2-27 0-22 > > SACHSEN-ANHALT Ministerium für Inneres und Sport II Verfassungsschutzbericht 2014 - Berichtszeitraum 1.1. bis 31.12.2014 - Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt III IV Vorwort Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, vor nunmehr 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Der Nationalsozialismus und seine menschenverachtende demokratiefeindliche Ideologie brachte millionenfach Leid, Tod und Zerstörung über Europa und stellt mit den Verbrechen des Nazi-Regimes einen Tiefpunkt in der Geschichte der Menschheit dar. Die Erschütterung, die von diesem Krieg ausging und das Gefühl der Befreiung von NaziDiktatur, Unterdrückung, Rassenhass und Unfreiheit fanden einen langen Nachhall und stärken das Bewusstsein für den Wert von Demokratie, Freiheit und Menschenwürde. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten sich nach diesen Erfahrungen ganz bewusst für eine wehrhafte Demokratie entschieden. Sie wollten einen Staat der Freiheit. Politischer Agitation, die die Überwindung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zum Ziel hat, sollte dennoch effektiv begegnet werden können. Der Verfassungsschutz ist ein wichtiger Pfeiler in der föderalen Sicherheitsarchitektur unserer Demokratie. Er leistet einen bedeutenden Beitrag an der geistig-politischen Auseinandersetzung mit den Verfassungsgegnern. Ich begrüße daher ausdrücklich den Ausbau der Aufklärungsund Präventionsarbeit gegen alle Formen des politischen Extremismus. Ein erster Blick in den Verfassungsschutzbericht für das Berichtsjahr 2014 zeigt einen leichten Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials. Dies ist zwar ein erfreuliches Signal, aktuelle Ereignisse in unserem Land V Vorwort Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 belegen jedoch deutlich, wie Rechtsextremisten entsprechend ihres fremdenfeindlichen Menschenbildes weiter agieren. Die rechtsextremistische Szene in Sachsen-Anhalt unterliegt offenkundig einem Wandel in ihren Organisationsstrukturen und hinsichtlich der Themen. Der Rechtsextremismus passt sich gesellschaftlichen Entwicklungen an. Rechtsextremisten versuchen, wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Sie docken an Subkulturen wie der Hooliganund Rockerszene an. Die Teilnahme an den islamfeindlichen Protesten in deutschen Städten ist ein weiteres Beispiel dafür. Darüber hinaus ist das Potenzial und die Gewaltbereitschaft der Linksextremisten sehr bedenklich. Deren Gewalttaten nahmen im Berichtsjahr wieder zu. Vor allem beim Demonstrationsgeschehen am 18. Januar 2014 in Magdeburg trat die niedrige Hemmschwelle zur Gewaltanwendung, ganz besonders gegen Polizisten, offen zu tage. Dem Islamismus, insbesondere dem Salafismus, kommt auch in SachsenAnhalt eine größere Bedeutung zu. Welch dynamische Entwicklung dieser Themenkomplex nimmt, ist an den zunehmenden Nachrichten über Eroberungen und Gräueltaten des "Islamischen Staates" feststellen. Bundesweit finden sich leider vermehrt Sympathisanten dieser Organisation. Neu im Verfassungsschutzbericht 2014 des Landes Sachsen-Anhalt ist die Scientology-Organisation enthalten. Auch diese international ausgelegte Organisation macht nicht an unseren Landesgrenzen halt. VI Vorwort Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Der vorliegende Verfassungsschutzbericht enthält die während des Berichtsjahres verzeichneten verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse sowie deren Bewertung. Das Dokument will aufklären über die politischen Bedrohungen und unterschiedlichen Strömungen, die sich gegen unsere Demokratie richten. Der Bericht dient zugleich als Mahnung. Er soll uns alle anregen, sich mit extremistischen Bestrebungen und deren Gedankengut auseinanderzusetzen, um so das demokratische Bewusstsein zu stärken. Ihr Holger Stahlknecht Minister für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt VII Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 I. DER VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 12 Verfassungsschutz und Demokratie 12 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes 15 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 17 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher 20 Tätigkeit Keine polizeilichen Befugnisse 21 Kontrolle des Verfassungsschutzes 22 Auskunftserteilung 23 II. RECHTSEXTREMISMUS 24 ÜBERBLICK 24 GEWALTORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS 25 Allgemeines 25 Rechtsterrorismus 26 Politisch motivierte Strafund Gewalttaten 26 Hammerskinheads in Sachsen-Anhalt 32 Rechtsextremistisch beeinflusste Hooliganund Rockerszene 33 Rechtsextremistische Musik 36 Rechtsextremistische Vertriebe 39 RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSENANHALT 41 Rechtsextremistische Szene in Halle (Saale) 41 Rechtsextremistische Szene im Saalekreis 44 Rechtsextremistische Szene im Burgenlandkreis 48 Rechtsextremistische Szene in der Landeshauptstadt Magdeburg 50 Rechtsextremistische Szene im Salzlandkreis 54 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Jerichower Land 55 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Börde 55 VIII Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Rechtsextremistische Szene in der Altmark 56 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Harz 56 Rechtsextremistische Szene im Landkreis MansfeldSüdharz 57 Rechtsextremistische Szene in der Region DessauRoßlau und in den Landkreisen Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld 58 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 60 Aktivitäten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg 60 Aktivitäten zum Todestag (23. Februar) von Horst Wessel 61 Aktivitäten zum 8. Mai 61 Aktivitäten zum 17. Juni 62 Aktivitäten von Rechtsextremisten zum Todestag der Rathenau-Mörder 62 Aktivitäten zum Todestag von Rudolf Heß 63 Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene zum Volkstrauertag (szenetypisch "Heldengedenktag") 63 Publikation "Neue Wege" von Steffen HUPKA 64 Aktionstag "Schwarze Kreuze Deutschland" 64 NUTZUNG VON KOMMUNIKATIONSMEDIEN 65 Verhandlung gegen Hauptverantwortliche des "ThiaziForums" 66 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 68 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 68 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 83 Partei "DIE RECHTE" 88 Partei "Der III. Weg" 92 "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) 95 Verein "Gedächtnisstätte e.V." 95 AUSBLICK 97 IX Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 III. LINKSEXTREMISMUS 99 ÜBERBLICK 99 Situation und Entwicklungstendenzen in Sachsen-Anhalt 100 AUTONOME 103 Selbstverständnis von Autonomen 103 Strafund Gewalttaten 104 Spezifische Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt 104 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND 114 SONSTIGE GRUPPIERUNGEN "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 114 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 115 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) 117 "Rote Hilfe" (RH) 117 AUSBLICK 119 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 120 ÜBERBLICK 120 "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) 120 AUSBLICK 128 V. ISLAMISTISCHE UND ISLAMISTISCH-TERRORISTISCHE BESTREBUNGEN 129 ÜBERBLICK 130 Salafistische Bestrebungen 130 "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB) 137 X Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 VI. SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) 141 Wirtschaftliche Interessen der SO 141 Öffentlichkeitsarbeit der SO 143 Zielgruppe Jugendliche 143 Aktivitäten gegenüber Behörden 145 VII. SPIONAGEABWEHR 146 Unterschiede bei den Zielen der Informationsbeschaffung 146 FREMDE NACHRICHTENDIENSTE 147 Russische Nachrichtendienste 147 Chinesische Nachrichtendienste 148 Weitere Nachrichtendienste 150 PROLIFERATIONSABWEHR 151 ELEKTRONISCHE ANGRIFFE 153 WIRTSCHAFTSSCHUTZ 153 Konkrete Hinweise und Empfehlungen 154 MITARBEIT DER BEVÖLKERUNG 155 VIII. GEHEIMSCHUTZ 157 Allgemeines 157 Geheimschutz im öffentlichen Bereich 158 IX. ANHANG 159 GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ 159 IM LAND SACHSEN-ANHALT (VerfSchG-LSA) - STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK 182 STICHWORTVERZEICHNIS 183 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 194 REGISTERANHANG DER EXTREMISTISCHEN ORGANISATIONEN 198 PUBLIKATIONSLISTE 201 XI Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 I. DER VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT Verfassungsschutz und Demokratie Die Bekämpfung des Extremismus in jeglicher Form, der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Stärkung eines demokratischen und toleranten Bewusstseins unserer Gesellschaft gehören zu den zentralen Aufgaben unserer wehrhaften Demokratie. Die geschichtliche Erfahrung der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren musste, veranlasste die Verfasser des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie zu gestalten. Deshalb enthält das Grundgesetz (GG) Vorkehrungen zum Schutz und zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: - die Unabänderlichkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung in Artikel 79 Abs. 3 GG, wie zum Beispiel der Schutz der Menschenwürde und das Rechtsstaatsund Sozialstaatsprinzip, - das Recht, Parteien (Artikel 21 Abs. 2 GG) und sonstige Vereinigungen (Artikel 9 Abs. 2 GG) zu verbieten, wenn diese darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, - die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 GG). Die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden ist Ausdruck der Entscheidung des Grundgesetzgebers für eine wehrhafte Demokratie. 12 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Eine der wesentlichsten Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden ist das Sammeln und Auswerten von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. Damit sollen sie als "Frühwarnsystem" extremistische und die verfassungsgemäße Ordnung gefährdende Aktivitäten erkennen und in ihrer Bedeutung analysieren und bewerten. Das Grundgesetz hat dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Artikel 73 Nr. 10b und Nr. 10c GG) zugewiesen und ihn zur Einrichtung von Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes (Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ermächtigt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)1 regelt unter anderem den gemeinsamen Aufgabenrahmen der Verfassungsschutzbehörden und ihre Zusammenarbeit. Das BVerfSchG verpflichtet die Länder zur Einrichtung von Landesbehörden für den Verfassungsschutz. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder als Teil des Innenministeriums oder als selbstständige Landesbehörde organisiert. In Sachsen-Anhalt wird die Aufgabe des Verfassungsschutzes von einer Abteilung des Ministeriums für Inneres und Sport wahrgenommen. Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde regelt das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA).2 1 BGBl. 1990, Teil I, S. 2954, 2970, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. 2013, Teil I, S. 1602). 2 GVBl. LSA 2006, S. 236, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (GVBl. LSA 2013, S. 494, 495). 13 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Das VerfSchG-LSA gebietet den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und beschreibt damit eines der wesentlichen Ziele des Verfassungsschutzes. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des VerfSchG-LSA zählen: das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt konkretisierten Menschenrechte. 14 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Aufgabe der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde ist das Sammeln und Auswerten von Informationen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde zählt auch die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Aufenthalts-, dem Staatsangehörigkeits-, dem Luftsicherheits-, dem Sprengstoffund dem Atomgesetz sowie nach der Bewachungsverordnung. 15 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Im Rahmen des Geheimschutzes und des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes wirkt die Verfassungsschutzbehörde bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen des öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichs mit. Sie berät zudem bei technischen Sicherheitsmaßnahmen. Das Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA)3 ist die gesetzliche Regelung für Sicherheitsüberprüfungen, die aus Gründen des Geheimschutzes oder des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes erforderlich sind. Für besondere Aufgaben des Verfassungsschutzes waren im Haushaltsplan 2014 im Einzelplan 03 insgesamt 724.900 Euro angesetzt. Der Verfassungsschutzbehörde standen im Berichtsjahr 102 Dienstposten/Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Unverzichtbarkeit der Nachrichtendienste im Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden für die Gewährleistung der inneren Sicherheit im demokratischen Rechtsstaat wurde insbesondere vor dem Hintergrund der Mordserie des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zum Teil offen in Frage gestellt. Dieser kritischen Diskussion stellt sich der Verfassungsschutz als Institution des demokratischen Rechtsstaats. Der Verfassungsschutz nimmt seine Rolle als "Frühwarnsystem" in Bezug auf extremistische Bestrebungen und seine Aufgaben im Bereich der Prävention und Aufklärung der Öffentlichkeit auch zukünftig zielgerichtet wahr. 3 GVBl. LSA 2006, S. 12, 14. 16 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Über die Öffentlichkeitsarbeit leistet die Verfassungsschutzbehörde einen wichtigen Beitrag in der geistig-politischen Auseinandersetzung mit extremistischem und terroristischem Gedankengut und dient damit dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Regierung und Parlament, aber auch die Bürger werden durch den Verfassungsschutz über die Aktivitäten und Absichten der verfassungsfeindlichen Organisationen informiert. Verfassungsschutzbericht Die Verfassungsschutzbehörde erfüllt mit diesem Bericht ihre gesetzlichen Unterrichtungspflichten, die in SS 15 Absatz 1 und 2 des VerfSchG-LSA normiert sind. Zum Verfassungsschutzbericht gilt folgendes: Soweit der Verfassungsschutzbericht einzelne Gruppierungen namentlich darstellt, handelt es sich - sofern nicht anders erwähnt - um Fälle, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele im Sinne des SS 4 Abs. 1 VerfSchG-LSA verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt (siehe Registeranhang). Allerdings erwähnt der Verfassungsschutzbericht nicht alle Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt. Die Nennung lediglich extremistisch beeinflusster Gruppierungen dient dem Verständnis des sachlichen Zusammenhangs. Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Sachsen-Anhalts wurden in diesem Bericht aufgenommen, sofern sie für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs erforderlich sind. Ebenfalls dem Verständnis dienende Hintergrundinformationen sind in einem farblich abgesetzten Feld aufgenommen. 17 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die in Anführungszeichen gefassten Textteile wurden, sofern es sich um Zitate handelt, in der Originalschreibweise wiedergegeben. Bei den Personenzusammenschlüssen wurden die jeweiligen Mitgliederzahlen zum Teil geschätzt und gerundet. Personenund Funktionsbezeichnungen in diesem Bericht gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form. Die Verfassungsschutzberichte der letzten fünf Jahre können im Internet unter der Adresse: www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz heruntergeladen oder bei der Verfassungsschutzbehörde kostenlos angefordert werden. Verfassungsschutz durch Aufklärung Mit den Informationen, die der Verfassungsschutz über verfassungsfeindliche Personenzusammenschlüsse und Gruppierungen sammelt, unterrichtet die Verfassungsschutzbehörde Landtag, Landesregierung, Gerichte, Staatsanwaltschaften, Kommunen und weitere Behörden, um frühzeitig vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu warnen. Im Bereich der Spionageabwehr sowie des Wirtschaftsund Wissenschaftsschutzes bietet die Verfassungsschutzbehörde Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen Informationen und Hilfestellungen zum Schutz vor Spionage an. Ein weiteres Hauptaugenmerk beim "Verfassungsschutz durch Aufklärung" gilt dem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Aufgabenfelder des Verfassungsschutzes. Der beste Demokratieschutz sind informierte Menschen. Deshalb ist uns die Unterrichtung der Öffentlichkeit ein wichtiges Anliegen. Sie geschieht durch 18 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 den jährlichen Verfassungsschutzbericht, öffentliche Vorträge und Fachtagungen sowie über unsere Internetseiten und auch über die Medien. Der Verfassungsschutz bietet im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages im Bereich der Präventionsund Öffentlichkeitsarbeit Vorträge über die verschiedenen Erscheinungsformen des politischen Extremismus sowie über Spionageaktivitäten fremder Mächte an. Von Veranstaltern kann dieses Angebot nachgefragt werden und Gastreferenten des Verfassungsschutzes können zu Veranstaltungen eingeladen werden. Das Vortragsangebot nutzen auch diverse Bildungseinrichtungen. Dem jeweiligen Veranstalter oder dem unterrichtsgestaltenden Lehrer obliegt die Einbindung in das eigene Veranstaltungsoder pädagogische Konzept. Die Vorträge bilden dabei Grundlage für weiterführende Diskussionen. Im Berichtsjahr konnten mit öffentlichen Vorträgen des Verfassungsschutzes insgesamt etwa 1.200 Personen zu den Themenfeldern und Aufgaben des Verfassungsschutzes informiert werden. Hier sei beispielsweise die Fachtagung für Bedienstete der Justiz, der Kommunen und der Polizei am 8. Oktober an der Fachhochschule Polizei in Aschersleben genannt. Gemeinsam mit dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung und der Landeszentrale für politische Bildung wurde etwa 270 Teilnehmern ein umfangreiches Bild zum Thema ""Reichsbürger" - Sonderlinge oder Teil der rechtsextremen Bewegung" vermittelt. Fast gleichzeitig informierte der sachsen-anhaltische Verfassungsschutz die interessierte Öffentlichkeit mit einem entsprechenden Informationsflyer "Reichsbürger" in Sachsen-Anhalt zu diesem Thema. Wünschen Sie Informationen? Dann wenden Sie sich bitte direkt an uns: 19 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt Postfach 18 49 39008 Magdeburg Tel.: +49(0)391/567-3900 E-Mail: verfassungsschutz@mi.sachsen-anhalt.de oder besuchen Sie uns im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz Hier finden Sie weitere Informationen und unsere aktuellen Publikationen. Näheres können Sie auch der anliegenden Publikationsliste entnehmen. Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Den überwiegenden Teil ihrer Informationen gewinnt die Verfassungsschutzbehörde aus allgemein zugänglichen, so genannten offenen Quellen. Das sind zum Beispiel Programme und Flugblätter, öffentliche Aussagen auf Versammlungen oder Veröffentlichungen im Internet. Wo diese offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde unter den Voraussetzungen der SSSS 7 und 8 VerfSchG-LSA und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Hierzu zählen zum Beispiel der Einsatz von verdeckten Ermittlern, V-Personen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen oder die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einen Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht er20 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 kennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen (SS 8 Abs. 1 Satz 3 VerfSchG-LSA). Ein nach wie vor unverzichtbares nachrichtendienstliches Mittel ist der Einsatz von V-Personen. Bei ihnen handelt es sich um Personen, die gezielt zur verdeckten Beschaffung von Informationen eingesetzt werden. V-Personen sind keine Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde. Die Steuerung extremistischer Gruppierungen oder Organisationen von V-Personen ist unzulässig. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählt auch die Brief-, Postund Telefonkontrolle. Der hiermit verbundene Eingriff in das Grundrecht nach Artikel 10 GG ist nach Maßgabe des Artikel 10Gesetzes zulässig. Die Verfassungsschutzbehörde ist im Rahmen detaillierter gesetzlicher Regelungen befugt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, sowie die dem Briefoder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.4 Das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt (AG G 10-LSA)5 beinhaltet die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für Maßnahmen, die in das Grundrecht nach Artikel 10 GG eingreifen. Keine polizeilichen Befugnisse Die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde zielt nicht unmittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von konkreten Straftaten oder die Vorbereitung entsprechender operativer Maßnahmen. Die Aufgabe beschränkt sich auf eine Berichtspflicht gegenüber den politisch Verantwortlichen beziehungsweise der Öffentlichkeit.6 Die Verfassungsschutzbehörde hat deshalb keine polizeilichen Befugnisse. Ihre Mitarbeiter sind also nicht berechtigt, zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Die Verfassungsschutzbehörde darf auch nicht im 4 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10), BGBl. 2001, Teil I, S. 1254, 2298, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. 2013, Teil I, S. 1482). 5 GVBl. LSA 2006, S. 12, 25, geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Januar 2012 (GVBl. LSA 2012, S. 2); Bundesrecht: Artikel 10-Gesetz - G 10 (BGBl. 2001, Teil I, S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. 2013, Teil I, S. 1482). 6 Vgl. Urteil des BVerfG zur ATD vom 24. April 2013, Az.: 1 BvR 1215/07, RN 118. 21 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Wege der Amtshilfe die Polizei um die Durchführung von Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt der Kontrolle des Landtages. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wahr. Hiervon bleiben die anderen Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse unberührt. Die Landesregierung hat diese Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Die aus fünf Abgeordneten des Landtages bestehende PKK tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Grundsätzlich hat die PKK das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen (SS 27 VerfSchG-LSA).7 In den Fällen der oben dargestellten Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz und der Wahrnehmung von besonderen Auskunftsbefugnissen nach SS 17a VerfSchG-LSA erfolgt die Kontrolle von einem eigens dafür eingesetzten Gremium, der G 10-Kommission. Deren Kontrollbefugnis erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Verarbeitung und Nutzung der erlangten personenbezogenen Daten. Zusätzlich wird die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes von dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, dem Landesrechnungshof und den Gerichten kontrolliert. Schließlich unterliegt die Verfassungsschutzbehörde einer faktischen Kontrolle durch die Berichterstattung der Medien und die öffentliche Meinung. 7 Siehe Anhang. 22 Allgemeines Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auskunftserteilung Jeder kann unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten beantragen. Die Verfassungsschutzbehörde ist nach SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Die Auskunft hat jedoch zu unterbleiben, wenn bestimmte, im Gesetz geregelte Ausschlussgründe vorliegen. Ein solcher Ausschlussgrund ist beispielsweise gegeben, wenn durch die Auskunftserteilung eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde drohen würde. Im Berichtsjahr gab es 121 Auskunftsersuchen. Auskunft über die zur Person gespeicherten Daten 1 Negativauskunft, keine Daten gespeichert 101 Keine Bearbeitung mangels Identifizierung des Ersuchenden8 19 Auskunftsersuchen insgesamt 121 8 Geht ein Ersuchen ein, wird der Ersuchende zunächst gebeten, eine Kopie seines Personalausweises oder eines entsprechenden Personendokuments zur Identitätsfeststellung zu übersenden. Dies soll die angefragte Person davor schützen, dass möglicherweise andere Personen in seinem Namen Auskunft verlangen und Daten gegebenenfalls an Unberechtigte übermittelt werden. 23 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 II. RECHTSEXTREMISMUS ÜBERBLICK Der Rechtsextremismus ist neben der Bedrohung durch Islamismus eine bedeutende Kategorie im Kanon der Extremismen. Daher widmet die Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt einen Großteil ihrer Arbeit der Beobachtung des Rechtsextremismus. Die rechtsextremistische Szene in Sachsen-Anhalt unterliegt offenkundig einem Wandel in ihren Organisationsstrukturen und hinsichtlich der Themen, die in unterschiedlicher Intensität verfolgt werden. Die größten Veränderungen haben die klassischen neonazistischen Strukturen wie Kameradschaften und Aktionsgruppen erfahren. Aufgrund fehlender Führungskader sind die bislang etablierten Gruppierungen inaktiv, ganz weggebrochen oder haben sich verkleinert. Diese Entwicklung kann für das gesamte Land SachsenAnhalt festgestellt werden. Gleichwohl hat sich das Gesamtpotenzial der erkannten Rechtsextremisten gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Rechtsextremisten9 2013 2014 1. Parteigebundener Rechtsextremismus 250 280 (Parteien) 2. Parteiungebundener Rechtsextremismus 430 340 (Neonazismus) 3. Weitgehend unstrukturierter, meist subkulturell 830 700 geprägter Rechtsextremismus Summe: 1.51010 1.320 Gesamt (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) 1.400 1.300 9 Zahlen zum Teil geschätzt und gerundet. 10 Durch eine Umstellung der Kategorisierung kam es 2013 zu einer höheren Ausweisung der Mehrfachmitgliedschaften. 24 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Etliche Aktivitäten von Neonazis, die noch vor wenigen Jahren bestrebt waren, ihre Ideen und Aktionen in angestammten Trefforten und zu festgelegten Zeiten durchzuführen, verlagerten ihr Wirken ins Internet. Anonymität und Unverbindlichkeit führen jedoch in der Gesamtschau zu weniger rechtsextremistischer Aktivität. GEWALTORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS Allgemeines Gewalt und Gewaltbereitschaft sind kennzeichnend für einen nicht unerheblichen Teil des subkulturell geprägten rechtsextremistischen Personenpotenzials. Der dieser Szene zuzurechnende Personenkreis weist seit geraumer Zeit ein sehr heterogenes Erscheinungsbild auf und definiert sich hauptsächlich über szenetypische Musik und den damit verbundenen Lebensstil. Ein offenkundig erkennbares Auftreten, etwa durch einheitliche Dresscodes oder das früher typische Erscheinungsbild des "klassischen" Skinheads ist in der Öffentlichkeit kaum noch wahrnehmbar. Die Angehörigen der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene verfügen in aller Regel zudem nicht über ein in sich geschlossenes Weltbild, sondern werden von einzelnen rechtsextremistischen Einstellungen und Argumentationsmustern beeinflusst und geprägt. Als Kernfelder dienen hier vor allem Rassismus und Antisemitismus, untersetzt mit einer Gewaltaffinität, die sich wiederum insbesondere gegen Minderheiten und aus ihrer Sicht Andersdenkende richtet. Die daraus resultierenden, meist spontanen aggressiven und mitunter gewalttätigen Aktionen sind es sodann, durch die die subkulturelle rechtsextremistische Szene in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Im Vergleich zu 2013 ist das in Sachsen-Anhalt im gewaltorientierten subkulturell geprägten Spektrum verortete Personenpotenzial mit nunmehr etwa 700 Personen (2013: 830) leicht zurückgegangen, gleichwohl geht von diesen ein unvermindert hohes Gewaltund Gefahrenpotenzial aus. Sie bilden auch weiterhin die größte Gruppe im Bereich des Rechtsextremismus. Der Ermittlung des Personenpotenzials liegen der Verfassungsschutzbehörde bekannte Personen zugrunde, die politisch motivierte Gewalt bereits ausgeübt 25 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 haben oder die sich in Gruppen bewegen, die als gewaltbereit gelten und die Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele präferieren. Rechtsterrorismus Im Bereich des Rechtsextremismus können einzelne terroristische Aktionen, auch solche selbstmotivierter Einzeltäter oder Kleingruppen, nach derzeitiger Erkenntnislage unverändert nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn sich im Berichtsjahr insbesondere in Sachsen-Anhalt keine entsprechenden Anhaltspunkte für die Vorbereitung entsprechender terroristischer Aktionen oder eine "Aufrüstung" innerhalb der Szene gezeigt haben, verdeutlichen die Sicherstellungen von Waffen und Munition sowie von Sprengstoffen und Pyrotechnik, dass solche Gegenstände auch der rechtsextremistischen Szene zugänglich sind. Diese Funde und auch die gelegentlich festgestellten Teilnahmen von Rechtsextremisten an Schießsportveranstaltungen im Inland und so genannten Schießtrainings im Ausland sind durchaus besorgniserregend und belegen die Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff. Allein schon wegen des sich daraus ergebenden latenten Gefährdungspotenzials bedarf dieser Bereich der weiteren Beobachtung und Analyse der jeweiligen Sicherheitsbehörden, gerade um der möglichen Bildung terroristischer Gruppen innerhalb der rechtsextremistischen Szene rechtzeitig entgegenwirken zu können. Politisch motivierte Strafund Gewalttaten Auch wenn sich das Personenpotenzial der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene von etwa 700 im Vergleich zum Vorjahr vermindert hat, bleibt diese Szene ein wichtiges Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes. Die Anzahl der gerade von diesen Personen verübten Straftaten der politisch motivierten Kriminalität -rechtsist im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig, bewegt sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Das Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" wurde nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und 26 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) zum 1. Januar 2001 eingeführt. Danach wird als politisch motivierte Kriminalität bezeichnet und erfasst: Alle Straftaten, die einen oder mehrere Straftatbestände der so genannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: SSSS 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Im Übrigen gehören dazu aber auch Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (zum Beispiel Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), jedoch nur, wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Verwirklichung politischer Entscheidungen richten, sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, 27 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (so genannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. Im Rahmen der polizeilichen Meldung der politisch motivierten Kriminalität erfolgt unverzüglich bei Aufnahme der Ermittlungen von den örtlich zuständigen Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes eine erste eigene Bewertung, ob eine Straftat einen extremistischen Hintergrund hat und welchem Phänomenbereich sie zuzuordnen ist. Hierbei orientiert sich die Bewertung am Extremismusbegriff der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. SS 4 Absatz 1 VerfSchG-LSA)11 sowie dazu vorhandener Rechtsprechung. Sofern sich im Verlauf des Verfahrens neue Erkenntnisse ergeben, nach denen die erste Einstufung zu revidieren ist sowie bei Abschluss der Ermittlungen und bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft erhält die Verfassungsschutzbehörde weitere Meldungen zum jeweiligen Sachverhalt. Von der Verfassungsschutzbehörde, der die endgültige Entscheidung über die Einstufung als extremistische Tat obliegt, erfolgt ein Abgleich mit den ihr vorliegenden Erkenntnissen. Kommt die Verfassungsschutzbehörde zu einer gegenteiligen Bewertung, teilt sie dies der Polizei mit, die daraufhin eine Änderung der Einstufung der entsprechenden Taten vornimmt. Die auf diese Weise zwischen Polizei und Verfassungsschutz abgestimmten, bei der Polizei gespeicherten Bewertungen zur politisch motivierten Kriminalität spiegeln damit den jeweils aktuell gegebenen Ermittlungsstand, auch in Bezug auf die Melde-/ Bewertungskriterien wider. Für die Darstellung der Jahreslage im Bund und in den Ländern wird - von der Auswertung der tagesaktuellen Datensätze abweichend - einheitlich der zum 31. Januar des Folgejahres gegebene Datenbestand herangezogen. Diese Fallzahlen sind in SachsenAnhalt zugleich auch die Grundlage für die statistische Zulieferung 11 Siehe Anhang. 28 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 der Fälle extremistisch motivierter Kriminalität von der Polizei an den Verfassungsschutz zur Erstellung des Verfassungsschutzberichtes. Insofern sind die statistischen Daten, die die Grundlage für das Zahlenmaterial in den Verfassungsschutzberichten darstellen, zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörde abgestimmt. Im Berichtsjahr wurden insgesamt 1.261 Strafund Gewalttaten -rechtsfestgestellt. Das sind 78 Taten weniger als im Vorjahr (2013: 1.339). Die in dieser Gesamtzahl enthaltenen Gewalttaten sanken auf 47 (2013: 71). Die Gewaltschwerpunkte im Bereich der politisch motivierten Kriminalität -rechtslagen vor allem in der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau und in den Landkreisen Wittenberg und Saalekreis.12 100 80 60 2012 40 2013 20 2014 0 Gewalttaten -rechtsin den vergangenen drei Jahren 12 Zahlen der politisch motivierten Kriminalität des LKA Sachsen-Anhalt. 29 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Propagandadelikte Die so genannten Propagandadelikte, die qualitativ zwar deutlich hinter den übrigen Delikten der politisch motivierten Kriminalität und insbesondere den Gewalttaten zurückbleiben, sind gleichwohl aber bereits wegen des quantitativen Schwerpunkts, den diese in der Gesamtschau bilden, nicht zu unterschätzen. Im Berichtsjahr wurden 930 (2013: 949) rechtsextremistische Propagandadelikte bekannt. Dies waren etwa 74 Prozent der Gesamtstraftaten. 13 Als ein signifikantes Beispiel aus dem Bereich der Propagandadelikte sind etwa die am 28. Oktober festgestellten Hakenkreuzschmierereien auf zwei Plakaten einer Ausstellung über die Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) im Hörsaalund Mensagebäude der Fachhochschule Polizei in Aschersleben (Salzlandkreis) zu nennen. Die bisherigen Ermittlungen führten noch nicht zu einem Tatverdächtigen. Fremdenfeindlich motivierte Straftaten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind weiterhin das von Hass geprägte Leitbild der rechtsextremistischen Szene. Obgleich die rechtsextremistische Szene sehr heterogen ist, stellt die Fremdenfeindlichkeit eines der wenigen Ideologieelemente dar, das nahezu alle Rechtsextremisten vereint. Dies spiegelt sich auch in der zahlenmäßigen Betrachtung der Straftaten der politisch motivierten Kriminalität -rechtswider. Der überwiegende Teil der rechtsextremistischen Gewalttaten war demnach fremdenfeindlich motiviert. Die Taten werden meist spontan und situativ verübt und in vielen Fällen durch Alkoholisierung gefördert. Vor dem Hintergrund steigender Asylsuchendenund Flüchtlingszahlen rückte die rechtsextremistische Szene die Thematik Asyl im Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit in den Vordergrund. Anschläge auf von Asylsuchenden genutzte Objekte nahmen zu. 13 Ebenda. 30 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Bundesweit nehmen Kampagnen gegen Asylsuchende und Flüchtlinge, aber auch gegen EU-Zuwanderer, seit geraumer Zeit zu. Die Kampagnen werden meist von der rechtsextremistischen Szene initiiert, erreichen jedoch in der Folge mitunter auch das bürgerliche Spektrum. In Sachsen-Anhalt war diese Entwicklung im Berichtszeitraum zuerst im Bereich der Stadt Merseburg und dann im Stadtteil Silberhöhe der Stadt Halle (Saale) verortet. 14 Insbesondere die im Juli mit einer Volksverhetzung im Internet begonnene und mit Schmierereien und Sachbeschädigungen fortgeführte Agitation gegen rumänische Staatsangehörige der ethnischen Minderheit der Roma im Stadtteil Halle-Silberhöhe mündete in die Anmeldung einer Demonstration für den 5. Dezember unter dem Motto "Asylflut stoppen". Beschränkten sich die Aktivitäten zuvor noch auf den virtuellen Raum, traten nunmehr im Zusammenhang mit der Demonstrationsanmeldung Personen in Erscheinung, die der Verfassungsschutzbehörde als Rechtsextremisten bereits bekannt waren. Die für den 5. Dezember angemeldete Veranstaltung fand letztlich nicht statt. Eine mögliche Verbindung zur Bewegung der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa), wie sie zuvor in einschlägigen Internetforen dargestellt wurde, ließ sich nicht belegen, zumal die anfängliche Thematisierung der geplanten Demonstrationsveranstaltung "... gegen die Islamisierung, die Zigeunerplage und den Asylantenwahnsinn in unserem Land" weit über deren Bezug zum Salafismus hinausging und eindeutige rechtsextremistische Bezüge aufwies. Gerade vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Kampagnen gegen Asylsuchende, Flüchtlinge und Zuwanderer nicht um ein örtlich begrenztes, sondern ein bundesweites Phänomen handelt, wird weiterhin ein besonderes Augenmerk auf mögliche Entwicklungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu legen sein. 14 Siehe Seite 42f. 31 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Antisemitische Straftaten Die im Berichtszeitraum bekannt gewordenen antisemitisch motivierten Straftaten richteten sich vor allem gegen jüdische Einrichtungen und Gedenkstätten im Land. Im Vordergrund derartiger Straftaten stehen zumeist die Symbolträchtigkeit des Objekts und damit die Botschaft der Tat. Zudem reflektierten einzelne Taten auch auf den aktuellen Konflikt im Nahen Osten. Hammerskinheads in Sachsen-Anhalt Die Hammerskinheads wurden Mitte der 1980er Jahre in den USA gegründet. Das Symbol der Hammerskinheadbewegung sind die gekreuzten Zimmermannshämmer. Sie stehen für die "weiße Arbeiterklasse", die eine hoch entwickelte Zivilisation aufbauen soll. Das Ziel dieser selbst ernannten "weißen rassistischen Bruderschaft" ist die Vereinigung aller weißen Skinheads in einer "Hammerskin-Nation".15 In Deutschland ist die Organisation seit Anfang der 1990er Jahre aktiv und weist derzeit etwa 100 Personen auf. Sie gliedert sich in mehrere Sektionen, den so genannten Chaptern. Eine Vernetzung erfolgt sowohl national als auch international über entsprechende "Nationaloder European Officers Meetings". Eine Aufnahme in die Organisation wird nur langjährigen Szeneangehörigen ermöglicht. Nach dem Verbot der bundesweit agierenden neonazistischen Skinhead-Organisation "Blood & Honour" im Jahr 2000 16 sind die Hammerskinheads die einzige verbliebene Skinheadorganisation. Auch sie tritt, wie zuvor "Blood & Honour", vor allem mit der Organisation von rechtsextremistischen Veranstaltungen und Konzerten in Erscheinung. Dabei gelang es den Hammerskinheads bislang je15 Logo der Hammerskinheads. 16 Blood & Honour wurde am 12. September 2000 vom BMI verboten. 32 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 doch nicht, die mit dem Verbot von "Blood & Honour" entstandene Lücke in diesem Bereich zu schließen. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit keine Strukturen und kein Chapter der Hammerskinheads. Soweit einzelne Personen der Organisation angehören, sind diese in anderen regionalen Strukturen organisiert. Rechtsextremistisch beeinflusste Hooliganund Rockerszene Hooliganszene Für eine gezielte Beobachtung der Hooliganszene seitens der Verfassungsschutzbehörde müssen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass von ihr Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Dergleichen war im Berichtsjahr nicht feststellbar. Auch lagen der Verfassungsschutzbehörde keine Erkenntnisse über eine zielgerichtete rechtsextremistische Unterwanderung von Hooligangruppen sowie von Fußballvereinen, Fanclubs und Ordnerdiensten in Sachsen-Anhalt vor. Insoweit lassen sich Verbindungen zum Rechtsextremismus nur dann abbilden, wenn zum Beispiel bekannte Rechtsextremisten erkennbar in der Hooliganszene auftreten oder Mitglieder von Hooliganoder Fangruppierungen mit Straftaten der politisch motivierten Kriminalität -rechtsin Erscheinung treten. In Sachsen-Anhalt muss schätzungsweise von einer Schnittmenge von weniger als 10 Prozent ausgegangen werden. Die Fangruppierung "Blue White Street Elite" (BWSE) weist eine relativ hohe Schnittmenge an Rechtsextremisten auf. Anhänger der BWSE traten meist einzeln oder in kleinen Gruppen auf und brachten ihre persönliche rechtsextremistische Gesinnung zum Ausdruck. 33 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die auftretenden teilweisen personellen Überschneidungen zwischen Rechtsextremisten und Hooligangruppen finden ihre Ursache nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörde darin, dass beide Szenen durch einen starken Männlichkeitskult, der die jeweils andere Szene grundsätzlich attraktiv erscheinen lässt, geprägt sind. Darüber hinaus vermitteln sowohl Gruppierungen des rechtsextremistischen Spektrums als auch Hooligangruppen ein gerade für junge Männer augenscheinlich anziehendes Gemeinschaftsgefühl. Nicht zuletzt die Möglichkeit körperlicher Auseinandersetzungen im Umfeld von Fußballspielen besitzt eine Anziehungskraft auch für gewaltorientierte Rechtsextremisten. Die in der Vergangenheit von Angehörigen der Hooliganszene verwendeten rechtsextremistischen Symbole oder Sprechchöre mit rechtsextremistischen Beiträgen erscheinen in diesem Zusammenhang weniger als Ausdruck einer politischen Gesinnung, sondern überwiegend als Provokation gegenüber den Sicherheitsbehörden und vor allem gegenüber gegnerischen Hooligans. Im Berichtsjahr war erstmalig der zunächst nur im virtuellen Raum auftretende organisierte Zusammenschluss von Hooliganund Fangruppierungen gegen die "Salafistenszene" unter der Bezeichnung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) aufgetreten. Bis zum Demonstrationsgeschehen am 26. Oktober in Köln trat die HoGeSa außer bei kleineren Treffen überwiegend im virtuellen Raum in Erscheinung. Nach Auswertung der Ereignisse am 26. Oktober in Köln und am 15. November in Hannover und mit Blick auf mögliche Bezüge zu Sachsen-Anhalt sind der Verfassungsschutzbehörde bislang einzelne Personen aus Sachsen-Anhalt bekannt, die an beiden genannten Veranstaltungen teilgenommen haben. Eine Schnittmenge zum Rechtsextremismus war in einem geringen Umfang zu verzeichnen. In Sachsen-Anhalt waren öffentliche Veranstaltungen der HoGeSa bislang nicht feststellbar. Die für den 5. Dezember in Halle (Saale) angemeldete Demonstration einer angeblichen HoGeSa-Bewegung fand letztlich nicht statt. 34 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Gewaltaffinität der Personen in beiden Szenen sowie die möglicherweise als Provokation gedeuteten Handlungen der Salafisten dürften vielmehr zu einer diffusen antimuslimischen Fremdenfeindlichkeit geführt haben. Vor diesem Hintergrund und der Annahme, dass sich rechtsextremistische Gruppierungen und Vereinigungen mit der Teilnahme an gleichgelagerten Veranstaltungen der Hooliganszene augenscheinlich einen Resonanzboden für ihre fremdenfeindliche Propaganda sowie ein Rekrutierungspotenzial erhoffen, wird seitens der Verfassungsschutzbehörde ein besonderes Augenmerk auf mögliche Verbindungen beider Szenen und sich daraus gegebenenfalls bildende Schnittmengen gelegt. Rockerszene Für die Rockerszene gilt eine im Ergebnis ähnliche Einschätzung wie zur Hooliganszene. Da bislang von der Verfassungsschutzbehörde keine tatsächlichen Anhaltspunkte für von der Rockerszene ausgehende Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festzustellen sind, erfolgt keine gezielte Beobachtung. Mit Blick auf die kriminellen Betätigungsfelder befassen sich mit dieser Szene die Strafverfolgungsbehörden. Unstreitig liegen teilweise personelle Überschneidungen zwischen Rechtsextremisten und Rockern vor, die der Verfassungsschutzbehörde vor allem durch die Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen bekannt werden. Auch wenn diese Schnittmenge, ähnlich der Hooligans, insbesondere in der Gewaltaffinität des Personenpotenzials und dem stark ausgeprägten Männlichkeitskult in beiden Szenen begründet sein dürfte, wird dieses Phänomen entsprechend beobachtet. In Magdeburg tritt der Motorradclub (MC) "Division 39" mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an bekannten Rechtsextremisten in Erscheinung. Dieser nutzt für seine Treffen ein Objekt, das der örtlichen rechtsextremistischen Szene zugeordnet wird. Eine Verbindung zur organisierten Kriminalität kann nicht ausgeschlossen werden. 35 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Rechtsextremistische Musik Unter rechtsextremistischen Musikveranstaltungen werden Veranstaltungen erfasst, bei denen rechtsextremistische Gruppen oder Liedermacher auftreten. Wenn keine Erkenntnisse über die Bands oder Liedermacher vorliegen, werden Erkenntnisse zum Veranstalter, zum Teilnehmerkreis, zum Ziel oder zum Zweck der Veranstaltung zur Bewertung herangezogen, die dazu führen können, dass die Musikveranstaltung oder der Liederabend als rechtsextremistisch bewertet werden. Neben ihrer identitätsstiftenden Funktion dient rechtsextremistische Musik als Lockmittel, um Jugendliche oder junge Erwachsene an die rechtsextremistische Szene sowie deren Ideologie heranzuführen und langfristig zu binden. Musik besitzt somit nach wie vor eine herausragende Bedeutung für die Bildung und den Bestand der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene. Inhaltlich vermitteln die Texte offen oder unterschwellig rechtsextremistische Feindbilder und Fragmente einer nationalistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und antidemokratischen Ideologie. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Die Anzahl rechtsextremistischer Konzerte in Sachsen-Anhalt nahm mit 11 im Berichtsjahr im Vergleich zum Vorjahr (15) ab. Demgegenüber stieg die Anzahl der durchgeführten Liederabende von vier auf neun. Die Verringerung der Konzerte ist auch auf die enge Kooperation zwischen den Sicherheitsund Ordnungsbehörden zurückzuführen. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Teilnehmerzahlen bei rechtsextremistischen Veranstaltungen Jahr für Jahr sinken. Lediglich das jährliche Großkonzert des Oliver MALINA mit etwa 1.000 Teilnehmern auf einem Privatgrundstück im Schwanebecker Ortsteil (OT) Nienhagen (Landkreis Harz) stellt eine Ausnahme dar. Die von ihm am 26. März angemeldete Konzertveranstaltung wurde im 36 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Vorfeld mit Verfügung der Verbandsgemeinde Vorharz vom 23. Juni verboten, wogegen MALINA Rechtsmittel einlegte. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hob das Verbot auf. Ebenso wurde eine ordnungsbehördliche Auflagenverfügung des Landkreises Harz mit Beschluss vom 28. Juni vom selben Gericht zugunsten des Konzertanmelders zurückgewiesen. So fand am Abend des 28. Juni auf dem bereits durch mehrere Konzerte bekannten Gelände einer ehemaligen Hopfentrocknungsanlage das "Skinhead Rock Open Air"-Konzert der rechtsextremistischen Szene mit etwa 1.000 Teilnehmern statt. Im Verlauf der Veranstaltung traten die Musikgruppen "Pitbullfarm" (Schweden), "Faustrecht" (Bayern), "Abtrimo" (Hansestadt Hamburg), "Kraft durch Froide" (Berlin), "Kommando Skin" (BadenWürttemberg), "Gesta Bellica" (Italien) und "I.C.1" (BadenWürttemberg/England) auf. Der Verfassungsschutz rechnet die genannten Musikgruppen eindeutig der rechtsextremistischen Szene zu. Von ihnen herausgegebene Tonträger sind zum Teil von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) indiziert, mithin als jugendgefährdend eingestuft. Musikstücke, die zur Indizierung führen, dürfen Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden. 17 Wie in den Vorjahren spielten auch die in Privatbesitz befindlichen Räumlichkeiten des Enrico MARX in Allstedt, OT Sotterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz), erneut eine bedeutende Rolle für rechtsextremistische Veranstaltungen. Ein großer Teil der erfassten Musikveranstaltungen fand dort statt. 17 Veranstaltungsgelände in Nienhagen. (c) Ministerium für Inneres und Sport. 37 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In Gommern (Jerichower Land) fanden im Berichtsjahr drei Liederabende statt. Die Anzahl der aus dem rechtsextremistischen Spektrum stammenden Teilnehmer lag jeweils im zweistelligen Bereich. Veranstaltungsort war ein ehemaliges Gewerbeobjekt, das von einem Angehörigen der rechtsextremistischen Szene angemietet worden war. Nach Beendigung des Mietvertrags fanden hier keine Veranstaltungen mehr statt. Deutscher Neonazi in Österreich wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt18 Das Landesgericht Korneuburg (Österreich) verurteilte am 16. Januar den zuletzt in Sachsen-Anhalt wohnhaften Neonazi Philip TSCHENTSCHER zu drei Jahren Haft ohne Bewährung wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des österreichischen Verfassungsgesetzes über das Verbot der NSDAP ("Verbotsgesetz") sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Zur Begründung führte das Gericht an, TSCHENTSCHER sei "ideologisierendes Mitglied der nationalsozialistischen Szene" gewesen. Als Wandermusiker habe er unter dem Pseudonym "Reichstrunkenbold"19 rassistische und gewaltverherrlichende Texte vorgetragen. Unter anderem sei er bei einem Liederabend des rechtsextremistischen Kulturvereins "Objekt 21"20 im gleichnamigen Szenetreffpunkt in Desselbrunn (Österreich) aufgetreten und habe dort Lieder mit antisemitischen und rassistischen Texten sowie historisches NS-Liedgut vorgetragen. Darüber hinaus handelte TSCHENTSCHER nach dem Urteil des Gerichts mit NS-Devotionalien, rechtsextremistischen CDs und verbotenen Waffen. TSCHENTSCHER hatte sich während des Prozesses geständig gezeigt und sich in seinem Schlusswort schuldig bekannt. 18 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, S. 37f. 19 "Reichstrunkenbold" war aufgrund einer schweren Alkoholsucht der Spitzname des Reichsorganisationsleiters der NSDAP und Leiters der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) Dr. Robert Ley. 20 Der als Verein auftretenden Gruppierung "Objekt 21" gehörten bis zu 200 teils eingetragene Mitglieder der oberösterreichischen rechtsextremistischen Szene an. Der Verein verfügte über das namensgebende Vereinsheim "Objekt 21", wo regelmäßig Liederabende und Treffen stattfanden. 38 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Verurteilung TSCHENTSCHERs ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Einerseits stellt sie eine Verurteilung eines deutschen Rechtsextremisten in Österreich nach dem Verbotsgesetz dar, andererseits endete der Prozess mit einer - für bundesdeutsche Verhältnisse - hohen Haftstrafe, die im Falle TSCHENTSCHERs auch ohne die Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung verhängt wurde. Die auf die rechtsextremistische Szene in Deutschland drakonisch wirkende Strafe für Delikte ohne direkten Gewaltbezug dürfte längerfristig eine abschreckende Wirkung haben und dazu führen, dass deutsche Rechtsextremisten ihre einschlägigen Aktivitäten in Österreich beschränken werden. Rechtsextremistische Vertriebe Das Internet sorgt weiterhin nicht nur für ein verändertes Kommunikationsverhalten, sondern auch für eine zunehmende Mediennutzung in allen Lebensbereichen. Diese tendenzielle Entwicklung zeigt sich auch in der rechtsextremistischen Szene. Insbesondere wird ein großer Teil der Vertriebsgeschäfte online abgewickelt. Der Handel über das Internet wird somit immer attraktiver und führt zu einer zunehmenden Kommerzialisierung der rechtsextremistischen Szene. Mit einem relativ geringen Aufwand kann ein breiter Kundenkreis erreicht werden. Die Angebote der Online-Shops sind vielfältig und werden regelmäßig aktualisiert. Der ständig wachsende Angebotsumfang lehnt sich nicht nur an einschlägige szenebezogene Bedürfnisse an, sondern erstreckt sich auch auf andere Bereiche. Mittlerweile werden nicht nur szenetypische CDs, Bücher und Bekleidungsstücke angeboten, sondern auch vielfältige Produkte, die im Alltagsbereich genutzt werden können, wie Schmuck, Geschirr und Dekorationsartikel. Die Händler lassen einen Teil ihrer Verkaufserlöse in die Szene zurückfließen und unterstützen somit unterschiedlichste Projekte, wie Demonstrationen, Initiativen oder sonstige Veranstaltungen der Szene. 39 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In Deutschland angemeldete Gewerbetreibende achten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes darauf, dass keine strafrechtlich relevanten Produkte angeboten werden. Indizierte Waren, insbesondere Tonträger werden nach wie vor im Ausland produziert und angeboten. In Sachsen-Anhalt bieten zehn rechtsextremistische Vertriebe ihre Ware über das Internet an, vier dieser Online-Shops werden von einem Verkäufer betrieben, drei Online-Shops werden der NSBMSzene21 zugerechnet.22 21 NSBM = Nationalsozialistischer Black Metal. 22 Um diese Unternehmen nicht öffentlich zu bewerben, sieht der Verfassungsschutzbericht von einer detaillierten Nennung ab. 40 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSEN-ANHALT Rechtsextremistische Szene in Halle (Saale) In Halle (Saale) waren im Berichtsjahr die rechtsextremistischen Personenzusammenschlüsse "Freie Kräfte Halle" und der örtliche NPD-Kreisverband mehr oder weniger aktiv. Insgesamt können, wie im letzten Jahr, etwa 30 Personen diesen Gruppierungen zugerechnet werden. Szeneangehörige aus dem gesamten Saalekreis beteiligten sich an Aktivitäten der "Freien Kräfte Halle" und des NPD-Kreisverbands Halle. Das Gros der Szeneangehörigen ist nur spontan, einzeln, beziehungsweise im Freundeskreis aktiv. Rechtsextremisten nahmen zumeist an szenetypischen Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern und Grillabenden teil. "Freie Kräfte Halle" Die "Freien Kräfte Halle" werden der parteiunabhängigen Szene zugerechnet. Etwa fünf bis zehn Personen beteiligen sich in der Regel an den jeweiligen Aktivitäten. Auf ihrer Internetpräsenz mobilisierten die "Freien Kräfte Halle" für den Gedenkmarsch am 18. Januar in Magdeburg.23 In der Zeit vom 12. bis 13. Januar wurden in der Gemeinde Kabelsketal in den Ortsteilen Gröbers und Zwintschöna szenetypische Plakatierungen mit den Aufschriften "Auch dein Kind... könnte Opfer sein. Todesstrafe für Kinderschänder" oder "Die BRD vernichtet meine Zukunft" festgestellt. Des Weiteren wurden "Spuckis" mit den Aufschriften "Volkstod stoppen", "Klagt nicht, kämpft" und "Gemeinsam gegen den Untergang" verteilt. Als Verweise waren eine Internetadresse der rechtsextremistischen Szene und die Gruppenbezeichnung "Nationale Sozialisten Halle" angegeben. Auch in den 23 Siehe Seite 50f. 41 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 vergangenen Jahren verwendeten die "Freien Kräfte Halle" hin und wieder die genannte Bezeichnung "Nationale Sozialisten Halle". Rechtsextremistische Aktivitäten im Internet mit Bezug zur Situation in Halle (Saale) Seit geraumer Zeit sind bundesweit Kampagnen speziell gegen rumänische EU-Angehörige der Volksgruppe der Roma, Asylsuchende und Flüchtlinge sowie gegen die für deren Unterbringung genutzten Einrichtungen zu verzeichnen. Diese werden meist von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene initiiert, sprechen jedoch auch in Teilen, wie die Meldungen über die Teilnehmerkreise an entsprechenden Veranstaltungen zeigen, das bürgerliche Spektrum an. Im Zusammenhang mit dem Zuzug von Asylsuchenden nach Halle (Saale) verstärkten sich Einträge zur Thematik "Asylmissbrauch". Dabei sind Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge sowie Freizügigkeit genießende EU-Angehörige gleichermaßen Zielscheibe fremdenfeindlicher Äußerungen. Jegliches Fremde wird abgelehnt; Angst vor Ausländern wird geschürt. Die Kommunikation und Organisation von Aktivitäten gegen die rumänischen EU-Angehörigen der Roma erfolgte über Gruppen im Sozialen Netzwerk "Facebook". Dort sind mehrfach Aktivitäten gegen die Zuwanderer initiiert und organisiert worden. Seit Anfang Juli kam es zu mehreren Straftaten (unter anderem wegen Verstößen gegen SSSS 86a und 130 StGB) gegen die im Stadtteil HalleSilberhöhe wohnhaften Roma.24 Im Berichtsjahr sind folgende Gruppen in Erscheinung getreten: "Bürgerinitiative HalleMax", "Bewohner der Silberhöhe setzen sich zur Wehr. Gegen die HWG25 und Romas" und "Brigade Halle/Saale". 24 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (SS 86a) und Volksverhetzung (SS 130 Strafgesetzbuch (StGB). 25 Hallesche Wohnungsgesellschaft. 42 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Anfangs trat die "Brigade Halle/Saale" lediglich im virtuellen Raum in Erscheinung, hier etwa im Rahmen der zuvor erwähnten Kampagnen sowie mit Aufrufen zur Teilnahme an den HoGeSaVeranstaltungen am 26. Oktober in Köln und am 15. November in Hannover.26 Erstmals wurde sie im Rahmen der Demonstration in Hannover auch außerhalb des virtuellen Raums festgestellt. Polizeibeamte konnten bis zu 25 Personen feststellen, die augenscheinlich dieser Gruppierung angehörten, da sie überwiegend schwarze Oberbekleidung mit der Rückenaufschrift "Brigade" und der Ärmelaufschrift "Halle" trugen. Kurz darauf wurde auf der Internetseite "HalleMax" ein Lichtbild von Personen in schwarzen Jacken mit der Aufschrift "Brigade" gesichtet, die augenscheinlich ein Kind zur Schule begleiten. Unterlegt wurde dies mit einem Artikel auf dieser Internetseite, wonach Eltern die "Brigade Halle/Saale" um Begleitung ihrer Kinder auf dem Weg zur Schule gebeten hätten, auch aus Angst vor Übergriffen "ausländischer Jugendbanden". Ein erstmalig "offenes politisches" Auftreten der "Brigade Halle/Saale" erfolgte im Zusammenhang mit der Anmeldung einer Demonstration unter dem Motto "Asylflut stoppen" für den 5. Dezember in Halle (Saale). Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt. Im Umfeld einer an diesem Tag dennoch durchgeführten Gegendemonstration waren diverse Personen festzustellen, die augenscheinlich der Brigade angehörten. Vom Dach eines Wohnhauses wurde zudem ein Plakat mit der Aufschrift "Heute ist nicht alle Tage; wir kommen wieder keine Frage" herabgelassen. Damit wird ein Bezug zu einem Video des rechtsterroristischen NSU hergestellt. Die Facebook-Gruppe "Bewohner der Silberhöhe setzen sich zur Wehr. Gegen die HWG und Romas" verfügte mit mehr als 680 Mitgliedern über eine beachtliche Akzeptanz in der Bevölkerung. Gleichwohl sind aber nur wenige der Mitglieder in der Facebook-Gruppe mittels regelmäßiger Eintragungen aktiv. 26 Siehe Seite 34. 43 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Sichtung der Beiträge zeigt einige verfassungsschutzrelevante Ergebnisse. Unter den aufgeführten Mitgliedern waren fünf Personen der Verfassungsschutzbehörde bekannt, zwei Personen fielen regelmäßig mit verfassungsschutzrelevanten Einträgen auf. Die Auswertung der Foreneinträge zeigte, dass es sich bei der Facebook-Gruppe "Bewohner der Silberhöhe setzen sich zur Wehr. Gegen die HWG und Romas" um keine rechtsextremistische Gruppierung handelt und diese auch nicht von Rechtsextremisten aus der Szene in und um Halle (Saale) beeinflusst wird. Vielmehr äußern sich Bewohner des Stadtteils Halle-Silberhöhe, die allerdings durch ihre zum Teil beleidigenden Äußerungen auffallen. Des Weiteren zeigte sich, dass in Einzelfällen auch Straftaten emotionalisierter Einzeltäter, die keinerlei ideologische Anbindung an rechtsextremistische Strukturen haben, zumindest einzukalkulieren sind. "HalleMax"27 ist ein Informationsportal für Halle (Saale). Neben allgemeinpolitischen Themen aus der Tagespresse finden sich vermehrt Kommentare zur Bevölkerungsgruppe der Sinti und Roma. Der örtliche Rechtsextremist Rolf BRÜCKNER erklärte am 4. November, dass er nunmehr Mitglied der NPD sei. Unter der Überschrift "Zuhause angekommen" gab er an, dass er sich mit Mitgliedern des NPD-Kreisverbands Halle getroffen habe. Sie wären die "Einzigen, die die Ängste und Nöte der Bürger verstehen". Somit wolle er aktiv die NPD unterstützen. Des Weiteren warb er Anfang November für die "Jungen Nationaldemokraten" (JN). Zudem warb er für die Demonstration der "AG Weißenfels" am 6. Dezember.28 Rechtsextremistische Szene im Saalekreis Der rechtsextremistischen Szene im Landkreis werden etwa 80 bis 100 (2013 etwa 70) aktive Personen zugerechnet. Zum Einen handelt es sich hier um parteiungebundene Strukturen wie die rechtsextremistische Szene in Merseburg oder die "AG Querfurt"; zum 27 Die Organisation firmierte im Berichtsjahr zunächst unter der Bezeichnung "Bürgerinitiative HalleMax" und im weiteren Verlauf unter "HalleMax". 28 Siehe Seite 49. 44 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Anderen um eher unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Als Führungspersonen agierten im Saalekreis bisher Kevin STEPHAN (Bad Lauchstädt), der mit seinen Aktionsgruppen für einen strukturierten Zusammenhalt sorgte und Enrico MARX (Allstedt, OT Nienstedt, Landkreis Mansfeld-Südharz), der versuchte, weiteres Mobilisierungspotenzial für sich zu gewinnen. Dies führte in der Vergangenheit zu Friktionen zwischen MARX und STEPHAN. In der Folge nahmen öffentlichkeitswirksame Aktionen ab, die Szene zersplitterte. Rechtsextremistische Szene Merseburg / "Aktionsgruppe Merseburg" Der rechtsextremistischen Szene in Merseburg können etwa 40 Personen zugerechnet werden, die zum Einen im NPD-Kreisverband Saalekreis, zum Anderen in der "Aktionsgruppe Merseburg" organisiert sind. Szeneangehörige aus Merseburg nahmen am 18. Januar am Trauermarsch in Magdeburg teil.29 Das ehemalige NPD-Mitglied Rolf DIETRICH (Braunsbedra, OT Frankleben) meldete unter dem Motto "Gegen linke Hetze - Schluss mit der Asylflut" eine Demonstration für den 1. März in Merseburg an. Der Aufzug mit Zwischenkundgebung stellte eine Gegenveranstaltung zur Demonstration "Flüchtlinge bleiben! Rassismus aus den Köpfen treiben!" dar. Etwa 80 Szeneangehörige, darunter Mitglieder der "AG Weißenfels", der "AG Merseburg" sowie Rechtsextremisten aus Niedersachsen, Sachsen und Thüringen beteiligten sich an der Veranstaltung. Im Zusammenhang mit dieser Demonstration wurden Strafverfahren wegen Körperverletzung, Beleidigung, Volksverhetzung sowie ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Als Redner trat der Rechtsextremist Michel FISCHER (Thüringen) auf. 29 Siehe Seite 51f, Bildschirmkopie der AG, abgerufen am 16. Januar. 45 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Der bekannte Rechtsextremist Dieter RIEFLING (Niedersachsen) war im Juni 2013 in Merseburg strafrechtlich in Erscheinung getreten. Daher fand am 4. und 17. April sowie am 2. Mai am Amtsgericht in Merseburg die Gerichtsverhandlung gegen ihn statt. RIEFLING wurde am 2. Mai wegen Beleidigung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gegen das Urteil legte er Rechtsmittel ein. Am 4. April waren zur Verhandlung auch acht Personen der rechtsextremistischen Szene erschienen. Beim Verlassen des Gerichtsgebäudes fotografierte ein Journalist diese Personen. Ein Rechtsextremist beleidigte daraufhin den Journalisten und sprang spontan in dessen Richtung. Unter Bezugnahme auf das Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlichte die "AG Merseburg" auf "Altermedia Deutschland" 30 einen Beitrag unter der Überschrift "8. Mai - Merseburg". Der Beitrag enthielt ein Bild, auf dem elf Personen Transparente hochhalten unter anderem mit der Aufschrift "08.05.1945 Tag der Befreiung? WIR FEIERN NICHT!".31 Laut eines Beitrags auf dem Internetportal "Indymedia" brachte die AG in Merseburg in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai Plakate an, die nach eigener Aussage aber zum Teil von "Gegnern" entfernt wurden. Ebenfalls im Mai hatte die "AG Merseburg" mehrere Plakatierungen in Merseburg vorgenommen. Auf den Schaufensterscheiben der Wahlkreisbüros von CDU und SPD waren am 22. Mai Aufkleber mit der Aufschrift "Nationaler Widerstand" sowie der Internetadresse der AG aufgebracht worden. Am 24. Mai konnten Aufkleber am Mehrgenerationenhaus in Merseburg festgestellt werden. Diese trugen unter anderem die Aufschrift "Hol dir deine Stadt zurück! NATIONALER WIDERSTAND JETZT!" 30 Rechtsextremistisches Internet-Portal, vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2012, Seite 63. 31 Siehe Seite 61f. 46 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auch der ehemalige Gedenktag an den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 wird von Rechtsextremisten instrumentalisiert. Ein "Aktionsbündnis Sachsen-Anhalt Süd",32 vertreten von DIETRICH, meldete wie in den vergangenen Jahren eine Versammlung mit Aufzug zum Thema "Damals wie heute: Freiheit muss erkämpft werden" an.33 Am 21. Juni nahmen in Merseburg etwa 200 Personen der rechtsextremistischen Szene aus Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an dieser Versammlung teil. Unter ihnen befanden sich der Bundesvorsitzende der Partei "DIE RECHTE", Christian WORCH (MecklenburgVorpommern) sowie FISCHER (Thüringen). Versammlungsleiter war WORCH. Als Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt konnten Mitglieder der "AG Merseburg" und der "AG Weißenfels" festgestellt werden. Zudem nahmen Personen aus den NPD-Kreisverbänden Burgenlandkreis und Saalekreis teil. Der Rechtsextremist Alexander KURTH (Sachsen) hielt eine Rede. Mit den Worten: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt. Dies soll und muss auch unser Schlachtruf sein, denn wir sind einzig und allein der deutschen Nation verpflichtet" versuchte er die Teilnehmer für weitere Aktionen zu mobilisieren. Am 9. September meldete DIETRICH beim Landkreis eine Eilversammlung unter dem Motto "Härtere Strafen für kriminelle Ausländer" mit etwa 30 Teilnehmern in Merseburg an. Vor Ort versammelten sich bis zu 25 Personen. Sie führten ein Transparent mit der Aufschrift "Härtere Strafen für kriminelle Ausländer" mit. Hintergrund dieser Spontanveranstaltung war der Übergriff auf einen rechtsextremistischen Szeneangehörigen am 2. September in Merseburg. Unter den Teilnehmern waren auch Mitglieder der "AG Weißenfels".34 32 Dieses Aktionsbündnis trat im Berichtszeitraum lediglich im Zusammenhang mit dieser Anmeldung in Erscheinung. 33 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 43f. 34 Siehe nächste Seite. 47 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Aktionsgruppe Querfurt" Der "AG Querfurt" werden etwa 10 bis 15 Personen zugerechnet, die unter der Führung von STEPHAN stehen. Derzeit treten die AGMitglieder eher spontan in Erscheinung und beteiligen sich vornehmlich an überregionalen Veranstaltungen, wie Demonstrationen, Aufzügen und szenetypischen Feiern. Rechtsextremistische Szene im Burgenlandkreis Der rechtsextremistischen Szene im Burgenlandkreis können etwa 50 aktive Personen zugerechnet werden (2013: 100), die unter anderem in den Personenzusammenschlüssen "AG Weißenfels" und "Freie Kräfte Burgenlandkreis" organisiert sind. Gleichwohl dürfte das Mobilisierungspotenzial weit höher liegen. Szenetypische Absprachen werden zunehmend über soziale Netzwerke wie "Facebook" oder über "WhatsApp" getätigt. Im Berichtsjahr bestimmte vor allem die "AG Weißenfels" das Geschehen. "Aktionsgruppe Weißenfels" (AG) Laut einer Eigenangabe im Internet nahmen Mitglieder der AG am 18. Januar am Gedenkmarsch in Magdeburg teil.35 FISCHER (Thüringen) hatte für den 8. Februar eine Versammlung unter dem Motto "Ehrenhaftes Gedenken - Für die Opfer der Bombardierung deutscher Städte" in Weimar angemeldet. An der Veranstaltung nahmen etwa 100 Rechtsextremisten teil, darunter Mitglieder der AG. Unter der Überschrift "Zum 'Tag der Deutschen Einheit" 2014" veröffentlichte die AG auf ihrer Internetseite einen Beitrag. Inhaltlich wird eine Bilanz über den "Aufbau Ost" gezogen. Die Bewertung mit folgendem Wortlaut 35 Siehe Seite 51, Bild des Internetauftritts der AG, abgerufen am 14. Februar. 48 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Im eigenen Land werden Milliarden für die Integration von Flüchtlingen, die zumeist nicht von Erfolg gekrönt ist und den kampf gegen 'extremistische' Vereinigungen verschwendet... Heute noch werden teile des deutschen Ostens von Polen und Tschechien verwaltet. Wir können nur mit dem Kopf schütteln und erheben unsere Faust."36 zeigt deutlich fremdenfeindliche Stereotypen und geschichtsrevisionistische Auffassungen der AG. Mitglieder der AG nahmen am 25. Oktober in Bamberg (Bayern) an einer rechtsextremistischen Demonstration unter dem Motto "Bamberg wehrt sich! Asylmissbrauch nein Danke!" teil. Die AGMitglieder führten während der Veranstaltung ein Transparent mit der Aufschrift "Unser Block hat Bock Freie Kräfte BLK" mit. Insgesamt nahmen etwa 200 Rechtsextremisten aus mehreren Bundesländern teil. Für den 6. Dezember hatte die AG zu einem Aufzug mit Zwischenkundgebungen unter dem Motto "Gegen Kriminalität und Asylmissbrauch" aufgerufen. Dem folgten 131 Teilnehmer, die durch Weißenfels liefen. Im Zusammenhang mit dieser Versammlung nahm die Polizei mehrere Strafanzeigen wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Bedrohung auf. Als Redner traten die bekannten Rechtsextremisten KURTH, Andreas KARL (Gemeinde Finne, OT Billroda, Mitglied des NPD-Kreisverbands Burgenlandkreis), Michael ZEISE ("Freie Kräfte Erfurt") und das NPD-Mitglied Kevin SCHULHAUSER (Thüringen) auf. Rechtsextremistische Szene Naumburg Im Berichtsjahr erschien eine neue Internetseite mit der Bezeichnung "Nationales Naumburg". Deren Rubrik "Wir über uns!" enthielt folgende Erklärung: "Wir sind deutsche Männer und Frauen, die mit der momentanen Situation in unserem land und auf der Welt unzufrieden 36 Internetseite der "AG Weißenfels", abgerufen am 10. Oktober. 49 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 sind. Wir sind der Meinung, dass die Politik der etablierten Parteien schädlich für unser Volk und unser Land sind... Wir möchten dies ändern und entscheiden für deutsche Interessen eintreten. Wenn Du aus Naumburg oder Umgebung kommst und aktiv werden willst, sei es beim Verteilen von Flugblättern, besuchen von Veranstaltungen oder anderen Aktionen dann komm zu UNS und WERDE AKTIV!"37 Die Seite wurde anfänglich regelmäßig aktualisiert. Neben regionalen und bundesweiten Terminen fanden sich Berichte, vor allem zu überregionalen Themen wie den Trauermarsch am 18. Januar in Magdeburg oder den Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration unter dem Motto "Gegen linke Hetze - Schluss mit der Asylflut" am 1. März in Merseburg. Des Weiteren verwies der Auftritt auf die Internetseiten des "Deutschen Rechtsbüros" 38 sowie der Parteien "Der III. Weg" und "DIE RECHTE".39 Laut dieser Internetpräsenz nahmen Szeneangehörige aus Naumburg an der rechtsextremistischen Demonstration am 1. Mai in Plauen (Sachsen) unter dem Motto "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" teil. Zudem riefen Rechtsextremisten in einem Beitrag auf dieser Internetseite zur Teilnahme am "Tag der deutschen Zukunft" am 7. Juni in Dresden auf. Rechtsextremistische Szene in der Landeshauptstadt Magdeburg Der teilweise neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Szene in Magdeburg werden wie im Vorjahr etwa 50 bis 60 aktive Personen zugerechnet. Im Gebietsbereich kooperieren Angehörige der "Freien Nationalisten", der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und mittlerweile auch Mitglieder der Partei 37 Abgerufen am 6. März. 38 Juristische Beratungsstelle für Rechtsextremisten. 39 Siehe Seiten 92 und 88f. 50 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "DIE RECHTE" bei der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen miteinander. Ein bekannter Szenetreffpunkt im Magdeburger Norden wird weiterhin für gelegentliche Zusammenkünfte von Rechtsextremisten genutzt. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg verpflichtete am 14. August die Landeshauptstadt Magdeburg, eine für dieses Anwesen beantragte und von der Stadt zunächst abgelehnte Baugenehmigung zu erteilen. Daher kann damit gerechnet werden, dass zukünftig - nach eventuell durchgeführten Baumaßnahmen - in dem Objekt häufiger Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene durchgeführt werden. Geschichtsrevisionistische Demonstration Die Zerstörung deutscher Städte in Folge alliierter Luftangriffe kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges nehmen Rechtsextremisten auch in Sachsen-Anhalt seit mehreren Jahren immer wieder zum Anlass, öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Demonstrationen oder Mahnwachen durchzuführen. Die jeweiligen Termine gewinnen in den Planungen von Szeneangehörigen zunehmend an Bedeutung, sind mittlerweile fest verankerte Treffdaten, besitzen stark identitätsstiftende Bedeutung und sind Ausdruck der länderübergreifenden Zusammenarbeit von Rechtsextremisten. Im Zuge dieser Veranstaltungen stellen die Verantwortlichen die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Zeit aus ihrer eigenen, ideologisch untermauerten Sichtweise dar und ignorieren historisch belegte Tatsachen. Im Zusammenhang mit der für den 18. Januar in Magdeburg durchgeführten versammlungsrechtlichen Aktion der "Initiative gegen das Vergessen" legten Rechtsextremisten am 11. Januar in der Magdeburger Innenstadt zehn aus blauen Einwegoveralls, Luftballons und Papier gefertigte "Figuren" ab und stellten dazu ein "Flipchart" auf, das auf der Vorderseite die Aufschrift der anlassbezogenen Facebook-Seite der Initiative zeigte. Auf der Rückseite des "Flipcharts" war der Text: "16.01.1945 - Massaker von Magdeburg" aufge51 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 bracht. Nachdem die Rechtsextremisten die Szenerie fotografiert hatten, entfernten sie sich noch vor Eintreffen der Polizei. Auf der Facebook-Seite der "Initiative gegen das Vergessen" war in der Folge eine Fotodokumentation der Aktion festzustellen. Die Magdeburger wandten sich mit umfangreichen Protesten gegen die Aktionen der rechtsextremistischen Szene. Zum Beispiel stellte ein Lokalbetreiber ein Plakat mit einem stilisierten und durchgestrichenen Portrait Adolf Hitlers und der Aufschrift "Kein Kaffee für Dich und Deine Freunde! Rassisten werden hier nicht bedient" in seinem Schaufenster auf. Unbekannte beschädigten in der folgenden Nacht die Schaufensterscheibe. Mit dem Ziel, eine spontane Demonstration durchzuführen, versammelten sich etwa 20 Szeneangehörige aus Magdeburg und dem Jerichower Land am Nachmittag des 16. Januar im Magdeburger Stadtgebiet. Ein Polizeieinsatz beendete die Aktion, indem die Beamten Platzverweise für die Innenstadt aussprachen und Identitäten feststellten, woraufhin sich die Personen in Kleinstgruppen entfernten. Wenig später stellte die Polizei 19 Personen dieser Gruppe erneut fest. Der Versammlungsleiter informierte die eintreffende Polizei darüber, dass eine Mahnwache, die Verteilung von Handzetteln und das Aufstellen von Kerzen geplant seien. Die Polizei untersagte die Fortsetzung dieser Aktion und sprach erneut Platzverweise aus. Am späten Abend sammelte sich eine Personengruppe von 40 Personen aus verschiedenen Seitenstraßen kommend auf dem Nicolaiplatz und setzte sich unter Mitführung von Kerzen in Richtung Universitätsplatz in Bewegung. Erneut sprach die Polizei Platzverweise aus. Am 18. Januar fand ein rechtsextremistischer Aufzug der "Initiative gegen das Vergessen" zum Gedenken an den 16. Januar 1945 statt. Versammlungsleiter war Andy KNAPE (Magdeburg, damaliger Bundesvorsitzender der JN). Im Vorfeld waren - offensichtlich aus taktischen Erwägungen - mehrere rechtsextremistische "Trauermärsche" mit unterschiedlichen Aufzugsstrecken angemeldet worden, die dann aber so nicht stattfanden. 52 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Veranstaltung der rechtsextremistischen Szene begann auf Grund der Aktionen von Gegendemonstranten und deren massiven Störungen und Eingriffen in den Straßenund Bahnverkehr (Sitzblockaden, Bereiten von Hindernissen) mit mehreren Stunden Verspätung. Die Aufzugsstrecke musste mehrfach geändert und verlegt werden. Zirka 730 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen schließlich an diesem Aufzug teil. Etwa 100 Szene-Angehörige, die sich in Magdeburg-Herrenkrug aufhielten, konnten nicht mit der Bahn zur neuen Aufzugsstrecke gelangen, da die Bahnstrecke auf Grund eines verdächtigen Gegenstandes gesperrt werden musste. Diese führten dann im Stadtteil Herrenkrug einen spontanen Aufzug durch. Als Redner traten die Neonazis Sven SKODA ("Aktionsbüro Mittelrhein", Nordrhein-Westfalen) und Andreas BIERE (WanzlebenBörde, OT Klein Wanzleben, Landkreis Börde) sowie ein Rechtsextremist aus Österreich auf. Über der Veranstaltung kreiste ein Flugzeug, welches ein Banner mit der Aufschrift "16.000 TOTE! UNVERGESSEN" hinter sich her zog. Die Maschine war von den Veranstaltern bei einer Firma aus dem Bundesland Hessen angemietet worden und kreiste mehrere Stunden über der Stadt. 40 Magdeburg erlitt am 16. Januar 1945 den folgenschwersten Luftangriff, der die Innenstadt weitestgehend zerstörte. Historiker gehen beim Luftangriff auf Magdeburg von bis zu 2.500 Opfern aus. Ähnlich wie in Dresden suggeriert die rechtsextremistische Szene eine deutlich höhere Opferzahl, als dies tatsächlich der Fall war. Seitens der rechtsextremistischen Szene wurde die Veranstaltung als Erfolg bewertet, weil es den Gegendemonstranten nicht gelungen war, den "Trauermarsch" zu verhindern. 40 Lichtbilder der szenebezogenen Internet-/Twitterseite des Gedenkmarsches. 53 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die gegenüber den Vorjahren erneut gesunkene Teilnehmerzahl (2013: 900, 2012: 1.200) sowie die mehrstündige Verspätung bis zum Beginn des rechtsextremistischen Aufzugs lassen jedoch auch eine andere Deutung zu. Der Trend rückläufiger Teilnehmerzahlen bei neonazistischen Demonstrationen, wie er seit einigen Jahren bundesweit zu beobachten ist, setzte sich damit fort. Die neue Aktionsform, ein mit einem Banner über der Stadt kreisendes Flugzeug, stieß in der rechtsextremistischen Szene nahezu ungeteilt auf positive Resonanz. Ob sich damit die von der Szene bereits seit längerem geforderte Kreativität bei der Implementierung neuer Aktionsformen im Zusammenhang mit öffentlichen Kundgebungen andeutet, bleibt jedoch abzuwarten. Bislang konnten sich solche Innovationen jedenfalls nicht nachhaltig etablieren. Da der Magdeburger "Trauermarsch" in einem organisatorischen und zeitlichen Zusammenhang mit dem "Trauermarsch" in Dresden steht, gilt die Veranstaltung seit jeher als "Testlauf" für die Demonstration in Dresden. Eine erfolgreiche Durchführung in Magdeburg ist daher für die Szene von großer Bedeutung. Insofern dürfte der Veranstaltungsverlauf in Magdeburg nicht unbedingt zu einem Mobilisierungsschub für die Veranstaltung am 13. Februar in Dresden geführt haben.41 Rechtsextremistische Szene im Salzlandkreis Insgesamt agierten im Berichtsjahr im Landkreis etwa 40 bis 50 Rechtsextremisten, die überwiegend subkultureller Prägung sind (Vorjahr 50 bis 60). Öffentlichkeitswirksame Aktionen eines homogenen Personenzusammenschlusses konnten nicht festgestellt werden. Schloss Trebnitz 2010 wurde das ehemalige "Nationale Zentrum Mitteldeutschland" (Schloss Trebnitz) in Könnern (OT Trebnitz) versteigert. Den Zu41 Siehe Seite 60. 54 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 schlag erhielten die Rechtsextremisten Axel SCHUNK (Bayern) und Thomas WULFF (Mecklenburg-Vorpommern). Nunmehr soll diese Liegenschaft vermutlich wieder aufgegeben werden. Im Berichtszeitraum wurde die Immobilie im Internet zum Kauf angeboten. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Jerichower Land Der gewaltorientierten und unstrukturierten Szene werden etwa 60 bis 70 Personen zugerechnet, etwa 30 bis 40 weniger als im Vorjahr. Im Landkreis Jerichower Land waren im Berichtszeitraum keine nennenswerten Aktivitäten zu verzeichnen.42 Im Berichtsjahr bemühte sich ein Rechtsextremist aus Möckern, OT Stresow, ein Objekt im Ort zu erwerben. Es bestand die Möglichkeit, dass er dieses für rechtsextremistische Zwecke nutzen könnte. Die zuständige Gemeinde verzichtete auf eine neue Ausschreibung des Grundstücks. Somit konnte dieses nicht erworben werden. Im Landkreis existiert zudem der Fußballclub "FC Ostelbien Dornburg e.V.", in dem sich eine nicht unerhebliche Zahl von Rechtsextremisten der Region engagiert.43 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Börde Der rechtsextremistischen Szene werden etwa 20 bis 30 Personen zugerechnet, die unstrukturiert agieren und nicht öffentlich in Erscheinung traten. Die nicht parteigebundene Szene im Landkreis Börde wird als subkulturell geprägt und gewaltbereit eingeschätzt. Die Szene ist bemüht, neue kameradschaftsähnliche Strukturen zu etablieren. 42 Rechtsextremistische Schmiererei in Burg. (c) Ministerium für Inneres und Sport. 43 Zur ebenfalls im Landkreis aktiven Fangruppierung BWSE siehe Seite 33. 55 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Rechtsextremistische Szene in der Altmark In der Region sind rund 70 bis 80 Personen der rechtsextremistischen Szene bekannt, die unstrukturiert auftreten. Rechtsextremistische Szene im Altmarkkreis Salzwedel Wie bereits in den letzten Jahren beteiligten sich Angehörige dieser Szene nur sporadisch an öffentlichkeitswirksamen Aktionen und zeigten kaum politische Aktivitäten. Es bestehen weiterhin jedoch unverändert gute Kontakte zwischen Vertretern der NPD und den "Freien Nationalisten". Rechtsextremistische Szene im Landkreis Stendal Die nicht parteigebundene rechtsextremistische Szene wird weiterhin als unstrukturiert eingeschätzt. Unverändert verfügen Rechtsextremisten aus der Region über gute Kontakte zu Szeneangehörigen im Land Brandenburg. Am 12. April fand in Schönhausen auf dem Parkgelände des Bismarck-Museums eine versammlungsrechtliche Aktion der rechtsextremistischen Szene anlässlich des 199. Geburtstags von Otto von Bismarck statt. Versammlungsleiter war der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Sachsen-Anhalt, Heiko KRAUSE aus Tangerhütte, der für den "Altmärkischen Kreis der Bismarckfreunde" die Zusammenkunft angemeldet hatte. An der öffentlich zugänglichen Veranstaltung, die ähnlich einem Bürgerfest organisiert war, nahmen etwa 80 Personen (vorrangig aus der Altmarkregion) teil. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Harz Die rechtsextremistische Szene, die etwa 40 bis 50 Personen umfasst (Vorjahr 70 bis 80), ist im Wesentlichen unstrukturiert. Eine hierarchische, homogene neonazistisch ausge56 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 richtete Kameradschaftsszene existiert nicht. Die nicht parteigebundenen Rechtsextremisten werden als subkulturell geprägt und gewaltorientiert eingeschätzt. Ebenfalls unverändert besteht im Landkreis Harz, hauptsächlich in der Region Wernigerode/Quedlinburg, eine enge Zusammenarbeit von "Freien Nationalisten", der NPD und den JN. 44 Am 4. Juni und am 4. August brachten Unbekannte im Stadtgebiet von Wernigerode jeweils zirka 100 Aufkleber mit rechtsextremistischem Inhalt an. Die Aufkleber trugen Aufschriften wie zum Beispiel: - "NS-Zone, Deutschland Multikulti-wir bleiben braun" - "Anti-Antifa organisieren. Den Feind erkennen. Den Feind benennen" - "Das Waffenarsenal des AggressorsIsrael vernichtenUm endlich Frieden im Nahen Osten zu erreichen" - "Bock auf Nationalen Sozialismus" oder - "Good Night Left Sideorgansiert gegen den linken Terror". Auf einer Internetseite ist eine "Aktionsgruppe Nordharz" als Unterstützer der bundesweiten Kampagne aufgeführt, deren Internetpräsenz unter einer Seite der "Nationalen Sozialisten" aufgerufen werden kann. Diese wird unregelmäßig aktualisiert, wie zum Todestag von Rudolf Heß oder zu Aktionen unter dem Motto "Antifas eine kleben!" Rechtsextremistische Szene im Landkreis MansfeldSüdharz Das rechtsextremistische Personenpotenzial in der Region Mansfeld-Südharz ist im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich geblieben. Etwa 20 bis 30 teilweise neonazistisch aus44 Rechtsextremistische Schmiererei in Thale. WAW= Weißer Arischer Widerstand, 88 bedeutet Heil Hitler. Vgl. Ministerium für Inneres und Sport, Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus, 4. Auflage 2012, Seite 18f. (c) Ministerium für Inneres und Sport. 57 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 gerichtete Personen werden der Szene in diesem Bereich zugerechnet. Enrico MARX aus Allstedt, OT Nienstedt (Landkreis MansfeldSüdharz), der über Jahre die Führungsperson in der Region war, verlor im Berichtsjahr an Einfluss. Dies zeigt sich unter anderem an der sinkenden Resonanz auf seine Veranstaltungen - eine Ausnahme bilden die Musikveranstaltungen, die er in seinem Objekt organisiert.45 Am 15. Dezember fanden auf dem Marktplatz in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) gleichzeitig zwei versammlungsrechtliche Aktionen statt. Die Erste wurde mit dem Thema "Friedens-Mahnwache" angemeldet. Aufgrund von Befürchtungen, wonach während dieser Veranstaltung Vorbehalte gegenüber Ausländern geschürt werden könnten, meldete die Pfarrerin der örtlichen Kirche eine zweite Versammlung an. An beiden Aktionen nahmen insgesamt etwa 100 Personen teil, die sich auf dem Marktplatz verteilten und so keiner der beiden Veranstaltungen eindeutig zugeordnet werden konnten. Unter den Teilnehmern hielten sich bis zu 40 Personen der rechtsextremistischen Szene auf, die sich zudem in kleineren Gruppen durch die Innenstadt bewegten. Am Bahnhof riefen Personen aus einer dieser Gruppen "Sieg Heil" und "Heil Hitler". Die Polizei leitete entsprechende Ermittlungsverfahren ein. Rechtsextremistische Szene in der Region Dessau-Roßlau und in den Landkreisen Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld Der rechtsextremistischen Szene in der Region werden etwa 40 bis 50 aktive Personen zugerechnet (Vorjahr 60 - 80). Sie ist subkulturell ausgerichtet, gewaltbereit, lose strukturiert und besitzt keinen hierarchischen Aufbau. Das Mobilisierungspotenzial bei öffentlichen szenetypischen Veranstaltungen ist jedoch ungleich größer. Anlässlich des 69. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dessau durch alliierte Luftverbände im Zweiten Weltkrieg führte die 45 Siehe Seite 37. 58 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 rechtsextremistische Szene mehrere versammlungsrechtliche Aktionen in Dessau-Roßlau durch. Den Auftakt bildete eine angemeldete Demonstration am 13. Februar in Dessau-Roßlau. Unter dem Motto "Gegen das Vergessen - Wir Gedenken den Opfern" trafen sich etwa 40 Szeneangehörige aus der Region. Am Abend des 7. März hielt die örtliche rechtsextremistische Szene eine Mahnwache mit Straßentheater zum Thema "Gegen das Vergessen - Wir Gedenken der Opfer von Dessau" mit 25 Personen ab. Die Demonstranten führten Fackeln, Fahnen und Spruchbänder mit, zudem stellten sie auf Straßen Kerzen ab. Die Kundgebung fand ohne Redebeiträge statt und verlief ohne Störungen. Einen Tag später fanden in Dessau-Roßlau zwei weitere angemeldete Versammlungen der rechtsextremistischen Szene statt. An der ersten Demonstration unter dem Motto "Gegen das Vergessen - Zum Gedenken der Opfer des Bombenangriffs auf Dessau am 07.03.1945!" nahmen etwa 200 Personen teil. Sie führten Fahnen aus der Region mit Aufschriften von Magdeburg, Zerbst, Halle, Merseburg und Naumburg mit. Zu sehen waren darüber hinaus auch Fahnen mit Aufschriften von Orten aus den benachbarten Bundesländern, wie Aue, Nordhausen, Braunschweig, Hildesheim und Berlin. Am Abend fand der zweite Aufzug unter dem Motto "Asylflut stoppen" mit etwa 110 Teilnehmern statt, nachdem das Verwaltungsgericht Halle am 7. März die Verbotsverfügung der Polizeidirektion der Polizei Sachsen-Anhalt Ost aufgehoben hatte. Entlang der Aufzugstrecken kam es von Gegendemonstranten immer wieder zu Sitzblockaden sowie Störund Blockadeversuchen. Diese wurden von den Einsatzkräften der Polizei weitestgehend unterbunden. 59 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN Aktivitäten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg Am 12. Februar beteiligten sich anlässlich des 69. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden im Jahr 1945 rund 500 Rechtsextremisten an einem Demonstrationsaufzug und einer Abschlusskundgebung in der Nähe des Dresdner Hauptbahnhofs. Die Versammlung war von dem Dresdner Neonazi Maik MÜLLER im Namen des "Aktionsbündnisses gegen das Vergessen" (AgdV) unter dem Motto "Gegen die Unkultur des Vergessens!" kurzfristig angemeldet worden.46 Auf der Webseite des "Aktionsbündnisses gegen das Vergessen" äußerte sich der Veranstalter unmittelbar nach der Abschlusskundgebung sichtlich zufrieden, da: "am Vorabend der mörderischen Angriffe auf die Elbmetropole Dresden, mit mehr als 500 Teilnehmern ein würdiges und ehrenhaftes Totengedenken für die zivilen Luftkriegsopfer durchgeführt und mit einer phantasievollen und ereignisreichen Aktionswoche unser eigentliches Ziel vollumfänglich umgesetzt werden konnte".47 Ursprünglich hatte MÜLLER die rechtsextremistische Gedenkkundgebung für den 13. Februar angemeldet; im Verlauf der Abschlusskundgebung am Tag zuvor jedoch wieder abgesagt. Im Zusammenhang mit einer Aktionswoche "Ein Licht für Dresden" der rechtsextremistischen Szene wurden in Sachsen-Anhalt folgende Aktivitäten festgestellt: Die "Freien Kräfte Halle"48 verteilten am 7. Februar im Stadtgebiet in Halle (Saale) Flugblätter des AgdV. 46 Bild der anlassbezogenen Internetseite "Gedenkmarsch", abgerufen am 8. April 2015. 47 Abgerufen am 14. Februar. 48 Siehe Seite 41f. 60 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Laut Eigenangabe des AgdV auf seiner Internetseite fand am 13. Februar in Dessau-Roßlau eine Mahnwache mit etwa 50 Rechtsextremisten statt. Aktivitäten zum Todestag (23. Februar) von Horst Wessel Die NSDAP nutzte den Tod des Sturmführers der SA, Horst Wessel, der 1930 von einem KPD-Mitglied angeschossen wurde und einige Wochen später verstarb, propagandistisch, um ihn zum Märtyrer zu stilisieren. Das so genannte Horst-Wessel-Lied avancierte während der NS-Diktatur zu einer zweiten Nationalhymne und wird bis heute von Rechtsextremisten genutzt (Straftatbestand).49 Vom 21. zum 22. Februar befanden sich in den Stadtgebieten von Halle (Saale) und Merseburg an mehreren Stellen Plakate mit dem Konterfei einer männlichen Person in Wehrmachtsuniform und der Überschrift "Horst Wessel - Ermordet durch rote Hand" und "Kämpfer wollen wir sein, Soldaten unserer Idee". Ebenfalls am 21. Februar kam es in Burg zu Plakatierungen und Beschriftungen mit Bezug zum Todestag Wessels. Im Bereich der Gemeinde Möser (OT Schermen, Jerichower Land) brachten Unbekannte an einer Brücke ein Transparent mit der Aufschrift "Horst Wessel unvergessen" an. Aktivitäten zum 8. Mai Rechtsextremisten wehren sich bis heute gegen die Bezeichnung des 8. Mai als "Tag der Befreiung". Ihrem revisionistischen Weltbild entsprechend handelt es sich bei diesem Tag um den "Beginn der Besetzung Deutschlands". Öffentlichkeitswirksame Szeneaktivitäten waren in Sachsen-Anhalt nicht zu verzeichnen. Auf einer Internetseite wies die rechtsextremistische Szene im Saalekreis auf eine vermeintliche Aktion hin. 50 49 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport, Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus, 4. Auflage 2012, Seite 22f. 50 Siehe Seite 44. 61 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Aktivitäten zum 17. Juni Seit einigen Jahren versuchen Rechtsextremisten, auch den ehemaligen "Tag der deutschen Einheit" (Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953) in ihrem Sinne zu instrumentalisieren und führen hierzu Aktionen durch. Am 21. Juni fand aus Anlass des 17. Juni 1953 in Merseburg eine Demonstration statt.51 Aktivitäten von Rechtsextremisten zum Todestag der Rathenau-Mörder Alljährlich gedenken sowohl "Freie Kräfte" als auch parteigebundene Rechtsextremisten am 17. Juli der Rathenau-Attentäter Fischer und Kern an ihrer (ehemaligen) Grabstätte. Am 19. Juli fand in Saaleck (Burgenlandkreis) die jährliche Gedenkveranstaltung anlässlich des Todestages der RathenauAttentäter statt. Insgesamt nahmen etwa 25 Personen teil. Der Mordanschlag auf den damaligen Reichsaußenminister Dr. Walther Rathenau wurde am 24. Juni 1922 in Berlin-Grunewald auf offener Straße von dem 23jährigen Jurastudenten Erwin Kern und dem 26jährigen Maschinenbauingenieur Hermann Fischer verübt. Er zielte auf die Destabilisierung und Beseitigung der jungen Weimarer Republik und der Demokratie. Wegen seines jüdischen Glaubens war Dr. Rathenau Ziel hasserfüllter antisemitischer Hetzkampagnen. Gerade wegen dieser doppelten Bedeutung des Mordanschlags solidarisierten sich die Nationalsozialisten und andere nationalistisch-terroristische Kreise noch während der Weimarer Republik mit den Attentätern. Die Nationalsozialisten veranstalteten im Juli 1933 eine Gedächtnisfeier am Grab Kerns und Fischers in Saaleck, an der unter anderem der SS52-Führer Heinrich Himmler sowie Abordnungen von SS-Verbänden teilgenommen haben sollen. Die Nationalsozialisten stilisierten die Rathenau-Attentäter zu Vorkämpfern der nationalsozialistischen Sache. Hitler ließ am Grab der Attentäter einen Gedenkstein aufstellen. Nach 1990 stellten sich Organisationen der "nationalen extremen Rechten" in diese Tradition, indem sie alljährlich wiederum am 17. Juli "Totenehrungen" in Saaleck durchführen.53 51 Siehe Seite 47. 52 Schutzstaffel der NSDAP. 53 Vgl. juris PR-BVerwG/2013. 62 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Aktivitäten zum Todestag von Rudolf Heß Der frühere Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß genießt in der rechtsextremistischen Szene wegen seiner 46-jährigen Haftzeit, seines ungebrochenen Bekenntnises zum Nationalsozialismus und der Verschwörungstheorien, die sich sowohl um seinen Flug nach Großbritannien (1941) als auch um seinen Tod ranken, Märtyrerstatus. Im Zusammenhang mit dem Todestag von Rudolf Heß kam es in Sachsen-Anhalt zu vereinzelten Sachbeschädigungen. Öffentlichkeitswirksame Aktionen von Szeneangehörigen waren nicht festzustellen. In Burg fand die Polizei am 21. August bei einer Kontrolle im Pkw eines bekannten Rechtsextremisten diverses Material mit Heß-Bezug (Plakate und Sticker). Gleiches Material wurde zuvor in Burg, Biederitz, OT Gerwisch und Möser, OT Schermen, im öffentlichen Raum festgestellt.54 Insgesamt haben die Aktivitäten mit Heß-Bezug abgenommen. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene zum Volkstrauertag (szenetypisch "Heldengedenktag") Die rechtsextremistische Szene nutzt den Volkstrauertag nicht zum Gedenken an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen, sondern stilisiert ihn - anknüpfend an den historischen Nationalsozialismus - zum "Heldengedenktag" zur Heroisierung der gefallenen deutschen Soldaten. Am Abend des 15. November sollen sich auf dem Friedhofsvorplatz in Gommern (Jerichower Land) am Kriegsdenkmal für die Opfer beider Weltkriege etwa 30 Personen mit Fackeln aufgehalten haben. Vor Ort konnten keine Personen mehr festgestellt werden. Am Denkmal befanden sich zwei brennende Kerzen und ein Blumenkranz mit der Aufschrift "Ewig lebt der Toten Taten Ruhm". 54 Szeneplakat zum Todestag von Rudolf Heß. 63 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Am 16. November stellten Unbekannte an einem Grab in der Hansestadt Salzwedel, OT Ziethnitz, ein so genanntes "Eisernes Kreuz" (40 x 40 cm) mit der Aufschrift "1939 unvergessen 1945" auf. Davor lag ein Gebinde mit schwarzer Schleife und der Aufschrift "1945". Weiterhin legten am 16. November sechs Personen der rechtsextremistischen Szene im Kurpark Bad Kösen (Naumburg) einen Kranz nieder. Auf dem Friedhof in Weißenfels (Burgenlandkreis) fanden sich am selben Tag 21 Szeneangehörige, darunter drei Mitglieder des NPDKreisverbands Burgenlandkreis, am Gedenkstein für die Opfer der Weltkriege ein, legten zwei Blumengebinde nieder und sangen alle drei Strophen des Deutschlandliedes. Publikation "Neue Wege" von Steffen HUPKA Diese Publikation wurde im Jahresbericht 2013 analysiert.55 Im Juli 2013 leitete die Staatsanwaltschaft Halle wegen diverser Aussagen in der Broschüre ein Ermittlungsverfahren gegen HUPKA ein. Im Mai stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein und teilte mit, dass die Darlegungen des Beschuldigten nicht die Voraussetzungen des SS 130 StGB56 erfüllten, da die Äußerungen des Beschuldigten "keine eindeutige Leugnung des Holocaust" darstellen würden. Aktionstag "Schwarze Kreuze Deutschland" Verschiedene Facebook-Seiten veröffentlichten einen Aufruf zu einer bundesweiten Aktion am 13. Juli. Das Motto dieser Aktion lautete "SCHWARZE KREUZE DEUTSCHLAND". Der Aufruf hatte unter anderem folgenden Inhalt: "Am 13. Juli 2014 starten wir die Aktion "SCHWARZE KREUZE DEUTSCHLAND". 55 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 71. 56 Volksverhetzung, StGB = Strafgesetzbuch. 64 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In Gedenken an durch Ausländergewalt getötete Deutsche reisen wir durch die Bundesrepublik, um den Angehörigen unser Beileid zu bekunden und ihnen zu zeigen, daß die grauenvollen Tragödien ihrer Liebsten zwar vom System ungeachtet, doch von UNS BÜRGERN niemals vergessen werden!! Da wir es natürlich nicht allein schaffen, an einem Tag ganz Deutschland zu bereisen, würden wir uns freuen, wenn sich so viele Bürger wie möglich zusammenschließen, um uns zu unterstützen. Wir wollen mit Eurer Hilfe schwarze Kreuze im ganzen Land verteilen. Da es leider keine genauen Adressen gibt, werden wir die Kreuze an den Brennpunkten in den Städten, Dörfen und Ortschaften positionieren." In Sachsen-Anhalt wurden Kreuze in Osterwieck und Göddeckenrode (OT von Osterwieck, Landkreis Harz) sowie im Raum Stendal und in Sangerhausen festgestellt. NUTZUNG VON KOMMUNIKATIONSMEDIEN Auf Grund des Verfolgungsdrucks der Ordnungsund Sicherheitsbehörden sieht sich die rechtsextremistische Szene ständig dazu gezwungen, nach neuen Möglichkeiten für die interne Kommunikation und den Datenaustausch zu suchen. Der immer größer werdende, nahezu unüberschaubare digitale Markt bietet dafür immer wieder neue Möglichkeiten. Cloud-Computing57 und die Nutzung von Messaging-Systemen wie "WhatsApp" oder "Threema" sind nur einige Beispiele dafür. Auch für die öffentliche Darstellung in sozialen Netzwerken wie "Facebook" finden sich Möglichkeiten, der Löschung von (rechts)extremistischen Inhalten oder gesamter Profile zu entgehen. Alternativen bieten ausländische Angebote wie beispielsweise das russische soziale Netzwerk "vk.com".58 Deren Nutzungsbestimmungen enthalten zwar Regelungen bei Gesetzesverstößen und extremisti57 Unter Cloud-Computing versteht man das Speichern von Daten oder auch die Ausführung von Programmen, nicht auf lokalen Rechnern, sondern in weit entfernten Rechenzentren. 58 Bis Anfang 2012 noch "Vkontakte.ru", vgl. auch Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite72f. 65 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 schen Inhalten, die in der Regel aber nicht sehr restriktiv angewandt werden. So wähnen sich deutsche Rechtsextremisten bislang mutmaßlich in Sicherheit, was sich in deren Textund Bildveröffentlichungen deutlich zeigt, da diese in Deutschland strafbewährt wären. Nachdem es bei dem Videoportal "YouTube" (Firma "Google Inc.") nach Hinweisen anderer Nutzer mitunter zur Löschung und Sperrung von dort eingestellter rechtsextremistischer Ideologie und Propaganda kam, weichen deutsche Rechtsextremisten nunmehr vereinzelt auf andere Videoportale aus. Bei einem dieser Videoportale handelt es sich um die russischsprachige Internetseite "rutube.ru", auf der - wie bei YouTube - Videos hochgeladen und somit einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt werden können. Auch hier finden sich in den Nutzerrichtlinien zwar Hinweise, dass es verboten sei, Material zu veröffentlichen, das Moral, Ehre, Würde und Rechte Dritter beleidige, Menschen diskriminiere oder zu ethnischem, religiösem oder rassistischem Hass anrege; eine Kontrolle ist jedoch kaum feststellbar. Verhandlung gegen Hauptverantwortliche des "ThiaziForums" Am 14. Juni 2012 durchsuchte die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) bundesweit etwa 30 Objekte in elf Bundesländern, darunter auch ein Objekt in Sachsen-Anhalt. Die Exekutivmaßnahmen standen im Zusammenhang mit einem seitens des Bundeskriminalamtes seit 2009 auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Rostock geführten Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen insgesamt 26 Betreiber und Mitglieder des bis zu diesem Zeitpunkt bundesweit bedeutendsten rechtsextremistischen Internet-Forums "Thiazi".59 59 "Thiazi" ist ein Riese in der germanischen Mythologie. Das seit 2007 unter diesem Namen firmierende "Thiazi-Forum" gehörte zu den größten deutschen Internet-Foren mit rechtsextremistischen Inhalten. In dem für jedermann und ohne vorherige Registrierung offen einsehbaren Bereich wurden sowohl tagespolitische Themen als auch szeneinterne Belange diskutiert. Ein Großteil des Forums war dem rechtsextremistischen Musikbereich gewidmet. Daneben diente das Forum als Informationsbörse für Demonstrationsoder Veranstaltungstermine. 66 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Vor dem Landgericht Rostock begann am 28. November der Prozess gegen die ersten vier von insgesamt 34 Beschuldigten. Ihnen wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß SS 129 StGB vorgeworfen. Unter den vier Betreibern des Forums befindet sich auch eine Person aus dem Saalekreis, die seit Januar 2009 für das Einstellen der Musik im "Thiazi-Forum" verantwortlich gewesen sein soll.60 Das Urteil des Landgerichts Rostock wird Mitte 2015 erwartet. 60 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2012, Seite 62f. 67 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD war im Berichtsjahr öffentlich deutlich weniger wahrnehmbar, was einerseits, vor allem in Bezug auf die Proteste gegen Flüchtlinge, Strategie war. Andererseits wurde die NPD durch die Misserfolge bei den letzten Wahlen und den andauernden inneren Spannungen in der Partei geschwächt. Die NPD verfügt über Unterorganisationen für die Teilbereiche Jugend, Frauen und Kommunalpolitik: Die Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) und die "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV). Beteiligung an Wahlen Über den Gewinn weiterer Mandate im kommunalen Bereich und auf Landesebene beabsichtigt die NPD, weitere Agitationsplattformen zu erschließen, ihre lokale Verankerung voranzutreiben und sich im lokalen Bereich als "Kümmerer-Partei" darzustellen. Die NPD nahm im Berichtsjahr an der Europawahl, den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie an den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern, darunter Sachsen-Anhalt, teil. Die NPD ist bei der Europawahl am 25. Mai deutlich hinter den hohen eigenen Erwartungen geblieben, die sie nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Sperrklausel geäußert hatte. Nach dem amtlichen Endergebnis erreichte die NPD lediglich einen Stimmenanteil von 1,0 Prozent (absolut: 301.139 Stimmen). Statt der erhofften zwei bis drei Europamandate nimmt nunmehr nur der Spitzenkandidat Udo VOIGT (Berlin) einen Sitz im Europäischen Parlament ein. Die besten Landesergebnisse für die NPD waren in Sachsen (3,6 Prozent), Thüringen (3,4 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (3,4 Prozent) zu verzeichnen. In Sachsen-Anhalt stimmten 16.758 Wähler (2,1 Prozent) für die NPD. 68 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Der designierte Europaabgeordnete VOIGT äußerte in einer ersten kurzen Stellungnahme lediglich die Hoffnung, die Position der NPD in Europa durch das Mandat zu stärken und die Kontakte zu anderen "nationalen Kräften innerhalb der EU" ausbauen zu können. Die Zeichen in Europa stünden "auf Sturm und Veränderung" und die NPD sei "mittendrin". In einer auf dem "NPD-Presseportal" eingestellten zweiten kurzen Stellungnahme erklärte VOIGT, die NPD sei zwar europafreundlich, werde "sich aber mit ganzer Kraft gegen diese EU stemmen". Gleichzeitig mit der Europawahl fanden am 25. Mai Kommunalwahlen in zehn Bundesländern statt, wobei die NPD in sämtlichen Ländern antrat. Dabei konnte sie trotz erwartbar schwacher Resultate in Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Saarland sowie uneinheitlicher Ergebnisse in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die bundesweite Anzahl ihrer kommunalen Mandate von rund 330 auf insgesamt etwa 370 Sitze ausbauen. Bei der Landtagswahl in Sachsen am 31. August verpasste die NPD im Gegensatz zu 2004 und 2009 knapp den Einzug in das Dresdner Landesparlament. Nach dem amtlichen Endergebnis erzielte die NPD ein landesweites Zweitstimmenergebnis von 4,95 Prozent (absolut: 81.051 Stimmen). Die sächsische NPD führte einen ressourcenintensiven Wahlkampf. Neben dem Einsatz konventioneller Wahlkampfwerbung - nach eigenen Angaben warb die Partei mit rund 60.000 Plakaten sowie 1,5 Millionen Flugblättern und Wahlkampfzeitungen - bediente sich die Partei auch innovativer Wahlkampfmittel. So verteilte sie Lebensmittelpakete an einkommensschwache Personen im Rahmen der Aktion "Deutsche helfen Deutschen". In nächtlichen Lichterund Beleuchtungsaktionen projizierten Angehörige der NPD mit einem Hochleistungsprojektor Schriftzüge wie "Heimat im Herzen", "Weg mit dem Crystal-Dreck" oder "Moschee? Nee!" auf öffentliche Bauwerke. 69 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Zehn Jahre lang war die sächsische Fraktion die wichtigste Machtbasis der Partei mit acht Abgeordneten und zirka 40 Mitarbeitern. Als einzige NPD-Fraktion in einem Landtag ist die Partei in Mecklenburg-Vorpommern verblieben. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg am 14. September verfehlte die NPD mit einem Zweitstimmenanteil von 3,6 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent jeweils deutlich das Ziel eines Landtagseinzugs. Entwicklung der Bundespartei Am 1. und 2. November fand in Weinheim (Baden-Württemberg) der 35. ordentliche Bundesparteitag der NPD statt, der angesichts des 50-jährigen Bestehens der Partei unter dem Motto "50 Jahre für Frieden, Freiheit und Souveränität" stand. 139 Delegierte stimmten über eine neue Führung der Partei ab, die nach der Ämterniederlegung ihres früheren Vorsitzenden Holger APFEL (Spanien) im Dezember 2013 kommissarisch von dessen Stellvertreter Udo PASTÖRS (Mecklenburg-Vorpommern) geleitet worden war. Frank FRANZ (Saarland), der bisherige Bundespressesprecher der NPD, gewann gegen seine Kontrahenten die Wahl zum neuen Bundesvorsitzenden. Zu stellvertretenden Parteivorsitzenden wurden Frank SCHWERDT (Thüringen), der von den Delegierten in diesem Amt bestätigt wurde, sowie erstmalig Ronny ZASOWK (stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Brandenburg) und Stefan KÖSTER (Landesvorsitzender der NPD MecklenburgVorpommern) gewählt. Neben dem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern bilden die Beisitzer mit einem zugewiesenen Arbeitsbereich das Parteipräsidium. Vor den Vorstandswahlen hielt VOIGT, ehemaliger Bundesvorsitzender und Mitglied des Europäischen Parlaments, anlässlich des 50-jährigen Bestehens der NPD eine Rede zur Geschichte der Partei. PASTÖRS kündigte in seinem Rechenschaftsbericht als kommissarischer Vorsitzender den Rückzug aus der Bundespolitik an. 70 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In einer Stellungnahme vom 3. November erklärte der neue Parteivorsitzende FRANZ, man brauche jeden "klugen Kopf", der bereit sei, den Weg eines "aufgeklärten Nationalismus" mitzugehen. Dabei stehe die Partei unverrückbar zu ihren Grundwerten und Forderungen. FRANZ war von 2005 bis 2012 saarländischer NPDLandesvorsitzender sowie seit 2011 Bundespressesprecher der NPD. Mit ihm wurde ein flügelübergreifender Kompromisskandidat zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt, dessen Wahl jedoch lediglich als Verlegenheitslösung gelten muss. Von dem mit keiner eigenen Machtbasis ausgestatteten FRANZ ist allenfalls eine Mäßigung und Modernisierung in der Außendarstellung der NPD zu erwarten. Eine substanzielle Änderung der Schwerpunkte der Partei wird er weder durchsetzen können noch wollen. Die oft vagen Äußerungen des neuen Vorsitzenden lassen vielmehr allen Parteiströmungen die Möglichkeit, ihre Positionen darunter zu vertreten. Der Abwärtstrend der NPD hält auch unter dem neugewählten Bundesvorsitzenden an und erfasst inzwischen vermehrt die kommunale Ebene der Partei. Die Mitgliederund Mandatsträgererosion setzt sich vor allem im Landesverband Sachsen fort. Die dortige NPD ist zwar - ungeachtet des Ausscheidens aus dem Dresdner Landtag - mit vier Vorstandsmitgliedern auch in der neuen Parteibundesführung stark vertreten. Allerdings gelingt es ihr unter dem Landesvorsitzenden und Bundesgeschäftsführer Holger SZYMANSKI nicht, den eigenen Landesverband zu konsolidieren. Im November traten fünf kommunale Mandatsträger im Landkreis Görlitz (Sachsen) geschlossen aus der NPD aus. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der ausgetretenen Mandatsträger heißt es, in der NPD offenbare sich seit Längerem eine "politische, soziale und menschliche Fehlentwicklung". Über die fünf genannten Mandatsträger hinaus haben auch der gesamte Kreisvorstand Görlitz sowie einzelne Mitglieder der JN die NPD verlassen. 71 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Der NPD ist die Aufarbeitung ihrer Niederlagen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen am 31. August beziehungsweise 14. September gänzlich misslungen. Insbesondere der Verlust der Landtagsfraktion in Dresden führte zu einer gravierenden und unverändert andauernden Krise des sächsischen Landesverbands, die weit in die Bundespartei hineinwirkt. Von den öffentlichkeitswirksamen und im Internet heftig diskutierten Parteiaustritten der kommunalen Mandatsträger im Landkreis Görlitz geht eine negative Signalwirkung für die NPD aus, die über die faktische Bedeutung dieses Personenkreises hinausreicht. Die Schwächung der örtlichen und regionalen Repräsentanz konterkariert mithin die als zentral angenommene Voraussetzung, um der NPD erneute oder gar nachhaltige Erfolgsaussichten zu eröffnen. Aktivitäten der Bundespartei Am 9. August fand im thüringischen Sondershausen zum zweiten Mal die vom Vorsitzenden des NPD-Kreisverbands Kyffhäuserkreis, Patrick WEBER, angemeldete Veranstaltung "In Bewegung - Das politische Fest der Nationalen" unter dem Motto "Dem demografischen Wandel" entgegentreten" statt. An der Open-AirVeranstaltung nahmen mehr als 700 Rechtsextremisten teil. Das Programm bestand im Wesentlichen aus Vorträgen und Musikdarbietungen, die im Wechsel stattfanden. Mehrere rechtsextremistische Vertriebe boten Tonträger, Textilien, Filme und Bücher an. Verschiedene rechtsextremistische Organisationen, darunter die "Europäische Aktion" (EA), das "Gedenkbündnis Bad Nenndorf" 61 sowie die NPD-Teilorganisationen JN und RNF, waren mit Informationsständen präsent. Neben WEBER traten folgende Redner auf: der niedersächsische Neonazi RIEFLING, der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian SCHMIDTKE, der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Weiden (Bayern) und Betreiber des rechtsextremistischen Internetsenders "FSN-TV" Patrick SCHRÖDER sowie der parlamentarische Berater der sächsischen NPD-Landtagsfraktion Olaf ROSE. Zudem gab es Auftritte der - zum Teil überregional bekannten - rechtsextremisti61 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2012, Seite 56. 72 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 schen Bands "Die Lunikoff-Verschwörung" (Berlin), "Sachsenblut", "Heiliges Reich" (beide Sachsen), "Feindbild Deutschland", "Act of Violence" und "Resistentia" (alle Baden-Württemberg). Im August 2013 hatte WEBER eine Veranstaltung unter demselben Motto mit rund 900 teilnehmenden Rechtsextremisten in Berga (Landkreis Mansfeld-Südharz) durchgeführt. Die diesjährige Veranstaltung sollte ursprünglich erneut in Berga stattfinden, sie wurde jedoch kurzfristig nach Sondershausen verlegt. Trotz der überzogenen Eigenangaben bezüglich der Besucherzahl ist die Veranstaltung als Erfolg für die verantwortlichen Organisatoren zu bewerten. Ein weiteres Mal dürfte vor allem das aus Sicht der rechtsextremistischen Szene attraktive Musikprogramm - insbesondere der Auftritt der in der Szene sehr beliebten Band "Die Lunikoff-Verschwörung" um ihren Sänger Michael REGENER - zur großen Resonanz der Veranstaltung beigetragen haben. Bemerkenswert ist zudem die Breite des rechtsextremistischen Rednerund Teilnehmerkreises. Dieser reichte von dem um Seriosität bemühten parlamentarischen Berater ROSE bis zum aggressiven neonazistischen Agitator RIEFLING. Die in einer Vielzahl von Städten zum Teil bereits seit Ende 2014 stattfindenden Demonstrationen der PEGIDA-Bewegung ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") wurden in der rechtsextremistischen Szene bislang nur wenig diskutiert. Auch gegenwärtig bewegen sich die im Internet veröffentlichten Berichte, Stellungnahmen und Kommentare auf einem quantitativ niedrigen Niveau. Angesichts der öffentlichen Debatte über PEGIDA haben sich allerdings zumindest die rechtsextremistischen Parteien über Stellungnahmen von Funktionsträgern offiziell positioniert. Die drei größten Parteien im rechtsextremistischen Parteienspektrum - NPD, "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") und die Partei "DIE RECHTE" - haben sich inhaltlich weitgehend gleichlautend zu PEGIDA geäußert. Die Kundgebungen der Islamisierungsgegner 73 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 gelten ihnen als Ausdruck des Volkswillens und als Bestätigung ihrer jeweiligen politischen Agenda. So stellt beispielsweise Arne SCHIMMER (Sachsen), Bundesvorstandsmitglied der NPD, in einem auf der Partei-Homepage eingestellten Beitrag mit der Überschrift "Mit der PEGIDA den Volkswillen auf die Straße tragen!" fest, dass PEGIDA "das richtige Thema zum richtigen Zeitpunkt aufgegriffen habe". Die Widersprüche zwischen der "Integrationslüge" und den vermeintlichen Fakten könnten "dem Bürger nicht mehr von einer im Gleichschritt marschierenden Politik und Medienszenerie erklärt werden". In Dresden habe sich "eine Bewegung für den Erhalt der eigenen Kultur, gegen die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen, für härtere Maßnahmen gegen straffällige Zuwanderer, für die Abschiebung religiös radikalisierter Muslime und für eine Besinnung auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung gebildet". Dies seien "ur-nationaldemokratische Werte", für die "zahlreiche Nationaldemokraten (...) schon jetzt an den Pegida-Veranstaltungen" teilnähmen. Die NPD werde dabei "nicht abseits stehen, sondern die junge Bewegung nach Kräften unterstützen!" Nach der rund 15.000 Teilnehmer zählenden PEGIDADemonstration in Dresden am 15. Dezember bewertete der NPDBundesvorstand in einer Pressemitteilung am selben Abend PEGIDA als eine "neue Massenbewegung", mit der das Volk wieder eine Stimme habe. Deren Anhängern gehe es "aber längst nicht mehr nur um die Islamisierung unserer Heimat" - viel schwerer wiege die "arrogante Ignoranz der etablierten politischen Klasse", die offenbar noch immer nicht verstanden habe, was in Dresden gerade entstehe. Die Bürger wollten nicht länger hinnehmen, dass an ihnen "vorbeiregiert" werde. Nach Aussage des NPD-Bundesvorsitzenden FRANZ weise die NPD "seit Jahren auf die Missstände hin, die jetzt durch PEGIDA auf die Straße getragen" würden. Es sei darum nur folgerichtig, dass NPD-Mitglieder "selbstverständlich mit auf der Straße" stünden. Auch der NPD-Landesverband Sachsen ist bestrebt, eine Deckungsgleichheit der Forderungen von PEGIDA mit den Postulaten 74 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 der eigenen Partei zu begründen. So setzten die Dresdner Massenproteste klare politische Forderungen auf die Agenda, die die NPD mit der Verschärfung des Asylrechts, der sofortigen Abschiebung strafrechtlich in Erscheinung getretener Ausländer oder der Abschaffung von Zuwanderungsanreizen bereits seit Langem aufgestellt habe - schließlich zeige die NPD in Sachsen "klare Kante gegen Überfremdung und Asylbetrug". Die NPD Mecklenburg-Vorpommern sieht die PEGIDA-Bewegung gar "im Geiste der NPD". Die Parole "Volksverräter", wie sie von 15.000 Demonstranten in Dresden skandiert worden sei, "ist NPD Sprachgebrauch und NPD-Denken". Möglicherweise seien sich viele der Kundgebungsteilnehmer gar nicht darüber im Klaren, dass sie den Sprachgebrauch und damit die ideologische Grundhaltung der NPD übernommen hätten. Dies sei auf die "beharrliche Volksaufklärungsarbeit" der Partei zurückzuführen, die auch auf unbewusster Ebene wirke. Die NPD müsse dabei noch nicht einmal die Organisationsarbeit übernehmen. 75 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Am 29. März fand in der Berliner NPD-Parteizentrale der turnusmäßige Bundeskongress der NPD-Frauenorganisation RNF mit Vorstandsneuwahlen statt. Die Teilnehmerinnen wählten die Beisitzerin im NPD-Bundesvorstand und stellvertretende rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Ricarda RIEFLING zur neuen RNFVorsitzenden. Die stellvertretenden RNF-Vorsitzenden Gitta SCHÜSSLER (Sachsen) und Heidrun WALDE aus Hecklingen, OT Schneidlingen (Salzlandkreis), wurden in ihren Ämtern bestätigt. Auch Edda SCHMIDT aus Baden-Württemberg, die von 2009 bis 2012 den RNF geleitet hatte, wurde erneut in den Vorstand gewählt. Eigenen Angaben zufolge litt der RNF im vergangenen Jahr nicht zuletzt unter der "prekären Finanzlage" der NPD. Man habe "von der Substanz" leben müssen und nur wenige eigene Materialien in kleinerer Auflage erstellen können. Organisatorische Veränderungen in Bezug auf den RNF seien nicht erforderlich. Allerdings müsse die "Zuarbeit aus den Regionen verstärkt" werden. Der RNF rief auf seiner Internetseite zur Teilnahme an der Demonstration am "Internationalen Hebammentag" auf. Die Kundgebung fand am 5. Mai an der Frauenkirche in Dresden statt. Thema seien die Pflichtversicherungen der freien Hebammen gewesen, die ins "Unermessliche" steigen würden. "Wir haben ein Recht auf Familie, Kinder und professionelle Unterstützung bei Geburten. (...) Kommt mit Kindern und Freunden! Eine breite Unterstützung (...) braucht es, um zu zeigen wer sich hier nicht unterkriegen lässt!" "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) 2003 wurde die Unterorganisation der NPD, die KPV gegründet, um die Aktivitäten auf lokaler und regionaler Ebene zu professionalisieren. Für die Partei gelten errungene Mandate als Basis einer 76 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Graswurzelrevolution" die es ihr ermöglichen, sich im lokalen Bereich als "Kümmererpartei" darzustellen. Im Berichtsjahr fanden keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der KPV in Sachsen-Anhalt statt. NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Am 3. Dezember 2013 hat der Bundesrat beim BVerfG einen Antrag auf Verbot der NPD und ihrer Unterorganisationen gestellt. Eine länderoffene Arbeitsgruppe, an der auch Sachsen-Anhalt beteiligt ist, begleitet das Verfahren. Die NPD erhielt vom BVerfG Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. März. Damit hat das in einem Parteiverbotsverfahren erforderliche Vorverfahren nach SS 45 Bundesverfassungsgerichtsgesetz begonnen. Im Berichtsjahr gab der Verfahrensbevollmächtigte der NPD mehrere Stellungnahmen ab, in denen er im Wesentlichen ausführte, dass der Verbotsantrag des Bundesrates wegen fehlender Staatsfreiheit als unzulässig zu verwerfen sei. In seinen im Berichtsjahr abgegebenen Stellungnahmen hat er sich bisher nicht zu Sache eingelassen. Die Verfahrensbevollmächtigten des Bundesrates haben auf die Vorhaltungen der NPD entsprechend dezidiert erwidert. Offensichtlich verfolgt die NPD bisher lediglich das Ziel, das Verfahren durch angebliche verfahrensrechtliche Hindernisse zu Fall zu bringen. 77 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt Der NPD-Landesverband war im Berichtszeitraum weitgehend inaktiv. Von den bestehenden Kreisverbänden gingen lediglich vereinzelt regionale Aktionen aus. Unverändert stellt sich neben der Struktur auch die Mitgliederzahl mit etwa 250 Personen dar. Landesvorsitzender ist seit 2011 Peter WALDE (Hecklingen, OT Schneidlingen (Salzlandkreis)). Weitere Mitglieder im Landesvorstand sind laut Internetpräsenz des NPD-Landesverbands: Anne ADLER (Halle (Saale)), Heiko KRAUSE (Tangerhütte, Landkreis Stendal), Thomas GREY (DessauRoßlau) - alle drei stellvertretende Vorsitzende sowie Heidrun WALDE (Hecklingen, OT Schneidlingen, Salzlandkreis), Michael GRUNZEL (Halberstadt), Andreas KARL (Billroda, OT der Gemeinde Finne, Burgenlandkreis), Peter MACHLEID, (Halle (Saale)) und Steffen THIEL (Zeitz, Burgenlandkreis). Neben den neun bestehenden aktiven Kreisverbänden - Magdeburg - Salzland - Altmark - Wittenberg - Halle (Saale) - Saalekreis - Anhalt-Bitterfeld - Harz und - Burgenlandkreis hat sich laut einer Internetmeldung des Landesverbands von Ende November der Kreisverband im Landkreis Börde wieder reaktiviert, der aufgrund seiner geringen Mitgliederzahl sonst vom Landesverband hätte verwaltet werden müssen. Angaben zu Vorstandsmitgliedern, Zielrichtungen und Aktivitäten des Kreisverbands wurden jedoch nicht gemacht. Für das Frühjahr 2015 sei außerdem die Verbandsneugründung im Landkreis Mansfeld-Südharz geplant. 78 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Beteiligung an Wahlen Für den Landesverband der NPD traten zur Kommunalwahl 2014 insgesamt 174 Kandidaten an. Davon für die Wahl zu den Kreistagen und kreisfreien Stadträten 97 Kandidaten und zu den Gemeinde-, Stadtrats-, Verbandsgemeindeund Bürgermeisterwahlen 77 Kandidaten. Die 174 Kandidaten errangen insgesamt 32 Mandate und konnten in 29 der 37 Kommunalvertretungen einziehen. Damit konnte die NPD die Zahl ihrer Mandatsträger leicht erhöhen. Auf Kreistagsebene erreichte die Partei trotz prozentualer Stimmenverluste von 2,2 auf 1,6 Prozent den Einzug von zwölf Vertretern in die kommunalen Vertretungen. Sie ist in sieben der elf Kreistage sowie in zwei der drei Stadträte der kreisfreien Städte eingezogen. Die höchsten Stimmengewinne erzielte die Partei in den Landkreisen Burgenlandkreis (4,7 Prozent; drei Mandate) und Salzlandkreis (2,8 Prozent; zwei Mandate). In den übrigen Kreisen sowie in den Städten Dessau-Roßlau und Halle (Saale) ist sie mit jeweils einem Sitz vertreten. In den vier Landkreisen Altmarkkreis Salzwedel, Börde, Jerichower Land und Mansfeld-Südharz trat die NPD nicht zur Wahl an. Bei den Gemeinderatswahlen gewann die NPD in Sachsen-Anhalt 20 Mandate und kommt somit auf eine Gesamtzahl von 32. Für den NPD-Landesverband waren die Kommunalwahlen weniger erfolgreich als erhofft. Einer Internetmeldung vom 30. Mai zufolge verkündet die Partei eine "gemischte Bilanz" "zwischen Debakel und Aufbruch", ohne offenbar selbst zu wissen, wo sie künftig mit wie vielen Mandaten vertreten sein wird. Aktivitäten des NPD-Landesverbands Im Zusammenhang mit dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh vor neun Jahren in Dessau veröffentlichte der NPD-Landesverband 79 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 auf seiner Internetseite den Artikel "Überraschungsbesuch in Dessau beim Jalloh - Opferkult". Am 7. Januar hätten "Freie Nationalisten" und die NPD beschlossen, eine Gegenveranstaltung zur stattfindenden Mahnwache an den Tod des Afrikaners Jalloh im Bereich des Polizeireviers Dessau-Roßlau abzuhalten. Mit einem Aufruf, diesen Protest gegen den "aufgeführten Opferkult, der die Dessauer Bürger nicht die Bohne interessieren würde" und die Veranstaltung als "einen Ausdruck des geistig verirrten Gutmenschentums zu werten", schließt der Beitrag. Der NPD-Kreisverband Salzlandkreis lud am 14. März zu einem politischen Gesprächsabend für interessierte Bürger nach Hecklingen ein. Einer Internetmeldung zufolge nutzten rund 20 Personen das Angebot, um sich über Arbeit und Ziele der NPD zu informieren. Im Wesentlichen rankten sich die gestellten Fragen um finanzpolitische Belange, so beispielsweise um die "Ausplünderung der deutschen Staatskassen zu Lasten der einheimischen Arbeitnehmer." Deutschland müsse sich von seiner "Wir-sind-Sozialamt-der-WeltMentalität" verabschieden, so das Fazit des Abends. Im Rahmen eines bundesweiten NPD-Aktionstages am 29. März fanden auch in Sachsen-Anhalt Veranstaltungen des NPDLandesverbands und seiner Kreisverbände statt. Einer Meldung des NPD-Landesverbands war zu entnehmen, dass die Kreisverbände diesen Tag nutzten, um sich für den Europaund Kommunalwahlkampf "warm zu laufen". Mittels "großflächiger Materialverteilungen", Aufstellen von Infoständen und in zahlreichen Gesprächen konnten interessierte Bürger "von der Richtigkeit nationaldemokratischer Politik überzeugt werden." Nach vorliegenden Informationen fanden Aktionen in Bernburg (Saale), Anhalt-Bitterfeld und der Lutherstadt Wittenberg statt. In einem Internetbeitrag ließ der NPD-Landesverband am 26. August verlauten: "NPD Unterstützt Montagsdemos 62 in Köthen" Die NPD beabsichtige, sich künftig an den "Montagsdemos" zu beteiligen. An der "Montagsdemo" tags zuvor in Köthen (Anhalt) sei 62 Gemeint sind hier die 2004 initiierten Demonstrationen gegen einen vermeintlichen Sozialabbau (Hartz IV). 80 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 die NPD als einzige Partei zum 10-jährigen Bestehen der "Montagsdemos" anwesend gewesen. Dort hätten das NPDKreistagsmitglied Anhalt-Bitterfeld, Andreas KÖHLER aus RaguhnJeßnitz (Landkreis Anhalt Bitterfeld) und das NPD-Stadtratsmitglied Dessau-Roßlau, Thomas GREY gesprochen. In einem weiteren Beitrag auf der Internetpräsenz des Landesverbands vom 9. September unter dem Titel: "NPD Landesvorsitzender redet auf Köthener Montags-Demo Klartext" wird über eine weitere "Montagsdemo" am 8. September in Köthen (Anhalt) mit Teilnahme von NPD-Mitgliedern berichtet. Dort sprach der NPDLandesvorsitzende WALDE. In Bitterfeld-Wolfen, OT Bitterfeld, fand ebenfalls am 8. September eine "Montagsdemo" mit 40 Bürgern statt, die auch von NPDVertretern unterstützt wurde. Auf dem Facebook-Account des NPD-Kreisverbands Wittenberg vom 14. Dezember berichtet die Partei über die am Vortag stattgefundene Jahreshauptversammlung. Zum neuen Vorsitzenden sei Daniel HABERZETTEL (Lutherstadt Wittenberg) gewählt worden. Thomas LINDEMANN (Sachsen), ehemals Vorsitzender, soll künftig als Schatzmeister im Vorstand aktiv werden. Einer Facebook-Meldung des NPD-Landesverbands vom 2. November ist zu entnehmen, dass auf dem Bundesparteitag der NPD, der am 1. und 2. November in Weinheim (Baden-Württemberg) stattfand,63 Heidrun WALDE zur Kassenprüferin gewählt wurde. In der Kreistagssitzung des Burgenlandkreises am 3. November stellte Hans PÜSCHEL64 aus Teuchern, OT Krauschwitz, Mitglied der Kreistagsfraktion der NPD, den Antrag, "Untersuchungsmaßnahmen zur Aufdeckung der Tätigkeiten diverser Geheimdienste und mafiöser Strukturen, welche in der BRD zum Nachteil aller Bürger tätig sind, zu veranlassen." In diesem Zusammenhang beschuldigte er den Generalbundesanwalt sowie den Präsidenten des 63 Siehe Seite 70. 64 PÜSCHEL ist nicht Mitglied der NPD, engagiert sich aber seit Jahren für diese. 81 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 BKA im Hinblick auf die Ermittlungen zur Aufklärung des NSU des Meineides. PÜSCHEL verlas den Antrag in der Kreistagssitzung und reichte ihn auch schriftlich ein. Die Originalfassung stellte er auf seiner öffentlich zugänglichen Internetseite ein. Gegen PÜSCHEL ist Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gestellt worden. Eine Textabschrift liegt der Staatsanwaltschaft Halle zur rechtlichen Würdigung vor. Die Aktivitäten der "PEGIDA"-Bewegung nehmen die Organisationen des rechtsextremistischen oder islamfeindlichen Spektrums im Internet zum Anlass, ihre Betrachtungsweise und damit einhergehende politische Forderungen mehr oder weniger ausführlich darzulegen. Neben dem NPD-Landesverband nehmen die Kreisverbände Wittenberg, Magdeburg und Harz auf ihren zahlreichen FacebookEinträgen Stellung zur oben genannten Bewegung, wobei die Einträge des Kreisverbands Harz zum größten Teil die Themen des Landesverbands widerspiegeln. Der NPD-Kreisverband Magdeburg greift auf seinem FacebookProfil das Thema der Bewegung "MAGIDA - Gemeinschaft" (Magdeburg gegen die Islamisierung des Abendlandes) "Gewaltfrei & Vereint gegen Glaubens- & Stellvertreterkriege auf deutschem Boden" auf. Der Kreisverband Wittenberg geht in seinen Einträgen unter anderem auf die regionale "fehlgeleitete Asylpolitik" ein, setzt Asylsuchende mit Asylbetrügern gleich und sagt seine Unterstützung "allen Initiativen die friedlich gegen die Folgen der Überfremdungspolitik protestieren" zu. Von den für den 18. und 31. Oktober, 15. November und 20. Dezember angemeldeten Informationsständen des NPDKreisverbands in der Lutherstadt Wittenberg fand lediglich der Informationsstand im November statt. Unter der Überschrift "Der Kreisrat und Stadtrat stehen jetzt auch für Bürgergespräche zur Verfügung!" berichtet der Kreisverband bei "Facebook" darüber. Die beiden Räte, Torsten ESCHERICH - Kreistag Wittenberg und Danilo WESSEL - Stadtrat Lutherstadt Wittenberg, hätten einen Überblick über den aktuellen Sanierungszustand der neuen Asylbewer82 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 berunterkunft in der Dessauer Straße gegeben. Unter der Prämisse "Asylrecht ist kein Menschenrecht!" fordert der Kreisverband: - "den konsequenten Schutz der Außengrenzen Europas und die Rückführung von aufgegriffenen 'Flüchtlingen' in ihre Herkunfts - oder zumindest Ausreisestaaten, - die deutsche Verschärfung des Asylrechtes und die schnelle Ausweisung von Asylbetrügern, Moslem - Extremisten und kriminellen Ausländern, - die Beseitigung aller wirtschaftlichen Zuwanderungsanreize und die Abschaffung der skandalösen finanziellen Gleichbehandlung von Asylanten mit deutschen Hartz-IV-Beziehern." "Junge Nationaldemokraten" (JN) Mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) verfügte die NPD bisher über eine vergleichsweise gut ausgebaute und aktive Jugendorganisation, die laut Satzung integraler Bestandteil der Gesamtpartei ist. Die organisatorische Einbindung hindert die JN jedoch nicht, Autonomie und Eigenständigkeit herauszustellen. Bundesvorsitzender ist derzeit Sebastian RICHTER (Mecklenburg-Vorpommern). Der Organisation werden bundesweit etwa 350 Personen zugerechnet. Ihr zentrales Publikationsorgan, die Zeitschrift "Der Aktivist", erscheint unregelmäßig. Die bisher in Riesa (Sachsen) ansässige Bundesgeschäftsstelle befindet sich seit Dezember in Lübtheen (MecklenburgVorpommern). Der Berichtszeitraum bot für die JN Höhen und Tiefen. Das erste Halbjahr wurde durch die Wahlkampfunterstützung für die NPD geprägt. Es galt, bestmögliche Ergebnisse in den Europaund Kommunalwahlen zu erlangen. Vor allem mit dem am 26. Februar ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die für die Europawahl vorgesehene "Drei-Prozent-Hürde" kippte, machte sich Euphorie breit. Die Hoffnung, zwei NPD-Repräsentanten im Europaparlament verortet zu wissen und die auch für die JN sehr wichtige Vernetzungsarbeit der europäischen Rechten vorantreiben zu können erfüllte sich nicht, da lediglich ein Mandat erlangt werden 83 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 konnte. In der zweiten Jahreshälfte spielte die Unterstützung im Wahlkampf um die Länderparlamente Sachsen, Thüringen und Brandenburg eine übergeordnete Rolle. Nach dem Wahldesaster der NPD bei allen drei Landtagswahlen ging von der JN keine wahrnehmbare Aktivität mehr aus. KNAPE (bisheriger Bundesvorsitzender) trat nicht mehr in Erscheinung. Die "Starre" hielt bis zum 40. Bundeskongress am 13. Dezember an. Hier wählte die JN RICHTER als neuen Bundesvorsitzenden. In einem Beitrag auf der Facebook-Seite des JN-Bundesvorstands hatte RICHTER drei Tage vor seiner Wahl noch einmal den "wahrhaft revolutionäre[n]" Charakter der Jugendorganisation betont. "Die JN entsagten dem Zeitgeist, seien aber keine "völkischen Träumer oder gesellschaftlichen Totalaussteiger". Sie verstünden sich vielmehr als 'Kaderorganisation einer nationalistischen Partei", die nach innen bedingungslos ein an den Grundpfeilern "Geschichte, Genetik und Schicksal unseres Volkes" ausgerichtetes Leitbild verfolge. Nach außen reiche die Jugendorganisation jedem jungen Deutschen die Hand, um aus ihm ein "vollwertiges Mitglied im Ringen um die Freiheit und Selbstbestimmung unseres Volkes" zu machen. Das bisherige Bemühen der JN um ein zeitgemäßeres und moderneres Auftreten dürfte seit dem 40. Bundeskongress wieder in den Hintergrund treten. Mit dem neuen Vorsitzenden ist eine ideologische Radikalisierung der JN durchaus denkbar." "Europakongress" Am 22. März führten die JN in Kirchheim (Thüringen) unter dem Motto "Viele Nationen - ein Ziel" einen so genannten "Europakongress" durch. An der Veranstaltung nahmen rund 150 Personen teil. Unter ihnen befanden sich auch Vertreter zehn rechtsextremistischer Organisationen aus acht europäischen Ländern sowie der internationalen rechtsextremistischen Organisation "Europäische Aktion", die sich und ihre politische Arbeit in Redebeiträgen näher vorstellten. Im Rahmen der Veranstaltung traten zudem auch VOIGT und ROSE (zu diesem Zeitpunkt NPD-Kandidaten zur Europawahl) als Redner auf. 84 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die JN bewertete den "Europakongress" als "tolle Veranstaltung von besonderem Format" und gab an, der Kongress markiere einen wichtigen Schritt zur "Vernetzung der nationalen Parteien und Organisationen in Europa". In einem Veranstaltungsbericht erklärte sie, mit dem "Europakongress" die "heiße Phase des Europawahlkampfs" eingeläutet zu haben. Die anwesenden Vertreter hätten allesamt ein "klares Bekenntnis zu einem Europa der souveränen Nationalstaaten" und einer "partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Kampf um die Vielfalt der Völker und Kulturen" abgegeben. "Erstwähleranschreiben" Ende April veröffentlichte die JN ihr "Erstwähleranschreiben". Dieses immer wiederkehrende "Wahlwerbemittel" wurde zur Direktansprache von Jugendlichen zur Europawahl eingesetzt. Schwerpunktmäßig sollten Schülervertretungen von Berufsschulen beschickt sowie Wahlberechtigte zwischen 18 und 23 Jahren angeschrieben und angesprochen werden. Die JN wies darauf hin, dass JNund NPD-Verbände in verschiedenen Bundesländern Tausende von Datensätzen bei den Kommunen "gekauft" hätten. Auf ihrer Internetpräsenz wurden die Interessenten aufgefordert, sich per e-Mail zu melden, wenn "unbequeme Diskussionen auch auf Euren Schulhof getragen werden sollen". Wegen der Sensibilisierung der Jugendlichen seitens der Schulen und der Presse kann die Wirkung dieses "Wahlwerbemittels Erstwähleranschreiben" aber als eingeschränkt bezeichnet werden. 85 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Kampagne: "Sag was du denkst - Entfache das Feuer der Wahrheit" ("Sag was du denkst") Seit Anfang Juli bewarben die JN im Internet ihre Kampagne "Sag was du denkst". Sie riefen unter anderem dazu auf, "sich gegen die Verhältnisse" in der Gesellschaft und Politik zu wehren und die "Schweigespirale zu durchbrechen, die uns die Maulkorbpolitik auferlegt." Die vermeintlich andauernde "Zeit des universellen Betruges" durch "verlogene Politiker, linke Demagogen und geldraffende Kapitalisten", (...) "Jugendarbeitsund Perspektivlosigkeit, Werteverfall, Drogenrausch, (...) eine immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich" sowie eine "horrende Anhäufung von sogenannten Menschen mit Migrationshintergrund" in Deutschland werden als Argumente genannt, die dazu auffordern, sich zu wehren und "endlich auf die Straße zu gehen." Auffällig an dieser Kampagne war die intensive Nutzung des Internets. Die eigens eingerichtete Aktionsseite lieferte fortwährend Informationen über die Hintergründe und Motive der Kampagne. Am 13. September fand in Berlin (70 Teilnehmer) und Bautzen (Sachsen, 25 Teilnehmer) eine so genannte Informationstour zur Kampagne statt. An der am 4. Oktober in Döbeln (Sachsen) stattgefundenen Abschlusskundgebung nahmen etwa 250 Personen teil. Kampagne: "Weg mit dem Drogendreck" Im Zeitraum vom 7. bis 10. Juli traten die JN bei vorgeblich gegen Drogenkonsum gerichteten öffentlichkeitswirksamen Aktionen in zwölf sächsischen Städten auf. Mit Hilfe eines als "Platzhirsch" bezeichneten Maskottchens, das im Hirschkostüm auftrat, veranstalteten JN-Mitglieder Infostände und suchten mehrere Schulen auf, um "über das widerliche Gift Crystal" 65 zu informieren. Begleitend zu dieser Kampagne haben die JN eine Publikation mit dem Titel "Platzhirsch - Der Schülersprecher" veröffentlicht, die an Jugendliche verteilt und im Internet zum Download angeboten wird. 65 Synthetisch hergestelltes Amphetamin, das unter der Bezeichnung Crystal Meth seit einiger Zeit als illegale Droge Verbreitung gefunden hat. 86 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Idee Tierkostüme zum Zweck öffentlichkeitswirksamer Agitation zu verwenden ist nicht neu. Im Bezug auf den "Platzhirsch" ging dies ins Komische über. Schaut man sich die Figur an, erinnert sie eher an ein Schwein, als an einen Hirsch. So verkehrte sich das angestrebte "Stattliche" ins Gegenteil. In Sachsen-Anhalt wurden keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen festgestellt. JN-Landesverband Sachsen-Anhalt Fehlendes Führungspersonal und ein Mangel an Mitgliedern führten im Berichtszeitraum zur überwiegenden Inaktivität des JNLandesverbands. Der sich fast ausschließlich aus der Neonaziszene entwickelten JN-Sachsen-Anhalt gelang es wiederum nicht, an ihren einstigen Stellenwert (Struktur und Mitgliederzahl) anzuknüpfen. Mit der Teilnahme von Mitgliedern der JN an einer Demonstration der "AG Weißenfels" unter dem Motto: "Gegen Kriminalität und Asylmissbrauch" am 6. Dezember in Weißenfels (Burgenlandkreis) gab es im Berichtszeitraum nur eine öffentlichkeitsrelevante Aktion.66 66 Siehe Seite 49. 87 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Partei "DIE RECHTE" Die Partei "DIE RECHTE" hat im Berichtszeitraum weitere Strukturen aufgebaut und ihre Position im rechtsextremistischen Parteienspektrum gefestigt. Sie verfügt nunmehr über neun Landesverbände, eine Landesgruppe und 20 Kreisverbände. Die Mitgliederzahl liegt nach eigenen Angaben bei etwa 500. Mehrheitlich stammen diese aus der neonazistischen Szene. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten gehen zumeist von den Landesoder Kreisverbänden aus. Bundesvorsitzender der Partei "DIE RECHTE" ist WORCH (Mecklenburg-Vorpommern), der auch auf dem Bundesparteitag am 5. Juli in Hamm (NordrheinWestfalen) in seiner Funktion bestätigt wurde. Für die Zukunft will die Partei "DIE RECHTE" weiter ihren Parteienstatus sichern. Ihr erklärtes Ziel ist eine bundesweite strukturelle Verfestigung sowie die Teilnahme an der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt. Wahlen Der Antritt der Partei "DIE RECHTE" zur Europawahl ist bereits im Vorfeld der Wahl gescheitert. "DIE RECHTE" schaffte es nicht, die erforderlichen 4.000 Unterstützerunterschriften zu erlangen. Für den Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen griff sie das Thema Asyl auf. Der Partei gelang es, in zwei größeren Städten ein Stadtratsmandat zu erlangen. Demonstrationen Die Partei hatte für den 1. Mai zu einer Kundgebung in Dortmund unter dem Motto "Heraus zum 1. Mai" aufgerufen. An der Versammlung nahmen rund 490 Rechtsextremisten teil, die überwiegend aus dem Neonazi-Spektrum stammten. Als Redner traten bei der Kundgebung unter anderem Dennis GIEMSCH (Landesvorsitzender 88 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Nordrhein-Westfalen), Siegfried BORCHARDT (Kreisvorsitzender Dortmund) und WORCH auf. Sonstige Aktivitäten Der am 5. Juli in Hamm durchgeführte Bundesparteitag mit Neuwahl des Vorstands stärkte den Einfluss der Landesverbände auf die Bundespartei. Der bis dato aus fünf Personen bestehende Bundesvorstand der Partei wurde auf zwölf Personen erweitert. Neun von zwölf Funktionären stammen aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Mit der Wahl von Hans-Robert KLUG (Bitterfeld-Wolfen, Landkreis Anhalt-Bitterfeld) und Roman GLEISSNER (Oranienbaum, Landkreis Wittenberg) zu stellvertretenden Bundesvorsitzenden verstärkte "DIE RECHTE" auch ihren Einfluss in Sachsen-Anhalt. Mit GLEISSNER, früher Mitglied der "Freiheitlichen Deutschen Volkspartei" (FDVP)67 wurde der gemäßigte Flügel innerhalb der Partei gestärkt. Konzert An einer von den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg angemeldeten Open-Air-Veranstaltung (Konzert) am 8. November in Neuensalz, OT Zobes (Sachsen), unter dem Motto "Rechte für Sachsen" nahmen rund 500 Personen teil. Mit dem Konzert versuchte die Partei in Sachsen Fuß zu fassen. Landesverband Sachsen-Anhalt Die Partei "DIE RECHTE" begann im Berichtszeitraum Strukturen auch in Sachsen-Anhalt aufzubauen. Sie verfügte im Berichtsjahr über einen Landesverband, einen Kreisverband und etwa 25 Mitglieder. Landesvorsitzender der Partei ist GLEISSNER. 67 Abspaltung von mehreren Abgeordneten der "Deutschen Volksunion" (DVU) im Landtag von Sachsen Anhalt (2000-2002). 89 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Am 24. Mai gründete die Partei "DIE RECHTE" den ersten Kreisverband im Jerichower Land, der sich inzwischen in Kreisverband Magdeburg/Jerichower Land umbenannt hat. Unter den Anwesenden befanden sich neben WORCH auch KLUG und Mitglieder des Kreisverbands Braunschweiger Land. Ingo ZIMMERMANN, eine ehemals führende Person der Burger Freien Kameradschaftsszene, wurde zum Kreisvorsitzenden gewählt. Mit der Gründung des "DIE RECHTE"-Landesverbands SachsenAnhalt am 30. November verstärkte die Partei ihren Einfluss in Sachsen-Anhalt. Auf der Gründungsveranstaltung, die nach eigenem Bekunden im Landkreis Wittenberg stattgefunden haben soll, wurde GLEISSNER zum Landesvorsitzenden gewählt. Die Gründung des neunten Landesverbands der Partei "DIE RECHTE" war zunächst unstrittig, allerdings zeigten sich vor Ort erhebliche Differenzen zu dessen ideologischen Ausprägung. Im Zuge der Diskussion des Landesparteitages verließen einige Personen den Saal. WORCH ging in einem Internetbetrag auf die Auseinandersetzung ein und schrieb: " ...wobei einige Parteimitglieder aus dem radikalen und ultrarechten Flügel den Landesparteitag vorzeitig verließen, weil Ihnen der angestrebte soziale und nationale Kurs in SachsenAnhalt des neuen Landesvorsitzenden als für ihre Begriffe wohl zu gemäßigt konservativ, in der Wegbeschreitungsart mglw. zu kompromissbereit-pragmatisch und in Vergleich etwa zur NPD zu demokratisch-meinungsfreiheitlich vorgekommen sein mochte". In seinem Grußwort zur Gründung auf der Internetpräsenz der Partei macht WORCH deutlich, weshalb Strukturen in Sachsen-Anhalt von Bedeutung sind. Ein Auszug: "Unser nächstes strategisches Ziel ist es, in den Genuß der Staatsfinanzierung zu kommen; das ist einer der ganz wesentlichen Vorteile, die eine Partei gegenüber allen anderen Formen der Organisation (oder dem nicht organisierten politischen Wi90 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 derstand) hat. Die erste realistische Aussicht hierauf sehe ich im Frühjahr 201668 in Sachsen-Anhalt". Unüberlegt sind WORCHs Grußworte nicht. In Sachsen-Anhalt gibt es für ihn kaum politische Konkurrenz. Darüber hinaus benötigt die Partei im Vergleich zu anderen Bundesländern aufgrund der Bevölkerungsanzahl weit weniger Unterstützerunterschriften für einen Wahlantritt. Für das zukünftige Wirken in Sachsen-Anhalt steht auch die bereits jetzt vorliegende Anmeldung für eine Kundgebung in Merseburg am 20. Juni 2015. Gemeinsam mit einer weiteren gleichlautenden Anmeldung wird ein "Sternmarsch" geplant. Kreisverband Magdeburg/Jerichower Land69 Seit seiner Gründung im Mai verzeichnet der jetzige Kreisverband Magdeburg/Jerichower Land ihm zurechenbare Aktivitäten. So erfolgten Verteilaktionen in Burg, Magdeburg und Halle (Saale). Eine für die Partei "DIE RECHTE" typische Infopostkarte wurde in Briefkästen eingeworfen, auf Weihnachtsmärkten verteilt oder in Straßenbahnen "liegen gelassen". Am 15. November trafen sich Mitglieder der Partei "DIE RECHTE" im Raum Magdeburg zu einer Veranstaltung, die sie selbst als "Heldengedenken" bezeichneten. 70 Über Facebook rief der Kreisverband zur Teilnahme an einer Demonstration der islamkritischen Bewegung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am 15. November in Hannover auf. Mitglieder des Kreisverbands Magdeburg/Jerichower Land verteilten am 19. Dezember in Magdeburg in den Stadtteilen Stadtfeld und Neustädter Feld Flugblätter mit dem Titel "Ihre - neuen - Nachbarn sind bald da!!!". Hintergrund war eine von der Landes68 Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. 69 Logo der Facebook-Seite des Kreisverbands. 70 Siehe Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene zum Volkstrauertag ("Heldengedenktag") in SachsenAnhalt, Seite 63f. 91 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 hauptstadt Magdeburg geplante Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende. Partei "Der III. Weg" Die Partei "Der III. Weg" gründete sich im September 2013 in Heidelberg (Baden-Württemberg). Vorsitzender ist der ehemalige NPD-Funktionär Klaus ARMSTROFF (Bad Dürkheim, Rheinland-Pfalz). Die Gründung fällt in den Zeitraum des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der Verbotsüberlegungen gegen das neonazistische Netzwerk "Freies Netz Süd" (FNS) 71 in Bayern. Funktionäre des FNS sind heute Akteure der Partei. Der Name der Partei dürfte einerseits gewählt worden sein, um Assoziationen zum nationalsozialistischen III. Reich auszulösen. Andererseits wird damit eine ideologische Position beschrieben, die als "nationaler Sozialismus" einen dritten Weg zwischen dem "ausbeuterischen Kapitalismus" und dem "gleichmacherischen Kommunismus" darstellen soll. Ideologisch vertritt die Partei einen strikten neonazistischen Rechtsextremismus. Die Ziele der Partei ergeben sich aus einem "Zehn-Punkte-Programm" (Parteiprogramm). Die Themenfelder Asyl und Überfremdung spielen eine große Rolle in der Agitation der Partei und nehmen auch auf der Internetpräsenz des III. Weg einen breiten Raum ein. Eine Vielzahl der eingestellten Artikel beschäftigt sich mit diesen Themen. Oftmals berichtet die Partei über Verteil-Aktionen von Flyern mit den Forderungen "Asylflut stoppen", "Nein zum Heim" oder "Asylmissbrauch in Deutschland endlich stoppen". Die Partei "Der III. Weg" befindet sich derzeit im Stadium des Aufbaus. Es existieren gegenwärtig nur Stützpunkte der Partei, vornehmlich in Bayern. Die Partei ist darum bemüht, Parteigliederun71 FNS - kameradschaftsübergreifendes Neonazi-Netzwerk in Bayern, wurde am 23. Juli vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr verboten. 92 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 gen (Stützpunkte) in weiteren Bundesländern aufzubauen. Hierzu fanden bereits einzelne Informationsund Werbeveranstaltungen statt. Im Berichtszeitraum beteiligte sich die Partei "Der III. Weg" an einer Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts72 reichen Wahlteilnahmen auf kommunaler Ebene ("Rathausparteien") jedoch nicht aus, um den Status einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG sowie des SS 2 Abs. 1 PartG73 zu erfüllen. Voraussetzung hierfür ist vielmehr der ernsthafte Wille zur Teilnahme an Parlamentswahlen, konkret an Bundestagsund Landtagswahlen. Aktivitäten Ein am 12. Juli organisiertes Bürgerfest im rechten Szeneobjekt Oberprex74 in Regnitzlosau (Bayern) war der Versuch der Partei "Der III. Weg", szeneintern Werbung für sich zu machen und eine Akzeptanz in der "normalen" Bevölkerung zu erlangen. An dem Bürgerfest nahmen rund 110 Personen teil. Mit dem Verbot des FNS wurde auch die Liegenschaft Oberprex beschlagnahmt, so dass der Partei ein wichtiger Treffpunkt verloren ging. Am 15. November führte "Der III. Weg" eine als "Heldengedenken"75 bezeichnete Demonstration in Wunsiedel durch. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 270 Personen. Die Demonstration stand unter dem Motto "Tot sind nur jene, die vergessen werden". Als Redner traten unter anderem ARMSTROFF sowie der Hamburger Neonazi und NPD-Funktionär Thomas "Steiner" WULFF auf. In ihren Reden gingen sie auf bekannte Themen der rechtsextremistischen Szene ein, wie die "saubere" Wehrmacht, die Vertreibung 72 (BVerfGE 6, 372 f.). 73 Parteiengesetz. 74 Bei dem Objekt "Oberprex 47" handelt es sich um das bekannte "Nationale Zentrum Oberfranken". Es ist laut Verfassungsschutz Bayern ein zentraler Anlaufpunkt für die bayerische rechtsextremistische Szene mit überregionaler Bedeutung. Das Objekt wurde von der Mutter des bekannten Rechtsextremisten Tony GENTSCH (Bayern) im Frühjahr 2010 erworben. 75 Zum "Heldengedenktag" siehe Seite 63f. 93 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Deutscher im Zweiten Weltkrieg und das Gedenken an den im Jahr 2009 verstorbenen Jürgen Rieger.76 Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt weist die Partei "Der III. Weg" bislang keine Strukturen auf. An einer Demonstration des "Aktionsbündnis Sachsen-Anhalt Süd", welche unter dem Motto "Damals wie heute: Freiheit muss erkämpft werden" am 21. Juni in Merseburg (Saalekreis) stattfand, nahmen Mitglieder der Partei "Der III. Weg" teil. 77 Im November fand eine Informationsund Werbeveranstaltung der Partei in der Nähe von Merseburg (Saalekreis) statt. Als Referent trat Matthias FISCHER (Brandenburg, Mitglied der Partei) auf. 76 Szeneanwalt, NPD-Mitglied und Neonazi. 77 Siehe Seite 45. 94 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) Die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland", vormals "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" verfügt über enge personelle und organisatorische Verbindungen und Verflechtungen zu rechtsextremistischen Organisationen, unter anderem zur NPD und deren Jugendorganisation JN. Die Inhalte der Internetseite der JLO sind von rechtsextremistischem Gedankengut gekennzeichnet. Mit einem Einladungsschreiben lud die JLO zum "6. Osterlager" in der Zeit vom 18. bis 21. April in den Harz ein. Geplant waren Lagerfeuerabende, Wanderungen und Basteln für Kinder, Höhepunkt sei die "Ostarafeier". Am "6. Osterlager", im bekannten JLO-Objekt Abberode, OT Steinbrücken (Landkreis Mansfeld-Südharz), nahmen etwa 50 Personen teil. Unter den Teilnehmern waren bekannte Rechtsextremisten wie der JLO-Funktionär Kai PFÜRSTINGER (Sachsen) und der Vorsitzende der "Schlesischen Jugend" Fabian RIMBACH (Thüringen). Verein "Gedächtnisstätte e.V." Der 1992 gegründete Verein tritt nach außen hin nicht offen extremistisch auf und versucht dadurch, auch Bevölkerungskreise außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums für sich zu gewinnen. Tatsächlich stellt er das vereinseigene Rittergut Guthmannshausen in Thüringen jedoch anderen Rechtsextremisten als Treffpunkt zur Verfügung. Ferner unterhält der Verein vielfältige Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene. Im Rahmen einer zweitägigen "Festveranstaltung" zum 22-jährigen Bestehen des Vereins "Gedächtnisstätte e.V." am 2. und 3. August wurden in der vereinseigenen "Kulturund Tagungsstätte" auf dem Rittergut in Guthmannshausen mit Spendengeldern finanzierte Gedenksteine eingeweiht. Am zweiten Veranstaltungstag fand vor et95 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 wa 200 anwesenden Gästen die eigentliche Einweihung des "Mahnmals" statt. Es besteht aus zwölf um einen Zentralstein herum gruppierten Steinen und soll verschiedene deutsche Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges symbolisieren. Bemerkenswert ist die hohe Teilnehmerzahl zur Einweihung einer rechtsextremistischen geschichtsrevisionistischen Erinnerungsstätte. Anwesend waren unter anderem die rechtsextremistische Publizistin und Holocaustleugnerin Ursula HAVERBECK-WETZEL (Nordrhein-Westfalen) und der Landesleiter Deutschland der "Europäischen Aktion" (EA) Rigolf HENNIG (Niedersachsen). Aus Sachsen-Anhalt waren weitere Teilnehmer aus dem Burgenlandkreis und dem Saalekreis vertreten. 96 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 AUSBLICK Veränderungen der Gesellschaft kann sich auch der Rechtsextremismus nicht entziehen. Er passt sich den gesellschaftlichen Entwicklungen durch Modifizierungen seiner Strukturen an. Die Personenzusammenschlüsse werden hinsichtlich der Zahl ihrer Angehörigen deutlich kleiner und mitunter kurzlebiger. Regelmäßige Treffen an festen Orten verlieren an Bedeutung, weil das Internet mit seinen sozialen Netzwerken diese Funktion übernimmt. Überhaupt wird die Kommunikation fast ausschließlich über das Internet abgewickelt. Online-Aktivitäten von Rechtsextremisten können nur punktuell und temporär von den Sicherheitsbehörden nachvollzogen werden. Um der Lethargie in den herkömmlichen Strukturen zu entfliehen, sind Rechtsextremisten auf der Suche nach neuen Aktionsräumen. Rechtsextremisten orientieren sich auf die noch junge Partei "DIE RECHTE", die auch in Sachsen-Anhalt einen Landesverband gründete und derzeit versucht, über Kreisverbände in der Fläche Fuß zu fassen. Die von Neonazis gegründete und dominierte Partei kann auch für Neonazis in Sachsen-Anhalt attraktiv werden. "DIE RECHTE" entfaltet zunehmend Aktivitäten. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Partei auch an der Landtagswahl im März 2016 teilnehmen wird. Damit entwickelt sich in der rechtsextremistischen Parteienlandschaft ein ernstzunehmender Konkurrent für die NPD. Der leichte Zuwachs im parteigebundenen Sektor ist auf diese Entwicklung zurückzuführen. Die NPD hat nach wie vor das ambitionierte Ziel, erfolgreich an der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2016 teilzunehmen. Gegenwärtig scheint ein Einzug in den Landtag jedoch wenig wahrscheinlich. Es gelingt ihr nicht, Rechtsextremisten aus anderen Bereichen an sich zu binden. 97 Rechtsextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Rechtsextremisten versuchen wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Sie docken an Subkulturen wie der Hooliganund Rockerszene an. Die Teilnahme an den islamfeindlichen Protesten in deutschen Städten ist ein weiteres Beispiel dafür. Die mehrheitlich fremdenfeindliche Atmosphäre dieser Veranstaltungen lockte Rechtsextremisten an, die auf ein xenophobes Milieu treffen. Die meisten Rechtsextremisten werden der weitgehend unstrukturierten Szene, die durch politisch motivierte Strafund Gewalttaten auffällt, zugerechnet. Zwar ist ein Rückgang dieses Personenpotenzials ausgewiesen, jedoch geht von diesem weiterhin eine ernst zu nehmende Gefahr aus. Aufgrund der gestiegenen Anzahl von Flüchtlingen stiegen die gegen Fremde gerichteten Straftaten in den letzten Monaten an. NPD und so genannte Freie Nationalisten werden ihre demonstrativen Aktivitäten gegen die Asylpolitik fortführen und forcieren. Der verstärkte Zuzug von Asylbegehrenden wird das bestimmende Thema im Landtagswahlkampf werden. Rechtsterroristische Strukturen und Aktivitäten wurden im Berichtsjahr für Sachsen-Anhalt nicht festgestellt. 98 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 III. LINKSEXTREMISMUS ÜBERBLICK Das Engagement von Linksextremisten zielt auf die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung und auf die Errichtung eines herrschaftsfreien (autonomen) oder kommunistischen Systems. Die Struktur und der Organisationsgrad sind geprägt von marxistisch-leninistischen Parteien, linksextremistischen Zusammenschlüssen und gewaltorientierten Linksextremisten, die überwiegend anarchistischen oder autonomen Personenzusammenschlüssen angehören. Linksextremisten sind zudem bestrebt, gesellschaftliche Kritik für sich zu vereinnahmen und im Sinne ihrer revolutionären Ziele zu instrumentalisieren. Dafür engagieren sie sich in verschiedenen gesellschaftlichen Aktionsfeldern, in denen sie radikalisierend intervenieren. Ideologische Grundlage bleibt dabei die Ablehnung des Kapitalismus. Militanz soll den politischen Forderungen Nachdruck verleihen. Hauptträger linksextremistischer Gewalt sind die Autonomen. Sie üben Gewalt als Straßenmilitanz und durch Aktionen wie Brandanschläge oder Farbschmierereien aus. Das linksextremistische Personenpotenzial in Sachsen-Anhalt unterlag im Berichtsjahr zahlenmäßig kaum Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr. Linksextremisten 2013 2014 Autonome 230 230 Parteien und sonstige Gruppierungen 280 290 Gesamt: 510 520 Schwerpunktregion der insgesamt etwa 230 Personen umfassenden gewaltbereiten linksextremistischen Szene in Sachsen-Anhalt ist nach wie vor die Landeshauptstadt Magdeburg mit den Aktivitäten der Gruppierung "Zusammen Kämpfen" (ZK) und dem "Arbeitskreis Antifa" (AK Antifa). 99 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Nennenswerte Aktivitäten der Autonomenszene gab es ferner in Burg von der "Antifaschistischen Aktion Burg" (AAB). In Halle (Saale) machte die Gruppe "Gesellschaftskritische Odysee" (GekO) (Schreibweise übernommen) auf sich aufmerksam. Sie hatte sich Ende des Jahres 2013 aus der "Jugendantifa Halle" entwickelt.78 An linksextremistischen Parteien sind in Sachsen-Anhalt die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) vertreten. Situation und Entwicklungstendenzen in Sachsen-Anhalt Internationalismus ist ein Kernbestand des Linksextremismus. So gab es in der linksextremistischen Szene seit Mitte des Jahres bundesweit Bestrebungen, den kurdischen Widerstand gegen einen Vormarsch der Organisation "Islamischer Staat" (IS)79 zu unterstützen. Dies erfolgte zum einen durch Solidaritätskundgebungen, Mahnwachen und Demonstrationen sowie Informationsveranstaltungen, zum anderen durch den Versuch, konkrete Unterstützung zu organisieren. Nach zunehmenden medialen Informationen zur Situation der Kurden in den syrischen und irakischen Kriegsgebieten nahm auch das Interesse der linksextremistischen Szene an diesem Thema zu. Mit der Intensivierung der Kurdistan-Solidarität rückt eine Ausprägung des linksextremistischen Internationalismus in den Vordergrund, die im letzten Jahrzehnt kaum noch Beachtung gefunden hatte.80 Eine erste bundesweit bekannte Spendenkampagne wurde Mitte Oktober von linksextremistischen Berliner Gruppen unter dem 78 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 105. 79 Siehe Seite 130f. 80 Themenbezogener Aufkleber. 100 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Motto "Waffen für Rojava81 - Solidarität mit der YPG82 & YPJ" initiiert. Sie bildete neben den bis dahin publizierten Mobilisierungsaufrufen zu Solidaritätsdemonstrationen eine neue Möglichkeit der Unterstützung. Eigenen Internetangaben zufolge wurden bis Mitte Dezember insgesamt fast 70.000 Euro gespendet. ZK unterstützte von Beginn an diese Kampagne. Auf deren Internetseite war ein entsprechender Link zum Spendenaufruf eingestellt. Zudem fand am 25. Oktober in Magdeburg eine "Infoveranstaltung" zum Thema "Augenzeugenbericht Kobane" statt. Die Veranstaltung wurde von "ZK" und der ebenfalls linksextremistischen Gruppierung "Rote Aktion Köln" geplant. Im Juni 2015 findet auf Schloss Elmau im Landkreis GarmischPartenkirchen (Bayern) das alljährliche Treffen der Staatsund Regierungschefs der "Gruppe der 7 führenden Industrienationen der Welt" (G 7) statt. Erfahrungsgemäß kommt es bei entsprechenden Zusammenkünften zu teils massiven und auch gewalttätigen Protesten unter Beteiligung der linksextremistischen Szene. Während sich bei vielen Kampagnen und Aktionsfeldern für die Szene die Frage der Vermittelbarkeit stellt, kann bei den Aktivitäten gegen den G7-Gipfel von einer breiten Basis an potenziellen Unterstützern auch aus dem nichtextremistischen Umfeld ausgegangen werden. Grundsätzlich ist dieses Großereignis geeignet, als Projektionsfläche für eine Vielzahl von Themenfeldern zu dienen, vor allem bei den Aktionsfeldern "Antiglobalisierung", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". In erster Linie richtet sich der Protest der in Teilen gewaltbereiten linksextremistischen Gruppierungen gegen die dort vertretenen Regierungen als Repräsentanten des kapitalistischen Systems, das es aus ihrer Sicht zu bekämpfen gilt. Bundesweit bemühen sich strategisch orientierte Linksextremisten darum, überregionale Zusammenschlüsse aufzubauen oder zu festigen. Linksextremistische Gruppierungen in Sachsen-Anhalt beteiligten sich daran kaum und sind in relevanten Zusammenschlüssen nicht vertreten. Lediglich die Gruppierung ZK war bereits ein 81 Kurdisches Volk in Syrisch-Kurdistan. 82 Siehe Seite 122. 101 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Bündnis mit weiteren ZK-Gruppen aus Berlin und Stuttgart eingegangen. Neben Publikationen nutzen Linksextremisten das Internet zweckorientiert zum Aufbau von Vernetzungsund Kommunikationsstrukturen sowie zur Verbreitung von Inhalten. Inzwischen besitzen fast alle Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums eigene Webseiten. Daneben wird insbesondere die Plattform "linksunten.indymedia.org" genutzt. 102 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 AUTONOME Selbstverständnis von Autonomen Autonome nehmen den größten Teil des gewaltbereiten Linksextremismus ein. Sie handeln weder strategisch noch ideologisch homogen. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von diversen "AntiEinstellungen" wie zum Beispiel "antifaschistisch", "antikapitalistisch", "antipatriarchal". Ziel ist eine individuelle und soziale Autonomie, also Freiheit von (tatsächlichen oder empfundenen) staatlichen und gesellschaftlichen Regulierungen, Erwartungen und Zwängen. Autonome lehnen das staatliche Gewaltmonopol ab. Staatliches Handeln wird meist als "staatliche Repression" gegen die eigenen Aktivitäten betrachtet. Eigene Gewaltanwendung wird als notwendig und legitim angesehen. Gewalt wird demnach als ein unverzichtbarer Faktor im Kampf gegen das "System von Ausbeutung und Unterdrückung" betrachtet. Linksextremistische Gewalt ist primär anlassbezogene Gewalt, die sich an der Agitation des politischen Gegners orientiert, sich gegen Vertreter des Staates wendet und auf Großereignisse oder szenerelevante Daten Bezug nimmt. Linksextremistische Gewalt richtet sich in erster Linie gegen tatsächliche oder als solche eingeschätzte Rechtsextremisten. Die Legitimität dieser Gewalt wird dabei in keiner Weise in Frage gestellt. Autonome sind grundsätzlich organisationsfeindlich. Derzeit gibt es allerdings Versuche Organisationsstrukturen zu entwickeln, um aus der gesellschaftspolitischen Bedeutungslosigkeit herauszukommen. Autonome in Sachsen-Anhalt sind derzeit noch keine wesentlichen Bündnisse eingegangen. 103 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Strafund Gewalttaten Im Bereich der Strafund Gewalttaten -linksgab es einen Rückgang der Fallzahlen. Die Anzahl dieser Delikte ist um 71 Taten von 323 im Vorjahr auf 252 gesunken. Die Gewalttaten nahmen allerdings von 63 auf 72 zu. Der Anstieg der Gewalttaten resultiert im Wesentlichen aus dem Demonstrationsgeschehen am 18. Januar in Magdeburg. 83 Dabei trat die niedrige Hemmschwelle zur Gewaltanwendung, ganz besonders gegen eingesetzte Polizisten offen zu tage. 80 60 2012 40 2013 2014 20 0 Gewalttaten -linksin den vergangenen drei Jahren Spezifische Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt "Antifaschismus" Das bedeutendste Aktionsfeld gewaltorientierter Linksextremisten blieb weiterhin der "Antifaschismus". Demonstrationen gegen Aktivitäten der Angehörigen des gegnerischen politischen Lagers sind hier ein wesentlicher Bestandteil. Meist wird versucht, deren Demonstrationen zu blockieren. Dem demokratischen Lager wird die Kompetenz abge83 Siehe Seite 51f. 104 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 sprochen, Rechtsextremismus wirkungsvoll zu bekämpfen.84 So verlautbarten Autonome während einer offenen Podiumsdiskussion am 23. März in Magdeburg unter dem Motto "Die geteilte Stadt - Der Umgang mit Naziaufmärschen in Magdeburg" in einer Erklärung: "Wir denken, dass Protest und Widerstand gegen Nazis grundsätzlich ein Protest und Widerstand gegen die strukturell angelegte Gewalt hinterm Knüppel sein muss, nämlich die von Kapital, Staat, Nation und Patriarchat." Darum, wurde in Folge geäußert, würden hier die "falschen AkteurInnen" sitzen, um über die Nazis zu sprechen. Auch eine bis dahin unbekannte Gruppierung "Eine antifaschistische Gruppe Dessau" (EAGD) verlautbarte anlässlich einer am 8. März in Dessau-Roßlau von Rechtsextremisten durchgeführten Versammlung, "dass sie die Versuche des 'Netzwerkes für Gelebte Demokratie' dem 'Aufmarsch der Faschisten bunt und kreativ entgegen zu treten' als 'absolut ungeeignet' halte, um den 'Aufmarsch der Nazis wirklich zu behindern oder gar zu blockieren.'" Demonstrationsgeschehen am 18. Januar Einen "Höhepunkt" im "antifaschistischen Kampf" von Autonomen stellen die Aktivitäten anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt Magdeburg im Zweiten Weltkrieg und des in diesem Zusammenhang stattfindenden rechtsextremistischen Aufzugs 85 dar. Zur Vorbereitung von Gegenaktivitäten wurde vom zivilgesellschaftlichen Bündnis "Magdeburg Nazifrei"86 im Oktober 2013 die Kampagne unter dem Motto: "Nazis blockieren - was sonst?! 18. Januar 2014 in Magdeburg" gestartet. Im Bündnis "Magdeburg Nazifrei" ist auch die Gruppierung "Zusammen Kämpfen Magdeburg" (ZK) organisiert.87 Die Mobilisierung zu Blockaden wurde außerdem vom "AK Antifa" (Magdeburg) unterstützt. Bereits am Vorabend fand eine unangemeldete Demonstration mit etwa 400 Angehörigen der linksextremistischen Szene unter dem Motto "Staat 84 Anlassbezogenes Plakat der AAB. 85 Siehe Seite 51f. 86 Keine extremistische Organisation. 87 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 108. 105 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 und Nazis - Hand in Hand! Organisiert den Widerstand!" durch die Innenstadt von Magdeburg statt. An der Vielzahl der linksextremistisch geprägten Gegenveranstaltungen am 18. Januar beteiligten sich rund 1.200 Personen, darunter 450 Gewaltbereite. Es wurde mehrfach und massiv versucht, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um zum Aufzug der rechtsextremistischen Szene zu gelangen. In diesem Zusammenhang wurden Polizeibeamte, zum Teil von mehreren hundert Angehörigen der linksextremistischen Szene, mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik beworfen. Bereits am Morgen gab es erste Behinderungen durch drei Brandanschläge auf verschiedene Zugstrecken in Richtung Magdeburg, um den Zugverkehr mit den anreisenden Rechtsextremisten zu stören. Zur Tat bekannte sich auf der Internetplattform "Indymedia" ein "Kommando Kabelbrand". Der zunächst am Bahnhof MagdeburgHerrenkrug geplante Aufmarsch konnte wegen einer Blockade einer Eisenbahnbrücke von Gegendemonstranten nicht stattfinden. Des Weiteren gab es massive Proteste am Bahnhof MagdeburgNeustadt. Im Vorfeld des Demonstrationsgeschehens hatte die Polizei verschiedene "Depots" festgestellt und die darin befindlichen Gegenstände - unter anderem Farbflaschen - sichergestellt. Im Zuge der linksextremistischen Aktionen kam es dennoch zu Steinund Farbflaschenwürfen auf Polizeiund Verwaltungsgebäude sowie auf Einsatzfahrzeuge. Innerhalb der linksextremistischen Szene Magdeburgs wurde das Demonstrationsgeschehen als "stärkste Intervention in den Ablauf des Trauermarsches" gesehen. Der "AK Antifa" schlussfolgerte: "...[wir sehen] eine große Chance in der Etablierung bürgerlicher Blockadebündnisse. Wenn diese selbständig die Organisation der 'friedlichen Massenblockaden' übernehmen, können sich antifaschistische Gruppen anderen Aufgaben stellen und eine Rolle in der Verhinderung des Naziaufmarsches einnehmen, die einer antagonistischen linken Politik angemessen ist. 106 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Protestdynamiken im Umfeld der Blockaden bieten Raum für zahlreiche Inhalte und Aktionsformen, um eine Kritik jenseits des Anti-Nazi-Konsens auszudrücken. Wir sehen die neue Aufgabe autonomer und kommunistischer Antifa-Gruppen am Tag des 'Gedenkmarsches' darin, durch vielfältige, direkte Aktionen den Nazis den Tag zu vermiesen und zugleich eine handfeste linke Kritik an den bestehenden Verhältnissen auf die Straße zu tragen."88 Damit bringt der "AK Antifa" deutlich zum Ausdruck, dass er jenseits des gesellschaftlichen Konsenses gegen rechtsextremistische Aktionen tätig zu werden, militante Aktionen auch gegen die "bestehenden Verhältnisse" für notwendig erachtet. "Antifa-Bustour" Am 24. Mai fand eine so genannte "Antifa-Bustour" statt. Hintergrund der Kampagne seien laut Organisatoren die verfestigten "faschistischen" Strukturen im Harz sowie die anstehenden Kommunalwahlen. Etwa 40 Teilnehmer machten Station in WanzlebenBörde, OT Klein-Wanzleben (Landkreis Börde), Schwanebeck, OT Nienhagen, Halberstadt (beide Landkreis Harz) und Halle (Saale). Auf der Internetplattform "linksunten.indymedia" 89 wurde zum Verlauf ein ausführlicher Bericht eingestellt. Während in Nienhagen eine versammlungsrechtliche Aktion unter dem Motto "Nienhagen bleibt bunt" stattfand, erreichte gleichzeitig die "Antifa-Bustour" den Ort. Hier wurde zunächst das Wohnhaus des Rechtsextremisten MALINA aufgesucht, wobei es dort zu gegenseitigen Beleidigungen und einer Sachbeschädigung zum Nachteil MALINAs kam. Während der Station in Halberstadt beteiligten sich die Teilnehmer der Bustour an einer Kundgebung gegen die "Zustände" in der "Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber" (ZASt). Die Kundgebung verlief störungsfrei. 88 Internetseite linksunten.indymedia.org, abgerufen am 3. Februar. 89 Internetseite linksunten.indymedia.org, abgerufen am 2. Juni. 107 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In Halle (Saale) wurde unter dem Motto: "Thematisierung rechter Männerbünde" demonstriert. Dabei wurden Transparente mit der Aufschrift: "Braune Scheiße gefährdet ihre geistige Gesundheit und kann zu moralischer Impotenz führen", "Deutsch, Frei, Froh und Rechts - auf's Maul du Knecht" und "Gegen Naziterror und Repression - linke Politik verteidigen" gezeigt. "Antirepression" Für den 22. März wurde zu einem "Aktionstag gegen Repression" in Berlin aufgerufen. Eine bundesweite Mobilisierung zielte auf die Teilnahme gewaltbereiter Autonomer aus anderen Städten. Damit sollte ein starkes Zeichen des Widerstands gegen die vermeintliche "Welle der Repression" gesetzt werden, der sich die Autonomen ausgesetzt sahen. Der mit 1.000 Personen angemeldete Aufzug durch Berlin-Moabit - vorbei an symbolischen Orten der "Repression" wie dem Bundesinnenministerium, der JVA Moabit und dem Amtsgericht Tiergarten - fiel mit etwa 800 Teilnehmern kleiner als erwartet aus. Auch Angehörige der Autonomenszene aus Magdeburg und Burg nahmen an der Demonstration teil. Bereits nach etwa einer halben Stunde beendete die Versammlungsleitung den Aufzug, nachdem die Polizei aufgrund von Vermummungen freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt hatte. Daraufhin bewarfen vereinzelte ehemalige Demonstrationsteilnehmer Beamte mit Flaschen und Pyrotechnik. Im Kommentarbereich auf der Internetplattform "linksunten.indymedia" kam zum Ausdruck, dass die "AntirepressionsDemo" insbesondere wegen des Fehlens "jeglicher gesellschaftlicher Relevanz" gescheitert sei. Kritisiert wird auch die "Großmäuligkeit" im Vorfeld der Demonstration. Im Vorund Umfeld des Aktionstages waren insgesamt 23 Anschläge bundesweit zu verzeichnen. Dazu gehörte auch eine Sachbeschädigung an der CDU-Landeszentrale in Magdeburg am 10. März. Auf "linksunten.indymedia"90 hieß es in einem Selbstbezichtigungsschreiben: 90 Abgerufen am 13. März. 108 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Magdeburg: Repression ist ... immer auch ein Angriff, der beantwortet werden kann. ... Diese wird ihren Ausdruck am 22. März bei der bundesweiten Antirepressionsdemo in Berlin finden." In dem Schreiben beziehen sich die Verfasser auch auf eine Verurteilung eines Szeneangehörigen aus Burg und auf Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit SS129 StGB 91 in Magdeburg und Berlin. Außerdem fand am 18. März eine Kundgebung mit zirka 30 Teilnehmern unter dem Motto "Freiheit für politische Gefangene" vor der Justizvollzugsanstalt Burg statt. "Antimilitarismus" Dieses Themenfeld gerät bei Autonomen aus Sachsen-Anhalt immer mehr in den Fokus, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr in der ColbitzLetzlinger-Heide. Nach Sachbeschädigungen hieß es bei Linksextremisten in einer Taterklärung ihrer Ideologie entsprechend: "Kampf dem deutschen Imperialismus! Ob in der Stadt oder im hintersten Wald - konsequent gegen die kapitalistische Klassenherrschaft bis zur sozialen Revolution!" Vom 17. bis 25. August fand in der Altmark zum dritten Mal in Folge ein "antimilitaristisches" Camp gegen das GÜZ statt. An dieser Aktion beteiligten sich in der Spitze bis zu 200 Personen. Im Rahmen des Camps kam es immer wieder zu Straftaten. So unterhöhlten ("schotterten") am 20. August "antimilitaristische" Aktivisten Bahnschwellen der Gleisanlagen auf dem GÜZ-Gelände, um "den kriegerischen Alltag zu sabotieren". In einem Selbstbezichtigungsschreiben erklärten sie weiter, mit dieser Aktion sei der Transport von Panzern und weiterer Kriegslogistik über die Schienen zumindest vorerst verhindert worden. Die "Schotteraktion" sei allerdings nur ein kleiner Beitrag zur "antimilitaristischen" Arbeit. Langfristig müsse man "antimilitaristische" Strukturen weiter ausbauen; "militante Aktivitäten" wurden ausdrücklich als "ein selbstverständlicher Teil dieser antimilitaristischen Praxis" bezeichnet. Das Selbstbezichtigungsschreiben endete klassenkämpferisch: 91 Bildung krimineller Vereinigungen gemäß SS 129 StGB. 109 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Der Kampf um Ressourcen und neue Absatzmärkte, der zunehmend mit kriegerischen Mitteln ausgetragen wird, kann daher perspektivisch nur durch den Umsturz der bestehenden Verhältnisse verhindert werden. In diesem Sinne gilt es (...) eine kommunistische Gesellschaft zu erkämpfen. no war but classwar ! 92" Daneben beschädigten Personen auch Sicherungskästen und Stromanschlüsse und beschmierten Schilder, Häuserwände und Telefonkästen mit Farbe oder sprühten Parolen wie "Krieg dem Krieg", "Kampf dem Kapital" oder "Bundeswehr ist der Angreifer". 93 Am "Aktionstag", dem 23. August, wurde auf dem GÜZ-Gelände ein Bagger einer privaten Firma, die mit Renaturierungsarbeiten auf dem Gelände beschäftigt war, in Brand gesetzt. 94 Auf der Mobilisierungshomepage des "War starts here"Camps werteten die Akteure das Camp und den "Aktionstag" als Erfolg. Auch wenn sich die Teilnehmerzahlen seit dem ersten "antimilitaristischen" "War starts here"-Camp im September 2012 nicht signifikant verändert haben und eine bundesweite Bedeutung eher verneint werden muss, ist davon auszugehen, dass sich das "War starts here"-Camp als regelmäßig wiederkehrendes Ereignis in der linksextremistischen Szene etabliert. Am 3. November stellten Kräfte der Bundespolizei in der Nähe des GÜZ fest, dass Unbekannte im Bereich der Anlieferungsstrecke zehn Bahnschwellen mittels einer Seilwinde etwa 50 Zentimeter angehoben hatten. Aufgrund der entstandenen Gleisverwerfung war die Strecke vorübergehend nicht nutzbar. In einem Bekennerschreiben hieß es dazu: "Heute, am 2. November 2014 haben wir den Schienenverkehr zum GÜZ abgerüstet!... Es handelt sich um jene Gleise, auf denen jede Truppe die vor einem Auslandseinsatz auf dem Gefechtsübungszentrum des Heeres zum Töten abgerichtet wird, ihre Kriegsgeräte (Panzer) in die Colbitz-Letzlinger Heide transportiert. Seit heute ist dies nicht mehr möglich! Wenn ihr uns 92 Internetseite linksunten.indymedia.org, abgerufen am 27. August. 93 Internetseite linksunten.indymedia.org, abgerufen am 27. August. 94 Beschädigte Baumaschine, (c) Polizei Sachsen-Anhalt. 110 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 während des ware-starts-here-camps in unserer Bewegungsfreiheit einschränken wollt, so kommen wir immer wieder: Das Jahr hat 365 Tage mit jeweils dunklen Nächten... Solange ihr Krieg plant, übt und ausführt werden wir euch sabotieren! Was hier sabotiert wird, kann woanders keinen Schaden anrichten!!! Für die Anarchie!"95 Diese Drohung zeigt, dass es der Szene nicht um Friedenspolitik geht, sondern vielmehr darum, mit solchen militanten, antimilitarischtischen Aktionen Systemkritik zu üben. "Antikapitalismus"/ "Kampf gegen Sozialabbau" Wie in den letzten Jahren plante "ZK Magdeburg" auch im Berichtsjahr eine 1. Mai-Demonstration in Magdeburg. Im Aufruf hieß es:96 "Heraus zum revolutionären 1. Mai 2014! Für die soziale Revolution! Es gibt so viel Potential, das vergeudet wird. Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab o- der schuftet als Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten, Handys und Autos, machen Jobs, die wir hassen und kaufen dann Scheiße, die wir nicht brauchen. Unsere Beziehungen sind von Egoismus, Abgrenzung und persönlichem Vorteil geprägt und Frauen werden zu Sexobjekten und Hausfrauen reduziert. Wir werden durch das Fernsehen aufgezogen in dem Glauben, dass wir alle irgendwann mal Millionäre werden, oder wenigstens mehr haben als unser Nachbar. Das wollen wir aber nicht. Wir sind kurz, ganz kurz vorm Ausrasten! ..." Der Aufruf endete mit: "Unsere Selbstorganisation ist die Basis einer klassenlosen Gesellschaft - einer anderen Welt - mit dem Bewusstsein das wir es sind, die es in der Hand haben ein solidarisches und kollektives Leben zu ermöglichen. 95 Internetseite linksunten.indymedia, abgerufen am 3.November. 96 Internetseite ZK, abgerufen am 27.März. 111 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Selbstorganisation & Solidarität gegen Ausbeutung & Unterdrückung! Heraus zum Revolutionären 1. Mai in Magdeburg!" Eigenen Angaben zufolge97 beteiligten sich etwa 100-150 Personen an der Demonstration. Diverse Vorbereitungsmaßnahmen sowie eine damit einhergehende bundesweite Mobilisierung gegen den G7-Gipfel laufen bereits seit Mitte 2014.98 Eine Beteiligung von linksextremistischen Gruppierungen aus Sachsen-Anhalt in einer nennenswerten Größenordnung gab es nicht. Im Rahmen einer so genannten "Aktionskonferenz" im September wurde das Bündnis "Stop G7 Elmau" neu gegründet. Zu den Teilnehmern der Konferenz zählten sowohl bürgerliche als auch linksextremistische Gruppierungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Im Rahmen einer Pressekonferenz des neu gegründeten Bündnisses wird auch die Gruppe "ZK" erwähnt. Tatsächliche Unterstützungshandlungen von Mitgliedern von ZKMagdeburg gab es im Berichtsjahr noch nicht. "Antirassismus" Am 15. Februar fand in Magdeburg eine so genannte "Antirassistische Demonstration" unter dem Motto "Kein Freispruch für Nazis und Justiz" - anlässlich einer bevorstehenden Gerichtsverhandlung am Landgericht Magdeburg nach einem rechtsextremistischen Angriff auf einen Imbissbetreiber in Bernburg (Saale) 99 - statt. Beteiligt haben sich dabei auch Autonome, vorwiegend aus der AAB und von ZK. Unter der Überschrift "Rechte Morde in Magdeburg", bei der man in einem Artikel im Vorfeld auf die Demonstration hinwies, hieß es auf der Internetplattform "Indymedia": "In Magdeburg sind Angriffe auf Migrant_innen, Linke, oder Menschen die nicht in das Weltbild der Neonazis passen an der Tagesordnung. Von der Politik und den Medien werden die Ta97 Ebenda, abgerufen am 2. Mai. 98 Siehe Seite 99f. 99 Vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 26. 112 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 ten der Neonazis oft verharmlost, heruntergespielt oder verschwiegen."100 Die Demonstration mit zirka 220 Teilnehmern verlief vorwiegend störungsfrei. Für den 9. August wurde eine Demonstration der linksextremistischen Szene im Stadtteil Halle-Silberhöhe unter dem Motto: "Schnauze in der Platte, Rassisten zwangsumsiedeln, Silberhöhe aufforsten" angemeldet. Dazu erschien sowohl auf der Internetplattform "linksunten.indymedia"101 als auch auf der eigens eingerichteten Internetseite102 ein Aufruf. Als Begründung zur Demonstration hieß es: "Bürger_innen aus der Silberhöhe in Halle (Saale) fanden sich vor einigen Wochen im Internet zusammen, um virtuell die Sau rauszulassen und sich mit einer gehörigen Portion Hetze gegen die Roma in ihrer Nachbarschaft von ihrem eigenen kläglichen Dasein abzulenken..." Auf der Demonstration mit etwa 85 Personen waren Transparente mit folgenden Aufschriften feststellbar: "Ihr seid Abschaum. Silberhöhe - nazifrei", "Gegen den deutschen Normalzustand. Ein schönes Leben sieht anders aus", "Wo sich der Mob formiert, funken wir dazwischen. Gegen das gesunde Volksempfinden.", "Wer auf sonst nichts stolz sein kann, ist stolz auf seinen Wohnort. Silberhöhe, Halle, Deutschland, Scheiße!", "Schnauze in der Platte! Sonst stehen wir auf der Matte! Gegen fremdenfeindliche Spießer!..." und "Scheiß Drecksnest. Ihre AG NTFK Halle". Verantwortlich für diese Parolen sind offenbar die Hallenser antideutschen Gruppierungen103 "AG No tears for krauts" (AG NTFK) und GekO. 100 Abgerufen am 13. Februar. 101 Abgerufen am 30. Juli. 102 Abgerufen am 31. Juli. 103 Antideutsche treten verstärkt durch Antisemitismusvorwürfe auch gegen andere linksextremistische Gruppierungen hervor und lehnen einen deutschen Nationalstaat ab. 113 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND SONSTIGE GRUPPIERUNGEN In Sachsen-Anhalt waren im Berichtszeitraum die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) mit eigenen Strukturen aktiv. Diese revolutionärmarxistischen Organisationen setzten weiter auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 104 Die DKP Sachsen-Anhalt besitzt eigenen Angaben zufolge Strukturen in den Regionen/Städten Halle (Saale) und Magdeburg, in der Region Altmark und Hansestadt Salzwedel sowie in der Region "Nordharz". Derzeit hat sie ein Mitgliederpotenzial von zirka 25 Personen. Diese Gruppen haben innerhalb der Parteigesamtstruktur noch nicht den Status einer Bezirksoder Kreisorganisation erreicht. Daher verfügt die DKP in Sachsen Anhalt lediglich über einen so genannten "Koordinierungsrat". Auf ihrer Facebook-Seite erklärte die DKP Sachsen-Anhalt anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament: "Wir, die Kommunistinnen und Kommunisten, sind in der BRD die einzige Partei - die den Arbeiterinnen und Arbeitern eine Stimme verleiht. Das ist unsere Verantwortung und Verpflichtung."105 Der von der DKP-Sachsen-Anhalt geführte Wahlkampf war für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Dennoch hieß es auf ihrer Internetseite: "In den nächsten Wochen wird es verstärkt darum gehen, als Partei auf die Straße zu gehen, um für die Kandidatur einer Par104 Logo der Internetseite der Partei entnommen, abgerufen am 10. Februar 2015. 105 Abgerufen am 27. Januar. 114 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 tei bei den EU-Wahlen zu werben, die sich offen gegen ein Europa der Banken und Konzerne wendet und damit auch sagt: NEIN zu dieser EU! Nein zum deutschen Imperialismus! Für einen selbstbestimmten, proletarischen Widerstand. JA zum Europa der Solidarität und des Widerstands gegen die EU! NEIN zum Europa der Banken und Konzerne!" Die DKP erreichte bei der Europawahl bundesweit 25.147 Stimmen und landesweit 1.722 Stimmen (0,1 und 0,2 Prozent aller Wählerstimmen). "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD)106 Die MLPD besitzt als Parteistrukturen in Sachsen-Anhalt den Kreisverband DessauWolfen-Bitterfeld, den Kreisverband Magdeburg/Schönebeck sowie die Ortsgruppe in Halle-Merseburg und eine Kontaktadresse in Zeitz (Burgenlandkreis). Außerdem existieren Gruppen des Jugendverbands "REBELL" in Magdeburg, Halle (Saale) und Bitterfeld-Wolfen. Bundesweit strukturiert sich die MLPD in sechs Landesverbänden. Die MLPD Sachsen-Anhalts ist im Landesverband "Elbe-Saale" organisiert und mit MLPD-Gruppen aus Sachsen und Thüringen zusammengeschlossen. Das Parteibüro der Landesleitung hat seinen Sitz in Leipzig. Die Landesleitung unter Vorsitz von Günter SLAVE (Dresden) bringt sporadisch die Publikation "Stimme von und für Elbe-Saale" heraus. Für Sachsen-Anhalt wird hier von einer Mitgliederzahl von maximal 50 Personen ausgegangen. Dem Online-Portal der MLPD "rf-news"107 zufolge trat die Partei zur Europawahl mit 18 Kandidaten an. Unter den zum Teil parteilosen Kandidaten würden sich "Migranten/innen, Vertreterinnen des Weltfrauenprozesses, Aktivisten aus der Montagsdemo-Bewegung, 106 Logo der Internetseite der Partei entnommen, abgerufen am 10. Februar 2015. 107 Abgerufen am 17. März. 115 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Gewerkschafter/innen und Umweltschützer" befinden. Die Partei erreichte bundesweit 18.198 Stimmen und landesweit 1.390 Stimmen (0,1 und 0,2 Prozent aller Wählerstimmen). Am 1. Mai verteilten MLPD-Mitglieder anlässlich eines Informationsstandes in Halle (Saale) Wahlkampfzeitungen zur Europawahl. Auf einem Werbeflyer für den Direktkandidaten Tassilo TIMM (Halle (Saale)) heißt es: "Keine Stimme verschenken! Die Europäische Union ist ein imperialistischer Staatenblock. Die EU spielt sich weltweit als Gralshüter der Demokratie auf. In Wahrheit befindet sie sich voll in den Klauen von 15.000 sogenannten 'Lobbyisten' der Großbanken und Großkonzerne. Hinter den demokratischen Fassaden verbirgt sich die Diktatur des alleinherrschenden internationalen Finanzkapitals in Europa. Die MLPD fördert den europaweiten, länderübergreifenden Zusammenschluss der Arbeiter, der Jugendlichen, der Frauen und der Masse der Bauern gegen die Abwälzung der Krisenlasten! Die MLPD beteiligt sich an den Europawahlen unter dem Motto 'Rebellion gegen die EU ist gerechtfertigt'." Die MLPD plante den Aufbau einer als überparteilich deklarierten Umweltgewerkschaft. Sie ist Teil der strategischen und taktischen Arbeit der MLPD, um in unverfänglich erscheinenden Organisationen, die sich gesellschaftlich relevanten Fragen widmen, ihre orthodox-kommunistische Ideologie zu verbreiten und um neue Mitglieder zu gewinnen. In Punkt 5 der Schlussresolution des IX. Parteitages 2012 in Stuttgart wurde der Umweltschutz als "2. Hauptkampflinie der Partei" definiert. Darin heißt es: "Der Parteitag verurteilte den eingeleiteten Rollback in der Umweltpolitik, der die internationalen Übermonopole mit Milliarden Gewinnen subventioniert. Das allein herrschende internationale Finanzkapital opfert die natürliche Umwelt auf dem Altar ihrer Profitsucht..."108 108 Internetseite der MLPD, abgerufen am 13. November. 116 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Die Umweltgewerkschaft wurde Internetangaben109 zufolge am 29./30. November in Berlin gegründet. Auch eine Initiative in Magdeburg als "Teil einer bundesweiten Bewegung" veranstaltete Treffen zur Gründungsvorbereitung. Derzeit existiert eine KontaktEmailadresse für die "Gruppe Magdeburg". "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) Die KPD/Ost wird in Sachsen-Anhalt von einer Landesorganisation mit Postfach in Zeitz (Burgenlandkreis) und über "Regionalorganisationen" in Zeitz und Halle/Bernburg vertreten. Sie verfügt hier über etwa 20 Mitglieder. Landesvorsitzender ist Siegfried KUTSCHICK (Zeitz, Burgenlandkreis). Im Berichtszeitraum wurden keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen festgestellt. "Rote Hilfe" (RH) Die "Rote Hilfe" (RH) versteht sich eigenen Angaben zufolge als eine "parteiunabhängige strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", deren Zweck darauf gerichtet ist, Straftäter aus dem "linken" Spektrum, die in Deutschland "aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden" zu unterstützen. Sie wird von Linksextremisten unterschiedlicher ideologischpolitischer Ausrichtung getragen. Die RH gewährt nicht nur ideologischen und rechtlichen Beistand, sondern leistet darüber hinaus auch Beihilfen zu Prozesskosten und Geldstrafen. Mit Mitgliedsbeiträgen, Spenden und dem Verkauf der Publikation "Die Rote Hilfe" werden diese Aktivitäten finanziert. Die Arbeit vor Ort wird meist nur von wenigen Personen erledigt. Bundesweit besitzt die RH etwa 45 Ortsgruppen. In Sachsen-Anhalt gibt es Ortsgruppen in Magdeburg, Halle (Saale) und in der Hansestadt Salzwedel. 109 Internetseite der Gewerkschaft, abgerufen am 8. Januar 2015. 117 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Am 20. Dezember fand ein von der "Freie ArbeiterInnen Union" (FAU) und die "RH"Ortsgruppe Halle (Saale) organisierter Vortrag zu dem Thema "Gefangenen-Gewerkschaft/ Bundesweite Organisation" (GG/BO) statt. Dabei wurde die Notwendigkeit der Gründung einer so genannten "Knastgewerkschaft" betont. Vortragender war ein bis vor Kurzem inhaftierter linksextremistischer Gewaltstraftäter. Er führte aus, selbst Gründer dieser Gewerkschaft zu sein. Diese fordere lediglich die Einführung des Mindestlohns für Gefangene und die Übernahme der Kosten für Sozialabgaben und Versicherungsbeiträge für die Häftlinge vom Staat. In der von ihm gegründeten Gewerkschaft seien derzeit etwa 300 Mitglieder/Gefangene organisiert. 118 Linksextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 AUSBLICK Autonome Der Schwerpunkt des gewaltbereiten Linksextremismus wird in Sachsen-Anhalt auch in den kommenden Jahren bei den Autonomen liegen. Es ist weiterhin von einer hohen Gewaltorientierung auszugehen. Größere Demonstrationen in ihrem wichtigsten Themenfeld "Antifaschismus" sind wiederum nicht gelungen. Die Ende des Jahres begonnene PEGIDA-Bewegung wird möglicherweise als "Kampffeld" angesehen werden, um sich gegen vermeintliche Rechtsextremisten profilieren zu können. Es ist davon auszugehen, dass das Themenfeld "Antimilitarismus" weiter an Bedeutung gewinnen wird. Auch im Berichtsjahr gelang es den Autonomen nicht, sich in bundesweiten Bündnissen einzubringen. Schwerpunkt werden die Aktivitäten vor Ort, im wahrsten Sinne "vor der eigenen Haustür", bleiben. Daher behalten Autonome nur eine lokale Bedeutung. Parteien Den in Sachsen-Anhalt organisierten Parteien ist es weiterhin nicht gelungen, erfolgreich öffentlich wirksam zu werden. Tragbare Bündnisse mit bürgerlichen Kräften sind nicht in Sicht. 119 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN ÜBERBLICK In Sachsen-Anhalt ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) die einzige ausländische extremistische Organisation, die über eigene Strukturen verfügt. Nach wie vor richten sich die maßgeblichen Aktivitäten der hiesigen PKK-nahen Vereine auf die Teilnahme an überregionalen Großveranstaltungen. Der Konflikt der Bevölkerung in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und dem Irak führte neben den traditionellen Veranstaltungen bundesweit zu weiteren zahlreichen Protestaktionen, die zu einem Großteil von der PKK initiiert wurden. Die teilweise mit mehreren tausend Teilnehmern durchgeführten Veranstaltungen zeigten, dass sich die Entwicklung der militärischen Lage auf kurdischem Gebiet unmittelbar auf das Verhalten der Anhängerschaft der PKK in Deutschland auswirkt. Diese ist in der Lage, kurzfristig große Teile der im Bundesgebiet wohnenden kurdischen Bevölkerung zu mobilisieren. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) Allgemeine Lage Die am 27. November 1978 in der Türkei gegründete Partei kämpft seit Jahren für größere politische und kulturelle Eigenständigkeit des kurdischen Bevölkerungsanteils. Dieses Ziel versucht sie auch mit Gewalt durchzusetzen. Der militärische Arm der Partei, die "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, HPG) befindet sich seit 1984 immer wieder in militärischen Auseinandersetzungen mit den türkischen Sicherheitskräften, denen bis heute mehr als 45.000 Menschen zum Opfer fielen. Die in Deutschland lebende Anhängerschaft betreibt intensive Propagandaarbeit, organisiert 120 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Kampagnen und führt Veranstaltungen mit zum Teil mehreren tausend Teilnehmern durch, um die Partei und ihren Kampf zu unterstützen. Auch oder gerade in finanzieller Hinsicht stellt Deutschland eine unverzichtbare rückwärtige Basis für ihren politischen und militärischen Kampf dar. Über ihre Organisationsstrukturen erzielt die PKK bei ihrer Anhängerschaft in Deutschland jährlich Spendeneinnahmen in Millionenhöhe. Darüber hinaus dient der westeuropäische Raum auch der personellen Rekrutierung sowohl für die Organisation selbst als auch für die Guerillaeinheiten der HPG. Als unumstrittene Führungsfigur wird von der PKK-Anhängerschaft der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Mitbegründer der PKK Abdullah ÖCALAN verehrt. Neben dem Kampf für größere Eigenständigkeit der kurdischen Minderheit gehört auch die Forderung der Freilassung oder einer Verbesserung der Haftbedingungen ÖCALANs zu den zentralen Themen der PKK. Seit dem 22. November 1993 unterliegt die PKK in Deutschland einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot110 und ist seit 2002 in der Europäischen Union als Terrororganisation gelistet. Das Betätigungsverbot erstreckt sich auch auf die Aktivitäten der ab 2002 unter anderen Bezeichnungen ins Leben gerufenen Folgeund Parallelorganisationen wie "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) sowie den politischen Arm der PKK, der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ENRK). Diese bestimmt aktuell unter der Bezeichnung "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) die Aktivitäten der PKK in Europa maßgeblich. 110 Die PKK trat im Jahr 1993 mit einer Serie von Brandanschlägen sowie gewalttätigen Aktionen gegen türkische Einrichtungen in Erscheinung. 121 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 In Deutschland wie auch in ganz Westeuropa ist die PKK seit der Festnahme ÖCALANs bemüht ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild abzugeben, um ihre Bestrebungen auf politischer Ebene als alleiniger und legitimer Vertreter und Ansprechpartner in der Kurdenfrage anerkannt zu werden, nicht zu gefährden. Gleichwohl kommt es insbesondere unter jugendlichen Anhängern im Rahmen propagandistischer Veranstaltungen oder Kampagnen vereinzelt zu militanten Aktivitäten. Dies trat insbesondere im Zusammenhang mit den Protesten gegen das Vorgehen der Truppen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) zu Tage. Im Verlauf des Berichtsjahres sah sich die Bevölkerung der teilweise autonomen Kurdengebiete in Syrien und dem Irak zunehmend den gewalttätigen Übergriffen des IS ausgesetzt. Besondere Symbolkraft hatte der Angriff des IS auf die hauptsächlich von Kurden bewohnte Stadt Kobane an der syrischen Grenze zur Türkei Anfang Oktober, der die bereits vorhandenen europaweiten Proteste gegen den IS nochmals steigerte. Mehrere hundert Veranstaltungen, zumeist von PKK-nahen Organisationen initiiert, verliefen größtenteils friedlich. Teilweise kam es aber auch zu Besetzungsaktionen sowie tätlichen Angriffen gegen Polizei und Gegendemonstranten. 111 Der Widerstand der irakischen Peshmerga 112 und der kurdischsyrischen Verteidigungseinheiten (YPG) 113 wurde auch von den HPG unterstützt.114 Dies führte zu einer positiven Wahrnehmung der Organisation in Deutschland und löste eine mediale und politische Debatte über das bestehende Betätigungsverbot der PKK aus. Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung Die seit Ende 2012 zwischen der PKK und der türkischen Regierung geführten Friedensverhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage 111 Beispielhaft: Besetzung Flughafen Frankfurt a.M. am 27. September; Durchbrechen einer Polizeikette am 27. September während einer Demonstration in Hamburg. 112 militärische Einheit im Nordirak; Übersetzung: "Streitkräfte der autonomen Region Kurdistan". 113 "Yekineyen Paraszina Gel", bewaffneter Arm der syrischen PYD. 114 Die PKK und die HPG beanspruchen für sich unter anderem die Rettung von mehreren Tausend Jesiden und Christen aus der Region Sengal im Sindschar-Gebirge/Irak vor dem IS. 122 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 gipfelten Mitte 2013 in einer Waffenruhe, die jedoch bereits nach kurzer Zeit durch wiederholte kurzzeitige militärische Auseinandersetzungen gebrochen wurde. Der fragile Zustand des Friedensprozesses setzte sich auch im Berichtsjahr weiter fort. Die Führung der PKK warf der türkischen Regierung wiederholt Untätigkeit in Hinblick auf die erwarteten Reformen vor und drohte mehrfach mit einem Ende des Waffenstillstands. Am 13. Oktober kam es nach eineinhalb Jahren zu Angriffen auf Stellungen der PKK seitens der türkischen Luftwaffe und damit zu einem Bruch der Waffenruhe. 115 Diese massiven Spannungen werden vom kriegerischen Konflikt der kurdischen Bevölkerung mit den Kämpfern des IS zusätzlich genährt. Nach Auffassung der PKK unterstützt die türkische Regierung den IS im Kampf gegen die Kurden mit der Aufnahme verletzter IS-Kämpfer oder dem ungehinderten Grenzübertritt der ISKämpfer. Zwar wird von einem Teil der Parteiführung, allen voran auch ÖCALAN, die Fortführung des Friedensprozesses befürwortet, jedoch ist der Ausgang der Verhandlungen aufgrund der aktuellen Situation nicht absehbar. Strukturen Trotz des Betätigungsverbots unterhält die PKK in Deutschland weiterhin einen illegalen und konspirativ handelnden Funktionärskörper, der von den meist in den europäischen Nachbarländern aufhältigen Kadern organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben erhält und umzusetzen hat. Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist in vier Bereiche, die so genannten SAHAs oder auch SERITs aufgeteilt, denen wiederum insgesamt 30 Gebiete ("Bölge") untergeordnet sind. Sachsen-Anhalt gehört mit seinen Teilgebieten Halle (Saale) und Magdeburg zum Gebiet "Sachsen" und somit zum SAHA Nord. In Deutschland wird unter den etwa 800.000 kurdischstämmigen Einwohnern von etwa 14.000116 Anhängern der PKK ausgegangen. Sie ist damit die größte und mitgliederstärkste extremistische Aus115 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober. 116 Bericht des Bundesministeriums des Innern für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober. 123 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 länderorganisation aus dem nichtislamistischen Spektrum. In Sachsen-Anhalt werden der PKK bis zu 250 Mitglieder beziehungsweise Anhänger zugerechnet. Um die Anhängerschaft der PKK in den einzelnen Teilgebieten zu erreichen, nutzt die Partei regionale Vereine. Deren Örtlichkeiten gelten als feste Treffpunkte und Anlaufstellen der Mitglieder, Unterstützer und Sympathisanten der PKK. Als Dachverband dieser Vereine fungierte bislang die "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM). Unter den fast 70 örtlichen Vereinen zählte sich auch der Verein "Mezopotamien Kulturhaus e.V." in Halle (Saale) zu diesem Verband. Auf dem 20. Jahreskongress der YEK-KOM am 21. und 22. Juni wurde neben einer inhaltlichen Neustrukturierung die Änderung des Namens beschlossen. Seitdem führt der Verband seine Arbeit unter dem Namen "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland" (Navenda Civaka Demoratik ya Kurden li Almanya, NAV-DEM) fort. Unterstützt wurde die Entscheidung nach eigenen Angaben von 250 Vereinen.117 Eine öffentlichkeitswirksame Positionierung des "Mezopotamien Kulturhaus e.V." erfolgte hierzu nicht. Eine weitere Vorgehensweise der PKK ihre Politik zu verbreiten, ist die Schaffung und Pflege von Massenorganisationen in denen ihre Anhänger entsprechend ihrer Interessen, ihrer Berufsgruppen oder nach sozialen Kriterien organisiert sind. Hier ist neben verschiedenen Frauenund Studentenorganisationen vor allem die Jugendorganisation der PKK "Komalen Ciwan" (KC) 118 hervorzuheben. Wenngleich die Anhänger innerhalb Deutschlands aus taktischen Gründen zumeist zurückhaltend agieren, vertreten sie insbesondere 117 Internetseite der YEK-KOM, abgerufen am 3. Februar 2015. 118 Die Jugendorganisation der PKK tritt auch unter dem Namen des europäischen Verbands "Ciwanen Azad" in Erscheinung. 124 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 im benachbarten europäischen Ausland auch militante Aktionsformen. Jedoch waren auch im Bundesgebiet versammlungsrechtliche Aktionen mit unfriedlichem Verlauf zu verzeichnen. 119 Eine wesentliche Rolle spielt die Jugendorganisation der PKK auch bei der Rekrutierung von Jugendlichen für die Guerillatruppen. Im Juli riefen sie in einer öffentlich geführten Kampagne die Jugendlichen Europas auf, sich für sechs Monate am Kampf in Kobane zu beteiligen. Veranstaltungen Eines der wichtigsten Aktionsfelder der PKK für ihre Propagandaarbeit in Deutschland sind Demonstrationen und Kundgebungen. Das Mobilisierungspotenzial für diese Veranstaltungen ist nach wie vor sehr hoch. Zu den im Mittelpunkt stehenden Agitationsthemen gehören neben der Situation des inhaftierten PKK-Führers ÖCALAN und der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots vorrangig die militärischen Auseinandersetzungen in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien, im Irak und in der Türkei. Am 9. Januar jährte sich erstmalig die Ermordung von drei Aktivistinnen120 der PKK in Paris. Anlässlich dieses Gedenktages fand am 11. Januar eine Großdemonstration im Zentrum von Paris statt. Die Teilnehmerzahlen gehen je nach Angaben der Polizei, der Organisatoren oder der kurdischen Medien stark auseinander und werden zwischen 13.000 bis 40.000 Personen aus dem gesamten europäischen Gebiet beziffert. Von der "Föderation der kurdischen Vereine in Frankreich" (FEYKA)121 wurde für den 15. Februar anlässlich des 15. Jahrestages der Inhaftierung des PKK-Führers zu einer Großdemonstration 119 Am 12. April fand in Duisburg eine Demonstration der Ciwanen Azad (Europäischer Dachverband der Jugendorganisation der PKK) statt, an der etwa 650 Personen teilnahmen. Es kam im Verlauf und im Anschluss zu Steinwürfen und tätlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bereits zuvor war es zu ähnlichen Eskalationen im Rahmen derartiger Veranstaltungen gekommen. 120 Bei den Opfern handelt es sich um Sakine Cansiz; Fidan Dogan und Leyla Saylemez; letztere ist in Halle (Saale) geboren, siehe auch Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Seite 140f. 121 Gleichzusetzen mit dem Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland NAV-DEM, ehem. YEKKOM 125 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 in Straßburg aufgerufen. An der unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - Freiheit für Kurdistan" stehenden Veranstaltung nahmen über 10.000 Personen teil. Eines der Hauptthemen war die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots und Streichung der PKK von sämtlichen europäischen Terrorlisten. Das traditionelle kurdische Newroz-Fest (Frühlingsfest) wurde im Berichtsjahr am 22. März in Düsseldorf durchgeführt. Diese Veranstaltung wird von der PKK aufgrund des breiten Spektrums kurdischer Volkszugehöriger und der zumeist hohen Teilnehmerzahlen erfahrungsgemäß dazu genutzt, ihre politischen Anliegen öffentlich zu machen. Insgesamt nahmen etwa 10.000 Personen an zwei Aufzügen und einer gemeinsamen Abschlusskundgebung in Düsseldorf teil. Im Rahmen einer seitens des "Verbands der Studierenden aus Kurdistan" (Yekitiya Xwendekaren Kurdistan, YXK) organisierten Kampagne anlässlich des 20. Todestages des Halim Dener 122 fanden im Bundesgebiet mehrere Veranstaltungen statt. Unterstützt wurde die Kampagne auch von dem europäischen Verband der PKKJugendorganisation "Ciwanen Azad". Den Höhepunkt bildete am 21. Juni eine Demonstration in Hannover mit etwa 750 Teilnehmern. Während der Veranstaltung wurden in großer Anzahl verbotene PKK-Fahnen gezeigt sowie zahlreiche Verstöße gegen das Vermummungsverbot begangen. Am 16. August fand in Hannover eine Großdemonstration unter dem Motto "Protest gegen den Genozid an kurdischen Jesiden" 123 statt. Der Protest richtete sich gegen die Angriffe des IS auf kurdische Gebiete im Nordirak. Im Verlauf der Demonstration wurde eine Vielzahl verbotener PKK-Fahnen gezeigt sowie verbotene Parolen skandiert. An der Veranstaltung nahmen etwa 11.000 Personen teil. 122 Halim Dener wurde am 29. Juni 1994 in Hannover von einem Polizeibeamten im Zuge einer Festnahme erschossen; vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung wurde der Beamte vom Gericht freigesprochen - im Nachgang dieses Vorfalls war es in Deutschland zu tätlichen Übergriffen auf Polizeiwagen und -wachen von Teilen der kurdischen Bevölkerung gekommen. 123 Jesiden sind eine religiöse Minderheit, Hauptsiedlungsgebiete der zumeist Kurden liegen im Nordirak. 126 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auch in Sachsen-Anhalt waren die kriegerischen Auseinandersetzungen in den kurdischen Gebieten ein Hauptthema. So fand unter anderem am 8. August eine Demonstration in Magdeburg unter dem Motto: "Gegen Gewalt der ISIS im Irak" statt, an der sich etwa 500 Personen beteiligten. Während diese Veranstaltung ohne Störungen verlief, kam es im Verlauf weiterer versammlungsrechtlicher Aktionen im Oktober und November jedoch zu vereinzelten Straftaten.124 Am 13. September veranstaltete der Verband NAV-DEM das "22. Internationale Kurdische Kulturfestival" in Düsseldorf. An der weitgehend störungsfrei verlaufenden Veranstaltung nahmen etwa 30.000 Personen aus ganz Europa teil. Das Festival stand unter den Themen: "Die Rojava-Revolution125 ist dem freien Kurden eine Ehre" sowie "Freiheit für ÖCALAN - Status für Kurdistan" und war insbesondere von den Geschehnissen zwischen dem IS und den militärischen Truppen der PKK in Syrien und Irak geprägt. Darüber hinaus war stets auch die Forderung nach der Aufhebung des PKKVerbots Thema vieler Redebeiträge. Einige Teilnehmer zeigten während der Versammlung verbotene Fahnen der PKK. Eine weitere Großdemonstration im Rahmen der Protestveranstaltungen gegen den IS fand am 11. Oktober in Düsseldorf mit 21.000 Teilnehmern statt. Anlässlich der jährlichen Innenministerkonferenz riefen der "Dachverband gemeinsam mit der "Interventionistischen Linken" (IL) zu einer Demonstration zur "Aufhebung des PKK-Verbotes" am 6. Dezember in Köln auf. In einem Artikel der PKK-nahen Zeitung "Yeni Özgür Politika" vom 8. Dezember hieß es zur Veranstaltung: "Auf der zweistündigen Großdemonstration mit anschließender Kundgebung wurden Banner der PKK, der YPG und der PYD ebenso wie Fahnen mit dem Konterfei von Abdullah ÖCALAN gezeigt. Parolen wie: 'Wir sind alle PKK!' oder 'Es lebe der Kobane-Widerstand' wurden skandiert." 124 Verstoß gegen SS 20 Vereinsgesetz. 125 Rojava = Kurdisches Volk in Syrisch-Kurdistan. 127 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Finanzierung Die PKK führt zur Unterhaltung der Organisation jährlich eine "Spendenkampagne" durch. Dabei wird erwartet, dass jeder hier lebende Kurde einen finanziellen Beitrag zum politischen und militärischen Kampf der Partei leistet. Entsprechende Spendenaufrufe finden sich in sämtlichen kurdischen Medien sowie auf vielen kurdischen Veranstaltungen. Wie bereits im Jahr 2013 war aufgrund der weiter offenen Kurdenfrage in der Türkei sowie der angespannten Lage in Syrien und dem Irak eine erhöhte Spendenbereitschaft zu verzeichnen. Neben den Einnahmen auf Veranstaltungen erzielt die PKK auch Einkünfte aus Mitgliedsbeiträgen und dem Verkauf von Publikationen. AUSBLICK Auch zukünftig wird der Konflikt in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und dem Irak und dessen Entwicklung das Verhalten und die Aktivitäten der PKK-Anhänger in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt bestimmen. Er wird auf die Bereitschaft, "Spenden" für die Organisation zu entrichten ebenso Einfluss haben, wie auf die Entscheidung Einzelner sich der Partei anzuschließen oder sie zu unterstützen. Die teils positive Wahrnehmung der PKK aufgrund der Beteiligung ihrer Guerillakräfte am Kampf gegen den IS wird die Organisation nutzen, um ihrer seit langem bestehenden Forderung nach einer Aufhebung des Betätigungsverbots Nachdruck zu verleihen. Um ihre Bestrebungen nach Legitimierung nicht zu gefährden, wird die PKK derzeit nicht daran interessiert sein, mit gewalttätigen Aktionen in Erscheinung zu treten und entsprechend auf ihre Anhängerschaft einwirken. Gleichwohl können einzelne medial wirksame Ereignisse aufgrund hoher Emotionalisierung insbesondere unter den jugendlichen Anhängern der PKK durchaus zu militantem Verhalten führen. 128 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 V. ISLAMISTISCHE UND ISLAMISTISCHTERRORISTISCHE BESTREBUNGEN ÜBERBLICK Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. So richtet sich der politische Islamismus gegen die kulturelle und wirtschaftliche Dominanz des Westens und gegen die mit dem Westen verbündeten Regime in der islamischen Welt. Islamisten lehnen die Grundlagen der westlichen Demokratien ab und fordern stattdessen die Errichtung eines Staates auf der Grundlage der islamischen Lebensund Rechtsordnung, der Scharia. Die verschiedenen Ausprägungen des Islamismus unterscheiden sich sowohl in ihrem Anspruch (regional und global) als auch in ihren Mitteln. Das Spektrum reicht von gewaltlos agierenden Gruppen bis hin zu gewaltbereiter und gewalttätiger ideologischer Ausrichtung. Vom Islamismus geht eine große Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands aus, insbesondere vom islamistischen Terrorismus. Die bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien und im Irak stehen nach wie vor im Mittelpunkt der internationalen öffentlichen Wahrnehmung und mithin auch im politischen Raum Deutschlands. Angesichts der zu verzeichnenden Ausreisen aus Deutschland in das so genannte Jihadgebiet sowie der Rückkehr von dort besteht nach wie vor Anlass zur Sorge. In Sachsen-Anhalt bewegt sich das islamistische Personenpotenzial quantitativ weiterhin auf niedrigem Niveau. Dementsprechend stellte sich hier das Phänomen der Syrienreisen im Gegensatz zu einigen stark betroffenen Bundesländern bisher nur als Randaspekt dar. Über eine Beteiligung an Kampfhandlungen von Personen, die aus Sachsen-Anhalt ausgereist sind, liegen derzeit keine Erkenntnisse vor. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zahl der Reisefälle zunehmen wird. Einen wesentlichen Anteil daran haben die zu verzeichnenden Salafistischen Bestrebungen. 129 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Salafistische Bestrebungen Der Verfassungsschutz versteht unter "Salafismus" eine besonders radikale Strömung innerhalb des Islamismus. Salafisten streben nach Wiederherstellung des "authentischen Islam" und nach Umsetzung der Scharia, die nach ihrer Auffassung als Gesetz Gottes prinzipiell für die gesamte Menschheit gültig ist. Die Verwirklichung des "authentischen Islam" steht für eine politische Agenda, die in der Errichtung eines islamischen "Gottesstaates" münden soll. Das verfassungsschutzrelevante salafistische Spektrum wird in die Kategorien "jihadistischer Salafismus" und "politischer Salafismus" unterteilt. Beiden Strömungen gemein sind ideologische Grundlagen und die grundsätzliche Befürwortung von Gewalt; die Übergänge zwischen beiden Richtungen sind fließend. Politische Salafisten vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt, sie wollen die Gesellschaft von innen heraus durch Missionierung islamkonform umgestalten. Jihadistische Salafisten fordern die unmittelbare Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Ziele. Jihadsalafismus in internationaler Perspektive - Islamischer Staat (IS) Der IS steht für Jihadsalafismus par excellence. Er hat im Laufe des Jahres große Teile des Irak und Syriens besetzt und dadurch die Region destabilisiert. Eine Koalition westlicher und arabischer Staaten bekämpft den IS seitdem mit Luftschlägen, Waffenlieferungen und Ausbildungsmaßnahmen für irakisch-kurdische Kämpfer. Wie im Rahmen der medienwirksamen Enthauptung des USamerikanischen Journalisten Foley am 19. August angedroht, veröffentlichte IS am 2. September Aufzeichnungen der Ermordung des US-amerikanischen Journalisten Sotloff und am 13. September des britischen Entwicklungshelfers Haines. 130 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Da Deutschland an Waffenlieferungen und Ausbildungsmaßnahmen für kurdische Kämpfer beteiligt ist, ist eine Gefährdungslage für deutsche Einrichtungen und Interessen entstanden. Der IS ruft explizit zum Kampf unter anderem gegen Deutschland auf: 126 Der Sprecher des IS, Abu Muhammad AL-ADNANI, hatte am 22. September explizit Anhänger und Sympathisanten seiner Organisation zu Angriffen auf Ungläubige aufgerufen, ganz konkret zum Anfahren oder Überfahren von Ungläubigen. Unmittelbar danach, am 24. September, enthaupteten dem IS zugehörige Jihadsalafisten in Algerien den Franzosen Herve Gourdel. Am 15. Dezember kam es in Sydney (Australien) zu einer von ISPropaganda inspirierten Geiselnahme, die erst am 16. Dezember beendet wurde. Bereits am 18. September waren in Australien 15 Personen festgenommen worden, die geplant hatten, wahllos gekidnappte Personen vor laufenden Kameras zu köpfen und die Aufnahmen an den IS zu schicken. Am 20. Oktober fuhr in Montreal (Kanada) ein islamistischer Attentäter zwei Soldaten an. Ein anderer islamistischer Attentäter erschoss am 22. Oktober in Ottawa (Kanada) einen Soldaten und stürmte anschließend das Parlamentsgebäude, wo er erschossen wurde. Am 22. Dezember fuhr ein Autofahrer mit seinem Auto in Dijon (Frankreich) mit dem Ruf "Allahu Akbar" (Gott ist groß) in Gruppen von Passanten. Diese Taten können als unmittelbare Reaktion auf den oben genannten Auftrag AL-ADNANIs verstanden werden. Sie illustrieren, dass die Gefahr, die von der Inspiration vom IS oder von al-QaidaPropaganda ausgeht, Ländergrenzen überschreitet und sich offensichtlich in konkreten Taten weltweit manifestiert. 126 "Dabiq" 4, Onlineveröffentlichung einer Medienstelle des IS, abgerufen 4. Februar 2015. 131 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auch jüdische Einrichtungen weltweit sind unverändert bedroht. Am 24. Mai verübte der mutmaßlich ehemalige IS-Kämpfer Mehdi NEMMOUCHE einen Anschlag auf das Jüdische Museum von Belgien in Brüssel, bei dem er vier Menschen erschoss. Betätigungsverbot gegen den IS Mit Wirkung vom 12. September erließ der Bundesminister des Innern eine Verbotsverfügung hinsichtlich vereinsrechtlicher Verbotsmaßnahmen gegen die Vereinigung IS, da die Tätigkeit des IS Strafgesetzen zuwider läuft und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die Betätigung des IS ist im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes verboten. Wie sich aus SS 20 Abs. 1 VereinsG ergibt, umfasst das Betätigungsverbot sowohl unterstützende Tätigkeiten im Internet, wie das Einstellen von Beiträgen, Bildern oder Videos vor allem in sozialen Netzwerken, sowie auch die Teilnahme an Demonstrationen von oder für den IS. Verboten sind zudem das Werben für den IS, das Zeigen seiner Symbole, jede Art von Unterstützungshandlungen, das Werben um Geld, von Material und vor allem das Anwerben von Kämpfern. Weiterhin wurde verfügt, dass das Vermögen des IS beschlagnahmt und zugunsten des Bundes eingezogen wird. Außerdem wurden Sachen Dritter beschlagnahmt und eingezogen. Die öffentliche Verwendung der Kennzeichen des IS ist ebenfalls verboten. Die Verwendung betrifft vorwiegend die Symbole der Medienstellen des IS sowie die "Jihad-Flaggen". Auseinandersetzungen zwischen Salafisten und Kurden in Deutschland In der zweiten Jahreshälfte gab es mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen größeren Gruppen von Salafisten und Kur132 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 den. An diesen Konflikten, in denen Täterund Opferseite wechseln können, waren auf beiden Seiten hunderte Personen beteiligt. Am 6. August kam es zu Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Jesiden und Salafisten - darunter zahlreiche Tschetschenen - in Herford (Nordrhein-Westfalen). Auslöser war ein Aufruf von Jesiden gegen den Terror des IS. Am 6. und 7. Oktober kam es in Celle (Niedersachsen) erneut zwischen bis zu etwa 500 Kurden und 200 Islamisten, darunter erneut salafistische Tschetschenen, zu tätlichen Auseinandersetzungen. Allein hier wurden über 400 Personen in Polizeigewahrsam genommen. Am 7. und 8. Oktober kam es in Hamburg zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Kurden und teils salafistisch orientierten Islamisten. Am 10. Oktober konnte die Polizei in Hamburg und in Berlin weitere Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Salafisten verhindern. Syrienausreisen Ein Teil der etwa 650 in Richtung Syrien ausgereisten deutschen Islamisten und Islamisten aus Deutschland ist als jihadistische Salafisten einzuschätzen. Als Ergebnis der kontinuierlichen Ausund Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden zu etwa 40 Personen Informationen vor, dass sie sich aktiv am bewaffneten Widerstand in Syrien oder im Irak beteiligt haben. Etwa ein Drittel dieser ausgereisten Personen ist zwischenzeitlich (zumindest teilweise) nach Deutschland zurückgekehrt. Zur Mehrzahl dieser Rückkehrer liegen keine Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Ferner liegen zu zirka 75 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder dem Irak verstorben sind. Die Anzahl der behördlich verhin127 derten Ausreisen bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. 127 Stand März 2015. 133 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Salafistisches Personenpotenzial in Deutschland In Deutschland lag das geschätzte salafistische Personenpotenzial Ende 2014 bei etwa 7.000 Personen mit steigender Tendenz (Ende 2013 etwa 5.500 Personen). Von besonderer Bedeutung war die Aktivität salafistischer Prediger wie Pierre VOGEL, die durch Missionierung Gläubige rekrutieren und der salafistischen Interpretation des Islam zuführen wollen. VOGEL führte im Berichtsjahr eine Reihe an Vortragsveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet durch, für die er auf seiner Internetseite offensiv warb: Salafismus in Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt sind Einzelpersonen als Aktivisten des politischen Salafismus beziehungsweise als Verdachtsfälle einzustufen. Ihre Zahl liegt im unteren zweistelligen Bereich. Einige von ihnen sind mit Salafisten in anderen Bundesländern sowie mit bundesweit agierenden Salafisten vernetzt. Ausreisen von Salafisten aus Sachsen-Anhalt zum Zweck der Teilnahme an den Kämpfen in Syrien sind 2014 nicht bekannt geworden. Im Berichtsjahr konnten erstmals Koranverteilaktionen bei LIES!Ständen in Sachsen-Anhalt festgestellt werden. Diese Kampagne, bei der Koranexemplare verteilt werden, spielt eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung junger Muslime. Sie ist inzwischen Teil einer salafistischen Jugendkultur geworden. Radikalisierte Muslime, auch Syrienausreisende, sind von LIES! maßgeblich beeinflusst worden. 134 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 AUSBLICK Jihadsalafismus - IS Es ist damit zu rechnen, dass der IS sich bietende Tatgelegenheiten gegen deutsche Interessen auch im Bundesgebiet nutzen wird. Dies muss nicht notwendigerweise von so genannten Rückkehrern geschehen, die nach einer ideologischen und paramilitärischen Schulung beim IS in ihr Herkunftsland zurückkehren. Ebenso müssen Personen in Betracht gezogen werden, die entweder behördlicherseits an einer geplanten Ausreise gehindert wurden oder deren Reisewunsch in ein Jihadgebiet aus anderen Gründen scheiterte und die ihren Wunsch nach einer Beteiligung am Jihad nun mit einfachen Tatmitteln im Inland umsetzen. Die geschickte mediale Darstellung der Erfolge des IS und der Anschläge in zum Feind erklärten Ländern wird 2015 fortgesetzt und zur Inspirationsquelle von Gruppen oder Einzeltätern werden. Salafismus insgesamt Der Salafismus übt auf nach Orientierung suchende Menschen eine hohe Anziehungskraft aus. Auf längere Sicht wird sich diese Entwicklung auch in Sachsen-Anhalt quantitativ manifestieren. Dieser Einschätzung liegt zum einen die Zunahme der Einwohner von Sachsen-Anhalt mit islamischem Migrationshintergrund zugrunde, von denen ein gewisser Prozentsatz aufgrund kultureller Besonderheiten Nähe zum Salafismus aufweist. Des Weiteren ist die bereits seit Jahren zu beobachtende Anziehungskraft charismatischer salafistischer Prediger zur Rekrutierung von salafistischem Nachwuchs ein potenzieller Einflussfaktor. Dies betrifft auch nach Orientierung suchende Jugendliche sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund. 135 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 So werden den potenziellen Konvertiten in der Regel, in einem zunächst absichtlich verharmlosenden Tenor, die vermeintlich ausnahmslosen Vorzüge einer Konversion aufgezeigt. Dies sind insbesondere die Zugehörigkeit zu einer eingeschworenen "Familie" von Brüdern und Schwestern, eine lediglich schwach ausgeprägte Hierarchie, der man sich unterwerfen muss, wie auch das Eintauchen in eine Gemeinschaft, in der Herkunft und soziale Aspekte bedeutungslos sind. Die salafistische Ideologie regelt im Grunde genommen alle Bereiche des Alltags und gibt somit seinen Anhängern eine umfassende Anleitung zur "konformen" Lebensführung. Dies "erleichtert" dem Einzelnen weitestgehend, eigene Entscheidungen zu treffen und bietet demnach einen vermeintlichen Ausweg im Sinne einfacher Antworten oder Lösungen. Die mit der Konversion einhergehenden unbedingten Verpflichtungen der salafistischen Ideologie, beispielsweise fünfmal täglich zu beten oder religiöse Verbote, werden zumeist erst zu einem späteren Zeitpunkt vermittelt, oftmals erst nachdem eine Person konvertiert ist. Eine besondere Multiplikatoren-Rolle kommt dabei dem salafistischen Prediger VOGEL zu, der im gesamten Berichtsjahr bei Vortragsveranstaltungen in benachbarten Bundesländern auftrat. Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt fanden nicht statt. Salafismus in Sachsen-Anhalt Die Zahl der Aktivisten des politischen Salafismus in SachsenAnhalt wird 2015 voraussichtlich nicht sprunghaft ansteigen und sich weiterhin im unteren zweistelligen Bereich bewegen. Es ist anzunehmen, dass die bisher nur vereinzelt zu beobachtende versuchte Einflussnahme auf Moscheen sowie die Vernetzung mit Salafisten in anderen Bundesländern zunehmen wird. 136 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB) Im Rahmen der Auflösung der UdSSR im Jahre 1991 erklärten zahlreiche ehemalige Sowjetrepubliken, darunter auch die Tschetscheno-Inguschische Autonome Sowjetrepublik, ihre Unabhängigkeit. Die am 1. November 1991 vom damaligen tschetschenischen Präsidenten Dudajew ausgerufene "Tschetschenische Republik Itschkerien" ("Chechen Republic of Ichkeria", CRI) wurde von Russland jedoch nicht anerkannt und die Autonomiebestrebungen Tschetscheniens führten letztendlich zum Einmarsch russischer Truppen im Dezember 1994. Es folgte ein fast zweijähriger Krieg, der von beiden Seiten mit erbitterter Härte geführt wurde und in dessen Verlauf schätzungsweise mindestens 80.000 Menschen zu Tode kamen. Der Konflikt endete im August 1996 vorläufig mit der Schließung eines Friedensvertrages zwischen den beiden Kriegsparteien, der auch den Abzug der russischen Truppen beinhaltete. Tschetschenien wurde in der Folge zwar defacto in die Unabhängigkeit entlassen, gleichwohl blieb der "Tschetschenischen Republik Itschkerien" die internationale Anerkennung verwehrt. Nach wiederholten Angriffen islamistischer Rebellen auf die Nachbarrepublik Dagestan und einer Serie von Bombenanschlägen auf Wohnhäuser vor allem in Moskau marschierte die russische Armee am 1. Oktober 1999 erneut in Tschetschenien ein und der 2. Tschetschenienkrieg begann. Die im Rahmen der russischen Invasion geführte militärische Auseinandersetzung endete bereits im Frühjahr 2000. Im Jahr 2001 startete Russland eine umfassende so genannte "Anti-Terror-Operation", um den tschetschenischen Widerstand endgültig zu zerschlagen. Das spezielle "Anti-Terror-Regime" wurde erst im April 2009 auf Weisung des damaligen russischen Präsidenten Medwedew aufgehoben und markiert das Ende des 2. Tschetschenienkrieges. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten seit 2005 zunächst die Anhänger und aktiven Unterstützer der "Tschetschenischen Separatistenbewegung" (TSB). Nach der Ausrufung des "Kaukasischen Emirats" am 31. Oktober 2007 vom damaligen Präsidenten der CRI, Doku UMAROV, kam es zur Spaltung dieser TSB in zwei Lager. Zum einen die legalistische "Chechen Republic of Ichkeria" (CRI) des seit 2002 im Londoner Exil lebenden Ahmed ZAKAYEV. Diese versucht auf politischem Wege ein von Russland unabhängiges Tschetschenien zu erreichen. In Deutschland zählen etwa 50 Personen zur CRI. Ihre politische Bedeutung ist eher gering einzuschätzen. Zum anderen das "Kaukasische Emirat" (KE) (tschetschenisch: "Imarat Kavkaz"), eine terroristische Vereinigung, die versucht, mit Mitteln des bewaffneten Kampfes einen von Russland unabhängigen islamischen Staat auf dem Gebiet des Nordkaukasus 128 zu etablieren. Das "Kaukasische Emirat" verfügt in Deutschland über etwa 180 Anhänger. Durch die Ausdehnung des Konfliktbereiches auf das Gebiet des gesamten Nordkaukasus verwenden die Sicherheitsbehörden in Deutschland nunmehr als Arbeitsbezeichnung für die beiden Organisationen den Oberbegriff "Nordkaukasische Separatistenbewegung" (NKSB). 128 Das vom KE beanspruchte Gebiet umfasst die russischen Teilrepubliken Tschetschenien, Dagestan, Inguschetien, Ossetien, Kabardino-Balkarien, Karatschai, Adygeja und Nogay-Steppe. 137 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Aktivitäten in der Russischen Föderation Auch im Berichtsjahr setzten sich die bewaffneten Konfrontationen zwischen islamistischen Terroristen und den Sicherheitskräften der Russischen Föderation im Nordkaukasus fort. Zwar griffen Anhänger des KE am 4. Dezember erstmals seit Jahren wieder die tschetschenische Hauptstadt Grosny an, dennoch war die Lage in Tschetschenien aufgrund des dort herrschenden rigiden Willkür-Regimes des Oberhauptes Ramzan KADYROV insgesamt eher ruhig. Der Schwerpunkt der Kampfhandlungen und terroristischen Anschläge lag wie in den Jahren zuvor eindeutig in der russischen Teilrepublik Dagestan. Die vom KE mehrfach angedrohten Anschläge auf die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi (Russische Föderation) blieben aus, was jedoch vor allem auf ein sehr intensives Aufgebot an russischen Sicherheitskräften zurückzuführen sein dürfte. Im Berichtsjahr war eine weitere, insbesondere personelle Schwächung des KE zu verzeichnen. Die seit langem anhaltenden Gerüchte, dass der Anführer und Gründer des KE, Doku UMAROV verstorben sei, bestätigten sich am 18. März als über die dem KE nahestehende Internetpräsenz "Kavkazcenter" die offizielle Verlautbarung zum Tode UMAROVs verbreitet wurde. Zu seinem Nachfolger als Emir des KE wurde der Vorsitzende Richter (Kadi) des Obersten Schariagerichts, Aliaskhab KEBEKOV, alias Scheich ALI ABU MUHAMMAD ALDAGESTANI (Bild129), gewählt. Drohende Spaltung des KE Im Dezember leisteten mehrere hochrangige Militärführer des KE, darunter der Emir der Provinz Dagestan, Rustam ASILDEROV, ei129 Bilder aus der Internetseite der Organisation, abgerufen am 28. Januar und 11. und 12. Februar 2015. 138 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 nen Treueeid auf den Anführer und selbsternannten Kalifen des IS, ABU BAKR AL-BAGHDADI. Dieses Vorgehen hatte scharfe Kritik unter anderem seitens des Obersten Sharia-Richters des KE, MUHAMMAD ABU USMAN (Bild) zur Folge, in der vor allem die Rechtmäßigkeit der Ausrufung des Kalifats von AL-BAGHDADI und dessen Legitimation als Kalifen angezweifelt wird. Der Emir des KE, Aliaskhab KEBEKOV, bezeichnete das Verhalten der Abtrünnigen offen als "Verrat" und löste ASILDEROV umgehend von seinem Posten ab. Der Treueeid zahlreicher Kommandeure des KE auf ALBAGHDADI stellt sowohl die Autorität KEBEKOVs in Frage, als auch den geistigen Führungsanspruch der mit dem IS konkurrierenden Kern-Al-Qaida (KernAQ), dem sich das "Kaukasische Emirat" verbunden fühlt. Seit geraumer Zeit schwelt innerhalb der Organisation ein Streit darüber, ob man weiterhin gegen Russland im Kaukasus kämpfen oder sich den Truppen des IS in Syrien anschließen soll. Im Falle einer weiteren Abwanderung hochrangiger Persönlichkeiten des KE zum IS droht der Zerfall des KE. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der unter russischsprachigen Jihadisten sehr angesehene IS-Kommandeur Tarchan BATIRASCHWILI, alias ABU OMAR AL-SHISHANI, der zur obersten Führungsriege des IS gehört und der sich zu einer wichtigen Symbolfigur entwickelt. Entscheidend für eine mögliche Spaltung des KE wird jedoch vor allem die weitere Entwicklung des IS sein, dessen bisherige militärische Erfolge kausal für seine Attraktivität unter den Jihadisten weltweit sind. Aktivitäten in Deutschland Trotz der Schwächung der Kampfkraft des KE durch den Tod ihres Anführers und mehrerer bedeutsamer Kommandeure blieb die Organisation im Berichtsjahr ihrer russlandbezogenen Agenda treu. Deutschland dient den Unterstützern des KE als potenzieller Rückzugsraum und zur Sammlung von Spendengeldern für militärische Operationen der Aufständischen im Nordkaukasus. Einzelne Personen können hierbei der europaweit vernetzten, organisierten Krimi139 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 nalität zugerechnet werden. Trotz der generell Gewalt befürwortenden Strategie des KE konnten in Deutschland bislang keine Gewaltaktionen gegen Einrichtungen oder Staatsangehörige Russlands verzeichnet werden. Vor dem Hintergrund des Konfliktes in Syrien konnten die Verfassungsschutzbehörden ein zunehmendes Interesse junger Nordkaukasier - insbesondere Tschetschenen - an den dortigen Kampfhandlungen feststellen. Dieser Personenkreis hat große Teile seiner Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht und scheint den Bezug zum Nordkaukasus und den dortigen Unabhängigkeitsbestrebungen zunehmend zu verlieren. Stattdessen zeigt dieser Personenkreis ein gesteigertes Interesse am weltweiten Jihad. Darüber hinaus konnte eine verstärkte Hinwendung zum Salafismus bei jungen Nordkaukasiern konstatiert werden. Beispielhaft sind hier die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen/Salafisten und Jesiden/Kurden in Hamburg und Celle (Niedersachsen) Anfang Oktober genannt.130 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der hohe Mobilisierungsgrad innerhalb der tschetschenischen Diaspora. So gelang es binnen weniger Stunden nicht nur Tschetschenen aus dem gesamten Bundesgebiet zur Teilnahme zu bewegen, sondern auch Personen aus dem europäischen Ausland nach Hamburg und Celle zu mobilisieren. Aktivitäten in Sachsen-Anhalt Im Berichtszeitraum wurden in Sachsen-Anhalt mehrere Einzelpersonen festgestellt, die als Anhänger der NKSB bezeichnet werden können und entsprechende Beziehungen bundesweit sowie international unterhielten. Gefestigte Strukturen der NKSB waren in Sachsen-Anhalt wie in den Vorjahren nicht feststellbar. 130 Siehe Seite 133. 140 Scientology Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 VI. "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO wurde 1954 in den USA gegründet und ist seit 1970 auch in Deutschland vertreten. Sie stellt sich in der Öffentlichkeit als unpolitische und demokratiekonforme Religionsgemeinschaft dar, deren vorgebliches Ziel laut ihrer Satzung die Schaffung einer "Kultur ohne Krieg, ohne Wahnsinn und ohne Kriminalität" sei 131. Dabei werden wesentliche Grundund Menschenrechte, wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung abgeschafft oder eingeschränkt. Die Aussagen des Organisationsgründers L. Ron Hubbard (1911 - 1986) bilden bis heute die Grundlage für die Ideologie und Zielsetzung der Organisation, nach der eine scientologische Gesellschaft geschaffen werden soll. Die SO lehnt das Rechtssystem ab und will es langfristig durch ihren eigenen Gesetzeskodex ersetzen. Sie verfolgt deswegen das Ziel, durch Beeinflussung von Staat, Politik und Wirtschaft in die Gesellschaft zu dringen, um sie scientologischen Zielen zu unterwerfen. Die SO lehnt freie, allgemeine und gleiche Wahlen ab. Der totalitäre Charakter der Organisation kommt auch darin zum Ausdruck, dass größtmögliche Kontrolle über alle Mitglieder angestrebt wird. Mitglieder werden dazu aufgefordert, "Wissensberichte" über "jegliche unterdrückerische Handlungen gegen Scientology" oder das Fehlverhalten von Gruppenmitgliedern zu verfassen und an das "Religious Technology Center" (RTC) in den USA zu melden. Als Fehlverhalten gelten bereits etwa "öffentlich von Scientology wegzugehen" sowie "jegliche falsche Darstellung der Dianetik."132 Wirtschaftliche Interessen der SO Die SO selbst ist wie ein internationaler Wirtschaftskonzern organisiert. Trotz scheinbarer Selbständigkeit unterliegen alle Einrichtungen der strikten Befehlsund Disziplinargewalt des RTC in Los An131 Vgl. SS 2 Abs. 1 Satzung der "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD). 132 Unter "Dianetik" versteht die SO die von L. Ron Hubbard entwickelte Theorie und Methode, mit der negative Auswirkungen der Seele auf den Körper beseitigt werden sollen. 141 Scientology Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 geles (USA) unter der Leitung des Hubbard Nachfolgers David MISCAVIGE. Kern bildet der Church-Bereich, der in "Kirchen" (Org), Missionen und Celebrity Centers gegliedert ist.133 Innerhalb dieses streng hierarchischen Aufbaus gibt es Überwachungseinrichtungen und einen eigenen Geheimdienst, das "Office of Special Affairs" (OSA). Die OSA-Einheit für Deutschland (Department of Special AffairsDSA) sammelt und wertet Informationen über Gegner, Kritiker, aber auch über Behördenangehörige aus, um diese Erkenntnisse als Druckmittel zu verwenden. Das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) ist ein franchiseähnlicher Zusammenschluss von Unternehmen, die durch Lizenzverträge an die SO gebunden sind. WISE hat zum Ziel, die Wirtschaft zu unterwandern und Gewinne durch den Verkauf von SO-Management-Techniken an Unternehmen zu erwirtschaften. WISE Unternehmen sind häufig in der Immobilienbranche, in der Personalund Unternehmensberatung aktiv. Mit Urteil vom 12. Februar 2008 hat das OVG Münster festgestellt, dass - tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die SO Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, - sich zahlreiche Hinweise ergeben, dass die SO eine Gesellschaftsordnung anstrebt, in der zentrale Verfassungswerte außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, - der Verfassungsschutz die Organisation auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf, was sich wie folgt begründet: Die SO stellt nicht nur das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland und die staatliche Garantie der Grundrechte in Frage, sondern ist auch eine Gefahr für Einzelne, die in die Fänge und den Einflussbereich der Organisation zu geraten drohen. 134 133 Dachverband in Deutschland ist die SKD mit Sitz in München (Bayern). Außerdem existieren derzeit neun Missionen in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Bayern, die unterhalb der Org stehen. 134 OVG Münster, Az. 5 A 130/05. 142 Scientology Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Öffentlichkeitsarbeit der SO SO-Einrichtungen treten in der Regel offen auf. SO bedient sich jedoch auch einer Reihe von Tarnund Nebenorganisationen, die für Außenstehende nur schwer eine Verbindung zur SO erkennen lassen, aber gleichermaßen scientologische Botschaften in die Gesellschaft tragen sollen. SO-Einrichtungen versuchen oftmals erste Kontakte zu knüpfen durch: - Informationsstände und Veranstaltungen in Fußgängerzonen, - Anbieten von Persönlichkeitstest auf der Straße, - Zusenden von Werbematerial, - Nachhilfeangebote,135 - Kurse zur Persönlichkeitsveränderung,136 - Angebote an Unternehmen zu Betriebsführungstechniken und durch - Kommunikation in sozialen Netzwerken. Zielgruppe Jugendliche Mit einer Fülle multimedialer Angebote, wie etwa der Kampagne "Jugend für Menschenrechte" ("Youth for Human Rights") versucht SO, Jugendliche direkt zu erreichen. SO nutzt das Internet als zentrale Werbeplattform und bietet auf den technisch gestalteten Internetseiten umfangreiche Informationen zu ihrer Geschichte, ihren Zielen und Teilorganisationen an. Jugendaffine Angebote sind innerhalb des sozialen Netzwerks Facebook zu finden. Über die Organisationsseiten der "Scientology 135 Hierzu zählt das Nachhilfeprogramm "Applied Scholastics". 136 In den Kursen soll nach dem Dianetik-Konzept die Stufe des "Clear" erreicht werden, bei dem der Verstand als gereinigt zu betrachten und als gesund einzustufen ist. 143 Scientology Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Kirchen"137 führen zahlreiche Verlinkungen auf die Webseiten der einzelnen "Kirchen". Auf der Internetvideoplattform YouTube sind deutschsprachige Kanäle mit Bezug zur Scientology-Organisation eingestellt, die Internetauftritte lassen aber regelmäßig keinen offenen inhaltlichen Austausch zu. Auch die von der SO-Tarnorganisation NARCONON beworbene Kampagne "Sag NEIN zu Drogen, sag JA zum Leben" bemüht sich intensiv, Jugendliche zu erreichen. Ziel von NARCONON ist es jedoch nicht, Drogenabhängigen zu helfen, vielmehr soll insbesondere über den deutschsprachigen Auftritt der "Foundation for a Drug-Free-World" die leichtere Beeinflussbarkeit von Drogenabhängigen ausgenutzt werden, um sie langfristig an die SO zu binden. Jugendlichen Schülern, die im Internet beispielweise für Referate nach der Modedroge Crystal Meth recherchieren, können in Unkenntnis des SO-Hintergrunds die dort angebotenen Flyer für hilfreich halten, auch weil die Flyer für Schulen und Unterricht kostenlos bestellt werden können. Flyer der Kampagne "Sag NEIN zu Drogen, sag JA zum Leben" wurden auch in Magdeburg, Halle (Saale) und in den Landkreisen Harz und Wittenberg festgestellt. Neben den Internetauftritten hatte die Kampagne an Informationsständen in Magdeburg und Halle (Saale) in den Fußgängerzonen für die vermeintliche Drogenprävention geworben. Um sich dabei einen seriösen Anstrich zu geben, verteilte die SO-Tarnorganisation auch Flyer von Präventionsangeboten staatlicher Einrichtungen oder von Stiftungen politischer Parteien. 137 Im Internet vertreten sind: "Scientology Kirche Deutschland", Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Stuttgart und München, sowie die Mission Bremen und die Gemeinde Teck. Von einer im Internet abrufbaren Mission Leipzig mit einer Adresse in Sachsen-Anhalt gehen keine Aktivitäten aus. 144 Scientology Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auf Grund von Sensibilisierungen des Verfassungsschutzes konnten Kontaktaufnahmeversuche zu kommunalen Mandatsträgern verhindert werden. Jedoch ist damit zu rechnen, dass mit der aktuellen Crystal-Problematik NARCONON weiterhin versuchen wird, Jugendliche, Eltern und Lehrer zu erreichen. Aktivitäten gegenüber Behörden Auch die SO-Teilorganisation "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) entfaltet Außenwerbung. Mit ihren Kampagnen diffamiert sie insbesondere Psychiater und Psychologen. So wandte sich die KVPM seit dem Frühsommer in einigen Bundesländern - auch in Sachsen-Anhalt - an mehrere Richterinnen und Richtern an Familiengerichten, um sie für die Ablehnung der psychiatrischen Therapie zu interessieren. Ihnen wurde eine DVD mit dem Titel "Der Schein trügt" gesendet und die Empfänger wurden aufgefordert, diese DVD auch bei Kollegen, Vorgesetzten und in Richterfortbildungen bekannt zu machen. 145 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 VII. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung, Abwehr und Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste und gehört damit zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde gemäß SS 4 (3) VerfSchG-LSA.138 Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben auch im Berichtsjahr eine bedeutende Rolle gespielt. So ist Deutschland als weltpolitischer Akteur, aufgrund der geopolitischen Lage, der Rolle in der EU und der NATO sowie als Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie sehr attraktiv für fremde Nachrichtendienste. In Sachsen-Anhalt befinden sich nicht nur zahlreiche mittlere und kleinere Unternehmen. Unser Bundesland ist von seiner geostrategischen Lage in der Mitte Europas mit den nahe gelegenen Flughäfen Leipzig/Halle, Berlin und Hannover bekannt. Ein weiteres Ausforschungsziel fremder Nachrichtendienste sind systemoppositionelle Gruppen aus ihren Heimatländern, die in Deutschland leben. Diese nachrichtendienstlichen Interessen gehen nicht nur von den "klassischen" osteuropäischen Staaten aus, in Deutschland ist eine Vielzahl ausländischer Nachrichtendienste aktiv. Unterschiede bei den Zielen der Informationsbeschaffung Für Regierungen nahezu aller Staaten sind Informationen aus dem Ausland von entscheidender Bedeutung. Die unberechtigte und geheime Informationsbeschaffung dient der Erlangung von Vorteilen in politischen, militärischen, strategischen und wirtschaftlichtechnologischen Zusammenhängen. Die Folgen für unser Land reichen von einer geschwächten Verhandlungsposition über hohe materielle Kosten und volkswirtschaftlichem Schaden bis hin zu einem partiellen Verlust nationaler Souveränität. Die Erfahrung hat gezeigt, 138 Siehe Anhang. 146 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 dass Nachrichtendienste einiger bestimmter Staaten in besonderer Weise Spionageaktivitäten gegen unser Land entfalten. Eine herausragende Rolle spielen unverändert chinesische und russische Nachrichtendienste. FREMDE NACHRICHTENDIENSTE Russische Nachrichtendienste Seit Beginn des Ukraine-Konflikts sorgt sich Russland verstärkt um seine Einflussmöglichkeiten im Nachbarland. Russland will seinen historisch gewachsenen Einfluss in der Ukraine erhalten und ausbauen und wünscht keine Stabilisierung des Nachbarlandes im westlichen Sinn. Dabei deklariert die russische Staatsführung den Konflikt der eigenen Bevölkerung als weiteren Versuch der USA, in den russischen Kulturkreis vorzustoßen. Diese Meinung wirkt sich auch auf die Spionagetätigkeit der russischen Nachrichtendienste SWR139, FSB140 und GRU141 in Deutschland aus. Möglicherweise fehlt es den Diensten derzeit noch an konkreten Direktiven, wie mit der neuen Situation umzugehen sei, mehr noch wird aber eine überwiegend anti-russische Stimmung in Deutschland befürchtet, die sich auf bilaterale Beziehungen auswirken könnte. So haben die russischen Dienste ein verstärktes Interesse, zu erfahren, wie Deutschland politisch zur Ukraine-Krise steht, über welche Sanktionen gegenüber Russland nachgedacht wird und welche Alternativen Deutschland und die angrenzenden Nachbarländer Polen, Tschechien sowie die baltischen Staaten in Bezug auf die russischen Erdgaslieferungen abwägen. Methoden der Informationsbeschaffung Das Nachrichtenmagazin FOCUS142 berichtete im Berichtsjahr unter dem Thema "Würgen, schlagen, töten lernen" über eine nachrichtendienstliche Nutzung der russischen Kampfkunst "SYSTEMA", die 139 SWR: Sluschba Wneschnei Raswedki - russischer Auslandsnachrichtendienst. 140 FSB: Federalnaja Sluschba Besopasnosti - Inlandsgeheimdienst mit Führung von Gegenspionage. 141 GRU: Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije - Militärischer Auslandsnachrichtendienst. 142 Focus, vom 25. Mai, Ausgabe 22/2014, Seite 48. 147 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 vom GRU gesteuert werde. Bei den meisten Trainern und Funktionären in Deutschland und Westeuropa soll es sich um ehemalige russische Nachrichtendienstoffiziere und Militärangehörige russischer Spezialeinheiten handeln, die insbesondere an der Abschöpfung oder Werbung von Mitarbeitern von Polizei, Militär, Justiz und privaten Sicherheitsdiensten interessiert seien. Bislang liegen jedoch für Sachsen-Anhalt keine Informationen vor, die auf eine systematische Steuerung eines SYSTEMA-Netzwerks seitens eines russischen Nachrichtendienstes hinweisen. In Russland selbst richten die Nachrichtendienste ihren Blick auf Personen, die sich beruflich oder privat für längere Zeit dort aufhalten. Persönliche Daten in Visaanträgen, Grenzkontrollen sowie die Internetund Telefonüberwachung liefern dabei notwendige Informationen. Persönliche Schwächen, besonders aber tatsächliche oder vermeintliche Verstöße gegen russische Gesetze und Bestimmungen dienen dabei als Druckmittel. Chinesische Nachrichtendienste Wie in Russland haben auch die chinesischen Nachrichtendienste für ihre Staatsführung erheblich an Bedeutung gewonnen. Als aufstrebende politische und wirtschaftliche Macht stehen wie bisher für China ausgewählte deutsche Firmen und Hochschuleinrichtungen im Interesse der Nachrichtendienste, davon ist auch für das Land Sachsen-Anhalt auszugehen. Ferner interessieren sich die chinesischen Dienste für die Ausrüstung der Bundeswehr und deren Rolle in der NATO. Daneben spielt die Ausspähung von in Deutschland lebenden oppositionellen Gruppen eine Rolle. Angehörige der so genannten "Fünf Gifte"143 sind ein Ziel für chinesische Nachrichtendienste. Nachrichtendienstliche Aktivitäten organisieren in erster Linie das als Inund Auslandsdienst strukturierte Ministerium für Staatssi143 "Fünf Gifte" sind eine Bezeichnung der Kommunistischen Partei Chinas für Mitglieder der Vereinigung der Uiguren, Anhänger der Eigenständigkeit Tibets und Taiwans, Praktizierende der Falun Gong-Bewegung und Anhänger der Demokratiebewegung. 148 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 cherheit und der Militärische Nachrichtendienst. Mit weiteren Aufklärungsaktivitäten sind auch das Ministerium für Öffentliche Sicherheit MPS und das "Büro 610"144 betraut. Methoden der Informationsbeschaffung Die chinesischen Nachrichtendienste agieren gegenüber westlichen Zielpersonen äußerst vorsichtig und sehr geduldig, die Nachrichtendienstoffiziere versuchen, die Zielperson für sich einzunehmen und auf freundschaftlicher Basis zu werben. Im Inland bieten auch hier Informationen in den Visaanträgen, beispielsweise zur beruflichen Tätigkeit und zur Arbeitsstelle konkrete Ansatzpunkte. Ebenfalls verfügen die Dienste über moderne Kommunikationsüberwachungsmöglichkeiten. Darüber hinaus werden auch kompromittierende Situationen herbeigeführt, die für aggressive Anwerbungsversuche genutzt werden. Bei ihren Landsleuten treten chinesische Dienste ausgesprochen fordernd auf und schrecken auch vor direkten Drohungen nicht zurück. In Deutschland versuchen chinesische Dienste, Agenten in Kreisen der Exilopposition anzuwerben. Aktivisten uigurischer Organisationen werden pauschal als Terroristen diffamiert, damit deutsche Behörden zum Einschreiten veranlasst und Veranstaltungsverbote erwirkt werden können. Anlass zur Sorge geben aber auch die gegen Deutschland gerichteten umfangreichen Elektronischen Angriffe 145 aus China. 144 Der Name "Büro 610" geht auf das Gründungsdatum des Büros zurück (10.06.1999). Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Die Verwaltungs-, Justizund Polizeibehörden arbeiten dem "Büro 610" zu. 145 Siehe Seite 143. 149 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Weitere Nachrichtendienste Nachrichtendienste westlicher Staaten wurden in den zurückliegenden Jahren nicht systematisch bearbeitet. Die Spionageabwehr muss sich jedoch stets auf den grundlegenden Wandel durch Globalisierung, geopolitische Veränderungen und variierende Bedrohungsszenarien einstellen. Der Verfassungsschutz geht gemäß seinem gesetzlichen Auftrag deshalb jedem Anfangsverdacht von Spionage nach. So wurden am 17. Dezember ein türkischer Staatsangehöriger zusammen mit einem Deutschen am Flughafen in Frankfurt am Main (Hessen) und ein weiterer türkischer Staatsangehöriger in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) aufgrund bestehender Haftbefehle wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen. Die Beschuldigten sind verdächtig, für einen türkischen Nachrichtendienst gearbeitet zu haben. Dabei habe eine Person als Führungsoffizier der beiden anderen gearbeitet. Sie sollen unter anderem den Auftrag gehabt haben, Informationen über in Deutschland lebende Türken und ihre Organisationsstrukturen zu beschaffen. Arabische und nordafrikanische Nachrichtendienste werden in Deutschland hauptsächlich gegen Oppositionelle ihrer Heimatländer aktiv. Das gilt besonders dann, wenn sich die Betroffenen in Deutschland oppositionell betätigen, wie beispielsweise an entsprechenden Demonstrationen teilnehmen. An dieser Strategie haben auch politische Umwälzungen im arabischen und nordafrikanischen Raum nichts geändert. Auch die Lage im syrischen Bürgerkrieg spitzte sich im Berichtsjahr weiter zu. Im Fokus der syrischen Nachrichtendienste stand die Aufstandsbekämpfung und Unterdrückung der Opposition im eigenen Land. Mit der sich in Deutschland jedoch vergrößernden Exilgemeinde könnten neue Ausforschungsmethoden über syrische oppositionelle Aktivitäten zur neuen Zielvorgabe für den syrischen Dienst in Deutschland werden. 150 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Das Kammergericht Berlin verurteilte am 6. Juni einen deutschsyrischen Staatsangehörigen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Haftstrafe von neun Monaten und setzte die Strafe auf zwei Jahre zur Bewährung aus. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte von mindestens November 2011 bis Februar 2012 Informationen über in Deutschland lebende syrische Oppositionelle und ihre Veranstaltungen in Berlin an einen anderen, bereits rechtskräftig Verurteilten übermittelt hatte. PROLIFERATIONSABWEHR Unter Proliferation wird die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) und der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte - einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows - sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen verstanden. Länder, von denen zu befürchten ist, dass sie ABC-Waffen in einem bewaffneten Konflikt einsetzen oder deren Einsatz androhen werden, bezeichnet man als Risikostaaten. Staaten wie Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan werden verdächtigt, ihr konventionelles Waffenarsenal durch die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu ergänzen. Nordkorea hat zuletzt 2013 gezeigt, dass es in der Lage ist Atomsprengsätze zu zünden, Pakistan besitzt bereits Atomwaffen und deren Trägersysteme. Deutschland hat sich verpflichtet, keine ABC-Waffen herzustellen oder zu besitzen und ist mehreren internationalen Vertragswerken beigetreten: Dem Atomwaffensperrvertrag von 1970, der Biowaffenkonvention von 1975 und dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) von 1993. Zusätzlich unterliegt Deutschland mehreren internationalen Exportkontrollsystemen, so genannten Regimen, die Gruppe der Kerntechniklieferanten überwacht kerntechnische Exporte, die "Australische Gruppe" minimiert das Risiko der Verbreitung von chemischen und biologischen Waffen und das Kontrollsystem für Raketentechnologie verhindert die Verbreitung von Raketen mit mehr als 300km Reichweite. Diese Exportkontrollregime und das CWÜ erhalten durch die EU-Dual-Use-Verordnung VO (EU) 151 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 428/2009 europaweit Gesetzeskraft. Sie wird nach Bedarf an neue technische Entwicklungen angepasst, zuletzt am 22. Oktober. Die Verfassungsschutzbehörden befassen sich mit dem Phänomen der Proliferation, weil dieses sich konspirativer Mittel und Methoden bedient, um die gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen zu umgehen. Die Nachrichtendienste der Risikostaaten stehen im Verdacht, Proliferation zu betreiben und zu fördern, indem sie diese Aktivitäten logistisch und personell unterstützen. Um illegale Exporte durchzuführen, wird beispielsweise der Endnutzer einer sensiblen Ware verschleiert, ein Lieferweg über Umweglieferländer gewählt, Tarnfirmen und Strohmänner werden genutzt. Auf Grund ihrer Aktivitäten gegen die Ukraine hat der Rat der Europäischen Union am 14. März damit begonnen, restriktive Maßnahmen gegen die Russische Föderation zu erlassen. Richteten sich die Verordnungen zunächst gegen namentlich bekannte Personen, greifen ab dem 31. Juli wirtschaftliche Embargo-Maßnahmen im Sektor der Rüstungsund Dual-Use-Güter. Weitere Hinweise und Merkmale für Proliferation finden Sie in der Broschüre "Proliferation - Wir haben Verantwortung", die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder herausgegeben wird. Sie kann im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz abgerufen oder als Druckschrift per E-Mail bei abwehr@mi.sachsen-anhalt.de angefordert werden. 152 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 ELEKTRONISCHE ANGRIFFE Im Berichtszeitraum wurden Elektronische Angriffe auf private und öffentliche Forschungseinrichtungen der Luftund Raumfahrt, der Rüstungsindustrie, Petrochemie und der medizinischen Forschung bekannt. Als Urheber werden staatlich gesteuerte und gesponserte Hacker vermutet, die vom Iran, aus der Russischen Föderation und der Volksrepublik China heraus weltweit private und öffentliche ITInfrastrukturen angreifen. Der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde liegen bislang keine Erkenntnisse darüber vor, dass hiesige Unternehmen Opfer von nachrichtendienstlich gesteuerten Elektronischen Angriffen geworden sein könnten, jedoch sind Unternehmen und Forschungseinrichtungen der genannten Branchen grundsätzlich gefährdet. Diese Angriffe richten sich gegen ausgewählte Personen, die sich zumeist in Führungsfunktionen der Firmen und Forschungseinrichtungen befinden oder mit hochsensiblen Betriebsgeheimnissen arbeiten oder diese entwickeln. Die Angreifer können sowohl von Nachrichtendiensten als auch von Konkurrenten geführt werden. Die eingesetzte Schadsoftware wird vor ihrem gezielten Einsatz mit Hilfe handelsüblicher Schutzsoftware getestet. Der Grad der Gefährdung eines Unternehmens steht in unmittelbarem Verhältnis zum realisierbaren Gewinn oder zu den strategischen Bedürfnissen des Angreifers. Angegriffene Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollten sich unbedingt an die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde wenden. Eine vertrauliche Behandlung aller Informationen wird zugesichert. WIRTSCHAFTSSCHUTZ Die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde setzte im Berichtszeitraum ihre Kooperation mit sachsen-anhaltischen Unternehmen und Unternehmensverbänden fort. Es wurden öffentliche Vorträge gehalten und Sensibilisierungen durchgeführt, in denen über die Arbeitsweise und die Interessenschwerpunkte fremder Nachrichtendienste informiert wurde. 153 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Der Wirtschaftsschutz im Ministerium für Inneres und Sport steht der sachsen-anhaltischen Wirtschaft als Kooperationspartner zur Verfügung. Öffentliche Vorträge, Vorträge zur Sensibilisierung der Firmenbelegschaft oder vertrauliche Gespräche mit den Entscheidungsträgern können jederzeit nachgefragt werden. Bei drohenden oder eintretenden Sicherheitsvorfällen steht der Wirtschaftsschutz Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Universitäten zur Seite. Die Unternehmensverantwortlichen sollen durch unser Mitwirken bei einem drohenden oder gerade eintretenden Sicherheitsvorfall in die Lage versetzt werden, die für die Firma richtige sicherheitserhebliche Entscheidung zu treffen. Konkrete Hinweise und Empfehlungen Auslandsreisende müssen für viele Staaten ein Visum beantragen. Anhand der Visa-Daten, die sich in modernsten Datenbanken befinden, können die Nachrichtendienste der Zielländer mögliche Zielpersonen für nachrichtendienstliche Ansprache auswählen. Mit Hilfe modernster Datenbanktechnologien und Recherchemethoden (Big Data) können tiefe Einblicke in Firmen und Firmenstrukturen gewonnen werden. Mit dem Wechsel von der papiergebundenen Visumsbeantragung zur Online-Beantragung via Internet spart der Zielstaat die manuelle Erfassung. Bei der Beantragung von Visa sollte daher der Sicherheitsbeauftragte des Unternehmens oder der Behörde darauf hinwirken, dass die personenbezogenen Daten der Dienstreisenden äußerst sparsam verwendet werden. E-Mail-Adressen sind potenzielle Angriffsziele für gezielte Elektronische Angriffe, daher sollten weder Firmenadressen noch existierende private E-Mail-Adressen in VisumsAnträgen eingetragen werden. Es wird empfohlen sich besondere Reise-Accounts zuzulegen. Die Verfassungsschutzbehörde bietet weiterhin kostenfrei allen sachsen-anhaltischen Unternehmen und Verbänden, allen Hochschulen und Behörden eine Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen an. Sie liefert Informationen, bietet den vertraulichen Dialog und die 154 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Unterstützung bei der Abwehr von Spionageund Ausspähungsversuchen. Die Verfassungsschutzbehörde verteilt oder versendet auf Wunsch Faltblätter mit allgemeinen Informationen zum Wirtschaftsschutz in Sachsen-Anhalt und zu spezifischen Risiken für Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Darüber hinaus werden Faltblätter mit Informationen zu folgenden Spezialthemen vorgehalten: Auslandsreisen, Personalauswahl, Besuchermanagement, Verhalten in sozialen Netzwerken, Elektronische Angriffe, Sicherheit beim Know-how-Transfer, interne Sicherheit, Wirtschaftsspionage durch (Einbruchs-) Diebstahl und Wissenschaftsspionage. MITARBEIT DER BEVÖLKERUNG Die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt hat den gesetzlichen Auftrag, gemäß SS 4 Abs. 1 Nr. 3 VerfSchG-LSA Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu sammeln und auszuwerten. Damit die Verfassungsschutzbehörde ihren Auftrag erfüllen kann, benötigt sie auch und gerade Hinweise auf die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste. Alle Personen, die von derartigen Sachverhalten Kenntnis haben oder von fremden Nachrichtendiensten zur Mitarbeit aufgefordert wurden, werden gebeten, ihr Wissen im Interesse unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ihrer eigenen Sicherheit an die Verfassungsschutzbehörde weiterzugeben. Auch demjenigen, der bereits im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden ist, kann geholfen werden, sich aus einer ausweglos erscheinenden Situation zu befreien. Die Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht wie die Strafverfolgungsbehörden dem Legalitätsprinzip und sind daher nicht in jedem Fall verpflichtet, 155 Spionageabwehr Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 die Strafverfolgungsbehörden über Hinweise auf Spionagedelikte zu informieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Die Verfassungsschutzbehörde bietet hierzu jederzeit ihre Hilfe an und sichert Vertraulichkeit zu. Das Gleiche gilt für die Übermittlung etwaiger Verdachtsmomente, Sicherheitsvorfälle oder elektronischer Angriffe. Die Spionageabwehr der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ist wie folgt zu erreichen: Telefon: 0391/567 3900 Fax: 0391/567 5943 E-Mail: abwehr@mi.sachsen-anhalt.de 156 Geheimschutz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 VIII. Geheimschutz Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder müssen sich darauf verlassen können, dass Informationen, deren Kenntnisnahme von Unbefugten den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden können als im staatlichen Interesse geheim zu haltende Informationen (Verschlusssachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Jeder, dem eine Verschlusssache anvertraut oder zugänglich gemacht worden ist, trägt die persönliche Verantwortung für ihre sichere Aufbewahrung und vorschriftsmäßige Behandlung sowie für die Geheimhaltung ihres Inhalts gemäß den Bestimmungen der Verschlusssachenanweisung für das Land Sachsen-Anhalt (VSA - LSA). Geheimschutz im öffentlichen Bereich Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person, um Zugang zu Verschlusssachen zu erhalten. Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde zu ermitteln, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden und zu bewerten. Aufgrund ihres Votums entscheidet der Geheimschutzbeauftragte des jeweiligen Bereichs in eigener Zuständigkeit, ob einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen wird. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auch bei Sicherheitsüberprüfungen im nichtöffentlichen Bereich mit. 157 Geheimschutz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befasst sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern oder zumindest erschweren sollen, dass Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Die Verfassungsschutzbehörde hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen können. 158 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. April 2006 (GVBl. LSA S. 236), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (GVBl. LSA S. 494, 495) Inhaltsübersicht Erster Teil: ORGANISATION UND AUFGABEN SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Organisation und Zusammenarbeit SS 3 Bedienstete und Mitarbeiter SS 4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Begriffsbestimmungen Zweiter Teil: ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Besondere Formen der Datenerhebung SS 9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten SS 13 (weggefallen) Dritter Teil: AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person Vierter Teil: INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde 159 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an die Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 20 Übermittlungsverbote SS 21 Minderjährigenschutz SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird SS 23 Nachberichtspflicht SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Fünfter Teil: PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission SS 25 Zusammensetzung und Wahl SS 26 Verfahrensweise SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 29 Datenerhebung bei Mitgliedern des Landtages Sechster Teil: SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger SS 30a Einschränkung von Grundrechten SS 30b Sprachliche Gleichstellung SS 31 Inkrafttreten Erster Teil ORGANISATION UND AUFGABEN SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Er hat die Landesregierung und andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch sollen diese Stellen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können. (3) Er hat auch die Öffentlichkeit über seine Aufgabenfelder zu unterrichten. 160 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS2 Organisation und Zusammenarbeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Abteilung. (2) Die für Verfassungsschutz zuständige Abteilung im für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr. (3) Sie ist verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund und den Ländern zusammenzuarbeiten. (4) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. SS3 Bedienstete und Mitarbeiter (1) Die Mitarbeiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium haben sich einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes zu unterziehen, welches insbesondere auf Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für nationale Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik überprüft und in das der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einbezogen wird. (2) Personen, die dem Repressionsapparat der Deutschen Demokratischen Republik angehörten, insbesondere hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, Mitarbeiter der Abteilung I der Kriminalpolizei und ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dürfen nicht mit Aufgaben des Verfassungsschutzes betraut werden; Personen mit Offiziersrang der bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen Republik dürfen Aufgaben des Verfassungsschutzes nur in zu begründenden Ausnahmefällen übertragen werden. SS4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 161 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Es gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht 162 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c) das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt konkretisierten Menschenrechte. 163 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Zweiter Teil ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. (2) Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 4 Abs. 1. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informationen verdeckt erheben. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. (4) Die Behörden des Landes sind verpflichtet, den Verfassungsschutzbehörden technische und verwaltungsmäßige Hilfe für Tarnmaßnahmen zu leisten. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. (6) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Die betroffene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 4 Abs. 2 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). 164 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS8 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn die Daten nicht auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise erhoben werden können. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben einzelner Personen unerlässlich ist und geeignete verwaltungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in einer Wohnung. Die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel nach Satz 1 und 2 trifft der Richter. Bei Gefahr im Verzug kann der für den Verfassungsschutz zuständige Minister oder der für den Verfassungsschutz zuständige Staatssekretär einen solchen Einsatz anordnen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf längstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als weitere drei Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. Ein Eingriff nach Satz 1 oder 2 ist der betroffenen Person nach seiner Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffes ausgeschlossen werden kann. (3) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen für den Verfassungsschutz tätigen Personen vorgesehen, kann der für den Verfassungsschutz zuständige Minister oder eine von diesem beauftragte Person deren Einsatz anordnen. Eine anderweitige Verwendung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (3a) Maßnahmen nach Absatz 1, 2 oder 3 dürfen nur angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. 165 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 (3b) Laufende Maßnahmen nach Absatz 1, 2 oder 3 sind unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung von der Datenerhebung erfasst wird. Ist eine Maßnahme nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf sie nur unter den in Absatz 3a genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Absatz 2 Satz 3 bis 8 bleibt unberührt. Erfasste Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. (4) Zuständiges Gericht für Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 ist das Amtsgericht am Sitz der Verfassungsschutzbehörde. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (5) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über die nach Absatz 2 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 3 angeordneten Maßnahmen. (6) Gegen Unbeteiligte dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt angewendet werden. SS9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 erforderlich ist, 3. die Verfassungsschutzbehörde nach SS 4 Abs. 2 tätig wird oder 4. dies zur Erfüllung sonstiger gesetzlich zugewiesener Aufgaben erforderlich ist. (1a) Die Verfassungsschutzbehörde darf zum Zwecke der Vorgangsverwaltung personenbezogene Daten im Sinne des Absatzes 1 mit zur Erledigung anderer Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten amtsintern zusammen in automatisierten Verfahren verarbeiten und nutzen, soweit dies nicht nach anderen Rechtsvorschriften ausgeschlossen ist. Die jeweiligen Vorschriften zur Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten, insbesondere zur Zweckbindung, bleiben unberührt. Ist der Zugriff auf personenbezogene Daten, deren Verarbeitung und Nutzung nach Satz 2 nicht vorgesehen ist, mit vertretbarem Aufwand nicht auszuschließen, ist die weitere Verarbeitung oder Nutzung dieser Daten unzulässig. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 Abs. 2 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. (3) Die Speicherung von Informationen aus der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Personen in Dateien ist unzulässig. 166 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 (4) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Abs. 1 Daten über Minderjährige nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres speichern, verändern und nutzen. Die Speicherung in gemeinsamen Dateien im Sinne des SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch SS 32 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2590, 2597), ist nicht zulässig. (2) Gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Abs. 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die nach SS 9 Abs. 1 in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die zu ihrer Person geführten Akten zu vernichten. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob nach SS 9 Abs. 1 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 oder 5 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. 167 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden und die Daten für ihre künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. SS 13 Dateianordnungen (weggefallen) 168 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Dritter Teil AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt der betroffenen Person über zu ihrer Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die von der betroffenen Person nach Satz 1 mitgeteilten Informationen dürfen nur zum Zwecke der Prüfung des Auskunftsbegehrens verwendet werden. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftserteilung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist die betroffene Person auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die betroffene Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Landesbeauftragte kann die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich für ihn im Einzelfall Beanstandungen ergeben, eine Auskunft an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. 169 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Vierter Teil INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten (1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (2) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Öffentlichkeit periodisch und aus gegebenem Anlass im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (3) Es darf dabei auch personenbezogene Daten bekannt geben, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppen erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten (1) Werden öffentliche Stellen, die nicht Nachrichtendienste sind, um Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur die Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. (2) Absatz 1 gilt nicht für Ersuchen um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Soweit nach anderen Rechtsvorschriften ein Übermittlungsersuchen durch den Behördenleiter zu stellen ist oder von seiner Ermächtigung abhängt, gilt als Behördenleiter der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium. SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen (1) Öffentliche Stellen im Sinne von SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger unterrichten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Ge170 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 setzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 4 und 5 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus von sich aus der Verfassungsschutzbehörde auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (3) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei sowie andere Behörden übermitteln auf Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde die zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen werden durch die Verfassungsschutzbehörde aktenkundig gemacht. Unter den gleichen Voraussetzungen darf die Verfassungsschutzbehörde 1. Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder die betroffene Person unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf die Verfassungsschutzbehörde bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat die Verfassungsschutzbehörde einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die der Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 2 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (7) Übermittelte Informationen hat die Verfassungsschutzbehörde eigenständig zu bewerten. 171 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Ausgenommen sind Telemediendienste, bei denen die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Verkehrsdaten nach SS 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 des Telekommunikationsgesetzes, b) sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und c) Bestandsdaten, die nach den SSSS 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes erhoben werden (SS 113 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes), und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig von Absatz 1 erfasste Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediendienstes, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung für die in SS 4 Abs. 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 4 Abs. 1 Nr. 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 172 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. Eine Auskunft nach Satz 1 Nr. 4 über Bestandsdaten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (SS 113 Abs. 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes), und über Bestandsdaten, die anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse bestimmt werden (SS 113 Abs. 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes), darf nur verlangt werden, wenn die Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen. (3) Anordnungen nach Absatz 2 dürfen sich auch gegen Personen richten, bei denen aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist 1. bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für den von einer Maßnahme nach Absatz 2 Betroffenen in Anspruch nehmen, oder 2. bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4, dass sie für den von einer Maßnahme nach Absatz 2 Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, dass der von einer Maßnahme nach Absatz 2 Betroffene ihren Anschluss benutzt. (4) Die Anordnung über die Einholung von Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 trifft der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sein Vertreter im Amt. Die Anordnung über die Einholung von Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 trifft der für den Verfassungsschutz zuständige Minister oder sein Vertreter im Amt. Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 hat die Verfassungsschutzbehörde dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffes ausgeschlossen werden kann. (5) Über Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 unterrichtet die Verfassungsschutzbehörde die G 10-Kommission (SS 1 Abs. 2 des Artikel 10-Gesetzes) vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die Verfassungsschutzbehörde den Vollzug der Anordnung auch bereits vor der Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Die G 10Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. Die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten. Anordnungen über Auskünfte, die die G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat die Verfassungsschutzbehörde unverzüglich aufzuheben. Die Daten unterliegen in diesem Fall einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. Für die 173 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Für die Mitteilung an den Betroffenen ist SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (6) Die Verfassungsschutzbehörde darf, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung für ein in SS 4 Abs. 1 genanntes Schutzgut vorliegen, technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteoder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. Sie darf sich nur gegen den Betroffenen oder die in Absatz 3 Nr. 2 bezeichneten Personen richten. Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. Die Absätze 4, 5 und 7 gelten entsprechend. (7) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung des Absatzes 2. Dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag von Sachsen-Anhalt jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie über Art, Umfang und Anordnungsgründe der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach Absatz 2; dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (8) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes über die nach Absatz 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 durchgeführten Maßnahmen nach Maßgabe des SS 8a Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (9) Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (10) Für die Erteilung von Auskünften hat ein Diensteanbieter im Sinne von SS 3 Nr. 6 des Telekommunikationsgesetzes oder SS 2 Nr. 1 des Telemediengesetzes Anspruch auf eine Entschädigung entsprechend SS 23 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes; die Vorschriften über die Verjährung in SS 2 Abs. 1 und 4 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes finden entsprechend Anwendung. Aufgrund eines Auskunftsverlangens haben Diensteanbieter die zur Auskunft erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln. 174 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Auf Anfragen der Einstellungsbehörden erteilt der Verfassungsschutz auch Auskünfte zur Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben. Die Auskunft ist beschränkt auf gerichtsverwertbare Tatsachen aus vorhandenen Unterlagen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere wegen der Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen ihrer Aufgaben nach SS 4 personenbezogene Daten an andere Stellen übermitteln, soweit dies für die Erhebung personenbezogener Daten erforderlich ist. Im Übrigen dürfen personenbezogene Daten an andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ferner zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten einer fremden Macht erforderlich ist und das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium seine Zustimmung erteilt hat. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, der Polizei von sich aus die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. 175 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 (2) Delikte nach Absatz 1 sind 1. die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. alle Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, a) dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, b) dass es sich um Bestrebungen handelt, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b und c des Grundgesetzes). (3) Die Polizei darf zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 2 die Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen erforderlich ist (SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes). SS 20 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Teils unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere bei Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre, und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen, insbesondere wenn die Informationen zu löschen waren. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 21 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Vo176 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 raussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres aus nicht zur Person geführten Akten dürfen an ausländische, überoder zwischenstaatliche Stellen nicht übermittelt werden. SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird Der Dritte, an den übermittelt wird, prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren und in den Akten entsprechend zu kennzeichnen. SS 23 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Dritten, an den die Daten übermittelt wurden, zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Für die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung und den anderen Abteilungen des für den Verfassungsschutz zuständigen Ministeriums gelten die SSSS 16 bis 23 entsprechend. 177 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Fünfter Teil PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterliegt auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission wahr. (2) Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. SS 25 Zusammensetzung und Wahl (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Abgeordneten des Landtages. Der größten Oppositionsfraktion steht ein Sitz in der Kontrollkommission zu. (2) Der Landtag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder der Kommission sowie die gleiche Zahl von Stellvertretern mit der Mehrheit seiner Abgeordneten. (3) Scheidet ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Kommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder ein neues stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus der Kommission ausscheidet. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat; für die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission, die nicht dem neugewählten Landtag angehören, findet das Sicherheitsüberprüfungs und Geheimschutzgesetz keine Anwendung. SS 26 Verfahrensweise (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Kommission. Die Pflicht zur Geheimhaltung gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Die Kommission tritt mindestens vierteljährlich, zusätzlich auf Antrag eines Mitgliedes zusammen. 178 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 (3) Sie wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und Protokolle von den Mitgliedern der Kommission und ihren Stellvertretern eingesehen werden können. SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört auch das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Sie berichtet auch über den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Verfassungsschutzbehörde werden der Kommission zur Mitberatung zugeleitet. Die Landesregierung unterrichtet die Kommission über den Vollzug der Wirtschaftspläne im Haushaltsjahr. Die Kommission hat das Recht, von sich aus Sachverhalte aufzugreifen. (2) Die Kommission hat auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. Der für den Verfassungsschutz zuständige Minister kann einem bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn es im Einzelfall die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erheblich gefährden würde; er hat dies vor dem Ausschuss schlüssig zu begründen. Die besonderen Rechte parlamentarischer Untersuchungsausschüsse bleiben unberührt. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über ihre bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (4) Die Kontrolle der Durchführung des Artikel 10-Gesetzes obliegt der G 10-Kommission. Das Nähere wird durch das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes geregelt. SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Die Parlamentarische Kontrollkommission hat auf Antrag eines Mitgliedes den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, die die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen. Die Befugnisse des Landesbeauftragten richten sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger. 179 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 SS 29 Datenerhebungen bei Mitgliedern des Landtages (1) Setzt die Verfassungsschutzbehörde nachrichtendienstliche Mittel gegen ein Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt ein, hat der für den Verfassungsschutz zuständige Minister die Parlamentarische Kontrollkommission und den Präsidenten des Landtages unverzüglich hiervon zu unterrichten. (2) Im Falle des Absatz 1 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 180 Verfassungsschutzgesetz Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Sechster Teil SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 4 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 9 bis 13, 15, 16 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger keine Anwendung. SS 30a Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf 1. Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 2. Schutz personenbezogener Daten (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 3. Schutz des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) eingeschränkt werden. SS 30b Sprachliche Gleichstellung Personenund Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form. SS 31 Inkrafttreten Satz 1 betrifft das Inkrafttreten. 181 Statistik Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK Politisch motivierte Straftaten 2013 2014 nach Phänomenbereich -rechts1339 1261 -links323 252 Ausländerkriminalität 4 9 Davon waren: Extremistische Straftaten 2013 2014 nach Phänomenbereich -rechts1275 1222 -links52 36 Ausländerkriminalität 0 6 Politisch motivierte Gewalttaten 2013 2014 nach Phänomenbereich -rechts71 47 -links63 72 Ausländerkriminalität 1 2 Von den genannten politisch motivierten Gewalttaten waren: Extremistische Gewalttaten 2013 2014 nach Phänomenbereich -rechts58 46 -links- 8 12 Ausländerkriminalität 0 1 Fremdenfeindliche und antisemitische 2013 2014 Straftaten Fremdenfeindliche Straftaten 222 255 Antisemitische Straftaten 70 74 Propagandadelikte 2013 2014 Propagandadelikte -rechts949 930 Propagandadelikte -links- 3 7 182 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 STICHWORTVERZEICHNIS 1. Mai-Demonstration 50, 89,111, 112 A AB-Mittelrhein (Bündnis) 53 Abtrimo (Band) 37 Abberode, OT Steinbrücken (Landkreis Mansfeld-Südharz) 95 Act of Violence (Band) 73 ADLER, Anne 78 Aktionsbündnis gegen das Vergessen (AgdV) 51f, 59f Aktionsbündnis Sachsen-Anhalt Süd 47, 94 Aktionsgruppe (AG) Merseburg 45 Aktionsgruppe (AG) Querfurt 48 Aktionsgruppe (AG) Weißenfels 48f Aktionsgruppe Nordharz 57 Aktionstag gegen Repression 108 Allstedt, OT Sotterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) 37 Allstedt, OT Nienstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) 45 Altermedia Deutschland 46 Altmärkischer Kreis der Bismarckfreunde 56 al-Qaida (Kern-al-Qaida) 131, 139 Anmietversuche (von Rechtsextremisten) 201, 202 Antifa 99f, 104ff Antifa-Bustour 107 Antifaschismus/antifaschistisch 99f. 104ff Antifaschistische Aktion Burg (AAB) 100, 183, 198 Antiglobalisierung 101 Antikapitalismus/antikapitalistisch 101, 103, 111 Antimilitarismus 101, 109ff, 119 Antirassismus 112 Antirepression 108f Antisemitismus/antisemitisch 25, 32, 36, 38, 62, 182 APFEL, Holger 70 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 120ff, 198 Arbeitskreis Antifa Magdeburg (AK Antifa) 99, 105f, 198 ARMSTROFF, Klaus 92f Aschersleben (Salzlandkreis) 19, 30 183 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Auskunftserteilung 23ff Ausländerextremismus 120f Autonomenszene 100, 104, 108 B Bamberg (Bayern) 48 BATIRASCHWILI, Tarchan 139 Bautzen (Sachsen) 86 Berga (Landkreis Mansfeld-Südharz) 73 Berlin 59, 62, 76, 86, 108f, 117, 133, 151 Bernburg (Saale) 80, 112, 117 Bewohner der Silberhöhe setzen sich zur Wehr. Gegen die HWG und Romas 42ff Biederitz, OT Gerwisch, (Jerichower Land) 63 BIERE, Andreas 53 Bitterfeld-Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) 80f Blood & Honour 32f Blue White Street Elite (BWSE) 33 Brigade Halle/Saale 42f BRÜCKNER, Rolf 44 BORCHARDT, Siegfried 88 Bürgerinitiative HalleMax 42f Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) 13 Bundesminister des Innern 132 Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) 37 Bundesverfassungsgericht 77, 83, 93 Burg 61, 63, 90, 91, 100, 101, 107, 109 C Celle (Niedersachsen) 133, 140 D Dagestan (RF) 137f Datenschutz 22 Der III. Weg (Partei) 50, 92ff Der Aktivist (Publikation) 83 184 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM) 124, 127, 198 Dessau-Roßlau 29, 58f, 61, 79f, 83, 105 Desselbrunn (Österreich) 38 Deutsches Rechtsbüro 50 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 100, 114ff, 198 DIE RECHTE (Partei) 50, 51, 73, 88ff, 97, 198 DIETRICH, Rolf 45, 47 Division 39 (MC) 35 Döbeln (Sachsen) 86 Dortmund (Nordrhein-Westfalen) 88 Dresden 50, 53f, 60ff, 72, 74f Düsseldorf 126f, 144 E Ein Licht für Dresden (Aktionswoche) 60 Elektronische Angriffe 153ff Embargo 152 ESCHERICH, Torsten 82 Europäische Aktion (EA) 72, 84 F Faustrecht (Band) 37 FC Ostelbien Dornburg e.V. 55 Feindbild Deutschland (Band) 73 Fischer, Hermann 62 FISCHER, Matthias 94 FISCHER, Michel 45, 47, 48 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM) 124f Foundation for a Drug-Free-World 144 Frankfurt am Main (Hessen) 122, 123, 150 FRANZ, Frank 70f Freie Kräfte 62 Freie Kräfte Burgenlandkreis 49 Freie Kräfte Erfurt 49 Freie Kräfte Halle 41 Freie Nationalisten 80, 98 185 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) 12f, 18, 27, 33, 36, 142 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 121, 198 Fremde Nachrichtendienste 146, 147 Fremdenfeindlichkeit/fremdenfeindlich 30, 35 182 "Fünf Gifte" 148 G G 10-Kommission 22 G7-(Gipfel) 110, 112 Gedächtnisstätte e.V. 95f Gedenkbündnis Bad Nenndorf 72 "Gedenkmarsch" 41, 48, 107 Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr 109f Geheimschutz 16, 157f Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) 81 Gesellschaftskritische Odysee (GekO) 100 Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) 13f, 17, 20f, 146, 155, 159ff Gesta Bellica (Band) 37 Gewaltorientierter Rechtsextremismus 25f, 34, 55, 57 Gewalttaten 26ff, 98, 104ff, 182 GIEMSCH, Dennis 88 GLEISSNER, Roman 89f Gommern (Jerichower Land) 38, 63 GREY, Thomas 78, 81 GRUNZEL, Michael 78 Gruppe der 7 führenden Industrienationen der Welt (siehe G7(Gipfel)) H HABERZETTEL, Daniel 81 Halberstadt 107 Halle (Saale) 31, 34, 41f, 60, 61, 79, 91, 100, 107, 108, 113, 114f, 123, 124, 144 HalleMax (siehe auch Bürgerinitiative HalleMax) 42f Hamburg 69, 133, 140 Hammerskinheads (HS) 32f 186 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Hannover 34, 43, 91, 126 HAVERBECK-WETZEL, Ursula 96 Heiliges Reich (Band) 73 "Heldengedenktag" siehe Volkstrauertag HENNIG, Rigolf 96 Heß, Rudolf 57, 63f Hitler, Adolf 62 Hooliganund Rockerszene 33f Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) 31, 34, 43, 91 Hubbard, L. Ron 141, 142 HUPKA, Steffen 64 I I.C.1. (Band) 37 Indymedia 106, 112 Initiative gegen das Vergessen 51f Internationalismus 100 Innenministerkonferenz (IMK) 127 (Islamische Republik) Iran 151, 153 Islamischer Staat (IS) 100, 122, 130 Islamismus/Islamist/islamistisch 129ff J Jihad 129, 139, 140 Jihadsalafismus 130f Jugend für Menschenrechte (SO-Kampagne) 143 Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) 95f. 199 Junge Nationaldemokraten (JN) 68, 83f, 199 K Kabelsketal (Saalekreis, OT Gröbers und Zwintschöna) 41 Kameradschaft 24, 55, 57, 96 KARL, Andreas 49, 78 Kaukasisches Emirat (KE) 137 Kern, Erwin 62 KLUG, Robert 89, 90 KNAPE, Andy 52, 84 187 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 KÖHLER, Andreas 81 Köln (Nordrhein-Westfalen) 34, 43, 101, 127 KÖSTER, Stefan 70 Kommando Kabelbrand 106 Kommando Skin (Band) 37 Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) 68, 76f, 199 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) 145 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) 100, 114, 117f, 199 Kobane (Syrien) 122, 125, 127 Kontrolle des Verfassungsschutzes 22f Konzerte 32, 36f, 89 Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) 121, 199 Köthen (Anhalt) 80f Kraft durch Froide (Band) 37 KRAUSE, Heiko 56, 78 KURTH, Alexander 47, 49 KUTSCHICK, Siegfried 117 L Leipzig (Sachsen) 115, 144 LINDEMANN, Thomas 81 Liederabende 36f Linksextremismus/linksextremistisch 99f Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 114ff Lutherstadt Wittenberg 78, 80f, 90 Lunikoff-Verschwörung (Band, siehe auch REGENER) 73 M MACHLEID, Peter 78 Magdeburg 35, 41, 45, 48, 50ff, 59, 78, 82, 90f, 99, 101, 104f, 108f, 11, 112, 114, 117, 123, 127, 144 Magdeburg Nazifrei (Bündnis) 105 MAGIDA-Bewegung 82 MALINA, Oliver 36f, 107 MARX, Enrico 37, 45, 58 188 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 100, 114, 115f, 199 Merseburg (Saalekreis) 31, 44ff, 50, 59, 61, 91, 94 Mezopotamien Kultur Haus e.V. 124, 199 MISCAVIGE, David 142 Möckern, OT Stresow, (Jerichower Land) 55 Möser, OT Schermen, (Jerichower Land) 61, 63 MÜLLER, Maik 60 Musikveranstaltungen (rechtsextremistische) 36f N Nachrichtendienstliche Mittel 20 NARCONON (siehe SO) 144f, 199 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 68ff, 199 Nationalsozialismus 63 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) 16, 30, 43, 82 Naumburg, OT Bad Kösen (Burgenlandkreis) 64 Naumburg, OT Bad Kösen, Saaleck (Burgenlandkreis) 62 Neue Wege (Publikation) 64 Neonaziszene 87 Newroz 126 Nordkaukasische Separatistenbewegung (NKSB) 137 No tears for krauts (AG NTFK) 113 O ÖCALAN, Abdullah 120f Öffentlichkeitsarbeit 17f Office of Special Affairs (OSA) 142 Osterwieck (Landkreis Harz) 65 Osterwieck, OT Göddeckenrode (Landkreis Harz) 65 P Pakistan 151 Paris 125 Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) 22 PASTÖRS, Udo 70 PEGIDA-Bewegung 73ff, 82, 119 PFÜRSTINGER, Kai 95 189 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Pitbullfarm (Band) 37 Plauen (Sachsen) 50 Politisch motivierte Strafund Gewalttaten 26f, 98, 182 Prävention 16, 19, 144 Proliferation 151f PÜSCHEL, Hans 81f Q Quedlinburg (Landkreis Harz) 57 Querfurt (Saalekreis) 48 R Rassismus/rassistisch 25, 30, 32, 38, 66, 182 Rathenau, Walther 62 REBELL (Jugendverband der MLPD) 115f, 199 Rechtsextremismus/rechtsextremistisch 24f Rechtsextremistische Musik 36f Rechtsextremistische Parteien und Vereinigungen 68f Rechtsextremistische Vertriebe 39f Rechtsterrorismus 26 REGENER, Michael (Lunikoff bzw. Lunikoff-Verschwörung) 73 Reichsbürger 19, 201 "Reichstrunkenbold" (siehe TSCHENTSCHER) Religious Technology Center (RTC) 141 Resistentia (Band) 73 rf-news (Online-Portal) 115 Richter 145 RICHTER, Sebastian 83, 84 RIEFLING, Dieter 46, 72 RIEFLING, Ricarda 76 Rieger, Jürgen 94 RIMBACH, Fabian 95 Ring Nationaler Frauen (RNF) 68, 72, 76f, 199 Risikostaaten 151f Rockerund Hooliganszene (siehe Hooliganund Rockerszene) Rojava 101, 127 ROSE, Olaf 72f, 84 Rote Aktion Köln 101, 199 190 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Rote Hilfe (RH) 117 Russische Nachrichtendienste 147f S Saha (auch Serit) 123 Sachsenblut (Band) 73 Salafismus 31, 130ff, 140 Salzwedel (Hansestadt), OT Ziethnitz 64 Sangerhausen 58 Saylemez, Leyla 125 SCHIMMER, Arne 74 Schloss Trebnitz 54 Schloss Elmau 101, 112 SCHMIDT, Edda 76 SCHMIDTKE, Sebastian 72 Schönhausen (Landkreis Stendal) 56 SCHRÖDER, Patrick 72 SCHÜSSLER, Gitta 76 SCHULHAUSER, Kevin 49 SCHUNK, Axel 55 Schwanebeck, OT Nienhagen (Landkreis Harz) 36, 107 Schwarze Kreuze Deutschland (Aktionstag) 64f SCHWERDT, Frank 70 Scientology-Organisation 141ff Sensibilisierung 85, 145, 153f Serit (siehe auch Saha) 123 Sicherheitsüberprüfung 16, 157 Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA) 16, 161f SKODA, Sven 53 SLAVE, Günter 115 Sondershausen (Thüringen) 72, 73 Sotschi (RF) 138 Spionageabwehr 18, 146ff "Steiner" (siehe WULFF) STEPHAN, Kevin 45, 48 Stimme von und für Elbe-Saale (Publikation) 115 191 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Straftaten 26ff, 32f, 42, 44, 98, 104f, 127, 182 Straßburg (Frankreich) 126 Stuttgart 102,116,144 Syrien 120f, 129f Syrienausreisen 133f SYSTEMA (russische Kampfkunst) 147f SZYMANSKI, Holger 71 T Tag der deutschen Zukunft 50 Terrorismus/terroristisch 26f, 129f Thiazi (Internet-Forum) 66f THIEL, Steffen 78 TIMM, Tassilo 116 Trauermarsch 45, 50, 53f, 105 Tschentscher, Philip ("Reichstrunkenbold") 38f Tschetschenien 137f Tschetschenische Republik Itschkeria (CRI) 137 Türkei 122, 125, 128 U Umarov, Doku 137f Umweltgewerkschaft der MLPD 116f V Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) 121 Verbotsverfahren gegen die NPD 77 Verschlusssache 157 Vertriebe 39f, 72 vk.com 65 VOGEL, Pierre 134, 136 VOIGT, Udo 68ff, 84 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) 121 Volkstrauertag (szeneintern "Heldengedenktag") 63f, 91, 93 Volksverteidigungskräfte (HPG) 120 V-Personen 20f W WALDE, Heidrun 76 192 Stichwortverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 WALDE, Peter 78, 81 Wanzleben-Börde, OT Klein-Wanzleben (Landkreis Börde) 107 War starts here-Camp 110 WEBER, Patrick 72f Weimar (Thüringen) 48, 62 Weißenfels (Burgenlandkreis) 44, 45, 47, 48f 64, 87 Wernigerode (Landkreis Harz) 57 WESSEL, Danilo 82 Wessel, Horst 61 WhatsApp 48, 65 Wirtschaftsschutz 153f Wirtschaftsspionage 155, 202 WORCH, Christian 47, 88ff World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 142, 200 WULFF, Thomas "Steiner" 55, 93 Wunsiedel (Bayern) 93 Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) 150 Y Yeni Özgür Politika (Publikation) 127 Z ZAKAYEV, Akhmed 137 ZASOWK, Ronny 70 ZEISE, Michael 49 Zeitz (Burgenlandkreis) 115, 117 Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) 107 ZIMMERMANN, Ingo 90 Zusammen Kämpfen (ZK) 99, 101f, 105, 111f, 200 193 Abkürzungsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 AAB Antifaschistische Aktion Burg AG Aktionsgruppe AgdV Aktionsbündnis gegen das Vergessen AG NTFK AG No tears for krauts AK Arbeitskreis BMI Bundesminister des Innern BpjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz BWSE Blue White Street Elite CRI Tschetschenische Republik Itschkeria CDK Civata Demokratik Kurdistan Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa DKP Deutsche Kommunistische Partei EA Europäische Aktion EAGD Eine antifaschistische Gruppe Dessau ENRK Eniya Rizgariya Neteweyi ya Kurdistane Nationalen Befreiungsfront Kurdistans FSB Federalnaja Sluschba Besopasnosti Inlandsgeheimdienst der RF G7 Gruppe der 7 führenden Industrienationen der Welt G 10-LSA Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt GekO Gesellschaftskritische Odysee GRU Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije - Militärischer Auslandsnachrichtendienst der RF GÜZ Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr HoGeSa Hooligans gegen Salafisten HPG Hezen Parastina Gel (Volksverteidigungskräfte) 194 Abkürzungsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 IMK Innenministerkonferenz IS Islamischer Staat JLO Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e.V. JN Junge Nationaldemokraten JVA Justizvollzugsanstalt KADEK Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) KC Komalen Ciwan Gemeinschaft der Jugendlichen (sinngemäß) KCK Koma Civaken Kurdistan (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans) KE Kaukasisches Emirat KGB Komitet Gosudarstwennoj Besopasnosti (ehemaliger sowjetischer Inund Auslandsnachrichtendienst) KKK Koma Komlen Kurdistan Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan KONGRA Kongra Gele Kurdistan GEL (Volkskongress Kurdistans) KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD/Ost Kommunistische Partei Deutschlands/Ost KPV Kommunalpolitische Vereinigung der NPD KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte LKA Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt MC Motorcycle Club (Motorradclub) MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands NAV-DEM Navenda Civaka Demoratik ya Kurden li Almanya Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NKSB Nordkaukasische Separatistenbewegung 195 Abkürzungsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 NSBM National Socialist Black Metal Nationalsozialistischer Black Metal NSDAP Nationalsozialistische Partei der Arbeit NWDO Nationaler Widerstand Dortmund NSU Nationalsozialistischer Untergrund OT Ortsteil OSA Office of Special Affairs (OSA) PKK Parlamentarische Kontrollkommission PKK Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) PYD Partiya Yekitiya Demokrat Partei der demokratischen Union RF Russische Föderation RTC Religious Technology Center RH Rote Hilfe RNF Ring Nationaler Frauen StGB Strafgesetzbuch SS Schutzstaffel der NSDAP SÜG-LSA Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz im Land Sachsen-Anhalt SWR Sluschba Wneschnej Raswedki (Ziviler Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) VerfSchGGesetz über den Verfassungsschutz im Land LSA Sachsen-Anhalt VS Verschlusssache WISE World Institute of Scientology Enterprises YDK Yekitiya Demokratik a Gele Kurd Kurdische Demokratische Volksunion YEK-KOM Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya (Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) 196 Abkürzungsverzeichnis Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 YPK Yekineyen Paraszina Gel Kurdisch-syrische Verteidigungseinheiten YXK Yekitiya Xwendekaren Kurdistan Verband der Studierenden aus Kurdistan ZASt Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber ZK Zusammen Kämpfen 197 Registeranhang Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 REGISTERANHANG ZUM VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT 2014 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Bericht genannten Parteien und Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische, in Sachsen-Anhalt sich betätigende Partei oder Gruppierung handelt. A Antifaschistische Aktion Burg (AAB) Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Arbeitskreis Antifa Magdeburg (AK Antifa) D Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM) Der III. Weg (Partei) Deutsche Kommunistische Partei (DKP) DIE RECHTE (Partei) F Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 198 Registeranhang Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 J Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) Junge Nationaldemokraten (JN) K Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) (siehe SO) Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) M Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Mezopotamien Kultur Haus e.V. N NARCONON (siehe SO) Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) R REBELL (Jugendverband der MLPD) Ring Nationaler Frauen (RNF) Rote Hilfe (RH) S Scientology-Organisation (SO) 199 Registeranhang Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 V Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) W World Institute of Scientology Enterprises (WISE) Z Zusammen Kämpfen (ZK) 200 Publikationsliste Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 PUBLIKATIONSLISTE Tagungsbroschüre "Reichsbürger" - Sonderlinge oder Teil der rechtsextremen Bewegung? Tagungsband zur Fachtagung am 8. Oktober 2014 an der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt veröffentlicht im Mai 2015 Informationsflyer "Reichsbürger" in Sachsen-Anhalt Was ist zu tun? veröffentlicht im September 2014 Tagungsbroschüre "Neue Erscheinungsund Aktionsformen im Rechtsextremismus" Tagungsband zur Fachtagung am 20. November 2013 an der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt veröffentlicht im April 2014 Broschüre "Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus" überarbeitete Auflage 2013 veröffentlicht im Januar 2013 Informationsflyer Informationsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen bei rechtsextremistischen Anmietversuchen - Private Räume veröffentlicht im Dezember 2012 201 Publikationsliste Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Informationsflyer Informationsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen bei rechtsextremistischen Anmietversuchen - Öffentliche Einrichtungen veröffentlicht im Dezember 2012 Broschüre "Salafistische Bestrebungen in Deutschland" Gemeinsame Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesbehörden für Verfassungsschutz veröffentlicht im April 2012 Broschüre Wirtschaftsspionage Risiko für Unternehmen, Wissenschaft und Forschung veröffentlicht im Juli 2014 Broschüre Proliferation - Wir haben Verantwortung Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern veröffentlicht im März 2014 Informationsflyer Wirtschaftsschutz in Sachsen-Anhalt veröffentlicht im März 2015 202 Publikationsliste Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2014 Faltblätter zum Wirtschaftsschutz zu den Themen - Verfassungsschutz - Ihr Ansprechpartner für Wirtschaftsschutz - Elektronische Attacken auf Informationsund Kommunika tionstechnik - Besuchermanagement - Umgang mit Besuchern und Fremdpersonal - Geschäftsreisen - Schützen Sie Ihr Know-how! - Sicherheit im Know-how-Transfer - Personalauswahl - Sicherheitsaspekt im Unternehmen - Sicherheitslücke Mensch - Der Innentäter als größte Be drohung für die Unternehmen - Wirtschaftsspionage durch Diebstahl und Einbruchdiebstahl - Schrankenlose Offenheit - "Soziale Netzwerke" im Web - Wissenschaftsspionage - Gefahr für Forschung und Lehre Tagungsdokumentation "Hass als politisches Programm" Gemeinschaftsveranstaltung der Landesbehörden für Verfassungsschutz Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Sachsen und Thüringen am 15. Mai 2014 in Berlin veröffentlicht im November 2014 - nur als PDF verfügbar Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt - nur als PDF verfügbar veröffentlicht im Mai 2012 Die genannten sowie weitere Publikationen der Verfassungsschutzbehörde Sachsen-Anhalt können Sie telefonisch unter 0391-567-3900 bestellen oder im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt/verfassungsschutz abrufen. 203