitungen DWZ/DNZ per Anzeige eingeladen. Insgesamt fanden 1996 sieben Politische Stammtische statt. Zu den Veranstaltungen in Weimar waren in der Regel weniger als 20 Personen anwesend. Eine Abordnung des Thüringer Landesverbandes der DVU besuchte zum 100. Jahrestages des Kyffhäuser-Denkmals die Gedenkstätte. 36 KENNEN SIE UNS? DVU DEUTSCHE VOLKSUNION WAS WOLLEN WIR ? 1 ) ARBEIT FÜR JEDEN DEUTSCHEN STAATSBÜRGER 2) SOZIALE SICHERHEIT FÜR ALLE DEUTSCHEN 3 ) SICHERUNG DER RENTEN UND SOZIALLEISTUNGEN 4) UNTERSTÜTZUNG DER DEUTSCHEN BAUERN 5 ) UNTERSTÜTZUNG DER MITTELSTÄNDIGEN BETRIEBE 6) MEHR SCHUTZ VOR KRIMINELLEN ELEMENTEN; KEIN HAFTURLAUB FÜR SCHWERKRIMINELLE; AUSWEISUNG KRIMLNELLER AUSLÄNDER 7) SCHUTZ DES LEBENS; GROSSZÜGIGE HILFEN UND VERGÜNSTIGUNGEN FÜR DEUTSCHE FAMILIEN 8 ) DEUTSCHLAND SOLL DEUTSCH BLEIBEN 9) BEWAHRUNG DES DEUTSCHEN KULTURERBES 10) BETEILIGUNG DES BÜRGERS AN DER GESETZGEBUNG IN LÄNDER UND BUND Flugblatt der Deutschen Volksunion (DVU) - Seite I 37 deutsch bleiben Aufkleber der Deutschen Volksunion (DVU) Verantwortlich: Bruno Wetzel. Paosostraße 2. 81243 München 4.4 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) Die im Oktober 1991 gegründete DLVH verstand sich als "Sammelpartei der nationalen Rechten". Sie bot sich bisher als Auffangbecken für enttäuschte Mitglieder anderer rechtsextremistischer Parteien an. Die DLVH versuchte vor allem die "Zersplitterung der rechten Kräfte" zu überwinden. Sie bekannte sich in ihrer Satzung zur Sammlung aller patriotisch gesinnten Bürger. Für alle Deutschen bestehe "eine generelle Vereinbarkeit mit einer Mitgliedschaft innerhalb der DLVH - unabhängig von Zugehörigkeit in anderen Parteien, Vereinen oder sonstigen volkstreuen Organisationen". Bundesweit sind ca. 500 Mitglieder der DLVH bekannt. Am 13./14. April beschloß der Bundesvorstand in Ludwigshafen, die DLVH in Zukunft nicht mehr als politische Partei, sondern als Verein fortzuführen. Die Mitglieder waren über dieses Vorhaben geteilter Meinung. Auf dem Bundesparteitag am 19./20. Oktober im bayerischen Pfofeld/Lkr. Gunzenhausen wurde die Aufhebung des Parteistatus mit der notwendigen Mehrheit beschlossen. Ihre politische Arbeit soll die DLVH als überparteiliche und unabhängige Vereinigung fortsetzen. In Thüringen war bisher keine Organisationsstruktur der Partei bekannt. Ob sich Aktivitäten der DLVH auf Vereinsbasis entwickeln, bleibt abzuwarten. 38 Autofahrer -jetzt reicht's! Man betrachtet Sie zusehends als willige Melkkuh der Sation. Man schröpft Sie ohne Ende - sei es heim Parken oder durch völlig überhöhte Bußgelder und Verwarnungen. Man verhöhnt Sie mittels einer willkürlich festgelegten und zweckentfremdet verwendeten Mineralölsteuer nebst horrenden Spritpreisen, die noch weiter erhöht werden. Wegelagerergleich ist man in nahezu ganz Europa den überzogenen Straßenzöllen ausgeliefert, wührend's die Ausländer in unserem überlasteten Durchgangsland rund um die Uhr meistenteils noch zum Nulltarif haben, "Deutsche" Politiker beugen sich dieser skrupellosen internationalen Straßenmafia und lassen deren rußund abgasgeschwängerte Vehikel weiterhin völlig unbehelligt durch unsere Landefähren. Deutsche Autofahrer werden, völlig grundlos, ah böse Umweltverschmutzer und üble Luftverpester verteufelt, während unsere Fahrzeuge im Vergleich zu den anderen in weiten Teilen längst umweltfreundlich sowie für teueres Geld mit Kat ausgerüstet sind. In Thüringen verteilte Handzettel DEUTSCHE LIGA FÜR VOLK UND HEIMAT (DLVH) 4 der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) 5. Verwirkung von Grundrechten Gemäß Artikel 18 Grundgesetz kann das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung bestimmter Grundrechte aussprechen, wenn diese Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung mißbraucht werden. Dazu gehören u. a. das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Versammlungsund die Vereinigungsfreiheit. Mit dem Ausspruch des Bundesverfassungsgerichtes verliert der Betroffene das Recht, sich auf die verwirkten Grundrechte zu berufen. Damit dient die Vorschrift primär der Abwehr von Gefahren, die durch individuelle verfassungsfeindliche Tätigkeiten drohen. Bislang hat die Bundesregierung viermal die Feststellung der Grundrechtsverwirkung beantragt: 39 - 1960 gegen den zweiten Vorsitzenden der --1952 verbotenen - Sozialistischen Reichspartei, Otto-Ernst Remer, Generalmajor a. D., - 1969 gegen den Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung, Dr. Gerhard Frey, - 1992 gegen den ehemaligen hessischen Landesvorsitzenden der FAP, Heinz Reisz, und den Gründer der Deutsch Nationalen Partei (DNP), Thomas Dienel. Alle Anträge wurden vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen bzw. verworfen, da vom Gericht zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung, nicht festgestellt werden konnte, daß von den Betroffenen eine fortdauernde Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung ausging. Im Fall Thomas Dienel hatte die Bundesregierung beantragt festzustellen, daß Dienel die Grundrechte der freien Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit auf eine vom Bundesverfassungsgericht festzusetzende Dauer verwirkt hat und daß für diese Dauer die Wählbarkeit aberkannt wird. Der Antrag war insbesondere begründet mit der politischen Gewaltbereitschaft Dienels, seiner aggressiven fremdenfeindlichen und antisemitischen Agitation auf verschiedenen neonazistischen Veranstaltungen sowie mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender der DNP. Diese Partei strebte aufgrund ihres Programms an, die derzeitige Verfassungsordnung gegen das Regime des Nationalsozialismus auszutauschen. Die besondere Gefahr hatte die Bundesregierung darin gesehen, daß Dienel durch seine aggressive fremdenfeindliche Agitation in unverantwortlicher Weise die Stimmung aufheize. Einen besonders fruchtbaren Nährboden fänden seine gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Behauptungen und Forderungen nicht nur bei Mitgliedern neonazistischer Organisationen, sondern auch insbesondere bei jungen Menschen in den neuen Bundesländern, die durch die gesellschaftlichen Umbrüche von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit betroffen seien. Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag als offensichtlich nicht hinreichend begründet verworfen. In der am 30. Juli veröffentlichten Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichtes heißt es, die Ablehnung beruhe im wesentlichen darauf, daß nach der Antragstellung Freiheitsstrafen, zu denen beide im Zusammenhang mit ihrer rechtsextremistischen Betätigung verurteilt worden waren, zur Bewährung ausgesetzt worden seien. Bei den hierzu angestellten Prognosen hätten die Strafgerichte die Erwartung für berechtigt gehalten, daß die Antragsgegner ihre rechtsextremistische Gesinnung in Zukunft nicht mehr kämpferisch vertreten und sich daher nicht mehr in der bisherigen Weise strafbar machen würden. Bei dieser Sachlage könne das Bundesverfassungsgericht nicht feststellen, daß - wie es Artikel 18 Grundgesetz voraussetze - die Antragsgegner in Zukunft noch eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung darstellten. 40 6. Rechtsextremistische Straftaten 6.1 Zahlenspiegel erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Straftaten Vergleich erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Straftaten Bund Thüringen 1994 1995 1996 1994 1995 1996 Straftaten insgesamt: 7.952 7.896 8.730 477 733 939 davon sind hervorzuheben: fremdenfeindliche Straftaten 3.491 2.468 2.232 62 47 119 antisemitische Straftaten 1.366 1.155 846 15 26 33 gegen politische Gegner 243 142 175 7 40 29 Vergleich erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Gewalttaten Bund Thüringen 1994 1995 1996 1994 1995 1996 Gewalttaten insgesamt 1.489 837 781 41 53 89 davon sind hervorzuheben: fremdenfeindliche Straftaten 860 540 441 15 11 30 antisemitische Straftaten 41 27 29 12 1 3 gegen politische Gegner 95 68 84 7 22 11 Wie in den Vorjahren war in Thüringen auch 1996 eine wesentliche Zunahme rechtsextremistischer Straftaten zu verzeichnen. Nicht ganz so stark, aber ebenfalls deutlich ist der Zuwachs derartiger Straftaten bundesweit. Sog. Propagandadelikte7 - 803 waren es 1996 in Thüringennehmen dabei nach wie vor den breitesten Raum ein. Während fremdenfeindliche Aktionen und antisemitisch ausgerichtete Straftaten entgegen dem bundesweiten Trend zunahmen, ist ein Rückgang bei Konflikten zwischen den politischen Gegnern festzustellen. Während 1995 40 derartige Delikte vorlagen, waren es 1996 "nur" 29. Bundesweit hingegen ließen die Straftaten gegen politische Gegner einen Zuwachs erkennen. Von den 939 Straftaten, die in Thüringen insgesamt begangen wurden, verliefen 89 gewalttätig. Die Steigerung zum Vorjahr - 1995 waren es insgesamt "nur" 53 Gewalttaten - ist erheblich. Hinzu kommt, daß sich der jährlich zu ver- 7 Propagandadelikte sind die in den SSSS 86/86a des Strafgesetzbuches aufgeführten Straftatbestände: Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. 41 zeichnende Zuwachs - 1995 12, 1996 36 Taten - verdreifachte und bundesweit 1996 ein Rückgang einschlägiger Gewalttaten zu verzeichnen war. Vor allem fremdenfeindliche Gewalttaten - aber auch antisemitisch ausgerichtete - haben in Thüringen im Gegensatz zum Bundestrend zugenommen. Der starke Anstieg von entsprechenden Delikten zwischen politischen Gegnern, der 1995 in Thüringen zu verzeichnen war, hat sich im Berichtszeitraum nicht fortgesetzt. Ohne das Niveau von 1994 wieder zu erreichen, war doch ein deutlicher Rückgang feststellbar. Auch hier verläuft der Trend bundesweit gegenläufig. 6.2 Ausgewählte Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hinter grund 1.20 bis 25 Angehörige der rechten Szene, die zum großen Teil der "Anti-Anitfa Ostthüringen" angehören, betraten am 27. Januar gegen 1 Uhr das Schützenhaus in Gräfenthal/Lkr. Saalfeld-Rudolstadt. Sie verlangten an der Bar alkoholische Getränke. Die Tanzveranstaltung, die zuvor in dem Saal stattfand, war bereits beendet. Als das Personal daher die Bedienung verweigerte, zerschlugen die "Gäste" mitgebrachte Bierflaschen auf der Theke und bedrohten die Angestellten. Vor der Gaststätte begannen sie schließlich eine Auseinandersetzung mit Besuchern der Tanzveranstaltung. Zwei Personen - eine 17jährige Frau und ein 19jähriger Mann - erlitten dabei Verletzungen. 14 Tatverdächtige im Alter von 13 bis 22 Jahre wurden bei der sofort eingeleiteten Fahndung vorläufig festgenommen. Dabei wurden eine Schreckschußpistole und ein Reizgassprühgerät sichergestellt. 2.Als am 2. Februar vier Mitglieder einer Musikband ihren Auftritt mit dem Leiter des Jugendclubs in Schalkau/Lkr. Sonneberg besprechen wollten, trafen sie auf Angehörige der rechten Szene. Mit "Heil Hitler" und "Sieg Heil" wurden sie von ihnen begrüßt, als "Zecken" angesprochen. Beim Verlassen des Clubs folgten ihnen 15 bis 20 Personen. Mit Faustschlägen und Fußtritten traktierten sie die vier Bandmitglieder, besprühten sie mit Reizgas. Auch ein PKW wurde beschädigt. 3.In Lichte/Lkr. Saalfeld-Rudolstadt entstand am 3. März in einer Gaststätte Sachschaden in Höhe von 1.500 DM, als es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen 25 bis 30 Angehörigen der rechten Szene mit ortsansässigen Gaststättenbesuchern kam. Personen wurden nicht verletzt. An einer Polizei-Kontrollstelle wurden 20 Tatverdächtige, darunter Angehörige der "AntiAntifa Ostthüringen", festgestellt. 42 4.An einer Autobahnbrücke bei Bucha/Saale-Holzland-Kreis wurde am 13. April nachts eine Puppe in menschlicher Gestalt und Größe vorgefunden. Die von unbekannten Tätern aufgehängte Puppe war mit einem gelben Davidstern und der Aufschrift "Jude" versehen. Ein Strick lag um den Hals. Zwei nahe befindliche Pappkartons waren untereinander und mit dem Puppenkopf durch Drähte verbunden. Die abgesperrten Brückenzufahrten waren mit dem Hinweis "Vorsicht Bombe" versehen. Sprengstoff konnte nicht gefunden werden. Die Straftat, die zu einer ca. dreieinhalbstündigen Sperrung der Autobahn führte, ist im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 5 1 . Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald zu sehen. 5.Der bekannte hessische Neonazi Manfred Roeder, der am 9. Juni mehrere Plakate der Erfurter Ausstellung "Die Verbrechen der Wehrmacht" mit den Wörtern "Lüge" und "Hetze" übersprüht hatte, wurde am 26. September vom Amtsgericht Erfurt wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.500 DM verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Roeder, der nach einer langjährigen Freiheitsstrafe wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Sprengstoffanschlägen, versuchter schwerer Brandstiftung und Anstiftung zum Mord Anfang 1990 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, ist seither wieder politisch und publizistisch aktiv. ("95 Thesen zum Lutherjahr"). 6. Eine Gruppe von etwa 20 Thüringer Neonazis besuchte am 15. Juni den Thüringer Landtag anläßlich des dort stattfindenden "Tages der offenen Tür". Ziel der "Besucher" war es, mit Politikern zu diskutieren. Da bereits im Vorfeld durch den Präsidenten des Thüringer Landtags gegenüber Dienel und seiner Begleitung für das Gebäude des Thüringer Landtags und alle angrenzenden Gebäude ein Hausverbot erteilt war, wurden alle Personen vorläufig festgenommen und nach Feststellung der Personalien wieder entlassen. Später demonstrierten sie mit Ausrufen wie "Demokröten raus", "Rudolf Heß" und "Rudolf Heß war Mord", "Zicke zacke, zicke zack heil" vor dem Landtag. 7.Am 4. September räumte die Polizei in Saalfeld das ehemalige Verwaltungsgebäude einer Großbäckerei, das von Angehörigen der rechten Szene besetzt worden war. In dem bereits mit Stacheldraht gesicherten und versperrten Haus waren provisorische Schlafstätten aufgebaut. 31 Jugendliche, die grölend mit einem Transparent "Die Nationalen fordern ein Haus" auf einer Barrikade angetroffen wurden, verließen das Gebäude trotz mehrmaliger Aufforderung nicht. Bei der anschließenden Räumung wurden die Hausbesetzer festgenommen. Propagandamaterial, verschiedene Schlag-, Hiebund Stichwerkzeuge sowie ein Koppelschloß mit NS-Emblemen wurden beschlagnahmt. Gegen die 31 Personen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. 43 8.Am 13./14. September schössen Jugendliche aus dem Keller des Gothaer Jugendclubs "Bunker" mit einem Luftgewehr auf einen Passanten, 29 Angehörige der rechten Szene wurden in Sicherheitsgewahrsam genommen. Während des Polizeieinsatzes riefen sie "Sieg Heil" und "Heil Hitler". Bei der Durchsuchung des Clubs wurden Propagandamaterialien, CDs, Hitlerbilder und SS-Runen beschlagnahmt. Weitere relevante Gegenstände wurden in Wohnungen und Kraftfahrzeugen gefunden. Gegen die 29 Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Unter ihnen befanden sich Mitglieder der Skinband "Bataillon", die am 23. August in dem Gothaer Jugendclub gegründet wurde. IV. Linksextremismus 1. Überblick Die Situation des Linksextremismus im Freistaat Thüringen hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Sie stellt sich gegenwärtig wie folgt dar: Es gibt: - wenige Mitglieder in marxistisch-leninistischen Parteien sowie einige Sympathisanten - eine größere Anzahl von Marxisten-Leninisten in anderen etablierten Gruppierungen und Parteien - einen inzwischen gefestigten Bestand an autonomen Gruppen mit etwa 250 Anhängern, der sich zunehmend organisatorisch und informell vernetzt und der in Kampagnen sowie gewalttätigen Aktionen auszumachen ist. 2. Ideologischer Hintergrund Wie Rechtsextremisten vertreten auch Linksextremisten ideologisch voneinander abweichende Positionen. Neben Anhängern der "wissenschaftlichen Sozialismusund Kommunismustheorien" stehen Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Autonome. Grundlage der im einzelnen differierenden Anschauungen und ihres sehr unterschiedlichen theoretischen Gehalts bleiben die Werke von Marx, Engels, Lenin sowie auch die von Stalin, Trotzki und Mao Tse-tung. Gemeinsames Ziel aller Linksextremisten ist die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und die Schaffung eines ihren jeweiligen Vorstellungen entsprechenden adäquaten Ersatzes - mag es sich dabei um ein marxistisch-leninistisches Staatsgebilde oder auch eine herrschaftsfreie Gesellschaft handeln. Das Bekenntnis der Linksextremisten zur revolutionären Gewalt, zu Klassenkampf und Klassenherrschaft verbindet ihre sonst oft divergierenden Ansichten. Dabei 44 wird die Prämisse, revolutionäre Gewalt sei notwendig, aus taktischen Gründen bei tagespolitischen Auseinandersetzungen oft zugunsten legaler oder auch angeblich gewaltfreier Kampfformen aufgegeben. 3. Marxistisch-leninistische Parteien und Organisationen 3.1 Die Kommunistische Plattform der Partei des Demokratischen Sozialismus (KPF) Die KPF, am 30. Dezember 1989 in Buckow gegründet, ist eine linksextremistische Gruppierung innerhalb des Organisationsgefüges der PDS. Sie selbst versteht sich als intellektuelle Elite und kommunistische Sammelbewegung in der PDS. Sie bildet deren ultralinken Flügel. In traditioneller Weise bezieht sie sich auf die Lehren des Marxismus-Leninismus. Bereits in ihrer Gründungsversammlung bekannte sie sich so - in Distanz zum vorläufigen Statut der SED-PDS - zu den Aufgaben, das kommunistische Gedankengut in Programmatik und praktische Politik der Partei einzubringen sowie Kommunisten innerhalb und außerhalb der SED-PDS zusammenzuführen. Ziel ihrer Tätigkeit ist es, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zu beseitigen und auf dem Wege einer "revolutionären Transformation" eine klassenlose kommunistische Gesellschaft zu errichten. Die KPF ist in 12 Bundesländern, u.a. auch in Thüringen, vertreten. Auf Bundesund Landesebene ist sie in Koordinierungsund Sprecherräten organisiert. Höchstes Organ ist die Bundeskonferenz. Etwa 5.000 Mitglieder sollen der KPF bundesweit nach Aussage von Sahra Wagenknecht, Mitglied des Bundeskoordinierungsrates, angehören (ARD-Sendung, 2. April), eine Angabe, die von der Berliner PDS-Vorsitzenden Petra Pau jedoch bestritten wurde. Gesicherte Angaben zu Mitgliederzahlen der KPF sind kaum möglich, da sie offiziell nicht mit natürlichen Personen mitgliederschaftlich strukturiert ist. Das Fehlen dieser für demokratische Parteien üblichen Verfahrensweise macht Umfang und Aufbau der Plattform für Außenstehende undurchsichtig. Der größte Teil der Mitglieder dürfte sich aus Altfunktionären der SED zusammensetzen. Auch Nichtmitglieder der PDS können laut Satzung eingebunden werden. Publizistisches Zentralorgan sind die monatlich erscheinenden Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS. Auch 1996 gab es wie in den Vorjahren zwischen KPF und PDS z. T. harte Auseinandersetzungen. Gregor Gysi, der Vorsitzende der PDS-Gruppe im Deutschen Bundestag, bemerkte dazu in der Osterländer Volkszeitung (29. März): "Ich wünsche mir eine Kommunistische Plattform, aber eine andere.". Zu einem Höhepunkt der Auseinandersetzung und "offenem Schlagabtausch" war es bereits im Januar 1995 gekommen, als Lothar Bisky und Gregor Gysi ihre 45 Wiederwahl in den Bundesvorstand (1. Tagung des 4. Parteitages der PDS am 27./28. Januar 1995) davon abhängig machten, daß die bekannte KPFVertreterin Sahra Wagenknecht aus diesem Gremium ausscheide - so Ellen Brombacher, Sprecherin der KPF, in der Schrift "Was wollen Kommunisten heute" (1996). Zur Grundlinie der PDS schreibt Brombacher in o. g. Publikation, es gelte alle Spielräume auszuloten und, stoße man an Systemgrenzen, diese nicht zu rechtfertigen und sich so zum geistigen Sachwalter der Systemzwänge zu machen, sondern genau hier radikal mit der Systemkritik anzusetzen. In einem weiteren Papier - unter dem Titel "Zur Strategie der PDS in den nächsten Jahren" - knüpft die KPF an die oben beschriebene Ansicht an. Sie spricht sich für die Nutzung aller parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten aus. Die Gesamtaktivität der Partei sei dabei so zu gestalten, daß keine Uberbetonung ihres parlamentarischen Wirkens entstehe und ihre "Unangepaßtheit im parlamentarischen Raum" beeinträchtige. Eine Aufgabe der außerparlamentarischen Opposition und Einordnung in den "bürgerlichen Parlamentsbetrieb" sei zu verhindern. Statt dessen will die KPF die Anknüpfungspunkte ihrer außerparlamentarischen Tätigkeit nutzen, um auf die Herrschenden Druck auszuüben. Allein durch massenhaften Widerstand gegen die sozialen und politischen Entwicklungen in der BRD sei eine tatsächliche Veränderung möglich. Umstritten ist vor diesem Hintergrund notwendigerweise auch die Frage einer künftigen Regierungsbeteiligung der PDS. In dem erwähnten Strategiepapier der KPF heißt es dazu: Selbst wenn sich die PDS nach Maßgabe der demokratischen Mehrheitsverhältnisse an einer bürgerlichen Regierung beteilige, müsse dies ihrer antikapitalistischen Intention nicht schaden. "Sozialistische Politik in einer bürgerlichen Republik ist und bleibt Oppositionspolitik." Gerade ihre Einbindung in das System wolle sie bewußt nutzen, um es von innen zu verändern, aktiv in seine vielfältigen Widersprüche einzugreifen und das Gesamtsystem so progressiv zu dynamisieren. Prof. Dr. Michael Benjamin, Mitglied des Bundeskoordinierungsrates der KPF und der Statutenkommission der PDS, schrieb dagegen in den Mitteilungen 3/1996 unter dem Titel "Wer regiert, opponiert nicht": "Wir können nicht... erklären, den sozialistischen Charakter der PDS stärker hervorheben zu wollen, und zugleich bereit sein, in Landesregierungen die Mitverantwortung für Polizeieinsätze gegen Linke, Lagerung von Atommüll, Abschiebeknäste und Zwangsberatung schwangerschaftsunterbrechender Frauen übernehmen zu wollen." Heinz Marohn, Sprecher der KPF, äußerte in seinem Grundsatzreferat auf der 1. Tagung der 7. Bundeskonferenz (23. März / Berlin) dazu, daß die historische Aufgabe der PDS nicht darin bestehen könne, in der bürgerlichen Gesellschaft Ministersessel zu ergattern. Wichtige KPF-Vertreter veröffentlichten unter dem Titel "Zur Debatte in der 46 PDS" (ND, 17. September) eine Erklärung, in der es u.a. heißt: "Übrigens verlangt das Grundgesetz weder ein Bekenntnis zur kapitalistischen Ordnung noch den Verzicht auf sozialistische Ziele. Wir verschließen nicht die Augen vor den Grenzen des bürgerlichen Systems. Opposition ist für uns keine Wartestellung im Vorfeld von Regierungsbänken. Natürlich dürfte die PDS sich nicht verweigern, wären andere Parteien bereit, ohne Vorbedingungen mit ihr zusammenzuwirken, um die Regierung Kohl abzulösen. Allerdings erfordert das Brechen der "Hegemonie konservativer Politik" weit mehr als bloße Regierungswechsel.". Sahra Wagenlcnechf vertrat auf einer Diskussionsveranstaltung am 3. Oktober in München - It. / W 5 . / 6 . Oktober - die Ansicht, die Linke brauche kein Regierungs-, sondern ein Widerstandsprogramm. Die PDS solle ihre Kräfte endlich dafür einsetzen, die Menschen "zu einem kompromißlosen Abwehrkampf gegen Sozialabbau und Rechtsentwicklung außerparlamentarisch zu mobilisieren". Bereits 1995 sprach sie sich gegen eine "gesellschaftliche Einbindung und Integration" der PDS aus. Erst auf der 1. Tagung des 7. Bundeskongresses am 8. Dezember in Berlin - also kurz vor dem vom 17. bis 19. Januar 1997 in Schwerin durchgeführten Parteitag der PDS - hat die KPF ihre prinzipielle Ablehnung gegen eine Regierungsbeteiligung der Partei aufgegeben. Allerdings solle das Hauptaugenmerk ihres Erachtens weiterhin auf außerparlamentarischen Bewegungen liegen. Laut Beschluß der 1. Tagung des 5. Parteitages in Schwerin will die PDS nun mit anderen Reformparteien zusammenarbeiten und zu einem Regierungswechsel 1998 in Bonn beitragen. Die von KPF-Vertretern für die Partei geforderte Rolle der Fundamentalopposition wurde aufgegeben. Der Weg zu möglichen Regierungsbündnissen sei frei. Der vom Parteivorstand eingebrachte Leitantrag zu Grundsätzen und Zielen der PDS in den kommenden Wahlen wurde mit großer Mehrheit angenommen. Bei der Wahl des neuen Parteivorstandes wurde Benjamin, der als KPF-Vertreter für eine der Führungspositionen kandidierte, nicht berücksichtigt. Bei der Abstimmung über geplante Veränderungen des Parteistatuts ist allerdings der Versuch, der KPF und anderen ideologischen Zusammenschlüssen organisatorische Privilegien zu nehmen, die thematischen Zusammenschlüssen nicht zustehen, gescheitert. Nach wie vor kann die KPF daher sechs ordentliche Delegierte zu Bundesparteitagen entsenden. In Thüringen liegt der Schwerpunkt von KPF-Aktivitäten in Weimar, Erfurt, Suhl, Arnstadt, Jena und im Kyffhäuserkreis. Zu einem ersten öffentlichen Auftritt der Plattform kam es anläßlich der Gedenkveranstaltung zum 52. Jahresstag der Ermordung von Ernst Thälmann, die am 18. August im ehemaligen KZ Buchenwald stattfand. Kontakte bestehen nicht nur zur KPF in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, sondern auch zu Gliederungen anderer linksextremistischer Parteien über Thüringen hinaus - so zu der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der DKP-nahen Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). 47 3.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Die DKP wurde am 25. September 1968 in Frankfurt am Main gegründet. Sie trat die Nachfolge der 1956 verbotenen KPD an. Sie bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels und Lenin. Ihr Ziel ist der "revolutionäre Bruch mit dem kapitalistischen Profitsystem" und die Errichtung einer Diktatur des Proletariats. Allein der Sozialismus - als erste Phase der kommunistischen Gesellschaft - sei die historische Alternative zum herrschenden System. Sitz der Partei ist Essen. Derzeit gehören der Partei bundesweit etwa 6.250 Mitglieder an, in Thüringen selbst sind es nur wenige. Als publizistisches Zentralorgan erscheint die Zeitschrift Unsere Zeit (UZ). Besonders eng arbeitet die Partei mit den Organisationen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten ( W N - BdA) und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) zusammen. Diese besitzt seit Dezember - laut Angabe UZ Nr. 9 / 9 7 - auch eine Landesgruppe Thüringen. In ihr fanden sich "antikapitalistisch gesinnte junge und junggebliebene Leute zusammen, die die Ideen von Marx und Engels und Lenin noch nicht in die Mottenkiste geworfen haben". Eine der wichtigsten DKP-Veranstaltungen im Jahr 1996 war der am 3./4. Februar in Dortmund durchgeführte 13. Parteitag. An ihm waren etwa 350 Personen beteiligt, 240 gewählte Delegierte und Gäste. Unter ihnen befanden sich auch zwei Vertreter der Thüringer DKP. Repräsentanten von befreundeten Parteien und Organisationen aus dem Ausland waren aus 31 Staaten angereist. Ebenso entsandten SDAJ, W N - BdA, der Deutsche Freidenker-Verband e.V., PDS und KPF sowie die Autonome Antifa (M) Göttingen Teilnehmer. Vom Bundesvorstand der PDS war trotz Einladung kein Mitglied erschienen. Im Mittelpunkt des Parteitages stand die Verabschiedung des Aktionsprogrammes "Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Demokratieabbau". Um diese Ziele zu erreichen, wird insbesondere der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften große Bedeutung zugemessen. 60% der DKP-Mitglieder sollen bereits gewerkschaftlich organisiert sein. Dieses Engagement weiter auszubauen, gilt als notwendig. Denn nur durch außerparlamentarische Bewegungen sei - so der Parteivorsitzende - ein Politikwechsel möglich. Verbunden mit der Wahl eines neuen Parteivorstandes wurden auch organisatorische Veränderungen vorgenommen. Das bisherige Sprechermodell der DKP - Nebeneinander von zwei gleichberechtigten Sprechern, die sich gleichzeitig in den Parteivorsitz teilen - wurde aufgegeben. An seine Stelle trat folgende Variante: ein Parteivorsitzender (Heinz Stehr) und zwei Sprecher, die gleichzeitig die Funktion stellvertretender Parteivorsitzender wahrnehmen. Thüringer Mitglieder wurden bei der Wahl in Vorstandspositionen nicht berücksichtigt, zwei von ihnen arbeiten jedoch in entsprechenden Kommissionen mit. 48 Eine weitere - auf dem Parteitag beschlossene - Neuerung betraf die DKP-Zeitung UZ. Die bisher im Turnus von zwei Wochen erschienene Zeitung wird ab 1. Juli als Wochenzeitung herausgegeben, die Auflage von 8.000 auf 10.000 erhöht. Neuere und vor allem auch jüngere Mitglieder zu gewinnen, ist das derzeit größte Problem der Partei. Auch diesem Schwerpunkt der künftigen Parteiarbeit galt das Interesse der Delegierten. Einige Erfolge allerdings hatte die DKP diesbezüglich bereits vorzuweisen. Sowohl in Thüringen als auch in weiteren neuen Bundesländern konnten neue Parteigruppen gegründet werden: Erfurt, Berlin, BarnimOderland, Chemnitz, Dresden, Frankfurt-Oder, Oder-Spree. In Berlin verfügt die Partei dabei über die meisten Mitglieder aus den neuen Bundesländern. Dennoch beträgt der durch "Ostausdehnung" gewonnene Mitgliederanteil nur 3 %. Die DKP vor allem an Hochschulen bekanntzumachen und marxistisch orientierte Studenten zu organisieren, ist ein Maßnahme, die die erste konstituierende Tagung des Parteivorstandes am 17. März in Essen in der Folge festlegte. Eine Beratung von DKP-Mitgliedern aus den neuen Bundesländern, die am 2. November in Berlin stattfand, widmete sich der weiteren Gewinnung neuer Mitglieder speziell aus diesem Gebiet. Die bereits auf dem Parteitag beschlossenen Werbeund Aktionswochen fanden auch in Thüringen ihren Niederschlag. So wurde die DKP am 3. Mai in Gotha, am 3 1 . August und 12. Oktober in Gera mit Werbemaßnahmen aktiv. In einer Erklärung (UZ, 9. Februar), die die DKP gemeinsam mit der Kommunistischen Partei der Arbeit der Türkei (TKEP) und der Kommunistischen Partei Kurdistans (KKP) verabschiedete, setzte sie gegen Rechtsentwicklung, Ausländerfeindlichkeit und militärische Abenteuer ein "Signal von links". Daß dabei u. a. die Anerkennung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefordert wurde, ist neu. Bisher gehörte die DKP nicht zu den linksextremistischen Kreisen, die sich auf diese Weise im kurdisch-türkischen Konflikt engagieren. Sie wahrte strikte Distanz. Auch in Thüringen selbst waren Mitglieder und Sympathisanten der Partei aktiv. Bereits am 3 1 . Januar gründete sich in Erfurt die DKP-Gruppe Erfurt. Ihr gehören u. a. ehemals führende Mitglieder der Thüringer KPD an. In Hermsdorf wurde am 13. Juni eine weitere neue Parteigruppe, die DKP-Gruppe Ost-Thüringen, gegründet. Interessenten und Sympathisanten finden sich auch in Gera, Greiz, Zeulenroda, Jena und Kahla. Insgesamt wurden - nach eigenen Angaben (UZ, 17. Januar 1997) - 10 Mitgliederversammlungen und 16 Vorstandssitzungen durchgeführt. Diesjährige Veranstaltungen galten z.T. programmatischen Fragen. So fand am 11. Mai in Erfurt eine Diskussionsrunde zum Thema "Entwicklung, Strategie und Taktik der DKP" statt. Dem neuen, auf dem 13. Parteitag beschlossenen Aktionsprogramm der Partei galt eine weitere Veranstaltung, die am 2 1 . September in Erfurt in Anwesenheit des Parteivorsitzenden stattfand. Am 16. März wurde unter dem Titel "Nur Staub im Wind? Zur Vereinigung von KPD und SPD" 49 des 50. Jahrestages der Fusion gedacht. Weitere Aktivitäten kamen hinzu. So war die DKP auch am "4. linken Medienspektakel" am 1. Juni in Suhl mit einem Informationsstand vertreten. Ebenso beteiligte sie sich an einer Gedenkveranstaltung am 16. April im ehemaligen KZ Buchenwald, die dem 110. Geburtstag Ernst Thälmanns galt. Das maßgeblich von Gewerkschaften organisierte "Tribunal gegen Ausgrenzung", das am 9. November im Erfurter Haus der Gewerkschaften stattfand, wurde von DKP-Mitgliedern mitgetragen. Darüber hinaus war die Partei - It. eigenen Angaben - ebenfalls an bundesweiten und überregionalen Großveranstaltungen beteiligt. Trotz der deutlichen Zunahme von DKP-Aktivitäten in Thüringen, gehören den hiesigen Organisationseinheiten der Partei bisher nur wenige Mitglieder an. Ein leichter Zuwachs war dennoch zu verzeichnen. 3.3 Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die MLPD , am 18. Juni 1982 in Bochum gegründet, hat ihren Sitz heute in Gelsenkirchen. In ihren Lehren und ideologischen Positionen bezieht sie sich nicht nur auf Marx, Engels und Lenin, sondern auch auf Stalin und Mao Tse-tung. Vor allem diese maoistische Komponente charakterisiert sie im Vergleich zu weiteren Organisationen. Einen Staat, wie er im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland definiert wird, lehnt die Partei ab. Der "Sturz des Monopolkapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft" sind ihre Ziele. Ihren Mitgliederbestand konnte die MLPD gegenüber den Vorjahren auf bundesweit 2.700 ausbauen. In Thüringen gehören ihr etwa 30 Mitglieder an. Nebenorganisationen der Partei sind der Jugendverband Rebell und die Kinderorganisation Rotfüchse. Als Vorfeldorganisation wurde am 24./25. Februar in Kassel Solidarität International (Sl) neu gegründet. Ohne direkte organisatorische Einbindung in die Partei agiert Sl jedoch ganz in ihrem Sinne und unter ihrem Einfluß. Die wöchentlich in einer Auflage von 7.500 erscheinende Zeitschrift Rote Fahne ist nach wie vor das zentrale Organ der Partei und die wichtigste ihrer Publikationen. Sie wird im parteieigenen Verlag in Essen hergestellt. Die wohl bedeutendste Veranstaltung der MLPD war der am 24./25. Februar in Solingen durchgeführte V. Parteitag. Wie der vorangegangene im Jahre 1991 fand er unter streng konspirativen Bedingungen statt. Im Vordergrund der Zusammenkunft sollen neben einer Analyse der politischen Situation vor allem die inneren Probleme und Umbrüche in der Partei gestanden haben. So wurden neue - von der proletarischen Denkweise bestimmte - Grundlagen des Parteiaufbaus ebenso beschlossen wie eine "Bewegung zur Selbstveränderung" von MLPD und Rebell. Die Jugendarbeit der Partei sowie Aufbau und marxistisch-leninistische Neuorientierung ihres Jugendverbandes standen entsprechend im 50 Blickpunkt der Delegierten. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Fragen, die der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und deren Stärkung als "Kampforganisation" galten. Ein Neun-Punkte-Programm soll It. Rote Fahne 4 2 / 9 6 hierzu beschlossen worden sein. Daneben war die Gewinnung neuer Mitglieder ein wichtiger Diskussionspunkt. Zur Solidarisierung der Eisenacher Opel-Werker mit der französischen Streikbewegung sprach ein Delegierter aus Thüringen. An dem zentralen Rofe-Fafine-Pressefest, das die Partei am 25. Mai in Düsseldorf veranstaltete, nahmen auch Vertreter von 15 marxistisch-leninistischen Auslandsorganisationen teil. Ca. 1.800 Besucher kamen insgesamt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung mit ihren Diskussionsforen stand das von Kritik und Neuorientierung geprägte Referat des Parteivorsitzenden Stefan Engel. Das 3. Sommercamp, das der Rebell vom 13. Juli bis 24. August am Piauer See in Mecklenburg-Vorpommern durchführte, stand unter dem Motto "Wir nehmen unsere Zukunft selbst in die Hand - Rebellion ist gerechtfertigt". Der Versuch, den Jugendlichen mit einem 13-Thesen-Programm die proletarische Denkweise nahezubringen, wurde von Organisationsmängeln und den aus ihnen resultierenden Streitigkeiten beeinträchtigt. Die bundesweite Spenden-Sammlung der Partei wurde - It. Rote Fahne vom 29. November - erfolgreich abgeschlossen. Das Ziel von 500 000 DM wurde erreicht. Thüringen war mit einem Betrag von etwa 3300 Das Jahr 1996: DM beteiligt. Die im Februar gegrün"Am wichtigsten war, dete Vorfeldorganisation ddNie neue Opposition der MLPD, Solidarität Interurde" national (Sl), versteht sich vor allem als "Forum für den Kampf um die nationale und soziale Befreiung der Welt". Organisiert über Kontaktadressen und aktive Ortsgruppen, engagierten sich die Mitglieder - 800 waren es bereits zum Zeitpunkt der Gründung - hauptsächlich dabei, "gerechte Kämpfe" Rote Fahne, Wochenzeitung der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) 51 solidarisch zu unterstützen und internationale Hilfsbewegungen zu koordinieren. So wurde die Ortsgruppe Sonneberg aktiv, indem sie dazu aufrief, Protesterklärungen gegen die Abschiebung von kurdischen Asylbewerbern an das Thüringer Innenministerium zu senden (Rote Fahne 25/96). Schwerpunkte der MLPD in Thüringen sind die Ortsgruppen Eisenach und Sonneberg sowie der Stützpunkt Jena. Sieht man von Festveranstaltungen - so zum 1. Mai und 3 1 . Dezember - ab, gehört zu den Aktivitäten der Partei vorzugsweise die ideologische Schulung von Mitgliedern und Interessenten. So wurde zu dem Buch "Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung", das in der Reihe Revolutionärer Weg (Nr. 26), dem theoretischen Organ der MLPD, erschien, am 29. Februar in Sonneberg eine Diskussionsrunde durchgeführt. Diese setzte eine gleichartige Veranstaltungsreihe des Vorjahres, die in Vorbereitung des V Parteitages stattfand, fort. Unter dem Motto "Jugend braucht Zukunft" organisierte die MLPD am 2. März in Sonneberg eine Demonstration, zu der die Jugendlichen thüringenweit anreisten. Insgesamt nahmen ca. 250 Personen teil. Unterschriften für mehr Ausbildungsplätze wurden von einer MLPD-Aktionsguppe am 17. Oktober vor dem Eisenacher Opel-Werk gesammelt. 3.4 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Die KPD - bezeichnet auch als KPD/Ost - wurde im Januar 1990 in Berlin zum überwiegenden Teil von ehemaligen SED-Mitgliedern gegründet. Sitz der Partei ist ebenfalls Berlin. Sie selbst sieht sich als "legale und legitime Nachfolgerin und Erbin der KPD Liebknechts, Thälmanns und Piecks". Auf marxistisch-leninistischem Fundament aufbauend, ist es ihr Ziel, eine kommunistische Gesellschaft zu schaffen. Das "undemokratische" System der BRD lehnt sie - wie den Kapitalismus schlechthin - ab. Allein der Sozialismus biete eine dauerhafte Alternative. Der Kampf werde entschlossen fortgesetzt. Die KPD, die nach wie vor nur in den neuen Bundesländern tätig ist, besitzt insgesamt weniger als 200 Mitglieder. Allein daher nimmt sie im Vergleich zu anderen linksextremistischen Parteien und Organisationen nur eine untergeordnete Position ein. Zentrales Publikationsorgan der Partei ist die monatlich erscheinende Zeitschrift Die Rote Fahne. Auf der 9. Tagung des Zentralkomitees der Partei, die am 24. Februar in Berlin stattfand, schätzte der unlängst zum Parteivorsitzenden gewählte Hans Wauer die Lage folgendermaßen ein: stagnierende Mitgliederwerbung, ernste Organisationsmängel, ungenügende Ausstrahlung, versäumte Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Jugendorganisationen und Frauenbewegungen. Ferner sei es nicht gelungen, das brachliegende Potential Unzufriedener und desorientierter Nichtwähler zu integrieren. In einer Anzeige ihres Organs Die Rote Fahne vom März wirbt die Partei entsprechend: "Hinein in die KPD!". Unter Berufung auf die großen Führer und Theoretiker der proletarischen 52 Bewegung kämpfe sie "gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau, korrupte Politiker und Profithaie, politische Verfolgung ...". Sie streite dafür, "daß die Betriebe in die Hände der Arbeitenden und die Rathäuser und Parlamente in die Hände des Volkes kommen". Der Thüringer Landesorganisation gehören nur wenige Mitglieder an. Auf einer ihrer Versammlungen im Januar kam es infolge von Zwistigkeiten um einen geforderten Parteiausschluß zum Austritt von Mitgliedern bzw. deren Übertritt in die DKP. Verschiedene Wahlen in Parteigliederungen, die Erarbeitung von Strategiepapieren, die am 12. Oktober auf der Dresdner Parteiaktivtagung diskutiert wurden, sowie die Vorlage eines Rechenschaftsberichtes durch die Landesleitung der Partei am 26. Oktober in Erfurt dienten der Vorbereitung des 19. Parteitages der KPD. Er soll am 25./26. Januar 1997 in Berlin stattfinden. KPD-Angehörige beteiligten sich auch an zahlreichen überparteilichen Veranstaltungen, so u. a. an der Kundgebung, die anläßlich des 77. Todestages von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 14. Januar in Erfurt stattfand, und an der dem 110. Geburtstag von Ernst Thälmann gewidmeten Veranstaltung. Auf der am 16. April im ehemaligen KZ Buchenwald durchgeführten Feierlichkeit hielt der neue Vorsitzende der Thüringer KPD, Klaus Peter Schöwitz, eine Ansprache. Auch auf dem "4. linken Medienspektakel" am 1. Juni in Suhl und dem "Tribunal gegen Ausgrenzung" am 9. November in Erfurt war die Partei vertreten. Darüber hinaus wurde auf einer Mitgliederversammlung, die am 29. Februar in Erfurt stattfand, eine Spendenaktion für Kuba initiiert. Auf einem Leserforum des Parteiorgans Die Rote Fahne am 23. November in Zella-Mehlis, diskutierten die Anwesenden über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur ehemaligen DDR-Grenze, das KPD-Verbot von 1956 und die Beziehungen von KPD und PDS. 3.5 "Rote Runde Tische" Mitglieder eigenständiger kommunistischer Parteien und Organisationen in Thüringen schufen sogenannte "Rote Runde Tische". An den mehrfach stattgefundenen Zusammenkünften - so am 27. April in Jena und am 30. August in Gera - waren Mitglieder der KPF, MLPD, KPD, DKP und SDAJ beteiligt. Der speziell im Ostthüringer Raum etablierte Zusammenschluß verschiedener kommunistisch orientierter Personen soll über Parteigrenzen hinweg eine Aktionseinheit schaffen, die die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen erlaubt. Ziel der "Roten Runden Tische" sei es, die Zersplitterung des linken Spektrums abzubauen und sich "für die sozial Schwachen, die Ausgebeuteten und Unterdrückten" zu engagieren. Zur gegenseitigen Unterrichtung ist die Herausgabe eines gemeinsamen Rundbriefes geplant. 53 4. Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre Am Ende der 70er Jahre bildeten sich insbesondere an Universitäten erste autonome Gruppen. Heute gibt es Autonome in fast allen größeren Städten. Besonders zahlreich kommen sie in Ballungsgebieten wie Berlin oder dem Rhein-MainGebiet vor. Mehr als 6.000 gewaltbereite Personen werden ihnen bundesweit zugerechnet. Der Begriff des "Autonomen", mit dem sie sich selbst kennzeichnen, bedeutet "nach eigenen Gesetzen lebend". Insofern charakterisiert er nicht ganz zutreffend ihr Bestreben, zwar außerhalb der herrschenden Gesetze und üblichen Formen, doch auch generell ohne Verbindlichkeiten leben zu wollen. Ein "selbstbestimmtes" Leben ohne "Bestimmungen", d. h. auch ohne eigene Gesetze, ist ihr Ziel. Staatliche und gesellschaftliche Zwänge lehnen sie ab. "Herrschaftsfrei" müsse eine Gesellschaft ihres Erachtens sein, jeglicher Autorität, Hierarchie und jeglichen Reglements entbehren. "Keine Macht für niemand!" lautet die Devise. Ohne Einschränkungen meinen sie sich selbst verwirklichen zu müssen und es auch nur so zu können. Ihre individuelle Betroffenheit und Befindlichkeit mündet in eine generelle Anti-Haltung. Autonome haben keine festen ideologischen Vorstellungen. Anarchistische Elemente mischen sich in ihren Ansichten mit nihilistischen, Sozialrevolutionären, mitunter auch marxistischen Bestandteilen. Ihren Forderungen nach Zerschlagung alles Bestehenden und Hemmenden kann aufgrund des ausgeprägten Individualismus nicht der Wunsch nach Revolutionierung und Verbesserung der Gesellschaft folgen. Revolte, nicht Revolution heißt ihre Devise. Verschiedene Schwerpunktthemen, die in Intensität und Bedeutung wechseln, bilden die Grundlage der Diskussionen und Aktionen der autonomen Szene: Antifaschismus, Antirassismus, Dritte-Welt-Problematik, "Häuserkampf" / Umstrukturierung von Wohnvierteln, Widerstand gegen das Ausländerund Asylrecht, Anti-Atomkraft-Bewegung, insbesondere Castor-Transporte. Die Formen, in denen man sich mit den genannten Themen auseinandersetzt sind vielfältig, friedlich oder gewalttätig - Diskussionen, Vortragsveranstaltungen, Demonstrationen, StraßenkrawaHe und Massenmilitanz gehören dazu. Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen wird dabei nicht mehr so eng getrennt wie ehedem. Beide werden oftmals als notwendig angesehen. Polizisten bieten sich als Repräsentanten staatlicher Macht ebenso als Ziel an wie die in Listen erfaßten vermeintlichen oder tatsächlichen "Faschisten". Fest strukturierte, auf Dauer angelegte und übergreifende Organisationsformen widersprechen ihrem Grundverständnis. So sind es meist kleine, unverbindliche, lokal begrenzte, dezentrale Personenzusammenschlüsse, in denen sie sich zusammenfinden. Daß die Wirkungsmöglichkeiten derartiger Gruppen schon 54 allein wegen ihres niedrigen Organisationsniveaus begrenzt sind, führt gelegentlich zu Versuchen, übergreifende Organisationsformen zu finden. Vor allem das Aktionsthema "Antifaschismus" bietet hier integrative Möglichkeiten. Das Anfang der 90er Jahre aufgekommene Thema ist inzwischen weiterhin akzeptiert und gehört derzeit zu den wichtigsten. Dabei reduziert sich das linksextremistische Antifaschismusverständnis nicht auf die heute aktuellen Traditionslinien von Nationalsozialismus und Faschismus. Es schließt die "Auseinandersetzung mit dem imperialistischen System" ein, das als Fortsetzung und Modifikation des Dritten Reiches gilt. So schlossen sich bundesweit 1992 zahlreiche Gruppen in der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) zusammen. Isolierung, regionale Begrenztheit des Aktionsradius und zahlenmäßige Schwäche sollten so überwunden werden. Doch das Vorhaben - vom Ansatz in sich widersprüchlich - ist mit den Grundlagen autonomen Selbstverständnisses unvereinbar. Die Geschlossenheit und straffe Organisation der übergreifenden Formation boten folglich bald Anlaß zu Kritik. Die AA/BO, in der die Autonome Antifa (M) aus Göttingen dominiert, ist in der autonomen Szene umstritten. Als "Konkurrenzunternehmen" wurde das bundesweite Antifa-Treffen (BAT), ursprünglich Bl -Treffen, aufgebaut. Absprachen zwischen den Gruppen sind in der Regel informeller Natur. Vor allem über neue elektronische Medien (Mailboxen, Infotelefone) kommunizieren sie in letzter Zeit verstärkt. Aber auch herkömmliche Formen werden nach wie vor intensiv genutzt. So erscheinen bundesweit etwa 30 Szeneblätter, die z.T. konspirativ verbreitet werden. Durch ihre überregionale Ausstrahlung gehört die wöchentlich in Berlin erscheinende Zeitschrift INTERIM zu den bedeutendsten. Wichtig ist jedoch auch das bisher unter wechselnden ausländischen Tarnanschriften vertriebene Untergrundblatt radikal. In Thüringen selbst erscheint die Publikation MachWerk8 sowie eine Anarchistische Internetzeitung (AIZ)9. Als Anlaufpunkte für die gesamte Szene und Interessenten sind sogenannte Infoläden von enormer Bedeutung. In ihnen werden linksextremistische Schriften und Flugblätter vertrieben. Plakate und Aushänge informieren über aktuelle Aktivitäten und geplante Aktionen. Ausgelegte Literatur, u.U. kleine Bibliotheken, sind für jedermann nutzbar. Räumlichkeiten zur Vorbereitung von Aktionen und Demos sind vorhanden, ein Austausch auch mit Angehörigen des linken Spektrums ist möglich. Zu den zentralen Veranstaltungen, die mitunter auch große Teile der autonomen Szene zu mobilisieren vermögen, gehörte wie in jedem Jahr der Tag der deutschen Einheit. Die offiziellen Feierlichkeiten fanden am 3. Oktober in München statt. Eine Vielzahl von Gruppierungen aus dem gesamten linken Spektrum - u. a. DKP, SDAJ, VVN-BdA, PDS - hatten sich zu dem Aktionsbündnis gegen 8 Vgl. dazu ausführlicher S. 4 2 . 9 Vgl. dazu ausführlicher S. 53. 55 die nationalen Einheitsfeiern zusammengeschlossen. Der vorausgegangene Aufruf richtete sich auch an Infoläden und Stadtzeitungen in Österreich und der Schweiz. Geplant waren sogenannte "demonstrative Aktionen", eine Demonstration unter dem Motto "Es gibt nichts zu feiern, aber viele Gründe zum Widerstand!" sowie ein als "Einheizfest" bezeichnetes Antifa-Festival. Weitere überregional bedeutende Aktivitäten fanden in Berlin und Göttingen statt. In Thüringen selbst blieben die offiziellen Feierlichkeiten, die im Rahmen des "Thüringentags 1996" in Altenburg stattfanden, ohne Störungen. In Jena dagegen wurde eine Anti-Einheitsdemo, an der etwa 150-200 vorwiegend jugendliche Demonstranten teilnahmen, durchgeführt. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. An der am 15. Juni in Bonn vom DGB organisierten Demo gegen Sozialabbau waren weit über 300.000 Menschen beteiligt. Linke Gruppen warben für die Bildung eines Revolutionären Blocks. Etwa 1.800 Autonome zogen schließlich in geschlossener Formation durch das Bonner Stadtgebiet zum Kundgebungsplatz. Sie beschädigten Fahrzeuge und Gebäude, griffen Polizisten an. Autonome waren des weiteren an der Demonstration gegen das "rassistische" Strafverfahren im Fall Safwan E/c/ beteiligt, die am 3 1 . August in Grevesmühlen bzw. Lübeck stattfand. Protestaktionen gegen die 6. Hetendorfer Tagungswoche rechtsextremer Vereine vom 15. bis 23. Juni, an denen sich bis zu 300 z. T. vermummte Personen beteiligten, waren durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Gegnern und Polizisten geprägt. An der bundesweiten Antifa-Demo am 16. November in Wurzen nahmen unter dem Motto "Kampf den braunen Zonen - den rechten Konsens durchbrechen! Kein Raum den Faschisten!" etwa 4.000 Personen teil, unter ihnen auch zahlreich Autonome. Die anfangs befürchteten gewalttätigen Ausschreitungen blieben aus. Für die Thüringer autonome Szene, die auch an den Vorbereitungen maßgeblich beteiligt war, war dies die einzige bedeutende bundesweite Veranstaltung. Mehr als 120 Personen aus Thüringen nahmen vermutlich teil. Aus der autonomen Szene Thüringens sind etwa 250 Personen bekannt. 150 von ihnen gelten als gewaltbereit. Regionale Schwerpunkte bilden die Gebiete Altenburg, Weimar, Saalfeld-Rudolstadt, Jena, Gera und Arnstadt. Charakteristisch für die Aktivitäten Thüringer Autonomer sind vor allem gewalttätige Auseinandersetzungen mit Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Dabei kommt es immer wieder zu Körperverletzungen, z.T. schweren Körperverletzungen. Sie werden geradezu provoziert. Auch Sachbeschädigungen und Landfriedensbrüche sind keine selten vorkommenden Delikte. Plakataktionen und Antifa-Veranstaltungen, erste Ansätze einer geistigen Auseinandersetzung mit der Faschismusproblematik, dürften in diesem Zusammenhang eher als harmlos gelten. Auffällig ist jedoch, daß bundesweite Aktionsangebote kaum genutzt werden. Übergreifende Organisationsformen und bundespolitische Bezüge sind in der Regel nicht erwünscht. Statt dessen versucht man, sich bei Ortsver56 netzungstreffen kennenzulernen und gemeinsame Strategien zu verabreden. Ursächlich für diese Verständigungsschwierigkeiten zwischen Autonomen der alten und neuen Bundesländer sind neben terminologischen Differenzen vor allem sachbezogene. In grundlegenden Überzeugungen und ideologischen Positionen bestehen Unterschiede, die vor allem in der Erfahrung eines realexistierenden Sozialismus begründet sind. Wie auch immer geartete sozialistische Alternativen zum kapitalistischen System entfallen so grundsätzlich. Auch in Thüringen kursieren nicht nur bundesweit relevante Periodika sowie weitere Schriften der autonomen Szene. Im Freistaat selbst erscheint die Publikation MachMachWerk in Thüringen publizierte SzeneWerk (mitunter auch machZeitschrift werk geschrieben) regelmäßig. An der von der Geraer Szene monatlich herausgegebenen Zeitung sind verschiedene antifaschistische und linksradikale Gruppen und Personen aus Thüringen beteiligt. Kontaktadresse ist der SchniX e.V. Laut Impressum soll machwerk "ein Platz sein für die unzensierte Verbreitung von Nachrichten, Informationen, Diskussionen gegen HERRschaft und Reichtum, für Widerstand, Solidarität und eine menschliche Gesellschaft". Die Artikel befassen sich vorrangig mit Vorhaben und Aufgaben des DGB, The-men der Anti-Atomkraft-Bewegung, Prozessen gegen ehemalige RAF-Mitglieder sowie Veranstaltungshinweisen. Insbesondere für Aktivitäten in Thüringen wird dabei geworben. Infoläden, die in der autonomen Szene als Kommunikationsund Schaltstellen von großer Bedeutung sind, existieren auch in Thüringen - so in Altenburg, Weimar und Erfurt. Auch in Jena, Arnstadt, Gera, Saalfeld und Rudolstadt gibt es ähnliche Anlaufstellen der örtlichen Szene. Mitunter werden auch Wohnungen für diese Zwecke genutzt. Oftmals sind gerade diese zentralen Anlaufstellen Ausgangspunkt für gewalttätige Ausschreitungen. Insbesondere in Saalfeld, Rudolstadt und Gera häuften sich derartige Vorkommnisse. 57 Bekannt sind vor allem der Weimarer Infoladen und der im Mai dieses Jahres neu gegründete Infoladen projektIL in Altenburg. Beide gehören zu den aktivsten Unternehmungen in Thüringen und strahlen über die zugehörige Region hinaus. Der erst kürzlich eröffnete Altenburger Laden wird vom Verein Alternative Jugendprojekte e.V. getragen. Er ersetzt das bisher vorhandene örtliche Alternativhaus. Bis März 1994 stand es als Wohnstätte und Treffpunkt zur Verfügung. Aus baupolizeilichen Gründen wurde es geräumt. Die ehemaligen Bewohner wurden in verschiedenen Wohnungen bzw. Wohngemeinschaften untergebracht. Die in sich nicht homogene Szene Altenburgs bestand bisher aus einem politisch aktiven Teil und einem Teil, der seine durchaus linke Einstellung mit gewalttätigen und allgemein kriminellen Interessen zu vereinen wußte. So kam es in der Vergangenheit zu zahlreichen Ausschreitungen und Auseinandersetzungen mit Anhängern der rechten Szene. Diese Vorfälle haben sich seit der Räumung des Objektes in der Heinrich-Heine-Straße bisher nicht wiederholt. Politische Aktivitäten der Altenburger Szene erlangten bisher kaum Bedeutung. Militante Aktionen gegen "Rechts" hatten Vorrang. Dennoch gab es bereits 1995 Ansätze, sich auch an überregionalen bzw. bundesweiten Veranstaltungen zu politischen Themen zu beteiligen. So waren Altenburger Autonome 1996 mehrfach an bundesweiten Veranstaltungen beteiligt. Neben der bereits erwähnten Antifa-Demo in Wurzen waren dies auch die Störaktionen beim öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr am 3 1 . Mai in Berlin sowie die Demonstration gegen das "rassistische" Strafverfahren im Fall Safwan Eidam 3 1 . August in Grevesmühlen. Enge Kontakte, die auch in gemeinsamen Aktivitäten münden, bestehen allerdings nur zu Szenegruppen in wenigen Städten, insbesondere nach Leipzig. Insofern bestätigt sich auch an der Altenburger Szene das o.g. Spezifikum autonomer Gruppen in den neuen Bundesländern. Trotz dieser Einschränkungen deutet sich eine zunehmende Politisierung der Altenburger Szene an. Dafür spricht zum Beispiel die Gründung des neuen Infoladen projektIL. Hinzu kommt, daß Planungen zu Informationsabenden dieses Ladens typische Themenschwerpunkte der autonomen und antiimperialistischen Szene berücksichtigen: "Liste der geplanten Informationsabende des ersten Jahres 1. zu den Durchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit radikal, K.O.M.M.I.T.T.E. und AIZ 2. zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld Geschichte wird gemacht 3. zum Verfahren gegen Mumia Abu Jamal rassistische Todesurteile als Mittel politischer Unterdrückung 58 4. zur aktuellen Lage in Chiapas soziale Revolution in Mexiko 5. Demo-Sanitäter geben Auskunft zu neuen Techniken und Taktiken der Polizei 6. Wolfgang Grams ist tot das Fiasko der Lüge Rechtsstaat 7. I W d N und BdA stellen sich vor 8. Alle Drogen legal! die Sichtweise der Anarchisten 9. Auschwitz ist keine Lüge Vorbereitungstreffen zur Auschwitzfahrt 10. Was ist die Rote Hilfe? über die Rechtshilfeorganisation der Linken 11. Projekt O anarchistisch leben in unserer Zeit 12. Wir sind die wilden Horden - Wir plündern und wir morden Wir waschen uns nie - Anarchie!" Auch an einer PDS-Veranstaltung zum 1. Mai, die dem Thema "Sozial-abbau verhindern! Arbeit her! Aber wie?" galt, waren die Autonomen beteiligt. Ein enger Zusammenhang besteht weiter zu Bemühungen, eine Ortsgruppe der Roten Hilfe (RH) in Altenburg zu gründen. Diese 1975 auf Initiative der Kommunistischen Partei Deutschland/ Marxisten-Leninisten (KPD) gegründete Rechtsund Hafthilfeorganisation unterstützt heute große Teile des gesamten linken Spektrums, vor allem "politisch Verfolgte" und "politische Gefangene" in Deutschland. Sie selbst sieht ihre Perspektive darin, mit Solidaritätsund Antirepressionsarbeit das verbindende Element innerhalb der Linken zu sein. Ihre Aufgabe bestehe 59 darin, staatlicher Repression das Wasser abzugraben. Die Organisation steht in der Tradition der gleichnamigen kommunistisch gesteuerten Gruppierung der Weimarer Zeit. Ihre Mitgliederzahl stieg bundesweit auf 1.500 Personen an. Auch die Zahl der Ortsgruppen hat zugenommen. So wird in der Adressen-Rubrik der zugehörigen Szenepublikation Die Rote Hilfe (Nr. 3 / 4 , 1996) auch eine Ortsgruppe Erfurt aufgeführt. Aktivitäten gab es darüber hinaus in Weimar. Intensive Betreuung durch die RH erfuhren bis-lang Inhaftierte der RAF, Autonome, militante Kernkraftgegner, Totalverweigerer und Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Betrachtet man die Aktivitäten der autonomen Szene Thüringens insgesamt, fällt auf, wie wenig Resonanz bislang Aktionen der Anti-Atomkraft-Bewegung fanden. Bundesweit bilden die gegen die CASTOR-Transporte durchgeführten Kampagnen das Hauptagitationsfeld militanter Linksextremisten. Auch nach Beendigung des zweiten CASTOR-Transportes am 8. Mai kam es - trotz nachlassender Tendenz - immer wieder zu gefährlichen Eingriffen in den Bahnverkehr und anderen demonstrativen Aktionen. Es wurden Gleise besetzt und Bahnstrecken blockiert, Schwellen durchgesägt und Gleise unterhöhlt, Signalkabel durchgetrennt und Oberleitungen mit Wurfankern behängt... In der Nacht zum 7. Oktober fand eine koordinierte Anschlagserie statt. Betroffen waren Niedersachsen, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg. Unter dem Thema NIX3 wird für den Tag X bereits gegen den nächsten Transport mobilisiert und zu Widerstandsaktionen aufgerufen. In Thüringen selbst gab es bisher keine gravierenden Straftaten, die in Zusammenhang mit den CASTOR-Transporten nach Gorleben standen. Auch in den hier gängigen Szenepublikationen fehlten Aufrufe zu den bekannten Aktionsmodellen. Eine erste Demonstration wurde am 8. Oktober in Arnstadt mit 10 Teilnehmern durchgeführt. Künftige Aktivitäten militanter Kernkraftgegner sind nicht auszuschließen. Begrenzte Resonanz fanden in Thüringen auch Aufrufe zu Widerstandsaktionen gegen gentechnische Anlagen und Versuchsfelder. Der "heiße GentechnikHerbst mit Ackerbesetzung" - so ein Beitrag aus der anarchistischen Monatsschrift graswurzelrevolution (Ausgabe 212, Oktober) - blieb aus. Dennoch kam es auch im Freistaat zu sogenannten "direkten gewaltfreien Aktionen" gegen Freisetzungsversuche gentechnisch veränderter Pflanzen. So wurde am 26. Juni in Friemar nahe Gotha ein Versuchsfeld zerstört, in Hohlstedt (Kreis WeimarLand) die Aussaat des genmanipulierten Rapses verhindert. Protestaktionen gegen den Bau der Thüringer Waldautobahn/ICE-Trasse griffen über Monate hinweg ein spezifisch thüringisches Thema auf. Von September bis November riefen die Gegner des Autobahnbaus als Waldpiratinnen zu einem Thüringer Baumaktionscamp im Bettelmannsholz bei Marlishausen auf. Um die Abholzung des Waldes im Rahmen der Baumaßnahmen zu verhindern, besetzten sie Bäume, bauten Baumhütten und ketteten sich an Baumaschinen an. Mehrfach wurde polizeilich geräumt. Begleitaktionen fanden am 16. Oktober, am 17. November in Arnstadt und am 20. November in Suhl statt. Nordrheinwestfälische Autobahngegner organisierten eine Sympathieund Unterstützungsaktion. Neben einigen wenigen Mitgliedern der militanten autonomen Szene Thüringens waren an den Aktionen gegen den Bau der Thüringer Waldautobahn / ICE-Trasse auch Personen aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt. Am 27. November wies das Bundesverwaltungsgericht in Berlin die Klage, die der Bund für Umweltund Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Verkehrsprojekt eingereicht hatte, ab. Die Antifa Bitterfeld und die Gruppe R.O.T.K.Ä.P.CH.E.N. organisierten auch im Jahr 1996 wieder ein Antifa-Workcamp in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Die Veranstaltung, die vom 2 1 . bis 27. Juli stattfand, hatte neben Arbeitseinsätzen im kleinen Lager, am Krankenbau und der Genickschußanlage Vorträge und Diskussionsrunden im Programm - so u. a. über Kurdistan/Türkei, Irland, die Antifa (M) in Göttingen oder Antifa-Arbeit schlechthin. Camp-Teilnehmer waren am 24. Juli an einer friedlich verlaufenden Demonstration "gegen die rassistische Todesstrafe, Freiheit für Mumia Abu Jamal" beteiligt. Der farbige Journalist, ehemaliges Mitglied der Black-Panther-Bewegung, sitzt in den USA ein. Er wurde wegen angeblichen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt. Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern des Workcamps und Jugendlichen aus der rechten Szene blieben nicht aus. Neben Thüringern waren auch Personen aus anderen Bundesländern sowie aus Frankreich und Kurdistan am Camp beteiligt. Nach eigener Einschätzung waren mehr als 190 Personen an dem "Treffen von Antifaschistlnnen, Autonominnen, Punks und Punkinnen" beteiligt. Weitere Veranstaltungen wurden in der Gedenkstätte anläßlich des 5 1 . Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers am 14. April durchgeführt. Dem 52. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns am 18. August gedachten ca. 150 Personen. Unter ihnen auch Vertreter von PDS, KPF, DKP und KPD. Zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es anläßlich eines Punk-Konzertes am 24. August in Sonneberg. Unter den 150 Teilnehmern befanden sich auch militante Angehörige der örtlichen autonomen Szene. 5. Legendenbildung "Linker Revisionismus" als Baustein des politischen Extremismus Nach dem Untergang eines politischen Systems ist es naheliegend und üblich, Ursachenforschung für den Untergang zu betreiben und das untergegangene System als Ganzes, als eine in sich abgeschlossene Periode wissenschaftlich in den Blick zu nehmen. Insoweit bildet auch die Beschäftigung mit der DDR keine 61 Besonderheit. Die Flut der einschlägigen Publikationen ist kaum überschaubar; allerdings sind deutliche Schwerpunkte festzustellen: Während sich zu Beginn die Debatte bevorzugt auf das Ministerium für Staatssicherheit konzentrierte, kann jetzt bemerkt werden, daß eine zahlenmäßig reiche Publizistik auch zu folgenden Fragestellungen stattfindet: - War die DDR ein legitimer Staat, eine Alternative zum Kapitalismus? - War der staatstragende Antifaschismus ein verordneter oder ein real existierender? - Kann die DDR als stalinistisch bzw. totalitär bezeichnet werden? - Sind Sozialismus und Kommunismus als System diskreditiert? - Kann der "Klassengegner" ein gerechtes Bild von der DDR zeichnen? - Welche Stellung zu den bestehenden Verhältnissen muß eingenommen werden? Träger der Publizistik zu diesen Fragen sind bevorzugt Organisationen, die sich selbst als Bildungsvereine bezeichnen. In den neuen Ländern gibt es hiervon mindestens sieben; einer davon hat seinen Sitz in Thüringen. Selbst bei unterschiedlicher Themenstellung sind einige Grundaussagen in Publikationen dieser Bildungsvereine nahezu durchgängig vorhanden: - Beanspruchung des Monopols der DDR-Vergangenheit im Sinne der einzig objektiven Aufarbeitung - Umkehrung von Täter-Opfer-Verhältnissen - Kennzeichnung des Systems der Bundesrepublik Deutschland als reaktionär, unsozial und undemokratisch - Festhalten an der Idee des Sozialismus und Kommunismus in geläuterter Form eines demokratischen Sozialismus - Forderung nach einer neuen Verfassung bei gleichzeitiger Betonung der Verfassungstreue - Entschlossenheit im Kampf gegen das kapitalistische System bei Ausschöpfen gegebener rechtsstaatlicher Mittel. Es werden also zwei Dinge miteinander vermischt: die Geschichtsbeschreibung und die Schlußfolgerung für politisches Handeln in Gegenwart und Zukunft. Hierbei ist zu beachten, daß die Geschichtsbetrachtung, für die die Monopolstellung beansprucht wird, bewußt auf dem Fortschreiben von Legenden aufbaut. Auch diese Art von Geschichtsbetrachtung von untergegangenen Systemen ist nichts Neues. Sie fand und findet beispielsweise zur "Verniedlichung" der Verbrechen des Nationalsozialismus statt und wird mit der Vokabel des Revisionismus belegt. In der Tendenz vergleichbar, wenn auch mit völlig anderer Blickrichtung, präsentiert sich die Legendenbildung um die DDR. Legenden dieser Art sind die vom antifaschistischen Staat DDR, die Buchenwaldlegende, die Thälmannlegende, die Legende vom antifaschistischen Schutzwall, die Legende von 62 der Vollbeschäftigung in der DDR und die Legende vom Anschluß der DDR durch die imperialistische BRD. Beispiele hierfür zeigten sich im Anschluß an die Veröffentlichung des Dokumentarbandes "Der gesäuberte Antifaschismus"'0 , der die sogenannte Niethammer-Kontroverse1' auslöste, welche auch im Berichtszeitraum 1996 fortdauerte12. Ein jüngeres Beispiel stellt die Auseinandersetzung um dieThälmannlegende dar 13 , die den Widerstands-Mythos um den von den Nationalsozialisten ermordeten KPD-Führer Ernst Thälmann in Frage stellt. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist ein Aufmarsch von Mitgliedern der Kommunistischen Plattform Thüringens und anderer linksextremistischer Gruppen auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald am 18. August, dem 52. Jahrestag der Ermordung Thälmanns. Bei dieser Gelegenheit wurden Reden gehalten, bei denen die Redner auf "unseren Ernst Thälmann" und ihren Widerstand gegen die "Abwicklung des Antifaschismus" abhoben. Stellt man die Frage nach der Herkunft der revisionistischen DDR-Publizistik, so ist zwischen Autorenschaft und Finanzierung zu unterscheiden: Die Autorenschaft setzt sich bevorzugt aus "abgewickelten", also ehemaligen Mitgliedern der Hochschulen und des Parteiund Staatsapparates zusammen, die sich unter dem Schlagwort "Wir-lassen-uns-unsereBiographien-nicht-kaputtmachen" äußern. Die Finanzierung der zum Teil aufwendig gestalteten Bücher ist allerdings unklar. 6. Terroristische Gruppierungen Terrorismus ist der militant geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten wie Mord, Totschlag, erpresserischen Menschenraub, Brandstiftung oder durch andere Gewalttaten, die der Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Terroristische Aktionen der Roten Armee Fraktion (RAF), der Revolutionären Zellen (RZ) und der aus ihren Zusammenhängen entstandenen Frauengruppe "Rote Zora" blieben 1996 aus. Auch die Antiimperialistische Zelle (AIZ), die noch 1995 als die gefährlichste und unberechenbarste terroristische Gruppierung galt, wurde nach der Festnahme zweier mutmaßlicher Mitglieder im Februar nicht mehr aktiv. 0 Lutz Niethammer (Hg.), Der gesäuberte Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald. Berlin 1994. 1 Vgl. Thüringer Verfassungsschutzbericht 1994, S. 16. 2 Vgl. z. B.: Klaus Höpcke, Freiwillig wurde, war und bin ich Antifaschist, in: Geordnete Verhältnisse? 3 Vgl. Thilo Gabelmann, Thälmann ist niemals gefallen? Eine Legende stirbt. Berlin 1 996. Dennoch kann nicht von einer generellen Verminderung der Bedrohungssituation ausgegangen werden. So hält die RAF zwar momentan an ihrem 1992 propagierten Kurs fest, meldete sich jedoch erstmals seit 1994 wieder zu Wort. Ihre Erklärungen machen deutlich, daß sie auch künftig als handlungsfähige und - willige Gruppierung zu betrachten ist. Thüringen selbst blieb von terroristischen Aktivitäten linksextremistischer Gruppierungen verschont. 6.1 Rote Armee Fraktion (RAF) Die RAF, die erstmals 1970 in Erscheinung trat, hatte ihre theoretischen Grundlagen im Leninismus. Sie war die gewalttätigste Terrorgruppe in Deutschland. Im April 1992 erklärte sie das Scheitern ihrer bisherigen "bewaffneten Politik" und kündigte eine vorläufige Einstellung tödlicher Anschläge an. Gleichzeitig rief sie zur politischen Neuorientierung auf. Ihr Ziel sei der Aufbau einer "Gegenmacht von unten". Dieser Schritt hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das bislang stabile RAFGefüge. Innerhalb des Umfeldes von Personen und Gruppierungen, die seit Jahren offen die Politik der RAF betrieben, Solidaritätsaktionen für inhaftierte RAFMitglieder durchführten und Kontakte zu Illegalen unterhielten, wurde verstärkt über den Zustand und die Perspektiven revolutionärer Politik diskutiert. In der Folge spaltete sich sowohl dieser Personenkreis als auch die inhaftierten RAFMitglieder selbst in Befürworter und Ablehner ("Hardliner") der "neuen Politik". Seit ihrer letzten Erklärung vom 6. März 1994, in der sie die mangelnde Resonanz auf ihre Initiative kritisierte, meldete sich die RAF erstmals wieder im November und Dezember zu Wort. Anlaß für ihre Erklärung vom 29. November war die Selbststellung von Christoph Seidler, der 1984 untergetaucht war und wegen des Verdachts der Beteiligung am Herrhausen-Attentat 1989 mit Haftbefehl gesucht wurde. Er hatte sich im Rahmen des sog. "Aussteigerprogrammes" des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) am 22. November den Behörden gestellt. In seinen Aussagen hatte er auch Angaben über sein Exil gemacht. In dem für den Herrhausen-Mord relevanten Zeitraum habe er sich im Libanon aufgehalten. Die RAF, die seine Angabe, ihr nie angehört zu haben, bestätigte, kritisierte jedoch sein Vorgehen: "Aussagen über illegale Strukturen und geheime Orte des Exils sind und bleiben absolut abzulehnen". In einem weiteren Schreiben vom 9. Dezember reagierte die RAF auf eine Forderung, die ihre inhaftierten Mitglieder Birgit Hogefeld und Helmut Pohl erhoben hatten. Beide hatten vorgeschlagen, die Auflösung der Gruppe zu erklären. Die RAF bestätigte jedoch, daß auch in Zukunft mit ihr zu rechnen sei. Das frühere RAF-Konzept halte sie jedoch nach wie vor für überholt. Eine "modifizierte Neu64 aufläge des Alten" werde es nicht geben. Der aus ihrer Sicht notwendige Schritt, in einem gemeinsamen Diskussionsprozeß mit der Linken neue revolutionäre Konzepte zu entwickeln, habe sich als "sehr langwieriges Projekt" herausgestellt: "Deshalb werden wir es demnächst doch unabhängig davon und doch wieder nur als RAF machen.". Das bereits erwähnte, von Christoph Seidler in Anspruch genommene, "Aussteigerprogramm" des BfV soll Mitgliedern terroristischer Vereinigungen die Möglichkeit zur Umkehr geben. Neue terroristische Aktionen sollen so verhindert Intenieu rm{ iklmut P<:hi uih1' dw VuliUk da RAF "Wir müssen jetzt Wege zur Entlassung finden" ".'HuwhJwihikuui.iac-"u',i;.%ididk*Gt.*.tun.stiteudtfCieian*irti/. MiKlii-lUik-Lwwn... K11H ßeüfet/h imtiifai DiptomthnGvIIM H-jiimii;il\l. I W J H . / f-iri '/.usavis, hl ... mU.ilk.n .',is mit l-'S-kbi^uoKkn.dilicttcXad.ilxt t u t t i i " i tippen. 1 ! tid du-.irtkiui JKmseierMdmmijdasgc'ept. das KAI }>!* (t.ttmi .".isBeulil V, t-%u-llt " ide". Am "v.Uf \ o m l l k W n hu'ist.iherU-mvOis.fcu! i. Stik-ik ---lull ie ist v t a ^ i t ^ l . l t L ' l v u . i),is ist kritii. ,in tms (Id'.miyiitn; Wir ruK. ,tf> dt.-iit!ii-!Mm"k'. iljfä Hii . d o i n m e n , \on u"%,sus crU.lr"! if.Sc.ii> int hl ueiifci"ehett kism. Aki u k - n d.inuK i;"U-l>t. da* gi'ht i*hi.*L-i ul dringen " ( m i h i durch. Die u m J ^ t L m l c n "sivn uns a m h vuifcic h zu nisj,"" kiiimtf". iU'itue^iiiitk'lflngnis d e i n / v h isoliert, auch nicht ^agen, w)$ - ,dks let/f Üdi bedeutet und m c es \wisollen " m ! Irul/dem haften wir damit f.iuskfrttimi'ii mihu-t! \Vf>iiig>K*n$ l u t - n\ir(k*nl'msj:rdrattf9.-k'Pt,aisfmi!5ei" *iiijjwdjnuk 'nd "I. iuberi im I l u n g e r t r d k "89iKJcb "ii.il M-'MK ht.dk"!*.* gnindsät/hche Ncu(.*tHitiiitiHein/uk.'itcn. Danarh ober unDi.m-ui ILIMIII. dnlUlie KW die i-in*lltinnttci ALtifHitii erklärt und djtm po~ M!K- t ^ U u M k n . ftAri der C-cfafigg tht!\-rlc fcinknwS lcfiH'iil>lskiisiii>iH..f* vl.tioiu.-n betrifft. Angehörigen-Info, u.a. herausgegeben von Angehörigen und Freunden inhaftierter Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) 65 werden. Der Haftbefehl gegen Seidler wurde inzwischen aufgehoben. Auch zwei weitere mutmaßliche RAF-Mitglieder, die gesucht werden, Barbara Meyer und Sabine Callsen, erwägen, sich den Behörden u. U. zu stellen. Die RAF selbst lehnt das "Aussteigerprogramm" in ihrem Schreiben vom 29. November jedoch ab: "Aussteigerprogramm und Kronzeugenregelung sind zwei Seiten einer Medaille. Illegale oder Gefangene sollen dazu gebracht werden, sich zum Werkzeug des Staatsschutzes zu machen und so nicht nur die Genossinnen, sondern auch ihre eigene Geschichte zu verraten. In diesem Sinn zielt das Aussteigerprogramm auf 'die prinzipielle Denunziation linker militanter Politik'." 6.2 Revolutionäre Zellen (RZ) / Rote Zora Die RZ und die aus RZ-Zusammenhängen entstandene Frauengruppe "Rote Zora" führten 1996 keine terroristischen Anschläge durch. Bisher hielten sie unverändert an ihrem Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung Sozialrevolutionär zu überwinden, fest. So bekannte sich die Rote Zora noch 1995 in einem Selbstbezichtigungsschreiben zu einem Sprengstoffanschlag. Ihre terroristischen Aktionen führten RZ und Rote Zora nicht aus dem Untergrund aus, sondern ausgehend von sogenannten "Zellen", d. h. konspirativen Strukturen in der "Legalität". Bei der Auswahl ihrer Anschlagsziele setzten sie auf Vermittelbarkeit ihrer Absichten in der Bevölkerung. Sie wollten politische Kampffelder zuspitzen und Protest erzeugen. In Strategiediskussionen der militanten linksextremistischen Szene findet vor allem ihre "Zellen"-Struktur nach wie vor großes Interesse. 6.3 Antiimperialistische Zelle (AIZ) Aufgrund von vier Sprengstoffanschlägen galt die AIZ noch 1995 als aggressivste und gefährlichste linksterroristische Gruppierung. 1996 gingen von ihr keine Aktivitäten aus. Die AIZ hatte sich gebildet, als die RAF im April 1992 das Scheitern ihrer bisherigen "bewaffneten Politik" erklärte und gleichzeitig ankündigte, "gezielt tödliche aktionen" gegen Repräsentanten aus Staat und Wirtschaft vorerst auszusetzen. Die AIZ hielt diesen Weg für Revisionismus. Sie kündigte an, eigene Formen "militanter Politik" zu entwickeln. Die Ziele und Überlegungen der RAF bis zum Mordanschlag auf Dr. Detlev Karsten Rohwedder, dem Leiter der Treuhandanstalt, im April 1991 galten dabei als Orientierung. Eine erste Anschlagserie der AIZ brachte folgende Bilanz: - Brandanschlag auf das Gebäude der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg 66 November 1992 - Brandbarrikaden-Aktion in Solingen August 1993 - Schußwaffenanschlag auf das Gebäude des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall in Köln November 1993 - Sprengstoffanschläge auf Parteigebäude der Kreisgeschäftsstelle der CDU in Düsseldorf und der Landesgeschäftsstelle der FDP in Bremen Juni/September 1994. Im November 1994 kündigte die AIZ neue Schwerpunkte für ihre Politik an: "dort militant/bewaffnet anzugreifen, wo die brd-eliten ihre arbeitsplätze bzw. ihre Wohnsitze haben". Drei Sprengstoffanschläge gegen Wohnhäuser von CDU-Politikern und ein weiterer auf das Gebäude des peruanischen Honorarkonsulates in Düsseldorf waren das Ergebnis im Jahr 1995. Bei den Anschlägen, die die AIZ selbst als "potentiell tödliche aktionen" bezeichnet, wurde auch eine Gefährdung unbeteiligter "Dritter" billigend in Kauf genommen. Mit Bernhard Falk und Michael Steinau wurden am 25. Februar zwei mutmaßliche AlZ-Mitglieder festgenommen. Ihre Festnahme stand in Zusammenhang mit der Räumung von Erddepots in der Nähe von Berlin, in die sie etwa zwei Wochen zuvor mit Schwarzpulver gefüllte Flaschen eingelagert hatten. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof erließ auf Antrag des Generalbundesanwaltes am 26. Februar gegen beide Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wegen versuchten Mordes, Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a. Im April/Mai und Oktober/November führten Falk und Steinau Hungerstreiks durch, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Die Resonanz aus dem linksextremistischen Spektrum blieb gering. Bereits die "potentiell tödlichen" Anschläge der AIZ waren in diesem Kreis massiv kritisiert worden. Als "verantwortungslos, skrupellos und feige" wurden sie verurteilt. Ebenso stieß die Bezugnahme der AIZ auf revolutionär-islamische Gruppierungen - im Iran, in Palästina, Algerien und der Türkei - auf Ablehnung. Sie führte zu einer weitgehenden politischen Isolierung des Zusammenschlusses im linksextremistischen Spektrum. 6.4 Untergrundzeitschrift radikal Aufgrund des Verdachtes der Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung gemäß SS 129/129a des Strafgesetzbuches wurden am 13. Juni 1995 auf Anordnung der Bundesanwaltschaft bundesweit mehr als 50 Wohnungen und Arbeitsräume von einzelnen Personen, Gruppen und Projekten durchsucht. Es wurde vermutet, daß sie nicht nur an Herstellung und Verbreitung der radikal beteiligt wären, sondern darüber hinaus auch Kon67 Szeneschritt radikal takte zur AlZ, zu K.O.M.I.T.E.E. und RAF hätten. Vier der acht Hauptverdächtigen konnten sich damals ihrer Verhaftung entziehen und untertauchen. Zum ersten Jahrestag dieser bundesweiten Exekutivmaßnahme gegen die Hersteller und Verbreiter der radikal stellten sich am 15. Juni drei der vier mit Haftbefehl gesuchten Hauptverdächtigen: Ullrich Faltin, Jutta Weißbach und Frank Großkinsky. Faltin und Weißbach wurden am Tag nach der Festnahme gegen Auflagen entlassen, Großkinsky am 19. September. Der vierte Hauptverdächtige, Matthias Garke, stellte sich am 26. November den Behörden. Er wird verdächtigt, an Straftaten der AlZ beteiligt gewesen zu sein. Der Haftbefehl wurde inzwischen gegen Zahlung einer Kaution (20 000 DM) außer Vollzug gesetzt. 68 7. Linksextremistische Straftaten 7.1 Zahlenspiegel erwiesener oder zu vermutender linksextremistischer Straftaten Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund Bund Thüringen 1994 1995 1996 1994 1995 1996 Straftaten insgesamt: 637 537 654 28 24 59 davon: gegen politische Gegner 187 73 83 4 7 20 Sonstige 450 464 571 24 17 39 Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund 1996 in Thüringen (unterschieden nach bestimmten Delikten) 1995 1996 Straftaten insgesamt: 24 59 davon sind hervorzuheben: Raubüberfälle 0 1 Körperverletzung 1 7 Sachbeschädigung mit Gewaltanwendung 1 1 Landfriedensbrüche 2 12 Widerstandshandlungen 2 6 Schmierereien mit politischem Inhalt 11 10 Vergleicht man die Zahl linksextremistischer Straftaten 1996 in Thüringen mit den Angaben der vorangegangenen Jahre, fällt eine enorme Steigerung auf. Während 1994 28 und 1995 lediglich 24 Delikte verübt wurden, weist die Statistik für 1996 59 Straftaten aus. Das ist eine Zunahme um mehr als 100 %. Die leichte rückläufige Tendenz des Vorjahres hat sich umgekehrt. Bundesweit hingegen weist die Zahl von Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund nur einen leichten Zuwachs auf. Propagandadelikte, die in den letzten Jahren auch in Thüringen an erster Stelle standen, nehmen mit 10 Vorfällen noch immer eine der vorderen Positionen ein. Der Umstand, daß sie inzwischen zahlenmäßig hinter den sog. Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner zurückstehen, verdeutlicht eine bedenkliche Entwicklung. 20 derartige Delikte gab es 1996 und somit einen sprunghaften Anstieg (1995 7). Bereits im Vorjahr war ein Zuwachs zu verzeichnen (1994 4). Hinzu kommt ferner, daß insbesondere schwerwiegende Delikte zunehmen: Kör69 perverletzung (1996 7 - 1995 1) und Landfriedensbruch (1996 12 - 1995 2). Eine wachsende latente Gewaltbereitschaft wird immer öfter aktiv in Gewalttätigkeiten umgesetzt. Daß es unter diesen Umständen nicht wie im Vorjahr einen Todesfall gab, darf wohl eher als Zufall gelten. 7.2 Ausgewählte Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund Tätliche Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linksund rechtsextremistischen Szene traten unter den 1996 verübten Straftaten am häufigsten auf. Fast immer handelte es sich bei den Tätern um Jugendliche. Zu denen, die bereits einschlägig in Erscheinung traten, kamen immer wieder Neueinsteiger, die bei gewalttätigen Aktionen erstmals auffielen. Ihr Angriffsziel bildeten fast ausschließlich rechtsorientierte Altersgenossen. Vermummt und bewaffnet mit Schlagwerkzeugen, wurden sie überfallen. Die Vorgehensweise zeigt dabei eine deutliche Zunahme der Gewaltbereitschaft an. Auch schwere Körperverletzungen werden billigend in Kauf genommen. Hinzu kommt, daß die Auseinandersetzung mit den Rechten geradezu gesucht wird. Die Jugendlichen, die sich selbst als linksorientiert und antifaschistisch verstehen, gehen bewußt gegen die "politisch Andersdenkenden" vor. Ein konkretes politisches Ziel verfolgen sie jedoch nicht. Linksextremistische Ideologieansätze sind nicht gefestigt. Der Begriff des Jugendextremismus trägt dieser Besonderheit Rechnung und faßt die Spezifika dieser Erscheinung im Vorfeld eines Linksextremismus im engeren Sinne. Die Schaffung von Freiräumen und eine ungehemmte Entfaltung der eigenen Person sind das unmittelbare "unpolitische" Ziel der Jugendlichen. Den Schwerpunkt der Gewalttätigkeiten bildet nach wie vor der Raum Saalfeld/Rudolstadt. Mehr als 100 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12-25 Jahren gehören zum Umfeld der dortigen Szene. Den aktiven Kern bilden 20-30 Personen. Die meisten aus dieser Gruppe treten erst seit 1995 in Erscheinung. Die Szene selbst - seit 1991 aktiv - beschäftigt sich vornehmlich mit spontanen Gewaltaktionen, Ausschreitungen gegen mutmaßliche oder tatsächliche "Rechte" und gegen einschreitende Polizeikräfte. Hausbesetzungen und Demonstrationen mit z. T. hohen Personenund Sachschäden sind ein weiteres Betätigungsfeld. Eine direkte Beteiligung an bundesweiten Aktivitäten gab es 1996 nicht, wohl aber eine Anlehnung an die überregionale Beschäftigung mit der "Antifaschismus"-Thematik, Ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen tritt auch mit allgemein kriminellen Delikten wie beispielsweise Diebstahl in Erscheinung. Übergreifende Strukturen sind in der Szene von Saalfeld/Rudolstadt nicht erkennbar. Vereine traten bisher nicht in Erscheinung. Öffentliche Verlaut- barungen in der Presse, Szenepublikation oder Mailbox-Nutzung sind nicht bekannt. In beiden Städten existieren jedoch bevorzugte Treffpunkte der Szenemitglieder. Nur einige von den zahlreichen "Unternehmungen" des letzten Jahres seien hier genannt. So bedrohten beispielsweise 8 Jugendliche am 8. Februar im Stadtgebiet von Saalfeld die Insassen eines parkenden PKW. Mit Äxten, Baseballschlägern und einem Vorschlaghammer zerschlugen sie Scheiben und Lampen des Autos, bevor sie flüchteten. Der Fahrer des beschädigten Fahrzeuges wurde durch Glassplitter verletzt. Bereits am 22. Januar wurden während eines Polizeieinsatzes in der Nähe des Rudolstädter Jugendhauses bei zwei Personen ein Butterfly-Messer, ein Schlagstock und eine Eisengliederkette sichergestellt. Auch hier war zuvor der PKW eines bekannten Angehörigen der rechten Szene durch Steinwürfe und Schläge mit Baseballschlägern beschädigt worden. In Remda/Landkreis Saalfeld-Rudolstadt griffen am 12. April 10 bis 15 Angehörige der linken Szene in einer Diskothek mehrere "Rechte" mit Schlagstöcken an. Dabei erlitten zwei Jugendliche Kopfverletzungen. In Neuhaus am Rennweg fuhr ein Jugendlicher, der sich selbst als "Linker" bezeichnet, einen mutmaßlichen "Rechten" mit dem Auto an. Knieverletzungen und ein HWSSchleudertrauma sind die Folge. Immer wieder werden bei den Auseinandersetzungen zwischen den linksbzw. rechtsorientierten Jugendlichen oder Jugendgruppen Waffen oder "waffenähnliche Hilfsmittel" eingesetzt: Pflastersteine, Flaschen, Molotowcocktails, Schlagstöcke, Baseballschläger, Butterfly-Messer, Eisenstangen, Schreckschußpistolen. Parolen wie "Antifa heißt Angriff" und "zerschlagt die Faschobanden", die in Rudolstadt im Zusammenhang mit dem Rudolf-Heß-Marsch eingesetzt wurden, bringen Einstellung und Vorhaben dieser Jugendlichen prägnant zum Ausdruck. V. Verflechtungsund Vernetzungsbestrebungen von Extremisten Flugblätter, Handzettel, Zeitungen, Szeneschriften, Bücher, Kontaktadressen und Infoläden gehören zu den herkömmlichen Kommunikationsmitteln und -möglichkeiten von Extremisten. Mit ihrer Hilfe werden Informationen ausgetauscht, wird agitiert und mobilisiert. Organisationen werden vorgestellt, Anschriften und Telefonnummern verbreitet, Literatur und Musik angeboten, Rechercheergebnisse und Propagandamaterialien zugänglich gemacht. Neben Infotelefonen, Telefonketten und Mobiltelefonen werden bereits seit den 80er Jahren auch computerunterstützte Techniken genutzt, um die Kommunikation unter den Szenemitgliedern zu verbessern. Mobiltelefone, in der linksund rechtsextremistischen Szene weit verbreitet, werden insbesondere eingesetzt, um Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen zu steuern. Unabhängig von örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten ermöglichen sie es, kurzfristig Informationen auszutauschen und anstehende Entscheidungen zu fällen. Besonders Aktivisten der Szene bedienen sich ihrer häufig. Infotelefone, regional oder auch bundesweit installiert, dienen der Verbreitung von Terminen und Kurzinformationen. Oftmals werden dazu Anrufbeantworter eingesetzt. Auch bei den Nationalen Infotelefonen (NIT) der Rechtsextremisten handelt es sich um Anrufbeantworter. Besonders im Vorfeld größerer Veranstaltungen werden sie mit den einschlägigen Informationen versehen. Daß diese nicht nur den Szenemitgliedern, sondern auch unerwünschten Anrufern, politischen Gegnern und Behörden, zugänglich sind, wird bei der Auswahl und Speicherung der Texte berücksichtigt. Vertrauliche oder brisante Informationen werden daher nicht aufgenommen. Mehrere nationale und regionale Infotelefone sind bekannt, eines von ihnen befindet sich in Thüringen. Die im August installierte Anlage ist die erste in den neuen Bundesländern. Betreiber des NIT Mitteldeutschland ist der Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Frank Golkowski. Telefonketten hingegen werden von Linksextremisten bevorzugt. Werden Aktivitäten ihrer "faschistischen" Gegner bekannt oder auch staatliche "Repressionsmaßnahmen", wird über ein zentrales Notrufund Infotelefon Alarm ausgelöst. Er erreicht über festgelegte Verteiler in kürzester Zeit alle angeschlossenen Gruppen und Personen. Ein weiteres effizientes Hilfsmittel für Extremisten sind Computernetzwerke, die auf dem Prinzip miteinander verbundener Mailboxen basieren. Mit Hilfe eines Modems werden Daten zwischen Computern über die Telefonleitungen ausgetauscht. Eine zusätzlich installierte Software ermöglicht es, selbständig Verbindungen aufzubauen und somit jederzeit Daten zu empfangen bzw. zu senden (Mailbox bzw. elektronischer Briefkasten). Da die Nachrichten zu verschlüsseln sind und unerwünschte Benutzer durch die Vergabe gesonderter Zugangsberechtigungen ausgegrenzt werden können, wird auf diese Weise eine Kommunikation möglich, die kaum Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen unterliegt. Man unterscheidet zwischen Mailboxverbundsystemen, die die Extremisten selbst aufbauen und in Eigenregie nutzen, sowie kommerziell betriebenen Systemen, die von ihnen mitgenutzt werden. Das rechtsextremistische Thule-Netz und linksextremistische SpinnenNetz gehören zur ersten Gruppe, das System ComLink in die zweite. Das Thule-Netz bilden in Deutschland 15 Mailboxen. Drei von ihnen befinden sich in den neuen Bundesländern. In Thüringen selbst gibt es nur Nutzer des Netzes, aber keine integrierte Mailbox. Zu dem Mailboxverbundsystem SpinnenNetz gehören gegenwärtig drei Mailboxen. Gruppierungen der radikalen Linken sollen über sie schnell Informationen erhalten können. 72 ComLink, abgekürzt für Computernetzwerk Linksysteme, ist der deutschsprachige Teil des internationalen Netzes Association for Progressive Communication (APC). Zur Zeit sind mehr als 200 Mailboxen in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschlossen. Nur einige von ihnen werden von Linksextremisten betrieben bzw. überwiegend genutzt. Zu den einzelnen Themenangeboten sind spezielle Nachrichtenbretter eingeführt. Daß Extremisten diese Mailboxverbundsysteme zu politischer Agitation und Information nutzen, ist heute selbstverständlich. Zunehmend gilt ihr Interesse dem weltweit größten Datenverbundsystem, dem Internet. In diesem Computernetzwerk sind derzeit über drei Millionen Rechner angeschlossen, schätzungsweise 40 bis 50 Millionen Nutzer gibt es weltweit. Den Zugang in das Netzwerk erhalten die Nutzer über Firmen im Inund Ausland, sogenannte Provider. Im Internetdienst World-Wide-Web (WWW) ist die rechtsextremistische Szene über den Mailboxverbund Thule-Netz vertreten, ferner die NPD samt ihrer Jugendorganisation JN. Für die linksextremistische Szene ist insbesondere die Einbringung der Untergrundzeitschrift radikal erwähnenswert. Auch die militante Göttinger Autonome Antifa (M) ist vertreten. Ihr Provider befindet sich jedoch in den Niederlanden. Die weltweiten Computernetzwerke ermöglichen den Extremisten sowohl eine nationale wie auch eine internationale Vernetzung und Agitation. Für die Sicherheitsbehörden ist die Beobachtung dieser Aktivitäten auf Grund der enormen Datenmengen aus den verschiedenen Netzdiensten mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Hinzu kommt, daß die Netz-Nutzer mittels fiktiver Adreßnamen eine gewisse Anonymität wahren und durch den Einsatz von Verschlüsselungssystemen Informationen schützen können. Auch die Verfolgung strafrechtlich relevanter Inhalte in diesen Netzen ist schwierig. Wenn der Provider seinen Sitz im Ausland hat (radikal, Autonome Antifa (M)), sind die Möglichkeiten noch begrenzter. Ein aktuelles Beispiel für die Nutzung des Internets auch durch Thüringer Extremisten bietet die Anarchistische Internetzeitung (AIZ) aus Jena. Sie wird im Internet-Dienst World-Wide-Web (WWW) verbreitet. Die Einstellung erfolgte über einen Zugang im Rechenzentrum der Universität Jena, der so mißbräuchlich genutzt wurde. Die AIZ sollte Informationen zum Thema "Anarchismus" sammeln und verbreiten. Ferner bietet sie auch für "politische Neulinge" ein Diskussionsforum. Insgesamt gesehen, steht die Nutzung des Internets durch deutsche Extremisten erst am Anfang. Sowohl die Zahl der Nutzer als auch die Fülle inhaltlich einschlägiger Angebote dürfte zunehmen. 73 V I . Ausländerextremismus Extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern In Deutschland leben inzwischen rund 7 Millionen Ausländer. Auch die Zahl ausländischer Mitbürger in Thüringen stieg im vergangenen Jahr an. Etwa 21 000 von ihnen leben hier. Die aus 150 Nationen stammenden Menschen bilden weiterhin kaum 1 % der Thüringer Bevölkerung. Wie im gesamten Bundesgebiet ist auch in Thüringen die überwiegende Mehrheit der ansässigen Ausländer an einem friedlichen Zusammenleben interessiert und lehnt extremistische Verhaltensweisen ab. Die Gründe für den Versuch dieser Menschen, in Deutschland eine neue Heimat zu finden, sind vielfältig. Oftmals wollen sie unbefriedigenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen in den Heimatländern entkommen, oder sie fliehen vor ungelösten ethnischen und religiösen Problemen. Das auch in Thüringen überwiegend konfliktfreie Zusammenleben mit Ausländern wird partiell durch extremistische Gruppierungen gestört. Sie meinen, Probleme in ihren Heimatländern vom Boden der Bundesrepublik aus lösen zu können. Von dieser Überzeugung ausgehend, inszenierten ausländische Extremisten und Terroristen in der Vergangenheit immer wieder Gewaltaktionen wie Brandanschläge gegen Geschäfte, Moscheen und Kulturvereine, sie besetzten Konsulate, Reisebüros und Banken. Mit diesen Aktivitäten glauben die Extremisten den Forderungen nach Veränderungen in ihren Heimatländern Nachdruck verleihen zu können. Sie versuchen die Bundesrepublik mit ihren Handlungen unter Druck zu setzen. Durch die Verbreitung von Propagandaschriften werben sie unter ihren Landsleuten für die Ideen und Vorgehensweisen der jeweiligen Organisationen. So gelingt es ihnen durch ihre Agitation auch immer wieder, zu Protestveranstaltungen und Großdemonstrationen aufzurufen. Aufgrund anhaltender gewalttätiger Aktionen bestimmter extremistischer Gruppierungen in der Bundesrepublik befaßt sich auch das TLfV weiterhin intensiv mit Aktivitäten und Strukturen im Umfeld der in Thüringen lebenden Ausländer. Bundesweit gehören rund 61 000 Personen einer extremistischen Vereinigung an. Das sind nur rund 1 % aller in Deutschland lebenden Ausländer. Dazu kommen etwa 11 500 Sympathisanten der entsprechenden Organisationen. Das größte Mitgliederund Anhängerpotential ist dabei mit rund 35 000 weiterhin bei den islamisch-extremistischen Gruppierungen zu finden. Zu den Linksextremisten gehören inzwischen 20000 Mitglieder, 8100 sind extrem nationalen Gruppen zuzuordnen. Vergleicht man die Zahlen von Mitgliedern und Anhängern extremistischer Organisationen in Thüringen mit den genannten Bundes74 zahlen, sind sie verschwindend gering. Während es nur einige wenige Mitglieder entsprechender Organisationen gibt, beläuft sich das Sympathisantenpotential auf etwa 250 Personen. Zu den wichtigsten Gruppierungen und Parteien von Ausländern, die in der Bundesrepublik politisch-extremistisch tätig sind, gehört neben der linksextremistischen Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und der ebenfalls linksextremistischen Devrimci Sol (Dev Sol) vor allem die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Weltweit leben etwa 25 Millionen Kurden, verteilt auf die Türkei, den Iran, Irak, Syrien und Armenien. In den einzelnen Nationalstaaten setzen sich verschiedene Kurdenorganisationen schon seit Jahren mit unterschiedlichen Mitteln für eine stärkere Autonomie ihrer Landsleute, die dort eine Minderheit bilden, ein. Unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ca. 2,5 Millionen türkischen Staatsangehörigen sind etwa 500 000 kurdischer Abstammung. Als einzige legitime Vertretung ihrer spezifisch kurdischen Interessen definiert sich die PKK. Die PKK wurde 1978 von ihrem heutigen Führer Abdullah Öcalan gegründet und stellte sich bisher als eine den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus verpflichtete, straff organisierte Kaderpartei dar. Der militärische Teil der PKK ist die in den Kurdengebieten operierende Guerillatruppe Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK). Die 1985 gegründete Teilorganisation Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) ist auf internationaler Ebene für die Öffentlichkeitsarbeit der PKK zuständig. Darüber hinaus bedient sich die PKK mehrerer rechtlich selbständiger Nebenorganisationen. Mit diesen Verbänden versucht sie, sowohl in der Türkei als auch im westlichen Ausland ihren Rückhalt in der kurdischen Bevölkerung zu festigen und für ihre Ziele zu werben. In der Bundesrepublik trat die PKK in den letzten Jahren als terroristische Vereinigung in Erscheinung und setzte sich mit brutalen Anschlägen, vornehmlich gegen türkische Einrichtungen, in Szene. Etwa 9000 Personen werden der PKK in Deutschland zugerechnet, 50000 gelten als Sympathisanten. Im November 1993 wurde die Organisation in Deutschland verboten. Seitdem operiert sie konspirativ unter dem Deckmantel zahlreicher neu gegründeter Vereine. Auf diese Weise versucht die PKK, ihren Einfluß unter der kurdischen Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Nicht selten werden dabei auch kurdische Landsleute im Interesse der "gemeinsamen Sache" massiv unter Druck gesetzt. Konkurrierende kurdische Organisationen werden auszuschalten versucht. In letzter Zeit betont Öcalan zunehmend die nationale Komponente der PKKIdeologie. Im Mai 1996 kündigte er an, auf Gewaltanwendung in Deutschland 75 Fahne mit altem Symbol der ArbeiFahne mit neuem Symbol der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), gültig bis terpartei Kurdistans (PKK), gültig ab 1995 Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan N a t i o n a l L i b e r a t i o n F r o n t of K u r d i s t a n Nationale Befreiungsfront Kurdistans Fahne mit Symbol der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) 76 zunächst zu verzichten. Auf politischem Wege wolle er die deutsche Öffentlichkeit für das kurdische Anliegen gewinnen. Wie ernst gemeint diese Ankündigung ist, wird sich zeigen. Auch in Zukunft dürfte es der PKK gelingen, eine große Anzahl Menschen zu mobilisieren. Nach wie vor baut sie ihre Organisationsstrukturen in Deutschland aus. In Thüringen versuchte die PKK in den vergangenen Jahren u. a. über in Hessen ansässige Kurden, entsprechende Strukturen aufzubauen und ihre Ideologie zu verbreiten. Mittlerweile scheint dies gelungen zu sein. Der Großraum Erfurt ist als eigenständiges Teilgebiet von der PKK erschlossen. Hauptamtliche Funktionäre, sogenannte Aktivisten, sind fest ansässig und agieren im Sinne der Partei. So werden z. B. kurdische Asylbewerber in den Thüringer Gemeinschaftsunterkünften durch Aktivisten der PKK aufgesucht und zur Teilnahme an Schulungen, Veranstaltungen und Demonstrationen veranlaßt. Dabei werden die Heimbewohner auch mit Propagandamaterial versorgt, das in die Unterkünfte geschmuggelt wird. 14 So wurden z. B. anläßlich der verbotenen Veranstaltung zum Newroz-Fest am 16. März in Dortmund insgesamt 80 Kurden von der Polizei in Thüringen festgestellt und an der Weiterreise nach Dortmund gehindert. Die Personen kamen überwiegend aus Thüringer Gemeinschaftsunterkünften. Sie stellen nur einen geringen Teil des mobilisierbaren Potentials dar. Im vergangenen Jahr war eine starke Zunahme von türkischen und kurdischen Gewerbebetrieben zu verzeichnen. Etwa 170 von ihnen gibt es inzwischen. Ein Großteil der Inhaber oder Betreiber sind Kurden. Aufgefallen ist dabei der systematische Aufbau mehrerer Grill-Ketten. Die Betreiber derartiger Einrichtungen sind erfahrungsgemäß an den jeweiligen kurdischen Arbeitgeberverband angeschlossen. Spendengelder werden von ihnen regelmäßig abgeführt. Daneben sind weiterhin jährliche Spendenaktionen bekannt. In den vergangenen Jahren kamen in Thüringen dabei immer mehr als 100.000 DM zusammen. Die Höhe dieses Betrags läßt Zweifel aufkommen, ob die "Spender" immer freiwillig aktiv werden. Neben den regelmäßigen monatlichen Spenden muß schließlich bei der jährlichen Spendenaktion zusätzlich ein Monatsgehalt zur Verfügung gestellt werden. In Abweichung zur bisherigen Praxis der Abführung von Spendengeldern nach Kurdistan liegt nunmehr die Vermutung nahe, daß ein Teil des Spendenaufkommens in Gewerbebetriebe reinvestiert wird. Zu Unterund Nebenorganisationen der PKK wurden in Thüringen noch keine Strukturen festgestellt. Kurdische Kulturvereine etc. sind nicht existent. Das Bekanntwerden von Veranstaltungen der PKK wird vom Thüringer Innenministerium regelmäßig zum Anlaß genommen, durch Hinweise an die Ausländerbehörden und die Betreiber der Unterkünfte eine Teilnahme zu unterbinden. In den Unterkünften festgestellte Materialien werden eingezogen und den zuständigen Polizeibehörden übergeben. 77 Linksextremistische türkische Organisationen Organisationsstrukturen von türkischen linksextremistischen Organisationen werden mittlerweile auch in Thüringen festgestellt. Angehörige der TKP/ML bzw. der Dev Sol sind aus den alten Bundesländern zugezogen und betätigen sich als Geschäftsleute und Gewerbetreibende. Verschiedentlich wurden auch Flugblätter und Zeitschriften der Organisationen, überwiegend in den Asylbewerberunterkünften, verteilt. Unter den Teilnehmern an Veranstaltungen in den Altbundesländern wurden auch solche mit Wohnsitz in Thüringen festgestellt. Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Die extremistische TKP/ML, eine sowohl am Marxismus-Leninismus als auch an den Ideen Mao Tse-tungs orientierte Partei, hat wie andere Ausländerorganisationen ihre Aktivitäten in ganz Deutschland verstärkt. Dabei kommen auch die erheblichen Differenzen zwischen den seit ca. 1994 bestehenden Flügeln, dem Partizanund DABK-Flügel, zum Tragen. Im letzten Jahr gelang es der TKP/ML sich in Thüringen zu etablieren. Bekannte Anhänger der Partei sind jetzt hier ansässig. Zu ersten Aktivitäten kam es u.a., als anläßlich des Hungerstreiks von Linksextremisten in türkischen Gefängnissen bundesweit demonstrative Aktionen durchgeführt wurden. So kam es auch in Thüringen am 26. Juli zu einer Protestaktion von türkischen Staatsangehörigen. Sie erschienen im Thüringer Landtag und führten Gespräche mit Vertretern von SPD, PDS und Medien. Ihr Ziel war, daß eine Presseerklärung, die die Haftbedingungen in der Türkei anprangerte, abgegeben wird. In Zukunft muß von einer stärkeren Öffnung der TKP/ML zu anderen linksextremistischen Organisationen ausgegangen werden. Devrimci Sol (DevSol) Die Dev Sol, bereits 1983 verboten, ist eine extremistische, marxistisch-leninistisch orientierte Partei, die konspirativ arbeitet. Sie verstärkte ihre Aktivitäten im Bundesgebiet 1996. Bereits 1994 hatte sich die Organisation aufgrund parteiinterner Streitigkeiten in zwei Lager gespalten: den Yagan-Flügel, heute Fahne der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) 78 THKP/C-Devrimci-Sol, und den KARATAS-Flügel, heute DHKP/C. Die miteinander verfeindeten, sich ohne Einschränkung bekämpfenden Flügel unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Gewaltbereitschaft und Brutalität kaum. Die DHKP-C überwiegt jedoch durch ihre Größe und Bedeutung. Die propagandistischen und terroristischen Aktionen beider Dev Sol-Flügel, die sich fast immer auf innertürkische Ereignisse beziehen, beschränkten sich bisher vorwiegend auf die alten Bundesländer. Hervorzuheben ist dabei die Zusammenarbeit mit anderen linksextremistischen türkischen Organisationen - u. a. der TKP/ML. Derzeit scheinen von der Dev Sol in Thüringen keine sicherheitsgefährdenden Bestrebungen auszugehen. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß auch diese Organisation versuchen wird, das neue Bundesland als Operationsgebiet zu gewinnen und dabei Kontakte zu hier wohnhaften und bereits als linksextremistisch bekannten Türken aufzunehmen. VII. Spionageund Sabotageabwehr 1. Überblick Spionage, d. h. das Auskundschaften geheimer Informationen, gefährdet die Interessen und die Sicherheit unseres Landes. Sie richtet sich vor allem auf die Bereiche Politik, Militär und Wirtschaft. Aufgabe der Spionageabwehr im TLfV ist es, geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Thüringens, zu erkennen und zu verhindern. Zum Schutz von sicherheitsgefährdeten Behörden und Wirtschaftsunternehmen führt das TLfV präventive Maßnahmen durch. Ebenso werden fortwirkende Aktivitäten von Mitgliedern des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR beobachtet, sofern sie verfassungsfeindlichen Charakter haben. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich die Wirtschaftsspionage vor dem Hintergrund der veränderten geopolitischen Lage zum Schwerpunkt der Aktivitäten fremder Nachrichtendienste entwickelt. Politische Annäherung und Zusammenarbeit schließen wirtschaftlich - wissenschaftliche Konkurrenz jedoch keineswegs aus. Auch illegale Mittel und Methoden werden dabei als unverzichtbar angesehen und eingesetzt. So werden in Deutschland, das zu den bevorzugten Ausspähungszielen gehört, sowohl osteuropäische Nachrichtendienste (Rußland, Kasachstan, Ukraine, Rumänien, Bulgarien) als auch solche des Nahen und Mittleren Ostens (Iran, Irak, Libyen, Syrien) aktiv. In Thüringen selbst trifft dies insbesondere für russische Dienste zu. 2. Fortwirkende Strukturen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR Als fortwirkende Strukturen werden Personenzusammenschlüsse von Mitarbeitern des ehemaligen MfS sowie Angehörigen nachoder beigeordneter Einrichtungen bezeichnet, sofern sie noch heute nachrichtendienstlich tätig sind. Dem gesetzlichen Auftrag entsprechend, sind derartige verfassungsfeindliche Organisationen zu beobachten. Dazu wurden zunächst Personalausstattung und Strukturen des Ministeriums für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS), ihrer Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen rekonstruiert. Befragungen, die auf der Grundlage dieser Fakten und ausgehend von Hinweisen aus der Bevölkerung durchgeführt wurden, gelang es jedoch kaum, Strukturen und Tätigkeiten der fraglichen Art nachzuweisen. Der Verdacht nachrichtendienstlicher Tätigkeit richtete sich anfänglich insbesondere gegen das Insiderkomitee (IK) zur Aufarbeitung der Geschichte des MfS in Berlin und seine territorialen Arbeitsgruppen. Vor allem hochrangige Mitarbeiter der Hauptabteilungen des MfS und der HVA hatten sich in ihm zusammengeschlossen. Bis heute hat sich der Verdacht jedoch nicht bestätigt. Unter den Führungsmitgliedern des IK gibt es zudem enorme Meinungsverschiedenheiten, die zu erheblichen Streitigkeiten in den eigenen Reihen führen. Ahnlich verhält es sich mit Interessengemeinschaften ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter der DDR-Aufklärungsund Abwehrdienste. Eine dieser Vereinigungen ist die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e. V. (GRH). Sie wurde am 19. Mai 1993 mit Sitz in Berlin gegründet. Vereinszweck ist laut SS 2 der Satzung, "Personen, die wegen der im Rahmen der Verfassung und der Rechtsordnung der DDR ausgeübten Tätigkeit einer Strafverfolgung ausgesetzt oder bedroht sind, durch Rat und Tat Hilfe und Unterstützung zu erweisen". Dies schließt ein, - vor allem Mitgliedern eine rechtsstaatliche Verteidigung oder Vertretung in Strafoder anderen Verfahren zu gewährleisten, - Familienangehörige, die im Zusammenhang mit der Strafverfolgung eines Mitglieds in Not und Bedrängnis geraten sind, zu unterstützen, - einen gegenseitigen solidarischen Beistand der Betroffenen zu vermitteln (SS 3 GRH Satzung). Als juristisches Mitglied der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde e. V (GBM) setzt sich die GRH außerdem gegen das sogenannte Rentenstrafrecht, Enteignung, berufliche Ausgrenzung und Diskriminierung des vorgenannten Personenkreises ein. GBM und GRH sind Mitglied im "Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden". Derzeit gibt es insgesamt 32 sogenannte Territoriale Arbeitsgruppen (TAG) der GRH, vornehmlich in den ehemaligen Bezirksstädten der DDR und den Bezirken Ostberlins. So existieren in Thüringen die TAG Erfurt, Suhl und Gera. Die GRH hält Kontakt zur Initiativgruppe "Kundschafter des Friedens fordern Recht". Das Anliegen dieser Initiativgruppe ist es, ehemalige West-Kundschafter, die für die DDR arbeiteten, vor Strafverfolgung zu schützen bzw. die Rehabilitierung bereits Verurteilter zu erwirken. Zu einer "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges" bestehen ebenfalls Verbindungen. Unabhängig von den bisher genannten Zusammenschlüssen stellt die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR e. V. (ISOR) einen weiteren einschlägigen Fall dar. 1991 gebildet, wurde ISOR am 8. Februar 1992 als eingetragener Verein registriert. Ziel des Vereins ist es, gegen das sogenannte "Rentenstrafrecht" vorzugehen, d. h. gegen gesetzlich festgelegte Beschränkungen des Rentenanspruchs gegenüber einigen als besonders staatsnah geltenden Berufsgruppen. Laut Satzung ist das Anliegen "die Unterstützung von natürlichen Personen, die Hilfe benötigen, insbesondere ehemalige Angehörige der NVA, der Grenztruppen, der Volkspolizei und anderer Organe des Mdl, der Stäbe und Schulen der Zivilverteidigung, des MfS/AfNS und der Zollverwaltung der DDR und deren Angehörige, sofern sie wegen ihrer früheren Tätigkeit Beschränkungen oder Verletzungen ihrer sozialen Rechte unterliegen". So unterstützt ISOR ihre Mitglieder u.a. - bei der Formulierung von Widersprüchen gegen Bescheide - bei der Einleitung von Klagen gegen Bescheide, die "diskriminierende Kürzungen" enthalten - bei der Einleitung von Schritten zur Rückforderung von freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen . In der "Vermengung des Rentenrechts mit Elementen des politischen Strafrechts" sieht ISOR eine Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Bundesweit verfügt ISOR über etwa 24.000 Mitglieder, die über Territoriale Initiativgruppen (TIG) auch in Thüringen tätig sind. Insgesamt läßt sich so feststellen: Vereinigungen und Organisationen der genannten Art arbeiten in keiner Weise konspirativ. Sicherheitsgefährdende Tendenzen sind nicht erkennbar. Anliegen der Zusammenschlüsse ist es in der Tat, Kontakte zu pflegen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen - finanziell und ideell - sowie bei anhängigen Verfahren oder juristischen Ansprüchen entsprechenden Beistand zu organisieren. Ein tatsächlicher Schwerpunkt bei der Aufdeckung fortwirkender Strukturen hingegen liegt in der Suche nach "KGB-Helfern", die - in der Regel aufgrund langjähriger Tätigkeit für das MfS und/oder KGB - auch heute noch oder auch heute wieder für Nachfolgedienste des KGB tätig sind. Gerade im öffentlichen 81 Dienst der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Freistaats Thüringen sind sie in der Lage, brisante Informationen zu liefern. Das gleiche gilt für die Tätigkeit in verschiedensten Wirtschaftszweigen. Schäden von nicht absehbarer Größe können so entstehen. Diese schwerwiegenden, sicherheitsgefährdenden Aktivitäten möglichst frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden, bleibt nach wie vor eine der aktuellen Aufgaben des TLfV. 3. Tätigkeit fremder Nachrichtendienste Trotz der zunehmenden Intensität der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Ausforschung Deutschlands sind sowohl die Nachrichtendienste osteuropäischer Staaten als auch die von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens an einem umfassenden Bild über den Entwicklungsstand und -tendenzen in Deutschland interessiert. So sind oft mehrere Geheimdienste ein und desselben Landes in Deutschland aktiv. Von den osteuropäischen Nachrichtendiensten sind dies vor allem die russischen Nachfolgedienste des KGB15, daneben auch die Kasachstans und der Ukraine. Polen ist durch seine neu geschaffenen Nachrichtendienste, den zivilen Nachrichtenund Sicherheitsdienst UOP und den militärischen Dienst WSI vertreten. Das gleiche gilt für Bulgarien mit seinem zivilen Nachrichtendienst NIS und dem militärischen Nachrichtenund Sicherheitsdienst RUMNO. Rumänien, das eine wesentlich größere Zahl von Diensten unterhält, die z. T. sogar miteinander konkurrieren, ist ebenfalls in Deutschland präsent. Dabei hat sich der Verdacht, daß ehemalige bzw. noch zugehörige Mitarbeiter dieser östlichen Nachrichtendienste in Machenschaften der organisierten Kriminalität verstrickt sind, erhärtet. Insgesamt werden sowohl legale Residenturen dieser Staaten als auch illegale zur Beschaffung der als notwendig erachteten Informationen benutzt. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens - also insbesondere des Iran, Irak, Libyens, Syriens und Chinas - , deren Tätigkeit auf deutschem Boden sich prinzipiell nicht von der anderer Staaten unterscheidet, interessieren sich jedoch verstärkt für oppositionelle Emigranten und Asylanten sowie die Beschaffung von Dual-Use-Gütern. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die großen Umwälzungen in der UdSSR/GUS führten zwar zu Veränderungen im Sicherheitsbereich, berührten jedoch in keiner Weise Spionageaktivitäten. Die nicht selten geäußerte Annahme, mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes habe sich die Spionage gewandelt oder aufgehört, erwies sich als Illusion. Das 15 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung im folgenden Abschnitt. 82 KGB, zwar nicht der einzige, aber der wichtigste Nachrichtendienst der UdSSR/GUS, wurde inzwischen in vier eigenständige Spionagedienste umgegliedert: 1. Dienst für Auslandsaufklärung (SWR) Ein Dekret Jelzin vom 20. Dezember 1991 benannte den - aus dem KGB hervorgegangenen - Zentralen Nachrichtendienst (CSR) in Dienst für Auslandsaufklärung um und unterstellte diesen der alleinigen Kontrolle Rußlands. Die frühere Erste Hauptverwaltung des KGB bestand so als separater russischer Auslandsspionagedienst fort. Das bisherige Agentennetz des KGB arbeitete ohne Einschränkungen weiter. 1992 verabschiedete das Parlament in Moskau das Gesetz der russischen Föderation über die Auslandsaufklärung. Ausdrücklich wird sie in Artikel 2 und 5 zur nachrichtendienstlichen Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über Politik, Wirtschaft, Verteidigungsfragen sowie auf wissenschaftlich-technischem Gebiet verpflichtet. Die Zahl der hauptamtlichen Kräfte des SWR wird heute von westlichen Diensten auf rund 15.000 geschätzt. Der russische SWR übertrifft so vermutlich die damalige Erste Hauptverwaltung des KGB der gesamten Sowjetunion in seiner Mitarbeiterzahl. 2. Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab (GRU) Die GRU blieb von den Entwicklungen im Lande unberührt. Ihre Existenz und ihre Spionagetätigkeit waren niemals Gegenstand ernsthafter Diskussion in der UdSSR/GUS. Objekte der Ausspähung sind "die Streitkräfte, die Technik, Bewaffnung" in einem potentiellen gegnerischen Land, "das Kommunikationssystem, die Straßen, Flugplätze, Flüsse, Kanäle, die Durchlaßfähigkeit der Hauptverkehrswege". Neben der Spionage durch den Agenten gibt es eine funktechnische, kosmische Aufklärung. Insgesamt beträgt die Personalstärke der GRU heute ca. 12.000. Die Mitglieder, Soldaten und Offiziere, zeichnen sich in der Regel durch einen hohen Ehrenkodex aus. Im Vergleich zum SWR ist bei ihnen Korruption und Bestechlichkeit selten. Im Gegensatz zu anderen russischen Nachrichtendiensten pflegt die GRU keinerlei Kontakte zur Mafia. Die GRU verfügt heute über eigene Firmen mit erfolgreichen Auslandsgeschäften. Zum Teil verkauft sie ihre wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse an die russische Wirtschaft. Sie ist daher finanziell unabhängig. Seit geraumer Zeit ist dabei festzustellen, daß sie - über ihre in Artikel 11, Absatz 2 des erwähnten Gesetzes der Russischen Föderation über die Auslandsaufklärung festgelegte Aufgabe hinaus - ihre Spionageaktivitäten zunehmend auf die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Technik ausdehnt. Zumindest in Deutschland betreibt sie "jetzt auch verstärkt politische Spionage". 83 3. Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation (FAPSI) FAPSI untersteht Jelzin direkt und entstand am 29. August 1991, nach jenem August-Putsch, aus der 8. Hauptverwaltung des bisherigen KGB (Chiffrierwesen, Sicherheit der Nachrichtenverbindungen) und insbesondere aus der - 1969 gebildeten - 16. Verwaltung der Ersten Hauptverwaltung (Elektronische Aufklärung). Auf beide Stellen entfiel damals bereits ein Viertel des gesamten Budgets des KGB! Der Dienst belauscht Telefongespräche innerhalb Rußlands, speziell im Moskauer Regierungsapparat, und Gespräche ins Ausland. Letzteres erfolgt per Satelliten. Primäres Ziel scheint dabei zu sein, in westliche Sicherheitsbehörden und andere geschützte Objekte einzudringen. FAPSI ist "mit modernster westlicher Technik bestückt" und dürfte - angesichts der vor allem in westlichen Demokratien weit verbreiteten Vertrauensseligkeit vieler Menschen beim Telefonieren - auch äußerst erfolgreich sein. Seit rund drei Jahren bietet FAPSI sich ausländischen Firmen und Dienstleistungsunternehmen als Kommunikationsspezialist in der Informationstechnologie an. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, Agenten mit direkten Zugang zum Objekt zu piazieren. FAPSI umfaßt heute 12.000 bis 120.000 hauptamtliche Mitarbeiter, wobei die letztgenannte Zahl die russischen Fernmeldetruppen berücksichtigt. Der Dienst dürfte in naher Zukunft technisch weiter ausgebaut werden. In Deutschland ist FAPSI im Unterschied zum sonstigen Ausland offiziell in Form eines "Büros der russischen Botschaft" vertreten. 4. Föderaler Sicherheitsdienst der Russischen Föderation (FSB) Bereits der Vorgänger des FSB, der Föderale Dienst der Gegenaufklärung der Russischen Föderation (FSK) unterstand direkt dem Präsidenten. Er entstand am 21. Dezember 1993 im Zusammenhang mit der Auflösung des Sicherheitsministeriums und muß als Nachfolger der 2. und 3. Hauptverwaltung des KGB gewertet werden. Anfang April 1995 wurde der FSK umbenannt in Föderaler Sicherheitsdienst der Russischen Föderation. Neben Vollmachten innerhalb des Landes, etwa der eigene Untersuchungsgefängnisse zu unterhalten, hat er im Ausland SpionageOperationen durchzuführen und soll "die Geheimdienste und Organisationen ausländischer Staaten infiltrieren". ITAR-TASS zufolge umfaßt der FSB 76.000 hauptamtliche Mitarbeiter. Westliche Experten rechnen allerdings mit rund 100.000. Nahezu alle Angehörigen dieses Dienstes waren früher Bedienstete des KGB. Im Frühjahr 1996 hat der FSB eine besondere, offensive AuslandsaufklärungsAbteilung aufgebaut, die unter dem Namen "Verwaltung für Koordination" fungiert. Auch ihr Ziel ist es, "Rußlands wissenschaftliches und technisches Potential zu stärken". 84 Sie soll rund 780 hauptamtliche Mitarbeiter haben. Daß weitere Mitarbeiter später in den russischen Botschaften des Auslandes eingesetzt werden, kann unterstellt werden. 4. Schwerpunkt: Wirtschaftsspionage Die Vorstellung, der Fall der innerdeutschen Grenze und die einsetzende Demokratisierungswelle im ehemaligen Ostblock führe zu einem merklichen Rückgang der Spionageaktivitäten, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen. Eher das Gegenteil entspricht der Realität. Geändert haben sich lediglich die Prioritäten. So sind vor allem bei den Nachfolgediensten des ehemaligen Ostblocks ideologische Gesichtspunkte in den Hintergrund gerückt, nationale Interessen, insbesondere Wirtschaftsinteressen, stehen im Vordergrund. Daraus machen vor allem die Nachfolgedienste des ehemaligen KGB keinen Hehl. So ist im Gesetz über die Auslandsaufklärung vom 8. Dezember 1995 in SS 1 1 : Aufgabenbereiche der Auslandsaufklärungsorgane der Russischen Föderation zu lesen, daß " ... Nachrichtenbeschaffend tätig sind im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse: 1) der Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Militärstrategie, Technik und Umwelt... (und - d.V.) 3) das Auslandsaufklärungsorgan des Bundesdienstes für Regierungsverbindungen und Information unter dem Präsidenten der Russischen Föderation mit Hilfe funkelektronischer Mittel in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Technik ...". Aber - und das ist längst kein Geheimnis mehr - auch unter westlichen Staaten werden die Nachrichtendienste verstärkt dazu genutzt, sensible Wirtschaftsdaten und -guter auszuspähen. Derartige Spionagefälle werden im Zuge ihrer Aufdeckung bei den betroffenen Staaten und Unternehmen kaum öffentlich gemacht. Der "Schadensausgleich" wird lautlos betrieben, etwa mit Ausgleichszahlungen für erlittene Wettbewerbsnachteile und Umsatzeinbußen. Dabei sind die der betroffenen Volkswirtschaft entstandenen Folgeschäden (z. B. "verpuffte" Forschungssubventionen, Arbeitsplätzeabbau, rückläufige Exporte) kaum wettzumachen. Bevorzugtes Ziel für Wirtschaftsspionageaktivitäten ist der im Zentrum Europas gelegene Industriestandort Deutschland. Daß hier gerade die russischen Dienste mit äußerst aggressiven Methoden operieren, ist bekannt. Für Rußland ist Wirtschaftsspionage heute beinahe "überlebenswichtig". Die katastrophale Wirtschaftslage läßt kostenund zeitintensive Forschungsarbeit nicht zu. Enorme Entwicklungsrückstände, beispielsweise auf den Gebieten Mikroelektronik, Compu85 tersoftware, Kommunikationstechnik, Medizinund Biotechnik, sind aufzuholen. Der billigere und auch schnellere Weg hierbei ist der illegale, der der staatlich gelenkten Spionage. Der härter werdende Kampf um internationale Märkte, einerseits unter den bereits etablierten Industrienationen, andererseits durch die hinzugekommenen Wettbewerber aus dem ehemaligen Ostblock, ist ebenfalls ursächlich für die Wirtschaftsspionage. Treibende Kraft hierbei ist die Vorstellung, durch illegal erlangten Wissensvorsprung führende Marktpositionen zu erreichen bzw. zu sichern. Spionageschutz und Unternehmenssicherheit sind deshalb zwingend notwendig, um die technologische Spitzenstellung der deutschen Industrie zu erhalten. Sie zu verlieren, hieße gesellschaftlichen Wohlstand, volkswirtschaftliche Stabilität und damit nicht zuletzt den sozialen und politischen Frieden zu gefährden. Begrifflich lassen sich Wirtschaftsspionage - also die staatlich betriebene Ausforschung der Wirtschaft eines Landes durch einen fremden Nachrichtendienst unter Anwendung konspirativer Mittel - und Industriespionage - die Ausforschung zwischen einzelnen konkurrierenden Firmen - klar voneinander trennen. In der Praxis ist das schwieriger. Die Grenzen zwischen staatlich betriebener Wirtschaftsspionage, Industriespionage und legalem Informationsaustausch im Rahmen wirtschaftlicher Kooperation verlaufen fließend. Zudem ist gerade bei den russischen Diensten eine Vermischung nachrichtendienstlicher Aktivitäten mit der Organisierten Kriminalität festzustellen. Die Abwehr von Wirtschaftsspionage fällt in den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden und angesichts des erheblichen Schadens, der der deutschen Wirtschaft jährlich entsteht, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Abwehrbehörden und den Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft notwendig. In Thüringen ist es Anliegen, bestehende und sich etablierende Kleinund mittelständische Unternehmen, die in sensiblen Bereichen (z. B. Umwelttechnik und -gerätebau, Elektrotechnik, Softwareentwicklung) tätig sind, für die Problematik Wirtschaftsspionage zu sensibilisieren. Derzeit werden die Gefährdung des eigenen Unternehmens sowie die Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung häufig unterschätzt. Gerade innovative mittelständische Unternehmen sind bevorzugte Ausspähungsziele für Wirtschaftsspione. Als Zulieferfirmen für verschiedenste Branchen, die über komplette Fertigungsund Konstruktionspläne ihrer diversen Auftraggeber verfügen, sind sie von besonderem Interesse. In der Regel sind weniger die fertigen Endprodukte, sondern vielmehr die Produktzyklen von der Idee über die Entwicklung bis hin zur Vermarktungsstrategie gefragt. In Thüringen ist das Augenmerk des Landesamtes hauptsächlich auf das Tätigwerden russischer Dienste gerichtet, verfügt doch ein Großteil der Nachrichtendienstangehörigen aufgrund der früheren Stationierung in der ehemaligen DDR über umfassende Landesund Sprachkenntnisse. Auch seinerzeit geknüpfte private Kontakte zu Ex-DDR-Bürgern werden genutzt, um z. B. Informationen zu Fir86 men zu erlangen bzw. Verbindungen zu ihnen aufzubauen und das nicht in jedem Fall allein zum Zweck einer rein geschäftlichen Kooperation. Gut ausgebildete Wissenschaftler und Unternehmer sind im Auftrag russischer Dienste unterwegs, um einerseits über die Anstellung in Firmen bzw. andererseits durch die Herstellung von russisch-deutschen Geschäftsbeziehungen Informationsabschöpfung zu betreiben. Zudem werden nicht selten Verbindungen zu ehemaligen ostdeutschen Nachrichtendienstkollegen wieder aufgenommen, die wegen ihrer beruflichen Vergangenheit nicht in den öffentlichen Dienst übernommen wurden, heute aber zum Teil leitende Positionen in der Wirtschaft innehaben. Ebenso können KGB-Nachfolgedienste ihre ostdeutschen Ex-Agenten für eine Spionagetätigkeit in Industrie und Wirtschaft reaktivieren. Ein gesundes Maß an Vorsicht ist deshalb beim Aufbau von Geschäftskontakten vor allem zu russischen Firmen geboten. Nur im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft zwischen Verfassungsschutz und Wirtschaft ist die wirksame Bekämpfung von Wirtschaftsspionage möglich. Allen interessierten Unternehmern bietet das TLfV die Möglichkeit, in Sicherheitsgesprächen weitere Hintergrundinformationen zu erlangen. 5. Personeller und materieller Geheimschutz In einigen Bereichen der Verwaltung und der Wirtschaft gehen Personen mit sensiblen Informationen um. Diese im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenstände und Erkenntnisse werden wegen ihrer Brisanz als sogenannte Verschlußsachen behandelt und vor unerlaubtem Zugriff geschützt. Daher ist zu prüfen, welcher Personenkreis die Befugnis erhalten soll, mit Verschlußsachen umzugehen (personeller Geheimschutz). Darüber hinaus werden Vorkehrungen getroffen, die Unbefugten den Zugang zu Verschlußsachen erschweren (materieller Geheimschutz). Bereits 1991 wurden in Thüringen verbindliche Richtlinien für Sicherheitsüberprüfungen von Personen (Sicherheitsrichtlinien) und eine Verschlußsachenanweisung erlassen. Auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen und - bei nicht-öffentlichen Stellen (Unternehmen) - auf Ersuchen des dafür zuständigen Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur führt das TLfV Sicherheitsüberprüfungen je nach den Sicherheitserfordernissen in entsprechender Intensität durch. Maßnahmen des personellen Geheimschutzes sollen so verhindern, daß ungeeignete und unzuverlässige Personen zu Geheimnisträgern bestellt werden, z. B. hauptamtliche Mitarbeiter fremder Nachrichtendienste, Personen, die von einem fremden Nachrichtendienst angeworben wurden, Personen mit Sicherheitsrisiken. Dabei soll möglichst gewährleistet werden, daß auch spätere nachrichtendienstliche Anwerbungsversuche offenbar werden bzw. nachträglich eingetretene Sicherheitsrisiken rechtzeitig bekannt werden. 87 Seit sechs Jahren wirkt das TLfV gemäß SS 2 Abs. 4 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes an den Sicherheitsüberprüfungen für Geheimnisträger mit. 2 055 Überprüfungsanträge wurden seither gestellt. Davon wurden bis zum Jahresende 1996 insgesamt 1 669 Anträge abschließend bearbeitet. Von den allein 1996 gestellten 614 Anträgen auf Erstüberprüfung gelten 314, das ist mehr als die Hälfte, Mitarbeitern von Thüringer Wirtschaftsunternehmen. Diese vom Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur veranlaßten Überprüfungen von Firmen und deren Mitarbeitern sind Voraussetzung für die Teilnahme an Ausschreibungen von öffentlichen Aufträgen in sicherheitsempfindlichen Bereichen. Firmen und Unternehmen, die an einer Vergabe von derartigen Aufträgen interessiert sind, können sich an folgende Adresse wenden: Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur z. Hd. des Geheimschutzbeauftragten Max-Reger-Str. 4-8 99096 Erfurt Tel.: 0 3 6 1 / 3 7 9 7 1 80 oder 3 7 9 0 0 Dem Bereich "Geheimschutz in der Wirtschaft" galt eine vom TLfV organisierte Arbeitstagung von Fachleuten des Thüringer Innenministeriums, des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur, des Thüringer Finanzministeriums, der Oberfinanzdirektion Erfurt und den Staatsbauämtern Erfurt, Gera, Suhl. Auf Ersuchen war das TLfV auch 1996 wieder an der Erstellung von individuellen Sicherheitskonzepten beteiligt. Dabei wurde - unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten - auch die Effektivität der festgelegten Schutzmaßnahmen überprüft. So wurden drei Thüringer Ministerien, drei obere Landesbehörden, elf Landratsämter und zwei Staatsanwaltschaften beraten. VIII. Sonderthemen Die in den beiden folgenden Kapiteln dargestellten Themen "Neue Rechte" und "Konservative Revolution" sowie die Debatte um die Scientology-Organisation (SO) unterscheiden sich von den übrigen Ausführungen dieses Berichtes grundsätzlich. In beiden Fällen existiert z. Zt. kein direkter Bezug zu Thüringen. Im Falle der Neuen Rechten sind weder deren intellektuelle Akteure noch ihre Publikationen im Freistaat vertreten, im Falle der SO handelt es sich nicht um ein Beobachtungsobjekt des TLfV. Dennoch wurde bewußt eine ausführliche Form der Darstellung gewählt - aus verschiedenen Gründen. Die Erläuterung von historischen Bezügen und Entwicklungen, von Zusammenhängen, die über die Wiedergabe von Kernaussagen hinausgehen, von Details einander widersprechender Positionen und Denkansätze ermöglicht es dem interessierten Leser erst, 88 sich ein eigenes Bild von den entsprechenden Phänomenen zu machen und die mit ihnen verbundenen Probleme zu verstehen. Anliegen der Kapitel ist nicht allein, Fakten zu vermitteln, sondern Verständnis für die jeweilige Problematik zu wecken. Hinzu kommt, daß die dargestellten Themen jederzeit auch in Thüringen unmittelbar relevant werden können, aktuell und brisant sind sie schon jetzt. 1. Die Neue Rechte und die Konservative Revolution Nouvelle Droite und Neue Rechte Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Deutschland entzündete sich in den vergangenen Jahren vor allem an drei Erscheinungsformen: den bemerkenswerten Wahlerfolgen einzelner rechtsextremer Parteien, dem Aufkommen militant neonazistischer Organisationen seit Ende der 70er Jahre und dem erschreckenden Anstieg fremdenfeindlicher Gewalt der 90er Jahre.16 Im Schatten dieser Entwicklung blieb die Etablierung der Neuen Rechten in der politischen Landschaft der Bundesrepublik lange Zeit weitgehend unbemerkt. Die Verwendung des Begriffs Neue Rechte ist vielfältig und irritierend.17 Die inhaltliche Unbestimmtheit des Begriffes führte (und führt) je nach Blickwinkel und Interessen läge des Betrachtenden zu Unsicherheiten und Irritationen bei der Bewertung, da eine allgemeingültige Definition des Phänomens nicht zu finden war. Sicher ist, daß es sich bei der Neuen Rechten um eine Variante des Rechtsintellektualismus handelt, deren Vertreter bestrebt sind, die Unterschiede zwischen demokratisch-konservativen, rechtsradikalen und rechtsextremistischen Positionen zu nivellieren und eine Renaissance rechten Gedankenguts zu befördern. Die Neue Rechte, deren geistesgeschichtliche Wurzeln im theoretischen Gebäude der Konservativen Revolution liegen, versucht durch eine Anknüpfung an deren Konzeptionen einen metapolitischen Bezugsrahmen für eine moderne rechte Programmatik zu schaffen.18 Sinnvoll scheint die Verwendung des Begriffes "Neue Rechte" an sich nur in bezug auf jene intellektuellen Zirkel, die versuchen, mittels Modifizierung eine Modernisierung der Grundpositionen der "Alten Rechten" in die Wege zu leiten.19 Der Begriff "Neue Rechte" steht aber allgemein darüber hinausgehend für eine breitgefächerte, uneinheitliche Bewegung rechter Theoretiker und ihrer Anhän16 Die Neue Rechte in der politischen Landschaft. Hg. vom Hessischen Ministerium des Inneren. Wiesbaden 1996. 17 Backes, U., und Jesse, E.: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 272 der Schriftenreihe der BZfpB. Bonn 1993, S. 472. 18 Dies.: a.a.O. S. 47 " Dies.: a.a.O. S. 472. ger, die sich seit Ende der 60er Jahre als geistig-politische Gegenbewegung zur Neuen Linken, der 68er Protestgeneration, verstand. Sie ist kein isoliert deutsches, sondern ein europäisches Phänomen, deren Ausgangspunkt in Frankreich lag. Der Publizist Alain de Benoist gründete 1968 die "neurechte Denkschmiede" G.R.E.C.E. (Groupement der Recherche et d' Etudes de la Civilisation Europeene - Forschungsund Studiengruppe für die europäische Zivilisation).20 Kern des Theoriemodells der Nouvelle Droite ist die Absicht, völkische nationalistische Ordnungsund Wertvorstellungen intellektuell, ideologisch und wissenschaftlich zu untermauern und sodann als politisches Alternativmodell zum demokratischen Verfassungsstaat zu präsentieren. Die Vertreter der Nouvelle Droite und deren deutsche Ableger verstehen sich in erster Linie als intellektuelle Vordenker gegen die herrschende Kultur und Zivilisation. Sie "reiben" sich gleichsam an einer Gesellschaft, die für sie durch Kultur-, Werteund Politikverfall, Nihilismus, übersteigerten Individualismus, Hedonismus, Wurzellosigkeit, Überfremdung und die Sünden der Industrialisierung gekennzeichnet wird. Strategie Die Neue Rechte präsentiert sich als inhaltlich breitgefächerte, kulturkämpferische Bewegung von Gruppen und einzelnen, die sich - ohne einen originären Organisationszusammenhang - einem gemeinsamen intellektuellen Wertekanon verpflichtet fühlen. Sichtbar wird dies in einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt von Zeitschriften, Magazinen, Büchern und Zeitungen. Ihre Strategie zielt darauf ab, den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozeß in ihrem Sinne positiv zu beeinflussen, um das (geistige) gesellschaftliche Gleichgewicht zu verändern. Die Überlegung ist einfach: da "linkes Gedankengut" seit 1968 und dem "Marsch durch die Institutionen" gesellschaftlich dominierendes Allgemeingut geworden sei, sei es wichtig, dieses Mißverhältnis durch die Propagierung eigener Positionen und Sprachregelungen zu nivellieren, um die Gesellschaft gleichsam "ins Lot zu rücken". Vor der politischen Herrschaft steht also zunächst eine "Herrschaft in den Köpfen".21 Neu ist daran allenfalls, daß die Neue Rechte vom linken Gegenpart die Form der Auseinandersetzung mit ihren erklärten Gegnern übernahm: Antonio Gramsci formulierte die Kulturkampfthese, die davon ausgeht, daß man vor der Eroberung der politischen Macht eine kulturelle Hegemonie erreichen müsse.22 20 Dies.: a.a.O. S. 272; vgl. auch Die Neue Rechte in der apolitischen Landschaft. 21 Gabriel, L/Radnitzky, G./Schopper, E.: Die I-Waffen. Information im Kräftespiel der Politik. München u. Berlin 1982; S. 7: Vor nahezu einhundert Jahren schrieb Friedrich Nietzsche: "In Zukunft, also im 20. Jahrhundert, werden diejenigen in einer Gesellschaft Macht ausüben, die fähig sind, ihre Sprachregelung in der Gesellschaft durchzusetzen. Dann ist die Wahl der Begriffe und der Sprache kein Nebenkriegsschauplatz, sondern dann wird der Kampf um die Sprache zur entscheidenden Schlacht". 22 Antonio Gramsci (1891-1937); linkssozialistischer italienischer Arbeiterführer. 90 Inhalte Augenfällig ist das Bemühen der Neuen Rechten, den Werten der französischen Revolution, deren Gedankengut auch in unsere Verfassung eingegangen ist, etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Ihr Werteund Menschenbild geht davon aus, daß die in der genetischen Vielfalt wurzelnde Ungleichheit der Menschen nicht aufhebbar und jedes Individuum primär durch seine kulturelle und völkische Zugehörigkeit definiert sei. Da die genetische Vielfalt nicht zu beseitigen ist, könne es auch keine allgemeingültigen, natürlichen und unteilbaren Menschenrechte geben. Vielmehr könne der einzelne seine Rechte allenfalls im begrenzten Rahmen einer Volksgemeinschaft, die durch eine sich selbst bildende Elite geführt werde und nach den jeweiligen politischen Gegebenheiten Recht setze, erhalten. Wesentliches Element der Politik sei, sich von Moral freizuhalten und dem Willen zur Macht gegen jede Form von "Gleichmacherei", für die Liberalismus und Marxismus gleichermaßen verantwortlich gemacht werden, zu verteidigen. Wie in der Natur sei auch hier das Recht des Stärkeren maßgebend. Auffällig ist die inhaltliche Zentrierung der Neuen Rechten auf die Theoreme der Konservativen Revolution. Mit Armin Mohler, dem grundlegenden Interpreten der Konservativen Revolution und Meisterdenker der Neuen Rechten, versteht die Neue Rechte ihre Haltung nicht als konservativ im Wortsinn, nicht als ein "Hängen an dem, was gestern war, sondern ... ein Leben in der Gegenwart, das nicht reaktionär in der Vergangenheit und nicht in der Zukunftshoffnung der Fortschrittsgläubigen" angesiedelt ist. Die Konservative Revolution heißt es weiter, "bedeutet nun, aus den Ursprüngen im konservativen Sinne Neues zu formen".23 Die Konservative Revolution Der durch Hugo von Hofmannsthal geprägte Begriff "Konservative Revolution" wird heute als eine in der Weimarer Republik bedeutend gewordene geistigpolitische Bewegung definiert, die sich sowohl von Liberalismus, Egalitarismus und Demokratie, als auch von bloßer Restauration und Reaktion abzugrenzen suchte.24 Die Folgen des Ersten Weltkrieges und der Revolution von 1918 - Ende des Kaiserreiches, Versailler Vertrag und Weimarer Republik - erzwangen eine Neuorientierung des deutschen Alt-Konservatismus wilhelminischer Prägung. Der widersprüchliche Begriff der Konservativen Revolution war dabei Programm: der Konservatismus der Konservativen Revolution war nicht nach rückwärts gewandt und wollte auch keine geschichtlich überwundenen Verhältnisse wiederher23 Mohler, A.: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Darmstadt 1994, S. 116. Armin Mohler ist der grundlegende Interpret der KR. Seine o. g. Dissertation, im Jahr 1949 bei Karl Jaspers vorgelegt, ist nach wie vor das Grundlagenwerk zum Thema. 2 " Duden-Lexikon in 10 Bänden. Bd. 5; Berlin 1992. 91 stellen, sondern einen nationalrevolutionären, geistig-politischen Prozeß in Gang setzen, um überhaupt erst in einer vom "Liberalismus zersetzten Welt Verhältnisse zu schaffen und Werte hervorzubringen, die der Bewahrung wert sind".25 Gegen die universalistischen Ideen von Demokratie, Liberalismus und Egalitarismus gerichtet, propagierten die Theoretiker der "Konservativen Revolution" die Bindung an eine Volksgemeinschaft autoritär - ständestaatlicher Provenienz. Die parlamentarische Demokratie war in ihrem Verständnis ein in letzter Konsequenz dem Liberalismus folgendes politisches Ordnungsprinzip, das aufgrund seiner egalitären Basis, seiner kompromißgerichteten Entscheidungsfindung und verfahrenszentrierten Legitimationsgrundlagen abzulehnen sei.26 Dabei waren die theoretischen Ansätze und politischen Strömungen, die heute unter dem Schlagwort "Konservative Revolution" subsumiert werden, keineswegs homogen. Sie einte die Völkischen, die Nationalrevolutionäre und die Jungkonservativen, wobei die Gegnerschaft zur Weimarer Republik als übergreifendes Merkmal Katalysator und Bindeglied zugleich war. Zu den Theoretikern der Konservativen Revolution, an deren Denken sich die Neue Rechte orientiert, gehören u. a. Edgar Julius Jung (1894-1934), der in seinem Buch "Die Herrschaft der Minderwertigen" (1927) die politische Führung der Republik diskreditierte, Arthur Moeller van den Brück (1876-1925), der in seiner Publikation "Das dritte Reich" (1923) das Schlagwort: "Am Liberalismus gehen die Völker zugrunde" prägte, und der Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985), der mit seiner Forderung nach Homogenität der Gesellschaft und seiner Freund-Feind-Definition als Prämisse rationaler Machtpolitik nationalsozialistisches Handeln vorwegnahm (Zitat: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.").27 Ihre politische Heimat fanden viele von ihnen in der am 24.11.1918 gegründeten Deutschnationalen Volkspartei (später teils in der NSDAP), die damit die Altpotentiale der Freikonservativen, der Deutschkonservativen, des Alldeutschen Verbandes und der Christlich Sozialen Partei vereinen konnte. Vertreter der Neuen Rechten Als deutscher Ableger zur Nouvelle Droite versteht sich das 1980 in Kassel von Pierre Krebs gegründete Thule-Seminar. Das Thule-Seminar verfolgt rassistische, freiheitsund demokratiefeindliche Ziele und ist deshalb als rechtsextremistisch zu bezeichnen. Einer der Vordenker der Neuen Rechten ist der Soziologe Dr. Reinhold Oberlercher, Initiator und geistiger Kopf des Deutschen Kolleg (DK). Er 25 Die Neue Rechte in der politischen Landschaft. Hg. v. Hessischen Ministerium des Inneren. Wiesbaden 1996. 2" LfV Berlin (Hg.): Durchblicke 2/94, S. 14. 27 Wistrich, R.: Wer war Wer im Dritten Reich. Ein biographisches Lexikon. Frankfurt/M. 1984. Zu nennen sind außerdem O. Spann (1878-1950) und H. Grimm (1875-1959), deren Bücher "Der wahre Staat" und "Volk ohne Raum" Auflagen in Millionenhöhe erreichten. 92 tritt mit dem Anspruch auf, ein theoretisch fundiertes, in Programm und Strategie durchdachtes und praktisch durchsetzbares Staatsund Gesellschaftsmodell entworfen zu haben. Seinen Arbeitsschwerpunkt sieht Oberlercher derzeit in der Schulung der "jungen nationalen Intelligenz", die er bundesweit in Wochenendseminaren durchführt. Die öffentlichkeitswirksamste Publikation der Neuen Rechten ist die Junge Freiheit (JF), die 1986 als zweimonatlich erscheinende Schülerund Studentenzeitung gegründet wurde und mittlerweile als Wochenzeitung mit einer Auflage von ca. 10.000 Exemplaren erscheint. Sie zählt zu den führenden Theorieforen, die sich intensiv mit dem Ideengut der Neuen Rechten beschäftigen. Sie nimmt für sich in Anspruch, als Organ einer intellektuellen Bewegung zu gelten, die sich an dem Gesellschaftsentwurf der Konservativen Revolution orientiert. Die Junge Freiheit bezeichnet sich als konservative Wochenzeitung, die sich vorwiegend - parteipolitisch nicht gebunden - einer Vernetzung von nonkonformen und patriotischen Kräften in Deutschland verschrieben habe. Nach Richtungsstreitigkeiten in der Redaktion und im Verlag wurde ein politischer Kurswechsel verkündet, der vom Chefredakteur als Durchsetzung des "konservativ-liberalen Impetus gegen die nationalrevolutionäre Komponente" bezeichnet wurde. Das Schlagwort der Konservativen Revolution, mit dem die JF lange warb, ist wegen seines negativen politischen Beigeschmacks bewußt zurückgenommen worden. Nach dem erklärten Willen der JF-Verantwortlichen gehört zum politischen Grundverständnis des Blattes unabdingbar der Verzicht auf jegliche Form von NS-Nostalgie und Revisionismus. Plumpe Angriffe auf konstitutive Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie bei anderen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen bekannt, finden sich bei der JF nicht. Statt dessen wird mit Anspielungen, Suggestionen und Vergleichen gearbeitetes Daß die JF vielfach als extremistische Publikation bewertet wird, rührt daher, daß sich, vor allem in Hamburg und Berlin, sogenannte JF-Leserkreise bildeten.29 Ohne organisatorisch mit der JF verbunden zu sein, unterhalten die Leserkreise Verbindungen in die rechtsextremistische Szene hinein und verbreiten dort die durch die JF propagierten Meinungen. In Thüringen existieren derartige Leserkreise der JF nicht. Bewertung Ob es sich bei der Neuen Rechten ausschließlich um antidemokratische Varianten handeln muß, ist analog der Charakterisierung der Neuen Linken umstritten. Wie die Ablehnung der Konzeption der "alten Rechten" allein noch nicht aus28 Die Neue Rechte in der politischen Landschaft. Hg. v. Hessischen Ministerium des Inneren. Hannover 1996. 29 Vgl. dazu die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 1994, S. 115 und S. 139f. sowie 1995, S. 109f., 123ff., 131, 1347. 93 reicht, die Neue Rechte als demokratisch anzusehen, genügt es nicht, unter Hinweis auf Herauslösung einzelner Ideologeme pauschal den antidemokratischen Charakter aller Strömungen der Neuen Rechten zu behaupten.30 Eine aktuelle Einschätzung der Neuen Rechten, die sich selbst in der Tradition der Theoretiker der Konservativen Revolution sieht, macht, will man den Vorwurf der Vordergründigkeit vermeiden, nur Sinn, wenn man sie von ihren vielfältigen geistigen Wurzeln her erklärt und deren konkreten Niederschlag in der heutigen Situation bewertet. Allein der Hinweis auf die geistesgeschichtlichen Wurzeln der Neuen Rechten reicht zur extremismustheoretischen Klassifizierung des Phänomens nicht aus. Diese auf den historischen Blickwinkel verengte Sicht kennt keine Grauzonen und schreibt den verfassungsfeindlichen Charakter der in diesem Traditionszusammenhang Agierenden durch die vereinfachende Formel "Neue Rechte = Konservative Revolution = Extremismus per se" eindeutig fest. Folgt man dieser Formel wären alle konservativ neu rechtlichen Positionen, die sich politisch am äußersten Rand des Verfassungsrahmens bewegen, ohne verfassungsmäßige Schutzgüter elementar zu verletzen, zwangsläufig extremistisch.31 2. Scientology-Organisation Mit den Methoden und Praktiken der Scientology-Organisation (SO), die nunmehr auch zunehmend Gegenstand der öffentlichen Diskussion geworden sind, beschäftigen sich sowohl die Ministerpräsidentenkonferenz, die Innenministerkonferenz als auch andere Fachministerkonferenzen bereits seit längerem. Auf ihrer Sitzung im Oktober 1996 haben die Ministerpräsidenten der Länder noch einmal bekräftigt, weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um dem Herrschaftsanspruch dieser weltweit operierenden Organisation entgegenzutreten. Die Innenministerkonferenz befaßte sich deshalb schon mehrfach auch mit der Frage der Beobachtung der SO durch die Verfassungsschutzbehörden. Zuletzt hat sie in ihrer Sitzung am 21./22. November 1996 eine Arbeitsgruppe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder eingesetzt, welche die Aufgabe hat, die vorliegenden Materialien und Erkenntnisse auszuwerten und zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung gegeben sind. Gegenstand dieser Prüfung sind u.a. die Gutachten von Dr. Hans-Gerd 30 Backes, U., und Jesse, E.: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 272 der Schriftenreihe der BZfpB. Bonn 1993, S. 47. 31 Funke, M.: Rechtsextremismus in Deutschland, Melle 1994, S. 2. 94 Jaschke32 und Prof. Dr. Ralf Abel 33 , welche zu dem Ergebnis gelangen, daß das Menschenund Gesellschaftsbild der SC elementaren Prinzipien des Grundgesetzes widerspricht. Die SO, die sich nach außen als Kirche geriert, kann danach als eine verdeckt operierende, strategisch angelegte, totalitäre, antidemokratische Organisation betrachtet werden. Der Gewinn, den die SO dadurch erzielt, daß sie ihre Anhänger, die sich durch die Mitgliedschaft ein Mehr an Lebensglück und eine Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation versprechen, in psychische Abhängigkeit treibt und finanziell ausbeutet, ist kein reiner Selbstzweck. Mehrere Anzeichen sprechen dafür, daß die SO längerfristig verfassungsfeindliche Zielsetzungen vertritt und als totalitäre Organisation Berührungspunkte mit dem politischen Extremismus aufweist. So legt der Inhalt der scientologischen Schriften nahe, daß eine nach den darin genannten Prinzipien ausgerichtete Gesellschaft (Stichwort "Clear Germany") die grundgesetzliche Werteordnung - wie z. B. die Meinungsfreiheit, den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das verfassungsmäßige Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition - beseitigen oder doch zumindest in ihrer Wirkung erheblich beeinträchtigen würde. Auch einige (z. T. hochrangige) Aussteiger der SO weisen darauf hin, daß Scientology, welche die Grundwerte der Verfassung in den eigenen Reihen nachhaltig mißachtet, kein anderes als das eigene Weltbild akzeptiere und in ihre Expansionsbestrebungen auch die Gesellschaftsordnung als solche einbeziehe. Vor diesem Hintergrund erscheint es begrüßenswert, wenn sich die Innenministerkonferenz zu einer bundesweiten Beobachtung der SO durch die Verfassungsschutzbehörden entschließen würde, um weitere Informationen und Erkenntnisse über diese verdeckt operierende Organisation gewinnen zu können 32 Hans-Gerd Jaschke: "Auswirkungen der Anwendung scientologischen Gedankenguts auf eine pluralistische Gesellschaft oder Teile von ihr in einem freiheitlich demokratisch verfaßten Rechtsstaat", Gutachten im Auftrag des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, Dezember 1995. 33 Prof. Dr. Ralf B. Abel: "Ist das Menschenund Gesellschaftsbild der Scientology-Organisation vereinbar mit der Werteund Rechtsordnung des Grundgesetzes?", gutachterliche Stellungnahme im Auftrag der Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, April 1996. 95 Abkürzungsverzeichnis AA/BO Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation AfNS Amt für Nationale Sicherheit (DDR) AIZ Antiimperialistische Zelle Anarchistische Internetzeitung APC Association for Progressive Communication ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans B BAT Bundesweites Antifa-Treffen BBZ Berlin-Brandenburger Zeitung BdA Bund der Antifaschisten BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland C CL Com Link D DA Deutsche Alternative Dev Sol Devrimci Sol DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DN Deutsche Nationalisten DNP Deutsch Nationale Partei DNZ Deutsche Nationalzeitung DVU Deutsche Volksunion DWZ Deutsche Wochenzeitung E ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans F FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAPSI Föderale Agentur für Regierungsverbindung und Information beim Präsidenten der Russischen Föderation FDJ Freie Deutsche Jugend FSB Föderaler Sicherheitsdienst der Russischen Föderation G GBM Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde e.V. GRH Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V. 96 GRU Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab (Russische Föderation) ICN International Counter Network IK Insiderkomitee zur Aufarbeitung der Geschichte des MfS ISOR Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR e.V. * J JF Junge Freiheit JN Junge Nationaldemokraten K KGB Komitee für Staatssicherheit (Sowjetunion) KKP Kommunistische Partei Kurdistans KPD Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten KPF Kommunistische Plattform KZ Konzentrationslager L LDPR Liberaldemokratische Partei Rußlands M MfS Ministerium für Staatssicherheit (DDR) MLPD Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands N NIT Nationale(s) Infotelefon(e) NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Deutschland) P PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PKK Arbeiterpartei Kurdistans R RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner RH Rote Hilfe RZ Revolutionäre Zellen S SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sl Solidarität International SO Scientology-Organisation SWR Dienst für Auslandsaufklärung (Russische Föderation) 97 TAG Territoriale Arbeitsgruppe THS Thüringer Heimatschutz ThürVSG Thüringer Verfassungsschutzgesetz TIG Territoriale Initiativgruppe TKEP Kommunistische Partei der Arbeit der Türkei TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten TLfV Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz U UZ Unsere Zeit V VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten W WJ Wiking Jugend WSDV Freiheitliche Wählergmeinschaft "Wir sind das Volk" WWW World-Wide-Web Z ZK Zentralkomitee Personenregister A Abu Jamal, Mumia 58,61 Apfel, Holger 29, 30, 31 B Benjamin, Prof. Dr. Michael 46, 47 Benoist, Alain de 90 Bisky, Lothar 45 Brandt, Tino 23 Brombacher, Ellen 46 C Callsen, Sabine 66 D Deckert, Günter 27, 28 Dehoust, Peter 33 Dienel, Thomas 40, 43 Diener, Lutz 29,33 E Eid, Safwan 56, 58 Engel, Stefan 51 Engels, Friedrich 44, 48, 50 98 F Falk, Bernhard 67 Faltin, Ullrich 68 Frey, Dr. Gerhard 34, 35, 40 G Garke, Matthias 68 Golkowski, Frank 28, 30, 32, 72 Groms, Wolfgang 59, 90 Gramsci, Antonio 90 Großkinsky, Frank 68 Gysi, Gregor 45 H Herrhausen, Dr. Alfred 64 Heß, Rudolf 23, 24, 3 1 , 33, 43, 71 Hofmannsthal, Hugo von 91 Hogefeld, Birgit 58,64 Hoppe, Kurt 32, 33 J Jung, Edgar Julius 92 K Kluß, Heinz-Hermann 30 Konrad, Gerhard 35 Krause, Dr. Rudolf 33 Krebs, Pierre 92 L Lenin, Wladimir Iljitsch 44, 48, 50 Liebknecht, Karl 52,53 Luxemburg, Rosa 52 M Mao Tse-tung 44, 50, 78 Marohn, Heinz 46 Marx, Karl 44, 48, 50 Meyer, Barbara 66 Moeller van den Brück, Arthur 92 Mohler, Armin 91 Mumia Abu Jamal (siehe Abu Jamal) 58, 61 N Nahrath, Wolfgang 29 Niethammer, Lutz 63 O Oberlercher, Dr. Reinhold 3 1 , 92, 93 Öcalan, Abdullah 75 99 P Petri, Michael 21 Pohl, Helmut 64 Priebke, Erich 22 R Reisz, Heinz 40 Remer, Otto-Ernst 40 Roeder, Manfred 43 Rohwedder, Dr. Detlev Karsten 66 S Schirinowski, Wladimir 35 Schlierer, Dr. Rolf 32 Schmitt, Carl 92 Schönhuber, Franz 32, 34 Schönleben, Andreas 32 Schöwitz, Klaus Peter 53 Schwerdt, Frank 2 1 , 22, 23 Seidler, Christoph 64, 65, 66 Stalin, eigentl. Dschugaschwili, Jossif Wissarionowitsch 44, 50 Stehr, Heinz 48 Steinau, Michael 67 T Thälmann, Ernst 47, 50, 52, 53, 6 1 , 62, 63 V Voigt, Udo 27, 28, 31 W Wagenknecht, Sarah 45, 46, 47 Wallner, Otmar 33 Wauer, Hans 52 Weilkes, Sandra 33 Weißbachjutta 68 Wendt, Christian 2 1 , 23 Worch, Christian 17,22 Z Ziegler, Rüdiger 32 100 Juni 1997 IMPRESSUM Herausgeber: Thüringer Innenministerium Schillerstraße 27 99096 Erfurt Telefon (0361)398-0 Druck: Gutenberg Druckerei GmbH Weimar