Verfassungsschutzbericht 2008 - Berichtszeitraum 1.1. - 31.12.2008 - Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt HINWEISE ! Die Verfassungsschutzbehörde erfüllt mit diesem Bericht ihre gesetzlichen Unterrichtungspflichten, die in SS 15 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) normiert sind. Bestrebungen dürfen in diesem Bericht auch dann erwähnt werden, wenn Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Betätigung vorliegen, die eine abschließende Bewertung aktuell nicht zulassen. ! Dieser Verfassungsschutzbericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt. ! Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Sachsen-Anhalts wurden in diesen Bericht aufgenommen, sofern sie für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges erforderlich sind. ! Die in Anführungszeichen gefassten Textteile wurden - sofern es sich um Zitate handelt - in der Originalschreibweise wiedergegeben. VORWORT Vor Ihnen liegt der Verfassungsschutzbericht 2008. Wie gewohnt, stellt er in anschaulicher Art und Weise das Spektrum extremistischer, sicherheitsgefährdender und terroristischer Bestrebungen dar. Das Bild, das dieser Bericht zeichnet, belegt klar: Die Demokratie in Sachsen-Anhalt ist gefestigt, aber sie wird von ihren Gegnern aktiv in Frage gestellt und bedroht. Die wesentlichen Gefahren gehen dabei unverändert vom Rechtsextremismus aus. Nach wie vor ist es die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), die mit ihrer Betätigung auch andere Bereiche der rechtsextremistischen Landschaft beeinflusst, indem sie zum Beispiel in die Neonaziszene hineinwirkt und deren Kräfte in die Parteiarbeit einbindet. Im Jahr 2008 war die Entwicklung der Partei maßgeblich beeinflusst durch die Finanzaffäre um den ehemaligen Bundesschatzmeister Erwin KEMNA, die heftige parteiinterne Diskussionen nach sich zog und die NPD in unruhiges Fahrwasser brachte. Ich warne aber ausdrücklich davor, diese Partei zu unterschätzen. Die NPD war in ihrer Geschichte schon mehrfach am Rande ihrer Existenz, hat sich aber bis jetzt durchweg als Gefahr für die Demokratie erwiesen. Deshalb ist der Krach in der NPD kein Zeichen zur Entwarnung. Wir können uns in der Auseinandersetzung mit dem organisierten Rechtsextremismus eben nicht darauf verlassen, dass die Gegner der Demokratie sich selbst schwächen. Ein Antrag zum Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht muss eine Option bleiben, um der NPD und ihrer aggressivkämpferischen Haltung gegen unseren Staat entgegenzutreten. I Über die NPD hinaus bleibt auch das übrige rechtsextremistische Spektrum im Focus der Arbeit von Verfassungsschutz und Polizeibehörden, die durch eine enge Zusammenarbeit auch im Berichtsjahr Erfolge gegen den Rechtsextremismus erzielen konnten. Dies gilt zum Beispiel für die Verhinderung oder die Auflösung von Skinheadkonzerten, denen innerhalb des subkulturellen Rechtsextremismus eine besondere propagandistische Funktion zukommt. Ich halte deshalb einen strikt repressiven Umgang gerade mit solchen Veranstaltungen weiter für zwingend erforderlich. Der Linksextremismus spielt in Sachsen-Anhalt verglichen mit dem Rechtsextremismus weiter eine untergeordnete Rolle. Ich sehe aber in der Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten einen besorgniserregenden Trend. Die Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus nehmen wir weiter sehr ernst. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesrepublik durch ihr internationales Engagement, unter anderem in Afghanistan, inzwischen im direkten Zielspektrum terroristischer Gruppierungen liegt. Deshalb bleibt die Beobachtung islamistisch-terroristischer Bestrebungen eine wichtige Aufgabe auch des sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzes. Dieser Bericht unterstreicht, dass der Verfassungsschutz ein bedeutender Bestandteil des Konzeptes einer wehrhaften Demokratie bleibt. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelten mein Dank und meine Anerkennung für die im Jahr 2008 geleistete Arbeit. Magdeburg, im Juni 2009 Holger Hövelmann Minister des Innern II VORWORT I. ÜBERBLICK 1 II. RECHTSEXTREMISMUS 5 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN 6 Allgemeines 6 Strafund Gewalttaten 7 Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen 9 Rechtsextremistische Musik 10 Rechtsextremistische Vertriebe 15 RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSENANHALT 16 Rechtsextremistische Szene in Halle 16 Rechtsextremistische Szene im Saalekreis 19 Rechtsextremistische Szene in der Landeshauptstadt Magdeburg 23 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Harz 26 Rechtsextremistische Szene im Salzlandkreis 27 Rechtsextremistische Szene in der Altmark 29 Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen 31 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Jerichower Land 32 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Börde 34 Rechtsextremistische Szene in der Region DessauRoßlau / Wittenberg 35 Rechtsextremistische Szene im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Bereiche ehemalige Landkreise Anhalt-Zerbst und Köthen) 36 Rechtsextremistische Szene im Burgenlandkreis 37 Überregionale Strukturen sachsen-anhaltischer Rechtsextremisten 38 III ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 38 Aktivitäten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg 39 Aktivitäten zum Todestag von Horst Wessel 40 Aktivitäten zum "Hitlergeburtstag" 40 Aktivitäten zum 1. Mai 41 Aktivitäten zum 8. Mai 42 Aktivitäten zum 17. Juni 43 Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen 43 Aktivitäten zum "Heldengedenktag" (Volkstrauertag) 45 Sonnenwendfeiern von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt 45 DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") 46 "Internationales Studienwerk - Collegium Humanum e. V." (CH) 46 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 47 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 47 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 55 "Deutsche Volksunion" (DVU) 60 "Heimattreue Deutsche Jugend e. V." (HDJ) 61 "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) 62 "Exilregierung Deutsches Reich" ("Exilregierung") 63 "Regierung des Deutschen Reichs" 63 IV III. LINKSEXTREMISMUS 64 AUTONOME 64 Selbstverständnis 64 Strafund Gewalttaten 64 Überblick und Entwicklungstendenzen 65 Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt 67 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 76 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 77 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 79 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) 80 "Kommunistische Partei Deutschlands / MarxistenLeninisten" (KPD/ML) 80 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 81 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 83 Aufgaben des Arbeitsbereichs Ausländerextremismus 85 ISLAMISTISCHE UND ISLAMISTISCH-TERRORISTISCHE BESTREBUNGEN 85 "Tablighi Jama'at" (TJ) ("Gemeinschaft der Verkündung und Mission") 86 "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI)/ "Tschetschenische Separatistenbewegung" (TSB) 87 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 88 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) 88 Strafund Gewalttaten 93 V V. SPIONAGEABWEHR 94 Allgemeines 94 Chinesische Nachrichtendienste 95 Nachrichtendienste der Russischen Föderation 97 Nachrichtendienste der Republik Belarus (Weißrussland) 98 Proliferation 99 Mitarbeit der Bevölkerung 100 VI. GEHEIMSCHUTZ 101 Allgemeines 101 Geheimschutz im Behördenbereich 101 Geheimschutz in der Wirtschaft 102 VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 103 Rechtliche Grundlagen 103 Aufgaben des Verfassungsschutzes 104 Keine polizeilichen Befugnisse 106 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit 106 Datenschutz 107 Auskunftserteilung 108 Kontrolle 108 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 109 VIII. ANHANG 110 - GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IM LAND SACHSEN-ANHALT (VerfSchG-LSA) 110 - STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK 129 - STICHWORTVERZEICHNIS 131 - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 140 VI I. ÜBERBLICK Die Anzahl der Rechtsextremisten ging in Sachsen-Anhalt gegenüber dem Vorjahr nochmals leicht zurück. Den größten Anteil an der Gesamtzahl von 1.350 Personen bildet mit nach wie vor 800 Personen das gewaltbereite, subkulturell geprägte Spektrum. Der weit überwiegende Teil der auf 280 Personen zurückgegangenen, parteigebundenen sachsen-anhaltischen Rechtsextremisten ist in der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) organisiert. Der Neonaziszene gehören in Sachsen-Anhalt mit insgesamt etwa 240 Rechtsextremisten etwas weniger Personen als im Vorjahr an. Ihr sind auch die etwa 50 Mitglieder der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zuzurechnen. Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten -rechtsstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 30 Prozent an. Dabei sank der Anteil an Propagandadelikten leicht. Er macht nun 73 Prozent der politisch motivierten Straftaten -rechtsaus. Zugenommen haben auch die politisch motivierten Gewalttaten -rechts-. Ihre Anzahl stieg um 22 Prozent auf 121 Fälle an. Dazu zählen auch ein Tötungsdelikt und zwei Tötungsversuche. Im Berichtsjahr wurden 13 rechtsextremistische Konzerte festgestellt, drei mehr als im Vorjahr. Von diesen 13 Konzerten konnten drei von den Ordnungsund Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen-Anhalt aufgelöst werden. Ein weiteres wurde gänzlich verhindert. In Sachsen-Anhalt bieten sieben Online-Vertriebe ihr rechtsextremistisches Material über mehr oder weniger professionell gestaltete Webseiten zum Kauf an. Darüber hinaus verkaufen zwei Vertriebe ihre Ware zusätzlich in Szeneläden. Das Angebot der Ladengeschäfte richtet sich dabei vorwiegend an Kunden aus der jeweiligen Region. 1 Die Aktivitäten von sachsen-anhaltischen Szeneangehörigen zu den aus ihrer Sicht bedeutsamen historischen Daten nahmen im Vergleich zum Vorjahr zu. So benutzten Rechtsextremisten erneut allgemeine Gedenktage wie den 1. Mai, den 8. Mai (Kriegsende), den 17. Juni und den Volkstrauertag sowie die Jahrestage von Bombardements deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg, um diese im Sinne ihrer Propaganda umzudeuten. Sie entfalteten darüber hinaus wie in den Vorjahren Aktivitäten zu Geburtsund Todestagen von Nationalsozialisten. Das linksextremistische Personenpotenzial blieb in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Vorjahr unverändert: Es umfasst nach wie vor etwa 540 Personen. Wie 2007 entfallen davon je 270 auf die Autonomenszene und auf den Bereich der Parteien und sonstigen Gruppierungen. Die Polizei registrierte für das Berichtsjahr 332 politisch motivierte Straftaten -links-. Dies bedeutet einen Anstieg von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr (211 Delikte). Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der entsprechend motivierten Gewalttaten sogar um 134 Prozent zu (2008: 75 Delikte, 2007: 32 Delikte) und ist damit wieder auf dem Niveau des Jahres 2006. Hauptaktionsfeld autonomer Zusammenschlüsse blieb im Berichtszeitraum der "Antifaschistische Kampf", der für Autonome auch die direkte körperliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten einschließt. Neben dem Auftreten gegen rechtsextremistische Demonstrationen entfaltete die Autonomenszene Aktivitäten gegen den rechtsextremistischen "Lifestyle", insbesondere gegen Bekleidungsgeschäfte, die zum Beispiel die Marke "Thor Steinar" vertreiben. Die Anzahl der von Autonomen ausgegangenen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten stieg im Berichtszeitraum erheblich an. 2 Im Bereich der linksextremistischen Parteien und sonstigen Gruppierungen waren in Sachsen-Anhalt im Berichtszeitraum die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), deren Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) und die "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) mit eigenen Strukturen aktiv. Sie alle setzten weiter auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes. Ihre Vertreter versuchten sich wie in den Vorjahren in gesellschaftliche Protestkampagnen einzubringen. Im Rahmen der Beobachtung sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern kommt dem Komplex der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus nach wie vor besondere Bedeutung zu. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Teil des weltweiten Gefahrenraumes anzusehen und liegt im unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Gruppierungen. In Sachsen-Anhalt sind keine festgefügten Strukturen islamistischer Organisationen bekannt geworden. Jedoch gab es zunehmend Hinweise auf Personen, die in Sachsen-Anhalt wohnen, aber islamistischen Gruppierungen, wie zum Beispiel der "Tablighi Jama'at" (TJ) und der "Tschetschenischen Republik Itschkeria" (CRI)/ "Tschetschenischen Separatistenbewegung" (TSB) in anderen Bundesländern zuzurechnen sind. Zu den nichtislamistischen Organisationen in Sachsen-Anhalt, von denen sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen ausgehen, zählen unter anderem der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) und die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP). Zwar sind Aktivitäten einzelner Anhänger des NWRI sowie der PFLP in Sachsen-Anhalt bekannt geworden, jedoch wurden hier bislang keine fest gefügten Strukturen festgestellt. In SachsenAnhalt ist nach wie vor lediglich der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) mit eigenen Organisationsstrukturen aktiv. 3 Auch im Jahr 2008 setzten sich die Aufklärungsaktivitäten der Nachrichtendienste fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland in unvermindertem Umfang fort. Dies gilt insbesondere für die Nachrichtendienste der Volksrepublik China und der Russischen Föderation. 4 II. RECHTSEXTREMISMUS Das gewaltbereite subkulturell geprägte Spektrum bildet mit 800 Personen die größte Gruppe im Bereich des Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt. Hierbei handelt es sich um Personen, die bereits politisch motivierte Gewalt ausgeübt haben oder die sich in Gruppen bewegen, die als gewaltgeneigt gelten und die Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele einsetzen oder in Betracht ziehen. Der weit überwiegende Teil der parteigebundenen Rechtsextremisten ist in der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) organisiert. Seit etwa drei Jahren verharrt die NPD auf einem Mitgliederbestand, der um die 250 Personen liegt. Weder die vielfältigen Aktivitäten der NPD in der Bundesrepublik noch ihr Wirken in zwei Landesparlamenten oder auf kommunaler Ebene vermochten die NPD in Sachsen-Anhalt hinsichtlich ihrer Mitgliederentwicklung zu beflügeln. Der Neonaziszene in Sachsen-Anhalt gehören etwa 240 Rechtsextremisten an, die mehrheitlich in Kameradschaften oder ihnen ähnlichen Zusammenschlüssen organisiert sind. Bundesweit werden derzeit etwa 4.800 Neonazis gezählt (2007: 4.400). Die Mitglieder der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) werden ausschließlich der Neonaziszene zugerechnet. Die JN selbst hat in Sachsen-Anhalt rund 50 Mitglieder. Trotz vielfältiger und zum Teil öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten und einer offensiven Internetpublizistik ist ihren Funktionären im Jahr 2008 nicht gelungen, die Mitgliederzahlen zu erhöhen und die Organisation strukturell auszubauen. 5 Rechtsextremisten1 2007 2008 Parteien und Vereinigungen 350 280 Neonazis 270 240 Gewaltbereite Rechtsextremisten 800 800 Sonstige Personenzusammenschlüsse 40 30 Gesamt: 1.4602 1.3503 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN Allgemeines Die subkulturell geprägte, gewaltbereite Szene hat sich weiter von der ursprünglichen Skinheadsubkultur entfernt, was sich auch im veränderten äußeren Erscheinungsbild der Szeneangehörigen widerspiegelt. Die in den 1970er Jahren herausgebildete Skinheadsubkultur ist durch Einflüsse anderer Jugendsubkulturen zurückgedrängt worden. So sind die langjährigen Erkennungszeichen der Szene - zum Beispiel Bomberjacke und Springerstiefel - zunehmend den Turnschuhen und sonstigen Kleidungsstücken der in der Szene beliebten Modemarken gewichen. Hierzu zählt auch die Marke "Thor Steinar"4 mit ihren Produkten. An Bedeutung gewonnen hat hingegen der Stil der "Autonomen Nationalisten", die sich ohne Berührungsängste aus dem Fundus anderer Jugendsubkulturen, wie zum Beispiel Hip-Hop oder Punk, bedienen und daher kaum allein anhand ihres Äußeren eingeordnet werden können. 1 Zahlen zum Teil geschätzt und gerundet. 2 1.400 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften. 3 1.285 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften. 4 Das Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Schreiben vom 23. Oktober 2008 mitgeteilt, dass mit der Vorlage der schriftlichen Begründung des Urteils des OLG Naumburg vom 21. Mai 2008, Az.: 4107 E-405.82/04, eine strafrechtliche Verfolgung des Alt-Logos von "Thor Steinar" unzulässig geworden ist. 6 Über die Verwendung eines stilisierten Keltenkreuzes5 entschied der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes am 1. Oktober, dass eine grundsätzliche Strafbarkeit nach SS 86a Strafgesetzbuch (StGB) gegeben ist, auch wenn das Symbol isoliert und ohne konkreten Hinweis auf die verbotene Organisation öffentlich verwendet wird. Die Zahl der subkulturell geprägten, gewaltbereiten Rechtsextremisten reduzierte sich im Berichtsjahr auf 9.500 Personen (2007: 10.000). In Sachsen-Anhalt werden ihnen jedoch unverändert 800 Personen zugerechnet. Strafund Gewalttaten Aus dem Bereich des subkulturellen Rechtsextremismus wurden im Berichtsjahr erneut zahlreiche politisch motivierte Strafund Gewalttaten bekannt.6 Im Berichtsjahr stieg die Anzahl politisch motivierter Straftaten -rechtsum 30 Prozent auf 1.761 Delikte (2007: 1.350 Delikte) an. 7 Gleichzeitig nahmen die entsprechenden Gewaltdelikte um 22 Prozent auf nunmehr 121 Delikte zu (2007: 99 Delikte). Folgende Vorkommnisse sind exemplarisch zu nennen: Am 26. April wurden in Querfurt, OT Lodersleben (Saalekreis) Brandsätze in eine Unterkunft für polnische Erntehelfer geworfen. Durch den Einsatz eines Fährtenhundes konnten in einem Partyraum nahe des Tatortes mehrere 17bis 20-jährige Jugendliche festgenommen werden. Diese hatten vor der Tat reichlich Alkohol getrunken und rechtsextremistische Musik der ehemaligen Gruppe "Landser" gehört. Dabei fassten sie den Entschluss, zu den polnischen Gastarbeitern hinüber zu gehen und beschimpften diese mit 5 Die Darstellung eines gleichschenkligen Balkenkreuzes, um dessen Schnittpunkt ein Ring gelegt ist; das Symbol wurde von der verbotenen verfassungsfeindlichen "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) als Emblem genutzt. 6 Siehe Statistik Seite 129f. 7 Die Anzahl der fremdenfeindlichen Straftaten im Phänomenbereich -rechtsnahmen um 50 Prozent zu, antisemitische Straftaten um 37 Prozent. 7 ausländerfeindlichen Parolen ("Ihr Ausländer sollt aus Deutschland verschwinden", "Scheiß Ausländer, verpisst euch hier", "Du wirst eh noch dein blaues Wunder erleben, du wirst bald brennen"). Später wurden die Brandsätze in die Unterkunft geworfen. Bei der Vernehmung gaben die Tatverdächtigen an, aus fremdenfeindlicher Motivation heraus gehandelt zu haben und behaupteten, die polnischen Gastarbeiter nähmen ihnen die Arbeitsplätze weg. Durch die Staatsanwaltschaft Halle wurde Haftantrag wegen versuchten Mordes gestellt.8 Alle vier Beschuldigten waren bislang noch nicht wegen politisch motivierter Delikte in Erscheinung getreten. Am 16. August tötete ein bekannter Rechtsextremist in Magdeburg nach einem Diskobesuch einen Studenten, der ihn zuvor als "Hobby-Nazi" betitelt haben soll. Der Täter hatte zum Tatzeitpunkt ein T- Shirt mit der Aufschrift "No Remorse" (keine Reue) getragen. Bereits im Jahr 2005 war er wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendhaft auf Bewährung verurteilt worden. Im gleichen Jahr machte er sich wegen räuberischer Erpressung und im Jahr 2006 erneut wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar, als er einen Studenten aus Togo mit "Neger, was willst du hier in Deutschland" beschimpft und dann seinen Hund auf ihn gehetzt hatte. Das Amtsgericht Magdeburg hob deshalb die Bewährung auf und verurteilte den Täter im Mai 2006 zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Während seiner Haftstrafe in der JVA Halle wurde er 2007 erneut wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die zuvor verhängte Haftstrafe wurde in das Urteil einbezogen. Der Beschuldigte, der am Körper Hakenkreuztätowierungen sowie die Aufschrift "Skinhead" trägt, war erst im Februar dieses Jahres aus der Haft entlassen worden.9 Die besorgniserregende Tendenz des Auftretens immer jüngerer Täter belegen die beiden nachfolgenden Beispiele: 8 Das Amtsgericht Magdeburg verurteilte am 20. Mai 2009 vier Täter zu Jugendstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. 9 Das Landgericht Magdeburg verurteilte den Rechtsextremisten am 19. Mai 2009 zu einer Jugendstrafe von acht Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 8 Am 4. Juli beschimpfte ein 15-jähriger Schüler in Dessau-Roßlau eine geistig behinderte Frau im Treppenhaus mit den Worten "Judenschlampe, ich erschieße dich. Wieso gibt es noch Behinderte? Wieso gibt es keine Gaszellen mehr?" Danach entbot er den "Hitlergruß". Ein 15-jähriger Schüler beleidigte am 17. September in Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) im Sportunterricht einen in Deutschland geborenen dunkelhäutigen Mitschüler mit "Negersau, mach dich nach Hause in dein Heimatland" und schlug auf sein Opfer ein. Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen Nachfolgeaktivitäten der verbotenen "Blood & Honour"-Skinheads (B&H) Nachfolgestrukturen von "Blood & Honour" sind nur noch rudimentär vorhanden. Bereits nach den Exekutivmaßnahmen im Jahr 2006 waren die Aktivitäten auf ein Minimum zurückgegangen. Die in diesem Zusammenhang stehenden Ermittlungen sind inzwischen weitgehend abgeschlossen. Den früher in der B&H-Szene aktiven Personen ist es nicht gelungen, an den organisatorischen Zusammenhalt und den damit verbundenen hohen Aktivitätsgrad der verbotenen Organisation anzuknüpfen. In der Szene kursieren jedoch nach wie vor Utensilien wie zum Beispiel T-Shirts, die einen Bezug zur verbotenen B&HBewegung erkennen lassen. "Hammerskinheads" (HS) Einzelpersonen aus Sachsen-Anhalt nahmen an verschiedenen Veranstaltungen der "Hammerskinheads" im Bundesgebiet und im europäischen Ausland teil. Veranstaltungen wie das "Veneto Summer Fest"10 in Spiazzo (Italien) im Juli werden mit Konzerten einschlägiger rechtsextremistischer Bands verbunden. Generell haben 10 VENETO Front, B&H-Division Italien. 9 die europäischen HS-"Chapter" Nachwuchsprobleme und sind nur eingeschränkt "handlungsfähig". Rechtsextremistische Musik Wie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stellt Musik auch im Rechtsextremismus ein identitätsstiftendes und verbindendes Element dar. Rechtsextremistische Musik bietet insbesondere für Jugendliche, die sich sozial und wirtschaftlich benachteiligt fühlen, Anreize für einen Einstieg in die Szene. Durch die rassistischen, häufig antisemitisch geprägten und oft gewaltverherrlichenden Texte der Musik werden Feindbilder aufgebaut und darüber die häufig noch ungefestigten jugendlichen Konsumenten ideologisch geformt. Rechtsextremistische Musik gilt als bestimmendes Element innerhalb der subkulturell geprägten, rechtsextremistischen Szene. Dies gilt vor allem für den Besuch einschlägiger Konzerte. Derartige Veranstaltungen sind zudem ein wichtiger Kommunikationsfaktor, erzeugen bei den Besuchern häufig ein Gefühl der Gemeinschaft und der Stärke und tragen damit in erheblichem Maße zur Verflechtung der Szene bei. Diese Umstände nutzen rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen gezielt, um ihre verfassungsfeindliche Ideologie mit Hilfe der Musik zu verbreiten. Gerade auf Jugendliche, die der Szene noch nicht fest angehören, sondern sich nur in deren Umfeld bewegen, üben die häufig konspirativ abgehaltenen und damit nicht alltäglichen Veranstaltungen eine starke Anziehungskraft aus. Sie sind gleichzeitig Beweis für die Mobilisierungsfähigkeit der Szene, die versucht, durch Nutzung moderner Kommunikationsmittel Verbotsmaßnahmen zu umgehen oder die Ordnungsbehörden über Veranstaltungen im Unklaren zu lassen, um so erst gar keine Ansatzpunkte für deren Verbot zu geben. Die Musikrichtungen im Bereich des Rechtsextremismus sind facettenreich. 10 Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem Reggae-verwandten "Ska" der so genannte "Oi"11 als eigenständiger Teil des "PunkRock". Dieser Musikstil war im normalen Sprachgebrauch schlechthin als "Skinheadmusik" bekannt. Begriffe wie Ehre, Stolz und Freundschaft sowie ein Bezug zur Arbeiterklasse standen hierbei im Vordergrund. Die zunächst eher unpolitische Skinheadmusik fand in den 1980er Jahren auch Eingang in die rechtsextremistische Szene. Es gibt jedoch weit mehr rechtsextremistische Musikrichtungen, die oftmals nicht sofort als solche wahrgenommen werden. Dazu gehören auch die balladenartigen Lieder rechtsextremistischer Liedermacher, die vorwiegend bei rechtsextremistischen Parteiveranstaltungen dargeboten werden. Vielfach unbekannt und oftmals nur schwer dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind Musikstücke aus der als "Neofolk" bezeichneten "Neuen Volksmusik", deren Wurzeln im Gothicund DarkWave-Bereich liegen. Dieser Stil entwickelte sich anfang der 1980er Jahre, bedient sich hauptsächlich akustischer Instrumente wie Gitarren, Flöten und Trommeln und ist meist ruhig und melancholisch. Rechtsextremistische Musikgruppen dieses Genres betonen vor allem die "natürliche Weltund Völkerordnung" als politisches Ideal - "Ethnopluralismus"12 statt "Ausländer raus". Eine zunehmend wichtigere Rolle spielt auch die Musikrichtung des "Black Metal", eine aggressive, schnelle Spielweise des "Heavy Metal". Er wendet sich inhaltlich satanistischen und antichristlichen Themen zu und ist von einem Hass auf die Gesellschaftsordnung und von Selbsthass geprägt. Rechtsextremisten bildeten mit dem "NS-Black Metal" (NSBM) innerhalb des eigentlich unpolitischen "Black Metal" eine eigene Stilrichtung heraus, die das "Dritte Reich" 11 Abgeleitet vom englischen "joy" (Freude, Spaß). 12 Der Begriff Ethnopluralismus setzt sich aus dem griechischen Wort "ethos" (Volk) und dem lateinischen Wort "pluralis" (aus mehreren bestehend, zu mehreren gehörig) zusammen. Teile des Rechtsextremismus, insbesondere die intellektuelle "Neue Rechte", verstehen ihn als Synonym für "Völkervielfalt". Tatsächlich steht hinter dem Konzept des Ethnopluralismus ein ausgrenzender Nationalismus, der in der Regel mit fremdenfeindlichem Denken verbunden ist. 11 als Inkarnation des Anti-Christlichen verherrlicht und sich klar zum Neonazismus bekennt. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Im Berichtsjahr wurden 13 rechtsextremistische Konzerte festgestellt, drei mehr als im Vorjahr. Von diesen 13 Konzerten konnten drei von den Ordnungsund Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen-Anhalt aufgelöst werden. Ein weiteres wurde gänzlich verhindert. Beispielhaft sind folgende Veranstaltungen zu erwähnen: Am 5. Juli fand in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) das von "Freien Kräften" in Zusammenarbeit mit der NPD gestaltete "Sommerfest der nationalen Jugend" statt. Neben diversen Rednern aus dem rechtsextremistischen Spektrum, unter ihnen auch der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER, traten vor etwa 300 Teilnehmern rechtsextremistische Musikgruppen und Liedermacher aus dem Inund Ausland auf. Den diesbezüglich erlassenen Auflagen der Ordnungsund Sicherheitsbehörden wurde weitgehend Folge geleistet, so dass es zu keinen rechtsextremistisch motivierten Gesetzesverstößen kam. Auf einem ehemaligen Kasernengelände im Ortsteil Autobahn der Ortschaft Harbke (Landkreis Börde) fand am 1. November ein Konzert mit mehreren, teilweise szeneintern als "hochkarätig" gehandelten rechtsextremistischen Bands aus dem Inund Ausland statt. Zu dem Konzert fanden sich etwa 400 Personen der rechtsextremistischen Szene ein, die aus mehreren Bundesländern angereist waren. Es handelte es sich um eine Ausweichveranstaltung, da das ursprüngliche Veranstaltungsobjekt aufgrund repressiver Maßnahmen der Ordnungsund Sicherheitsbehörden nicht genutzt werden konnte. 12 In einer Gaststätte in Zeitz (Burgenlandkreis) fand am Abend des 29. November vor 80 Teilnehmern eine Musikveranstaltung mit mehreren "Black Metal"-Bands statt, für die bereits seit geraumer Zeit im Internet geworben worden war. Die Stadt Zeitz hatte im Vorfeld eine Ordnungsverfügung erlassen. Die erteilten Auflagen (unter anderem Begrenzung der Teilnehmerzahl, Lautstärkevorgaben, Verbot von rechtsextremistischen Parolen) wurden durch den Veranstalter befolgt. Zu Störungen kam es nicht. Szeneobjekt des Enrico MARX in Sotterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) Das private Wohnobjekt des Enrico MARX in Sotterhausen stellt seit Jahren einen Anlaufpunkt der rechtsextremistischen Szene dar. Nach wie vor finden dort vor allem die so genannten Freitagspartys statt, zu denen häufig parallel Proben rechtsextremistischer Musikgruppen durchgeführt werden. Im Hinblick auf die rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen verhält sich E. MARX inzwischen sehr zurückhaltend, was nicht zuletzt auf die polizeilichen Einsätze und interbehördlichen Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit zurückzuführen sein dürfte. Szenetreffpunkt in Angern (Landkreis Börde) Anfang Mai unterband die Polizei im Wohnobjekt des Gründungsmitglieds der rechtsextremistischen Musikgruppe "Civil Disorder" Steffen JENRICH in Angern ein Konzert von drei Musikgruppen, das vor etwa 40 Personen stattfinden sollte. JENRICH gab im Verlauf einer polizeilichen Gefährderansprache offiziell an, eine Grillfeier für seine Freunde "als Dank für Unterstützungsleistungen beim Umund Ausbau" seines Objektes zu veranstalten. Staatliche Maßnahmen Durchschnittlich 10 bis 15 Prozent der rechtsextremistischen Konzerte werden durch die intensive Aufklärungsarbeit der Sicherheits13 behörden, bei der Polizei und Verfassungsschutz eng zusammenarbeiten, verhindert. Für den Fall, dass eine Veranstaltung aus rechtlichen Gründen nicht verboten werden kann, hat sich die Erteilung bestimmter Auflagen und entsprechender polizeilicher Kontrollen derselben als probates Mittel erwiesen, um zumindest die Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte während solcher Veranstaltungen wirksam zu unterbinden. Hier sei als Beispiel das so genannte "Sommerfest der nationalen Bewegung" genannt, bei dem im Berichtsjahr wie schon 2007 die Einhaltung von Auflagen hinsichtlich auftretender Musiker und den von ihnen vorgetragenen Musikstücken polizeilich kontrolliert wurde, wodurch Strafrechtsverstöße vermieden werden konnten. Auch hinsichtlich einer Verbreitung rechtsextremistischer Ideologien über Tonträger sind abgestufte Möglichkeiten staatlichen Handelns gegeben. Dies betrifft unter anderem die regelmäßige Überprüfung des Angebotes rechtsextremistischer Vertreiber auf strafbare oder indizierungswürdige Inhalte einschließlich der Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden im Falle des Verdachts einer strafrechtlichen Relevanz. Im Rahmen der Ermittlungsverfahren gegen Bands, Produzenten und Vertreiber werden rechtsextremistische Tonträger und Propagandamaterialien sichergestellt. Darüber hinaus regen die Sicherheitsbehörden sowie eine Vielzahl anderer Ämter und Institutionen bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) Indizierungen wegen möglicher jugendgefährdender Inhalte einschlägiger Produktionen an. Folgt die BPjM einer solchen Einschätzung, wird der Tonträger indiziert, das heißt er wird entweder wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz in die "Liste A" oder - wenn auch Straftatbestände verwirklicht werden - in die "Liste B" der jugendgefährdenden Medien aufgenommen. Aus der Indizierung einer CD ergeben sich Verbreitungsund Werbebeschränkungen, insbesondere dürfen entsprechende Tonträger Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden. Die Zuwiderhandlung gegen diese Beschränkungen stellt ihrerseits eine Straftat dar. 14 Aktivitäten des ehemaligen "Landser"-Frontmannes Michael REGENER Der ehemalige Sänger und Bandleader der mittlerweile aufgelösten rechtsextremistischen Musikgruppe "Landser" (Berlin) Michael REGENER alias "Lunikoff" wurde am 27. Februar aus der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel entlassen. Das Kammergericht Berlin hatte REGENER am 22. Dezember 2003 wegen Bildung und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Am 10. März 2005 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil. Der Antrag REGENERs auf Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von Zweidritteln der Strafe blieb erfolglos. REGENER, der in der rechtsextremistischen Szene eine Art Kultoder Märtyrerstatus besitzt, war vor seiner Inhaftierung zusammen mit Mitgliedern der rechtsextremistischen Musikgruppe "Spreegeschwader" auch unter der Bezeichnung "Die Lunikoff Verschwörung" aktiv. Vor Haftantritt war er mit dieser Gruppe zuletzt am 2. April 2005 im Anschluss an den NPD-Landesparteitag in Thüringen vor weit über 1.000 Besuchern aufgetreten. Nach seiner Haftentlassung trat REGENER bereits mehrfach im Inund Ausland im Zuge von Konzertveranstaltungen auf, vermeidet es jedoch, strafbewehrte Liedtexte vorzutragen. Rechtsextremistische Vertriebe Da rechtsextremistische Tonträger sowie Textilien und sonstige Artikel mit rechtsextremistischem Bezug im "normalen" Handel meist nicht zu erwerben sind, haben sich dafür in den vergangenen Jahren eigene nationale und internationale Vertriebsstrukturen entwickelt. Die Szeneartikel werden in einschlägigen Szeneläden, am Rande von Skinheadkonzerten und bei Szenetreffen verkauft. Im Zuge der zunehmenden Kommerzialisierung rechtsextremistischer Musik wird der Handel über das Internet immer attraktiver - nicht zuletzt wegen des vergleichsweise geringen Aufwandes und der Möglichkeit, einen breiten Kundenkreis mit regelmäßig aktualisiertem Sortiment zu erreichen. Dies dürfte in erheblichem Umfang 15 zu der in den letzten Jahren bundesweit verzeichneten Zunahme rechtsextremistischer Musikvertriebe beigetragen haben. In Sachsen-Anhalt bieten sieben Online-Vertriebe ihr rechtsextremistisches Material über mehr oder weniger professionell gestaltete Webseiten zum Kauf an. Darüber hinaus verkaufen zwei Vertriebe ihre Ware zusätzlich in Szeneläden. Das Angebot der Ladengeschäfte richtet sich vorwiegend an Kunden aus der jeweiligen Region. Die Szeneläden werden von den Szeneangehörigen auch als Trefforte angenommen. Das Angebot ist vielfältig und reicht von teilweise in Eigenproduktion hergestellten Tonträgern über Szenekleidung bis hin zu Artikeln mit heidnisch-germanischen Bezügen. Die in Eigenproduktion hergestellten CDs sind überwiegend strafrechtlich nicht zu beanstanden, da die verwandten Liedtexte häufig von Rechtsanwälten auf eine etwaige strafrechtliche Relevanz hin geprüft wurden. Strafrechtlich relevante Tonträger werden in aller Regel nach wie vor im Ausland produziert und von dort über konspirative Wege und in vermeintlich unauffälligen Kleinstmengen nach Deutschland eingeführt. RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSEN-ANHALT Rechtsextremistische Szene in Halle Der teilweise neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Szene im Raum Halle werden etwa 40 bis 60 aktive Personen zugerechnet, die im Berichtsjahr unter den Gruppenbezeichnungen "JN-Stützpunkt Halle" und "Freie Kräfte Halle" auftraten. Während des gesamten Berichtsjahres war eine fortschreitende Zersplitterung der örtlichen rechtsextremistischen Szene zu beobachten, die auf persönliche Differenzen zwischen den Führungspersonen zurückzuführen ist. 16 JN-Stützpunkt Halle Eine der oben erwähnten Führungspersonen der rechtsextremistischen Szene von Halle war in den vergangenen Jahren vor allem Matthias BADY, der bis Anfang 2008 als Leiter des örtlichen JNStützpunktes fungierte. BADYs Aktivitäten gingen im Berichtszeitraum stark zurück. Einige Szeneangehörige warfen ihm Untätigkeit vor und blieben daraufhin den Treffen im JN-Stützpunkt fern. Dem JN-Stützpunkt, dessen Aktivitäten in enger Absprache mit dem NPD-Kreisverband Halle erfolgten, konnten Ende 2008 etwa 15 Personen zugerechnet werden. In Folge der eingangs genannten Querelen reduzierte sich der Mitgliederstand damit gegenüber dem Vorjahr um etwa 25 Personen, von denen sich nun einige den "Freien Kräften Halle" angeschlossen haben. Seit Sommer fungiert Eric SCHULZE (Halle) als Stützpunktleiter. Ende Mai musste das Szeneobjekt "Braunes Haus" aufgegeben werden, da der Vermieter den Mietvertrag gekündigt hatte. Die Suche nach einem neuen Objekt verlief ergebnislos. Auch dieser Umstand trug zur rückläufigen Entwicklung innerhalb der örtlichen rechtsextremistischen Szene bei. "Freie Kräfte Halle" Dieser rechtsextremistische Personenzusammenschluss setzt sich aus ehemaligen Mitgliedern des JN-Stützpunktes Halle und unorganisierten Rechtsextremisten der örtlichen Szene zusammen und ist seit Sommer aktiv. Zu ihm zählen etwa 15 bis 20 Personen. Die "Freien Kräfte" sehen sich als Bestandteil des "Verbundes des Nationalen Widerstandes" und wollen unabhängig von NPD und JN agieren. Im Gegensatz zum JN-Stützpunkt gibt es keine Vorgaben und festgelegten Funktionen. In der Regel treffen sich die "Freien Kräfte" wöchentlich in diversen Gaststätten im Stadtgebiet von Halle. 17 Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten An einem Aufzug der "Freien Kräfte" in Leipzig (Sachsen) unter dem Motto "Jugend braucht Chancen" beteiligten sich am 12. Januar insgesamt bis zu 340 Personen aus dem Bundesgebiet. Darunter waren auch Personen der rechtsextremistischen Szene aus Halle. Am 19. Januar trafen sich Mitglieder des JN-Stützpunktes Halle mit Rechtsextremisten aus Merseburg, Bad Lauchstädt (beide Saalekreis), Delitzsch und Schkeuditz (beide Sachsen), um gemeinsam zu einer von der "Initiative gegen das Vergessen" organisierte Demonstration anlässlich des 63. Jahrestages der Zerstörung Magdeburgs zu reisen. Insgesamt nahmen etwa 600 Szeneangehörige an der Demonstration in Magdeburg teil.13 Am 7. Februar brachten Mitglieder des JN-Stützpunktes im Wartebereich und auf Papierkörben an der S-Bahn-Haltestelle "Rosengarten" in Halle Plakate mit folgenden Texten an: "Macht kaputt, was euch kaputt macht! Wir wollen keine Kriege. Wir wollen eine Zukunft!!! Während Deutsche Soldaten für US-Interessen Menschen töten, sitzt unsere Jugend auf der Straße! Nationaler Sozialismus JETZT!" "Dieses System bringt uns zum kotzen! Für eine nationalistische und sozialistische Alternative! Radikale Probleme benötigen radikale Lösungen! Revolution? Jetzt!". Am 8. Februar meldete BADY für den 13. Februar eine Mahnwache der NPD unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" in Halle an. Die Mahnwache verlief ohne Störungen. Es nahmen 20 Personen teil. Im Rahmen der NPD-Kampagne "Sozial geht nur national" meldete BADY für den 8. März eine Mahnwache in der Neustädter-Passage in Halle an. An ihr beteiligten sich 19 Personen, die Handzettel ver13 Siehe Seite 25. 18 teilten. Die Mahnwache fand insgesamt nur geringe Aufmerksamkeit. Am 17. Juni nahmen Mitglieder des JN-Stützpunktes in Halle an einer Kundgebung des Landesverbandes der JN Sachsen-Anhalt unter dem Motto "17.Juni 1953 - Damals wie heute nationaler Freiheitskampf!" am Leipziger Turm teil. Im Rahmen des jährlichen "Laternenfestes" wurden am 30. August in Halle Flugblätter mit dem Aufdruck "Frei, sozial, national" von der Krollwitzer Brücke geworfen. In den Vormittagsstunden des 1. Oktober fand eine spontane Versammlung der örtlichen rechtsextremistischen Szene vor der Justizvollzugsanstalt Halle I statt. Grund dafür war die Eröffnung der dortigen Forensischen Ambulanz. Insgesamt nahmen zehn Personen an der Versammlung teil. Zwei von ihnen zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "Todesstrafe für Kinderschänder. Schenkt die Bastarde der Medizin". Rechtsextremistische Szene im Saalekreis Im Saalekreis sind der Verfassungsschutzbehörde die rechtsextremistischen Personenzusammenschlüsse "Freie Nationalisten Merseburg", "Sozialrevolutionäre Alternative Querfurt" und "Freie Nationalisten Bad Lauchstädt" bekannt. Insgesamt werden dieser Szene etwa 40 bis 60 Personen zugerechnet. "Freie Nationalisten Merseburg" Im Berichtsjahr fanden zunächst nur wenige öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten der "Freien Nationalisten Merseburg" statt. Tino MARX (Merseburg), ein langjähriges Führungsmitglied der Gruppe, verliert an Einfluss. Nur wenige Kameradschaftsangehörige nahmen an überregionalen Veranstaltungen teil. 19 Erst zum Jahresende traten Szeneangehörige aktiver in Erscheinung und reaktivierten Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen. Unterstützung erhielten sie dabei von den rechtsextremistischen Szenen aus Schkeuditz (Sachsen) und Halle. Der im April 2007 bekannt gewordene und seit Mai 2007 im Internet aktive neonazistische Internet-Informations-Verbund "Freies Netz" wurde weiter ausgebaut. Neben den bereits bekannten Internetseiten der Sektionen Burg (Landkreis Jerichower Land), Altenburg (Thüringen), Hof (Bayern), Delitzsch, Leipzig, Chemnitz und Zwickau (alle vier Sachsen), ist seit Mitte Februar die Sektion Merseburg (Saalekreis) mit einer eigenen Homepage hinzugekommen. Auf ihren Internetseiten rufen die Sektionen zu Veranstaltungen auf und berichten als "Weblog mit Kommentarfunktion" über Aktivitäten und tagesaktuelle Geschehnisse in ihrer jeweiligen Umgebung. Zum "Beitritt" der Merseburger Szeneangehörigen hieß es: "Hiermit wollen wir, eine Gruppe von Frei National denkenden Aktivisten, auf Probleme hier in Merseburg aber auch in Sachsen-Anhalt und der Bundesrepublik aufmerksam machen und Vorschläge außerhalb von Parteiorganisationen aufzeigen!...Freier Widerstand Merseburg." Die Mitglieder der "Freien Nationalisten Merseburg" nahmen am 26. April an einem bundesweiten Aufmarsch der NPD in Stolberg (Nordrhein-Westfalen) teil. Dieser stand unter dem Motto "Gegen Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit".14 Mitglieder der "Freien Nationalisten Merseburg" nahmen zusammen mit den "Freien Kräften Halle" am 3. Oktober an einer Demonstration in Geithain (Sachsen) teil. Sie zeigten dabei ein Transparent mit der Aufschrift "Wer nicht für Freiheit kämpfen kann ist der Kette wert! Freier Widerstand Merseburg". 14 Siehe Seite 58. 20 Die "Freien Nationalisten Merseburg" führten anlässlich des Volkstrauertages am 16. November eine Gedenkveranstaltung auf dem Stadtfriedhof von Merseburg durch. Im Namen einer Bürgerinitiative "Gegen das Vergessen" hielten die "Freien Nationalisten" am 6. Dezember eine Mahnwache in Merseburg. Ziel war es, "den Opfern der Luftangriffe vom 06.12.1944 zu gedenken und auf die Hintergründe jetziger Kriege (Irak/ Afghanistan) aufmerksam zu machen". Die Versammlungsteilnehmer zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "Wir gedenken den Opfern des alliierten Bombenterrors...Mitteldeutsche Freiheitskämpfer". "Sozialrevolutionäre Alternative Querfurt" Seit Mai 2007 trat im Saalekreis ein Personenzusammenschluss unter der Bezeichnung "Sozialrevolutionäre Alternative Querfurt" in Erscheinung. Nach bisherigen Erkenntnissen handelte es sich hierbei um einen losen Personenzusammenschluss, der aktionsund themenbezogen agierte und bereit war, den JN-Stützpunkt Sangerhausen zu unterstützen. Des Weiteren band die Gruppierung Personen, die sich weder den "Freien Nationalisten Merseburg" noch der rechtsextremistischen Szene im Raum Halle zugehörig fühlten. Seit Sommer 2008 wurden keine Aktivitäten der genannten Gruppierung mehr festgestellt. Gleichwohl sind die in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Personen noch in rechtsextremistischen Gruppierungen, insbesondere im Personenumfeld von E. MARX und Marcus GROSSMANN (beide Sotterhausen, Landkreis Mansfeld-Südharz), aktiv. Auf ihrer Homepage distanzierten sich Vertreter der "Sozialrevolutionären Alternative Querfurt" von einem am 26. April begangenen Brandanschlag auf eine Unterkunft für ausländische Erntehelfer in Querfurt, OT Lodersleben.15 Dabei wurde betont, dass "die nationa15 Siehe auch Seite 7f. 21 le Jugend um die Region Sangerhausen und Querfurt...jede Art von Terror und Gewalt gegenüber Migranten sowie anderen Völker" ablehne. Unterzeichnet war diese Erklärung mit "Nationale Sozialisten Mansfeld Süd Harz/Sangerhausen und Saalekreis/Querfurt". Am 1. Mai fuhren in Querfurt mehrere Personen der rechtsextremistischen Szene, darunter E. MARX und Marcus GROSSMANN, mit einem mit einschlägigen Plakaten versehenen PKW durch ein Siedlungsgebiet. Über Megaphon wurden Fragen wie "Möchten Sie eine Zukunft in Deutschland?" und "Möchten Sie eine Zukunft für ihre Kinder?" gestellt. Weitere Personen, die den PKW zu Fuß begleiteten, verteilten Flugblätter. Wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz stellte die Polizei Platzverweise aus und fertigte Ordnungswidrigkeitsanzeigen. Flugblätter und Megaphon wurden beschlagnahmt. In Querfurt, OT Lodersleben, fand am 11. Oktober eine Podiumsdiskussion unter Teilnahme des Innenministers zum Thema "Die Demokratie in den neuen Bundesländern" statt. Während die Veranstaltung selbst störungsfrei verlief, kam es in der Ortschaft zu einer Spontandemonstration von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene. Diese führten Transparente und Plakate mit, deren Aufschriften geeignet waren, den Staat und seine Symbole zu verunglimpfen. Unter anderem hieß es "Demokraten bringen uns den Volkstod", "Ich Esel glaube an die Demokratie alter Genossen" und "Ich dummes Schaf glaube an den Rechtsstaat". Außerdem wurden Flugblätter verteilt, die den Innenminister diskreditierten. Für die Plakate und Flugblätter zeichnete E. MARX verantwortlich. Als Anmelder der Spontandemonstration war GROSSMANN aufgetreten. Nach erfolgter Identitätsfeststellung wurden den 16 Teilnehmern der Spontandemonstration Platzverweise erteilt sowie die Plakate und Transparente sichergestellt. Rechtsextremistische Szene Bad Lauchstädt Die rechtsextremistische Szene in Bad Lauchstädt ist unstrukturiert. Eine hierarchisch aufgebaute, neonazistisch ausgerichtete Kame22 radschaftsszene existiert nicht. Die nicht parteigebundene Szene wird als subkulturell geprägt eingeschätzt. Die Szene erhielt im Berichtszeitraum Zulauf durch jüngere Personen. Im Berichtsjahr ist in Bad Lauchstädt, aktuell auch im Ortsteil Schafstädt, dem Ortsteil Delitz am Berge und in Mücheln, Ortsteil Wünsch, eine Häufung politisch motivierter Straftaten -rechtszu verzeichnen. Insbesondere wurden Schmierereien mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und mit einschlägigen Symbolen und Schriftzügen festgestellt. Seit Ende August wurden wiederkehrende Schablonenschriftzüge und Darstellungen verwandt. Hierbei wurde häufig der Schriftzug "F.N.B.L" verwandt, der für "Freie Nationalisten Bad Lauchstädt" stehen dürfte. Beim Bad Lauchstädter Brunnenfest wurden am frühen Morgen des 17. August aus einer Gruppierung heraus die Parolen "Hier marschiert der nationale Widerstand!" und "Deutsch, sozial und national" gerufen. Ein Einschreiten der Polizei verhinderte, dass sich die Personen zu einem Aufzug formierten. Dabei wurden die Personalien von 18 Rechtsextremisten festgestellt. Diese stammten unter anderem aus Bad Lauchstädt, Merseburg, Wittenberg und Berlin. Rechtsextremistische Szene in der Landeshauptstadt Magdeburg Der teilweise neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Szene in Magdeburg werden etwa 40 bis 50 aktive Personen zugerechnet, die wahlweise unter den Bezeichnungen "Freie Nationalisten Magdeburg" oder "Nationale Sozialisten Magdeburg" in Erscheinung treten. Der Personenkreis nutzte im Berichtsjahr zunächst bis März den Szenetreffpunkt "Club S 26" in MagdeburgNord für politische Aktivitäten. Der Mietvertrag für die Räumlichkeiten wurde von den Angehörigen der "Freien Nationalisten Magdeburg" gekündigt. Grund hierfür war neben finanziellen Aspekten (Miethöhe, Instandhaltungskosten) auch die Anmietung eines neuen Treffobjekts in der 23 Magdeburger Sieverstorstraße. Dieser Vertrag wurde im April durch den Vermieter gekündigt. Seit November nutzen Rechtsextremisten Räumlichkeiten in der Nähe des Magdeburger Einkaufszentrums "Flora-Park" als Treffpunkt. Das Objekt in der Lerchenwuhne war bereits im Jahr 2006 von Szeneangehörigen angemietet worden. Nach wie vor kooperieren in der Magdeburger Szene Angehörige der "Freien Nationalisten", der NPD und der JN bei der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen eng miteinander. Herausragendes Beispiel dieser Verknüpfung war im Berichtszeitraum die Vorbereitung und Durchführung der Demonstration am 19. Januar in Magdeburg. Bemerkenswert ist der Umstand, dass bei den Wahlen zum neuen JN-Landesvorstand am 22. November in Bernburg (Salzlandkreis) mehrheitlich Magdeburger Rechtsextremisten in Führungspositionen gelangten.16 Die Homepage des JN-Stützpunktes Magdeburg war neben der Seite der örtlichen NPD bis Mitte des Jahres das Sprachrohr der Magdeburger Rechtsextremisten im Internet. Mittlerweile ist der Internetauftritt in den des JN-Landesverbandes eingebunden, der auch die Homepages zum Beispiel der JNStützpunkte Halle, des Raumes Harz und des Salzlandkreises umfasst. Außerdem wurden landesweit die regionalen Internetseiten des "Nationalen Beobachters" auf einer zentralen Internetplattform eingestellt, die auch einen Unterpunkt für die Region Magdeburg enthält.17 Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Am 7. und 8. Januar kam es im Stadtgebiet zu Eilversammlungen der NPD, die sich gegen "Ausländerkriminalität" richteten. 16 Siehe Seite 58. 17 Siehe Seite 58. 24 Wie bereits in den Vorjahren gedachten Rechtsextremisten in Magdeburg der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund wurde durch etwa 40 Angehörige der NPD, der JN und der "Freien Kräfte" am 16. Januar in der Magdeburger Innenstadt eine Mahnwache unter dem Motto "Ehrenhaftes Gedenken, statt Anpassung an den Zeitgeist" abgehalten. Dabei wurden Flugblätter an Passanten verteilt, in denen unter anderem zur Teilnahme an einer Demonstration am 19. Januar geworben wurde. Unter dem selben Motto versammelten sich am 19. Januar etwa 600 Szeneangehörige (2007: 350) aus mehreren Bundesländern, die dem Aufruf einer "Initiative gegen das Vergessen" gefolgt waren, zu einem Aufzug in der Magdeburger Innenstadt. Die Demonstration beinhaltete mehrere Zwischenkundgebungen, in deren Rahmen Reden gehalten wurden. Gegendemonstranten versuchten, die Veranstaltung gewaltsam aufzuhalten. In den Räumen in der Magdeburger Sieverstorstraße fand am 26. Juli eine Vortragsveranstaltung mit einem ehemaligen Mitglied der SS-Leibstandarte Adolf HITLER statt, an der etwa 90 Personen teilnahmen. Der Vertreter der "Erlebnisgeneration" hielt einen Vortrag zum Thema "Meine Soldatenzeit Mai 1941 bis Juni 1945". In der Nacht vom 2. zum 3. August löste die Polizei eine Veranstaltung der rechtsextremistischen Szene im Szenetreff Sieverstorstraße auf. Die Räume des Vereins waren aufgrund bestehender zivilrechtlicher Ansprüche zu dieser Zeit stromlos und der Mietvertrag wegen nicht geleisteter Mietzahlungen bereits fristlos gekündigt.18 Während des Polizeieinsatzes zur Beendigung der oben genannten Veranstaltung, an der sich etwa 100 Personen der rechtsextremistischen Szene aus Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen beteiligt hatten, warf ein unbekannter Rechtsextremist einen Feuerlöscher vom Dach des Gebäudes. Dieser ver18 Siehe Seite 23f. 25 fehlte einen Beamten nur knapp. Darüber hinaus verübten Rechtsextremisten Sachbeschädigungen an Einsatzfahrzeugen der Polizei, die schließlich Pfefferspray einsetzen musste, um weitere Auseinandersetzungen zu unterbinden. Im Schauspielhaus in Magdeburg fand am 9. Oktober eine Veranstaltung des "Bündnisses gegen Rechtsextremismus" zum Thema "Neonazis in Nadelstreifen" statt. An der Veranstaltung wollten auch 16 Personen der rechtsextremistischen Szene teilnehmen. Der Veranstalter verwehrte den Szeneangehörigen den Zutritt. Die Polizei sprach Platzverweise aus. Am 7. November führte der Landesverband der JN in Magdeburg eine Demonstration unter dem Motto "Keine Therapien für die Pädophilen, aktiver Schutz für unsere Kinder" durch, an der sich rund 230, überwiegend aus Sachsen-Anhalt stammende Rechtsextremisten beteiligten. Etwa 40 Szeneangehörige waren aus Berlin angereist. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Harz Die rechtsextremistische Szene in den ehemaligen Landkreisen Halberstadt und Quedlinburg ist im Wesentlichen unstrukturiert. Eine hierarchische, neonazistisch ausgerichtete Kameradschaftsstruktur existiert nicht. Die nicht parteigebundene Szene in den genannten Bereichen wird als subkulturell geprägt und gewaltbereit eingeschätzt. Insgesamt werden der rechtsextremistischen Szene dort etwa 70 bis 80 aktive Personen zugerechnet. Gleichwohl dürfte das Mobilisierungspotenzial bei szenetypischen Veranstaltungen weit höher sein. Im genannten Landkreis, hauptsächlich in der Region Wernigerode/Quedlinburg, besteht unverändert eine sehr enge Kooperation von "Freien Nationalisten", NPD und JN. Unterschiede in der politischen Ausrichtung dieser Gruppen sind so gut wie nicht mehr feststellbar. 26 Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Am 23. August nahmen in Quedlinburg etwa 60 Personen der rechtsextremistischen Szene an einer Demonstration unter dem Motto "Kapitalismus zerschlagen! Gegen die Schaffung von identitätsund heimatlosen Einheitsmenschen und gegen die Reduzierung auf eine graue Arbeiterund Konsummasse" teil. Die Veranstaltung war zunächst durch einen hier unbekannten Personenzusammenschluss mit der Bezeichnung "Autonome Nationalisten Harz" angemeldet worden. Im Vorfeld war der Veranstaltungstermin zweimal verschoben worden. Auch hatten die Anmelder zwischenzeitlich ihre Bezeichnung in "Aktionsfront Harz" geändert. Die Demonstrationsteilnehmer kamen überwiegend aus SachsenAnhalt, insbesondere aus den Landkreisen Harz und Jerichower Land. Rechtsextremistische Szene im Salzlandkreis Insgesamt agieren im Salzlandkreis etwa 50 Rechtsextremisten. Im Berichtszeitraum wurde der JN-Stützpunkt Salzland gegründet, der nun die ehemaligen JN-Stützpunkte Bernburg, Schönebeck und Staßfurt vereint. Unverändert gehen in diesem Bereich die politischen Aktivitäten hauptsächlich von Mitgliedern und Sympathisanten der ehemaligen JN-Stützpunkte Bernburg und Staßfurt aus, wobei hier von einer durchaus engen Zusammenarbeit gesprochen werden kann. Die gemeinsame Internetseite mit der ehemaligen Bezeichnung "Junge Nationaldemokraten Bernburg/Staßfurt" wurde Ende März als Seite des "JN-Stützpunktes Salzland" in den Internetauftritt des JN-Landesverbandes integriert. Zudem existiert seit Juni eine neue Internetseite mit der Bezeichnung "Nationaler Beobachter Salzland". Im genannten Internetauftritt des JN-Stützpunktes Salzland hieß es im April: 27 "Wir präsentieren euch hiermit die Internetseite 'JN-Salzland', welche Stück für Stück weiter gefüllt wird. Sie stellt kein eigenständiges Projekt dar, sondern knüpft nahtlos an den vorangegangenen Internetprojekten an. Von Zeit zu Zeit muss man Strukturen auf Funktion überprüfen, dabei mit sich selbst und anderen hart ins Gericht gehen. Leben ist kein Ponyhof, politischer Aktivismus erst recht nicht. Wir haben die Freiheit auf unsere Fahnen geschrieben und nicht weniger. Wer sich selbst an gesellschaftliche Fesseln kettet, der wird einer revolutionären Jugendbewegung nicht gerecht. Wer an Grundpfeilern dieses Systems zweifelt, ist willkommen, wer sie aber benötigt um seinem bürgerlichen Dasein zu trachten, der ist in der JU eindeutig besser aufgehoben. Unser Weltbild ist nicht starr, nirgends fein säuberlich notiert, sondern baut auf der ständigen Reflektion herrschenden Unrechts. Wir stellen uns ganz einfach den Anspruch in wenigen Jahren an einem Punkt angelangt zu sein, an dem wir sagen: Wir können dieses System nicht nur kritisieren, sondern wir bieten voll und ganz eine Alternative. Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?..." Die Homepage des JN-Stützpunktes ist seit Ende Juni nicht mehr abrufbar. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Am 15. Februar führten etwa 30 Rechtsextremisten in Staßfurt eine Mahnwache unter dem Motto "Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens" durch, die ohne Zwischenfälle verlief. Die Demonstranten zeigten dabei schwarze Fahnen und ein Transparent mit der Aufschrift "Freie Aktivisten Staßfurt". In Bernburg fand am 11. März eine Versammlung des "Bündnisses für Demokratie und Toleranz" unter dem Motto "Das Fass ist voll" statt. Hintergrund dieser Veranstaltung war der Protest gegen die Einrichtung der JN-Bundesgeschäftsstelle in Bernburg. 28 Den etwa 30 Teilnehmern einer für denselben Zeitraum geplanten und nicht durchgeführten Mahnwache der JN unter dem Motto "Grillen gegen Dummheit" wurden zur Durchsetzung der Auflagenverfügung der zuständigen Versammlungsbehörde Platzverweise erteilt. Am 17. Mai fand in Staßfurt eine Kundgebung des JN-Stützpunktes Salzland unter dem Motto "Unsere Kinder sind unsere Zukunft" mit etwa 20 Teilnehmern statt. Auf der oben erwähnten Internetseite hieß es dazu unter anderem: "Am 17. Mai haben freie Aktivisten, sowie Mitglieder der JNund NPD-Salzlandkreis eine Kundgebung unter dem Motto: 'Unsere Kinder sind unsere Zukunft' erfolgreich durchgeführt. Der Höhepunkt der Veranstaltung stellten die Redebeiträge des JN-Kaders A. Knape und eines Mitgliedes der Freien Aktivisten Staßfurt dar. In beiden Äußerungen wurde deutlich, dass der Staat seine Fürsorgepflicht unseren Kindern gegenüber sträflich vernachlässigt hat und die Alternative daher nur eine nationale und sozialistische Volksgemeinschaft sein kann...Weiterhin hatte diese Versammlung richtungsweisenden Charakter in Bezug auf die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen NPD und freien Kräften im Salzlandkreis." In Staßfurt fand am 27. September eine angemeldete Kundgebung des JN-Stützpunktes Salzland unter dem Motto "Gegen Intoleranz - Für Meinungsfreiheit" statt, an der sich 25 Personen beteiligten. Rechtsextremistische Szene in der Altmark In der Region agieren 90 bis 100 aktive rechtsextremistische Szeneangehörige. 29 Rechtsextremistische Szene im Altmarkkreis Salzwedel Unverändert kann für die Gebiete Gardelegen, Klötze und Salzwedel von einer lose strukturierten Szene ausgegangen werden. Diese agiert unter der Bezeichnung "Freie Nationalisten Altmark-West". Angehörige der genannten Szene beteiligten sich im Berichtszeitraum nur sporadisch an öffentlichkeitswirksamen Aktionen und zeigten kaum politische Aktivitäten. Weiterhin bestehen jedoch unverändert gute Kontakte zwischen Vertretern der NPD und der "Freien Nationalisten". Auf der Internetseite des NPD-Kreisverbandes Harz wurde über eine am 10. Februar durchgeführte Jahreshauptversammlung des NPD-Kreisverbandes Altmark berichtet. Zu den Ergebnissen der Veranstaltung äußerte sich dabei Kay SCHWEIGEL (Klötze), eine Führungsperson der "Freien Nationalisten Altmark-West", wie folgt: "Es ist sehr gut, daß Kai Belau19 weiterhin den Kopf des Kreisverbandes bildet. Zusammen mit ihm und seinen Mitgliedern können wir die Volksfront in der Altmark weiter ausbauen, denn ein Herr Erben20 liegt falsch, wenn er meint die Altmark wäre ein Testfeld. Schon seit Jahren arbeiten hier sowie landesweit Freie Kräfte und die NPD in SachsenAnhalt zusammen. Das Hauptaugenmerk legen wir natürlich darauf, zusammen mit der NPD den Bürgern als Alternative zu diesem korrupten System zu dienen." An einer angemeldeten Veranstaltung zum Gedenken an die Bombardierung Salzwedels im Zweiten Weltkrieg nahmen am 22. Februar etwa 50 Personen der rechtsextremistischen Szene teil. Nach zwei Redebeiträgen und einer Kranzniederlegung endete die Kundgebung ohne Störungen. Als Versammlungsleiter fungierte hier ein NPD-Mitglied. 19 Vorsitzender des NPD-KV Altmark. 20 Gemeint ist Innenstaatssekretär Rüdiger ERBEN. 30 Am 27. Dezember fand in Salzwedel ein Aufzug des NPDKreisverbandes Salzwedel und der "Freien Nationalisten aus der Altmark" unter dem Motto "Unser Volk lässt sich nicht verspekulieren" statt, an dem etwa 280 Personen der rechtsextremistischen Szene teilnahmen. Aus dem Aufzug der Rechtsextremisten, die zum Teil aus Hamburg und Niedersachsen angereist waren, kam es vereinzelt zu Steinwürfen in Richtung der Polizeibeamten. Nach wiederholten Blockadeaktionen von Gegendemonstranten wurde die Veranstaltung beendet. Im Nachgang zogen am Abend etwa 50 Szeneangehörige aus dem Raum Niedersachsen und Hamburg durch die Innenstadt von Salzwedel und skandierten die Parolen "Hier marschiert der nationale Widerstand" und "National - Sozial". Rechtsextremistische Szene im Landkreis Stendal Die Rechtsextremistische Szene im Landkreis Stendal ist im Wesentlichen unstrukturiert und weist keine hierarchische, neonazistisch ausgerichtete Kameradschaftsstruktur auf. Die nicht parteigebundene Szene in den genannten Bereichen wird als subkulturell geprägt und gewaltbereit eingeschätzt. Am 5. April wurde im Namen eines "Altmärkischen Kreises der Bismarckfreunde" unter Beteiligung weiterer Rechtsextremisten aus der Altmarkregion vor dem Geburtshaus Otto von Bismarcks in Schönhausen eine Versammlung durchgeführt, an der etwa 50 Rechtsextremisten teilnahmen. Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen E. MARX, Anführer der Kameradschaft "Ostara", trat im Berichtszeitraum erneut als Organisator von Veranstaltungen auf seinem Privatgrundstück in Sotterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) in Erscheinung. Zu den regelmäßigen wöchentlichen Kameradschaftstreffen mit Partycharakter sowie zu Vortragsund Schulungsveranstaltungen konnte E. MARX je nach Art der Veranstaltung bis zu 60 31 Personen mobilisieren. Dass E. MARX nach wie vor über ein beachtliches Mobilisierungspotenzial verfügt, zeigt sich auch bei den von ihm organisierten Musikveranstaltungen mit teils über 100 Besuchern. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Judith ROTHE21 organisierte E. MARX als stellvertretener Versammlungsleiter maßgeblich das Sommerfest der NPD am 5. Juli in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz). E. MARX war zudem bemüht, seine Kontakte zu Aktivisten der benachbarten Regionen weiter auszubauen und versuchte auch, die Aktivitäten der freien Kräfte in Sachsen-Anhalt aktiv mitzugestalten. Unterstützung erhielt er dabei durch den Rechtsextremisten GROSSMANN, der im Berichtsjahr von Halle in das Objekt des E. MARX nach Sotterhausen umzog. "Ostara-Skinheads" (Sangerhausen, Landkreis Mansfeld-Südharz) Dem engen Kern der "Kameradschaft Ostara" gehören etwa 20 Personen an, die subkulturell ausgerichtet sind. Die "Kameradschaft Ostara" trat im Berichtsjahr nur sporadisch in Erscheinung. Das von E. MARX verantwortete Fanzine "Ostara" ist im Berichtsjahr nicht erschienen. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Jerichower Land Der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene im Landkreis Jerichower Land werden etwa 70 bis 80 Personen zugerechnet, die unverändert über gute Kontakte zu Rechtsextremisten aus Brandenburg verfügen und mit diesen gemeinsam Veranstaltungen besucht und durchgeführt haben. Zu Beginn des Jahres wurde bekannt, dass Rechtsextremisten ein neues Treffobjekt in Genthin nutzen. Zu diesem Personenkreis zäh21 Siehe auch Seite 51. 32 len Szeneangehörige, die sich in der Vergangenheit im mittlerweile nicht mehr existenten "Club 88" in Brettin trafen. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten In Burg führten am 16. Februar etwa 30 schwarz gekleidete und vermummte Personen der rechtsextremistischen Szene einen Spontanaufzug durch. Die Teilnehmer skandierten lautstark Parolen mit Bezügen zum Nationalsozialismus. Bei Eintreffen der Polizei löste sich die Versammlung auf. Am Abend des 23. Februar planten etwa 100 Angehörige und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg, in dem eingangs genannten neuen Treffpunkt in Genthin eine Geburtstagsfeier durchzuführen. Nachdem es im Vorfeld Hinweise auf die mögliche Durchführung einer rechtsextremistischen Konzertveranstaltung gegeben hatte, löste die Polizei die Zusammenkunft auf. Am 19. April fand im Treffobjekt in Genthin eine private Geburtstagsfeier statt, an der etwa 40 Personen der rechtsextremistischen Szene teilnahmen. Die Polizei führte eine Gefährderansprache durch und kontrollierte die Zufahrten zum Objekt. Einem bekannten Mitglied der Szeneband "White Blizzard" und vier Angehörigen der Gruppierung "Blue White Street Elite"22 (BWSE) wurden Platzverweise erteilt. Am 1. Mai veranstalteten etwa 25 Szeneangehörige in denselben Räumlichkeiten eine Feier, zu der die Polizei wegen ruhestörenden Lärms gerufen wurde. Die Polizeikräfte erteilte nach einer Gefährderansprache Platzverweise, denen die Szeneangehörigen nicht nachkamen. Im weiteren Verlauf kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf Polizeibeamte, die die Veranstaltung daraufhin beendeten. Aufgrund 22 Die Gruppierung "Blue White Street Elite" wurde am 1. April 2008 gemäß SS 3 Abs. 1 Vereinsgesetz sowie gemäß Artikel 9 Abs. 2 GG vom Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt verboten. Die Fangruppierung des 1. FCM war zuvor auch mit rechtsextremistischen Strafund Gewalttaten bekannt geworden. 33 dieser Vorkommnisse wurde dem Mieter der Räumlichkeiten eine weitere Nutzung untersagt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen. In Burg fand am 25. September ein Aufzug des Vereins "Antirassistische Initiative e. V." statt. Hintergrund dieser Veranstaltung war die geplante Abschiebung eines in Burg lebenden ausländischen Staatsbürgers. Etwa 20 Angehörige der örtlichen rechtsextremistischen Szene, darunter Anhänger der Gruppierung BWSE, versuchten erfolglos zur Aufzugsstrecke zu gelangen. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Börde Der ohne erkennbare Strukturen agierenden rechtsextremistischen Szene in den ehemaligen Landkreisen Bördekreis und Ohrekreis werden etwa 30 bis 40 Personen zugerechnet. Eine hierarchische, neonazistisch ausgerichtete Kameradschaftsstruktur existiert nicht. Die nicht parteigebundene Szene im Landkreis Börde wird als subkulturell geprägt und gewaltbereit eingeschätzt. Publikation "Freier Rundbrief Wolmirstedt" Anfang des Jahres erschien ein "Informationsblatt für Wolmirstedt und Umgebung", das einen "regionalen Jahresrückblick 2007" aus der Sicht von "Wolmirstedter Aktivisten"23 beinhaltete. Darin hieß es unter anderem: "Erwartungsgemäß haben sich staatliche Repressionsmaßnahmen weiter verschärft und führen zu einer grundsätzlichen Verteufelung des Nationalen Widerstandes. Wolmirstedter Aktivisten schafften es über das letzte Jahr verteilt, viele Tausende von Flugblättern in und um unsere Heimatstadt zu verteilen, außerdem Aufkleber und vermehrt Plakate zu verkleben. 23 Eigenbezeichnung. 34 Auch in Wolmirstedt gibt es im bereits angebrochenen Jahr viel zu tun und uns bleibt keine Zeit uns auf den wenigen gesammelten Lorbeeren auszuruhen! Es gilt nach vorn zu schauen, neue Mitstreiter zu gewinnen, erfolgreiche Arbeit vor Ort zu leisten und die Vernetzung weiter auszuweiten." Rechtsextremistische Szene in der Region Dessau-Roßlau / Wittenberg Im Bereich Dessau-Roßlau wurden im Berichtsjahr vornehmlich auf Einzelpersonen zurückgehende rechtsextremistische Aktivitäten bekannt. Bei den "Freien Nationalisten Dessau" ist eine Gruppenstruktur derzeit nicht zu erkennen. Die rechtsextremistische Szene Dessau-Roßlaus umfasst ein Potenzial von etwa 10 bis 20 Personen. Die "Kameradschaft Wittenberg" hat offensichtlich das Interesse verloren, selbst öffentlichwirksame Aktivitäten zu organisieren und durchzuführen. Ein struktureller Aufbau ist nicht mehr zu erkennen. Zur rechtsextremistischen Szene der Region Wittenberg zählt heute ein Personenpotenzial von insgesamt etwa 20 aktiven Rechtsextremisten. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Angehörige der rechtsextremistischen Szene führten am 8. März in Dessau-Roßlau anlässlich des 63. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dessau einen Aufzug unter dem Motto "Gegen das Vergessen - Zum Gedenken der Opfer des Bombenangriffs auf Dessau am 07.03.1945" mit etwa 140 Personen durch. Am 31. Mai fand in Dessau-Roßlau eine Demonstration der JN unter dem Motto "Das Maß ist voll - wir zeigen Gesicht gegen linke Gewalt" mit 115 Teilnehmern statt. Am 20. September nahmen in Dessau-Roßlau etwa 270 Rechtsextremisten aus den Regionen Halle, Wittenberg, Magdeburg, Altmark 35 und Hannover sowie aus Sachsen, an einer Demonstration unter dem Motto "Gesicht zeigen gegen linke Gewalt" teil. Rechtsextremistische Szene im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Bereiche ehemalige Landkreise Anhalt-Zerbst und Köthen) Die rechtsextremistische Szene des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, der etwa 30 bis 40 aktive Personen zugerechnet werden, ist subkulturell ausgerichtet, gewaltbereit, lose strukturiert und verfügt über keinen hierarchischen Aufbau. Im Januar wurde eine neue Internetseite mit der Bezeichnung "Nationaler Beobachter Anhalt" bekannt, die sich als "regionales Nachrichtenund Informationsportal der Widerstandsbewegung im Raum Anhalt-Bitterfeld/Dessau-Roßlau und Wittenberg" beschreibt. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Im Anschluss an eine geschlossene Schulungsveranstaltung der JN in Köthen am 5. April versammelten sich etwa 35 Personen der rechtsextremistischen Szene zu einer Spontanversammlung. Der Aufzug wurde von der Polizei beendet. Hintergrund war die Tötung eines Jugendlichen am 4. April in Stolberg (Nordrhein-Westfalen).24 Ebenfalls vor diesem Hintergrund fand am 12. April in Köthen eine vom JN-Landesverband angemeldete Kundgebung unter dem Motto "Hingucken! Ausländergewalt und Staatsrepressionen entgegentreten" mit etwa 40 Teilnehmern statt, die ohne Zwischenfälle verlief.25 Anlässlich des 63. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Zerbst26 beabsichtigten Angehörige der rechtsextremistischen Szene, am 15. April auf dem Friedhof in Zerbst eine Kranzniederlegung durchzuführen. Vor dem Friedhof wurden schließlich zwei Personen 24 Siehe Seite 58. 25 Siehe Seite 58. 26 16. April 1945. 36 festgestellt, die einen Kranz mit sich führten. Daran befand sich eine Schleife mit der Aufschrift "In Erinnerung an die deutschen Opfer des 2. Weltkrieges, die durch die Mordlust alliierter Kriegsverbrecher sterben mussten, einen letzten Gruß". Nach einem durch die Polizei ausgesprochenen Aufenthaltsverbot entfernten sich die Personen, ohne den Kranz niedergelegt zu haben. Etwa 30 Personen, die Teilnehmer einer Kundgebung des JNLandesverbandes in Dessau-Roßlau waren,27 führten im Anschluss an diese Veranstaltung am 31. Mai in Köthen eine nicht genehmigte Spontandemonstration durch. Nachdem anwesende Polizeibeamte von Veranstaltungsteilnehmern bedrängt worden waren, löste die Polizei die Versammlung auf. In Zerbst fand am 14. Juni eine Demonstration der NPD zum Thema "Aufstand der Deutschen" statt, an der sich etwa 150 Personen der rechtsextremistischen Szene beteiligten.28 Die ehemalige Vorsitzende des NPD-Landesverbandes SachsenAnhalt Carola HOLZ (Bitterfeld-Wolfen) meldete eine Mahnwache unter freiem Himmel unter dem Motto "Mehr Sicherheit für unsere Kinder! Unsere Kinder sind unsere Zukunft!" für den 29. November in Bitterfeld-Wolfen, OT Bitterfeld, an. An dieser Veranstaltung nahmen etwa 20 Personen teil. Rechtsextremistische Szene im Burgenlandkreis Der rechtsextremistischen Szene im Burgenlandkreis können etwa 15 bis 20 aktive Personen zugerechnet werden. Festgefügte neonazistisch geprägte Strukturen existieren dort nicht. Seit 2001 gab es hin und wieder Hinweise auf kleinste Personenzusammenschlüsse (etwa fünf Personen), die unter wechselnden Bezeichnungen wie zum Beispiel "Nationaler Widerstand Weißenfels" oder "Weißenfelser Nationaler Widerstand" auftraten. 27 Siehe Seite 59. 28 Siehe Seite 43. 37 Einzelne Rechtsextremisten aus dem Burgenlandkreis verfügen aufgrund der geographischen Nähe zu Halle und Merseburg über enge Kontakte zu den dort agierenden rechtsextremistischen Szenen. Angehörige der rechtsextremistischen Szene aus dem Burgenlandkreis nahmen an szenetypischen Demonstrationen im Raum Halle/Merseburg und im Raum Delitzsch/Schkeuditz (Sachsen) sowie an Aktionen der NPD und an rechtsextremistischen Konzerten teil. Überregionale Strukturen sachsen-anhaltischer Rechtsextremisten "SelbstSchutz Deutschland" Der "SelbstSchutz" bietet trotz des Umzugs der FührungspersonMirko APPELT nach Niedersachsen weiterhin Ordnerdienste für die NPD an, wie beispielsweise anlässlich des NPD-Landesparteitages am 1. März in Tangerhütte (Landkreis Stendal) oder im Zusammenhang mit der NPD-Demonstration unter dem Motto "Aufstand für Deutschland" am 14. Juni in Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). Eigenangaben im Internet zufolge unterhält der "SelbstSchutz Deutschland" in Sachsen-Anhalt die Standorte Gardelegen, Salzwedel, Halle, Magdeburg und Wernigerode. Weitere Standorte sollen sich in Hannover, Berlin und Dresden befinden. Des Weiteren werden im Internet die "Freien Nationalisten Altmark-West" und der "Mitteldeutsche Musikversand" als "Kooperationspartner" benannt. ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN In der Gesamtschau ist festzustellen, dass die Aktivitäten von sachsen-anhaltischen Szeneangehörigen zu den aus ihrer Sicht bedeutsamen historischen Daten im Vergleich zum Vorjahr zugenommen haben. 38 Aktivitäten zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg Der seit Mitte der 1990er Jahre jährlich von der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland e. V." (JLO) organisierte "Trauermarsch" zum Gedenken an die Bombardierung der Stadt Dresden zählt zu den bedeutendsten zentralen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene. An den Kundgebungen in den Jahren 2004 und 2005 hatten 4.200 beziehungsweise 5.000 Personen teilgenommen. Der deutliche Rückgang der Teilnehmerzahl im Jahr 2007 auf 1.750 Personen dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Kundgebung auf einen Werktag gelegt worden war. Mit einer Teilnehmerzahl von 3.800 Personen beteiligten sich am 16. Februar dieses Jahres wieder deutlich mehr Rechtsextremisten. Die Veranstaltung wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet und verlief weitgehend störungsfrei. An ihr beteiligten sich erneut zahlreiche Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter eine Vielzahl bekannter Akteure wie Thomas WULFF (Hamburg), Holger APFEL (Sachsen) oder Frank SCHWERDT (Berlin). Es waren zudem Rechtsextremisten aus Österreich, der Tschechischen Republik, Spanien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden vertreten. Aus Sachsen-Anhalt nahmen etwa 150 Rechtsextremisten aus Bitterfeld, Köthen (beide Landkreis Anhalt-Bitterfeld), Elbingerode (Landkreis Harz), Gommern (Landkreis Jerichower Land), Halle, Magdeburg, Merseburg (Saalekreis), Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz), Wolmirstedt (Landkreis Börde) und Zeitz (Burgenlandkreis) teil. Wie im vergangenen Jahr rief das "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" im Internet für die Woche vom 11. bis 17. Februar zu regionalen Aktivitäten im gesamten Bundesgebiet auf. Diese sollten die Solidarität derjenigen Rechtsextremisten zum Ausdruck bringen, die nicht nach Dresden reisen konnten. Als mögliche Beispiele wurden Vortragsveranstaltungen und Mahnwachen sowie Einzelaktionen wie Plakatierungen und Flugblattverteilungen genannt. 39 In Sachsen-Anhalt wurden im Rahmen dieser Aktionswoche Mahnwachen in Halberstadt (Landkreis Harz), Staßfurt (Salzlandkreis), Halle und Magdeburg durchgeführt. In Burg (Landkreis Jerichower Land) fand am 16. Februar eine Spontandemonstration zu diesem Thema statt. Aktivitäten zum Todestag von Horst WESSEL Rechtsextremisten nahmen den Todestag des SA-Sturmführers Horst WESSEL am 23. Februar (ähnlich den Aktionen zum Todestag von Rudolf HESS) zum Anlass, entsprechendes Infomaterial zu verteilen. So wurden Plakatierungen zum Thema in Bad Lauchstädt (Saalekreis), Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld), Jerchel, Jeseritz und Mieste (alle Altmarkkreis Salzwedel) festgestellt. Aktivitäten zum "Hitlergeburtstag" Aufgrund des 119. Geburtstages von Adolf HITLER am 20. April erließ das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt für die Zeit vom 19. bis 21. April eine Allgemeinverfügung, wonach öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sowie Aufzüge, die in Zusammenhang mit diesem Geburtstag standen, sowie jede Form von Ersatzveranstaltung für das Land Sachsen-Anhalt verboten wurden. Für den 19. April meldete der NPD-Kreisverband Altmark in Zusammenarbeit mit "Freien Nationalisten" aus der Altmark eine "Kundgebung gegen Intoleranz mit Grillen" im Stadtgebiet von Salzwedel an. Unter Bezug auf die oben genannte Verfügung wurde die Veranstaltung verboten und fand nicht statt. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt aus dem Anlass des "Hitlergeburtstages" waren nicht zu verzeichnen. 40 Aktivitäten zum 1. Mai Überregional Der 1. Mai entwickelt sich weiter zu einem bedeutenden Demonstrationstermin für Neonazis aus Deutschland und dem Ausland. Die rechtsextremistische Szene führte auch in diesem Jahr zum 1. Mai mehrere dezentrale Veranstaltungen durch. An sechs Demonstrationen nahmen insgesamt etwa 3.900 (2007: 3.400) Personen teil. Die beiden größten Kundgebungen fanden in Hamburg (Anmelder: Freie Kameradschaftsszene Hamburg) und in Nürnberg (Bayern, Anmelder: NPD-Bundesvorstand) statt. An der unter dem Motto "Sozial geht nur national" vom NPDBundesvorstandsmitglied Jens PÜHSE angemeldeten Veranstaltung in Nürnberg nahmen rund 1.500 Personen teil. Die Demonstration verlief weitgehend störungsfrei. Als Redner traten der Parteivorsitzende Udo VOIGT (Berlin), sein Stellvertreter Sascha ROSSMÜLLER (Sachsen), der bayerische Landesvorsitzende Ralf OLLERT und der JN-Bundesvorsitzende Michael SCHÄFER (Wernigerode, Landkreis Harz) auf. VOIGT geißelte in seiner Rede die "Politik der Globalisierung und der multikulturellen Entfremdung, die von allen im Bundestag vertretenen Parteien, von der CSU bis zur PDS" betrieben werde, als die "Hauptursache der sozialen Missstände" in der Bundesrepublik. Sozialer Friede und das Miteinander einer Solidargemeinschaft seien nur unter den Bedingungen nationaler Politik möglich. In Hamburg nahmen an einer Demonstration unter dem Motto "Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen - Gemeinsam gegen Globalisierung" ebenfalls etwa 1.500 Personen aus der freien Kameradschaftsszene und der NPD teil. Als Redner trat der Vorsitzende der rechtsextremistischen "Nederlandse Volks Unie" (NVU) Constantijn KUSTERS auf. Weitere geplante Reden, unter anderem von Jürgen RIEGER, wurden wegen Auflösung der Veranstaltung nicht mehr gehalten, da es am Rande der Demonstration zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der "Autonomen Nationalisten" (AN) und Gegendemonstranten gekommen war. Der 41 Polizei bilanzierte eine bei den AN in diesem Ausmaß bislang nicht bekannte Gewaltbereitschaft. Weitere Demonstrationen fanden in Kaiserslautern, Neustadt/ Weinstraße (beide Rheinland-Pfalz) und Cottbus (Brandenburg) statt. Aktivitäten zum 8. Mai Überregional Alljährlich nutzen Rechtsextremisten den 8. Mai, um in Bezug auf die deutsche Kriegsschuld und auf das Ende des Zweiten Weltkrieges gegen "Schuldkult und Befreiungslüge" zu demonstrieren. Gegenüber den Vorjahren haben sich die Aktivitäten von Rechtsextremisten zu diesem Anlass wesentlich verstärkt. Aktivitäten in Sachsen-Anhalt Über verschiedene Plakatierungsaktionen mit Bezug zum 8. Mai zum Beispiel in Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel), Genthin (Landkreis Jerichower Land), Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld), Stendal oder Wolmirstedt (Landkreis Börde) hinaus fanden in Sachsen-Anhalt öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen von Rechtsextremisten unter anderem in Calbe/Saale (Salzlandkreis), Magdeburg, Wernigerode (Landkreis Harz) und Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) statt. An der landesweit größten Veranstaltung, die in Form eines Trauermarsches unter dem Motto "8. Mai - Schluss mit der Befreiungslüge" durchgeführt wurde, nahmen am 10. Mai in Tangermünde (Landkreis Stendal) etwa 100 Szeneangehörige teil. Im Rahmen von Zwischenkundgebungen sprachen unter anderem der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Magdeburg Andreas BIERE (Klein Wanzleben, Landkreis Börde), der NPDLandesgeschäftsführer Matthias HEYDER (Elbingerode, Landkreis Harz), der JN-Bundesvorsitzende SCHÄFER sowie der NPDFunktionär aus der Altmark Heiko KRAUSE. 42 Aktivitäten zum 17. Juni In Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) fand am 14. Juni eine von NPD-Mitgliedern angemeldete Demonstration unter dem Motto "Aufstand der Deutschen" statt, an der sich etwa 150 Personen der rechtsextremistischen Szene beteiligten. Die Veranstaltung wurde nach Eigenangabe auf der Internetseite des JN-Landesverbandes Sachsen-Anhalt als "Gedenkdemonstration zur Wiederkehr des Tages des mitteldeutschen Arbeiteraufstandes von 1953" durchgeführt. Vor dem Privathaus des sachsen-anhaltischen Innenministers kam es zu einem kurzzeitigen Halt des Demonstrationszuges, ohne dass Störungen zu verzeichnen waren. Im Verlauf der Veranstaltung hielten unter anderem HEYDER, BIERE, der stellvertretende JN-Landesvorsitzende Andy KNAPE und JN-Bundesschulungsleiter Matthias GÄRTNER (Magdeburg) Reden. Am 17. Juni fand am Leipziger Turm in Halle eine Kundgebung des JN-Landesverbandes unter dem Motto "17. Juni 1953 - Damals wie heute nationaler Freiheitskampf!" statt, an der etwa 25 Personen teilnahmen. Philipp VALENTA (Bernburg, Salzlandkreis) meldete im Namen des JN-Stützpunktes Salzland eine Kundgebung unter dem Motto "Sozial geht nur National!" an, die am 18. Juni in Nienburg (Salzlandkreis) durchgeführt wurde. An der ohne Zwischenfälle verlaufenen Veranstaltung nahmen lediglich drei Szeneangehörige teil. Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen Überregional Eine für den 16. August geplante und von RIEGER angemeldete zentrale Kundgebung in Wunsiedel unter dem Motto "Gedenken an Rudolf Heß" wurde durch das Landratsamt Wunsiedel verboten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lehnte schließlich mit Beschluss vom 13. August den Antrag RIEGERs auf Erlass einer 43 einstweiligen Anordnung gegen das Versammlungsverbot ab und bestätigte damit den Verbotsbescheid des Landratsamtes Wunsiedel. Rechtsextremistische Szeneangehörige führten am 16. und 17. August in Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen neun dezentrale Gedenkveranstaltungen zum 21. Todestag von HESS durch. Daran beteiligten sich insgesamt 780 Personen.29 Größere Kundgebungen gab es lediglich in Altenburg (Thüringen) mit etwa 230 Teilnehmern und in Ueckermünde (Mecklenburg-Vorpommern) mit rund 250 Teilnehmern. Der Aufzug in Ueckermünde wurde aufgelöst. An einer Spontandemonstration am 16. August in Braunschweig (Niedersachsen) beteiligten sich auch Szeneangehörige aus Sachsen-Anhalt, die den "Freien Nationalisten Altmark-West" zuzurechnen sind. Aktivitäten in Sachsen-Anhalt Durch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wurde, wie bereits im Vorjahr, eine Allgemeinverfügung erlassen, die öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sowie Aufzüge, die aus Anlass oder im Zusammenhang mit dem 21. Todestag von HESS standen, in der Zeit vom 15. bis zum 18. August für das Hoheitsgebiet des Landes verbot. Diese Maßnahme beinhaltete auch jegliche damit verbundene Ersatzveranstaltungen. Rechtsextremisten versuchten während des genannten Zeitraums dennoch, Veranstaltungen durchzuführen. Diese wiesen, wenn auch mit anderen Themenfeldern verbunden, eindeutig einen Bezug zum 21. Todestag von HESS auf. Entsprechende Aktivitäten im Harzgebiet und in Genthin (Landkreis Jerichower Land) wurden verhindert. 29 Im Jahr 2005 hatten noch etwa 2.000 Rechtsextremisten und in den letzten beiden Jahren jeweils etwa 1.200 Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum an entsprechenden Ersatzveranstaltungen teilgenommen. 44 Im Zusammenhang mit dem 21. Todestag von HESS wurde in Sachsen-Anhalt eine Vielzahl von Propagandadelikten erfasst. Dies betraf in erster Linie Sprühaktionen, das Verteilen von Flugblättern und das Anbringen von Transparenten und Plakaten, zum Beispiel an Autobahnbrücken oder an markanten öffentlichen Plätzen. Im Hinblick auf die Anzahl solcher Aktivitäten, bildeten hierbei der Altmarkkreis Salzwedel und der Landkreis Stendal eindeutige Schwerpunkte. Aktivitäten zum "Heldengedenktag" (Volkstrauertag) Anlässlich des Volkstrauertages sind im November in SachsenAnhalt unter anderem in Halle, Klötze (Altmarkkreis Salzwedel), Möckern (Landkreis Jerichower Land), Schönebeck (Salzlandkreis), Tangerhütte (Landkreis Stendal), Merseburg30 (Saalekreis) und Weißenfels (Burgenlandkreis) Veranstaltungen von rechtsextremistischen Szeneangehörigen durchgeführt worden. Sonnenwendfeiern von Rechtsextremisten in SachsenAnhalt In Köckte (Landkreis Stendal) veranstalteten 80 bis 90 Angehörige und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene am 21. Juni eine Sommersonnenwendfeier. Hierzu wurde auf den dortigen Tangerwiesen ein Zelt mit Getränkeausschank aufgebaut. Die Zufahrten zum Platz wurden mit Baumstämmen verbarrikadiert und mit Nagelbrettern versehen. Die Polizei löste die Zusammenkunft ohne besondere Vorkommnisse auf. Ebenfalls am 21. Juni wollten hauptsächlich aus dem Raum Halle stammende Angehörige der rechtsextremistischen Szene in der Nähe des Petersberges (Saalekreis) eine Sommersonnenwendfeier durchführen. Die Polizei verhinderte dies. Die Szeneangehörigen fuhren daraufhin zu einem in der Nähe befindlichen Steinbruch, um hier eine Ersatzveranstaltung durchzuführen, was ebenfalls verhin30 Siehe auch Seite 18. 45 dert wurde. Letztlich versammelte sich die Personengruppe im "Braunen Haus" in Halle, wo schließlich eine Art kleine Sonnenwendfeier stattfand. Weitere Sommersonnenwendfeiern unter Beteiligung von Rechtsextremisten sind aus Blankenburg (Landkreis Harz) und Möckern (Landkreis Jerichower Land) bekannt geworden. Auf der Internetseite des "Freien Netzes Burg" wurde im Dezember ohne genaue Ortsoder Datumsangabe von einer Wintersonnenwendfeier im Jerichower Land berichtet. DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") Der diskursorientierte Rechtsextremismus, der auch als "Neue Rechte" bezeichnet wird, verwischt die Trennungslinien zwischen demokratischem und rechtsextremistischem Spektrum. Seine Vertreter versuchen, Anschluss an die Diskurse der Mitte der Gesellschaft zu finden und sich dabei als modern und moderat zu präsentieren, ohne jedoch den Einfluss auf das rechtsextremistische Lager als Ganzes zu verlieren. Hinter ihrem oftmals maßvollen Duktus verbergen sich häufig antidemokratische, revisionistische und fremdenfeindliche Konzepte. "Internationales Studienwerk - Collegium Humanum e. V." (CH) Das "Internationale Studienwerk - Collegium Humanum e. V." (CH) wurde 1963 von Werner Georg HAVERBECK31 als "Heimvolkshochschule für Umwelt und Lebensschutz" gegründet und bot mit seinen Räumlichkeiten in Vlotho (Nordrhein-Westfalen) der rechtsextremistischen, insbesondere revisionistischen Szene ein Schulungszentrum. Mit Verfügung vom 7. Mai hat das Bundesministerium des Innern gemäß SS 3 Vereinsgesetz den Verein "Collegium 31 + 1999; NSDAP-Mitglied, rechtsextremistischer deutscher Publizist, Historiker und Volkskundler. 46 Humanum e. V." (CH) einschließlich seiner Teilorganisation "Bauernhilfe e. V." verboten. Zum Verbot führte die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeiten des CH sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland richten. Zudem verstieß eine fortgesetzte Leugnung des Holocaust gegen geltendes Recht.32 Der Verein verbreitete antisemitische Propaganda und betrieb eine Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Dieses Gedankengut wurde im Internet, in Druckerzeugnissen33 sowie bei Zusammenkünften in der vereinseigenen Liegenschaft verbreitet. Dort trafen sich Holocaustleugner und Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet. RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN Von den rechtsextremistischen Parteien sind in Sachsen-Anhalt die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und die "Deutsche Volksunion" (DVU) politisch wahrnehmbar. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD ist die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei. Ihr werden etwa 7.000 Rechtsextremisten zugerechnet. Der Mitgliederbestand des NPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt erhöhte sich seit 2005 nicht. Er umfasst etwa 250 Personen. Im Jahr 2008 war die Entwicklung der NPD maßgeblich beeinflusst durch die Finanzaffäre um den ehemaligen Bundesschatzmeister Erwin KEMNA. KEMNA hatte in einem Gerichtsverfahren gestanden, zwischen 2004 und 2007 in 80 Fällen Parteigelder in Höhe von insgesamt 741.000 Euro veruntreut zu haben. Durch die Finanzaffäre und die ihr nachfolgenden heftigen parteiinternen Diskussionen befindet sich die Partei in einer schwierigen Phase. 32 Das Landgericht Dortmund (Nordrhein-Westfalen) verurteilte am 11. Juni 2007 die Vorsitzende des CH Ursula HAVERBECK-WETZEL wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe. Eine weitere Verurteilung wegen Volksverhetzung erfolgte am 21. Oktober im Rahmen eines Berufungsverfahrens. 33 CH-Publikation "Lebensschutz-Informationen LSI - Stimme des Gewissens". 47 Entwicklung der Bundespartei Der amtierende Parteivorsitzende VOIGT, der noch im Frühjahr auf dem Bundesparteitag der NPD in seinem Amt bestätigt worden war, sah sich im Berichtsjahr mit einem Machtkampf um den Parteivorsitz und mit Diskussionen um ein Ende der von ihm propagierten "Volksfrontstrategie"34 konfrontiert. Die Agitation der Partei war auch im Berichtsjahr geprägt von Antisemitismus, Revisionismus und Ausländerhetze. Dies zeigt besonders die einseitig negative und verzerrende Berichterstattung im NPD-Presseorgan "Deutsche Stimme" (DS). Beispielsweise sprach der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen GANSEL in der Septemberausgabe der DS jedweder Form muslimischen Lebens in Deutschland die Daseinsberechtigung ab und propagierte zudem eine fundamental antiislamische Haltung. Die prinzipielle Ablehnung von Juden und Muslimen in Europa resultiert deshalb zu allererst aus deren Wahrnehmung als "völkisch Fremde", deren Zusammenleben mit ethnisch Deutschen GANSEL als grundsätzlich unmöglich einstuft. Die Konsequenz dieses rassistischen Grundansatzes ist seiner Schlussbemerkung zu entnehmen, in der er Juden und Muslime zumindest mittelbar auffordert, Europa zu verlassen, ihnen also den legitimen Anspruch auf ein hiesiges Lebensund Bleiberecht verweigert. Die NPD trat auch 2008 unverändert rassistisch und aggressiv fremdenfeindlich auf. Unter dem Titel "Afrika erobert das Weiße Haus" kommentiert GANSEL in einem im Internet verbreiteten Text die amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 4. November. Die Wahl Barack OBAMAs habe das wahre Wesen der USA im 21. Jahrhundert enthüllt. Das weiße, von europäischen Auswanderern getragene Amerika befinde sich durch Einwanderung und Rassenmischung in Auflösung und habe mit dem "Afrika-Sprößling seinen symbolischen To34 Auch als "Kampf um den organisierten Willen" bezeichnet. Die NPD versteht hierunter die Anund Einbindung von parteifernen Rechtsextremisten zum Beispiel aus dem Bereich der neonazistischen Kameradschaftsszene. 48 tengräber" gewählt. In seinem durchweg rassistisch geprägten Beitrag äußert sich GANSEL wörtlich: "Schon das weiße Amerika war eine kulturelle Zumutung für die Welt und zwang freien Völkern mit Waffengewalt ihr multirassisches und damit rassenvernichtendes Gesellschaftsmodell auf; ein nicht-weißes Amerika ist jedoch eine Kriegserklärung an alle Menschen, die eine organisch gewachsene Gemeinschaftsordnung aus Sprache und Kultur, Geschichte und Abstammung für die Essenz des Menschlichen halten." 2008 beteiligte sich die NPD an den Landtagswahlen in Niedersachsen, Hessen und Bayern. Dabei verfehlte sie den Einzug in alle drei Landtage deutlich, erhält aber Wahlkampfkostenerstattung für die Wahlen in Niedersachsen und Bayern. Trotz andauernder Kritik innerhalb der NPD an der mangelnden Außendarstellung der "Deutschen Volksunion" (DVU) wurde die Zusammenarbeit mit der DVU auf der Grundlage des im Januar 2005 abgeschlossenen "Deutschlandpaktes" fortgesetzt. Dieser besagt, dass beide Parteien bis 2009 bei Landtags-, Bundestagsund Europawahlen nicht gegeneinander antreten. Die Partei stellte auch 2008 die "soziale Frage" ins Zentrum ihrer Agitation. Die NPD geht nach eigener Aussage davon aus, nur über die soziale Frage fester Bestandteil der politischen Landschaft in Deutschland werden zu können. An der unter dem Motto "Sozial geht nur national" vom NPDBundesvorstandsmitglied PÜHSE zum 1. Mai angemeldeten Veranstaltung in Nürnberg (Bayern) nahmen rund 1.500 Personen teil.35 Im Vorjahr hatte die Partei zum 1. Mai sechs dezentrale Demonstrationen durchgeführt, an denen insgesamt etwa 2.700 Personen teilnahmen. 35 Siehe Seite 41. 49 An dem von der NPD veranstalteten dritten "Fest der Völker" am 13. September in Altenburg (Thüringen) beteiligten sich rund 1.100 Personen (2007: 1.600), davon etwa 110 Teilnehmer aus dem europäischen Ausland. Unter dem Motto "Für ein Europa der Vaterländer" erschienen nach Angaben des Veranstalters Redner aus Bulgarien, Großbritannien, Italien, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien und Tschechien. Daneben traten die dem subkulturellen Spektrum zuzurechnenden rechtsextremistischen Musikgruppen "White Law" (Großbritannien), "Strappo" (Italien) sowie die deutschen Bands "Brainwash", "Mosphit" und "Sleipnir" auf. "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Die 2006 gegründete NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) hat bislang nur in geringem Umfang öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten entfaltet. Die Organisation versucht, mit einer eigenen Homepage, mit Flugblättern und über die Beteiligung an Infoständen der NPD auf sich aufmerksam zu machen. Am 27. September führte der RNF in Berlin seinen zweiten Bundeskongress durch. Gitta SCHÜSSLER (Sachsen) wurde in ihrem Amt als Bundessprecherin bestätigt. Als Stellvertreterinnen wählte der Kongress erneut ROTHE (Sotterhausen, Landkreis MansfeldSüdharz) und Stella HÄHNEL (Berlin). Neu im Bundesvorstand vertreten ist als Beisitzerin mit der Funktion einer Schatzmeisterin Heidrun WALDE (Schneidlingen, Salzlandkreis). Im Berichtsjahr stellte RNF-Bundessprecherin SCHÜSSLER ein Flugblatt mit dem Thema "Gender Mainstreaming" vor. Nach Aussage von SCHÜSSLER versteht der RNF "Gender Mainstreaming" als ein gigantisches Umerziehungsprojekt, das Frauen und Männern ihre angeborene Geschlechtsidentität "aberziehen" will. Man wolle den "neuen Menschen" schaffen, mit beliebigem geschlechtlichem Verhalten, demzufolge bindungsund verantwortungslos. Das Flugblatt entspricht inhaltlich den bekannten Positionen des RNF zu frauenpolitischen Themen. Vorstandsmitglied HÄHNEL nannte als zentrale Ziele des RNF unter anderem eine Steigerung der Geburtenrate, das "gesunde Aufwachsen unserer Kinder" und deren Erziehung. 50 Einer weiteren Internetmeldung des RNF ist zu entnehmen, dass unter dem Motto "Frauen die sich trauen" die Selbsthilfegruppe "Jeanne D." für "politisch verfolgte Frauen in Zeiten der BRD" gegründet worden sei. Die Selbsthilfegruppe "Jeanne D." verstehe sich als Unterstützer der "Deutschen, die sich national oder patriotisch in BRDeutschland für ihre Heimat engagieren" und deshalb mit "Lügen und Falschdarstellungen öffentlich diffamiert" wurden. Der Landesverband Sachsen-Anhalt des RNF entfaltete 2008 keinerlei öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. ROTHE wurde auf dem jährlichen RNF-Landeskongress in ihrer Funktion als Landessprecherin des RNF Sachsen-Anhalt bestätigt. Die Funktion der stellvertretenden Landessprecherin nimmt künftig Marita SCHÄFER (Etgersleben, Landkreis Salzland), ehemalige Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der "Deutschen Partei", wahr. Als ein Ziel des hiesigen RNF-Landesverbandes wurde die Kandidatur seiner Mitglieder bei den sachsen-anhaltischen Kommunalwahlen 2009 genannt. NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt Die Mitgliederzahl des Landesverbandes der NPD erhöhte sich in den letzten drei Jahren nicht. Für das Jahr 2008 ist von einem Mitgliederbestand von etwa 250 Personen auszugehen. Diese sind in elf Kreisverbänden und mehreren Ortsbereichsgruppen organisiert. Der NPD-Landesverband versuchte auch im Berichtsjahr - zum Beispiel über seine Darstellung im Internet - den Eindruck zu vermitteln, er und seine Jugendorganisation JN verfügten über einen stabilen, homogenen, zielorientiert handelnden Personalkörper voller geistiger und aktionistischer Spannkraft. Die beobachtete Parteipraxis ist jedoch vergleichsweise ernüchternd. Die Mitgliederzahlen von NPD und JN stagnieren, die einst starken südlichen Kreisverbände wie der Kreisverband Burgenlandkreis haben ihren parteiinternen "Vorzeige"-Charakter eingebüßt, die finanzielle Lage der Partei hat sich weiter verschärft und bei den Bürgermeisterwahlen im Jahr 2008 konnten NPD-Kandidaten keine nennenswerten Ergebnisse erzielen. 51 Der hiesige NPD-Landesverband wählte am 1. März in Tangerhütte (Landkreis Stendal) einen neuen Vorstand. Zwar wurde mit der Wahl jüngerer und mit der neonazistischen Szene verwurzelter Kader ein Generationswechsel eingeleitet, die davon erhoffte "Weiterentwicklung" des Landesverbandes blieb allerdings aus. Der Vorstand des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der NPD trat im September fast geschlossen zurück. Dem waren monatelange Querelen zwischen den Vorstandsmitgliedern vorausgegangen. Ein geschäftsführender Vorstand unter Leitung des Neonazis und Parteifunktionärs HEYDER leitete seither den Landesverband der Partei.36 Anfang März startete die NPD die Kampagne "Sozial geht nur national". Mit Unterstützung der JN dient die "Öffentlichkeitsoffensive" in erster Linie der Mitgliederwerbung. Hierfür wurden Flugblätter entwickelt, die soziale Belange der Bevölkerung aufgreifen. Diese sollen an Infoständen und darüber hinaus auch über das Internet Verbreitung finden. In Sachsen-Anhalt warb die NPD beispielsweise am 26. Mai an einem Infostand in Magdeburg um Mitglieder. In Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) fand am 5. Juli unter dem Motto "Anpacken, Aufräumen, Aufbauen" das zweite "Sommerfest der Nationalen Bewegung" in Sachsen-Anhalt statt, an dem sich etwa 300 bis 350 Personen beteiligten. Im Jahr 2007 konnten noch 450 Personen zu der Veranstaltung mobilisiert werden. Nach der Eröffnungsrede durch den Landesgeschäftsführer der NPD Sachsen-Anhalt HEYDER traten der Historiker Dr. Olaf ROSE (Nordrhein-Westfalen), RIEGER und WULFF auf. Zur Unterhaltung sollten Auftritte der rechtsextremistischen Bands "Bloodline", "System Infarkt" (beide Deutschland), "Before the War" (Slowakei)37 sowie des Liedermachers "Barny" (Deutschland) beitragen. 36 Im Februar 2009 wählte ein Landesparteitag mit HEYDER, VALENTA, KNAPE und GÄRTNER so genannte "reformorientierte Kräfte" in den Landesvorstand, die für eine stärkere Einbindung von Neonazis in die NPD ("Volksfront von Rechts") stehen. 37 Ursprünglich waren sechs Bands angekündigt. 52 Das Sommerfest dürfte weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein. Auf zahlreichen Internetseiten der rechtsextremistischen Szene war zur Teilnahme aufgerufen worden. Weder die angekündigten Redner und musikalischen Darbietungen, noch zahlreiche Verkaufsstände und das Kinderfest vermochten in größerem Umfang rechtsextremistisches Personenpotenzial zu mobilisieren. Abgesehen von wenigen Personen aus angrenzenden Bundesländern bestand das Teilnehmerfeld fast durchweg aus Rechtsextremisten aus der Region. Zu den ehrgeizigen Zielen der NPD im Jahr 2008 gehörte das Projekt "Festung Harz". Dessen Gründung war in einer Pressemitteilung des NPD-Landesverbandes vom 14. Oktober bekannt gegeben worden. Als lang vorbereitetes Vorhaben eines Regionalverbundes der Harzer NPD-Kreisverbände seien am 3. Oktober Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Harz zusammen mit Mitgliedern der NPD aus Niedersachsen und Thüringen sowie "Freien Kräften" auf den Brocken gewandert. Ziel des Verbundes sei es, sowohl auf politischer wie auch auf gemeinschaftlicher Basis Kontakte zwischen den Verbänden und den einzelnen Mitgliedern zu knüpfen. "Im Rahmen der Wahlkämpfe sollen vorrangig die Mitglieder des Regionalverbandes "Festung Harz" im anderen Bundesland Wahlkampfhilfe leisten. Der Regionalzusammenschluss soll die Kampagnenfähigkeit und Geschlossenheit der Gesamtpartei dokumentieren. Der Austausch und die Vermittlung von kommunalpolitischen Kenntnissen und Tipps ist wichtiger Inhalt des Verbundes. Außerdem soll das Mobilisierungspotential in allen Harzteilen erhöht werden, um noch professioneller und noch organisierter dem politischen Gegner und den Problemen unserer Zeit entgegenzutreten". Über die Gründungsmitteilung hinaus wurden keine Aktivitäten des Regionalverbandes bekannt. 53 Im November präsentierte der NPD-Landesverband unter dem Motto "2009 - wir starten durch" seine neue Internetpräsenz, in die die Homepages der Kreisverbände eingebettet sind. Einzig der Kreisverband Burgenlandkreis unterhält noch eine eigene, ebenfalls neu gestaltete Internetseite. Der Pressemitteilung der NPD zur neuen Internetseite ist zu entnehmen, dass in einem weiteren Schritt die Eröffnung eines Landesinformationszentrums in Magdeburg zum 1. Juni 2009 geplant sei. Dieses Zentrum soll gleichzeitig Bürgerbüro, Infostelle und Schulungszentrum sein. Besonders im "Superwahljahr 2009" sollen sich hier "Bürger...bei Liederabenden oder HartzIV-Schulungen Informationen abholen" und sich über den "Politikansatz" der NPD informieren. Dafür benötigt die NPD nach eigenen Angaben 3.000 Euro, die sie im Wege von Spenden, auch über ihre Internetseite erlangen will. Im Zuge der Vorbereitungen für das Wahljahr 2009 rief der NPDParteivorstand zu einem bundesweiten "Infostand-Aktionstag" am 8. November auf. Einem an die Landesorganisationsleiter und Ortsverbände der NPD und an die JN gerichteten Schreiben des NPDBundesorganisationsleiters PÜHSE ist zu entnehmen, es solle "eine solide Graswurzelarbeit in den Gemeinden und Städten" betrieben werden, weil sich "ohne kommunale Verankerung...keine dauerhaften politischen Geländegewinne erzielen" ließen. Der "InfostandAktionstag" sollte laut PÜHSE die erste Werbeaktion für das Superwahljahr 2009 sein. 2009 finden die Europawahl, drei Landtagswahlen und Kommunalwahlen in acht Bundesländern statt. In Sachsen-Anhalt wurden anlässlich des Aktionstages Infostände der NPD und JN in Magdeburg und Zeitz (Burgenlandkreis) betrieben. Dort wurden unter anderem Handzettel mit der Forderung "Keine Therapien für die Pädophilen, aktiver Schutz für unsere Kinder" verteilt. In Halberstadt führte der NPD-Kreisverband Harz am 8. November eine Mahnwache zum Thema "Sozial geht nur national" mit zehn Teilnehmern durch, die Regenjacken und Faltblätter mit Parteiaufnahmeformularen an Passanten verteilten. 54 Die NPD betrachtet die Kommunalwahl im Jahr 2009, bei der sie in Fraktionsstärke in die Parlamente der Städte Halle und Magdeburg einziehen will, nach eigenem Bekunden als "Generalprobe" für die Landtagswahl 2011. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Im Berichtszeitraum haben sich die Neonaziszene und die NPD in einem rasanten Tempo sowohl inhaltlich als auch organisatorisch angenähert. Vor allem drängen immer mehr Neonazis, die in der Hauptsache bereits die inhaltlichen Aspekte der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) bestimmen, in die Parteivorstände und beginnen, diese politisch zu dominieren. Die JN fungieren dabei als Bindeglied und Scharnier zwischen NPD und Neonazis. Die JN sind als Jugendorganisation der NPD integraler Bestandteil der Partei. Der JNBundesvorsitzende SCHÄFER ist kraft Amtes zugleich Mitglied des NPD-Parteivorstandes. Die JN sind in einen Bundesverband, mehrere Landesverbände38 und regionale Stützpunkte gegliedert. Die Bundesgeschäftstelle der NPD-Jugendorganisation ist seit Oktober 2007 in Bernburg (Salzlandkreis) ansässig. Neben dem Bemühen um einen Ausbau ihrer Strukturen versuchen die JN weiterhin, ihr politisches Profil zu schärfen. Über die rein aktionistische Betätigung der Organisation hinaus sind sie auch bemüht, die Intellektualisierung der rechtsextremistischen Szene voranzutreiben. Anlässlich des Jahrestages des Kriegsendes rief die JN eine organisationsübergreifende Aktionswoche für die Zeit vom 5. bis 12. Mai aus. Die bundesweite Kampagne lief unter der Bezeichnung "Macht Euch frei von der Lüge". Das "Ehrenkomitee 8. Mai" rief im Internet dazu auf, auch 2008 der "Toten unseres Volkes würdig [zu] gedenken" und die Kampagne tatkräftig zu unterstützen. Über den geschichtlichen "Hintergrund" wurde auf einer entsprechenden Internetseite des JN-Bundesverbandes informiert. 38 Die JN sind nicht in allen Bundesländern mit eigenen Strukturen vertreten. 55 Der mediale Aufruf verfehlte in der Praxis jedoch die gewünschte Wirkung. Zwar fanden Aktivitäten statt, blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Mit dem Artikel "17. August 1987 - Unvergessen" rief die JN auf der Internetseite des Bundesvorstandes zum Todestag von HESS so genannte "Heß-Gedenktage" aus. Auf einer hierfür eingerichteten Internetseite wurden unter anderem themenbezogene Plakate und Aufkleber zur Verfügung gestellt. Ziel beider Kampagnen war es, geschichtsrelativierende Inhalte in die öffentliche Wahrnehmung zu tragen. Am 10. März wurde ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Magdeburg wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Gewaltdarstellung gegen JN-Verantwortliche vollstreckt. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme wurden mehrere PCs und Festplatten sowie CDs und weitere Unterlagen sichergestellt. "Nationaler Bildungskreis" (NBK) Seit dem Jahr 2005 sind verstärkte Bemühungen feststellbar, die politische Arbeit theoretisch zu unterfüttern und die Bildung der Parteikader und auch der -basis zu verbessern. Verantwortlich für diese Entwicklung sind in erster Linie JN-Kader mit hohen Bildungsabschlüssen. Mit einer eigenen "Schulungsund Bildungseinheit", dem "Nationalen Bildungskreis" (NBK), versucht die JN ihr Ziel einer weitgehenden Intellektualisierung der rechtsextremistischen Szene zu erreichen. Leiter des NBK ist das Mitglied im JNBundesvorstand GÄRTNER (Magdeburg). Nach eigenen Angaben betreibt der NBK seit Anfang 2008 "die Sammlung nationalistischer Studenten und deren Organisation in universitätsgebundenen Gruppen". Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist eine NBK-Studentengruppe, die bei den Studentenratswahlen an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (2. bis 4. Juni) antrat. "Spitzenkandidat" der NBK-Studentengruppe "Studentische 56 Interessen" war GÄRTNER. Einen Sitz im Studentenrat erlangte die Studentengruppe, die seit Dezember mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten ist, nicht. Gleichwohl scheint die hochschulpolitische Aktivität des NBK ihren Schwerpunkt derzeit in Sachsen-Anhalt zu haben. Im April 2008 wurde eine Studentengruppe an der Martin-Luther-Universität Halle gegründet. Auch im Rahmen von Schulungsveranstaltungen war der NBK 2008 aktiv. Beispielhaft sei hier eine am 30. Mai in Bernburg stattgefundene Vortragsveranstaltung zum Thema "Wortergreifungsstrategien" erwähnt. Betrachtet wurden unter anderem Betätigungsfelder der politischen und gesellschaftlichen Kontrahenten. GÄRTNER stellte fest, dass jede Gelegenheit genutzt werden müsse, um den nationalen Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen und möglichst breite Bevölkerungsschichten zu erreichen. Hierzu eigneten sich nicht nur selbstorganisierte Veranstaltungen. Vielmehr sollten (ganz im Sinne der von der NPD propagierten "Wortergreifungsstrategie") "Fremdveranstaltungen" zur "Plattform der nationalen Sache" gemacht werden. Als Publikationsorgan des NBK dient unter anderem das JN-Organ "Der Aktivist",39 mit dem allerdings in der Hauptsache Mitglieder der JN erreicht werden. Um eine entsprechende publizistische "Breite" zu erreichen, bedient sich das NBK vornehmlich der Internetauftritte der JN. JN-Landesverband Sachsen-Anhalt Die JN unterhalten in Sachsen-Anhalt einen Landesverband und mehrere Stützpunkte. Angemietete Räume in der Bernburger Innenstadt weist der Landesverband als "Nationales Zentrum Bernburg" aus, in dem auch die Bundesgeschäftsstelle der JN und die Landesgeschäftsstelle der NPD ansässig sind. Fast ausnahmslos entstammen die sachsen-anhaltischen JNMitglieder der Neonaziszene. Mit etwa 50 Mitgliedern stagniert der 39 Rundbrief der JN für Mitglieder und "Interessierte". 57 Bestand bereits seit über drei Jahren. Weder die vielfältigen Aktivitäten noch eine offensive Internetpublizistik führten zum erhofften Mitgliederzuwachs. Hinzu kommt, dass "ältere" JN-Mitglieder zunehmend in die NPD wechseln. Mit der Herausgabe einer zweiten Ausgabe der kostenlosen Schülerzeitung "Jugend rebelliert" sollten Schüler und Heranwachsende für die Szene gewonnen werden. Verteilaktionen der Schülerzeitung erfolgten unter anderem an Sekundarund Berufsbildenden Schulen in Staßfurt (Salzlandkreis), Halle, Leuna (Saalekreis), Quedlinburg (Landkreis Harz) und Dessau-Roßlau. Am 22. November fand in Bernburg (Salzlandkreis), der 3. Landeskongress der JN mit etwa 20 Teilnehmern statt, dessen Mittelpunkt die Neuwahl des Landesvorstandes bildete. Der Landesverband wird seither von KNAPE und Sascha BRAUMANN (beide Magdeburg) geführt. Die Aktivitäten der JN werden fast ausschließlich über Internetportale gesteuert. Neben der bekannten Internetseite der JN SachsenAnhalt wurde im Dezember mit der Internetseite des "Nationalen Beobachters" (nb) ein landesweites Nachrichtenportal geschaffen, das die bisherigen lokalen nb-Internetseiten bündelt. Im Berichtsjahr entfaltete der JN-Landesverband eine Reihe von Aktivitäten, die darauf abzielten, mit einer "weltanschaulichen Arbeit vor Ort" zu überzeugen. So veranstaltete der JN-Landesverband am 12. April aus Anlass der Tötung eines Jugendlichen in Stolberg (Nordrhein-Westfalen) eine Mahnwache auf dem Neustädter Platz in Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). Angemeldet wurde die Veranstaltung unter dem Motto "Hingucken! Ausländergewalt und Staatsrepressionen entgegentreten!". Es nahmen etwa 40 Personen an der Veranstaltung teil. Die Teilnehmer führten unter anderem eine Fahne mit der Aufschrift "Kevin ermordet; nur weil er ein Deutscher war! Kein Vergeben, kein Vergessen! JN" mit sich. 58 Hintergrund für eine am 31. Mai in Dessau-Roßlau stattgefundene Demonstration unter dem Motto "Das Maß ist voll - wir zeigen Gesicht gegen linke Gewalt" mit 115 Teilnehmern war eine Auseinandersetzung am 17. Mai im Bereich des Hauptbahnhofs in DessauRoßlau zwischen einer von Rechtsextremisten fälschlicherweise den "eigenen Reihen" zugerechneten männlichen Person und Angehörigen der linken Szene. Am 7. Juni kam es in Genthin (Landkreis Jerichower Land) zu einer Demonstration unter dem Motto "Nationale Zentren erkämpfen! - Polizeistaat abschalten". Hieran nahmen etwa 270 Personen teil. Reden hielten der JN-Bundesvorsitzende SCHÄFER, der JNLandesgeschäftsführer Bennet SCHULZE (Magdeburg) und JNBundesschulungsleiter GÄRTNER. Aufgrund herabwürdigender Äußerungen über Repräsentanten des Staates während der Zwischenkundgebung wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole eingeleitet. Des Weiteren meldete der JN-Landesverband für den 27. Juni eine Kundgebung auf dem Wittenberger Marktplatz unter dem Motto "Gegen Drogen und Gewalt - für einen nationalen Jugendclub in Wittenberg" an. Daran nahmen 25 Personen teil, die zwei Transparente unter anderem mit der Forderung nach einem nationalen Jugendzentrum und "gegen linke Gewalt" zeigten. Versuche, JNFlugblätter an Passanten zu verteilen, schlugen fehl, weil diese nicht angenommen wurden. Als eine der letzten Aktivitäten im Berichtszeitraum erschienen am 21. Dezember, wie bereits im vergangenen Jahr, Mitglieder der JN als Weihnachtsmänner verkleidet auf dem Weihnachtsmarkt in Halle. Dort verteilten sie Flugblätter unter dem Motto "Unsere Idee unter Deinem Weihnachtsbaum". Das Flugblatt enthielt die Aufforderung, sich den Ideen der JN anzuschließen und sich gegen das bestehende System aufzulehnen. Artgleiche Auftritte erfolgten in Burg (Landkreis Jerichower Land) und in Köthen (Landkreis AnhaltBitterfeld). 59 "Deutsche Volksunion" (DVU) Entwicklung der Bundespartei Auch 2008 gelang es der 1987 gegründeten DVU nicht, ihre Außenwirkung zu verstärken. Die DVU ist nur noch im Landesparlament von Brandenburg vertreten, bundesweit befindet sie sich im fortwährenden Abwärtstrend. Der einstmals personenstärksten Partei (2005: 9.000 Personen) im deutschen rechtsextremistischen Spektrum laufen die Mitglieder davon. 2008 hatte die DVU nur noch 6.000 Mitglieder. Durch den zentralistischen und autokratischen Führungsstil des Dr. Gerhard FREY (Gründer und Bundesvorsitzender der DVU) blieb den Landesund Kreisverbänden nur wenig Spielraum für eine selbstständige politische Arbeit. Den Absprachen des "Deutschlandpaktes"40 entsprechend nahm die DVU im Berichtsjahr an den Bürgerschaftswahlen in Hamburg teil. Die Teilnahme wurde für die DVU zu einem Wahldebakel. Der 37-jährige damalige Bundesorganisationsleiter Matthias FAUST verfehlte als Spitzenkandidat mit einem Wahlergebnis von 0,8 Prozent die Grenze für die staatliche Wahlkampfkostenerstattung. 41 Für die Kommunalwahl in Brandenburg am 28. September wurde der "Deutschlandpakt" modifiziert und auf die Kreisebene erweitert. Die DVU erreichte 1,6 Prozent der Wählerstimmen und ist in der Landeshauptstadt Potsdam und in sieben Kreisen mit insgesamt 13 Mandaten in den Kommunalparlamenten vertreten. Sie konnte somit im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2003 0,6 Prozent hinzugewinnen, bleibt jedoch mit ihrem Ergebnis hinter dem der NPD. 40 Vereinbarung zwischen NPD und DVU seit 2005 - Abstimmung über die Teilnahme an den Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene, um Konkurrenzkandidaturen auszuschließen. 41 Am 11. Januar 2009 fand in Calbe/Saale (Salzlandkreis) ein DVU-Bundesparteitag statt, auf dem FAUST zum DVU-Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Zu seinem Stellvertreter wählten die Delegierten unter anderem den sachsen-anhaltischen DVU-Landesvorsitzenden KNOP. 60 DVU-Landesverband Sachsen-Anhalt Der Landesverband Sachsen-Anhalt der DVU entfaltete im Berichtsjahr so gut wie keine öffentlichkeitswirksamen politischen Aktivitäten. Einzige Ausnahme bildete eine Informationsveranstaltung des DVU-Landesverbandes Sachsen-Anhalt am 28. Juni in Dessau-Roßlau, an der etwa 25 Personen teilnahmen. Als Redner traten der DVU-Landesvorsitzende Ingmar KNOP (Dessau-Roßlau) und FAUST auf. In Sachsen-Anhalt werden der DVU noch etwa 30 aktive Mitglieder zugerechnet. "Heimattreue Deutsche Jugend e. V." (HDJ)42 Die "Heimattreue Deutsche Jugend e. V." (HDJ) wurde 1990 gegründet. Sie verfügt über umfangreiche szeneübergreifende Kontakte innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums,43 dessen fester Bestandteil sie ist. Bei der HDJ handelt es sich um eine rechtsextremistische Jugendorganisation mit neonazistischer Ausrichtung. Die Vereinigung verherrlicht die nationalsozialistische Diktatur, heroisiert führende Repräsentanten des Nationalsozialismus und verwendet nationalsozialistische Diktion und Symbolik. Zu Beginn des Berichtsjahres präsentierte die HDJ auf ihrer Internetpräsenz ein Werbevideo mit verschiedenen Szenen aus ihrem "Winterlager 2006/2007". Der Zuschauer wird in die Rolle eines anreisenden Teilnehmers der Veranstaltung versetzt. Die Filmaufnahmen zeigen neben Schneeballschlachten, Kinderbasteln, Volkstänzen und Musikdarbietungen auch zu einem Appell angetretene Jugendliche und einen Fanfarenzug. Die Zielgruppe für das Video dürften in erster Linie Kinder und Jugendliche sein. Zwar offenbaren die Kommentare Einblicke in die Ideologie der HDJ, deutliche rechtsextremistische Bezüge werden jedoch vermieden. 42 Die HDJ wurde am 31. März 2009 durch den Bundesminister des Innern verboten. 43 So bestehen sowohl bundesweite Verbindungen zu Protagonisten der NPD als auch zu führenden Angehörigen der neonazistischen Kameradschaftsszene. 61 Im Zusammenhang mit einem vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren des Bundesministeriums des Innern (BMI) gegen die HDJ vollstreckten Polizeibeamte am 9. Oktober in 14 Bundesländern Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschlüsse gegen Personen, die der HDJ zuzurechnen sind. Im Zuge der Exekutivmaßnahmen konnten bundesweit umfangreiche Schulungsunterlagen, Ausbildungsvorschriften, NS-Devotionalien, Infomaterial und Mitgliederlisten/-ausweise sowie Uniformteile und Vereinsabzeichen der HDJ sichergestellt werden. In einem Objekt in Nordrhein-Westfalen befand sich ein Schulungsraum mit Ausbildungsmaterial der HDJ. Auffällig war, dass darunter auch Unterlagen der Hitlerjugend sowie solche mit Bezügen zu der im Jahr 1994 durch das BMI verbotenen "Wiking-Jugend" waren. "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) Der "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) gab am 22. Juli seine Auflösung bekannt. In einer im rechtsextremistischen Nachrichtenportal "Altermedia" veröffentlichten Erklärung heißt es, "nach reiflicher Überlegung durch die Führungskameraden" sei allen Beteiligten die "Bilanz nach diesen zehn Jahren zu dürftig, um eine weitere Investition von Zeit, Kraft, Arbeit und Geld zu rechtfertigen". Das Ziel, eine "richtungsweisende Querfrontstrategie44 nicht nur zu betreiben, sondern als Erfolgsmodell populär zu machen", sei nicht erreicht worden. Auch habe man keine "Sogwirkung auf bewährte Unterführer und Aktivisten des Nationalen Widerstandes" entfalten können. Eine Organisation des "Nationalen Widerstandes" dürfe niemals zum "Selbstzweck" verkommen, sie müsse immer "Instrument des politischen Handelns ihrer Führung sein". Unterzeichner waren Thomas GERLACH (Thüringen), Axel REITZ und Thomas BREHL (beide Nordrhein-Westfalen). Im Jahr 2003 verfügte der KDS über einen Stützpunkt in Halle, der seit Anfang 2004 unter der Bezeichnung "Stützpunkt Halle/Oschersleben" geführt wurde. 44 Rechtsextremistische Bündnisstrategie, die Gemeinsamkeiten zwischen den entgegengesetzten politischen Lagern betont oder zu konstruieren versucht. 62 Nennenswerte Aktivitäten in Sachsen-Anhalt konnte der KDS nicht entfalten. Auch bundesweit spielte er innerhalb der rechtsextremistischen Szene eine eher untergeordnete Rolle. "Exilregierung Deutsches Reich" ("Exilregierung") Auch im Jahr 2008 fanden monatlich so genannte "Bürgertreffen" und "Kabinettssitzungen" der "Exilregierung" statt. Seit Beginn des Jahres wurden die Protokolle derartiger Veranstaltungen auf der Homepage der "Exilregierung" veröffentlicht. Der selbst ernannte "Reichskanzler" Norbert SCHITTKE (Hildesheim/Niedersachsen) referierte bei den Veranstaltungen in der Regel über Themen wie "Reichsgedanken", "Grundlagen zum Besatzungsrecht", "Staatsbürgerschaftsrecht" und Ausweispapiere der "Exilregierung Deutsches Reich". "Regierung des Deutschen Reichs" Aus dem Umfeld der "Kommissarischen Reichsregierungen" hat sich eine weitere Splittergruppe namens "Regierung des Deutschen Reichs" gebildet, die als "Hoheitszeichen" den Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaub verwendet, bewusst Begrifflichkeiten aus dem "Dritten Reich" benutzt und auf ihrer inzwischen gesperrten Homepage eigens hergestellte "Kennkarten" abbildete. Ihrem Protagonisten Markus NOACK aus Wermelskirchen (NordrheinWestfalen) ist es gelungen, für seine Thesen Anhänger in den inzwischen verbotenen rechtsextremistischen Vereinen "Collegium Humanun e. V." (CH) und "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) zu gewinnen. NOACK trat wiederholt als Redner im CH auf. Die "Regierung des Deutschen Reichs" will die Bundesrepublik Deutschland "abwickeln", spricht ihr das Existenzrecht ab und lehnt das Gesamtsystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. Zahlreiche Textpassagen auf ihrer Homepage belegen, dass sie den Staat "reorganisieren" will und sich dabei auf Strukturen des "Dritten Reiches" bezieht. 63 III. LINKSEXTREMISMUS Das linksextremistische Personenpotenzial im Land Sachsen-Anhalt blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Linksextremisten 2007 2008 Autonome 270 270 Parteien und sonstige Gruppierungen 270 270 Gesamt: 540 540 AUTONOME Selbstverständnis Autonome propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Sie beschreiben sich selbst mit Begriffen wie "antifaschistisch", "antikapitalistisch" und "antipatriarchalisch". Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente sind Grundlage ihrer oftmals spontanen Aktivitäten. Wie andere Linksextremisten auch, streben sie die Überwindung des "herrschenden Systems" an. Autonome betrachten die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Strafund Gewalttaten Das LKA Sachsen-Anhalt registrierte für das Berichtsjahr 332 politisch motivierte Straftaten -links-. Dies bedeutet einen Anstieg von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr (211 Delikte). Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der entsprechend motivierten Gewalttaten sogar um 134 Prozent zu (2008: 75 Delikte, 2007: 32 Delikte) und ist damit wieder auf dem Niveau des Jahres 2006. 45 45 Siehe Statistik Seite 129f. 64 Überblick und Entwicklungstendenzen Schwerpunktregion der etwa 270 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt ist die Stadt Magdeburg. Dort machten Gruppierungen wie die "Gruppe Internationale Solidarität" (GIS), die "Autonome Antifa Magdeburg" (AAMD) und deren im Verlauf des Berichtsjahres geschlossenes Bündnis "Zusammen Kämpfen" (ZK) auf sich aufmerksam. Daneben agierten die Gruppierungen "Antifaschistischer Widerstand Olvenstedt" (AWO) und "Autonome Linke Magdeburg" (A.L.M.). Im Juli wurde im Internet eine Selbstdarstellung des genannten Bündnisses "Zusammen Kämpfen" (ZK) veröffentlicht. Darin hieß es: "Wir sind ein Zusammenschluss aus Menschen der 'Autonomen Antifa Magdeburg', 'Gruppe Internationale Solidarität', Frauengruppe und der Offenen Antifa. Im Zuge einer gemeinsamen Anti-G8-Mobilisierung und einem damit verbundenen politischen Diskussionsund Erfahrungsprozess kamen wir zu der Entscheidung uns gemeinsam zu organisieren. Wir stammen aus unterschiedlichen Teilbereichskämpfen, zu denen wir kontinuierlich arbeiteten. Das heißt, dass wir jeweils im antifaschistischen, antipatriarchalen und antiimperialistischen/internationalistischen Bereich den Schwerpunkt unserer politischen Arbeit sahen. Wir versuchten diese zwar in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu setzen, jedoch zeigte sich immer wieder aufs Neue, dass ohne eine verbindliche teilbereichsübergreifende Organisierung es unmöglich ist, eine revolutionäre Perspektive zu entwickeln und voranzubringen. In diesem Sinne ist für uns der Zusammenschluss 'Zusammen kämpfen' ein Fortschritt in unserer politischen Arbeit." Als Schwerpunkte ihrer Betätigung nennen die Autoren den "Internationalen Klassenkampf/Stadtteilkampf", "Antifa als Selbstschutzprojekt" und "Kampf gegen Repression". 65 In der Magdeburger Alexander-Puschkin-Straße wurde am 16. Mai ein "Infoladen" eröffnet. In einem Flugblatt hieß es dazu: "Die Räumlichkeiten stellen in erster Linie eine Infrastruktur für Debatten, Informationen und Aktivitäten derjenigen bereit, die sich für eine solidarische Gesellschaftsordnung organisieren, Teil sozialer Kämpfe sind oder sich gegen rassistische und patriarchale Diskriminierung einsetzen...Das Projekt begreift sich als links und strömungsübergreifend...Der Infoladen ist unabhängig von staatlichen Institutionen und Parteien; er wird von denen getragen, finanziert und organisiert, die ihn nutzen und unterstützen." Die "Antifa Burg" veröffentlichte ein neues Infoblatt unter dem Namen "LeftAct". Dessen Anliegen sei es, Menschen in Burg und Umgebung über Naziaktivitäten aufzuklären. Darüber hinaus wolle man "Möglichkeiten antifaschistischer Intervention aufzeigen und Menschen zur Eigeninitiative motivieren". Die "Autonome Jugendantifa Dessau", die vor allem durch Demonstrationen gegen Rechtsextremisten in Erscheinung getreten war, löste sich Ende des Jahres auf. Nennenswerte Aktivitäten der Autonomenszene gab es ferner in der Altmark und in Naumburg. Hauptaktionsfeld autonomer Zusammenschlüsse blieb im Berichtszeitraum der "Antifaschistische Kampf". Hierunter fällt für Autonome auch die direkte körperliche Auseinandersetzung mit den "Nazis", für deren Existenz nach wie vor das "System" verantwortlich gemacht wird. Neben dem Auftreten gegen rechtsextremistische Demonstrationen entfalteten Autonome Aktivitäten gegen den rechtsextremistischen "Lifestyle", insbesondere gegen Bekleidungsgeschäfte, die zum Beispiel die Marke "Thor Steinar" vertreiben. Die Anzahl der von Autonomen ausgegangenen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten stieg im Berichtszeitraum erheblich an. 66 Als weiteres Aktionsfeld gewann der "Kampf um selbstverwaltete Freiräume" an Bedeutung. Im Rahmen der so genannten FreiraumAktionstage sollten im April bei Demonstrationen in Naumburg, Halle und Salzwedel "autonome Räume und besetzte Häuser" ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt und so Kritik an den "Herrschaftsverhältnissen" geübt werden. Eine so genannte "Alternative Jugend" (AJ) aus Naumburg meldete für den 12. April eine Demonstration unter dem Motto "Freiräume für selbstverwaltende Jugendkultur" in Naumburg an. Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt "Antifaschismus" Für den 18. Januar rief die so genannte "AG Jugendträume/Antifa Dessau" zu einer Demonstration unter dem Motto "Nazis in die Schranken weisen" auf. Im Mobilisierungsaufruf hieß es, man wolle aufgrund rechtsextremistischer Übergriffe im Raum Dessau gegen diese "Zustände" kämpfen, "auf allen Ebenen, mit allen Mitteln". An der Demonstration beteiligten sich etwa 120 Personen. Während einer Zwischenkundgebung in Höhe des Polizeireviers DessauRoßlau skandierten einige Demonstrationsteilnehmer Parolen gegen die Polizei. Am 19. Januar fanden in Magdeburg anlässlich des 63. Jahrestages der Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg mehrere Versammlungen statt. Zu einer Demonstration unter dem Motto "Naziaufmarsch in Magdeburg verhindern - Gemeinsam gegen Militarismus, Krieg und die Verfälschung der Geschichte" hatte das so genannte "Linke Bündnis Magdeburg" aufgerufen. Dazu gehörten erklärtermaßen die A.L.M., die GIS, die AAMD, die "Offene Jugend Antifa Magdeburg", die "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Komunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) und die "MarxistischLeninistische Partei Deutschlands" (MLPD). An dem störungsfreien Demonstrationszug durch Magdeburg-Stadtfeld beteiligten sich et67 wa 280 Personen. Kleingruppen versuchten im Anschluss mehrfach, zu der Aufzugsstrecke der parallel stattfindenden rechtsextremistischen Demonstration in der Innenstadt zu gelangen, was die Polizei verhinderte. An der zweiten, unter anderem von der antideutschen Gruppierung "Antifa Infoportal" (AIP) organisierten Demonstration unter dem Motto "Geschichtsrevisionismus bekämpfen! Gegen kollektives Rotz und Wasser!" nahmen 160 Personen teil. Die Versammlungsteilnehmer verzögerten den Beginn und den Verlauf ihrer Demonstration. Eine Zwischenkundgebung befand sich dadurch nun in zeitlicher und räumlicher Nähe zum Aufzug der rechtsextremistischen Szene. Kundgebungsteilnehmer versuchten mehrfach, zur Aufzugsstrecke der Rechtsextremisten durchzubrechen. Die Polizei verhinderte dies unter Einsatz einfacher körperlicher Gewalt und von Pfefferspray. Die Polizei stellte am Abend des 25. Januar im Stadtgebiet von Stendal etwa 50, teilweise vermummte Personen bei einer Spontandemonstration fest. Aus der Versammlung heraus wurden Feuerwerkskörper gezündet. Nach Beendigung der Veranstaltung wurde ein Funkstreifenwagen von der Personengruppe eingeschlossen. Eine vermummte Person schlug die Heckscheibe des Fahrzeugs mit einer Holzlatte ein. Auf der Internetplattform "Indymedia" erklärte die "Autonome Antifa Salzwedel": "Am Sonntag, dem 11.11.07 ist in Madrid ein Antifaschist von Neonazis ermordet worden...Am 18. Januar wurde nun der 18jährige Antifaschist und SHARP-Skinhead Jan Kucera in der mittelböhmischen Stadt Pribram von einem 20jährigen Neonazi niedergestochen. Um zu verdeutlichen, dass diese Zustände nicht nur in Spanien, Tschechien oder sonst wo Probleme sind, entschlossen sich...rund 55 Antifaschisten zu einer Spontandemo in Stendal. Vor allem jedoch sollte mit dieser Aktion die Wut und die Trauer zum Ausdruck gebracht werden...Die Aktion kann als voller Erfolg gewertet werden. Lautstark und kraftvoll wurde auf die beiden ermordeten Antifaschisten und auf die stetig 68 wachsende Zahl rechter Übergriffe in und um Stendal aufmerksam gemacht." Die für den 8. Februar durch die GIS und die AAMD angemeldete Kranzniederlegung zum Gedenken an Frank BÖTTCHER46 auf dem Magdeburger Westfriedhof (Motto "Nichts und Niemand wird vergessen!") verlief mit etwa 70 Teilnehmern störungsfrei. Auf der Internetseite der AAMD wurden Auszüge der Grabrede veröffentlicht. Darin hieß es: "Menschen mussten seit 1990 ihr Leben lassen, weil sie nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nazischweine passten. Viele von euch/uns haben am eigenen Leib erfahren müssen was Neonaziterror bedeutet. Und wir wissen auch, dass das System und deren Büttel uns vor Faschisten nicht schützen werden, sondern ganz im Gegenteil ein Teil des Problems sind." Am Abend des 7. August veranstalteten etwa 100 Personen der linksextremistischen Szene eine Spontandemonstration in DessauRoßlau. Die teilweise vermummten Demonstranten begaben sich zu drei Wohnungen von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene, skandierten Parolen gegen "Faschos" und besprühten eine Hausfassade mit schwarzer Farbe. Des Weiteren wurde aus der Gruppe heraus Pyrotechnik abgefeuert. Anschließend flüchteten die Personen in Kleingruppen in eine Parkanlage, die danach von Polizeikräften abgeriegelt wurde. Die Polizei stellte die Identität einiger Teilnehmer fest. Zwei Dienstfahrzeuge der Polizei wurden beschädigt. Am 17. August fand im Stadtgebiet Naumburgs eine nicht angemeldete Demonstration von etwa 50 Angehörigen der Autonomenszene statt. Einige Personen trugen ein Spruchband mit der Aufschrift "Nazis eine Abreibung verpassen". Während des Aufzugs durch die 46 Der der Punkszene zuzurechnende Frank BÖTTCHER wurde in den frühen Morgenstunden des 8. Februar 1997 mit schweren Kopfverletzungen und mehreren Messerstichen im Rücken an einer Straßenbahnhaltestelle in Magdeburg-Olvenstedt aufgefunden und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Die linksextremistische Szene geht davon aus, dass der Tat eine rechtsextremistische Motivation zugrunde lag. 69 Innenstadt verteilten die Teilnehmer Handzettel an Passanten, auf denen ein Überfall von "rechten" Jugendlichen auf einen "Naumburger Antifaschisten" als Demonstrationsgrund angegeben wurde. Eine Personengruppe beschädigte einen Funkstreifenwagen durch Steinwürfe. Am Abend des 4. September führte der "Antifaschistische Widerstand Olvenstedt" (AWO) eine Demonstration in Magdeburg durch, an der sich etwa 35 Personen der Autonomenszene beteiligten. Es wurden Transparente mit den Losungen "Organisiert den antifaschistischen Widerstand", "Gegen das Vergessen" und "Aufstand gegen Deutschland" mitgeführt und weitere szenetypische Losungen skandiert. Am 18. Oktober demonstrierte ein so genanntes "Bündnis Magdeburger AntifaschistInnen" in Magdeburg unter dem Motto "In Gedenken an alle Opfer faschistischer Gewalt! Den Antifaschistenselbstschutz organisieren". An dem störungsfrei verlaufenen Aufzug mit Zwischenkundgebung nahmen 150 Personen teil. Der im Internet veröffentlichte Demonstrationsaufruf von "Zusammen kämpfen" thematisierte "faschistische Übergriffe" in Magdeburg. Dabei hieß es: "Faschistische Gewalt hat eine lange Tradition in Magdeburg und gehört hier zum Alltag...Stadtherren, Bullerei und Lokalmedien haben ein funktionales Interesse an dem Umgang mit den Nazis. Es geht darum unter dem Deckmantel der Bekämpfung der rechtsextremen Szene Gesetzesverschärfungen durchzusetzen, welche im Endeffekt unsere Klasse und im speziellen die Linke ebenso betreffen werden...Linke Politik darf nicht schweigen - sie muss faschistische Gewalt aber auch (in) deren Zusammenhang mit einer auf Egoismus basierenden kapitalistischen Ellenbogengesellschaft thematisieren...Unsere Antwort als radikale Linke auf die Situation muss in erster Linie der Aufbau des antifaschistischen Selbstschutzes sein. Wir müssen die Menschen aus unserer Klasse schützen - sowohl im Stadt70 teil, Flüchtlingsheimen, Obdachlosenunterkünften oder alternativen Treffpunkten." Aktivitäten gegen rechtsextremistischen "Lifestyle" Am 2. März versammelten sich zahlreiche Anhänger der Autonomenszene vor dem rechtsextremistischen Szeneladen "Ragnarök" in Halberstadt. Nach dem Eintreffen der Polizei löste sich die Ansammlung in Kleingruppen auf. Eine Gruppe von etwa 20 Personen gab an, eine Spontandemonstration unter dem Motto "Gegen rechte Übergriffe" durchführen zu wollen. Parallel dazu wurde festgestellt, dass bislang unbekannte Täter auf die Schaufensterscheibe des Geschäftes zwei Plakate geklebt und mit schwarzem Stift die Parolen "Naziläden zu Fallafelbuden", "No Nazis" und "Döner Skin" auf die Hauswand geschrieben hatten. Die Demonstration verlief ohne Störungen. Unbekannte Täter beklebten am 23. März in Stendal die Schaufensterscheiben und die Eingangstür des Bekleidungsgeschäftes "Explosiv" mit etwa 80 Paketaufklebern der "Deutschen Post". Diese waren mit Texten wie "Nazis" und "Thor Steinar stinkt, we get you all, Naziladen dicht machen" beschriftet. Darüber hinaus wurden mehrere Aufkleber mit Abbildungen von Bomben und der Unterschrift "Laden weg sonst knallts" angebracht. Die "Autonome Linke Salzwedel" rief für den 19. April zu einer Demonstration unter dem Motto "Für linke Freiräume - Gegen rechten Lifestyle in Salzwedel und überall!" auf. Sie erklärte dazu auf ihrer Internetseite: "Unser Interesse gilt nicht mehr einem ruhigen alternativen Leben, in dem nur noch das radikale Plakat an der Wand an kämpferische Zeiten erinnert...Nein, wir wollen aktiv werden und gemeinsam gegen menschenverachtende Zustände agieren. Wir haben keine Angst zu kämpfen, wir haben keinen Bock darauf uns die Altmark Stück für Stück nehmen zu lassen!" 71 An der Demonstration beteiligten sich etwa 300 Personen, darunter eine Vielzahl von Autonomen. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Rechtsextremisten und vermeintlichen Rechtsextremisten In der Nacht zum 16. Mai wurde auf den PKW eines bekannten Dessauer Rechtsextremisten ein Brandanschlag verübt. Das Fahrzeug wurde hierbei erheblich beschädigt. Sowohl linksals auch rechtsextremistische Printmedien setzten sich mit diesem Vorfall auseinander. Auf der Internetplattform "Indymedia" wurden Rechtsextremisten zitiert, die von "rotfaschistischer Gewalt" sprachen und von einer linksextremistischen Motivation für den Anschlag ausgingen. Ein "couragierter Bürger" kommentierte dies auf "Indymedia" lediglich wie folgt: "Nach langer Zeit sieht man wieder politisches Leben in Dessau, was auch hoffentlich so bleibt. In diesem Sinne: Antifa heißt Angriff - Fight Fascism". In der Nacht zum 31. Mai bemerkten mehrere Angehörige der rechtsextremistischen Szene an einer Tankstelle in Wittenberg, dass aus einem in der Nähe befindlichen PKW mehrere vermummte Personen ausstiegen und in Richtung Tankstelle gingen. Diese Personen seien mit Messer und Baseballschlägern bewaffnet gewesen. Die Rechtsextremisten flüchteten aus dem Tankstellenbereich, liefen jedoch einer weiteren Gruppe von Vermummten entgegen. Beim Zusammentreffen der Personengruppen setzen die Vermummten Reizgas und Baseballschläger ein. Die zwischenzeitlich informierte Polizei konnte vier Personen der Autonomenszene in Tatortnähe feststellen. Dort wurden in einem Gebüsch zudem verschiedene Schlaggegenstände, Reizgas und Sturmhauben sichergestellt. Im Magdeburger Hauptbahnhof verlangten am 7. Juni drei Autonome von einer Person, dass sie ihr "Thor Steinar"-T-Shirt ausziehen solle. Als diese sich weigerte, wurde sie geschlagen und getreten. Das T-Shirt wurde ihr gewaltsam ausgezogen und entwendet. Die 72 Täter flüchteten zunächst. Ein Beschuldigter wurde noch in Tatortnähe vorläufig festgenommen. Am 13. Juni wurde in Magdeburg ein Mann, der sich in Begleitung seiner Lebensgefährtin befand, mit den Worten "Du bist doch ein Nazi" von einer ihm unbekannten, mit einem Messer bewaffneten Person angesprochen. Als seine Lebensgefährtin daraufhin angegriffen wurde und der Mann sich schützend vor sie stellen wollte, äußerte der Täter "Ich stech dich ab!" und stieß dem Mann danach das Messer in den Rippenbereich. Der Täter flüchtete. "Antirepression" Zunehmende Bedeutung erlangte in den letzten Jahren das Aktionsfeld "Antirepression". In einem Aufruf der linksextremistischen Szene zum "Tag des politischen Gefangenen" am 18. März wurde die Freiheit aller "politischen Gefangenen weltweit" gefordert. Man werde im Rahmen der "staatlichen Repression...ständig mit neuen Gesetzesverschärfungen konfrontiert, welche mit Demagogien wie Krieg gegen den Terror" begründet würden und nur dazu geschaffen seien, "alle Strukturen kriminalisieren zu können, die den imperialistischen Interessen im Weg" stünden. Die "Repression" diene der Herrschaftsund Eigentumssicherung" des "kapitalistischen Staates". Gefängnisse seien insofern "ein Regime von Klassenjustiz". Die linksextremistische Szene rief für den 13. Dezember einen bundesweiten Aktionstag aus, um die Solidarität mit den Beschuldigten im Berliner Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der kriminellen Vereinigung "militante gruppe (mg)" auszudrücken und "gegen staatliche Repression auf die Straße zu gehen". In Magdeburg gab es verschiedene Reaktionen darauf: Der Internetplattform "Indymedia" zufolge fand am 13. Dezember im Rahmen des bundesweiten Aktionstages gegen Repression eine Demonstration im Bereich Magdeburg-Stadtfeld statt. Hierbei sollen 30 Personen Parolen wie "No Justice - No Peace, Fight the Poli73 ce"47, "Oury Jalloh - das war Mord"48 und "Griechenland - das war Mord"49 skandiert haben. Des Weiteren habe man "luxussanierte" Häuser und andere Objekte mit themenbezogenen Graffitis versehen. Tatsächlich brachten bislang unbekannte Personen an mehreren Hausfassaden Parolen wie "Fuck the Police", "Fuck SS 129 A + B"50, "ACAB"51, "Policia = Assasini"52 an. Außerdem wurde ein Werbemittelträger mit einem Plakat mit der Losung "Internationale Klassensolidarität aufbauen! 13.12. Solidaritätstag mit den mg-Prozess Betroffenen" beklebt. "Antikapitalismus" Im Internet rief das so genannte "Linke Bündnis Magdeburg"53 zu einer Demonstration am 1. Mai in Magdeburg auf. An der Demonstration unter dem Motto "Heraus zum kämpferischen 1. Mai - organisieren wir uns gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung! Hoch die internationale Solidarität!" durch die Innenstadt Magdeburgs beteiligten sich etwa 50 Personen. Im Internet kommentierte das "Linke Bündnis" seine Veranstaltung wie folgt: "Für den heutigen 1. Mai hat das Linke Bündnis Magdeburg zu einer kämpferischen Demonstration aufgerufen, um auf die Missstände, Ausbeutung und Unterdrückung des deutschen Volkes und aller anderen Völker durch die Kapitalistenklasse aufmerksam zu machen und für mehr Geld, für die Freiheit der Völker und gegen Imperialismus zu de47 Dt.: "Keine Gerechtigkeit - Kein Frieden, Bekämpft die Polizei". 48 Der Asylbewerber Oury JALLOH aus Sierra Leone ist am 7. Januar 2006 bei einem Brand in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben gekommen. 49 Am 6. Dezember 2008 randalierten im Stadtzentrum von Athen mehrere tausend, zum großen Teil der Autonomenszene zuzurechnende Jugendliche. Als eine Gruppe von etwa 30 Jugendlichen einen Streifenwagen mit Steinen und Holzklötzen angriff, gab ein Polizeibeamter drei Warnschüsse ab, von denen einer einen 15-Jährigen tödlich traf. In Griechenland verbreitete sich daraufhin die Nachricht, dass die Polizei den Jugendlichen gezielt erschossen habe. 50 Gemeint sind SS 129a (Bildung terroristischer Vereinigungen) und SS 129b (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) Strafgesetzbuch. 51 "All cops are bastards", dt. in etwa "Alle Polizisten sind Scheißkerle". 52 Dt.: "Polizei = Mörder". 53 Siehe Seite 77. 74 monstrieren...Trotz lautstarker Parolen, die den Forderungen Ausdruck verleihen sollten, Musik und Flugblattverteilung war die Resonanz des deutschen Volkes nicht sehr groß...Vor dem City Carre gab es einen Redebeitrag, welcher auf die Ausbeutungsverhältnisse der in Magdeburg angesiedelten Firmen aufmerksam machen sollte. Dabei wurden die Firmen namentlich benannt, die zu wenig Geld bezahlen und die Auszubildenden ausbeuten, um unsere direkte Solidarität zu zeigen und zum Boykott dieser Firmen aufzurufen...Hoffentlich wird es im nächsten Jahr wieder eine kämpferische 1. Mai Demo geben. So lange, bis es den Kapitalismus nicht mehr gibt! Freiheit dem deutschen Volk gegen die kapitalistischen Unterdrücker!...Weg mit Billiglohn! Freiheit für alle Gefangenen!" Am 19. Juli führten in Magdeburg etwa 40 Angehörige der Autonomenszene eine Kundgebung unter dem Motto "Armut trotz Wohlstand - Die kapitalistische Normalität durchbrechen! Für die soziale Revolution!" durch. Die A.L.M. organisierte diese Kundgebung als Bestandteil der "Antikapitalismuskampagne", die weitere Kundgebungen und Informationsveranstaltungen im Juni und Juli beinhaltete. Auf der Internetseite der A.L.M. hieß es dazu, man wolle in Magdeburg eine Kampagne organisieren, die sich gegen die herrschenden Verhältnisse richte. Die Proteste gegen die "herrschenden Zustände" seien bisher eher zahm. Um Staat und Kapital den Widerstand spüren zu lassen, müsse sich der Protest radikalisieren. "Antimilitarismus" Am Morgen des 6. Juni wurden an einem Bundeswehrgebäude in Magdeburg die Schriftzüge "Gelöbnix" und "Für die selbstorganisierte Abrüstung" festgestellt. Eine auf einem Findling angebrachte Plakette mit Bundesadler wurde mit einem Anarchiesymbol besprüht. Diese Sachbeschädigung stand offenbar im Zusammenhang mit dem am Abend des 6. Juni veranstalteten "Feierlichen Gelöbnis der 75 Bundeswehr" auf dem "Alten Markt" in Magdeburg. Angehörige der linksextremistischen Szene Magdeburgs störten diese Veranstaltung mit Sprechchören "Deutsche Waffen - Deutsches Geld...morden mit in aller Welt" und versuchten, ein Transparent auszurollen, was jedoch von der Polizei verhindert wurde. Auf der Internetplattform "Indymedia" wurde dies kommentiert: "Hoch die internationale Solidarität!! Solidarität mit den Menschen, die sich täglich gegen imperialistische Besatzungsmächte wehren! Imperialistische Kriegsmaschinerie im eigenen Land sabotieren!!" Im Zeitraum vom 13. bis 15. Dezember drangen bisher unbekannte Täter durch Aufschneiden eines Zaunes auf das Gelände des Landeskommandos der Bundeswehr für Sachsen-Anhalt in Magdeburg und begingen dort umfangreiche Sachbeschädigungen. Sie beschmierten Fahrzeuge mit Autonomenzeichen und Parolen wie "BW wegtreten", "Soldaten sind Mörder", "mg ist überall" und zerstachen Fahrzeugreifen. Auf der Internet-Plattform "Indymedia" wurde daraufhin eine Erklärung eines "kommandos schwarzer salzstreuer" veröffentlicht. Darin wird die Tat als legitime Solidaritätsaktion für die "militante gruppe (mg)" aus Berlin dargestellt. Dazu heißt es: "Hiermit bekunden wir unsere Solidarität mit den inhaftierten Antimilitaristen in Berlin. Direkte Aktionen gegen Militäreinrichtungen und andere Institutionen staatlicher Gewaltausübung sind legitim und notwendig im Kampf für eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Sind wir nicht alle ein biszchen militante gruppe?...kommando schwarzer salzstreuer" LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN In Sachsen-Anhalt waren im Berichtszeitraum die "MarxistischLeninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), deren Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), die "Kommunistische Partei 76 Deutschlands" (KPD/Ost) und die "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) mit eigenen Strukturen aktiv. Diese revolutionär-marxistischen Organisationen setzten weiter auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes. Ihre Vertreter versuchten sich in gesellschaftliche Protestkampagnen einzubringen. Die Parteien DKP, KPD/Ost und KPD/ML werden auf der Homepage des autonomen Zusammenschlusses "Zusammen kämpfen" als Mitglieder eines so genannten "Linken Bündnisses Magdeburg" benannt. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP Sachen-Anhalt verfügt über Parteistrukturen in den Regionen Halle und Magdeburg. Daneben existiert noch eine so genannte DKP-Gruppe "Magdeburg/Umland". Diese Gruppen haben innerhalb der Parteigesamtstruktur noch nicht den Status einer Bezirksoder Kreisorganisation erreicht. Die DKP verfügt in Sachsen Anhalt zudem über einen so genannten Koordinierungsrat. Im Januar nahm die DKP Sachsen-Anhalt im Internet Stellung zu der öffentlichen Diskussion um die "Jugendkriminalität". In dieser Veröffentlichung hieß es: "Wir verurteilen Diebstahl, Betrug und Mord entschieden, sofern sie sich gegen die eigene Klasse, die Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, richtet. Der bürgerliche Staat kann aber unsere Sicherheit nicht garantieren. Der Ausbau des Polizeiund Spitzelapparates dient ausschließlich der Kontrolle der Ware Arbeitskraft und der Verhinderung des sozialen Protestes. Die Sicherheit müssen wir selbst organisieren durch die Solidarität innerhalb der eigenen Klasse...Wir Kommunisten...werden keine Krokodilstränen über die so genannte Jugendgewalt und -kriminalität vergießen. Unsere Aufgabe besteht darin, dieser Gewalt das Bewusstsein der Solidarität innerhalb der eigenen Klasse und eine Zielgerich77 tetheit, gegen die Kapitalisten und deren Zuhälter und Dealer zu vermitteln." Die DKP veranstaltete am 23. und 24. Februar in Mörfelden (Hessen) ihren 18. Parteitag, an dem nach Presseberichten 176 Delegierte teilnahmen. Dabei wurden der bisherige Parteivorsitzende Heinz STEHR und seine Stellvertreterin Nina HAGER von den Delegierten in ihren Ämtern bestätigt. Die sachsen-anhaltische DKP brachte auf dem Parteitag zwei Beschlussanträge ein. Sie forderte eine engere Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch von allen bundesdeutschen kommunistischen Parteien und Gruppierungen bis hin zu einem noch zu gründenden "gemeinsamen Koordinierungsrat". Damit sollen die Voraussetzungen für die Diskussion über eine gemeinsame kommunistische Partei in der "BRD" geschaffen werden. Zum anderen sollten die Funktionen der Koordinierungsräte erweitert und denen der Bezirksund Landesvorstände der DKP gleichgestellt werden. Diese Anträge wurden auf dem Parteitag abgelehnt. Die sachsen-anhaltische DKP veröffentlichte im März auf ihrer Homepage einen "Offenen Brief des Koordinierungsrates der DKP Sachsen-Anhalts an die ehemaligen Genossinnen und Genossen der SED". Darin hieß es: "Über eineinhalb Jahrzehnte nach der Wende oder besser gesagt - der Konterrevolution - liegen hinter uns. Die politische Enttäuschung für jeden Einzelnen von uns war zu Beginn jener Ära groß und wirkt auch heute noch. Die SED, so auch die Kreisparteiorganisation, brach damals zusammen. Nur wenige von uns fanden auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat den Weg in die PDS oder die DKP. Viele von uns bewegt, so glauben wir, noch immer die Frage nach den Ursachen für den Niedergang des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden." 78 Auf eine vermeintliche Fehleranalyse und eine Beurteilung der derzeitigen Verhältnisse "wo die Ausbeutung des Menschen durch das Kapital wieder an der Tagesordnung ist" folgte der Aufruf: "Wir sollten uns...im Kampfbund der Gleichgesinnten organisieren...Zunächst sollten wir Älteren uns finden und im nächsten Schritt die Jugend für unsere Sache gewinnen. Gerade Dich brauchen wir - Deine fundierten Kenntnisse in der Gesellschaftstheorie, Dein Wissen über die Geschichte der Arbeiterbewegung und Deine praktischen Erfahrungen beim Aufbau des Sozialismus." Am 8. November fand in Halle eine Demonstration statt, die durch die DKP Halle-Wittenberg angemeldet wurde und unter dem Motto "Gegen Geschichtsverfälschung, Faschismus und Sozialabbau" stand. Während der Demonstration, an der etwa 100 Personen teilnahmen, wurden Fahnen der Antifa und Transparente unter anderem mit den Aufschriften "Gegen Geschichtsverfälschung, Faschismus und Sozialabbau!", "Revolutionären Widerstand organisieren!", "Gegen Unterdrückung und staatlicher Repression DKP-SDAJ" mitgeführt und verschiedene Parolen skandiert. "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die SDAJ ist die Jugendorganisation der DKP. In Sachsen-Anhalt existiert eine SDAJ-Gruppe in Halle. Die SDAJ organisierte Kundgebungen in Halle unter dem Motto "No-NPD! NPD-Verbot jetzt!". Am 14. Juni beteiligten sich etwa 50 Personen an einer solchen Veranstaltung. In ihrem Verlauf wurden Flugblätter der SDAJ und Exemplare der Hallenser DKP-Broschüre "Standpunkt Gegen Angriff" zum Verteilen an Passanten ausgegeben. Während der Demonstration wurde unter anderem die Losung "Gebt den Nazis die Straße zurück - Stein für Stein!" skandiert und es wurden rote Fahnen und ein Transparent "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem System - SDAJ" mitgeführt. 79 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) Einer Eigenangabe im Internet zufolge wird die KPD/Ost in Sachsen-Anhalt durch einen Landesverband mit Sitz in Zeitz (Burgenlandkreis) und über drei "Regionalorganisationen" in Zeitz, Halle/Bernburg und Magdeburg vertreten. Am 17. Mai fand auf Einladung der KPD/Ost eine Konferenz "Gemeinsam gegen Neofaschismus und Krieg, für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt" in Berlin statt. Der Publikation "Die Rote Fahne"54 zufolge nahmen daran 109 Personen teil. Der vorab veröffentlichte Aufruf forderte die Schaffung "einer geschlossenen Widerstandsfront aller Kommunisten, Sozialisten, Demokraten und Humanisten", die Bildung von "Aktionskomitees" und die Vorbereitung eines Bundeskongresses, der Forderungen für eine alternative Politik beraten und beschließen solle. In einem Interneteintrag auf der Homepage der Magdeburger DKP bemängelte ein DKP-Mitglied aus Magdeburg, dass man sich mit dem eigentlichen Problem, der Schaffung einer Aktionseinheit, zu wenig auseinandergesetzt habe. Die "Genossen der KPD" hätten zudem darauf verzichtet, selbst ein inhaltliches Angebot zu machen. Außerdem sei das Verhältnis zu den bestehenden Bewegungen offen geblieben. "Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) Die KPD/ML gibt im Internet lediglich eine Kontaktadresse in Magdeburg an. Sie vertreibt die Publikation "Roter Stern". Die KPD/ML sieht sich in der Tradition der von Ernst AUST 1968 gegründeten Partei gleichen Namens. Die Partei trat öffentlich nicht in Erscheinung. 54 Zentralorgan der Partei, Ausgabe Juni 2008. 80 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die MLPD verfügt, mit dem Kreisverband Dessau-Wolfen-Bitterfeld, dem Kreisverband Magdeburg/Schönebeck und den Ortsgruppen in Bernburg (Salzlandkreis), Halle-Merseburg, Wernigerode (Landkreis Harz) und Zeitz (Burgenlandkreis) über umfassende Parteistrukturen in Sachsen-Anhalt. Außerdem existieren Gruppen des Jugendverbandes "Rebell" in Magdeburg, Halle und Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). In einer "aktuellen Information der MLPD für Presse und Öffentlichkeit" wurde die Gründung von sechs neuen Landesverbänden der MLPD offiziell bekannt gegeben. Die sachsen-anhaltische MLPD ist demnach im Landesverband "Elbe-Saale" organisiert und mit MLPD-Gruppen aus Sachsen und Thüringen zusammengeschlossen. Das Parteibüro der Landesleitung hat seinen Sitz in Leipzig (Sachsen). Die Landesleitung gibt etwa vierteljährlich die Publikation "Stimme von und für Elbe/Saale" heraus. Die MLPD bereitete ihren VIII. Parteitag sehr konspirativ vor. Weder Ort noch Termin wurden vorab in der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Eigenen Angaben zufolge fand dieser dann im September in Hamburg statt. In einem Interview für die "Rote Fahne News" äußerte Parteivorsitzender Stefan ENGEL, es sei gelungen, die relative Isolierung der Partei nachhaltig zu durchbrechen. Die MLPD sei zu einer "gesamtgesellschaftlich bedeutenden Kraft" gereift. Wörtlich sagte ENGEL: "Es gibt keinen Weg zum Sozialismus ohne die Zerschlagung der bürgerlichen Staatsmacht und die Errichtung der Diktatur des Proletariats!" ENGEL wurde durch das Zentralkomitee in seiner Rolle als Parteivorsitzender bestätigt. Personen aus Sachsen-Anhalt gehören dem Zentralkomitee nicht an. 81 Anlässlich des Internationalen Frauentages organisierte die MLPD am 8. März einen Informationsstand auf dem Marktplatz in Halle, der jedoch nur wenig Resonanz fand. Am 8. März wurde in Halle-Neustadt die Gruppe Halle/Saale des MLPD-Frauenverbandes "Courage" gegründet. In einem Interview in der Zeitung "Stimme von und für Elbe/Saale"55 hieß es dazu: "Wir haben uns gegründet, um den überparteilichen Frauenverband Courage auch in Halle bekannt zu machen...Wir möchten auch andere Frauen ermutigen, sich in unserem Frauenverband zu organisieren und mit uns gemeinsam zu feiern, solidarisch zu streiten und zu träumen von einem Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung...Jede Frau, die gegen den Faschismus ist, kann bei uns Mitglied werden, ganz egal, ob und wo sie organisiert ist und welchen Glauben sie vertritt." Aktivitäten der Gruppierung sind nicht bekannt geworden. Am 26. April betrieb die Magdeburger MLPD-Gruppe einen Infostand vor einem Lebensmittelmarkt in der Großen Diesdorfer Straße in Magdeburg. Ziel war die Mitgliederwerbung für die MLPD. Eigenangaben zufolge habe man versucht, über die Themen Rente, Altersarmut und Preiserhöhungen mit Passanten ins Gespräch zu kommen und die MLPD-Gruppe vorzustellen. Dies sei jedoch kaum gelungen. 55 Ausgabe 1/08; März 2008. 82 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Im Rahmen der Beobachtung sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern kommt dem Komplex der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus nach wie vor besondere Bedeutung zu. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Teil des weltweiten Gefahrenraumes anzusehen und liegt im unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Gruppierungen. Bei dieser Einschätzung sind folgende Kriterien berücksichtigt worden: * Haltung Deutschlands im Hinblick auf die Konfliktfelder in Afghanistan und im Irak * Nennung Deutschlands in den Medien durch "Al-Qaida"Führungspersonen * Deutsche Beteiligung am internationalen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus * Islamkritische Veröffentlichungen (Beispiel: Karikaturen des Propheten Mohammed) und deren Tolerierung. Eine Gefährdung im Inland besteht unter anderem durch die "Islamische Jihad Union" (IJU). Zwar konnten die von ihr geplanten Anschläge verhindert werden, allerdings ist die Organisation nach wie vor aktiv und bildet neben "Al-Qaida"56 einen Schwerpunkt bei den intensiven Bemühungen der Sicherheitsbehörden zur Terrorismusbekämpfung. Im Berichtszeitraum verstärkten diese Organisationen ihre Medienpräsenz vor allem durch zahlreiche Internetveröffentlichungen, Videound Audiobotschaften. Hierbei ist festzustellen, dass nunmehr auch die Bundesrepublik Deutschland in den Fokus terroristischer Bedrohungen gekommen ist. Davon zeugen unter anderem Videobotschaften in deutscher Sprache, die folglich speziell an die deutsche Bevölkerung gerichtet 56 "Die Basis". 83 sind. Als Hauptkriterium wird dabei das deutsche Engagement in Afghanistan genannt, primär das der Bundeswehr und der Polizei. Somit ist als weiterer Schwerpunkt die Gefährdung deutscher Interessen im Ausland, insbesondere in Afghanistan, zu berücksichtigen. Im Berichtszeitraum war ein Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle gegen deutsche Einrichtungen und Interessen in Afghanistan zu verzeichnen. Dabei kamen 2008 drei Deutsche ums Leben und 30 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Zu einem Großteil dieser Anschläge, die teils durch Verwendung von Sprengfallen, teils durch Selbstmordattentate erfolgten, bekannten sich die Taleban in ihren Verlautbarungen im Internet. Die Verfassungsschutzbehörden nehmen bei der Bekämpfung des internationalen islamistischen Terrorismus Aufgaben wie das Erkennen und Beobachten von Netzwerken und Strukturen wahr, um so islamistischen Gefahren rechtzeitig begegnen zu können. Diese Netzwerkstrukturen sind sehr komplex und heterogen. Sie bilden eine Grundlage für die Radikalisierung von Muslimen, aus deren Kreis die Rekrutierung von Personen für den Besuch von Ausbildungsund Trainingslagern der "Al-Qaida" erfolgt, um diese dort auf mögliche Kampfeinsätze und Attentate vorzubereiten. Besonderes Augenmerk legen die Sicherheitsbehörden auf die Rückkehr solch radikalisierter Personen. Im September 2008 wurde eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem deutschen Konvertiten Eric BREININGER, der sich im Mai 2008 in einem Video zum Jihad bekannt hatte, und seinem Glaubensbruder Houssein AL MALLA eingeleitet. In Deutschland gelten bezüglich des islamistischen Extremismus insgesamt etwa 100 Personen als besonders aktiv. Ihre Betätigung reicht von logistischer Unterstützung über Propaganda, Werbung und Rekrutierung bis hin zur Anschlagsplanung. Auch wenn kaum eine direkte Verbindung zu "Al-Qaida" feststellbar ist, liegt den Zielen der verschiedenen islamistischen Netzwerkstrukturen eine von "Al-Qaida" geprägte Ideologie zugrunde. 84 Dieser Organisation mit ihren Führungspersonen Usama BIN LADEN und Aiman AL-ZAWAHIRI gelang es über regelmäßige Propaganda-Veröffentlichungen, den Gedanken des Internationalen Jihad weltweit zu verbreiten. Aufgaben des Arbeitsbereichs Ausländerextremismus Das Beobachtungsspektrum des Arbeitsbereichs Ausländerextremismus erstreckt sich über die Beobachtung des Islamismus hinaus auch auf linksextremistisch und extrem nationalistisch ausgerichtete Bestrebungen von Ausländern. Bundesweit werden 74 Ausländerorganisationen mit ihren etwa 59.500 Mitgliedern und Anhängern von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Damit ist ein Anstieg von mehr als 1.000 Anhängern im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Das Islamismuspotenzial bilden 29 Organisationen mit etwa 34.700 Personen, von denen die meisten der türkischen Organisation "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) zuzurechnen sind. Den größten Anteil der nichtislamistischen extremistischen Ausländervereine bilden etwa 11.500 Kurden in 19 linksextremistischen und etwa 10.150 Türken in 13 linksextremistischen und extrem nationalistischen Gruppierungen. ISLAMISTISCHE UND ISLAMISTISCH-TERRORISTISCHE BESTREBUNGEN In Sachsen-Anhalt sind keine festgefügten Strukturen islamistischer Organisationen bekannt geworden. Jedoch gab es zunehmend Hinweise auf Personen, die in Sachsen-Anhalt wohnen, aber islamistischen Gruppierungen, wie zum Beispiel der "Tablighi Jama'at" (TJ) und der "Tschetschenischen Republik Itschkeria" (CRI)/ "Tschetschenische Separatistenbewegung" (TSB) in anderen Bundesländern zuzurechnen sind. 85 "Tablighi Jama'at" (TJ) ("Gemeinschaft der Verkündung und Mission") Bei der TJ handelt es sich um eine transnationale Missionsbewegung mit weltweit mehreren Millionen Anhängern. Ihre wichtigsten Zentren befinden sich in Neu-Delhi (Indien), Raiwind (Pakistan) und Dhaka (Bangladesch). Ein maßgebliches Zentrum der TJ in Europa ist Dewsbury (Großbritannien). Langfristiges Ziel der Missionierungsbemühungen der TJ ist eine weltweite Islamisierung. Zu diesem Zweck übt die TJ Missionierungstätigkeit insbesondere im Moscheeumfeld aus und strebt durch private Missionierungsbesuche bei Muslimen danach, sie zu einem streng an Koran und Sunna ausgerichteten Leben anzuleiten. Die TJ, die sich selbst als unpolitisch begreift, lehnt Gewalt grundsätzlich ab. Aufgrund ihres strengen Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit besteht jedoch die Gefahr, dass sie islamistische Radikalisierungsprozesse fördert. In Einzelfällen ist belegt, dass die Infrastruktur der TJ von Mitgliedern terroristischer Gruppierungen und Netzwerke zu Reisezwecken genutzt wurde. TJ in Deutschland Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz umfasst die Anhängerschaft der TJ in Deutschland etwa 700 Personen. TJoder TJ-nahe Einrichtungen existieren unter anderem in Hannover, Hamburg, Berlin, Köln (Nordrhein-Westfalen), Friedrichsdorf (Hessen) und Erfurt. Die TJ hat für ihre Missionierungsbemühungen keine erkennbar umgrenzte Zielgruppe. Junge, wirtschaftlich und sozial benachteiligte Muslime werden von der TJ aber augenscheinlich als sehr empfänglich für ihre Botschaften eingeschätzt. Daneben werden junge 86 Konvertiten in persönlichen Gesprächen von der TJ geworben. Im Vordergrund ihrer Bemühungen steht jedoch die Kontaktaufnahme zu allen Muslimen und der damit verbundene Versuch, diese zu einem Leben im Sinne der TJ zu bekehren oder zurückzuführen. Neben Straßenmissionierungen wurden auch Missionierungsversuche in Asylbewerberund Studentenwohnheimen bekannt. In Sachsen-Anhalt konnten TJ-Aktivitäten seit Ende 2002 festgestellt werden. Im Rahmen ihrer Missionierungstätigkeit frequentierten verschiedene Städtegruppen unter anderem aus Berlin, Hannover und Erfurt insbesondere Einrichtungen in Magdeburg, Halle, Köthen und Möhlau (Landkreis Wittenberg). "Tschetschenische Republik Itschkeria" (CRI)/ "Tschetschenische Separatistenbewegung" (TSB) Die Anfang der 1990er Jahre entstandene CRI/TSB57 strebt die Unabhängigkeit Tschetscheniens von der Russischen Föderation und die Errichtung eines unabhängigen islamischen Gottesstaates auf der Basis der islamischen Rechtsund Werteordnung Scharia auf dem Gebiet des Nordkaukasus an. Um ihr Ziel zu erreichen, führt sie seit dem erneuten Einmarsch russischer Truppen im Jahre 1999 einen erbitterten und für beide Parteien verlustreichen Guerillakrieg. Darüber hinaus verübten ihre Anhänger in der Vergangenheit zahlreiche terroristische Anschläge auch außerhalb Tschetscheniens. Beispielhaft seien hier die Geiselnahmen in einem Moskauer Musical-Theater 2002 und in einer Schule in Beslan/Nordossetien 2004 genannt. Im Oktober 2007 erfolgte durch den Präsidenten und selbsternannten "Emir" Dokku UMAROV die Ausrufung des "Kaukasischen Emirates". Ziel dieser Maßnahme ist vor allem die Ausdehnung des bisher auf Tschetschenien begrenzten Konflikts auf den gesamten Nordkaukasus. 57 Die Bezeichnung "Tschetschenische Separatistenbewegung" (TSB) dient den Sicherheitsbehörden lediglich als Arbeitsbegriff. Die Organisation bezeichnet sich selbst als "Chechen Republic of Ichkeria" (CRI, "Tschetschenische Republik Itschkeria"). 87 Die Zahl der Mitglieder und Anhänger der CRI/TSB in Deutschland wird auf etwa 500 Personen geschätzt. Ihre Unterstützungshandlungen sind vielfältiger Art. Neben Lobbyund Propagandaarbeit für die Separatistenbewegung werden Spenden für humanitäre Maßnahmen in der Heimat gesammelt. Des Weiteren betreibt die Organisation verdeckte Geldsammlungen, deren Einnahmen sie nach Tschetschenien transferiert, um so den Kampf im Kaukasus zu unterstützen. Trotz der generell gewaltbefürwortenden Strategie der CRI/TSB konnten in Deutschland bislang keine Gewaltaktionen gegen Einrichtungen oder Staatsangehörige Russlands verzeichnet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Haltung taktisch motiviert ist, da Gewaltaktionen in Deutschland dem Anliegen der CRI/TSB zuwiderlaufen würden, Unterstützung zu erhalten und Verständnis für das tschetschenische Streben nach Unabhängigkeit zu wecken. Gefestigte Strukturen der CRI/TSB waren in Sachsen-Anhalt bislang nicht feststellbar. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Zu den nichtislamistischen Organisationen in Sachsen-Anhalt, von denen sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen ausgehen, zählen unter anderem der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) und die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP). Zwar sind Aktivitäten einzelner Anhänger des NWRI sowie der PFLP in Sachsen-Anhalt bekannt geworden, jedoch wurden hier bislang keine fest gefügten Strukturen festgestellt. In SachsenAnhalt ist nach wie vor lediglich der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) mit eigenen Organisationsstrukturen aktiv. "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) Am 27. November 1978 wurde in der Türkei die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) unter anderem von Abdullah ÖCALAN mit dem Ziel 88 gegründet, in den kurdischen Siedlungsgebieten der Türkei und in angrenzenden Ländern einen kurdischen Nationalstaat zu errichten. Ab 1984 führte die Organisation im Südosten der Türkei einen bewaffneten Guerillakampf gegen den türkischen Staat. Aktivitäten der PKK wurden nach Westund Nordeuropa verlegt. Gewalttätige Aktionen von Anhängern der PKK gegen türkische Einrichtungen in Deutschland führten am 22. November 1993 zum vereinsrechtlichen Betätigungsverbot der PKK sowie einiger ihrer Teilorganisationen. Am 9. Oktober 199858 musste ÖCALAN, der sich zum uneingeschränkten Führer der Partei entwickelt hatte, auf Druck der Türkei sein Exil in der Nähe von Damaskus aufgeben. Er wurde am 15. Februar 1999 in Nairobi festgenommen, in die Türkei verbracht und dort wegen Hochverrats am 29. Juni 1999 zum Tode verurteilt. Nach der Abschaffung der Todesstrafe durch das türkische Parlament im August 2002 wurde sein Urteil im Oktober 2002 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Die Guerillaeinheiten der PKK zogen sich nach der Einstellung des bewaffneten Kampfes in der Türkei im Sommer 1999 in den Nordirak zurück. Das ursprüngliche Ziel der PKK sollte innerhalb der staatlichen Ordnung der Türkei auf friedlichem Wege erreicht werden. Auf dem 8. Kongress der PKK im April 2002 wurde die Einstellung der Tätigkeiten unter dem Namen PKK beschlossen und als legitimer und einziger Nachfolger der PKK der "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) gegründet. ÖCALAN wurde trotz seiner Inhaftierung auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali zum Generalvorsitzenden des KADEK bestimmt. Am 26. Oktober 2003 wurde der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) gegründet, nachdem die Führung des KADEK dessen Selbstauflösung beschlossen hatte. Laut Verfügung des BMI vom 30. Juli 2004 erstreckt sich das vereinsrechtliche Betätigungsverbot vom 22. November 1993 auch auf den KONGRA GEL, da wie im Fall der Umbenennung von PKK in KADEK Identität mit der PKK bestehe. 58 Nach Auffassung des KONGRA GEL markiert der 9. Oktober 1998 den Beginn eines internationalen Komplotts, das zur Festnahme ÖCALANs und zu dessen Verurteilung führte. 89 Der KONGRA GEL verfolgte im Berichtsjahr weiterhin die Doppelstrategie einer gewaltfrei geprägten Politik in Europa und eines militärischen Aktionsverhaltens in der Grenzregion der Türkei zum Nordirak. Als Hauptziel propagierte die Organisation die Föderation eines demokratischen Nahen Ostens in Form des demokratischen Konföderalismus, in dem eine demokratische Autonomie der Kurden in den kurdischen Siedlungsgebieten innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen angestrebt werden soll. Im Rahmen der Kampagne "Edi Bese!/Es reicht!" wurden in Deutschland Veranstaltungen wie Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen zu den Haftbedingungen des so genannten kurdischen Volksführers ÖCALAN initiiert. Als Veranstaltungen für kurdische Frauen und besonders für jugendliche Anhänger des KONGRA GEL sind das am 14. Juni in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) durchgeführte "4. ZILANFrauenfestival"59 mit etwa 4.000 Frauen und das am 12. Juli in Köln von der Jugendorganisation des KONGRA GEL, dem KOMALEN CIWAN60, organisierte "11. Mazlum DOGAN61 JugendKulturund Sportfestival" mit etwa 5.000 Kurden aus Deutschland und dem benachbarten Ausland zu nennen. Die Anerkennung der Identität des kurdischen Volkes und die Haftentlassung ÖCALANs wurden während der Veranstaltungen in politischen Ansprachen gefordert. Ab Mai thematisierte der KONGRA GEL unter dem genannten Kampagnenamen auch das militärische Vorgehen der Türkei gegen die "Volksverteidigungseinheiten" (HPG)62 im Grenzgebiet zum Nordirak. Auf eine angebliche Misshandlung ÖCALANs in der Haft rea59 Namensgeberin für das Festival ist Zeynep KINACI alias ZILAN, die von den Angehörigen des KONGRA GEL als Märtyrerin verehrt wird. KINACI hatte sich am 30. Juni 1996 in Tunceli (Türkei) mit einem Sprengsatz als Schwangere getarnt, während einer Militärparade unter die türkischen Soldaten gemischt und eine Bombe zur Detonation gebracht. 60 "Koma Komalen Ciwanen Demokratik a Kurdistane/Gemeinschaft der demokratischen Jugend Kurdistans"; Kurzform "Komalen Ciwan/Demokratischer Jugendkonföderalismus". 61 Der Name "Mazlum DOGAN-Festival" soll die Erinnerung an einen Funktionär der ehemaligen PKK bewahren, der sich 1982 in türkischer Haft das Leben genommen hatte und seitdem als Märtyrer verehrt wird. 62 Der KONGRA GEL unterhält diese Guerillaeinheiten als bewaffneten Arm der Organisation im Nordirak. 90 gierten Mitglieder und Sympathisanten des KONGRA GEL im Oktober mit zahlreichen Protestaktionen. In Sachsen-Anhalt wurden entsprechende Aktionen durch den Mitgliedsverein der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM)63 "Mezopotamien Kulturhaus e. V." in Halle organisiert und friedlich und störungsfrei durchgeführt. Im Rahmen der oben genannten Kampagne beteiligten sich am 30. Januar in Halle auf dem Marktplatz etwa 67 Personen an einer störungsfrei verlaufenen Mahnwache des "Mezopotamien Kulturhauses e. V." unter dem Motto "Bombardierung von kurdischen Dörfern durch die türkische Luftwaffe. Gesundheitszustand von ÖCALAN - Verdacht der Vergiftung". Der in Dänemark stationierte Fernsehsender ROJ TV erwähnte in seiner türkischsprachigen Berichterstattung am 31. Januar die durchgeführte Mahnwache in Halle. Die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika/Neue Freie Politik" informierte in ihrer Ausgabe vom 1. Februar über die Mahnwache. Anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz64 am 21. März organisierten Anhänger des KONGRA GEL in Deutschland Demonstrationen, Saalveranstaltungen und Fackelzüge. Vom KONGRA GEL wird dieses Fest, mit dem wie gewohnt die Themen Widerstand und Befreiungskampf aufgegriffen werden, instrumentalisiert, um ein breites Spektrum kurdischer Volkszugehörigkeit anzusprechen und auf die politischen Anliegen der Organisation aufmerksam zu machen. Das "Mezopotamien Kulturhaus e. V." initiierte am 20. März in der Innenstadt von Halle einen Aufzug mit Abschlusskundgebung unter der Bezeichnung "Newrozfest" mit etwa 100 Teilnehmern. 63 YEK-KOM dient als Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland. 64 Das alljährlich von Kurden begangene Newrozfest ("Newroz" bedeutet "neuer Tag") wird als Beginn eines neuen Jahres und des Frühlings gefeiert. Historisch geht Newroz auf die Legende des kurdischen Schmieds Kawa zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen namens Dehak aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf den 21. März im Jahre 612 v. Chr. erschlagen haben soll. Daher wird Newroz auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den kurdischen Freiheitskampf verstanden. 91 Zum Geburtstag ÖCALANs65 beteiligten sich Anhänger des KONGRA GEL an friedlich verlaufenen Saalveranstaltungen mit Redebeiträgen über das Leben ÖCALANs und sein Wirken für die Organisation. Der Fernsehsender ROJ TV berichtete am 7. April, dass in Magdeburg am Tag zuvor das Newrozfest mit etwa 2.000 Teilnehmern durchgeführt worden sei. Die Zeitung "Yeni Özgür Politika" informierte in ihrer Ausgabe vom 8. April, dass in Magdeburg die Kurden sowohl den Geburtstag ÖCALANs als auch das Newrozfest gefeiert hätten. Der Bundesminister des Innern hat am 19. Juni aufgrund einer Verbotsverfügung den Betrieb des Fernsehsenders ROJ TV, repräsentiert durch die in Kopenhagen ansässigen Medienunternehmen "Mesopotamia Broadcast A/S" und "ROJ TV A/S", in Deutschland verboten. Ein Organisationsverbot wurde gegen die in Wuppertal ansässige Firma "VIKO Fernseh Produktion GmbH" als Teilorganisation von "ROJ TV A/S" verhängt. Das Unternehmen stellte Beiträge für ROJ TV her und funktionierte als dessen DeutschlandRepräsentanz. Der Satellitensender ROJ TV betreibt der Verbotsverfügung zufolge Propaganda für den KONGRA GEL und verstößt damit gegen deutsche Strafgesetze sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Die Anhänger des KONGRA GEL initiierten gegen das verfügte Verbot Protestkundgebungen gegen das Verbot. Am 8. Juli wurde eine Gruppe von 13 deutschen Bergsteigern in ihrem Basislager am Berg Ararat (Türkei) von bewaffneten Kämpfern der HPG überfallen. Aus der Gruppe wurden drei Personen entführt und bis zum 20. Juli festgehalten. Danach kamen sie körperlich unversehrt frei. Die HPG gaben in einer von der prokurdischen Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (FNA/Firat)66 am 10. Juli veröffentlichten Erklärung bekannt, dass Gründe der Entführung die "feindliche Politik Deutschlands gegen das kurdische Volk und den KONGRA GEL" 65 ÖCALAN wurde am 4. April 1949 geboren. 66 Firat (türkisch), dt. Euphrat. 92 sowie das in der Bundesrepublik ausgesprochene Verbot des kurdischen Fernsehsenders ROJ TV seien. Am 6. September fand in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) das von der YEK-KOM organisierte "16. Internationale Kurdische Kulturfestival" mit etwa 35.000 Teilnehmern aus Europa statt. Die störungsfrei verlaufene Veranstaltung stand unter dem Motto "Frieden für Kurdistan - Freiheit für ÖCALAN" und war dem als Märtyrer bezeichneten Halil UYSAL67 gewidmet. Eingebettet in ein kulturelles Rahmenprogramm wurden verschiedene Ansprachen politischen Inhalts zur Kurdenproblematik gehalten, in denen das ROJ TVVerbot, die Operationen des türkischen Militärs und die Kurdenpolitik in Europa kritisiert wurden. Außerdem wurde eine Grußbotschaft ÖCALANs verlesen. Anlässlich des zehnten Jahrestages der Ausweisung ÖCALANs aus Syrien initiierten Anhänger des KONGRA GEL friedliche Aktionen. In Halle beteiligten sich am 25. Oktober etwa 300 Personen an einem störungsfrei verlaufenen Aufzug mit Abschlusskundgebung des "Mezopotamien Kulturhaus e. V." unter dem Motto "Folter gegen ÖCALAN". Im Vorfeld hatten der Fernsehsender ROJ TV in seinen Sendungen am 23. und 24. Oktober und die Zeitung "Yeni Özgür Politika" in ihrer Ausgabe vom 24. Oktober unter der Überschrift "Protestaktionen am Wochenende" über die geplante Veranstaltung in Halle informiert. Strafund Gewalttaten Die Anzahl der Strafund Gewalttaten im Bereich Ausländerextremismus ist in Sachsen-Anhalt zwar eher gering, gleichwohl darf die allgemeine Gefährdungslage für deutsche und somit auch sachsenanhaltische Interessen nicht unterschätzt werden. 68 67 Der Regisseur für KONGRA GEL-Propagandafilme UYSAL wurde Ende März während einer bewaffneten Auseinandersetzung im Südosten der Türkei getötet. 68 Siehe Statistik Seite 129f. 93 V. SPIONAGEABWEHR Allgemeines Auch im Jahr 2008 haben sich die Aufklärungsaktivitäten der Nachrichtendienste fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland in unvermindertem Umfang fortgesetzt. Dies gilt insbesondere für die Nachrichtendienste der Volksrepublik China und der Russischen Föderation. Aufklärungstätigkeiten gingen auch von anderen Staaten aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sowie von der Republik Belarus (Weißrussland) aus. Aber auch Staaten aus dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten betreiben Spionageaktivitäten und versuchen so, sich Interessenvorteile im politischen, militärischen und vermehrt auch wirtschaftlichen Bereich zu verschaffen. In diesem Zusammenhang sind nach wie vor die Aktivitäten des Irans, Syriens und Nordkoreas anzuführen. Einen Schwerpunkt ihrer Aufklärungstätigkeit legen insbesondere die Dienste totalitärer Staaten darauf, in der Bundesrepublik Deutschland lebende Oppositionelle und Dissidenten ihres Heimatlandes auszuspähen. Nicht selten wird dabei massiver psychischer Druck auf die Betreffenden und ihre im Herkunftsland lebenden Angehörigen ausgeübt. Eine solche zielgerichtete und intensive Ausspähung betreiben in Deutschland insbesondere die Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas. In diesem Zusammenhang sind der iranische Nachrichtendienst VEVAK (Vezerate Etala' at Va Amniate Keshvar, Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit) sowie die syrischen Dienste besonders zu erwähnen. Aufgrund der sich immer weiter fortsetzenden Globalisierung und vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise sind deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Universitätsund Hochschulbereich mehr denn je Ausforschungsbemühungen von Nachrichtendiensten anderer Staaten ausgesetzt. Besonders problematisch ist dabei, dass die Wissenschaft und die gewerbliche 94 Wirtschaft die wahren Intentionen von "Partnern" aus dem Ausland häufig nicht erkennen können. Chinesische Nachrichtendienste China betreibt in Deutschland hauptsächlich Wirtschaftsspionage, und zwar in erster Linie auf dem elektronischen Sektor. Besonders groß ist das Risiko hierbei für deutsche Mittelständler, die ihre Rechnernetzwerke nicht durch aufwendige Sicherheitsarchitektur schützen können, so wie dies in großen Betrieben bereits Standard ist. Ein neues Sicherheitsrisiko stellt hierbei die bei Firmen beliebte Internet-Telefonie dar. Hier potenzieren sich zwei Gefahren: Kommunikation an sich und Internet. Eine weitere mögliche Gefahrenquelle können zudem Praktikanten, Gaststudenten, Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter zum Beispiel aus China darstellen. In diesem Zusammenhang nutzen die chinesischen Dienste insbesondere die ausgeprägte Verbundenheit der Chinesen zu ihrer Heimat, um diese für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit in Deutschland zu gewinnen. Diesen Zweck fördert auch der hohe Organisationsgrad der hier lebenden Chinesen, die in unzähligen Vereinen - zumeist unter Kontrolle der amtlichen chinesischen Vertretungen - zusammengefasst sind. Im Vordergrund steht für die chinesischen Nachrichtendienste nicht die Entsendung ausgebildeter Agenten in deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute, sondern vielmehr die Nutzung unzähliger so genannter Non-Professionals mit Zugang zu westlichem Know-how, die sich häufig durch Fleiß, Bildungshunger, Karrieredenken und Erwerbsstreben auszeichnen. Die in Deutschland einsetzende öffentliche Diskussion über die Gefahren der Markenpiraterie, des illegalen Technologietransfers und des Diebstahls geistigen Eigentums durch chinesische Stellen und Unternehmen hat inzwischen zu einer gesteigerten Sensibilität in der deutschen Wirtschaft und Politik geführt. 95 Die chinesische nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung im Ausland obliegt überwiegend dem "Ministry for State Security" (MSS) und dem Militärischen Informationsdienst "Military Intelligence Department" (MID). Beim MID handelt es sich um einen von mehreren militärischen Nachrichtendiensten innerhalb des Generalstabes der "Volksbefreiungsarmee". Das Interesse des MSS erstreckt sich auf die Bereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Forschung sowie auf als "staatsfeindlich" definierte Organisationen und Gruppen. Das Interesse des MID richtet sich auf militärspezifische und sicherheitspolitisch relevante Informationen, die für Chinas Außenund Sicherheitspolitik sowie für die Modernisierung der Streitkräfte von Bedeutung sind. Die allseits guten Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie die exportorientierte deutsche Wirtschaft begünstigen seit Jahren einen einseitigen Abfluss von Know-how aus vielen Fachgebieten in Richtung China. China ist an allen technologischen Innovationen in Deutschland interessiert und versucht auf vielfältigen Wegen, sich diese zu beschaffen. Dazu gehören das Bekunden von Kaufinteresse, das Angebot von Kooperationen, der Austausch von Fachkräften sowie die Entsendung von Delegationen. Im Rahmen dieser teilweise langfristig angelegten Bemühungen wird angestrebt, die in vielen Bereichen noch erheblichen Technologielücken zwischen China und den führenden Industrienationen auch durch den Einsatz der Nachrichtendienste zu kompensieren. Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Schwerpunkt der chinesischen Nachrichtendienste stellt wie bereits erwähnt die Ausspähung oppositioneller Gruppen (zum Beispiel der Demokratiebewegung oder der Meditationsbewegung Falun Gong), ethnischer Minderheiten (zum Beispiel der muslimischen Uiguren oder der Tibeter) und von Anhängern eines unabhängigen Taiwans dar. Diese Bewegungen werden in China amtlicherseits als die "Fünf Gifte" bezeichnet und von den Sicherheitsorganen mit allen Mitteln 96 verfolgt und unterdrückt. Aktivisten drohen hohe Haftstrafen oder die Verbringung in Umerziehungslager. Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die Aufklärungsaktivitäten der russischen Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland halten mit unverminderter Intensität an. Die bereits in der Vergangenheit festgestellte verstärkte Ausrichtung auf den Bereich der Wirtschaftsspionage wurde weiter intensiviert. Das anhaltende und nachhaltige Interesse der russischen Nachrichtendienste an Informationen aus der Bundesrepublik Deutschland wird durch die Tatsache belegt, dass die Russische Föderation einen großen Teil ihrer mit der Auslandsaufklärung betrauten Nachrichtendienstangehörigen in Deutschland einsetzt. Neben dem für die Auslandsaufklärung zuständigen SWR (Sluschba Wneschney Raswedki, Ziviler Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) und dem militärischen Nachrichtendienst GRU (Glawnoje Raswdywatelnoje Uprawlenije, Militärischer Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) existiert in der Russischen Föderation der FSB (Federalnaja Sluschba Besopasnosti, Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation) als eigentlicher Inlandsnachrichtendienst. Dieser betreibt im Rahmen seiner Abwehraktivitäten unter anderem eine intensive Überwachung des Internet. Zu den Aufgaben der etwa 350.000 Angehörigen des FSB gehört jedoch auch die Kontrolle einund ausreisender Personen. Obwohl auch der FSB in der Vergangenheit versucht hat, ausländische Staatsangehörige während ihres Aufenthaltes in Russland anzuwerben, um diese dann in Deutschland zur Informationsbeschaffung einzusetzen, gehen Aktivitäten gegen die Bundesrepublik jedoch in erster Linie vom zivilen Auslandsnachrichtendienst SWR und vom militärischen Nachrichtendienst GRU aus. Dem aus etwa 13.000 Mitarbeitern bestehenden SWR obliegt die Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, 97 Wissenschaft und Technik. Darüber hinaus wurden ihm auch Aufgaben im Bereich der Fernmeldeaufklärung übertragen. Die Aufklärung westlicher und hier vor allem bundesdeutscher Nachrichtendienste ist ein Generalauftrag des SWR. Außer dem SWR entwickelt auch der GRU nachrichtendienstliche Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland. Zielstellung des dem russischen Verteidigungsministerium unterstellten GRU und seiner etwa 12.000 Mitarbeiter ist die Aufklärung der Bundeswehr, des westeuropäischen Verteidigungsbündnisses und der NATO. Ferner besteht ein ausgeprägtes Interesse an militärisch nutzbarer Technologie. Ihre Aktivitäten entwickeln die Mitarbeiter der russischen Auslandsnachrichtendienste SWR und GRU aus den so genannten Legalresidenturen heraus. Diese sind Bestandteil der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland und finden sich überdies in den Niederlassungen der russischen Medienagenturen und Luftfahrtgesellschaften. Russische Nachrichtendienste versuchen gezielt, deutschstämmige Spätaussiedler für eine geheimdienstliche Agententätigkeit zu gewinnen. Weitere Informationen werden durch die Befragung von Landsleuten gewonnen, die sich aus beruflichen Gründen zeitweise in Deutschland aufhielten. Nachrichtendienste der Republik Belarus (Weißrussland) Die Nachrichtendienstangehörigen der Botschaft in Berlin und der Außenstelle in Bonn betreiben in erster Linie offene Informationsbeschaffung. Da der weißrussische Präsident LUKASCHENKO eine Bedrohung durch oppositionelle Bewegungen sowie die Gefahr von deren Unterstützung durch Ausländer sieht, werden Ausländer während ihres Aufenthaltes in Weißrussland intensiv überwacht. Diese 98 Vorgehensweise sollte bei Reisen dorthin in jedem Fall Berücksichtigung finden. Proliferation Insbesondere im Zusammenhang mit den Problemregionen des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens ist der Proliferation 69 nach wie vor eine große Bedeutung beizumessen. Dies gilt insbesondere für den Iran, der weiterhin fest entschlossen zu sein scheint, sein Atomprogramm zu realisieren. Demzufolge ist auch weiterhin mit entsprechenden nachrichtendienstlich gesteuerten Beschaffungsmaßnahmen zum Beispiel für Technologie und Material zu rechnen. Aufgabe der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes ist es daher, von fremden Geheimdiensten gesteuerte oder durch fremde Staaten mit verdeckten Mitteln und Methoden betriebene Proliferationsvorgänge zu analysieren. Dies geschieht zum Beispiel durch Informationsweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden im Fall erkannter illegaler Beschaffung. Die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder unter dem Titel "Proliferation - das geht uns an!" erstellte Broschüre kann im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz abgerufen werden. Die Verfassungsschutzbehörde bietet allen in der gewerblichen Wirtschaft und der Wissenschaft Tätigen eine Sicherheitspartnerschaft an, die Informationen, vertrauensvollen Dialog und Sensibilisierung über Fragen der Wirtschaftsspionage und der Proliferation beinhaltet. Ziel dieser Partnerschaft ist es, Wirtschaftsspionage so69 Unter dem Begriff Proliferation versteht man die Weitergabe von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) und deren Trägersysteme sowie von Mittel und Know-how zu deren Herstellung an Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. 99 wie Proliferation zu erkennen und in letzter Konsequenz zu verhindern. Mitarbeit der Bevölkerung Eine wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich. Die Verfassungsschutzbehörde des Landes SachsenAnhalt geht daher Hinweisen auf die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste nach und bittet alle Bürgerinnen und Bürger, die von derartigen Sachverhalten Kenntnis haben oder von fremden Nachrichtendiensten zur Mitarbeit aufgefordert wurden, ihr Wissen im Interesse unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der eigenen Sicherheit weiterzugeben. Dies gilt auch für diejenigen, die bereits im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Ihnen kann geholfen werden, sich aus einer ausweglos erscheinenden Situation zu befreien. Die Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht wie die Strafverfolgungsbehörden dem Legalitätsprinzip und sind daher nicht in jedem Fall verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden über Hinweise auf Spionagedelikte zu informieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Die Verfassungsschutzbehörde bietet hierzu jederzeit ihre Hilfe an und sichert Vertraulichkeit zu. Die Spionageabwehr der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ist wie folgt zu erreichen: Telefon: 0391/567 3900 Fax: 0391/567 3999 E-Mail: vschutz@mi.sachsen-anhalt.de 100 VI. GEHEIMSCHUTZ Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder sowie die Bevölkerung selbst müssen sich darauf verlassen können, dass Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden kann, als im staatlichen Interesse geheimzuhaltende Informationen (Verschlusssachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Besondere vorbeugende Maßnahmen, der so genannte personelle und materielle Geheimschutz, sollen dies gewährleisten. Zudem ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der NATO und anderer überoder zwischenstaatlicher Einrichtungen gehalten, bestimmte Sicherheitsnormen zu erfüllen. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt gemäß SS 4 Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) bei Geheimschutzverfahren im Behördenund Wirtschaftsbereich mit. Das Verfahren ist im sachsen-anhaltischen Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA) geregelt.70 Geheimschutz im Behördenbereich Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person zum Zugang zu im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen (Verschlusssachen). Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde 70 Siehe auch Seite 104. 101 festzustellen, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Position geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden oder auszuschließen. Ferner berät die Verfassungsschutzbehörde in Fragen des Geheimschutzes die Geheimschutzbeauftragten der Ministerien sowie der oberen und mittleren Landesbehörden. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befasst sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern oder zumindest erschweren sollen, dass Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Die Verfassungsschutzbehörde hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen können. Geheimschutz in der Wirtschaft Neben den erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Geheimschutzes in Behörden muss der Staat auch sensible Bereiche der Wirtschaft schützen, die mit der Ausführung geheimhaltungsbedürftiger öffentlicher Aufträge betraut sind. Die Erfahrungen haben auch im Berichtsjahr gezeigt, dass sich die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern auch gegen Wirtschaftsunternehmen richten. Ein wirksames Geheimschutzsystem soll hier gewährleisten, dass die gegen die deutsche Wirtschaft gerichteten Ausspähungsversuche durch gezielte Maßnahmen im vorbeugenden Bereich abgewehrt werden können, um irreparable Schäden zu vermeiden. 102 VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT Rechtliche Grundlagen Die geschichtlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren musste, veranlassten die Verfasser des Grundgesetzes, die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie zu gestalten. Deshalb enthält das Grundgesetz (GG) Schutzvorkehrungen zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: - die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Art. 18 GG), - das Recht, Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) und sonstige Vereinigungen (Art. 9 Abs. 2 GG) zu verbieten, wenn diese darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, - die Unabänderlichkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung wie zum Beispiel des Schutzes der Menschenwürde und fundamentaler Verfassungsgrundsätze (Art. 79 Abs. 3 GG). Die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden ist Ausdruck der Entscheidung des Grundgesetzgebers für eine wehrhafte Demokratie. Er hat dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Art. 73 Nr. 10b und Nr. 10c GG) zugewiesen und ihn zur Einrichtung von Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ermächtigt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bun103 desamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)71 regelt unter anderem den gemeinsamen Aufgabenrahmen der Verfassungsschutzbehörden und ihre Zusammenarbeit. Das BVerfSchG verpflichtet die Länder zur Einrichtung von Landesbehörden für den Verfassungsschutz. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder als Teil des Ministeriums des Innern oder als selbstständige Landesbehörde organisiert. Seit April 1999 wird die Aufgabe des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt durch eine Abteilung des Ministeriums des Innern wahrgenommen. Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde werden durch das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) geregelt. Das Gesetz ist im Jahr 2005 umfassend novelliert worden und im Februar 2006 in Kraft getreten.72 Zugleich ist das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt (AG G 10-LSA) in novellierter Fassung in Kraft getreten.73 Hierin finden sich die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für Maßnahmen, die in das Grundrecht nach Art. 10 GG eingreifen. Zudem ersetzt das Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA)74 die bisher geltenden Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes (Sicherheitsrichtlinien - SiR-LSA). Aufgaben des Verfassungsschutzes Aufgabe der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und die Auswertung von Informationen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes 71 BGBl. 1990, Teil I, S. 2954, 2970, zuletzt geändert durch SS 32 des Gesetzes vom 27. November 2007 (BGBl. 2007, Teil I, S. 2590). 72 GVBl. LSA 2006, S. 236, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2006 (GVBl. LSA 2006, S. 524). 73 GVBl. LSA 2006, S. 25; Bundesrecht: Artikel 10-Gesetz - G 10 (BGBl. 2001 Teil I, S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch SS 78 Abs 1 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. 2007 Teil I, S. 2614). 74 GVBl. LSA 2006, S. 14. 104 oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Im Rahmen des Geheimschutzes und des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes wirkt die Verfassungsschutzbehörde bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen des öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichs mit. Sie berät zudem bei technischen Sicherheitsmaßnahmen. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde zählt auch die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Aufenthalts-, dem Staatsangehörigkeits-, dem Luftsicherheits-, dem Sprengstoffund dem Atomgesetz sowie nach der Bewachungsverordnung. Um im Sinne eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes alle relevanten Erkenntnisse in Bezug auf den islamistischen Extremismus 105 und Terrorismus zentral auswerten zu können, ist das "Gemeinsame Informationsund Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus" (GIAZ) geschaffen worden. Im GIAZ arbeiten Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei unter Beachtung des Trennungsgebotes und der für die jeweilige Behörde geltenden Rechtsvorschriften zusammen. Keine polizeilichen Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde hat keine polizeilichen Befugnisse. Ihre Mitarbeiter sind also nicht berechtigt, zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Die Verfassungsschutzbehörde darf auch nicht im Wege der Amtshilfe die Polizei um die Durchführung von Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Wo die offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde unter den Voraussetzungen des SS 8 VerfSchG-LSA nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre und die Freiheitsrechte des Einzelnen darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Ein wichtiges nachrichtendienstliches Mittel ist der Einsatz von Vertrauensleuten (kurz: V-Leuten). Bei V-Leuten handelt es sich um Personen, die gezielt zur verdeckten Beschaffung von Informationen eingesetzt werden. V-Leute sind keine Bediensteten der Ver106 fassungsschutzbehörde. Die Steuerung extremistischer Gruppierungen oder Organisationen durch V-Leute ist unzulässig. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählt auch die Brief-, Postund Telefonkontrolle. Der hiermit verbundene Eingriff in das Grundrecht nach Artikel 10 GG ist nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes zulässig. Die Verfassungsschutzbehörde ist im Rahmen detaillierter gesetzlicher Regelungen befugt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, sowie die dem Briefoder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.75 Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und unter engen rechtlichen Voraussetzungen den so genannten IMSI-Catcher einsetzen, mit dem die Geräteund die Kartennummer sowie der Standort eines Mobiltelefons ermittelt werden können. Datenschutz Zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erhobene personenbezogene Daten sind nach den einschlägigen Datenschutzvorschriften, insbesondere den im Verfassungsschutzgesetz enthaltenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten nicht unbefristet oder auf Vorrat speichern. War eine Speicherung in einer Datei unzulässig oder ist die Kenntnis der gespeicherten Daten zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, ist eine Löschung vorzunehmen. In diesem Fall sind zugleich die zur Person geführten Akten zu vernichten. Daten von Minderjährigen unterliegen besonderen Schutzbestimmungen (SSSS 10, 21 VerfSchG-LSA). Personenbezogene Daten dürfen nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen an Dritte übermittelt werden. So übermittelt die Verfassungsschutzbehörde den Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, 75 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) BGBl. 2001 Teil I, S. 1254, 2298, zuletzt geändert durch SS 78 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. 2007 Teil I, S. 2614). 107 dass diese Datenübermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von gravierenden Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Auskunftserteilung Jedermann kann unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten beantragen. Die Verfassungsschutzbehörde ist nach SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Die Auskunft hat jedoch zu unterbleiben, wenn bestimmte, im Gesetz geregelte Ausschlussgründe vorliegen. Ein solcher Ausschlussgrund ist beispielsweise gegeben, wenn durch die Auskunftserteilung eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde drohen würde. Kontrolle Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK)76 wahr. Hiervon bleiben die anderen Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse unberührt. Die Landesregierung hat diese Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Die aus Abgeordneten des Landtages bestehende PKK tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Grundsätzlich hat die PKK das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. In den Fällen der oben dargestellten Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz77 und der Wahrnehmung von besonderen Auskunftsbefugnissen nach SS 17a VerfSchG-LSA sowie im Falle des Einsatzes des IMSI-Catchers78 erfolgt die Kontrolle durch ein eigens dafür ein76 Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt vom 16. November 2006 (GVBl. LSA, S. 524) wurde die Anzahl der Kommissionsmitglieder von bislang drei auf nunmehr vier Abgeordnete des Landtages von Sachsen-Anhalt erhöht. 77 Siehe Seite 107. 78 Siehe Seite 107. 108 gesetztes Gremium, die G 10-Kommission. Deren Kontrollbefugnis erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Verarbeitung und Nutzung der erlangten personenbezogenen Daten. Zusätzlich wird die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Landesrechnungshof und die Gerichte kontrolliert. Schließlich unterliegt die Verfassungsschutzbehörde einer faktischen Kontrolle durch die Berichterstattung der Medien und die öffentliche Meinung. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Durch ihre Öffentlichkeitsarbeit leistet die Verfassungsschutzbehörde einen wichtigen Beitrag in der geistig-politischen Auseinandersetzung mit extremistischem und terroristischem Gedankengut und dient damit dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Regierung und Parlament, aber auch die Bürger werden durch den Verfassungsschutz über die Aktivitäten und Absichten der verfassungsfeindlichen Organisationen informiert. Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde halten Vorträge über - die Institution des Verfassungsschutzes und - offen verwertbare Ergebnisse der nachrichtendienstlichen Facharbeit. Der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient der Verfassungsschutzbericht. Die Verfassungsschutzberichte der letzten fünf Jahre können im Internet unter der Adresse www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz heruntergeladen werden. 109 Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) In der Fassung der Bekanntmachung vom 6. April 2006 (GVBl. LSA S. 236), geändert durch Gesetz vom 16. November 2006 (GVBl. LSA S. 524) Inhaltsübersicht Erster Teil: ORGANISATION UND AUFGABEN SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Organisation und Zusammenarbeit SS 3 Bedienstete und Mitarbeiter SS 4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Begriffsbestimmungen Zweiter Teil: ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Besondere Formen der Datenerhebung SS 9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten SS 13 (weggefallen) Dritter Teil: AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person Vierter Teil: INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten 110 SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an die Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 20 Übermittlungsverbote SS 21 Minderjährigenschutz SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird SS 23 Nachberichtspflicht SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Fünfter Teil: PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission SS 25 Zusammensetzung und Wahl SS 26 Verfahrensweise SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 29 Datenerhebung bei Mitgliedern des Landtages Sechster Teil: SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger SS 30a Einschränkung von Grundrechten SS 30b Sprachliche Gleichstellung SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Erster Teil ORGANISATION UND AUFGABEN SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Er hat die Landesregierung und andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch sollen diese Stellen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können. (3) Er hat auch die Öffentlichkeit über seine Aufgabenfelder zu unterrichten. 111 SS2 Organisation und Zusammenarbeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Ministerium des Innern. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Abteilung. (2) Die für Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr. (3) Sie ist verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund und den Ländern zusammenzuarbeiten. (4) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. SS3 Bedienstete und Mitarbeiter (1) Die Mitarbeiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern haben sich einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes zu unterziehen, welches insbesondere auf Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für nationale Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik überprüft und in das der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einbezogen wird. (2) Personen, die dem Repressionsapparat der Deutschen Demokratischen Republik angehörten, insbesondere hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, Mitarbeiter der Abteilung I der Kriminalpolizei und ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dürfen nicht mit Aufgaben des Verfassungsschutzes betraut werden; Personen mit Offiziersrang der bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen Republik dürfen Aufgaben des Verfassungsschutzes nur in zu begründenden Ausnahmefällen übertragen werden. SS4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 112 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Es gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 113 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c) das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt konkretisierten Menschenrechte. Zweiter Teil ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbe114 zogener Daten der Bürger oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. (2) Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 4 Abs. 1. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informationen verdeckt erheben. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. (4) Die Behörden des Landes sind verpflichtet, den Verfassungsschutzbehörden technische und verwaltungsmäßige Hilfe für Tarnmaßnahmen zu leisten. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. (6) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Die betroffene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 4 Abs. 2 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS8 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn die Daten nicht auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise erhoben werden können. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. 115 (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben einzelner Personen unerlässlich ist und geeignete verwaltungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in einer Wohnung. Die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel nach Satz 1 und 2 trifft der Richter. Bei Gefahr im Verzug kann der Minister des Innern oder der Staatssekretär im Ministerium des Innern einen solchen Einsatz anordnen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf längstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als weitere drei Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. Ein Eingriff nach Satz 1 oder 2 ist der betroffenen Person nach seiner Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffes ausgeschlossen werden kann. (3) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen für den Verfassungsschutz tätigen Personen vorgesehen, kann der Minister des Innern oder eine von diesem beauftragte Person deren Einsatz anordnen. Eine anderweitige Verwendung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (4) Zuständiges Gericht für Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 ist das Amtsgericht am Sitz der Verfassungsschutzbehörde. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (5) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über die nach Absatz 2 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 3 angeordneten Maßnahmen. (6) Gegen Unbeteiligte dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt angewendet werden. SS9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien und Akten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. die Verfassungsschutzbehörde nach SS 4 Abs. 2 tätig wird. 116 (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 Abs. 2 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. (3) Die Speicherung von Informationen aus der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Personen in Dateien ist unzulässig. (4) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten und amtseigenen Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Speicherung in gemeinsamen Dateien im Sinne des SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818, 1921), ist nicht zulässig. Unter den Voraussetzungen des SS 9 darf die Verfassungsschutzbehörde Daten über Minderjährige vor Vollendung des 14. Lebensjahres in Akten speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239, 241), genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Abs. 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die zu ihrer Person geführten Akten zu vernichten. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. 117 (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 oder 5 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden und die Daten für ihre künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. SS 13 Dateianordnungen (weggefallen) Dritter Teil AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt der betroffenen Person über zu ihrer Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die von der betroffenen Person nach Satz 1 mitgeteilten Informationen dürfen nur zum Zwecke der Prüfung des Auskunftsbegehrens verwendet werden. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 118 2. durch die Auskunftserteilung Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftserteilung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist die betroffene Person auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Ministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die betroffene Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Landesbeauftragte kann die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich für ihn im Einzelfall Beanstandungen ergeben, eine Auskunft an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. Vierter Teil INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten (1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (2) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Öffentlichkeit periodisch und aus gegebenem Anlass im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. 119 (3) Es darf dabei auch personenbezogene Daten bekannt geben, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppen erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten (1) Werden öffentliche Stellen, die nicht Nachrichtendienste sind, um Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur die Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. (2) Absatz 1 gilt nicht für Ersuchen um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Soweit nach anderen Rechtsvorschriften ein Übermittlungsersuchen durch den Behördenleiter zu stellen ist oder von seiner Ermächtigung abhängt, gilt als Behördenleiter der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern. SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen (1) Öffentliche Stellen im Sinne von SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger unterrichten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 4 und 5 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus von sich aus der Verfassungsschutzbehörde auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (3) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei sowie andere Behörden übermitteln auf Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde die zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn sie nicht aus all120 gemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen werden durch die Verfassungsschutzbehörde aktenkundig gemacht. Unter den gleichen Voraussetzungen darf die Verfassungsschutzbehörde 1. Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder die betroffene Person unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf die Verfassungsschutzbehörde bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat die Verfassungsschutzbehörde einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die der Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 2 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (7) Übermittelte Informationen hat die Verfassungsschutzbehörde eigenständig zu bewerten. SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Der Verfassungsschutzbehörde stehen die in SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes geregelten Befugnisse unter den dort genannten Voraussetzungen zu. (2) Die Entscheidung über die Einholung von Auskünften nach SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes trifft die Verfassungsschutzbehörde. (3) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die G 10-Kommission nach SS 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes über die beabsichtigten Maßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die Verfassungsschutzbehörde den Vollzug der Entscheidung auch vor Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwen121 digkeit der Einholung von Auskünften. Entscheidungen über Auskunftsersuchen, die die G 10-Kommission für nicht notwendig oder unzulässig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. (4) Die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 1 erlangten personenbezogenen Daten. Für die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. Für die Mitteilung an den Betroffenen ist SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgabe nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, Auskünfte entsprechend SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes einholen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend. (6) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, sowie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. Die Absätze 2 bis 4 und 7 gelten entsprechend. Zum 31. Dezember 2008 ist eine Evaluierung der Maßnahmen durch die Verfassungsschutzbehörde durchzuführen und dem Landtag vorzulegen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung der Absätze 1 und 5. Dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5 zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag von Sachsen-Anhalt jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie über Art, Umfang und Anordnungsgründe der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5; dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (8) Das Ministerium des Innern unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes über die nach Absatz 1 durchgeführten Maßnahmen nach Maßgabe des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. 122 SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Auf Anfragen der Einstellungsbehörden erteilt der Verfassungsschutz auch Auskünfte zur Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben. Die Auskunft ist beschränkt auf gerichtsverwertbare Tatsachen aus vorhandenen Unterlagen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere wegen der Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen ihrer Aufgaben nach SS 4 personenbezogene Daten an andere Stellen übermitteln, soweit dies für die Erhebung personenbezogener Daten erforderlich ist. Im Übrigen dürfen personenbezogene Daten an andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ferner zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten einer fremden Macht erforderlich ist und das Ministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, der Polizei von sich aus die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. 123 (2) Delikte nach Absatz 1 sind 1. die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. alle Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, a) dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, b) dass es sich um Bestrebungen handelt, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b und c des Grundgesetzes). (3) Die Polizei darf zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 2 die Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen erforderlich ist (SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes). SS 20 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Teils unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere bei Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre, und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen, insbesondere wenn die Informationen zu löschen waren. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 21 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Vor124 aussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres aus nicht zur Person geführten Akten dürfen an ausländische, überoder zwischenstaatliche Stellen nicht übermittelt werden. SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird Der Dritte, an den übermittelt wird, prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren und in den Akten entsprechend zu kennzeichnen. SS 23 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Dritten, an den die Daten übermittelt wurden, zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Für die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung und den anderen Abteilungen des Ministeriums des Innern gelten die SSSS 16 bis 23 entsprechend. Fünfter Teil PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterliegt auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission wahr. (2) Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. 125 SS 25 Zusammensetzung und Wahl (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus vier Abgeordneten des Landtages. Der größten Oppositionsfraktion steht ein Sitz in der Kontrollkommission zu. (2) Der Landtag wählt die Mitglieder der Kommission sowie die gleiche Zahl von Stellvertretern mit der Mehrheit seiner Abgeordneten. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. (4) Scheidet ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus dem Landtag aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Kommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder ein neues stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus der Kommission ausscheidet. SS 26 Verfahrensweise (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Kommission. Die Pflicht zur Geheimhaltung gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Die Kommission tritt mindestens vierteljährlich, zusätzlich auf Antrag eines Mitgliedes zusammen. (3) Sie wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und Protokolle von den Mitgliedern der Kommission und ihren Stellvertretern eingesehen werden können. SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört auch das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Sie berichtet auch über den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Verfassungsschutzbehörde werden der Kommission zur Mitberatung zugeleitet. Die Landesregierung unterrichtet die Kommission über den Vollzug der Wirt126 schaftspläne im Haushaltsjahr. Die Kommission hat das Recht, von sich aus Sachverhalte aufzugreifen. (2) Die Kommission hat auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. Der Minister des Innern kann einem bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn es im Einzelfall die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erheblich gefährden würde; er hat dies vor dem Ausschuss schlüssig zu begründen. Die besonderen Rechte parlamentarischer Untersuchungsausschüsse bleiben unberührt. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über ihre bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (4) Die Kontrolle der Durchführung des Artikel 10-Gesetzes obliegt der G 10-Kommission. Das Nähere wird durch das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes geregelt. SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Die Parlamentarische Kontrollkommission hat auf Antrag eines Mitgliedes den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, die die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen. Die Befugnisse des Landesbeauftragten richten sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger. SS 29 Datenerhebungen bei Mitgliedern des Landtages (1) Setzt die Verfassungsschutzbehörde nachrichtendienstliche Mittel gegen ein Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt ein, hat der Minister des Innern die Parlamentarische Kontrollkommission und den Präsidenten des Landtages unverzüglich hiervon zu unterrichten. (2) Im Falle des Absatz 1 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 127 Sechster Teil SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 4 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 9 bis 13, 15, 16 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger keine Anwendung. SS 30a Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf 1. Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 2. Schutz personenbezogener Daten (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 3. Schutz des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) eingeschränkt werden. SS 30b Sprachliche Gleichstellung Personenund Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form. SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Satz 1 betrifft das In-Kraft-Treten. SS 17a Abs. 6 tritt am 30. Juni 2009 außer Kraft. 128 STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK79 Vorbemerkung: Bei den statistischen Angaben zu den Strafund Gewalttaten handelt es sich um Zahlen, die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes "Politisch motivierte Kriminalität" zu übermitteln sind. Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem, das die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) am 10. Mai 2001 beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2001 eingeführt hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog erfasst und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkriminalität) zugeordnet. Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat. Der extremistischen Kriminalität - als Teilmenge der politisch motivierten Kriminalität - werden Straftaten zugerechnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in den Phänomenbereichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechtsund Politisch motivierte Ausländerkriminalität insgesamt 2.10780 (Vorjahr: 1.567) Straftaten registriert. Diese verteilen sich wie folgt: 79 Alle in dieser Statistik aufgeführten Daten entsprechen dem Stand 31. Januar 2009. 80 Zuzüglich der 49 keinem Phänomenbereich zuzuordnenden Delikte und 67 Straftaten ohne explizite politische Motivation ergibt sich für das Jahr 2008 eine Summe von 2.223 politisch motivierten Strafund Gewalttaten. 129 Politisch motivierte Straftaten 2007 2008 nach Phänomenbereich -rechts1.350 1.761 -links211 332 Ausländerkriminalität 6 14 Davon waren: Extremistische Straftaten 2007 2008 nach Phänomenbereich -rechts1.279 1.639 -links49 71 Ausländerkriminalität 5 11 Politisch motivierte Gewalttaten 2007 2008 nach Phänomenbereich -rechts99 121 -links32 75 Ausländerkriminalität 0 4 Von den genannten politisch motivierten Gewalttaten waren: Extremistische Gewalttaten 2007 2008 nach Phänomenbereich -rechts87 100 -links20 34 Ausländerkriminalität 0 3 Fremdenfeindliche und antisemitische 2007 2008 Straftaten im Phänomenbereich -rechts-81 Fremdenfeindliche Straftaten 111 166 Antisemitische Straftaten 46 63 81 Mit Umstellung der statistischen Erfassung zum 1. Januar 2001 kann es zur Doppelerfassung einer Straftat als fremdenfeindliche und als antisemitische Straftat kommen. 130 A Al-Qaida 83, 84 Altenburg (Thüringen) 20, 44, 50 AL-ZAWAHIRI, Aiman 85 Antifa 65, 66, 67, 68, 72, 79 Antifaschismus/antifaschistisch 2, 64, 65, 66, 67, 70 Antifa Infoportal (AIP) 68 Antisemitismus/antisemitisch 10, 47, 48, 130 APFEL, Holger 39 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 88, 89 Auskunftserteilung 108, 118, 119 Ausländerextremismus 85, 93 AUST, Ernst 80 Autonome 2, 6, 27, 41, 64, 65, 66, 67, 68, 71, 72, 77 Autonomenszene 2, 65, 66, 67, 69, 70, 71, 75 B Bad Lauchstädt (Saalekreis) 18, 19, 22, 23, 40 BADY, Matthias 17, 18 BELAU, Kai 30 Berlin 15, 23, 25, 26, 38, 39, 41, 50, 73, 76, 80, 86, 87, 98 Bernburg (Salzlandkreis) 24, 27, 28, 43, 55, 57, 58, 80, 81 BIERE, Andreas 42, 43 BIN LADEN, Usama 85 Bitterfeld 37, 39, 81 Blankenburg (Landkreis Harz) 46 Blood & Honour (B&H) 9 BRAUMANN, Sascha 58 Braunschweig (Niedersachsen) 44 BREHL, Thomas 62 BREININGER, Eric 84 Brettin (Landkreis Jerichower Land) 33 Burg (Landkreis Jerichower Land) 20, 33, 34, 40, 46, 59, 66 131 D Datenschutz 107, 109, 111, 118, 119, 127 Delitzsch (Sachsen) 18, 20, 38 Demonstration 2, 18, 20, 22, 24, 25, 26, 27, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 44,49, 59, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 79, 90, 91 Dessau-Roßlau 9, 35, 36, 37, 58, 59, 61, 66, 67, 69, 72, 81 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 3, 67, 76, 77, 78, 79, 80 Deutsche Volksunion (DVU) 47, 49, 60, 61 Die Rote Fahne (Publikation) 80 Dresden 18, 28, 38, 39 E Elbingerode (Landkreis Harz) 39, 42 ENGEL, Stefan 81 Erfurt 86, 87 Exilregierung Deutsches Reich 63 F FAUST, Matthias 60, 61 Freie Kräfte 12, 16, 17, 18, 20, 25, 29, 30, 32, 33, 53 Freie Nationalisten 19, 20, 21, 23, 24, 26, 30, 31, 35, 38, 40, 44 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 89 Fremdenfeindlich 8, 46, 48, 130 FREY, Dr. Gerhard 60 Friedrichsdorf (Hessen) 86 G G 10-Kommission 109, 121, 122, 127 Geithain (Sachsen) 20 GANSEL, Jürgen 48, 49 132 Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel) 30, 38, 42 GÄRTNER, Matthias 43, 56, 57, 59 Geheimschutz 101, 102, 104, 105, 112, 113 Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) 90, 93 Gemeinsames Informationsund Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus (GIAZ) 106 Genthin (Landkreis Jerichower Land) 32, 33, 42, 44, 59 GERLACH, Thomas 62 Gewalttaten 1, 2, 7, 64, 93, 129, 130 Globalisierung 41, 94 GROSSMANN, Marcus 22, 32 Gruppe Internationale Solidarität (GIS) 65, 67, 69 H HAGER, Nina 78 HÄHNEL, Stella 50 Halberstadt (Landkreis Harz) 26, 40, 54, 71 Halle 8, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 24, 32, 35, 38, 39, 40, 43, 45, 46, 55, 57, 58, 59, 62, 67, 77, 79, 80, 81, 82, 97, 91, 93 Hamburg 12, 31, 39, 41, 60, 81, 86 Hannover 36, 38, 86, 87 HAVERBECK, Werner Georg 46 HESS, Rudolf 40, 43, 44, 45, 56 HEYDER, Matthias 42, 43, 52 HITLER, Adolf 25, 40 Hof (Bayern) 20 Holocaust 47, 63 HOLZ, Carola 37 I Indymedia 68, 72, 73, 76 133 Internet 5, 13, 15, 20, 24, 27, 28, 29, 30, 36, 38, 39, 43, 46, 47, 48, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 61, 65, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 80, 83, 84, 95, 97, 99, 109 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) 85 Islamische Jihad Union (IJU) 83 Islamist/islamistisch 3, 83, 84, 85, 86, 88, 105, 106 J JENRICH, Steffen 13 Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e. V. (JLO) 39 Junge Nationaldemokraten (JN) 1, 5, 16, 17, 18, 19, 21 24, 25, 26, 27, 28, 29, 35, 36, 37, 41, 42, 43, 51, 52, 54, 55, 56, 57, 58, 59 K Kameradschaft 5, 19, 26, 31, 32, 34, 35, 41 KEMNA, Erwin 47 Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) 30, 45 KNAPE, Andy 29, 43, 58 KNOP, Ingmar 61 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) 3, 67, 77, 80 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxististen-Leninisten (KPD/ML) 3, 67, 77, 80 KONGRA GEL 3, 88, 89, 90, 91, 92, 93 Konzerte 1, 9, 10, 12, 13, 15, 33, 38 Köckte (Landkreis Stendal) 45 Köln (Nordrhein-Westfalen) 86, 90 Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) 9, 36, 37, 39, 40, 42, 58, 59, 87 KRAUSE, Heiko 42 Kundgebung 19, 25, 29, 30, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 59, 67, 68, 70, 75, 79, 90, 91, 92, 93 KUSTERS, Constantijn 41 134 L LeftAct (Infoblatt) 66 Leipzig (Sachsen) 18, 20, 81 Leuna (Saalekreis) 58 Linksextremismus 64 Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 76 M Magdeburg 8, 18, 23, 24, 25, 26, 35, 38, 39, 40, 42, 43, 52, 54, 55, 56, 58, 59, 65, 66, 67, 69, 70, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 80, 81, 82, 87, 92 MARX, Enrico 13, 21, 22, 31, 32 MARX, Tino 19 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 3, 67, 76, 81, 82 Merseburg (Saalekreis) 18, 19, 20, 21, 23, 38, 39, 45, 81 Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 105, 112, 113 Möckern (Landkreis Jerichower Land) 45, 46 Möhlau (Landkreis Wittenberg) 87 Mörfelden (Hessen) 78 N Nachrichtendienstliche Mittel 106, 107, 115, 116, 127 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 1, 5, 12, 15, 17, 18, 20, 24, 25, 26, 29, 30, 31, 32, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 60, 79 Nationaler Beobachter (Szenepublikation) 24, 27, 36, 58 Nationalisten 6, 19, 20, 21, 23, 24, 26, 27, 30, 31, 35, 38, 40, 41, 44 Nationalsozialismus 33, 61 Naumburg (Burgenlandkreis) 66, 67, 69, 70 135 Neonaziszene 1, 5, 55, 57 Neue Rechte 46 Nienburg (Salzlandkreis) 43 NOACK, Markus 63 Nürnberg (Bayern) 41, 49 O ÖCALAN, Abdullah 88, 89, 90, 91, 92, 93 Öffentlichkeitsarbeit 109 OLLERT, Ralf 41 Ostara 31, 32 P Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) 108, 111, 116, 119, 122, 125, 126, 127 Proliferation 99, 100 PÜHSE, Jens 41, 49, 54 Q Quedlinburg (Landkreis Harz) 26, 27, 58 Querfurt (Saalekreis) 7, 19, 21, 22 R Rebell (Jugendverband der MLPD) 81 Rechtsextremismus 5, 7, 10, 26, 46 Rechtsextremistische Parteien und Vereinigungen 6, 47 REGENER, Michael 15 REITZ, Axel 62 RIEGER, Jürgen 12, 41, 43, 52 ROSE, Dr. Olaf 52 136 ROSSMÜLLER, Sascha 41 Roter Stern (Publikation) 80 ROTHE, Judith 32, 50, 51 S Salzwedel 30, 31, 38, 40, 67, 68, 71 Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) 12, 21, 22, 31, 32, 39, 42, 52 SCHÄFER, Marita 51 SCHÄFER, Michael 41, 42, 55, 59 SCHITTKE, Norbert 63 Schkeuditz (Sachsen) 18, 20, 38 Schönebeck (Salzlandkreis) 27, 45, 81 Schönhausen (Landkreis Stendal) 31 SCHULZE, Bennet 59 SCHULZE, Eric 17 SCHÜSSLER, Gitta 50 SCHWEIGEL, Kay 30 SCHWERDT, Frank 39 SelbstSchutz Deutschland 38 Sicherheitsbehörden 1, 12, 14, 83, 84, 111, 123 Sicherheitsüberprüfung 101, 104, 105, 112, 113, 115, 117 Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz 101, 104, 112 Skinhead 6, 8, 9, 11, 15, 32, 68 Sonnenwendfeier 45, 46 Sotterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) 13, 21, 31, 32, 50 Spionageabwehr 94, 99, 100 Staßfurt (Salzlandkreis) 27, 28, 29, 40, 58 STEHR, Heinz 78 Stendal 42, 68, 69, 71 Stolberg (Nordrhein-Westfalen) 20, 36, 58 Straftaten 1, 2, 7, 23, 64, 117, 121, 124, 129, 130 137 T Tangerhütte (Landkreis Stendal) 38, 45, 52 Terrorismus/Terrorist/terroristisch 3, 83, 84, 85, 86, 87, 106, 109, 121 Thor Steinar 2, 6, 66, 71, 72 Tonträger 14, 15, 16 U Ueckermünde (Mecklenburg-Vorpommern) 44 UMAROV, Dokku 87 UYSAL, Halil 93 V VALENTA, Philipp 43 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten (VRBHV) 63 Verschlusssache 101 VEVAK (iranischer Nachrichtendienst) 94 V-Leute 106, 107 Vlotho (Nordrhein-Westfalen) 46 VOIGT, Udo 41, 48 Völkerverständigung 92, 105, 113 W WALDE, Heidrun 50 Weißenfels (Burgenlandkreis) 37, 45 Wernigerode (Landkreis Harz) 26, 38, 41, 42, 81 WESSEL, Horst 40 Wirtschaftsspionage 95, 97, 99 138 Wittenberg 23, 35, 36, 59, 72, 79 Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) 81 WULFF, Thomas 39, 52 Wunsiedel (Bayern) 43, 44 Y YEK-KOM 91, 93 Yeni Özgür Politika (Publikation) 91, 92, 93 Z Zeitz (Burgenlandkreis) 13, 39, 54, 80, 81 Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) 36, 37, 38, 43 139 AAMD Autonome Antifa Magdeburg AG G 10-LSA Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt AIP Antifa Infoportal AJ Alternative Jugend A.L.M. Autonome Linke Magdeburg AN Autonome Nationalisten AWO Antifaschistischer Widerstand Olvenstedt B&H Blood & Honour BPjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz BWSE Blue White Stree Elite CRI/TSB Tschetschenische Republik Itschkeria / Tschetschenische Separatistenbewegung DKP Deutsche Kommunistische Partei DS Deutsche Stimme DVU Deutsche Volksunion FSB Federalnaja Sluschba Besopasnosti (Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation) GIAZ Gemeinsames Informationsund Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus GIS Gruppe Internationale Solidarität GRU Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (Militärischer Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten HDJ Heimattreue Deutsche Jugend e. V. HPG Volksverteidigungseinheiten IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. IJU Islamische Jihad Union 140 JLO Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e. V. JN Junge Nationaldemokraten KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans KDS Kampfbund Deutscher Sozialisten KONGRA Volkskongress Kurdistans GEL KPD/ML Kommunistische Partei Deutschlands/MarxistenLeninisten KPD/Ost Kommunistische Partei Deutschlands/Ost MID "Military Intelligence Department" (Militärischer Nachrichtendienst in China). MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MSS "Ministry for State Security" (Ministerium für Staatssicherheit in China) NB Nationaler Beobachter NBK Nationaler Bildungskreis NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSBM NS Black Metal NVU Nederlanse Volks Unie NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZB Nationales Zentrum Bernburg PFLP Volksfront für die Befreiung Palästinas PKK Arbeiterpartei Kurdistans REP Die Republikaner RNF Ring Nationaler Frauen SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SÜG-LSA Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz im Land Sachsen-Anhalt SWR Sluschba Wneschnej Raswedki (Ziviler Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) 141 TIB Türk Intikam Birligi/Türkische Racheeinheiten TJ Tablighi Jama'at TSB Tschetschenische Separatistenbewegung VerfSchG-LSA Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten VS Verschlusssache YEK-KOM Föderation kurdischer Vereinigungen in Deutschland e. V. ZK Zusammen Kämpfen 142