Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 5/810 Fünfte Wahlperiode 25.07.2007 Unterrichtung Ministerium des Innern Verfassungsschutzbericht 2006 Vom Ministerium des Innern ist am 18. Juli 2007 dem Landtag gemäß SS 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt der Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2006 übergeben worden. Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 25.07.2007) Sachsen-Anhalt Verfassungsschutzbericht 2006 Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Berichtszeitraum 01.01. - 31.12.2006 IMPRESSUM IMPRESSUM HERAUSGEBER: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Halberstädter Straße 2/ am "Platz des 17. Juni" 39112 Magdeburg BEZUGSADRESSE: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Abteilung 5 Zuckerbusch 15 39114 Magdeburg TELEFON: (0391) 567-3900 TELEFAX: (0391) 567-3999 INTERNET: http://www.mi.sachsen-anhalt.de/ verfassungsschutz/ E-MAIL: vschutz@mi.sachsen-anhalt.de DRUCK: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt Merseburger Straße 2 06112 Halle/Saale HINWEISE HINWEISE Die Verfassungsschutzbehörde erfüllt mit diesem Bericht ihre gesetzlichen Unterrichtungspflichten, die in SS 15 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) normiert sind. Bestrebungen dürfen in diesem Bericht auch dann erwähnt werden, wenn Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Betätigung vorliegen, die eine abschließende Bewertung aktuell nicht zulassen. Dieser Verfassungsschutzbericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt. Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Sachsen-Anhalts wurden in diesen Bericht aufgenommen, sofern sie für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges erforderlich sind. Die in Anführungszeichen gefassten Textteile wurden - sofern es sich um Zitate handelt - in der Originalschreibweise wiedergegeben. VORWORT VORWORT Vor Ihnen liegt der nunmehr 15. Verfassungsschutzbericht für das Land Sachsen-Anhalt. Wie in den zurückliegenden Jahren stellt der Verfassungsschutz auch in diesem Bericht so umfassend wie möglich seine Arbeitsergebnisse dar. Ziel ist es, die Öffentlichkeit über die Absichten von Verfassungsfeinden aller Art zu unterrichten, die eine Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bedeuten können. Eine solche Bedrohung geht in Sachsen-Anhalt nach wie vor insbesondere vom Rechtsextremismus aus. Sein Personenpotenzial hat sich gegenüber dem Vorjahr erneut vergrößert. Auch die Anzahl rechtsextremistisch motivierter Strafund Gewalttaten nahm erneut zu. Diese statistischen Angaben bekommen bei genauer Betrachtung der in der breiten Öffentlichkeit zu Recht diskutierten Einzelfälle ein Gesicht. Sei es durch den Schaden, den unser Land durch eine Abwertung der Demokratie erleidet, die Rechtsextremisten mit der Verbrennung des Tagebuches der Anne Frank in Pretzien erreichen wollten, oder - schlimmer noch - durch die brutale, menschenverachtende Gewalt von rechtsextremistischen Jugendlichen gegenüber einem wehrlosen, zwölfjährigen Jungen in Pömmelte. Der Rechtsextremismus bleibt eine der zentralen Herausforderungen an den Staat. Wenn Zivilgesellschaft und Behörden dabei im konkreten Einzelfall versagen, darf dies nicht verschwiegen werden, sondern muss Anlass zum Gegensteuern sein. Dieser Tatsache haben wir mit zahlreichen Maßnahmen wie zum Beispiel in der Ausund Fortbildung von Polizeibeamten, mit der Verbesserung der Zu- I VORWORT sammenarbeit der Sicherheitsbehörden untereinander oder auch durch die verstärkte Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger über eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Behörden Rechnung getragen. Neben dem Rechtsextremismus beobachtet der Verfassungsschutz weiterhin aufmerksam die Entwicklungen in den anderen Extremismusbereichen. Dies gilt insbesondere für die latenten Gefahren, die sich aus der Tatsache ergeben, dass inzwischen auch Deutschland zum Zielspektrum des internationalen islamistischen Terrorismus zu rechnen ist. Dies belegen unter anderem die glücklicherweise fehlgeschlagenen Sprengstoffattentate auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn AG, die in den Bundesländern NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz unterwegs waren. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht informiert über die genannten Themen hinaus auch über andere Aspekte der Verfassungsschutzarbeit - wie zum Beispiel die Spionageabwehr oder den Geheimschutz - und er zeigt die Rechtsgrundlagen der Verfassungsschutzarbeit auf. Ich hoffe, dass der Bericht auch in diesem Jahr Ihr Interesse findet, dass Sie sich die Zeit nehmen, sich über die tatsächlichen Ziele und Absichten von Verfassungsfeinden zu informieren. Der sachsen-anhaltische Verfassungsschutz wird sich - wie schon seit seiner Gründung vor nunmehr 15 Jahren - auch in Zukunft den Herausforderungen stellen, die sich für unser Land durch Extremismus und Terrorismus ergeben. Für die im Jahr 2006 geleistete Arbeit gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzabteilung meines Hauses Dank und Anerkennung. Magdeburg, im Juli 2007 Holger Hövelmann Minister des Innern II I N H A LT S V E R Z E I C H N I S VORWORT I. ÜBERBLICK 1 II. RECHTSEXTREMISMUS 5 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN 5 Allgemeines 6 Strafund Gewalttaten 6 Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen 10 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 11 Veröffentlichung strafrechtlich relevanter Tonträger 13 Exekutivmaßnahmen gegen rechtsextremistische Musikgruppen 14 Rechtsextremistische Vertriebe 15 "Projekt Schulhof" 16 RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSENANHALT 17 Rechtsextremistische Szene im Raum Halle 17 Rechtsextremistische Szene im Raum Magdeburg 20 Rechtsextremistische Szene im Harz und im Harzvorland 24 Rechtsextremistische Szene in der Altmark 25 Rechtsextremistische Szene Bernburg-Köthen 26 Rechtsextremistische Szene im Raum BernburgStaßfurt 26 Rechtsextremistische Szene im Ohrekreis 27 Rechtsextremistische Szene im Bördekreis 27 Rechtsextremistische Szene im Jerichower Land 28 Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen 29 Rechtsextremistische Szene im Raum DessauWittenberg-Bitterfeld 29 III I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Überregionale Strukturen sachsen-anhaltischer Rechtsextremisten 30 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 31 Demonstrationen 31 Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen 32 Sonnenwendfeiern von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt 33 Aktivitäten zum "Heldengedenktag" (Volkstrauertag) 35 Aktivitäten von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt anlässlich der Geburtstage von HITLER und HESS 36 "Nationales Zentrum Mitteldeutschland" in Trebnitz (Landkreis Bernburg) 36 DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") 37 "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) 38 "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" 38 Rechtsextremistische Splittergruppen mit intellektuellem Anspruch 39 NUTZUNG NEUER MEDIEN DURCH RECHTSEXTREMISTEN 40 Neue Internet-Radioprojekte 40 Rechtsextremisten suchen neue Möglichkeiten zur Verbreitung indizierter und strafbarer Inhalte im Internet 41 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 42 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 42 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 47 "Deutsche Volksunion" (DVU) 51 "Exilregierung Deutsches Reich" 53 IV I N H A LT S V E R Z E I C H N I S III. LINKSEXTREMISMUS 55 AUTONOME 55 Allgemeines 55 Strafund Gewalttaten 55 Überblick 56 Entwicklungstendenzen und Selbstverständnis 56 Aktionsfelder der Autonomenszene in SachsenAnhalt 58 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 66 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) 67 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 68 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 70 LINKSEXTREMISTISCHE EINFLUSSNAHME AUF DIE ANTI-GLOBALISIERUNGSBEWEGUNG 72 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 75 Allgemeines 75 Islamistische/islamistisch-terroristische Bestrebungen 76 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 76 Strafund Gewalttaten 80 V. SPIONAGEABWEHR 81 Allgemeines 81 Nachrichtendienste der Russischen Föderation 83 Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten 85 Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas 85 Nachrichtendienste Chinas und Nordkoreas 86 Proliferation 87 Mitarbeit der Bevölkerung 88 V I N H A LT S V E R Z E I C H N I S VI. GEHEIMSCHUTZ 89 Allgemeines 89 Geheimschutz im Behördenbereich 89 Geheimschutz in der Wirtschaft 90 VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 91 Rechtliche Grundlagen 91 Aufgaben des Verfassungsschutzes 93 Keine polizeilichen Befugnisse 94 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit 95 Datenschutz 96 Auskunftserteilung 96 Kontrolle 97 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 98 VIII. ANHANG 99 - GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IM LAND SACHSEN-ANHALT (VerfSchG-LSA) 99 - STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK 118 - STICHWORTVERZEICHNIS 120 - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 129 VI ÜBERBLICK I. ÜBERBLICK Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt stieg 2006 erneut an. Diese Entwicklung ist insbesondere einer deutlichen Zunahme des gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrums geschuldet, das sich gegenüber dem Vorjahr um 150 Personen vergrößerte. Damit einhergehend stieg die Anzahl der Straftaten erneut über das Vorjahresniveau an. Eine vergleichbare Entwicklung gab es auch auf Bundesebene. Dieser Anstieg der Straftatenzahlen ist einerseits auf das personelle Anwachsen der subkulturellen Szene, andererseits auf eine erhöhte Sensibilität von Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden zurückzuführen. Deutlich zugenommen hat das Straftatenaufkommen an oder im Umfeld von Schulen, wobei das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen einen Schwerpunkt bildete. Trotz der engen Kooperation zwischen den Sicherheitsund Ordnungsbehörden, durch die rechtsextremistische Konzertveranstaltungen verhindert oder vorzeitig beendet werden konnten, stieg die Zahl der in Sachsen-Anhalt durchgeführten Konzerte wieder an. Im Berichtsjahr wurden 14 solcher Veranstaltungen durchgeführt (2005: 11). Die NPD baute ihr Konzept einer "Volksfront von Rechts" weiter aus. Neben dem "Deutschlandpakt", in dem die Zusammenarbeit mit der DVU bei Wahlen vereinbart wurde, forcierte die NPDFührung die weitere Einbeziehung des neonazistischen Lagers sowohl im Hinblick auf Aktivitäten als auch auf ihre programmatischen Äußerungen. Vor diesem Hintergrund gelang es der Partei erneut, ihre Mitgliederzahlen zu steigern. Bundesweit sind nun etwa 7.000 Rechtsextremisten in der NPD organisiert (2005: 6.000). In Sachsen-Anhalt ging der vergleichsweise geringe Anstieg der Mitgliederzahl auf 260 Personen (2005: 250) mit einem weiteren strukturellen Ausbau des Landesverbandes einher. 1 ÜBERBLICK Nachdem die NPD bereits 2004 in den sächsischen Landtag eingezogen war, verzeichnete sie im Berichtsjahr einen weiteren Wahlerfolg und ist nun auch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Die NPD sieht sich selbst nun in einer unangefochtenen "Führungsrolle im nationalen Parteienspektrum". Sie unternahm 2006 weitere Schritte, um sich als Kristallisationspunkt für die Intellektualisierung des rechtsextremistischen Lagers zu etablieren. Die NPD missbrauchte erneut öffentliche Veranstaltungen Dritter, um den eigenen verfassungsfeindlichen Weltanschauungen ein Podium zu verschaffen. Der im August 2005 gegründete Landesverband der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) baute seine Strukturen weiter aus. In Magdeburg, Bernburg, Staßfurt, Schönebeck, Wernigerode, Halle und Sangerhausen wurden "Stützpunkte" errichtet, die in aller Regel bei den regionalen neonazistischen Kameradschaften angesiedelt wurden. Der Mitgliederbestand beläuft sich auf etwa 50 Personen. Fast ausnahmslos entstammen die JNMitglieder der Neonaziszene. Die JN streben an, die regional agierenden rechtsextremistischen Szenen unter ihrem Dach zusammenzufassen, deren Aktivitäten im Sinne der JN zu koordinieren und so eine Dominanz über die rechtsextremistische Szene zu erlangen. Der Landesverband der bundesweit 8.500 (2005: 9.000) Personen zählenden "Deutschen Volksunion" (DVU) existiert so gut wie nicht mehr. Ihm werden nur noch etwa 50 Mitglieder zugerechnet, deren Aktivitäten sich fast ausschließlich auf den Besuch so genannter politischer Stammtische der Partei beschränken. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt errang die "Deutsche Volksunion" (DVU) drei Prozent der Stimmen und ist damit nicht im Landtag vertreten. Die übrigen rechtsextremistischen Parteien blieben in SachsenAnhalt weitgehend bedeutungslos. 2 ÜBERBLICK Die Gesamtzahl der Linksextremisten stieg in Sachsen-Anhalt im Berichtsjahr leicht an. Dies ist insbesondere auf eine Zunahme der Mitglieder und Anhänger der hier existierenden linksextremistischen Parteien und Organisationen zurückzuführen. Die Anzahl politisch motivierter Straftaten -linksstieg im Berichtsjahr um ein Drittel an. In geringem Umfang nahm auch der Anteil der entsprechend motivierten Gewalttaten zu, die sich größtenteils gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten richteten. Schwerpunktregionen der etwa 300 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt waren im Berichtszeitraum die Städte Magdeburg und Halle. Aktivitäten in der Harzregion nahmen zu. Von den linksextremistischen Parteien und Vereinigungen sind in Sachsen-Anhalt die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), deren Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) sowie die "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) mit eigenen Strukturen vertreten. Bei den sachsen-anhaltischen Landtagswahlen blieben linksextremistische Parteien und Wahlbündnisse trotz eines im Vergleich zu früheren Wahlen gesteigerten Aufwandes erfolglos. Die Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus stellte auch 2006 eine große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. Die Zahl der weltweiten Terroranschläge nahm stetig zu. Auch europäische Länder rücken zunehmend in den Fokus des islamistischen Terrorismus. Die Gewährleistung der Sicherheit erfordert eine intensive Zusammenarbeit aller in diesem Bereich tätigen Behörden. Mit der Einrichtung des "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) in Berlin und der Umsetzung verschiedener anderer Vorhaben - wie zum Beispiel der Errichtung 3 ÜBERBLICK einer gemeinsamen Antiterrordatei - wurden weitere Maßnahmen getroffen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Aktivitäten islamistischer Organisationen in Sachsen-Anhalt wurden nicht bekannt. Allerdings liegen der Verfassungsschutzbehörde Informationen über Einzelpersonen vor, die in Sachsen-Anhalt wohnen, aber strukturell in Aktivitäten extremistischer Gruppierungen in anderen Bundesländern oder im internationalen Raum eingebunden sind. Von den nichtislamistischen ausländerextremistischen Organisationen gingen Aktivitäten in erster Linie vom "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) aus. Während dieser mit Vereinen in Sachsen-Anhalt vertreten ist, wurden bislang keine festgefügten Strukturen anderer Organisationen festgestellt, wenngleich Aktivitäten einzelner Anhänger oder Sympathisanten bekannt sind. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein Schwerpunkt der Spionagetätigkeit der Nachrichtendienste zahlreicher fremder Staaten. Diese zielen darauf ab, Informationen aus den klassischen Schwerpunkten der Spionage wie Politik, Wirtschaft und Militär zu gewinnen oder den technologischen Abstand ihrer Länder zu den führenden Industrienationen zu verringern. Vor allem die Industrieund Wirtschaftsspionage richtete sich auch gegen sachsen-anhaltische Unternehmen und Forschungseinrichtungen. 4 RECHTSEXTREMISMUS II. RECHTSEXTREMISMUS Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt stieg im Berichtsjahr 2006 erneut an. Diese Entwicklung ist insbesondere einer deutlichen Zunahme des gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrums geschuldet, das sich gegenüber dem Vorjahr um 150 Personen vergrößerte. Der überwiegende Teil der parteigebundenen Rechtsextremisten ist in der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) organisiert. Die Mitglieder der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) sind fast ausschließlich der Neonaziszene zuzurechnen. Rechtsextremisten1 2005 2006 Parteien und Vereinigungen 440 4002 Neonazis 250 250 Gewaltbereite Rechtsextremisten 650 800 Sonstige Personenzusammenschlüsse 120 120 Gesamt: 1.4603 1.5704 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN Wie schon im Vorjahr werden den gewaltbereiten Rechtsextremisten bundesweit 10.400 Personen zugerechnet. In Sachsen-Anhalt nahm ihre Anzahl auf 800 Personen in 2006 zu. Der Anteil der rechtsextremistischen Skinheads ist innerhalb dieses Personenkreises rückläufig, was insbesondere über das äußere Erscheinungsbild Ausdruck findet. Bomberjacke, Springerstiefel und "Doc Martens"-Schuhe werden auch in Sachsen-Anhalt in der Skinheadszene - soweit es um ihre "Dresscodes" geht - von Stilelementen des jugendlichen Mainstreams verdrängt. Modische Klei- 1 Zahlen zum Teil geschätzt und gerundet. 2 NPD: 260; DVU: 50; REP: unter 50; DP: 30. 3 1.415 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften. 4 1.510 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften. 5 RECHTSEXTREMISMUS dung bestimmter Marken, Piercings und der Einfluss anderer subkultureller Strömungen, wie zum Beispiel der Hardcore-Szene, etablieren sich zunehmend auch im Rechtsextremismus. Allgemeines Aus der subkulturellen Szene stammt der weit überwiegende Teil derjenigen Rechtsextremisten, die politisch motivierte Straftaten begehen. Gleichwohl ist der Lebensstil dieser rechtsextremistischen Jugendszene eher auf das Ausleben individueller Bedürfnisse, als auf eine systematische politische Arbeit gerichtet. Ohne über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild zu verfügen, geben ihre Anhänger unreflektiert dumpfe rechtsextremistische Parolen wieder. Ihre cliquenähnlichen Personenzusammenschlüsse weisen, wenn überhaupt, nur einen losen Organisierungsgrad auf. Der Gruppenzusammenhalt ist nicht von einer hierarchischen Struktur bestimmt, sondern durch persönliche Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander. Den Mittelpunkt des Handelns bildet die gemeinsame Freizeitgestaltung, die sich auf die Teilnahme an rechtsextremistischen Szenezusammenkünften und Skinheadkonzerten erstreckt. Trotz eines kaum ausgeprägten politischen Bewusstseins stellt die subkulturelle Szene wegen ihrer großen Personenstärke für den organisierten Rechtsextremismus ein wichtiges Mobilisierungspotenzial dar. Im Gegenzug wird die Teilnahme an rechtsextremistischen Demonstrationen und Kundgebungen durch die subkulturelle Jugendszene als Ereignis von Erlebniswert, als "Event" betrachtet. Strafund Gewalttaten Das LKA Sachsen-Anhalt registrierte für das Jahr 2006 1.240 politisch motivierte Strafund Gewalttaten5 -rechts(2005: 1.130). Damit stieg die Anzahl der Straftaten erneut über das Vorjahresniveau an. Eine vergleichbare Entwicklung gab es auch auf Bundes- 5 Siehe Statistik Seite 118f. Für die Erfassung von Straftaten ist der Polizeibereich federführend zuständig. 6 RECHTSEXTREMISMUS ebene. Der Anstieg der Straftatenzahlen ist sowohl auf das personelle Anwachsen der subkulturellen Szene als auch auf eine erhöhte Sensibilität von Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden zurückzuführen. Dies drückt sich unter anderem in einem erhöhten Anzeigenaufkommen aus. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die hohe polizeiliche Präsenz und Kontrollintensität anlässlich der Fußball-WM 2006. Die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte -rechtsstieg auf 122 an (2005: 116). Regionale Gewaltschwerpunkte waren die Regionen Magdeburg und Dessau. Im Landesdurchschnitt wurden 5 Gewalttaten je 100.000 Einwohner verübt. Deutlich gestiegen ist das Straftatenaufkommen an oder im Umfeld von Schulen. Einen Schwerpunkt bildete hierbei das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die besondere Gefährlichkeit der subkulturellen Szene ergibt sich daraus, dass Jugendliche über die Zugehörigkeit zu diesem Milieu zunächst mit rechtsextremistischem Gedankengut in Berührung kommen und schließlich im falschen Verstehen von Gemeinschaft oder im Glauben an eine rassische Überlegenheit die Ausübung von Gewalt zumindest unbewusst als Lösung für ihre individuellen Probleme betrachten. Folgende Vorkommnisse sind exemplarisch zu nennen: Während eines Dorffestes in Strinum (Landkreis Anhalt-Zerbst) wurden am 9. Juni ein der Punkszene zuzurechnender Jugendlicher und dessen 15-jähriger Bruder von zwei 20und 25-jährigen Männern angegriffen. Einem Opfer wurde ein Zahn ausgeschlagen. Es trug zudem einen Nasenbeinanbruch davon. Das zweite Opfer erlitt Rippenprellungen und Gesichtsverletzungen. Dem vorausgegangen war eine verbale Auseinandersetzung mit dem Punker, der bereits im Jahr 2005 Opfer einer ähnlichen poli- 7 RECHTSEXTREMISMUS tisch motivierten Straftat geworden war.6 Über die Tatverdächtigen liegen hier keine weiteren Erkenntnisse vor. Am 8. Juli wurde in Kemberg (Landkreis Wittenberg) ein 22-jähriger Angehöriger der linksextremistischen Szene aus einer Gruppe von etwa 15 Personen der rechtsextremistischen Szene heraus getreten und geschlagen. Anschließend lief dieser Personenkreis durch ein Neubaugebiet in Kemberg und grölte verfassungswidrige Parolen. Nachdem sich die Gruppe mit Holzlatten bewaffnet hatte, zog sie zum örtlichen Jugendclub und suchte dort erfolglos nach dem genannten Geschädigten. Fünf Tatverdächtige wurden festgenommen. Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um ein Vorstandsmitglied des NPD-Kreisverbandes Wittenberg. Am 26. Juli riefen zwei bekannte Rechtsextremisten in Köthen vor einem Wohnheim für chinesische Gaststudenten das Wort "Judendreck" und sangen "Blut muss fließen, Knüppelhagel dick, wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik"7. Danach traten die Täter die Eingangstür ein. Bei der polizeilichen Vernehmung wurde als Tatmotiv eine ausländerfeindliche Gesinnung angegeben. Am 12. August schlugen zwei Rechtsextremisten in Eisleben (Landkreis Mansfelder Land) zwei Personen zusammen und riefen dabei "Wir werden euch vergasen... Judensau... Deutschland muss wieder weiß werden, was gibst du dich mit so einem Juden ab". Über einen Tatverdächtigen liegen hier bereits seit 2004 einschlägige Erkenntnisse, insbesondere zu fremdenfeindlichen Gewalttaten, vor. In Gerwisch (Landkreis Jerichower Land) fand am Abend des 21. Oktober eine Geburtstagsfeier mit etwa 30, vorrangig der linken Szene zugehörigen Personen statt. Zehn bis 15 Angehörige der 6 Am 30. Juli 2005 trug der Geschädigte bei einem Heimatfest in Zerbst ein T-Shirt mit der Aufschrift "Gegen Nazis". Daraufhin wurde er so zusammengeschlagen, dass er auf einem Auge erblindete. Der Tatverdächtige, ein bereits mehrfach vorbestrafter Gewalttäter, war zu acht Jahren Haft verurteilt worden. 7 Der Text des aus den 20er-Jahren stammenden, antisemitischen SA-Liedes, das heute von vielen rechtsextremistischen Skinbands gespielt wird (unter anderem von "Landser"), ruft zu Gewalttaten gegen Juden auf. 8 RECHTSEXTREMISMUS rechtsextremistischen Szene verschafften sich gewaltsam Zutritt zu den Räumlichkeiten, beschädigten das Mobiliar und verletzten drei Personen durch Flaschenwürfe und Faustschläge. Die Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden gehen konsequent gegen solche Aktivitäten vor, was sich nicht zuletzt in einer hohen Aufklärungsquote von Staatsschutzdelikten widerspiegelt. Auch im Berichtsjahr mussten sich rechtsextremistische Strafund Gewalttäter vor Gerichten Sachsen-Anhalts verantworten. Wegen eines brutalen Angriffs auf einen zwölfjährigen dunkelhäutigen Jungen am 9. Januar in Pömmelte (Landkreis Schönebeck) verurteilte das Schönebecker Amtsgericht am 22. Mai unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung den Hauptangeklagten zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie drei Mitangeklagte zu Jugendstrafen zwischen 19 und 24 Monaten, die in zunächst zwei Fällen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Das Urteil ist rechtskräftig. Das Amtsgericht Halberstadt verurteilte am 11. September einen Angehörigen der derzeit inaktiven Skinheadband "Skinheads Sachsen-Anhalt" (SSA) zu einer Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung. Gemeinsam mit anderen Rechtsextremisten hatte er sich am 16. August 2003 an dem Überfall auf den alternativen Jugendclub "ZORA" in Halberstadt beteiligt, bei dem eine Person schwer verletzt worden war. Bei Hausdurchsuchungen wurden rechtsextremistische Devotionalien und entsprechende Tonträger sichergestellt. Vier weitere Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen. Das Jugendschöffengericht Magdeburg verurteilte am 16. Mai einen rechtsextremistischen Gewalttäter zu 20 Monaten Haft. Dieser hatte am 15. Februar seinen Kampfhund auf einen aus Togo stammenden Mann gehetzt, den er zuvor beleidigt und misshandelt hatte. Am 26. September fand vor dem Landgericht Stendal die Hauptverhandlung gegen vier Rechtsextremisten statt, die am 3. März einen vermeintlichen Aussteiger brutal zusammengeschlagen hat- 9 RECHTSEXTREMISMUS ten.8 Der Hauptangeklagte erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren, die vier anderen wurden zu Jugendstrafen von ein bis zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen Nachfolgeaktivitäten der verbotenen "Blood & Honour"-Skinheads (B&H) Im Rahmen von mehreren Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Fortführung oder Unterstützung der verbotenen Vereinigung "B&H Deutschland"9 wurden am 7. März bundesweit Exekutivmaßnahmen in über 120 Objekten durchgeführt. Etwa 80 Personen werden beschuldigt, sich wegen des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach SS 85 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht zu haben. Sie sollen weiterhin in dem für B&H typischen Betätigungsfeld, der Organisation von Konzerten und dem Vertrieb von Propagandamitteln, aktiv gewesen sein. Bei den Beschuldigten handelt es sich vorwiegend um Funktionäre ehemaliger Sektionen und um neu hinzu gekommene Aktivisten der Vereinigung. Am 2. November wurden Durchsuchungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Fortführung von B&H-Aktivitäten in Görlitz (Sachsen) durchgeführt. Hier stellte die Polizei zahlreiche inkriminierte 8 Einem vermeintlichen Aussteiger der rechtsextremistischen Szene wurde zunächst vorgeworfen, sich mit Menschen schwarzer Hautfarbe "abzugeben", Drogen zu konsumieren und seine Gesinnungsgenossen an politische Gegner verraten zu haben. Er wurde daraufhin bis in seine Wohnung verfolgt, auf die Straße gezerrt und dort bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit misshandelt. Dem Opfer wurden ein Handy sowie diverse private Gegenstände gestohlen. Es erlitt einen offenen Schädelbasisbruch, Gehirnblutungen und eine Mittelgesichtsfraktur und wurde so erst am nächsten Morgen aufgefunden. 9 Der Bundesminister des Innern hatte am 12. September 2000 die rechtsextremistische Vereinigung B&H-Division Deutschland und ihre Jugendorganisation "White Youth" gemäß SS 3 Vereinsgesetz verboten. Das Verbot ist seit dem 13. Juni 2001 rechtskräftig. Seit dem Verbot wurden bundesweit zehn Ermittlungsverfahren eingeleitet. In acht Verfahren dauern die Ermittlungen noch an. B&H ist eine Skinheadbewegung mit historischem Ursprung in Großbritannien. Im Jahr 1987 schlossen sich mehrere bekannte rechtsextremistische Bands unter der Leitung von Ian Stuart DONALDSON zur Organisation B&H zusammen. Gemeinsamer Nenner war die Idee von der Überlegenheit der "weißen Rasse", die es "musikalisch zu stärken" galt. Die deutsche Division von B&H entstand Mitte der 90er-Jahre und bestand vor dem Vereinsverbot bundesweit aus einer Division mit 18 Sektionen in einer Gesamtstärke von etwa 200 Aktivisten. 10 RECHTSEXTREMISMUS CDs und Fahnen mit verbotenen Symbolen sicher. Der Inhaber des Ladengeschäfts hatte auch über das Internet Artikel mit B&H-Bezug verkauft. In Sachsen-Anhalt wurden keine B&H-Nachfolgeaktivitäten bekannt. Lediglich einzelne ehemalige Angehörige der verbotenen Vereinigung traten im Ausland - zumeist bei Konzerten - offen mit B&H-Symbolik auf und beteiligten sich in Sachsen-Anhalt an anderweitigen rechtsextremistischen Aktivitäten. "Hammerskinheads" (HS) Die in regionalen Chaptern organisierten, nationalsozialistisch und rassistisch geprägten Hammerskinheads sind seit Beginn der 1990er-Jahre bundesweit aktiv. Im Berichtsjahr traten Hammerskinheads nur sporadisch in Erscheinung. Dennoch finden Zusammenkünfte von Führungskräften auf Bundesund internationaler Ebene statt. An dem jährlich einberufenen "National Officers Meeting" (NOM), das ausschließlich mit geladenen Gästen stattfindet, nahmen auch Einzelpersonen aus Sachsen-Anhalt teil. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Der Besuch von rechtsextremistischen Konzerten stellt nach wie vor ein bestimmendes Element im Leben subkulturell geprägter Rechtsextremisten dar.10 Diesen Lebensstil nutzen sowohl rechtsextremistische Gruppierungen als auch rechtsextremistische Parteien wie zum Beispiel die NPD aus, um ihre Weltanschauung mit Hilfe der Musik zu verbreiten. Trotz der engen Kooperation zwischen den Sicherheitsund Ordnungsbehörden, durch die Konzertveranstaltungen verhindert oder vorzeitig beendet werden konnten, stieg die Zahl der in Sachsen-Anhalt durchgeführten Musikveranstaltungen an. Im Berichtsjahr wurden 14 einschlägige Konzerte durchgeführt (2005: 11). Diese Entwicklung ist auch darauf zurückzuführen, dass die rechtsextremistische Szene nach Wegen sucht, dem staatlichen Druck 10 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten bezeichnen sich selbst häufig immer noch als "Skinheads". 11 RECHTSEXTREMISMUS auszuweichen und ein Eingreifen der Sicherheitsbehörden zu erschweren. So wurde eine Reihe von Konzerten stark konspirativ vorbereitet, als private Feiern angemeldet oder auf Privatgrundstücken, deklariert als "geschlossene Veranstaltungen", durchgeführt. Konzertveranstaltungen mit rechtsextremistischen Szenebands veranlassen die Teilnehmer immer wieder zu strafbaren Handlungen wie zum Skandieren nationalsozialistischer Parolen, zum Entbieten des "Hitlergrußes" oder zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Beispielhaft ist hierfür eine Konzertveranstaltung am 6. Januar in Neugattersleben (Landkreis Bernburg), in deren Verlauf Lieder mit rassistischen und fremdenfeindlichen Inhalten sowie den historischen Nationalsozialismus glorifizierende Lieder vorgetragen wurden. Konzertbesucher zeigten zudem wiederholt den "Hitlergruß". Die nicht unerheblichen Einnahmen solcher Konzertveranstaltungen, die sich durch Eintrittsgelder und den Verkauf von einschlägigen Tonträgern, Bekleidungsstücken oder Devotionalien ergeben, fließen zumeist in die Taschen der Organisatoren. Diese bestreiten davon häufig ihren Lebensunterhalt. Ein Teil der Einnahmen fließt in weitere Konzerte, zum Beispiel zur Finanzierung der Auftritte von Bands. Aufgrund des Drucks der Ordnungsund Sicherheitsbehörden in Deutschland weichen die Organisatoren rechtsextremistischer Musikveranstaltungen häufig in benachbarte Staaten aus, in denen sich die Gesetzeslage aus ihrer Sicht günstiger gestaltet. Eine bedeutende Rolle spielen hierbei Belgien und Dänemark. Die Veranstaltungen finden innerhalb der rechtsextremistischen Szene regen Zuspruch und werden häufig in Zusammenarbeit mit den jeweiligen ausländischen "Blood&Honour"-Divisionen organisiert. 12 RECHTSEXTREMISMUS Szeneobjekt des Enrico MARX in Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) Auch im Jahr 2006 organisierte der bekannte Neonazi Enrico MARX in seinem Objekt rechtsextremistische Veranstaltungen, darunter wiederholt Musikveranstaltungen mit rechtsextremistischen Bands aus dem Inund Ausland, an denen zwischen 50 und 300 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. MARX bietet insbesondere der im Raum Sangerhausen ansässigen Szeneband "Hate Soldiers" ein Podium. Im Zuge polizeilicher Untersagungen oder Auflösungen derartiger Veranstaltungen, die immer auch der Flankierung durch zielgerichtete ordnungsrechtliche Maßnahmen der Kommunalbehörden bedürfen, wurden Devotionalien der rechtsextremistischen Szene sichergestellt, darunter zwei Fahnen mit verbotenen Emblemen und eine Hitlerbüste. Szeneband "Civil Disorder" Die im Raum Magdeburg ansässige Band "Civil Disorder" bestritt im Berichtsjahr im Inund Ausland zahlreiche Konzertauftritte. In kurzer Zeit erlangte sie innerhalb der rechtsextremistischen Szene einen gewissen Bekanntheitsgrad. Die Band trat zunächst gemeinsam mit anderen Gruppen des rechtsextremistischen Spektrums auf. Inzwischen hat sie sich zu einer der aktivsten Musikgruppen in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus entwickelt und wirkt als Magnet bei einschlägigen Veranstaltungen. In dem in Magdeburg (Nord) gelegenen Proberaum der Band fand am 20. Oktober unter Beteiligung von 100 Teilnehmern aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern ein Konzert mit "Civil Disorder" und weiteren Bands statt. Veröffentlichung strafrechtlich relevanter Tonträger Auch 2006 erschienen strafrechtlich relevante Tonträger deutscher rechtsextremistischer Bands. Dabei handelte es sich unter anderem 13 RECHTSEXTREMISMUS um CDs, die von in den USA ansässigen Vertrieben hergestellt wurden. Das auf ihnen verbreitete Liedgut schürt Hass gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe und Juden, greift demokratische Gesellschaftsformen an und glorifiziert Personen des NS-Regimes. Die Berliner Skinheadband "D.S.T.", die innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu den beliebtesten Gruppen gehört, veröffentlichte 2006 unter dem Pseudonym "X.x.X." eine volksverhetzende CD mit dem Titel "Die Antwort auf's System", die strafrechtlich relevante und jugendgefährdende Inhalte aufweist. So werden in den Liedern "Sein Vermächtnis" und "Ode an ..." Rudolf HESS und Adolf HITLER glorifiziert. In mehreren Textpassagen wird gegen "Linke" und Juden gehetzt. "D.S.T." zeichnet mit "Deutsches Volk erwache" und "Ave et victoria" bereits für weitere volksverhetzende Tonträger verantwortlich. Durch den US-amerikanischen Skinhead-Musikvertrieb "NSM 88 Records"11 wurde 2006 die CD "Keine Gnade" der deutschsprachigen Band "Mass Destruction" herausgegeben. Die schwer verständlichen Liedtexte enthalten in massiver Weise volksverhetzende, antisemitische Aussagen und knüpfen an Elemente nationalsozialistischer Ideologie an. In mehreren Texten wird der Hass gegen Juden geschürt und deren Tötung befürwortet. Das CD-Cover zeigt unter anderem Darstellungen von Leichenbergen. Im Booklet ist ein Hakenkreuz abgebildet. Exekutivmaßnahmen gegen rechtsextremistische Musikgruppen Verurteilung von Angehörigen der Band "Race War" Das Stuttgarter Landgericht verurteilte am 22. November vier Mitglieder der rechtsextremistischen Skinheadband "Race War" unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) 11 Das für die Produktion des Tonträgers verantwortliche Label gilt als Nachfolgeunternehmen des Anfang 2004 geschlossenen bedeutsamen US-amerikanischen Skinhead-Musikvertriebes "Panzerfaust Records". 14 RECHTSEXTREMISMUS und Volksverhetzung (SS 130 StGB) zu Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten auf Bewährung. Die vier Verurteilten hatten Mitte 2001 in Baden-Württemberg die Band "Race War" gegründet. Ihre selbstproduzierten Lieder im Stil der "Blood&Honour"und der "White Power-Bewegung" rufen zum Rassenhass auf, glorifizieren die Zeiten des Nationalsozialismus, stellen die Verfassung und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als Ergebnis einer "zionistischen Weltverschwörung" dar und rufen zum Kampf gegen die "zionistische Besatzungsregierung" und die bestehende Gesellschaftsordnung auf. Die Band spielte regelmäßig auf Konzerten, auch im benachbarten Ausland, vor bis zu 1.500 Teilnehmern, zum Teil unter der Flagge von "Blood&Honour". "Race War" ist nach der wohl überregional bekanntesten und aggressivsten deutschen Skinheadband "Landser" die zweite Skinheadband, deren Mitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden. Rechtsextremistische Vertriebe Für die Produktion und Verbreitung rechtsextremistischer Musik und Propagandamaterialien existiert inzwischen ein eigenes Vertriebsnetz. Rechtsextremisten können Tonträger, Textilien und sonstige Devotionalien mit rechtsextremistischem Bezug, die im allgemeinen Handel nicht erhältlich sind, aus in der Szene kursierenden Versandkatalogen oder über das Internet bestellen. Das Internet spielt dabei als Präsentationsund Kommunikationsmedium eine bedeutende Rolle, weil mit einem relativ geringen Aufwand und einem begrenzten Mitteleinsatz die regelmäßig aktualisierten Sortimente schnell einem umfangreichen Interessentenkreis zugänglich gemacht werden können. Daneben existieren Szeneläden, die zugleich beliebte Trefforte der regionalen Szene sind. Bei Konzerten und anderen Veranstaltungen bieten mobile Händler ihr Sortiment zum Kauf an. Strafrechtlich 15 RECHTSEXTREMISMUS relevante Tonträger werden dagegen vor allem weiterhin im Ausland, vorwiegend in den USA, produziert und auch von dort aus vertrieben. Im Berichtszeitraum haben in Sachsen-Anhalt sieben OnlineVertriebe ihr rechtsextremistisches Material über professionell gestaltete Webseiten zum Kauf angeboten. Zudem verkauften drei Vertriebe ihre Ware zusätzlich in angeschlossenen Ladengeschäften. Letztere dienten auch hier als Trefforte der regionalen Szene. Daneben traten Einzelhändler auf, die auch ohne Gewerbeanmeldung das entsprechende Sortiment am Rande von Skinheadkonzerten oder anderen rechtsextremistischen Veranstaltungen verkauften. "Projekt Schulhof" Das Amtsgericht Stendal hat mit Urteil vom 8. Februar 2006 Lutz WILLERT als Auftraggeber der 50.000 so genannten Schulhof-CDs "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" vom Vorwurf des Vorrätighaltens eines schwer jugendgefährdenden Trägermediums erstinstanzlich freigesprochen. Nach Auffassung des Schöffengerichts sind die Inhalte der CD zwar rechtsextremistisch, systemfeindlich und jugendgefährdend, jedoch nicht offensichtlich schwer jugendgefährdend. Die Staatsanwaltschaft Halle hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Damit hat der allgemeine bundesweite Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Halle vom 4. August 2004 vorerst weiterhin Bestand. Das Oberlandesgericht Naumburg hat der Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben. Damit wird der Prozess um den Vertrieb der Schulhof-CD erneut vor dem Amtsgericht in Stendal verhandelt werden. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat eine rechtsextreme Internetseite, die in Schweden angemeldet und registriert wurde, auf Antrag des Landesjugendrings Brandenburg indiziert. Auf dieser Internetseite wird für die Verbreitung der so genannten Schulhof-CD geworben. Zudem werden kriegsund ge16 RECHTSEXTREMISMUS waltverherrlichende Musikstücke zum Herunterladen angeboten. Mit der Indizierung wird Kindern und Jugendlichen der Zugang zu dieser Internetseite zumindest deutlich erschwert. RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSEN-ANHALT Rechtsextremistische Szene im Raum Halle Seit Jahren existiert in Halle ein großes rechtsextremistisches Personenpotenzial, das etwa 80 bis 100 Personen umfasst und unter wechselnden Gruppenbezeichnungen agiert. Bereits in den vergangenen zwei bis drei Jahren kam es innerhalb der örtlichen Szene in Halle zu Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Organisierung von Veranstaltungen. Dies führte zur Entstehung einzelner kleiner Splittergruppen. Seit Januar agieren vor allem zwei rechtsextremistische Gruppierungen in Halle. Zum einen sind das die "Nationalen Sozialisten Halle" unter der Führung von Matthias BADY und zum anderen die so genannten "Freien Kräfte Halle", hervorgegangen aus der ehemaligen "Weißen Offensive Halle" (WOH)12. Die Spaltung der Halleschen Szene führte zumindest vorübergehend und regional zu einer Einschränkung der politischen Aktionsfähigkeit. So ist es bedeutend schwieriger geworden, eine gemeinsame ideologische Ausrichtung vorzunehmen oder Kampagnen festzulegen. "Nationale Sozialisten Halle" ("JN-Stützpunkt Halle/Saale") Seit Ende März trifft sich der Personenkreis der "Nationalen Sozialisten Halle" regelmäßig in einem neuen Objekt, das szeneintern als "Braunes Haus" bezeichnet wird. Dort werden Aktivitäten geplant und koordiniert. Die Gruppe umfasst etwa 25 bis 30 Personen. 12 Bei der "WOH" handelte es sich um einen gewaltbereiten Personenzusammenschluss. Dieser war im Zeitraum 1999 bis Ende 2000 in Halle aktiv. In der Öffentlichkeit traten die Angehörigen einheitlich in roten "Bomberjacken" mit Gruppenbezeichnung auf. Die WOH wurde vor allem durch Unterstützungsaktionen für die NPD bekannt. 17 RECHTSEXTREMISMUS Im Sommer 2006 wurden die Pläne zur Gründung eines JN-Stützpunktes vorangetrieben. Der Landesvorsitzende der JN SachsenAnhalt, Philipp VALENTA (Bernburg), bereitete in Zusammenarbeit mit BADY die JN-Stützpunktgründung in Halle vor. Seit Mitte November tritt der Personenkreis um BADY unter der Bezeichnung "Junge Nationaldemokraten Halle/Saale" (JN Halle/ Saale) in der Öffentlichkeit auf. Mit der JN-Stützpunktgründung soll vor allem die Zugehörigkeit zur NPD bekundet werden. Ziel dieser Maßnahme ist es, ein etwaiges Verbot des Personenzusammenschlusses zu umgehen. "Freie Kräfte Halle" Der rechtsextremistische Personenzusammenschluss setzt sich in erster Linie aus Angehörigen der vormaligen WOH zusammen. Ziel der Schaffung der neuen Struktur war es vor allem, das Negativimage der WOH abzulegen. Zur neuen Gruppe zählen etwa 10 bis 15 Personen. Neuerliche Friktionen führten letztendlich dazu, dass sich die "Freien Kräfte" Ende April wiederum in zwei Gruppen spalteten. Ein Flügel schloss sich dem Personenkreis um BADY und damit teils den JN an, der andere ging größtenteils im NPDKreisverband auf. Trotz der genannten strukturellen Veränderungen trafen sich Rechtsextremisten der einzelnen Gruppierungen am 4. Februar zu einer Spontandemonstration in Halle. Hintergrund war ein vom "Antifaschistischen Jugendbündnis Halle" angemeldeter Aufzug mit Zwischenkundgebungen zum Thema "Die Vernichtung des Faschismus mit all seinen Wurzeln ist unsere Losung! Eine Welt des Friedens und der Freiheit unser Ziel!". An der rechtsextremistischen Demonstration beteiligten sich insgesamt etwa 60 Personen aus dem Raum Halle-Merseburg-Leipzig. BADY selbst widmete sich im Berichtsjahr vor allem der Öffentlichkeitsarbeit. So rief er zu zahlreichen Plakatierungsaktionen hinsichtlich sozialpolitischer Themen auf. 18 RECHTSEXTREMISMUS Unter dem Motto "Für Arbeit und Zukunft, damals wie heute!" meldete BADY bei der zuständigen Ordnungsbehörde für den 17. Juni eine Demonstration des "Nationalen Widerstandes" in Halle an. Am 13. Juni sprach die Polizeidirektion ein Verbot der Veranstaltung aus. Es wurden keine Rechtsmittel eingelegt. Auch zum "Sachsen-Anhalt-Tag 2006", der im Juli in Halle stattfand, versuchte BADY mit seinem Personenkreis öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten. Die Gruppe demonstrierte mit Eselsmasken und Schildern mit der Aufschrift "Ich Esel glaube an soziale Gerechtigkeit in der BRD" und "Ich Esel glaube immer noch an die Wahlversprechen". Auch im Rahmen des in Halle alljährlich stattfindenden Laternenfestes (im Berichtsjahr vom 25. bis 27. August) traten die "Nationalen Sozialisten" in Erscheinung. Unter anderem wurden Aufkleber mit "Anti-Israel"-Bezug geklebt und Flugblätter zum Thema "Zukunft statt Globalisierung" verteilt. Neonazistische Publizistik Seit Jahren erscheinen in Halle sowohl im Internet als auch in Papierform immer wieder Eigenpublikationen, die die Szeneangehörigen über Aktionen in ihrem Umfeld, anstehende Termine und Kontaktmöglichkeiten informieren und der Vernetzung der Kameradschaftsszene dienen. Neben dem "Nationalen Beobachter Halle/ Merseburg" erscheint inzwischen eine zweite Informationsschrift unter der Bezeichnung "Nationales Infoblatt Oberbergischer Kreis/ Halle/Saale". Nach über einem Jahr erschien im Berichtszeitraum erstmals wieder eine Printausgabe des "Nationalen Beobachters - Informationsblatt für die Region Halle/Merseburg" (NB). Im Vorwort hieß es, der NB werde in unregelmäßigen Abständen erscheinen. Man sei bemüht, wenigstens alle zwei Monate eine neue Ausgabe zu veröffentlichen. 19 RECHTSEXTREMISMUS Das Gros der Informationen der rechtsextremistischen Szene wird inzwischen über das Internet transportiert. So wurde unter dem Aliasnamen "Maskierter Muchacho" ein Beitrag zum Geburtstag Adolf HITLERs (20. April) veröffentlicht. Unter dem Titel "Bei andern gelesen - Die Gedanken sind frei" wird das "Verdienst" HITLERs gewürdigt. Weiter heißt es: "Doch nur Geduld, läuft die gegenwärtige Wirtschaftsund Sozialpolitik so weiter wie bisher, so wird es nicht mehr lange dauern, bis selbst solche Leute, von denen man es heute noch gar nicht glauben mag, zu sagen beginnen: 'Laßt IHN sein, wie ER gewesen ist, aber er war UNSER Hitler.'..., das ist er heute, um es morgen bis in alle Ewigkeit zu bleiben: UNSER HITLER." Seit der JN-Stützpunktgründung in Halle wurde die Internetplattform wieder regelmäßig gepflegt. Die Beiträge enthalten klare Bekenntnisse zur JN. Ziel dürfte es sein, für die Öffentlichkeit und insbesondere für die Sicherheitsbehörden darzustellen, dass eine rechtsextremistische Kameradschaftsszene in Halle nicht mehr existiert, und dass man stattdessen in der Jugendorganisation der NPD und damit in einer 'legalen' Partei aktiv sei. Neben mehreren Printausgaben der Publikation "Freie Kräfte Oberbergischer Kreis/Halle/Saale"13 wurde im Berichtsjahr eine dazugehörige Homepage eingerichtet, die teilweise über die Online-Inhalte hinausgeht. Rechtsextremistische Szene im Raum Magdeburg Der teilweise neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Szene in Magdeburg werden etwa 40 Personen zugerechnet, die wahlweise unter den Bezeichnungen "Freie Nationalisten Magdeburg" oder "Nationale Sozialisten Magdeburg" öffentlich in Erschei13 Die Kameradschaft "Oberbergischer Kreis" wurde von einem ehemaligen Angehörigen der rechtsextremistischen Szene Halle als Partnerkameradschaft der ehemaligen "Weißen Offensive Halle" (WOH) im Raum Köln Anfang 2006 gegründet. 20 RECHTSEXTREMISMUS nung treten. Unverändert nutzt dieser Personenkreis den Szenetreffpunkt "Club S 26" in Magdeburg-Nord für politische Aktivitäten. Eine von der örtlichen Szene betriebene Internetseite enthält im Wesentlichen Beschreibungen von Szeneveranstaltungen, Terminbekanntmachungen und Stellungnahmen zum politischen Tagesgeschehen. Zum Ende des Jahres wurde eine deutliche Verstärkung der von diesem Personenkreis ausgehenden politischen Aktivitäten festgestellt. Hauptgrund hierfür war die Gründung eines örtlichen JN-Stützpunkts im Oktober, über den nun das rechtsextremistische Potenzial aus JN, NPD und "Freien Nationalisten Magdeburg" gebündelt wird. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Wie bereits in den Vorjahren gedachten Rechtsextremisten in Magdeburg der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Unter dem Motto "Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht"14 versammelten sich am 14. Januar etwa 450 Szeneangehörige aus mehreren Bundesländern, die dem Aufruf einer "Initiative gegen das Vergessen" gefolgt waren, auf dem Westfriedhof der Landeshauptstadt. Im Rahmen des Magdeburger Stadtfestes am 4. Juni hielten drei Angehörige der rechtsextremistischen Szene eine nicht angemeldete Versammlung ab. Wie bei einer ähnlichen Aktion der rechtsextremistischen Szene aus Halle im Juli trugen die Personen dabei Eselsmasken und zeigten Plakate, deren Inhalte sich unter anderem gegen die Globalisierung und eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland richteten. Weiterhin wurde in diesem Zusammenhang auf die von Rechtsextremisten initiierte bundesweite "Anti14 Nationalsozialistische Durchhalteparole, die im Zweiten Weltkrieg unter anderem an ausgebombten Wohnhäusern deutscher Großstädte angebracht wurde. 21 RECHTSEXTREMISMUS Kapitalismus-Kampagne" (antikap)15 verwiesen. Die Veranstaltung wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz von der Polizei aufgelöst. Nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon beteiligten sich Magdeburger Szeneangehörige im Juli und August mehrmals an vom JN-Landesverband organisierten Mahnwachen in der Stadt, die unter dem Motto "Rote Karte für Israel - Raus aus dem Libanon" standen. Im Zuge des Magdeburger Rathausfestes am 3. Oktober protestierten Angehörige der JN und "Freie Nationalisten" im Zuge der "Antikap-Kampagne" gegen die Globalisierung. Am 14. Dezember fand in der Magdeburger Staatskanzlei im Rahmen der Kampagne "Hingucken! - Für ein demokratisches und tolerantes Sachsen-Anhalt" ein Benefizkonzert gegen Rechtsextremismus statt. Unter die Besucher mischten sich auch sieben Angehörige der rechtsextremistischen Szene, darunter ein NPD-Mitglied. Im Verlauf des Konzertes versuchte ein Rechtsextremist, auf der Bühne ein Transparent mit der Aufschrift "Wir lassen uns nicht kriminalisieren" zu entrollen. Weitere Personen lärmten im hinteren Teil des Veranstaltungssaales und warfen Flugblätter mit dem Logo der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) unter die Zuschauer. Im Rahmen einer vom NPD-Landesverband angemeldeten Demonstration vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt protestierten am 15. Dezember etwa 30 Personen unter dem Motto "Wir lassen uns nicht kriminalisieren". Nach Eigenangaben handelt es sich um "Aktivisten der NPD, der JN und [um] unabhängige Nationalisten". Hin15 Die "soziale Frage" ist seit Mitte der 1990er-Jahre ein wichtiges rechtsextremistisches Agitationsfeld. Die Wahlerfolge von Rechtsextremisten in Sachsen und Brandenburg wurzelten nicht zuletzt in der Anti-Hartz-Propaganda. Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) haben jüngst die "Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus" zum "Hauptbetätigungsfeld einer revolutionären Jugendorganisation" erklärt. Die jetzt gestartete Kampagne eröffnet die Möglichkeit einer gemeinsamen, organisationsübergreifenden Plattform für die bisher unkoordinierte und eher anlassbezogene Agitation. Zur Unterstützung der Kampagne wurde eine eigene Homepage unter "www.antikap.de" eingerichtet. Domaininhaber dieser Seite ist Ralf WOHLLEBEN, ein bekannter NPD-Funktionär aus Thüringen, der innerhalb der genannten Kampagne die Federführung innehat. 22 RECHTSEXTREMISMUS tergrund der Veranstaltung sei die "ungerechtfertigte Behandlung von Nationalisten in Presse und Politik" gewesen. Angehörige der Magdeburger rechtsextremistischen Szene traten im Berichtsjahr insgesamt betrachtet deutlich offensiver und aggressiver auf als in den Vorjahren. Rechtsextremistische Szene im Raum Schönebeck Rechtsextremisten im Raum Schönebeck firmieren unter der Bezeichnung "Freie Nationalisten Schönebeck". Von ihnen wird eine regelmäßig aktualisierte Internetseite betrieben. Auf ihr nehmen verschiedene "Autoren" zum politischen Geschehen Stellung. Im Jahr 2006 erhielt die Szene Zulauf durch jüngere Personen. Diese Gruppe, die etwa zehn Personen umfasst, bezeichnet sich seit der Gründung eines örtlichen JN-Stützpunktes im März als "Junge Nationaldemokraten Schönebeck". Eigenem Bekunden zufolge soll "bürgerliche Arbeit ... beständiger werden. Wir wollen noch mehr vor Ort präsent sein und unseren revolutionären und rebellierenden Geist durch eine Jugendorganisation vermitteln." Die JN-Gruppe kann den "Freien Nationalisten Schönebeck" gleichwohl zugerechnet werden. Das gesamte rechtsextremistische Spektrum im Raum Schönebeck umfasst nun etwa 25 Personen. Es bestehen enge Verbindungen zur Magdeburger rechtsextremistischen Szene. Mit Bezug zur Gründung des JN-Stützpunktes Magdeburg heißt es auf der Internetseite des JN-Stützpunkts Schönebeck: "In diesem Zuge unterschrieben die JN Magdeburg und die JN Schönebeck eine Vereinbarung zur intensiveren Zusammenarbeit und verstärkter Kameradschaft, um vehement die politisch-gesellschaftliche Neuorientierung Sachsen-Anhalts voran zu treiben. Der Kampf um und auf der 23 RECHTSEXTREMISMUS Straße ist zu gleichen Gewichten anzusetzen, wie der Kampf um die Parlamente." Die "Freien Nationalisten" führten nach eigenen Angaben am 8. Mai in der Umgebung von Schönebeck an mehreren Soldatengräbern kleinere Gedenkveranstaltungen durch und nahmen am 23. Juni an einer Sonnenwendfeier im Raum Staßfurt teil. Zudem beteiligten sie sich an Mahnwachen und Demonstrationen in Bernburg, Schönebeck und Magdeburg. Rechtsextremistische Szene im Harz und im Harzvorland Im Gebiet der Landkreise Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode agieren etwa 50 Rechtsextremisten. In Wernigerode existiert eine gefestigte Gruppenstruktur. Nach Auflösung der "Wernigeröder Aktionsfront" (WAF) wurde Ende 2005 auf der Internetseite des "Nationalen Beobachters Wernigerode" die Gründung des landesweit ersten JN-Stützpunktes in Wernigerode bekannt gegeben. Bei der Vorbereitung und Durchführung von gemeinsamen Veranstaltungen ist offensichtlich, dass die Vertreter der NPD und der JN die politische Ausrichtung der angesprochenen Szene bestimmen. Insgesamt ist auch in Bezug auf die Harzkreise eine stärker werdende "Verschmelzung" von "Freien Nationalisten", NPD und JN festzustellen. Auch hier unterscheiden sich die politischen Zielsetzungen kaum noch. Berichtszeitraumbezogene Aktivitäten Rechtsextremisten aus dem Harz und dem Harzvorland nahmen an Szeneveranstaltungen wie Demonstrationen und Mahnwachen in Dresden, Halberstadt, Hoyerswerda, Magdeburg, Schönebeck und Wernigerode teil. 24 RECHTSEXTREMISMUS Nach ihrer Rückkehr von einer Demonstration am 25. Februar in Schönebeck störten Vertreter des JN-Stützpunkts Wernigerode im Rathaus der Stadt eine Podiumsdiskussion mit der Bundesvorsitzenden der Grünen zum Thema Rechtsextremismus. Die zehn Personen wurden des Saales verwiesen. Am 10. Mai gedachten Rechtsextremisten aus Wernigerode an einem Grabstein in der Nähe von Blankenburg im Zweiten Weltkrieg gefallener Wehrmachtssoldaten. Als Veranstaltungsdatum wurde bewusst der Jahrestag des so genannten "Friedensfluges" von Rudolf HESS nach Großbritannien (1941) gewählt. Rechtsextremistische Szene in der Altmark In der Region agieren 80 bis 90 Rechtsextremisten, deren Führungskader Neonazis sind. In den Bereichen Gardelegen, Klötze und Salzwedel existiert eine lose strukturierte Szene, die sich selbst als "Freie Nationalisten Altmark-West" bezeichnet. In der östlichen Altmarkregion sind derartige Personenzusammenschlüsse der rechtsextremistischen Szene nicht bekannt. Angehörige der rechtsextremistischen Szene beteiligten sich an Demonstrationen in Magdeburg, Halberstadt und Salzwedel sowie in Halbe (Brandenburg) und Hoyerswerda (Sachsen). Auch die "Freien Nationalisten Altmark-West" verfügen über einen eigenen Internetauftritt. Im Unterschied zu anderen Regionen Sachsen-Anhalts ist in der Altmark bislang keine Intention zu einer Zusammenarbeit von "Freien Nationalisten" und JN festzustellen. Im Rahmen der von Rechtsextremisten bundesweit betriebenen "Antikap-Kampagne" demonstrierten ortsansässige Szeneangehörige am 7. Oktober auf einem Verkaufsmarkt in der Stadt gegen weltweite Globalisierungsbestrebungen und verteilten Flugblätter. 25 RECHTSEXTREMISMUS Am 27. Oktober protestierten zur selben Thematik etwa 15 Rechtsextremisten auf dem Martini-Markt in Klötze. Die Veranstaltung verlief ohne besondere Vorkommnisse. Rechtsextremistische Szene Bernburg-Köthen In der Region Köthen wurde ein weitgehend strukturloser Personenzusammenschluss bekannt, der gemeinschaftlich handelnd rechtsextremistisch motivierte Straftaten begeht. Daneben sind in der Region auch "Freie Nationalisten" aktiv, die an Szeneveranstaltungen teilnehmen, aber im Berichtsjahr kaum eigene Aktivitäten entfalteten. Rechtsextremistische Szene im Raum Bernburg-Staßfurt Auf der Internetseite des JN-Stützpunkts Bernburg-Staßfurt heißt es in einem "Jahresrückblick" zum Selbstverständnis des Personenzusammenschlusses unter anderem: "...Wir, die JN-Staßfurt, sahen uns von anfang als eine Art revolutionärer Flügel unserer Mutterpartei. Wir versuchten in unserem ersten Jahr den harten politischen Kern unserer Jugendbewegung in Staßfurt zu bilden...Doch recht schnell erkannten wir, dass im parteiunabhängigen Spektrum der Kampf um die Freiheit recht unübersichtlich und recht schwer ist, so entschlossen wir uns einen Stützpunkt zu organisieren...Die JN-Staßfurt wurde fester Bestandteil einer bundesweit agierenden Ideengemeinschaft...Nun stehen hier mehr als 10 Jugendliche, welche dem Kapital und System im Weg stehen wollen." Rechtsextremisten aus dem Raum Bernburg-Staßfurt nahmen an Szeneveranstaltungen in Bernburg und Schönebeck teil. 26 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Szene im Ohrekreis Im Ohrekreis existieren keine organisierten rechtsextremistischen Personenzusammenschlüsse. Es zeigte sich jedoch, dass zu einzelnen Anlässen zwischen 20 und 30 Szeneangehörige mobilisiert wurden. Ab dem 10. Juli (letztmalig am 2. Oktober) fanden in Haldensleben in zweiwöchentlichen Abständen so genannte "Montagsdemonstrationen" statt, die sich gegen den Sozialabbau und gegen Rechtsextremismus richteten. An diesen Veranstaltungen beteiligten sich auch bis zu 60 Rechtsextremisten aus dem Jerichower Land und dem Ohrekreis. Mehrmals kam es im Rahmen dieser Veranstaltungen zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten. Gewalttätigkeiten wurden von der Polizei unterbunden. Ausschlaggebend für eine Beteiligung von Rechtsextremisten an solchen Veranstaltungen war gerade deren Anti-Rechtsextremismuscharakter. Eine weitergehende Zusammenarbeit der rechtsextremistischen Szenen der genannten Landkreise konnte bislang nicht festgestellt werden. Auf der Internetseite der "Freien Nationalisten Altmark-West" erschien im Mai ein Artikel, der mit "Freie Kräfte Ohrekreis" unterzeichnet war. In dem Schreiben berichten der oder die Verfasser über ein Totengedenken auf einem Friedhof in Samswegen (Ohrekreis). Die Veranstaltung dürfte in Verbindung mit dem von Rechtsextremisten so bezeichneten "Tag der Ehre" (8. Mai) gestanden haben. Rechtsextremistische Szene im Bördekreis Eine "Kameradschaft Magdeburger Börde" wurde der Verfassungsschutzbehörde lediglich durch eine von ihr betriebene Internetpräsenz bekannt. In einer Erklärung heißt es dort, die Kameradschaft sei am 1. Januar gegründet worden und setzte sich "aus einem ausgewählten 27 RECHTSEXTREMISMUS Kreis national gesinnter Jugendlicher der Magdeburger Börde zusammen". Durch Beteiligung an Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen des nationalen Widerstandes wolle man versuchen, "Deutschland aktiv mitzugestalten". Aktivitäten der Kameradschaft wurden nicht bekannt. Rechtsextremistische Szene im Jerichower Land Aktivitäten von Rechtsextremisten im Jerichower Land haben deutlich zugenommen. Obwohl von einer hierarchisch organisierten Szenestruktur nicht gesprochen werden kann, zeigte sich, dass kurzfristig bis zu 40 Szeneangehörige mobilisiert werden können. Erkenntnisse zu Gruppenbezeichnungen liegen nicht vor. Die Szene neigt nach wie vor zur Anwendung von Gewalt, insbesondere gegen politisch Andersdenkende. Im Juli wurde der Mietvertrag für ein Wohnobjekt in Gerwisch, das von rechtsextremistischen Personen als Treffpunkt genutzt wurde, von der Gemeinde gekündigt. In Grabow wurde ein Privatgrundstück bekannt, auf dem sich zu Anfang des Jahres mehrmals Rechtsextremisten versammelt hatten. Am 25. August verteilten in Drewitz (Landkreis Jerichower Land) unbekannte Personen Postwurfsendungen einer Initiative "Zukunft statt Globalisierung". Unter der Überschrift "Deutschlandweite Antikapitalismuskampagne" heißt es, das Ziel der Initiative sei "eine Wiederbelebung des deutschen Nationalstaates mit einer an Volk und Raum orientierten Wirtschaft". Am 10. September fand auf einem Friedhof in Burg eine Kranzniederlegung statt. An ihr wollten auch Rechtsextremisten teilnehmen, gegen die jedoch Platzverweise ausgesprochen wurden. Daraufhin versammelten sich 15 Personen der rechtsextremistischen Szene zu einer Spontandemonstration unter dem Motto "Gegen Faschismus und Intoleranz" in der Burger Innenstadt. 28 RECHTSEXTREMISMUS Nach Abschluss einer Demonstration gegen die Sozialreformen am 2. Oktober in Haldensleben fuhren rund 20 Rechtsextremisten aus Burg und Umgebung nach Burg und veranstalteten dort einen Aufzug. Dabei wurde ein Transparent mit der Aufschrift "100 Millionen Tote durch Kommunismus, sie werden nie vergessen sein" gezeigt. Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen "Ostara-Skinheads" (Sangerhausen) Das Wohnobjekt des bekannten Neonazis Enrico MARX in Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) wird seit Ende März auch als JN-Stützpunkt genutzt, dessen Leiter MARX ist. Wie bisher üblich, fanden dort auch im Berichtsjahr regelmäßige Zusammenkünfte mit Partycharakter statt.16 MARX ist auch Anführer der seit Jahren bestehenden Kameradschaft "Ostara-Skinheads", der bis zu 40 Rechtsextremisten zugerechnet werden. Zur Förderung des Gruppenzusammenhalts wurden einige wenige Veranstaltungen durchgeführt. So organisierte MARX für seine Kameradschaft am 16. April eine Feier zu Ehren der Frühlingsgöttin "Ostara". Vom 19. bis 21. Mai wurde das jährliche "Ostaralager" in Thüringen abgehalten. Rechtsextremistische Szene im Raum Dessau-WittenbergBitterfeld Die rechtsextremistische Szene der Region ist insbesondere durch die Aktivitäten der "Kameradschaft Landkreis Wittenberg" gekennzeichnet. Dem rechtsextremistischen Personenzusammenschluss gehören etwa 20 Personen an. 16 Siehe auch Seite 13. 29 RECHTSEXTREMISMUS Deren Angehörige tragen einheitliche schwarze T-Shirts mit der Gruppenbezeichnung und den so genannten "14 words": "We must secure the existence of our Race and a future for white children"17. Über die Kameradschaft hinaus sind in der Region die "Freien Nationalisten Dessau" präsent. Die etwa 20 Personen der Gruppe waren als solche jedoch nur in geringem Umfang aktiv. Angehörige der "Kameradschaft Landkreis Wittenberg" sowie der "Freien Nationalisten Dessau" wurden als Teilnehmer einer Demonstration der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" (JLO) am 11. Februar in Dresden festgestellt. Die Gruppenangehörigen trugen dort Transparente wie: "Wir gedenken den Opfern des alliierten Bombenholocaust". Des Weiteren nahmen Personen der "Freien Nationalisten Dessau" an einer von den JN durchgeführten Demonstration am 25. Februar in Schönebeck teil. Dessauer Rechtsextremisten traten darüber hinaus am 19. August durch die Verbreitung von Propagandamaterial mit Bezug zu Rudolf HESS in Erscheinung. Überregionale Strukturen sachsen-anhaltischer Rechtsextremisten "SelbstSchutz-Sachsen-Anhalt" Der "SelbstSchutz Sachsen-Anhalt" ist seit 1997 amtsbekannt. Er setzt sich aus rechtsextremistischen Skinheads und Angehörigen von Kameradschaften Sachsen-Anhalts zusammen und fungiert als Ordnerdienst für Demonstrationen im Inund Ausland sowie für andere rechtsextremistische Veranstaltungen wie beispielsweise Skinheadkonzerte. Dem Personenzusammenschluss unter der Führung von Mirko APPELT aus Salzwedel gehören etwa 30 Personen an, wobei APPELT in der Lage ist, anlassbezogen bis zu 50 weitere 17 Wir müssen den Fortbestand unserer Rasse und eine Zukunft für weiße Kinder sicherstellen. "Die Kameradschaft Wittenberg" besteht eigenen Angaben zufolge seit 2004. Es existiert eine Internetpräsentation unter dem Namen "Nationale Front Wittenberg". 30 RECHTSEXTREMISMUS Personen als Ordner zu rekrutieren. Der "SelbstSchutz" ist in einzelne Ortsgruppen gegliedert und nach dem Führerprinzip organisiert. Seit dem zweiten Quartal 2006 treten Mitglieder der Personengruppe um BADY aus Halle bei Aktivitäten des "SelbstSchutz SachsenAnhalt" in Erscheinung. Im Berichtsjahr wurden mehrere regionale und überregionale Einsätze der Gruppe bekannt. So stellte der "SelbstSchutz" wie in jedem Jahr den Ordnerdienst für die Demonstration anlässlich des Jahrestages der Zerstörung Magdeburgs am 14. Januar. Am 28. Oktober fand in Bitterfeld eine NPD-Demonstration statt. Eigenangaben zufolge wurde die Demonstration von Mitgliedern des "SelbstSchutz" abgesichert. Die Ordner trugen einheitliche T-Shirts mit entsprechender Aufschrift. Durch die vor Ort anwesenden Polizeikräfte wurde den Mitgliedern des "SelbstSchutz" die Teilnahme an der Demonstration zunächst verwehrt, da die einheitlichen T- Shirts als Verstoß gegen das Uniformverbot gewertet wurden. Schließlich wurde die Auflage erteilt, die T-Shirts abzulegen oder verdeckt zu tragen. ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN Demonstrationen Am 11. März beteiligten sich in Halbe (Brandenburg) etwa 800 Personen an einem rechtsextremistischen "Trauermarsch" unter dem Motto "Die Vergangenheit strömt in hundert Wellen in uns fort". Unter ihnen befanden sich etwa 100 Rechtsextremisten aus SachsenAnhalt.18 18 In Halbe befindet sich eine der größten Kriegsgräberstätten Deutschlands. Seit 1990 führten Rechtsextremisten dort mehrfach als "Heldengedenken" bezeichnete Veranstaltungen durch. 31 RECHTSEXTREMISMUS Die alljährliche rechtsextremistische Maikundgebung in Leipzig wurde im Berichtsjahr als Sternmarsch durchgeführt. Dazu hatten im Vorfeld Christian WORCH (Hamburg) und Steffen HUPKA (Timmenrode, Landkreis Wernigerode) jeweils eine Veranstaltung angemeldet. Während die Teilnehmer des Marsches von WORCH (400 Personen) eine gewisse Strecke im Stadtgebiet zurücklegen konnten, ehe sie von gewalttätigen linksextremistischen Gegendemonstranten gestoppt und zur Umkehr gezwungen wurden, gelang es dem Aufzug von HUPKA (300 Personen) wegen Straßenblockaden nicht, den Marsch anzutreten, so dass lediglich eine Standkundgebung durchgeführt wurde. Aus Sachsen-Anhalt nahmen rund 100 Personen teil. Am 18. November beteiligten sich in der brandenburgischen Stadt Seelow rund 1.100 Angehörige des rechtsextremistischen Spektrums an einem durch WORCH angemeldeten "Heldengedenken" an der dortigen Kriegsgräberstätte. Unter ihnen befanden sich auch etwa 60 Personen aus Sachsen-Anhalt. Das "Heldengedenken" sollte ursprünglich erneut in Halbe stattfinden. Dort wurde die Zusammenkunft abgesagt, weil es dem Rostocker Neonazi Lars JACOBS als Anmelder der Demonstration auch vor dem Bundesverfassungsgericht nicht gelang, die Durchführung der Veranstaltung als Demonstrationszug durchzusetzen. Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen Überregional Aufgrund des Verbots einer für den 19. August19 geplanten zentralen Veranstaltung am Begräbnisort des HESS in Wunsiedel (Bayern) führten Rechtsextremisten bundesweit mehrere kleine Ersatzveranstaltungen durch. Für solche Demonstrationen wählten die Veranstalter - zur Umgehung eines eventuellen Verbots - fast ausschließlich Veranstaltungsmottos, die nur einen indirekten Bezug zu HESS aufwiesen. In 19 Rudolf HESS war am 17. August 1987 verstorben. 32 RECHTSEXTREMISMUS vielen Fällen wurde das Thema Meinungsfreiheit aufgegriffen, um damit gegen das Verbot der zentralen Veranstaltung zu protestieren. An den zehn Veranstaltungen, die im Zeitraum um den Todestag von HESS stattfanden, beteiligten sich insgesamt etwa 1.200 Rechtsextremisten. Schwerpunkte des Geschehens waren in diesem Jahr Jena (Thüringen) mit 480 und Berlin mit 250 Demonstranten. Aus Sachsen-Anhalt reisten etwa 70 Rechtsextremisten zu der Veranstaltung nach Jena. Aktivitäten in Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt waren im Vorfeld des 19. August mehrere Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene bei den Ordnungsbehörden angemeldet worden. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt verfügte am 18. August ein Verbot für alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel sowie für Aufzüge, die aus Anlass oder im Zusammenhang mit dem HESS-Todestag bis einschließlich zum 20. August durchgeführt werden sollten, so dass die beabsichtigten Demonstrationen in Halle und Wernigerode nicht stattfanden. Die szeneintern als "HESS-Aktionswoche" bezeichneten Propagandaaktivitäten (Anbringen von Transparenten und Plakaten, Flugblattverteilungen, Schmierereien) nahmen im Vergleich mit den Vorjahren landesweit deutlich zu. Dabei bildeten die Kreise der Altmarkregion sowie der Bereich Halle die Schwerpunkte. Sonnenwendfeiern von Rechtsextremisten in SachsenAnhalt Im Vergleich zum Vorjahr konnte in Sachsen-Anhalt eine deutliche Steigerung der Aktivitäten von Szeneangehörigen zur Mittsommernacht verzeichnet werden. 33 RECHTSEXTREMISMUS So veranstalteten am 23. Juni etwa 30 Rechtsextremisten aus den Bereichen Staßfurt, Schönebeck und Bernburg in der Nähe von Staßfurt eine Sonnenwendfeier, in deren Rahmen Holzrunen verbrannt und Reden zum Thema Sonnenwende gehalten wurden. Eine Beschreibung der Veranstaltung wurde im Internet auf der Seite der "Jungen Nationaldemokraten Schönebeck" veröffentlicht. Weiterhin versammelten sich am 23. Juni etwa 50 Rechtsextremisten in der Altmarkregion zu einer Sonnenwendfeier. In Pretzien (Landkreis Schönebeck) richtete der "Heimatbund Ostelbien e. V." am 24. Juni im Dorfgemeinschaftshaus des Ortes eine Feier zur Sommersonnenwende aus. Im Verlauf der Veranstaltung wurden die Besucher zum Entzünden eines Feuers auf einen Platz neben dem Veranstaltungsraum gebeten, wo Mitglieder des "Heimatbundes Ostelbien e. V."20 schließlich eine US-Flagge und das "Tagebuch der Anne Frank" in das Feuer warfen. Wegen des Verdachts der Volksverhetzung wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.21 Am 1. Juli beteiligten sich etwa 70 Personen der rechtsextremistischen Szene an einer Sommersonnenwendfeier in Halle-Neustadt. Am 23. Dezember veranstalteten etwa 40 Angehörige und Sympathisanten der "Freien Nationalisten Altmark-West" eine Sonnenwendfeier im Raum Klötze. 20 Ab 1999 existierte eine Vereinigung mit der Bezeichnung "Kameradschaft Ostelbien". Der Personenzusammenschluss, dem zum damaligen Zeitpunkt etwa 20 Personen angehörten, bezeichnete sich wahlweise auch als "Heimatbund Ostelbien" oder "Pretziener Wehrmacht". Der "Heimatbund Ostelbien e. V." ist im Vereinsregister eingetragen und konzentriert seine Aktivitäten nach Eigenangabe auf den Erhalt und die Stärkung der Dorfgemeinschaft. Einer weiteren Eigenangabe zufolge wurde auf einer Mitgliederversammlung am 1. Juli die Auflösung des Heimatbundes beschlossen. 21 Am 8. März 2007 wurden fünf Mitglieder des "Heimatbundes Ostelbien e. V." wegen Volksverhetzung und Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener vom Amtsgericht Schönebeck zu Bewährungsund Geldstrafen verurteilt. Das Urteil war bei Drucklegung des Berichts noch nicht rechtskräftig. 34 RECHTSEXTREMISMUS Aktivitäten zum "Heldengedenktag" (Volkstrauertag) In Halle planten etwa 15 dem neugegründeten JN-Stützpunkt Halle zuzurechnende Rechtsextremisten, im Rahmen der alljährlichen städtischen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag eine Kranzniederlegung auf dem Gertraudenfriedhof durchzuführen. Das Vorhaben wurde unterbunden, indem der Personengruppe für die Dauer der Veranstaltung ein Hausverbot ausgesprochen wurde. Daraufhin wichen die Szeneangehörigen auf den Friedhof nach Halle-Diemitz aus. An der offiziellen Veranstaltung der Stadt Salzwedel nahmen etwa 40 Personen der rechtsextremistischen Szene teil. Diese wurden aufgefordert, die an einem mitgeführten Kranz angebrachte Schleife mit der Aufschrift "Freie Nationalisten Altmark-West" zu entfernen. Dem kamen die Szeneangehörigen nach und entfernten sich nach Ablage des Kranzes und einer anschließenden Schweigeminute. Danach begab sich der Personenkreis auf einen Friedhof in Klötze. Hier wurde ebenfalls ein Kranz niedergelegt und eine Schweigeminute abgehalten. In Schollene (Landkreis Stendal) führten zirka 25 Rechtsextremisten aus dem Bundesland Brandenburg eine Kranzniederlegung durch. Dabei wurden Fackeln und schwarz-weiß-rote Fahnen getragen. Etwa 20 Personen der rechtsextremistischen Szene aus Köthen und Bernburg legten am Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges in Köthen zwei Kränze nieder. Auf dem Friedhof in Bobbau (Landkreis Bitterfeld) legten Angehörige des NPD-Kreisverbandes Wolfen-Anhalt-Dessau einen Kranz am Kriegsopferdenkmal ab. Vor dem Gelände protestierten etwa zehn Personen des linksextremistischen Spektrums gegen die Veranstaltung. An der offiziellen Veranstaltung der Stadt Halberstadt beteiligten sich etwa 15 Mitglieder und Sympathisanten der NPD, die unter an35 RECHTSEXTREMISMUS derem schwarz-weiß-rote Fahnen mit sich führten. Nach Beendigung der offiziellen Veranstaltung begab sich die Personengruppe zu einem am selben Ort befindlichen Gedenkstein der Vertriebenen, derer in einem kurzen Redebeitrag gedacht wurde. Weiterhin führten Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Burgenlandkreis an diesem Tag in Bad Kösen, Kretzschau, Weißenfels und Zeitz Kranzniederlegungen durch. In Weißenfels beteiligten sich NPD-Angehörige an einer offiziellen Gedenkkundgebung der Stadt, bei der es zu Störungen durch Gegendemonstranten kam. Aktivitäten von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt anlässlich der Geburtstage von HITLER und HESS Am 20. April wurden in Staßfurt etwa 20 Personen festgestellt, die nach eigenen Angaben den HITLER-Geburtstag feierten und dabei verschiedene Parolen riefen. Von diesen Personen wurde ein Transparent mit der Aufschrift "117 Jahre Adolf Hitler" gezeigt. Am selben Tag wurden in Halberstadt vier und in Merseburg drei Personen festgestellt, die mehrfach "Sieg-Heil" gerufen hatten. In den Stadtgebieten von Sangerhausen wurden am 21. April sowie in der Lutherstadt Eisleben (Landkreis Mansfelder Land) am 24. und 25. April von bislang unbekannten Personen mittels Schablonen Bildnisse von HITLER und HESS sowie dazugehörige Schriftzüge gesprüht. In Halberstadt wurden am 22. April 14 Personen festgestellt, die den "Hitlergruß" entboten und rechtsextremistische Parolen skandierten. Am 26. April zeigten in Staßfurt rund 20 Personen der rechtsextremistischen Szene in der Öffentlichkeit ein Transparent, das auf den 112. Geburtstag von HESS hinwies. "Nationales Zentrum Mitteldeutschland" in Trebnitz (Landkreis Bernburg) Nachdem die anfänglichen Baumaßnahmen an dem Gebäude seit Längerem zum Erliegen gekommen sind und dort auch über einen 36 RECHTSEXTREMISMUS längeren Zeitraum keine rechtsextremistischen Veranstaltungen festgestellt wurden, fanden in dem Objekt im Sommer 2006 erstmals wieder Treffen von Rechtsextremisten statt. Über ein Internetauktionshaus wird die Immobilie weiterhin zum Kauf angeboten. DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") Als diskursorientierter Rechtsextremismus bezeichnete Bestrebungen haben das Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen oder wesentlich zu verändern, indem sie versuchen, Einfluss auf gesamtgesellschaftliche Diskurse zu nehmen und sie in ihrem Sinne umzulenken. Der diskursorientierte Rechtsextremismus orientiert sich vorwiegend an den Ideen der "Konservativen Revolution" der 20erund 30er-Jahre. Die "Konservative Revolution" bestand aus mehreren Strömungen. Hierzu zählten vor allem die "Nationalrevolutionäre", die "Völkischen" und die "Jungkonservativen". Das Gedankengut der "Nationalrevolutionäre" wird von der "Deutschen Akademie", einigen rechtsextremistischen Kameradschaften und Teilen der NPD aufgegriffen. Vorstellungen der "Völkischen", die mitunter die absurdesten biologistischen, rassistischen und eugenischen22 Ideen propagierten, werden von vielen Rechtsextremisten geteilt, aber nur von wenigen öffentlich geäußert. Diskursorientierte Rechtsextremisten wenden sich vorwiegend den auch durch die übrigen Rechtsextremisten favorisierten Themen zu. Sie äußern häufig subtil formulierte Zweifel an historisch Verbürgtem wie der Kriegsschuld der nationalsozialistischen Staatsführung oder der Verbrechen, die von Wehrmachtssoldaten und Waffen-SS begangen wurden. Ihr Antisemitismus tarnt sich zuweilen als Antiamerikanismus oder Antizionismus, mitunter wird auch nur angemerkt, dass antisemitische Argumente auch eine Berechtigung hät22 Eugenik: Erbgesundheitslehre. 37 RECHTSEXTREMISMUS ten oder Beachtung verdienten. Aktuelle politische und gesellschaftliche Ereignisse werden aufgegriffen und so umgedeutet, dass rechtsextremistische Theorien scheinbar bestätigt werden. Diskursorientierte Rechtsextremisten betreiben Diskussionszirkel, führen Seminare durch und geben Publikationen heraus. Sie nutzen das Internet, um ihre Auffassungen zu vertreten und Nachrichten zu verbreiten. Dabei treten sie nicht nur als Betreiber und Moderator von Diskussionszirkeln auf, sondern melden sich in den Foren auch selbst zu Wort. "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) Mit bundesweit etwa 500 Mitgliedern stellt die GfP die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung dar. Ihr gehören rechtsextremistische Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Sie ist personell eng mit der NPD und der Zeitschrift "Nation & Europa" verflochten. Den Vorsitz führt der ehemalige Lehrer Andreas MOLAU (Niedersachsen). Abgesehen von einem alljährlich stattfindenden Kongress verfügt die GfP über kein nennenswertes Verbandsleben, hat jedoch eine Bündelungsfunktion für Vertreter der rechtsextremistischen Intelligenz. Der Jahreskongress der GfP fand vom 28. bis 30. April in Bayreuth (Bayern) unter dem Motto "Sturm auf Europa" statt. MOLAU stellte dabei klar, dass aus seiner Sicht eine Politik des "Multikulti" eine existentielle Bedrohung der europäischen Völker darstelle und verhindert werden müsse. Wie bereits im Jahr zuvor trat der DVULandesvorsitzende Sachsen-Anhalts Ingmar KNOP (Dessau) als Referent auf. "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" Das bedeutende Strategieund Theorieorgan des Rechtsextremismus zeigte in der Juli/August-Ausgabe ein Foto des iranischen Staatspräsidenten mit der Textzeile "Danke, Herr Präsident" und zitierte auf dem Titelblatt eine tendenziell revisionistische Passage 38 RECHTSEXTREMISMUS aus AHMADINEDSCHADs Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"."Nation & Europa" bezeichnete den iranischen Staatspräsidenten im Leitartikel als prominentesten "Verteidiger der Deutschen gegen ihre immerwährende Schuldknechtschaft". AHMADINEDSCHAD erfreut sich wegen seiner antijüdischen Haltung wachsender Beliebtheit in rechtsextremistischen Kreisen. Rechtsextremistische Splittergruppen mit intellektuellem Anspruch Das von den Rechtsextremisten Dr. Reinhold OBERLERCHER (Hamburg), Horst MAHLER (Brandenburg) und Uwe MEENEN (Bayern) geführte "Deutsche Kolleg" (DK) hat sich die Schulung der "nationalen Intelligenz" zum Ziel gesetzt. Die wenigen in diesem Sinne durchgeführten Veranstaltungen blieben allerdings nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch von der rechtsextremistischen Szene weitgehend unbeachtet. Mit seiner aggressiven antisemitischen und rassistischen Agitation wirkt das DK nicht über den engsten Kreis der Anhänger hinaus. Der schwere diplomatische Konflikt zwischen der internationalen Gemeinschaft und der Staatsführung des Iran veranlasste den iranischen Staatspräsidenten AHMADINEDSCHAD dazu, im Dezember eine "unabhängige Holocaust-Konferenz" in Teheran durchzuführen. MAHLERs Teilnahme scheiterte daran, dass er am 15. November eine Haftstrafe antreten musste. Die Wohngemeinde MAHLERs hatte ihm zudem bereits am 26. Januar nach dem Passgesetz für die Dauer von sechs Monaten den Reisepass entzogen. MAHLER hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, dass die Konferenz unter allen Umständen stattfinden müsse. Die "Teheran Times" hatte MAHLER sodann mit den Worten zitiert: "Ahmadinedschad hat uns sehr geholfen, der Holocaust hat nie stattgefunden. Er ist die größte Lüge der Geschichte." Weitere namhafte Revisionisten wie David IRVING, Ernst ZÜNDEL und Germar RUDOLF befanden sich ebenfalls in Haft und waren somit an einer Konferenzteilnahme gehindert. 39 RECHTSEXTREMISMUS Die "Konferenz" fand schließlich am 11. und 12. Dezember in Teheran statt. Sie wurde vom "Institute for Political and International Studies" (IPIS), das dem iranischen Außenministerium angeschlossen ist, ausgerichtet. Das Motto lautete "Review of the Holocaust: Global Vision". An der Veranstaltung sollen nach dortigen Angaben 67 "Wissenschaftler" aus 30 Ländern teilgenommen haben. Der rechtsextremistische "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" (VRBHV) "entsandte" nach eigenen Angaben neun Personen nach Teheran, darunter seinen Vorsitzenden, den Schweizer Revisionisten und Holocaust-Leugner Bernhard SCHAUB. Angereist waren zudem mehrere, einer antizionistischen, orthodoxen Sekte zuzuordnende Rabbiner, die in rechtsextremistischen Kreisen gerne als "Kronzeugen" gegen den Holocaust und als Ankläger gegen den angeblich die Menschenrechte missachtenden Staat Israel zitiert werden. Einige weniger bekannte deutsche Teilnehmer hielten während der "Konferenz" Vorträge. Sachsen-anhaltische Rechtsextremisten nahmen an der Konferenz nicht teil. Ihnen fehlt auch das intellektuelle Potenzial, diese Ereignisse selbstständig zu reflektieren. NUTZUNG NEUER MEDIEN DURCH RECHTSEXTREMISTEN Neue Internet-Radioprojekte Der "West-Versand" bietet seit Anfang 2006 kostenlos und ohne kommerziellen Hintergrund eigene Internet-Radiosendungen an, deren Angebot mit Balladen, RAC23 und NS24-Black Metal drei verschiedene Stilrichtungen umfasst. Wortbeiträge konnten bislang nicht festgestellt werden. 23 RAC = "Rock against Communism". 24 NS = Nationalsozialismus/nationalsozialistisch. 40 RECHTSEXTREMISMUS Gemäß den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" von "Radio West-Versand" sollen sich die Wortbeiträge und alle gespielten Titel im "legalen Rahmen" halten. Rechtsextremisten suchen neue Möglichkeiten zur Verbreitung indizierter und strafbarer Inhalte im Internet Aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks durch den Staat verzichten deutsche Rechtsextremisten auf ihren Homepages immer häufiger auf das Einbinden strafbarer Inhalte. Wenngleich die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Homepages in den letzten Monaten eine steigende Tendenz aufweist, sank gleichzeitig der Anteil der strafbaren Seiten von ehemals 25 auf etwa 5 Prozent. Die Szene zeigt sich jedoch ausgesprochen innovativ bei der Suche nach alternativen Möglichkeiten der Verbreitung, zumal alle strafbaren Inhalte, die bei Rechtsextremisten auf Interesse stoßen, im Internet auch weiterhin auffindbar sind. Die rechtsextremistische Internet-Gemeinde nutzt verstärkt die Möglichkeit, Dateien mit szenerelevanten Informationen (Musikalben, Videoclips, Fotos) über solche File-Share-Services25 zu verbreiten, die es ihnen ermöglichen, ihre Daten gezielt nur einigen ausgewählten Kameraden oder aber einer breiten Nutzerzahl zugänglich zu machen. Zwar sehen die Nutzerregeln solcher Anbieter vor, dass keine verbotenen, pornografischen oder urheberrechtlich geschützten Dateien hochgeladen werden dürfen, die Einhaltung dieser Bedingungen ist jedoch aufgrund der Anonymität der User sowie einer fehlenden Kontrolle der bereitgestellten Daten meist nicht gewährleistet. Im Internet erschienen weitere Folgen der Nachrichtensendung "Die Woche - Kritische Nachrichten". Mit dem Internet-Videoprojekt "Die Woche" versucht die NPD, sich mit einem neuen und kostenlosen medialen Angebot einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Ziel ist dabei, sich über das allge25 Dateitauschbörsen. 41 RECHTSEXTREMISMUS mein bekannte Profil der "Tagesschau" das Erscheinungsbild einer seriösen Nachrichtensendung zu geben. Das Vorhaben des Betreibers, jede Woche eine Sendung ins Netz zu stellen, konnte bisher umgesetzt werden. Abzuwarten bleibt, ob es gelingt, dies auch zukünftig kontinuierlich weiterzuführen. RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN In Sachsen-Anhalt unterhalten die rechtsextremistischen Parteien "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), "Deutsche Volksunion" (DVU), "Die Republikaner" (REP)26 und "Deutsche Partei - Die Freiheitlichen" (DP) eigene Landesverbände. Von den genannten Organisationen entfalteten im Berichtsjahr jedoch nur die NPD und die DVU politische Aktivitäten. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD baute ihr Konzept einer "Volksfront von Rechts" weiter aus. Neben dem "Deutschlandpakt", in dem die Zusammenarbeit mit der DVU bei Wahlen vereinbart wurde, forcierte die NPDFührung die weitere Einbeziehung des neonazistischen Lagers sowohl im Hinblick auf Aktivitäten als auch auf ihre programmatischen Äußerungen. Vor diesem Hintergrund gelang es der Partei erneut, ihre Mitgliederzahlen zu steigern. Bundesweit sind etwa 7.000 Rechtsextremisten in der NPD organisiert (2005: 6.000). 26 Der Abwärtstrend der Partei "Die Republikaner" (REP) hat sich vor dem Hintergrund des vom REPBundesvorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER vertretenen Abgrenzungskurses der Partei gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen und wieder aufgeflammter innerparteilicher Differenzen fortgesetzt. Der Versuch des REP-Bundesvorstandes, eine eher gemäßigte Position innerhalb der Gesamtpartei durchzusetzen, führte auch in Sachsen-Anhalt zum Austritt des größten Teils des Landesvorstandes einschließlich seines Vorsitzenden Peter WALDE und zu einer weiter sinkenden Mitgliederzahl. Dem REP-Landesverband gehörten zum Ende des Berichtszeitraumes weniger als 50 Personen an (2005: 100). 42 RECHTSEXTREMISMUS Wahlergebnisse Bei allen vier Landtagswahlen, bei denen die NPD 2006 antrat, konnte sie zum Teil deutliche Stimmengewinne erzielen. Während der Partei bei den Wahlen in Baden-Württemberg und RheinlandPfalz und bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus eine Verbesserung auf niedrigem Niveau gelang, erzielte sie allein bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern einen Zuwachs von mehr als 52.000 Stimmen und schaffte mit 7,3 Prozent der Zweitstimmen deutlich den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Nach ihren Erfolgen sieht sich die NPD in einer unangefochtenen "Führungsrolle im nationalen Parteienspektrum".27 Ideologische Entwicklung Die NPD unternimmt weitere Schritte, um sich als Kristallisationspunkt für die Intellektualisierung des rechtsextremistischen Lagers zu etablieren. Im Rahmen ihrer "Wortergreifungsstrategie" missbrauchen rechtsextremistische Aktivisten zunehmend öffentliche Veranstaltungen, indem sie durch Wortbeiträge in die Diskussion eingreifen. Dahinter steht der Versuch, den eigenen verfassungsfeindlichen Weltanschauungen ein Podium zu verschaffen. Um die inhaltlichen Ziele der NPD stärker als bisher in die Öffentlichkeit zu tragen, sollen nach dem Willen der Partei einfache Mitglieder ebenso wie Führungskader besser auf die politische Auseinandersetzung vorbereitet werden. Hierzu dienten bislang regional und überregional veranstaltete Schulungen, Vortragsveranstaltungen und Versammlungen für Rechtsextremisten. Im Jahr 2005 wurde in Sachsen das "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität" gegründet, das eine verstärkte politische Grundlagenarbeit im Sinne der NPD leisten soll. 27 Aktuell sind rechtsextremistische Parteien in vier Landtagen vertreten: Die DVU in Brandenburg und Bremen, die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. 43 RECHTSEXTREMISMUS Weitere Aktivitäten der Bundespartei Am 5. August fand in Dresden (Sachsen) das jährliche Pressefest des NPD-eigenen "Deutsche Stimme Verlages" statt, an dem etwa 7.000 Personen teilnahmen. Das Musikprogramm wurde unter anderem von den rechtsextremistischen Liedermachern Frank RENNICKE, Annett & Michael MÜLLER sowie den Skinheadbands "Carpe Diem" (Baden Württemberg) und "Agitator" (Niedersachsen) bestritten und dürfte den Hauptanziehungspunkt der wohl hauptsächlich über Eintrittsgelder finanzierten Veranstaltung gebildet haben. Das Pressefest des "Deutsche Stimme Verlages" fand erstmals im Jahr 2002 statt. Die NPD konnte gegenüber dem Pressefest 2004 die Teilnehmerzahl stabil halten, blieb allerdings hinter den eigenen Erwartungen zurück. Am 16. September wurde auf dem Anwesen des MARX in Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) der "Ring Nationaler Frauen" (RNF) als bundesweite Frauenorganisation der NPD gegründet. Ziel des RNF ist es eigenem Bekunden zufolge, auf die Anliegen "weiblicher Nationalisten" aufmerksam zu machen. Der RNF versteht sich als eine Art Dachverband, der sämtliche "nationalen Frauen" zusammenbringen möchte. Die NPD führte erstmals in ihrer Geschichte einen Parteitag in Berlin durch. Mit dieser Veranstaltung am 11./12. November in der "Reichshauptstadt" wollte die Partei ihren Führungsanspruch innerhalb des rechtsextremistischen Lagers unterstreichen. Der seit 1996 amtierende NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT wurde mit deutlicher Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Mit der Wahl von Neonazis wie Thomas WULFF und dem erst seit kurzem der Partei angehörenden Rechtsanwalt Jürgen RIEGER (beide Hamburg) bekundete die NPD ihren Willen zur vorbehaltlosen Einbindung von Neonazis im Sinne des "Volksfront"-Konzeptes. 44 RECHTSEXTREMISMUS NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt Die NPD ist die aktivste rechtsextremistische Partei in SachsenAnhalt. Über die derzeit zehn Kreisverbände des Landesverbandes wurden die Strukturen durch die Einrichtung so genannter Ortsbereichsgruppen, unter anderem in Tangerhütte, Weißenfels und Bad Kösen ausgebaut. Die Mitgliederzahl des Landesverbandes erhöhte sich leicht. Im Jahr 2006 gehörten der NPD rund 260 Personen an (2005: 250). Gegenwärtig ist ein weiterer Zulauf zu verzeichnen. Dem NPD-Landesvorstand, der am 2. Dezember unter Ausschluss der Öffentlichkeit während eines Landesparteitages in Weddersleben (Landkreis Quedlinburg) neu gewählt wurde, gehören derzeit zehn Personen an. Als Landesvorsitzender fungiert nach wie vor Andreas KARL (Billroda, Burgenlandkreis). Ihm stehen nunmehr drei Stellvertreter und sechs Beisitzer zur Seite. Mit dem Aufrücken von Neonazis wie Jens BAUER (Klein Wanzleben, Bördekreis), Matthias HEYDER (Elbingerode, Landkreis Wernigerode) und Judith ROTHE (Sotterhausen, Landkreis Sangerhausen) in den Landesvorstand wird das "NPD-Volksfront-Konzept", das eine enge, systematische Zusammenarbeit mit den neonazistischen Kameradschaften und "Freien Kräften" vorsieht, personell auch im NPDLandesvorstand stärker verankert. Die neuen Mitglieder der Führungsriege stehen zudem für ein Mehr an Aktivitäten und eine engere Vernetzung mit dem neonazistisch ausgerichteten Landesverband der JN. Sachsen-Anhalt ist hinsichtlich der strukturellen Entwicklung und der Aktivitäten des NPD-Landesverbandes geografisch geteilt. Die südlichen Kreisverbände, an erster Stelle der "Kreisverband Burgenlandkreis" gehören zu den mitgliederstärksten und aktivsten. Hier gelingt es der NPD in Ansätzen, bis in die kommunale Ebene vorzudringen. Im Kreistag des Burgenlandkreises sind seit Jahren zwei NPD-Mitglieder vertreten, darunter der Landesvorsitzende KARL. 45 RECHTSEXTREMISMUS Neben Wahlkampfveranstaltungen führte die NPD in diesem Bereich auch immer wieder Zusammenkünfte durch, die auf den ersten Blick nicht erkennen lassen, dass es sich um Parteiveranstaltungen handelt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang das "4. Kinderfest" am 8. Juli in Bad Kösen (Burgenlandkreis), das von der dortigen Ortsbereichsgruppe ausgerichtet wurde. Der NPD-Landesverband präsentiert sich seit kurzem mit einer neuen Internetseite, über die neben Aufbau, Programm und Gästebuch der Partei auch polemische und diffamierende Stellungnahmen zu aktuellen politischen Tagesthemen publiziert werden. Domaininhaber ist der Vorsitzende des Kreisverbandes HalberstadtWernigerode-Harz HEYDER. Die NPD hat nach ihren Wahlerfolgen triumphierend angekündigt, als nächstes die Kommunalwahlen28 in Sachsen-Anhalt "ins Visier" zu nehmen. Bereits am 12. November trat der NPD-Landesvorsitzende KARL als Kandidat für die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Halle an. KARL präsentierte sich in seinem Wahlkampf mit der Parole "Rote Karte gegen Filz und Korruption in der Stadtverwaltung" und konnte 1,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Die NPD bereitete sich in Sachsen-Anhalt intensiv auf die Kommunalwahlen im April 2007 vor. In den eigens dafür eingerichteten Rubriken "Kreistagswahl 07" seiner zahlreichen Internetpräsenzen propagierte der Landesverband seine Teilnahme an der Wahl mit den Losungen "Wir sind dabei" und "Schluss mit Lustig - Nationale in den Kreistag". Nach eigenen Bekundungen29 erwartete die NPD die Unterstützung von Rechtsextremisten aus anderen Bundesländern und durch die hiesigen Kameradschaften. Die NPD setzte insbesondere zur Wahl auf ein "SaubermannImage" und gerierte sich als "Anwalt der sozial Schwachen" und als "soziales Gewissen". Diese Absicht belegte unter anderem die gemeinsame Kundgebung des Kreisverbandes Wolfen-Anhalt-Dessau 28 Aufgrund der Kreisgebietsreform zum 1. Juli 2007 fanden am 22. April 2007 Wahlen zu den neuen Kreistagen und Landräten statt. 29 Artikel "Mit vereinten Kräften gelingt der Sieg" publiziert auf den Internetseiten der "Nationalen Sozialisten Magdeburg". 46 RECHTSEXTREMISMUS mit dem JN-Landesverband am 28. Oktober in Bitterfeld, zu der sich 250 Rechtsextremisten unter dem Motto "Gegen Sozialabbau und Hartz IV - Das Volk sind wir" versammelt hatten. Neben KARL traten VOIGT und das Bundesvorstandsmitglied Frank ROHLEDER (Sachsen) als Redner auf. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Die Verantwortlichen der JN bezeichnen ihre Organisation als "einen institutionellen Überbau der Nationalen Volksfront", als "Reformator unseres parlamentarischen Arms" und als "Anlaufstelle für alle übrig gebliebenen, denkenden und fühlenden Teile des deutschen Volkes". Diese Selbstsicht der JN ist kennzeichnend für ihre Rolle als Bindeglied zwischen organisationsungebundenen Rechtsextremisten und der NPD. In einem im Internet veröffentlichten Beitrag "Es geht vorwärts und für jeden besteht die Möglichkeit sich einzubringen!" hält der Bundesvorsitzende Stefan ROCHOW Rückschau auf die Entwicklung der JN seit dem Bundeskongress im November 2005. In ihrem Bemühen, ihre desolaten Organisationsstrukturen bundesweit zu verbessern, sei es der JN gelungen, "wieder in allen Bundesländern verankert" zu sein. Ziel sei es, die JN neu zu positionieren um sie wieder zu einer "aktionistischen und vordenkenden nationalistischen Jugendbewegung zu machen". Mit der auf dem Bundeskongress am 1. April in Sachsen-Anhalt erfolgten Erstellung eines neuen Grundlagenprogramms habe die Vereinigung die erste Hürde genommen, um "ihr antikapitalistisches und nationalrevolutionäres Profil auch einer über die JN hinausgehenden Öffentlichkeit deutlich" zu machen. "Auch in Zukunft" werde mit den JN "wieder als nationale 'Denkfabrik' für programmatische Inhalte zu rechnen sein". In einer weiteren Veröffentlichung Mitte Mai stellte Michael SCHÄFER (Wernigerode, Beisitzer im Bundesvorstand und stellvertreten47 RECHTSEXTREMISMUS der JN-Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt) "'25 Thesen zum Nationalismus' als ersten Schritt zur strategischen Neuprofilierung der JN" vor. Anlehnend an die oben genannte "Denkfabrik" erklärt SCHÄFER: "Neben der verstärkten aktionistischen Ausrichtung der JN geht es der Bundesführung um eine weltanschauliche Grundlage, die unser Wesen und Wollen und unsere Idee des Befreiungsnationalismus in 25 Punkten zusammenfasst." Mit dem 25-Thesen-Papier werde ein klares Leitbild vermittelt, das, so SCHÄFER, "in Zukunft das Bild der JN prägen" soll. Dort heißt es unter anderem: "Nationalismus ist das Streben der Völker nach Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Freiheit und Einheit...Er ist der Wille eines Volkes zur Selbstbehauptung...gegenüber fremden Anliegen und Machtansprüchen..." "...In der von uns angestrebten Volksgemeinschaft werden die Widersprüche und Unzulänglichkeiten des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems überwunden werden." "Die europäischen Völker sind...durch die menschenund volksfeindlichen Ideologien des Liberalismus und die ...Weltherrschaftsgelüste der Supermacht USA...gefährdet." JN - Landesverband Sachsen-Anhalt Der im August 2005 gegründete Landesverband der JN baute seine Strukturen weiter aus. In Magdeburg, Bernburg, Staßfurt, Schönebeck, Wernigerode, Halle und Sangerhausen wurden "Stützpunkte" errichtet, die in aller Regel bei den regionalen neonazistischen Kameradschaften angesiedelt wurden. Der Mitgliederbestand beläuft sich auf etwa 50 Personen. Fast ausnahmslos entstammen die JNMitglieder der Neonaziszene. 48 RECHTSEXTREMISMUS Unter dem Dach der JN sollen die regional agierenden rechtsextremistischen Szenen zusammengefasst und deren Aktivitäten im Sinne der JN optimal geplant, koordiniert und durchgeführt werden. Mit der Veränderung im organisatorischen Aufbau nahmen auch die politischen Aktivitäten der NPD-Jugendorganisation spürbar zu. Mit einer Vielzahl von erlebnisorientierten, aktionistischen und gleichfalls politischen Freizeitaktivitäten und anderen Veranstaltungen wurde eine Brücke zwischen parteipolitischer Arbeit und der Einbindung "national-freier Kräfte" geschlagen. Bei Demonstrationen, Mahnwachen, Aktivistentreffen, Zeltlagern, Schulungen oder als Wahlkampfhelfer in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern versuchten zahlreiche JN-Aktivisten, das Profil der eigenen Organisation zu schärfen. Kurz vor Beginn der Sommerferien warb der JN-Landesverband auf seinen Internetseiten für ein Ferienprogramm für Schüler in Sachsen-Anhalt. Das Programm "Sommer, Sonne, Widerstand - Gemeinschaft statt Langeweile!" wurde auf einer Internet-Sonderseite veröffentlicht. Mit Angeboten wie Wanderungen, Fußballturnieren und Filmvorführungen sollten die Jugendlichen animiert werden, "...gegen die Langeweile und mit jeder Menge Spaß sinnvolle und vor allem erlebnisreichere Sachen" zu erleben. Bereits mit der Verteilung einer kostenlosen Schülerzeitung "Jugend rebelliert" noch vor Beginn der Sommerferien vor Schulen Sachsen-Anhalts zielten die Rechtsextremisten darauf ab, Schüler und junge Heranwachsende für die Szene zu gewinnen. In einer für die Jugend eingängigen Sprache griff die "erste nationale Schülerzeitung" unter anderem tagespolitische Themen auf. Die Beiträge waren unterschwellig fremdenfeindlich und antiamerikanisch geprägt und übten Kritik am bestehenden Parteiensystem. Dabei wurde es weitgehend vermieden, rechtsextremistische Stereotype und Symbole zu verwenden. Darüber hinaus wurde für zwei szenebekannte Internetvertriebe, darunter den des MARX, geworben. 49 RECHTSEXTREMISMUS Der JN-Landesverband unterhält in der Bernburger Innenstadt angemietete Räume, die er als "Nationales Zentrum Bernburg" ausweist. Im Berichtszeitraum machte der Landesverband durch zahlreiche "Mahnwachen", die die Situation im Nahen Osten und die Globalisierung thematisierten, auf sich aufmerksam. Beginnend mit dem 20. Juli führte der JN-Landesverband mit Beteiligung des NPD-Kreisverbandes Halberstadt-Wernigerode-Harz, der durch seinen Vorsitzenden Matthias HEYDER vertreten wurde, Mahnwachen überwiegend in Magdeburg und Wernigerode durch. Diese wurden unter Mottos wie "Der Tod ist ein Meister aus Israel" oder "Rote Karte für Israel - raus aus dem Libanon" angemeldet. Am 14. September hielten anlässlich des Besuches des israelischen Botschafters Shimon STEIN in Halberstadt etwa 90 Rechtsextremisten eine weitere Mahnwache gegen den Krieg Israels gegen die Hisbollah im Libanon ab. Im Beisein des Botschafters skandierte eine Person "Israel das Handwerk legen". Eine der letzten Mahnwachen des Berichtszeitraumes fand am 29. November vor der Goethe-Sekundarschule in Ilsenburg (Landkreis Wernigerode) statt und richtete sich vor allem gegen einen Vortrag zum Thema "Rechtsextremismus unter Jugendlichen in Sachsen-Anhalt". Etwa 20 Personen des rechtsextremistischen Spektrums beteiligten sich an der Veranstaltung. Die Aktivitäten der JN und der neonazistischen "Freien Nationalen" werden über ein informationelles Netz von Internetportalen gesteuert. Neben der Internetpräsenz des Stützpunktes Schönebeck existieren weitere für die Stützpunkte Staßfurt und Magdeburg. Anfang November kündigten die JN auf den Internetseiten des Landesverbandes die Gründung eines "JN-Bildungskreises" an. Unter der Schlagzeile "Nationaler Bildungskreis nimmt Arbeit auf" hieß es später, man wolle mit diesem "Bildungskreis" der gesellschaftlichen Korrosion im Bildungswesen...in der Tradition gefühlter und 50 RECHTSEXTREMISMUS gelebter Volksgemeinschaft Netzwerke zur schulischen, akademischen und praktischen Ausbildung" entgegensetzen. "Nationale Jugendliche, ob Schüler, Studenten oder Auszubildende, [seien] willig und bereit, die in ihnen vorhandenen Potentiale zu entfalten und somit dem natürlichen Streben nach individuellem Glück in der Gemeinschaft der Deutschen nachzugeben!" Urheber dürften die JN-Funktionäre VALENTA und SCHÄFER, beide Studenten, sein. Sie wollen damit neben der subkulturellen rechtsextremistischen Szene verstärkt auch höher gebildete Jugendliche ansprechen und "auf akademischem Niveau den Kampf um die Köpfe unterstützen": "Mit dieser in Sachsen-Anhalt gegründeten Phalanx des Wissens werden wir unterstützend dazu beitragen, das von den Demokraten gezeichnete Bild einer ungebildeten Rechten zu zerschlagen." "Deutsche Volksunion" (DVU) Die "Deutsche Volksunion" (DVU) musste erneut einen Mitgliederverlust hinnehmen, bleibt aber mit bundesweit etwa 8.500 Personen (2005: 9.000) die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ihr Einfluss im rechtsextremistischen Spektrum ist aber trotz des Deutschland-Pakts mit der NPD unverändert gering. Die DVU ist ein vom Parteivorsitzenden Dr. Gerhard FREY ideell und finanziell abhängiges Kunstprodukt mit schwacher sozialer Verankerung, chronisch knapper Personaldecke und unterentwickeltem Parteileben. Den 16 Landesverbänden bleibt daher kaum Raum für eine selbstständige politische Arbeit. Der DVU-Landesverband Sachsen-Anhalt kann als so gut wie nicht mehr existent bezeichnet werden. Nur etwa insgesamt 50 aktive Mitglieder begeben sich zu den regelmäßig stattfindenden politischen Stammtischen in Halle, Bitterfeld, Dessau, Hettstedt, Magdeburg und Stendal. Weder ist der Landesverband dazu in der Lage, eigenständig Mitgliederversammlungen durchzuführen, noch haben 51 RECHTSEXTREMISMUS die Mitglieder ein Interesse daran, aus eigener Kraft Informationsveranstaltungen für die Öffentlichkeit durchzuführen. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt errang die "Deutsche Volksunion" (DVU) drei Prozent der Stimmen und ist damit nicht im Landtag vertreten. Von den 45 Wahlkreisen konnte die Partei im Wahlkreis 42 (Nebra, Burgenlandkreis) mit 5,7 Prozent ihr bestes Ergebnis erzielen. Die Gründe für das Wahlergebnis sind zum einen darin zu sehen, dass es der Partei nicht gelungen ist, die Protestwählerschaft zu mobilisieren. Zum anderen führte die DVU einen 'unattraktiven' Wahlkampf, der sich fast ausschließlich auf Plakatierungen beschränkte. Die DVU war zur Wahl im Sinne des "Deutschland-Paktes" mit einer 15 Bewerber umfassenden Landesliste angetreten, auf der auch drei NPD-Mitglieder kandidierten. Spitzenkandidat der DVU war der Landesvorsitzende KNOP. Der NPD-Landesvorsitzende KARL kandidierte auf Platz vier der DVU-Liste. In ihrem "125-Punkte-Wahlprogramm" polemisierte die DVU gegen "herrschende Politiker", die "sich zu einer Kaste entwickeln, die keine Rücksicht mehr nimmt auf das Volkswohl". Sachsen-Anhalt sei "dem Verrat etablierter Politiker von Rot bis Schwarz zum Opfer gefallen". Viele der 125 Programmpunkte, die die DVU nach einem Einzug in das Landesparlament dort einbringen wollte, zielten offenbar darauf ab, Protestwähler zu gewinnen. So wurde etwa eine "Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe für Kindermörder", eine "Ausländerbegrenzung", eine deutsche Quote bei Radiosendungen sowie ein "Vorrang von Deutschen vor Ausländern bei staatlichen Sozialleistungen" gefordert. Die DVU-Führung äußert sich auf ihrer Internetseite enttäuscht über ihr Wahlergebnis. Unter der Überschrift "Das rechte Potenzial parkt (noch) in der Stimmenthaltung" plädiert die DVU für eine Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel und will "bei künftigen Wahlen auf die Fehlkalkulation hinweisen, "man könne mit Enthaltung dem 'Schnauze voll'-Gefühl gegen die Etablierten Luft machen". Sie betont in der Erklärung ausdrücklich, an dem "Deutschland-Pakt" mit 52 RECHTSEXTREMISMUS der NPD festhalten zu wollen und ruft die "ehrbaren Aktivisten der Republikaner" auf, sich dem Bündnis anzuschließen. "Exilregierung Deutsches Reich" In der Bundesrepublik Deutschland existiert eine Vielzahl so genannter "Reichsregierungen", die sich im Organisationsgrad und in ihren Aktivitäten zum Teil erheblich unterscheiden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie den Fortbestand des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 suggerieren. Die "Exilregierung" wird von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet, da sich die von ihr ausgehenden Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. In den Verlautbarungen der "Exilregierung" finden sich zahlreiche Belege für die Nichtanerkennung der völkerrechtlich akzeptierten Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen beziehungsweise Russland. Dies geht einher mit der Forderung nach einer Geltendmachung angeblich noch bestehender Gebietsansprüche Deutschlands. Über die Kritik an Vertretern von Politik und Behörden hinaus lehnt die "Exilregierung" das Gesamtsystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausdrücklich ab. Sie verfolgt Ziele, die gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Dabei dient ihr die Leugnung der Kriegsschuld Deutschlands zu einer positiveren Darstellung des Nationalsozialistischen Regimes. Die Aktivitäten der "Exilregierung" beschränken sich auf "Bürgerund Präsidialbesprechungen, die regelmäßig an unterschiedlichen Orten abgehalten werden. Die immer geringere Teilnehmerzahl von "Reichsbürgern" und "Funktionären" an den Veranstaltungen verdeutlicht die schwindende Identifikation mit der Organisation. Bei den Diskussionen und Vorträgen im Rahmen der "Bürgertreffen" kommen fast ausschließlich die Phantasievorstellungen einzelner Akteure zum Ausdruck, die das Interesse der Teilnehmer allerdings kaum wecken können. 53 RECHTSEXTREMISMUS Mitte Januar fand in Mosbach (Thüringen) ein "Bürgertreffen" der "Exilregierung" statt. Daran nahmen etwa 30 Personen teil, unter anderem aus Magdeburg, Aschersleben und Merseburg. In einer Diskussionsrunde wurden verschiedene Themenkomplexe wie zum Beispiel das Auftreten und Verhalten von Angehörigen der "Exilregierung" in der Öffentlichkeit erörtert. Anfang April beteiligten sich an einem Treffen der "Exilregierung" in Berlin etwa 40 bis 50 Personen, darunter solche aus Magdeburg. "Reichskanzler" Norbert SCHITTKE brachte dabei zum Ausdruck, dass Ziel weiterhin die Einigung aller Reichsregierungen in Deutschland sein müsse. Anerkennung finde man nur, wenn man als Einheit auftrete. Im Mai 2005 war bei der hiesigen Verfassungsschutzbehörde ein Schreiben eines "Prof. Dr. Friedrich HILBERT" eingegangen. In diesem wurde einem leitenden Beamten vorgeworfen, über Presse und Fernsehen die "Exilregierung" zu diffamieren. Er wurde dazu aufgefordert, eine so genannte "Unterlassungsverpflichtung" zu unterzeichnen und sich öffentlich in der Presse zu entschuldigen. Sollte dies nicht erfolgen, sei eine Strafe in Höhe von 50.000 Euro an die "Exilregierung" zu zahlen. Das Schreiben wurde durch die hiesige Verfassungsschutzbehörde an die Staatsanwaltschaft Magdeburg, den Generalstaatsanwalt des Landes Sachsen-Anhalt und das Landeskriminalamt weitergeleitet. Am 18. Mai fand vor dem Amtsgericht Magdeburg die Hauptverhandlung gegen "Prof. Dr." Friedrich HILBERT aus Leipzig statt. HILBERT wurde wegen Missbrauchs von Titeln (SS 132a Strafgesetzbuch) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, sowie zur Zahlung von 200,00 EUR an die Staatskasse verurteilt. Des Weiteren hatte er die Kosten des Verfahrens zu tragen. 54 LINKSEXTREMISMUS III. LINKSEXTREMISMUS Die Gesamtzahl der Linksextremisten stieg in Sachsen-Anhalt im Berichtsjahr leicht an. Dies ist insbesondere auf eine Zunahme der Mitglieder und Anhänger der hier existierenden linksextremistischen Parteien und Organisationen zurückzuführen. Linksextremisten30 2005 2006 Parteien und sonstige Gruppierungen 245 270 Autonome 290 300 Gesamt: 535 570 AUTONOME Allgemeines Autonome propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von diversen "Anti-Einstellungen" wie zum Beispiel "antifaschistisch", "antikapitalistisch" und "antipatriarchal". Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente bilden den Rahmen oftmals spontaner Aktionen. Dabei zielen Autonome, wie alle Linksextremisten, im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" ab. Die Anwendung von Gewalt halten Autonome in diesem Zusammenhang für legitim. Strafund Gewalttaten Das LKA Sachsen-Anhalt registrierte für das Berichtsjahr 291 politisch motivierte Straftaten -links(2005: 222)31. 30 Zahlen zum Teil geschätzt und gerundet. 31 Siehe Statistik Seite 118f. Für die Erfassung von Straftaten ist der Polizeibereich federführend zuständig. 55 LINKSEXTREMISMUS In geringem Umfang nahm auch der Anteil der entsprechend motivierten Gewalttaten zu. Ein Großteil der diesbezüglich festgestellten 70 Delikte (2005: 65) richtete sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Überblick Schwerpunktregionen der etwa 300 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt waren im Berichtszeitraum die Städte Magdeburg und Halle. Aktivitäten in der Harzregion haben zugenommen. Namentlich machten insbesondere Gruppierungen wie die "Gruppe Internationale Solidarität" (GIS) und das "Antifaschistische Infoportal"(AIP) aus Magdeburg auf sich aufmerksam. Daneben gab es Neugründungen wie die "Autonome Antifa Magdeburg" (AAMD) und die "Jugend-Antifa Harz" (JAH). Entwicklungstendenzen und Selbstverständnis Wie die meisten Linksextremisten sind auch Autonome sehr darum bemüht, ihr Gedankengut zu verbreiten. So beschrieb sich die GIS in einem auf "Sommer 2006" datierten "Selbstverständnis" wie folgt: " ... Wir propagieren antiimperialistische und antirassistische Positionen vor Ort, welche die Arbeit sozialrevolutionärer, antipatriarchaler, antifaschistischer und weiterer Strukturen ergänzen sollen." Weiter heißt es: "Die Politik der Herrschenden bedeutet real: dauerhafte imperialistische Kriege. Ohne internationalen revolutionären Kampf ist es unmöglich diese permanente Konterrevolution aufzubrechen oder sogar die Herrschaftsverhältnisse zu beseitigen. Die Organisierung revolutionärer Kräfte und die Zusammenführung der international stattfindenden Kämpfe um Befreiung sind die Voraussetzungen zur Überwindung jeglicher Form von Herrschaft." 56 LINKSEXTREMISMUS Angehörige der Autonomenszene diskutierten vielschichtig über die militärischen Auseinandersetzungen Israels im Libanon. Entsprechend ihrer Zuordnung zu "Antiimperialisten" oder "Antideutschen" existierten unterschiedliche Sichtweisen. Der Richtungsstreit innerhalb der Autonomenszene gewann dadurch insgesamt wieder an Bedeutung. "Antideutsche", wie zum Beispiel die "Gruppe 45 Magdeburg", erklären sich uneingeschränkt solidarisch mit dem jüdischen Volk und dem israelischen Staat. Sie lehnen den deutschen Staat grundsätzlich ab, da dieser antisemitisch geprägt sei und ihm ein stetiges Großmachtstreben innewohne. Im Kampf gegen Antisemitismus gebühre vor allem den USA Dank, weil sie Deutschland vom Nationalsozialismus befreit habe und Israel schütze. Im Gegensatz dazu solidarisieren sich antiimperialistisch eingestellte Gruppierungen mit dem palästinensischen Volk, das Widerstand gegen die Besatzung durch Israel leiste. Mit diesen Auffassungen geht ein ausgeprägter Antiamerikanismus einher. Anfang des Jahres gründete sich die "Jugend-Antifa Harz" (JAH). Unter der Überschrift "Antifa ist der Kampf ums Ganze!" erklärte die Gruppe auf ihrer Homepage: "Für uns ist radikale Politik keine zeitraubende Beschäftigung neben anderen Sachen, sondern die Basis der Lebensentfaltung ... Revolutionär ist dabei dann nicht automatisch das was nach Revolte und MTV-'Underground' aussieht, sondern nur das, was den Rahmen der Privatheit und individuellen Kleinkriminalität bewusst verlässt und dadurch diese Gesellschaft direkt kritisiert, analysiert und verändern will. Kriterium der Antifa-Arbeit muss die Wirksamkeit in der Praxis sein. Antifaschistische Aktion ist daher der Versuch eines revolutionären Angriffs auf den von der Kommerzialisierung unseres Lebens bis zu direkten sexistischen und faschistischen Angriffen reichenden täglichen Terror der Verhältnisse. Eine freie und solidarische Gesellschaft selbstbestimmter Menschen in einer intakten Umwelt kann nur ent57 LINKSEXTREMISMUS stehen, wenn das System mit all seinen Folgen angegriffen und gekippt wird. Talking is over, Action is on! Organisiert den antifaschistischen Widerstand!" Die ebenfalls neugegründete "Autonome Antifa Magdeburg" (AAMD) sieht sich in ihrem Selbstverständnis als "emanzipatorischer Zusammenschluss von Menschen, welche sich aus einem Bedürfnis und einer Notwendigkeit zusammengeschlossen haben". "Wir sehen unsere Hauptaufgabe im revolutionär-antifaschistischen Kampf gegen die bestehenden Nazi-Strukturen in Magdeburg und der näheren Umgebung. Die AAMD sieht diesen Kampf als einen Teilbereichskampf gegen das bestehende kapitalistische System der Unterdrückung und Ausbeutung. Dabei sind Faschisten und ihre Ideologen nur ein Bestandteil von diesem System." Die AAMD sei bestrebt, jedem "antifaschistischen Menschen" die Möglichkeit zu geben, sich im Kampf gegen Nazis zu engagieren. Man habe den Anspruch, eine "gesamtgesellschaftliche, internationale und revolutionäre Umwälzung ohne imperialistische Züge" zu unterstützen. Ziel sei ein "multikulturelles, herrschaftsfreies und klassenloses Zusammenleben aller Individuen." Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt "Antifaschismus" Hauptaktionsfeld autonomer Zusammenschlüsse blieb im Berichtszeitraum der "antifaschistische Kampf". Ziel des "antifaschistischen Kampfes ist letztendlich die Abschaffung des "kapitalistischen Systems", da in ihm die Wurzeln rechtsextremistischer Ideologien gesehen werden. Linksextremisten reagierten in stärkerem Maße als bisher auf öffentlichwirksame Aktivitäten von Rechtsextremisten. Dies geschah sowohl durch Gegendemonstrationen aber auch durch so genannte dezentrale Gegenaktionen. Im Zuge des Land58 LINKSEXTREMISMUS tagswahlkampfes Anfang des Jahres wurde eine Vielzahl von Sachbeschädigungen verübt. In den meisten Fällen wurden Wahlplakate rechtsextremistischer Parteien beschmiert oder zerstört. Unter dem Motto "Antifa heißt Angriff!" suchten Autonome zudem die direkte Konfrontation mit vermeintlichen oder erkannten Personen des gegnerischen politischen Lagers. Im Berichtszeitraum war ein leichter Anstieg linksextremistisch motivierter Gewalttaten gegenüber Rechtsextremisten zu verzeichnen. Unter der Überschrift "Gegen die Märchenstunde auf dem Friedhof! Geschichtsrevisionismus stoppen!" rief die linksextremistische Szene im Internet zu Protestaktionen gegen eine Kranzniederlegung von Rechtsextremisten anlässlich des 61. Jahrestages der Bombardierung Magdeburgs durch alliierte Streitkräfte auf. Daran beteiligten sich am 14. Januar in Magdeburg auch Angehörige der "Antifaszenen" aus Magdeburg, Halle und Salzwedel. Nach den Veranstaltungen warfen Autonome im Stadtgebiet Magdeburgs Müllcontainer um, setzten davon mehrere in Brand und blockierten eine Straße mit Einkaufswagen und Fahrrädern. Es kam zu mehreren Steinwürfen gegenüber Rechtsextremisten und der Polizei. In weiterer Folge sollen kleine Gruppen linksextremistischer Szeneangehöriger versucht haben, Rechtsextremisten durch die Stadt zu "hetzen". Am 1. Mai versuchten Angehörige der Autonomenszene in Magdeburg, einen rechtsextremistischen Aufzug zu stören. Von der Polizei wurden Platzverweise ausgesprochen. Das "Antifa Infoportal Magdeburg" wertete aus: "Nur wenige AntifaschistInnen waren vor Ort und schafften es nicht, den Neonazis etwas entgegenzusetzen." Auch im Internetportal "Indymedia" wurden die Ereignisse als "Desaster" kritisiert. Dort hieß es unter anderem: "Alles in allem ein scheiß Tag bei viel zu schönem Wetter ... während in Leipzig die Luft brannte, war's in Magdeburg totenstill. Ich kann nur hoffen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen, weil so viel Raum Faschisten nicht gegeben werden darf." 59 LINKSEXTREMISMUS Am 27. Mai demonstrierten in Wernigerode etwa 750 Angehörige der linksextremistischen Szene unter dem Motto "Den Nazis auf die Pelle rücken". Aufgerufen hatte dazu unter anderem die "JugendAntifa Harz" auf einer eigens zur Demonstration eingerichteten Internetseite. Der Aufruf thematisierte rechtsextremistische Aktivitäten in der Harzregion und war verbunden mit der Schlussfolgerung, dass eine "linke antifaschistische Jugendkultur" eine notwendige Voraussetzung zur "Verschiebung des regionalen Kräfteverhältnisses" sei. Von der Demonstration erhoffe man sich eine "Initialzündung für weitergehendes politisches Engagement". Die Demonstration verlief abgesehen von Begegnungen mit einzelnen Rechtsextremisten am Rande der Demonstration störungsfrei. Zu Zwischenfällen im Demonstrationszug kam es allerdings, nachdem mehrere "Antideutsche" eine israelische Nationalflagge entrollten. Per Lautsprecherwagen wurde mehrfach dazu aufgefordert, die Fahne nicht offen zu zeigen. Nachdem dies ignoriert wurde, griffen mehrere Autonome die "Antideutschen" an. Nur durch das Eingreifen der Polizei konnten größere Auseinandersetzungen innerhalb des Zuges vermieden werden. Demonstrationsteilnehmer äußerten im Internet, kein Verständnis dafür zu haben, dass mit derartiger Gewalt und in "Prollmanier" vorgegangen worden sei. Durch diese Aktion habe die "Antiimperialistische Linke" erneut gezeigt wie wenig sie in "all den Jahren der Umgestaltung und Neudefinierung der Antifa" mitbekommen habe. Innerhalb der Antifaszene wurde die Demonstration trotzdem als Erfolg gewertet. Die Teilnehmerzahl, nach eigener Schätzung mit 1.000 angegeben, habe die Erwartungen des Vorbereitungskreises bei weitem übertroffen. Die antideutsche "Gruppe 45 Magdeburg" titelte auf ihrer Homepage "Wir sind viel, wir sind krass - Antifa da geht noch was." Unter der Überschrift "Use your chance - der NPD den Weg versperren - Naziaufmarsch verhindern!" riefen Angehörige der AntifaSzene aus Bitterfeld im Internet für den 28. Oktober zu Aktivitäten gegen eine NPD-Demonstration in Bitterfeld auf. Informationsveranstaltungen dazu fanden in Chemnitz, Magdeburg, Berlin, Halle und 60 LINKSEXTREMISMUS Leipzig statt. An der "linken" Demonstration nahmen 200 Personen teil. Teilnehmer des Aufzuges versuchten wiederholt, die Route zu verlassen und zur Aufzugsstrecke der Rechtsextremisten zu gelangen. Am 30. Dezember demonstrierten in Salzwedel (Altmarkkreis) etwa 250 Personen der Antifaszene, darunter rund 80 Gewaltbereite. Zwischen ihnen und der Polizei kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen. Dabei wurden Steine und Flaschen auf Einsatzkräfte der Polizei geworfen und eine Straße blockiert. Auseinandersetzungen sowohl mit der Ideologie als auch im Umgang mit so genannten Antideutschen wirkten sich aus Sicht der Szene negativ auf das Handeln der autonomen "Antifaschisten" aus. Trotz einer derzeit festzustellenden Steigerung der Aktivitäten der "antifaschistischen" Szene, vor allem gegen die Präsenz von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit, sehen Szeneangehörige im Hinblick auf eigene Strukturen und die Aktionsfähigkeit ein "StadtLand-Gefälle". Aufgrund fehlender Antifagruppen in den ländlichen Bereichen sei ein erfolgreicher Kampf gegen die rechtsextremistische Szene nicht zu führen. Dem sei mit dem Aufbau entsprechender Antifastrukturen zu begegnen. So unterstützten Antifagruppen aus Magdeburg und Sachsen ein zuvor nicht bekanntes "Antifa-Bündnis Schönebeck" bei der Organisierung einer Demonstration unter dem Motto "Schaut nicht weg - greift ein! ... darf keine hohle Phrase sein! Nazis den Boden entziehen! Linke Strukturen aufbauen!". Anlass war der Übergriff von fünf Neonazis auf ein 12-jähriges dunkelhäutiges Kind in Pömmelte. Am 25. Februar beteiligten sich in Schönebeck etwa 300 Personen, zum Teil der linksextremistischen Szene zugehörig, an der Demonstration. Zeitgleich fand eine Gegenveranstaltung der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) mit rund 250 Angehörigen der rechtsextremistischen Szene statt. Es kam zu Konfrontationen zwischen Teilnehmern beider Aufzüge. Auf dem Weg durch die Innenstadt von Schönebeck wurde der "linke" Demonstrationszug aus einem leerstehenden Haus mit Rauchbomben und Feuerwerkskörpern beworfen. Darauf61 LINKSEXTREMISMUS hin drohte die Situation zu eskalieren. Einzelne Gruppen versuchten, sich von der Demonstration zu lösen, um gegen die Täter vorzugehen, was jedoch von den Polizeikräften unterbunden werden konnte. Unter dem Motto "Antifa heißt Angriff!" suchten Autonome auch im Berichtsjahr die gewalttätige Konfrontation mit dem politischen Gegner: Am 16. März wurden zwei Wahlkampfhelfer der DVU in Merseburg durch vier vermummte Personen angegriffen. Die Geschädigten wurden mit Fäusten geschlagen und erhielten Fußtritte. Einem Geschädigten wurden Geldbörse und Handy entwendet, die mitgeführten Wahlplakate wurden beschädigt. In Magdeburg kam es am 25. Juni zu Gewalttätigkeiten von etwa 30 Personen der linksextremistischen Szene gegenüber den Besuchern einer Gartenparty. Die Angreifer versuchten, mit Besenstielen und abgerissenen Verkehrszeichen "bewaffnet", zu der Party in einer Gartensparte zu gelangen. Dort kam es zu Tätlichkeiten gegenüber den Partygästen, die als Nazis beschimpft wurden. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung eingeleitet. Der Verfassungsschutzbehörde liegen keine Erkenntnisse vor, dass es sich bei den Geschädigten tatsächlich um Rechtsextremisten gehandelt hat. Im Anschluss an eine Mahnwache der rechtsund eine Gegenkundgebung der linksextremistischen Szene aus Anlass des Nahostkrieges kam es am 21. August in Wernigerode zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Teilnehmern beider Veranstaltungen. Aufgrund seiner Bekleidung wurde ein Geschädigter durch zwei Personen der Autonomenszene der rechtsextremistischen Szene zugeordnet, daraufhin geschlagen und seiner Bomberjacke beraubt. 62 LINKSEXTREMISMUS Am 21. Oktober schlugen und traten in Magdeburg etwa zehn Angehörige der Antifa-Szene auf zwei Personen ein, bis diese das Bewusstsein verloren. Die Geschädigten hatten Kleidungsstücke der Marke "Thor Steinar" getragen und waren im Zuge des Angriffs als "Nazi-Schweine" beschimpft worden. "Antimilitarismus" Die militärischen Auseinandersetzungen Israels im Libanon führten zu ideologisch geprägten Äußerungen aus der hiesigen Autonomenszene durch die der Richtungsstreit zwischen "Antiimperialisten" und "Antideutschen" wieder ins Blickfeld gelangte. Unter der Überschrift "Solidarität mit Israel" äußerte sich die antideutsche "Gruppe 45 Magdeburg" auf ihrer Homepage. Sie sieht Israel in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt als Opfer. Daher werden Forderungen nach der "vollständigen Zerschlagung der antisemitischen Terrorgruppen Hamas, Hisbollah und Al-Qaida" gestellt. Außerdem sei die Gruppe "vehement gegen eine Stationierung deutscher Truppen in oder um Israel". Weiter heißt es: "Bundeswehr abschaffen! Nie wieder Deutschland!" und "Solidarität mit Israel! Fuck the Djihad! Antisemiten auf den Mond schießen..." Dagegen veröffentlichte die GIS auf ihrer Homepage die so genannte "Erklärung der Liga für die Fünfte Internationale". Unter der Überschrift "Stoppt Israels barbarische Aggression! ArbeiterInnen, Jugendliche und unterdrückte Völker der ganzen Welt - unterstützt den palästinensischen und libanesischen Widerstand" heißt es hier: "Nieder mit dem zionistischen Staat - für eine binationale und weltliche arabisch-jüdische Arbeiterrepublik in Palästina! Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!" "Antirassismus" Angehörige des autonomen Spektrums wenden sich seit Jahren gegen vermeintlich rassistische Denkund Verhaltensmuster in Staat und Gesellschaft. Dabei werden insbesondere die deutsche 63 LINKSEXTREMISMUS Asylpolitik, die Abschiebepraxis sowie die Betreuung von Asylbewerbern kritisiert. Die GIS äußerte hierzu auf ihrer Homepage: "Ob versteckter, offener oder gesetzlich geregelter Rassismus, die Inhaftierung migrantischer Menschen in so genannten 'Ausreisezentren' oder Abschiebeknästen und die unzähligen anderen staatlichen und sozialen Repressalien gegen Flüchtlinge verurteilen wir auf das Schärfste ... Wir müssen Flüchtlinge und MigrantInnen als Ergebnis der kapitalistischen, imperialistischen Ausbeutung von Mensch und Natur anerkennen und verstehen. Es gilt eine solidarische Praxis mit den Flüchtlingen hier aufzubauen. Dies geschieht nur durch eine Bündelung der Kräfte. Die MigrantInnen und die Bevölkerung vor Ort müssen gemeinsam gegen die Herrschaft der Eliten kämpfen. Dies kann nur durch einen internationalistischen antirassistischen Klassenkampf erfolgen." Die GIS veranstaltete dazu im Juni eine so genannte Antirassistische Aktionswoche in Magdeburg. Die einzelnen Veranstaltungen verliefen störungsfrei, blieben aber von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Der Tod des Asylbewerbers Oury JALLOH aus Sierra Leone, der am 7. Januar bei einem Brand in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben gekommen war, wurde auch von der linksextremistischen Szene in besonderem Maße thematisiert. Am 1. April versammelten sich in Dessau etwa 700 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet zu einer Demonstration unter dem Motto "Gegen rassistische Staatsgewalt, Vertuschung und Straflosigkeit. Break the silence!". Organisator war die "Antirassistische Initiative e. V." (ARI) (Berlin). Demonstrationsteilnehmer zeigten Transparente wie: "Stoppt den Terror, Klärung per Gerichtsverhandlung", "Schluss mit rassistisch motivierten Polizeikontrollen". Wegen Verdachts der Volksverhetzung im Zusammenhang mit dem Tod von JALLOH sollte am 18. Mai am Amtsgericht in Oschersleben eine Verhandlung gegen einen Angehörigen der rechtsextremisti64 LINKSEXTREMISMUS schen Szene stattfinden. Zur Prozessbeobachtung fanden sich etwa 100 Personen unter ihnen auch Linksextremisten, zu einer Demonstration vor dem Gerichtsgebäude ein. Dazu aufgerufen hatte die linksextremistisch beeinflusste Flüchtlingsinitiative "plataforma" aus Berlin. Während der Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen, als die Polizei im Stadtgebiet Plakate mit den Staat verunglimpfenden Symbolen entfernen wollte. Aufschriften dieser Plakate lauteten unter anderem: "Deutschland pulverisieren" und "...über Dachau nach Dessau ... wo das deutsche Schweigen sitzt und ein Heer von Stummen die Mörder schützt! Dem anderen das Mensch sein absprechen, damit fängt es an ...". Am 20. Dezember verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf das Wohnund Praxisgebäude eines Arztes in Dessau, der mit der Untersuchung zur Feststellung der Gewahrsamstauglichkeit JALLOHs betraut war. Dabei wurden Schriftzüge wie "...Mörder von Oury Jalloh - Rassisten angreifen!" an dessen Garagengebäude gesprüht. In den frühen Morgenstunden des 20. Dezember wurden zudem die Schriftzüge "Mörder" und "Rassist" an der Giebelwand eines Mehrfamilienhauses in Thalheim (Landkreis Bitterfeld) festgestellt. Dort ist ein Polizeibeamter wohnhaft, der zum Todeszeitpunkt JALLOHs im Dessauer Polizeirevier Dienst versehen hatte. Zu den oben genannten Straftaten ging unter anderem am 22. Dezember beim Landesfunkhaus des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) ein Selbstbezichtigungsschreiben der "militanten gruppe" (mg)32 ein. Unter der Überschrift "Das war Mord" bezieht die "mg" Stellung zum Tod des Asylbewerbers. Die "mg" betont dabei, sie wende sich gegen "ein öffentliches Klima der Vertuschung, Verleugnung und der Gleichgültigkeit ... der deutschen Gerichte". Dies sei Teil des antirassistischen Widerstandes. Das einzige Mittel gegen "rassistische Täter" sei direkte Gegenwehr. 32 Der "mg" werden seit 1995 zahlreiche Anschläge unter zum Teil wechselnden Gruppenbezeichnungen zugerechnet. Seit 2001 existiert der Name "militante gruppe (mg)". Im Jahr 2003 bekannte sich die hauptsächlich im Berliner Raum agierende "mg" zu Brandanschlägen auf ein Dienstfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle/Zweigstelle Naumburg und auf das Gebäude des Oberlandesgerichtes in Naumburg. 65 LINKSEXTREMISMUS Die Sicherheitsbehörden beurteilen die Selbstbezichtigung als authentisch. Den letzten Anschlag außerhalb Berlins hatte die "mg" am 18. September 2003 in Naumburg auf Dienstfahrzeuge der Staatsanwaltschaft Halle verübt. Thematisch hatte die "mg" bereits mehrfach die Themen "Repression" und "Antirassismus" aufgegriffen. "Anti-Repression" Magdeburger Autonome schilderten in einem Artikel der Szenezeitschrift "radikal"33 unter der Überschrift "Die Konfrontation mit der Justiz ist keine Sache Einzelner" die Erfahrungen Magdeburger Autonomer im Zusammenhang mit dem im Jahr 2005 zu Ende gegangenen Strafverfahren34. Die unbekannten Autoren schlussfolgern, dass eine Unterstützung militanter Politik zwangsläufig zur Kriminalisierung führe. Somit sei es sinnvoll, sich entweder in seinen Positionen zu mäßigen oder eine andere, zum Beispiel "klandestine" Form der Organisierung zu entwickeln. "Kollektivität" sei die Grundlage zur Durchsetzung und Weiterentwicklung des "revolutionären Prozesses" sowie im "Abwehrkampf gegen Angriffe des Staates". LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN In Sachsen-Anhalt sind die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), deren Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) sowie die "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union - In33 Nr. 160, Winter 2006. 34 In Revisionsverfahren gegen die Magdeburger Autonomen Daniel W. und Marco H. bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg 2005 die im Jahr 2003 im Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung verhängten Haftstrafen von zwei und zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass beide Angeklagte 2001 und 2002 an Brandanschlägen auf ein Autohaus und zwei Fahrzeuge der Deutschen Telekom in Magdeburg beteiligt waren. Zudem waren sie für zwei versuchte Brandanschläge auf das Gebäude des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und ein Dienstfahrzeug des damaligen Bundesgrenzschutzes mitverantwortlich. 66 LINKSEXTREMISMUS ternationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA)35 mit eigenen Strukturen vertreten. Vertreter genannter Organisationen versuchten sich in gesellschaftliche Protestkampagnen, insbesondere gegen den "Sozialabbau", einzubringen. In Bezug auf die militärischen Auseinandersetzungen Israels im Libanon bezogen orthodoxe Linksextremisten in diversen Veröffentlichungen und Aufrufen einheitlich Partei zugunsten des Libanons. Die in Sachsen-Anhalt vertretenen orthodoxen Parteien entfalteten zahlreiche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost) Nach eigenen Angaben ist die KPD/Ost in Sachsen-Anhalt durch einen Landesverband mit Sitz in Zeitz und über drei "Regionalorganisationen" in Zeitz, Halle/Bernburg und Magdeburg vertreten. Die KPD/Ost trat im Bündnis mit der DKP zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an.36 Weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten sind im Berichtszeitraum nicht bekannt geworden. Die KPD/Ost hat offenbar strukturelle und finanzielle Probleme. So wurde in der Parteizeitung "Die Rote Fahne" berichtet, dass die Konten der KPD/Ost und der Redaktion "Die Rote Fahne" gesperrt worden seien. Der ehemalige stellvertretende KPD-Vorsitzende Hans WAUER, der im Jahr 2005 als "Parteifeind und Sektierer" aus der Partei ausgeschlossen worden war, habe der Partei verschwiegen, dass es noch rechtsverbindliche Verpflichtungen der Partei gegenüber Dritten aus früheren Jahren gebe. Der Artikel endete mit dem Aufruf: "Unterstützt unsere Partei weiterhin nach Maßgabe Eurer Möglichkeiten! Helft uns, diese Hinterlassenschaft parteifeindlicher und krimineller Subjekte zu tilgen!". 35 Die FAU-IAA trat im Berichtsjahr lediglich durch Aufrufe zum Wahlboykott in Erscheinung, die sich auf die hiesige Landtagswahl bezogen. 36 Siehe auch Seite 69. 67 LINKSEXTREMISMUS Am 2. Dezember traf sich das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands eigenen Angaben zufolge zu seiner 10. Tagung. Diese habe unter der Leitung eines Parteifunktionärs aus Zeitz gestanden und der Vorbereitung des 25. Parteitages der KPD im Jahr 2007 gedient. Im Verlauf der Tagung habe das ZK neben Kaderfragen auch den gegenwärtigen Stand der Überarbeitung des neuen Parteiprogramms und des neuen Statuts diskutiert. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) verfügt in Sachsen Anhalt über einen so genannten "Koordinierungsrat" und über DKPGruppen für die Räume Halle/Merseburg und Dessau/Wittenberg, Magdeburg, Salzwedel und Nordharz. Die DKP hat nach einem jahrelangen Diskussionsprozess auf ihrer 2. Tagung des 17. Parteitages am 8. April in Duisburg-Rheinhausen ihr neues Parteiprogramm verabschiedet. Das Ergebnis ist ein Programm, das abstrakte Formulierungen enthält und daher für unterschiedliche Strömungen in der Partei interpretierbar bleibt. Nach einer Äußerung des Parteivorsitzenden Heinz STEHR habe es eine Meinungsbildung gegeben, die einen Text erbracht habe, der die DKP politikfähiger mache und ihre "Ausstrahlungskraft" erhöhen werde. In einem auf der Tagung gehaltenen Referat hieß es, das Material sei ein Ergebnis eines wichtigen Verständigungsprozesses, in dem die Gemeinsamkeiten betont würden. Wörtlich hieß es: "Diese betreffen die gemeinsame weltanschauliche Grundlage, die Einschätzung des Wesens der Gesellschaft ... die Bewertung und Rolle der Arbeiterklasse in den Klassenkämpfen, unser politisches Ziel, d. h. die Notwendigkeit des revolutionären Bruchs mit den bestehenden Machtund Eigentumsverhältnissen und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation, die Beurteilung der wesentlichen Rahmenbedingungen der neuen Gesellschaft und vieles andere mehr." 68 LINKSEXTREMISMUS Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt trat die DKP nach 2002 zum zweiten Mal in einem Wahlbündnis mit der KPD-Ost an. In vier Wahlkreisen wurden Direktkandidaten aufgestellt. Die Wahlkampfaktivitäten beschränkten sich auf das Anbringen einiger Wahlplakate, das Verteilen von Infoschriften an Haushalte und auf Wahlspots in den Medien. Infostände wurden nur in sehr geringem Umfang organisiert. Eine Wahlkampfkundgebung am 11. März in Magdeburg wurde nur von wenigen Personen besucht. Am 20. März fand eine "Wahlabschlussveranstaltung" in Zeitz statt. Das Wahlbündnis "DKP/KPD" erreichte bei den Landtagswahlen 964 Parteienstimmen (0,1 Prozent) und 757 Personenstimmen. Der Direktkandidat der KPD Michael BLÖTH erreichte im Wahlkreis Zeitz mit 349 Stimmen einen Stimmanteil von 1,9 Prozent. Zum Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt erklärte das Sekretariat des Parteivorstandes der DKP: "Als Erfolg ist das Wahlergebnis für "Die Linke" in SachsenAnhalt zu werten. Die Linkspartei.PDS hatte zwar die Angebote der DKP zur Zusammenarbeit abgelehnt, die Entscheidung der DKP in Sachsen-Anhalt, sich nicht zur Unterstützung der Linkspartei aufzuraffen und stattdessen ein Bündnis mit der KPD einzugehen, bleibt dennoch politisch unverständlich. Das Ergebnis von 964 Stimmen angesichts der 225.796 Stimmen für "Die Linke" verweist sowohl von der Zahl als auch politisch auf eine Isolierung. Auf eine solche Entwicklung hatten wir vor Monaten hingewiesen und hätten sie gerne abgewendet." Der DKP-Parteivorstand machte auf seiner Tagung am 9./10. September auch Aussagen zur Mitgliederentwicklung innerhalb der Partei. Nach der Aktualisierung der Mitgliederzahl aufgrund der durchgeführten Neuausgabe der Mitgliedsbücher in den Jahren 1999/ 2000 habe sich jetzt ein Rückgang der Mitgliederzahl um 10,6 Pro69 LINKSEXTREMISMUS zent ergeben. Eine Ausnahme stellten die neuen Bundesländer dar, insbesondere Sachsen-Anhalt mit einem Zuwachs auf 140 Prozent. In Sachsen-Anhalt hat die Partei eigenen Angaben zufolge etwa 40 Mitglieder. Zudem existiert in Halle eine Gruppe der DKP-Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ). In Wüllmersen (Altmarkkreis Salzwedel) soll nach Angaben der Parteizeitung "Unsere Zeit" in der ersten Jahreshälfte ein Landesseminar der DKP-Gruppen Sachsen-Anhalts stattgefunden haben. Sinn und Ziel seien die Stärkung der Bindungen zwischen den einzelnen Parteigruppen und die Orientierung der Parteimitglieder auf die nächsten Schritte ihrer politischen Arbeit gewesen. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland" (MLPD) Die maoistisch-stalinistisch geprägte MLPD gehört zu den wenigen linksextremistischen Organisationen, die sich unverblümt zu ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung bekennen und unverändert die revolutionäre Überwindung der parlamentarischen Demokratie anstreben. Die MLPD hält ohne taktische Erwägungen an der alten Terminologie fest. Die MLPD kandidierte zu den Landtagswahlen mit einer offenen Liste. Auf ihr kandidierten 22 Personen, außerdem wurden zehn Direktkandidaten aufgestellt. Die Partei führte einen intensiven Wahlkampf. Sie forderte unter anderem "30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich", "Massensteuer runter, Profitsteuer rauf" und konstatierte "Neue Politiker braucht das Land". Eigenen Angaben zufolge präsentierte sich die MLPD in SachsenAnhalt flächendeckend auf über 15.000 Wahlplakaten. Wahlkampfzeitungen mit dem Titel "Stimme Sachsen-Anhalts" seien in einer "Massenauflage von 400.000 Exemplaren" herausgebracht und an die Haushalte verteilt worden. Möglich geworden sei dies durch eine groß angelegte so genannte "Spendenkampagne zur Finanzierung 70 LINKSEXTREMISMUS der Offensive für den echten Sozialismus" der MLPD bei ihren Mitgliedern, die insgesamt 560.000 Euro eingebracht haben soll. Außerdem sollen rund 460 ehrenamtliche Wahlhelfer aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz gewesen sein. Die Partei führte im Wahlkampf zahlreiche Kundgebungen und Diskussionsveranstaltungen durch, so zum Beispiel am 11. und 18. März in Magdeburg mit bis zu zirka 200 Teilnehmern. Die MLPD erreichte bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt schließlich 4.051 Parteienstimmen (0,4 Prozent) und 2.077 Personenstimmen. Direktkandidatin Ina KORNTREFF erreichte im Wahlkreis Wolfen den höchsten Stimmenanteil von 1,7 Prozent (280 Stimmen), Frank OETTLER in Halle 1,6 Prozent (300 Stimmen). Der Parteivorsitzende Stefan ENGEL erklärte zum Landtagswahlkampf der MLPD in Sachsen-Anhalt, die MLPD habe gegen den Trend des Rückgangs der Proteststimmen ihr relatives Wahlergebnis sowohl gegenüber der Bundestagswahl 2005 wie auch gegenüber der Landtagswahl 2002 verbessern können. Dies sei das beste Wahlergebnis, das die MLPD bei überregionalen Wahlen habe erzielen können. Die Partei baute ihre Strukturen in Sachsen-Anhalt aus. Die zur Landtagswahl flächendeckend gegründeten Wählerinitiativen wurden aufgelöst, aus einigen wurden neue Parteigruppen gebildet. Dabei offenbarten sich Probleme in der täglichen politischen Arbeit, die viele potenzielle und neue Mitglieder der MLPD nicht bewältigten. In der überregionalen MLPD-Zeitung "Lernen und Kämpfen" (LuK)37 wurden daher für Sachsen-Anhalt weitere "Organizer" gesucht, die mit ihren Erfahrungen den Parteiaufbau vor Ort unterstützen sollten. Trotz der Vielzahl ihrer Gliederungen gelang es der Partei nicht, auch nach den Landtagswahlen adäquate öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen. 37 Nr. 3/2006. 71 LINKSEXTREMISMUS Bisher wurden folgende Strukturen der MLPD in Sachsen-Anhalt bekannt: Kreisverband Dessau-Wolfen-Bitterfeld mit untergeordneten Ortsgruppen in Dessau und Wolfen, Kreisverband Magdeburg/Schönebeck mit Ortsgruppe Magdeburg sowie ein in Gründung befindlicher Kreisverband Halle/Merseburg. Darüber hinaus existieren Ortsgruppen in Aschersleben, Bernburg, Halle/Merseburg, Haldensleben, Weißenfels, Wernigerode, Zeitz. Der MLPD-Jugendverband "REBELL" verfügt über Gruppen in Magdeburg, Halle, Haldensleben und Stendal. In Halle existiert eine Gruppe der Kinderorganisation "Rotfüchse". Für den 27. Mai meldete die MLPD eine "Antifaschistische Demonstration" in der Lutherstadt Eisleben an, zu der 100 Personen erwartet wurden. Zur Auftaktkundgebung fanden sich schließlich 17 Teilnehmer vor Ort ein. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl wurde auf eine Demonstration verzichtet. Es fand lediglich eine Kundgebung statt. Die MLPD bemühte sich zum Teil erfolgreich, die so genannten "Montagsdemonstrationen" zu beeinflussen oder dabei eine Führungsrolle zu übernehmen. So unterstützte die MLPD so genannte "Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV und Faschismus" in Haldensleben. Zum Teilnehmerkreis gehörten auch Angehörige der Autonomenszene. LINKSEXTREMISTISCHE EINFLUSSNAHME AUF DIE ANTIGLOBALISIERUNGSBEWEGUNG Die Kritiker der Globalisierung, egal ob aus dem demokratischen oder extremistischen Spektrum, positionieren sich gegen die von ihnen als negativ angesehenen Auswirkungen der Expansion von Konzernen und Finanzmärkten auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Ein Teil von ihnen will lediglich die als Unrecht angesehenen Auswüchse der Globalisierung beseitigen und richtet sich 72 LINKSEXTREMISMUS nicht gegen demokratische Staatsformen. Dieses Spektrum stellt die große Mehrheit der "Antiglobalisierungsbewegung" dar. Anders dagegen ist das extremistische Spektrum zu betrachten. Hier ist das Feindbild "Kapital und Staat" derart fixiert, dass "revolutionäre Umwälzungen" in den staatlichen Ordnungen der Industriestaaten gefordert werden. Globalisierungsgegner projizieren ihre Proteste vor allem auf die so empfundenen Symbole der Globalisierung wie zum Beispiel multinationale Konzerne oder internationale Gipfeltreffen wie den in der Zeit vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) stattfindenden G8-Gipfel. Die Vorbereitungen von Globalisierungsgegnern, darunter auch Linksextremisten, für die Protestaktionen begannen frühzeitig. Planungen streben ein umfassendes Gesamtbündnis der Protestierenden an, das zum Ende des Berichtsjahres nicht erreicht worden war. Es existieren verschiedene Mobilisierungsströmungen, die aktionsabhängig miteinander kooperieren. Anfang März gründete sich in Berlin ein so genanntes "Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive". Das Bündnis bekräftigte in einem Ende Mai im Internet veröffentlichten Aufruf unter der Überschrift "Stop G8. Kapitalismus. Imperialismus. Krieg" seine bereits zuvor formulierte antiimperialistische Ausrichtung und betonte vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Entwicklung von "Strategien gegen den gemeinsamen imperialistischen Feind" insbesondere die Notwendigkeit eines solidarischen "Austausch(es) mit den Befreiungsbewegungen (weltweit) und deren langjährigen Erfahrungen". Die Mobilisierung gegen das G8-Treffen in Heiligendamm könne - so heißt es weiter - genutzt werden, um die Kritik an den herrschenden Verhältnissen und die Notwendigkeit ihrer revolutionären Umgestaltung zu vermitteln sowie vorhandene Strukturen des Widerstands zusammenzuführen und zu stärken. Eine erfolgreiche Mobilisierung könne den "Startpunkt für eine wieder stärker werdende Revolutionäre Bewegung und Organisierung in der BRD" markieren. 73 LINKSEXTREMISMUS Diesen Aufruf unterzeichnete unter anderem die "Gruppe Internationale Solidarität" (GIS, Magdeburg), die ihn auch auf ihrer eigenen Homepage einstellte. Auf lokaler Ebene agiert das Bündnis unter dem Namen "AntiG8 Bündnis Magdeburg". Zu ihm gehören unter anderem die GIS, die "Frauengruppe Magdeburg", die AAMD und die DKP SachsenAnhalt. Im Oktober erschien erstmalig die von ihnen herausgegebene Zeitschrift "Rabatz" (Untertitel: "Zeitung gegen den G8-Gipfel"). 74 AUSLÄNDEREXTREMISMUS IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Allgemeines Die Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus stellte auch 2006 eine große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. Die Zahl der Terroranschläge weltweit nahm stetig zu. Auch europäische Länder rücken zunehmend in den Fokus des islamistischen Terrorismus. Die Gewährleistung der Sicherheit erfordert eine intensive Zusammenarbeit aller in diesem Bereich tätigen Behörden. Mit der Einrichtung des "Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums" (GTAZ) in Berlin und der Umsetzung verschiedener Maßnahmen - wie zum Beispiel der Errichtung einer gemeinsamen Antiterrordatei - wird dieser Entwicklung Rechnung getragen. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben die Aufgabe, bereits im Vorfeld extremistische und insbesondere terroristische Bestrebungen von Ausländern zu erkennen und zu analysieren. Die Beobachtung umfasst dabei neben islamistischen auch linksextremistische und extrem nationalistische Ausrichtungen. Nach dem Gesetz über den Verfassungsschutz im Land SachsenAnhalt besteht die Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde im Bereich des Ausländerextremismus in der Sammlung und Auswertung von Informationen - insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen - über - Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden sowie 75 AUSLÄNDEREXTREMISMUS - Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden sind in der Bundesrepublik Deutschland etwa 57.400 Personen in 73 als extremistisch eingestuften ausländischen Organisationen aktiv. Das Islamismuspotenzial umfasst etwa 32.150 Personen. 39 linksextremistische und 6 extrem nationalistische Gruppen verfügen über ein Potenzial von etwa 25.250 Personen. Den größten Teil davon bilden etwa 11.500 Kurden in 19 linksextremistischen Organisationen und 7.500 Türken in 13 extrem nationalistischen Gruppen. In Sachsen-Anhalt verfügt lediglich der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) über nennenswerte Strukturen. Islamistische/islamistisch-terroristische Bestrebungen Über Aktivitäten islamistischer Organisationen in Sachsen-Anhalt liegen keine Erkenntnisse vor. Allerdings gibt es Hinweise auf Einzelpersonen, die in Sachsen-Anhalt wohnen, aber strukturell in Aktivitäten extremistischer Gruppierungen in anderen Bundesländern oder im internationalen Raum eingebunden sind. Um im Sinne eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes alle in diesem Zusammenhang bedeutsamen Erkenntnisse zu Personen und Objekten zentral an einer Stelle aufzubereiten und einer Bewertung zu unterziehen, ist in Sachsen-Anhalt ein "Gemeinsames Informationsund Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus" (GIAZ) von Polizei und Verfassungsschutz eingerichtet worden. Soweit erforderlich, werden in die dortige Arbeit auch andere Behörden eingebunden. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Als nichtislamistische Organisationen sind vor allem der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) sowie der "Nationale Wider76 AUSLÄNDEREXTREMISMUS standsrat Iran" (NWRI) und die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) zu nennen. Während KONGRA-GEL mit Vereinen in Sachsen-Anhalt vertreten ist, wurden bislang keine festgefügten Strukturen anderer Organisationen festgestellt, wenngleich Aktivitäten einzelner Anhänger oder Sympathisanten bekannt sind. "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) Der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL)38 und die ihm zuzurechnenden Organisationen setzten in Europa die in den letzten Jahren verfolgte Strategie fort, sich von dem Makel einer Terrororganisation zu lösen und als politischer Gesprächspartner akzeptiert zu werden. Der auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Mitbegründer der ehemaligen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und so genannte kurdische Volksführer Abdullah ÖCALAN blieb für die Kurden die zentrale Führungsund Repräsentationsfigur, weshalb seine Haftbedingungen demonstrative Reaktionen hervorriefen. Den Anweisungen ÖCALANs aus der Haft heraus leistete die Führung des KONGRA-GEL Folge. In Deutschland und den angrenzenden Ländern legte die Organisation Wert darauf, zu bestimmten Anlässen oder im Rahmen friedlich und störungsfrei verlaufener Großveranstaltungen Handlungsfähigkeit und Präsenz zu zeigen. Die Partei war bestrebt, Vorgaben der Führung gewaltfrei durchzusetzen. Die Forderung der KONGRAGEL-Anhänger nach Haftentlassung ÖCALANs stand dabei im Vordergrund. Mitglieder und Sympathisanten des KONGRA-GEL begrüßten am 16. Januar das Erscheinen der ersten Ausgabe der türkischsprachigen Tageszeitung "Yeni Özgür Politika/Neue Freie Politik" als Nachfolgepublikation der bis September 2005 erschienenen "Özgür Politika/Freie Politik". Laut Impressum wird die "Yeni Özgür Politika", ebenso wie seinerzeit die "Özgür Politika", von der 38 Laut Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 30.07.2004 erstreckt sich das aus dem Jahr 1993 bestehende vereinsrechtliche Betätigungsverbot gegen die PKK auch auf den Ende 2003 gegründeten KONGRA-GEL, da ebenfalls wie im Fall der Umbenennung von PKK in KADEK auch hier Identität mit der PKK besteht. 77 AUSLÄNDEREXTREMISMUS in Neu-Isenburg (Hessen) ansässigen "Medya Presseund Werbeagentur" herausgegeben. In der Berichterstattung der Publikationen dominierte die Darstellung der Situation der Kurden in der Türkei, die Thematisierung der Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs sowie die Propagierung von Aktivitäten der kurdischstämmigen Bevölkerungsgruppe in Europa. Der KONGRA-GEL nutzte die Zeitung auch für die Mobilisierung der Kurden zur Teilnahme an zahlreichen Großveranstaltungen in Deutschland und im benachbarten Ausland. In Sachsen-Anhalt organisierten die YEK-KOM-Mitgliedsvereine "Kurdisch-Deutscher Kulturverein Magdeburg e. V." und "Mezopotamien Kultur Haus e. V." Halle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit vom KONGRA-GEL verkündeten Aufrufen oder Kampagnen standen. Ende März reagierten Anhänger des KONGRA-GEL in deutschen Städten mit Demonstrationen auf Unruhen im Südosten der Türkei.39 Etwa 200 Personen beteiligten sich am 5. April in Halle an einem vom "Mezopotamien Kultur Haus e. V." Halle organisierten Aufzug unter dem Motto "Gegen das Gemetzel in der Stadt Diyarbakir in Kurdistan". Demonstrationsteilnehmer führten Fahnen mit dem Konterfei ÖCALANs mit. Aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof (BGH) wegen des Verdachts der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung wurden in Mannheim (Baden-Württemberg) am 8. August sowie am 9. August in Duisburg (NordrheinWestfalen) die KONGRA-GEL-Führungsfunktionäre Muzaffer AYATA und Riza ERDOGAN festgenommen. In Stellungnahmen des KONGRA-GEL wurden die Verhaftungen kritisiert und die Freilassung von AYATA und ERDOGAN sowie des in den Niederlanden am 1. August verhafteten Funktionärs der CDK Nedim SEVEN gefordert. Im Gegensatz zu vergangenen Protestaktionen forderte die YEK-KOM ein einheitliches organisiertes Vorgehen aller regionalen 39 Nachrichtenagenturen hatten berichtet, dass bei Ausschreitungen von Kurden die Zentren der türkischen Städte Diyarbakir, Batman und Van teilweise verwüstet, Polizeistationen und Parteibüros angegriffen und zahlreiche Autos in Brand gesetzt wurden. 78 AUSLÄNDEREXTREMISMUS YEK-KOM-Mitgliedsvereine. Die Protestaktionen wurden am 19. August in Köln mit einer Demonstration unter dem Motto "Repression auf Kurden in Deutschland" eröffnet, an der sich etwa 450 Personen beteiligten. Neben der Freilassung der Inhaftierten, die vom KONGRA-GEL als kurdische Politiker und Journalisten bezeichnet wurden, forderten die Teilnehmer ein Ende der so genannten Kriminalisierung und politischen Verfolgung der Kurden in Deutschland. Wie vom Vorstand der YEK-KOM in seiner Planung angekündigt, schlossen viele YEK-KOM-Mitgliedsvereine am 21. August ihre Räumlichkeiten und organisierten themenbezogene Infostände und Demonstrationen. Auf die Verhaftungen von KONGRA-GEL-Funktionären sowie die Protestvorgaben der YEK-KOM reagierten Kurden in Magdeburg und Halle durch das Anbringen von Transparenten mit dem Schriftzug "Wir protestieren gegen die Kriminalisierung und politische Verfolgung der Kurden in Deutschland!" an den Außenfassaden der von den Vereinen "Kurdisch-Deutscher Kulturverein Magdeburg e. V." und "Mezoptamien Kultur Haus e. V." (Halle) genutzten Gebäude. Zum Jahrestag der Ausweisung ÖCALANs aus dem syrischen Exil am 9. Oktober 199840 wurden durch Anhänger des KONGRA-GEL am 7. und 8. Oktober demonstrative Aktionen unter anderem in Dortmund, Düsseldorf, Köln (alle Nordrhein-Westfalen) und Halle durchgeführt. Etwa 100 Personen beteiligten sich am 7. Oktober in Halle an einer vom "Mezopotamien Kultur Haus e. V." organisierten, friedlich und störungsfrei verlaufenen Demonstration unter dem Motto "Ermordung von Kindern in der Stadt Diyarbakir41 in Kurdistan. Gegen den internationalen Komplott von ÖCALAN". Teilnehmer führten Fahnen und Bildnisse ÖCALANs mit. 40 Nach Auffassung des KONGRA-GEL markiert der 9. Oktober 1998 den Beginn eines so genannten internationalen Komplotts, das zur Festnahme Abdullah ÖCALANs in Kenia und dessen Verurteilung in der Türkei führte. 41 Am 12. September kamen bei einer Bombenexplosion in der türkischen Stadt Diyarbakir zehn Personen - darunter sieben Kinder - ums Leben. 79 AUSLÄNDEREXTREMISMUS In Europa beteiligten sich Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten des KONGRA-GEL am 25. und 26. November an Gedenkveranstaltungen zur Gründung der ehemaligen PKK. Die "Yeni Özgür Politika" berichtete in ihrer Ausgabe vom 19. Dezember unter der Überschrift "Feier zum PKK-Jahrestag in Halle", dass anlässlich des Jahrestages der Gründung der PKK insgesamt etwa 350 Kurden an einer Veranstaltung teilnahmen. Der Artikel informiert, dass über die Bedeutung der PKK für das kurdische Volk der Vorsitzende des "Kurdistan Nationalkongresses" (KNK) Ali YIGIT referierte. Strafund Gewalttaten Im Bereich des Ausländerextremismus bewegt sich die Anzahl der bekannt gewordenen Strafund Gewalttaten weiterhin auf niedrigem Niveau.42 42 Siehe Statistik Seite 118f. Für die Erfassung von Straftaten ist der Polizeibereich federführend zuständig. 80 SPIONAGEABWEHR V. SPIONAGEABWEHR Allgemeines Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein Schwerpunkt der Spionagetätigkeit der Nachrichtendienste zahlreicher fremder Staaten. Nach wie vor entfalten die Nachrichtendienste der Russischen Föderation die diesbezüglich intensivsten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Weitere starke Spionagetätigkeiten gingen von der Republik Belarus (Weißrussland) aus. Über die beiden genannten Länder hinaus sind jedoch auch weitere Staaten aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Deutschland nachrichtendienstlich präsent und aktiv. Darüber hinaus gehen entsprechende Aktivitäten von Staaten aus dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten aus. Hier sind insbesondere der Iran, Syrien, Nordkorea und ganz besonders die Volksrepublik China anzuführen. Nachrichtendienste fremder Staaten sind in unterschiedlicher Personalstärke an den amtlichen und halbamtlichen Vertretungen ihrer Länder in Deutschland präsent. Ihre dort als "Diplomaten" oder "Journalisten" auf Tarndienstposten in den so genannten Legalresidenturen eingesetzten Mitarbeiter betreiben entweder selbst - offen oder verdeckt - Informationsbeschaffung oder leisten Unterstützung bei nachrichtendienstlichen Operationen, die direkt von den Zentralen der Dienste in den Heimatländern geführt werden. Gelingt es der Spionageabwehr, solchen "Diplomaten" statuswidrige Aktivitäten nachzuweisen, kann dies zur Ausweisung der betreffenden Personen aus Deutschland führen. Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste zielen darauf ab, Informationen aus den klassischen Schwerpunkten der Spionage wie Politik, Wirtschaft und Militär zu gewinnen oder den technologi81 SPIONAGEABWEHR schen Abstand ihrer Länder zu den führenden Industrienationen zu verringern. Entsprechend gewinnt die Industrieund Wirtschaftsspionage zunehmend an Bedeutung, zumal auf diesem Wege Kosten und Zeit für eigene technologische Entwicklungen eingespart werden. Zur Umsetzung ihrer Ziele versuchen solche fremden Nachrichtendienste, ausgewählte und für sie interessante Personen anzusprechen, um sie für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen. Die Kontaktaufnahme (Ansprache) erfolgt sehr häufig legendiert. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Zielpersonen häufig zunächst nicht über die wahren Hintergründe sowie die Tatsache, dass es sich bei ihrem Gesprächspartner um einen Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes handelt, informiert sind. Für eine Ansprache gefährdet sind insbesondere Personen, die ursprünglich aus den Herkunftsländern der fremden Dienste stammen, mittlerweile jedoch in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind. Bei Ablehnung einer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit wird den betreffenden Personen oder ihren in der Heimat lebenden Angehörigen oftmals mit Repressalien gedroht. Auch Bundesbürger gelangen in das Visier solcher Nachrichtendienste. Möglichkeiten der Ansprache bieten sich für die fremden Nachrichtendienste insbesondere im Zusammenhang mit Reisen in deren Herkunftsländer. Dort - auf eigenem Territorium - können diese Nachrichtendienste deutlich offensiver agieren. Durch die Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas wird insbesondere die zielgerichtete und intensive Ausspähung solcher Personen und Organisationen betrieben, die in Opposition zu den jeweiligen Regierungen ihrer Heimatländer stehen. Das nach wie vor bestehende Verlangen des Iran, in den Besitz von Nukleartechnologie zu kommen, ist beispielhaft für das nach wie vor hohe Interesse einiger Problemstaaten, sich atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen zu verschaffen. Auch 82 SPIONAGEABWEHR zur Verfolgung dieses Ziels setzen die entsprechenden Staaten ihre Nachrichtendienste ein. Nachrichtendienste der Russischen Föderation Obwohl sich das politische Verhältnis zur Russischen Föderation weiter positiv entwickelt, halten die Aufklärungsaktivitäten der russischen Nachrichtendienste in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland unvermindert an. Dies verdeutlicht, dass die russische Regierung offensichtlich keinen Widerspruch zwischen politischer Annäherung und der eigenen Spionagetätigkeit sieht. Das anhaltende und nachhaltige Interesse an Informationen aus der Bundesrepublik belegt auch die Tatsache, dass Russland einen großen Teil seiner mit der Auslandsaufklärung betrauten Nachrichtendienstangehörigen in Deutschland einsetzt. Die im Jahr 2003 eingeleitete Reorganisation der russischen Nachrichtendienste, die gleichzeitig eine deutlich erkennbare Festigung der Position der Geheimdienste in Staat und Gesellschaft mit sich brachte, scheint nunmehr abgeschlossen. Eine nennenswerte strukturelle Veränderung konnte im Berichtszeitraum nicht festgestellt werden. Nachdem in der Vergangenheit das KGB dezentralisiert wurde, kehrte die Russische Föderation zumindest in Teilbereichen zu einer Zentralisierung der Nachrichtendienste nach sowjetischem Vorbild zurück. Tragendes Element der staatlichen Sicherheitsstruktur ist der FSB (Federalnaja Sluschba Besopasnosti) mit etwa 350.000 Mitarbeitern. Beim FSB handelt es sich um den Inlandsnachrichtendienst Russlands, durch den vor allem eine intensive Kontrolle des Internets und des Fernmeldeverkehrs erfolgt. Zu den Aufgaben des FSB zählt auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus. So genannte Antiterroroperationen in Tschetschenien und im Nordkaukasus erfolgen daher unter der Führung des FSB und mit den von ihm unterhaltenen Truppen. Der FSB ist auch für die Kontrolle ein83 SPIONAGEABWEHR und ausreisender Personen zuständig. In diesem Zusammenhang wurde ihm im Rahmen der 2003 eingeleiteten Reorganisation der Schutz der Staatsgrenze übertragen. Der SWR (Sluschba Wneschnej Raswedkij) ist der zivile Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation. Seine Personalstärke beträgt etwa 13.000 Mitarbeiter. Neben der Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik wurden dem SWR auch Aufgaben im Bereich der Fernmeldeaufklärung übertragen. Eine generelle Aufgabenstellung des SWR ist die personelle und methodische Aufklärung westlicher und hier vor allem bundesdeutscher Nachrichtendienste. Neben dem entwickelt auch die GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije), der militärische Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation, Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die GRU untersteht dem russischen Verteidigungsministerium und besteht aus etwa 12.000 Mitarbeitern. Die GRU betreibt insbesondere die Aufklärung der Bundeswehr, des westeuropäischen Verteidigungsbündnisses sowie der NATO. Darüber hinaus besteht ein starkes Interesse an Informationen über militärisch nutzbare Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Rüstungsindustrie. Russische Nachrichtendienste versuchen gezielt, deutschstämmige Spätaussiedler für eine geheimdienstliche Agententätigkeit zu gewinnen. Weitere Informationen werden durch die Befragung von Landsleuten gewonnen, die sich aus beruflichen Gründen zeitweise in Deutschland aufhielten. Als Beispiel sei hier die Befragung von in Deutschland studierenden russischen Studenten nach Rückkehr in ihre Heimat genannt. Es liegen jedoch auch gesicherte Erkenntnisse dafür vor, dass die russischen Nachrichtendienste versuchen, Kontakte zu früheren so 84 SPIONAGEABWEHR genannten KGB-Helfern43 zu reaktivieren. In diesem Zusammenhang erfolgten durch die Spionageabwehr des Landes SachsenAnhalt im Zusammenwirken mit weiteren Verfassungsschutzbehörden umfangreiche Ermittlungen. Im Rahmen dieser Ermittlungen gelang es, nach über 15 Jahren zahlreiche Informanten des ehemaligen KGB zu identifizieren. Darüber hinaus wurde bekannt, dass es zumindest in einem Fall zu einem erneuten Anbahnungsversuch seitens der russischen Nachrichtendienste gekommen war. Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten Die Strukturen aller Nachrichtendienste der GUS-Staaten basieren im Wesentlichen auf den regionalen Strukturen der ehemaligen sowjetischen Nachrichtendienste, insbesondere des KGB. Sie gleichen zumindest in Bezug auf das bestehende Sicherheitsverständnis weitestgehend denen der russischen Föderation. Unterschiede zeigen sich hauptsächlich in der personellen und materiellen Ausstattung, in der Methodik sowie in der Intensität des Vorgehens. Die meisten dieser Nachrichtendienste entwickeln in Deutschland kaum nennenswerte Aktivitäten. Einzig die Republik Belarus (Weißrussland) betreibt mit ihren an der Botschaft in Berlin und an deren Außenstelle in Bonn eingesetzten Nachrichtendienstangehörigen Informationsbeschaffung. Dies geschieht jedoch weitestgehend offen. Ausländer werden während ihres Aufenthaltes in Weißrussland intensiv überwacht. Dies sollte bei Reisen dorthin in jedem Fall berücksichtigt werden. Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Die Nachrichtendienste dieser Staaten zielen durch ihre Aktivitäten vor allem auf die Aufklärung solcher in der Bundesrepublik Deutschland lebender Personen ab, die in Opposition zu den jeweiligen Re43 Hierbei handelte es sich um speziell beschulte, unter Legende für den damaligen sowjetischen Nachrichtendienst KGB tätige Bürger der ehemaligen DDR. 85 SPIONAGEABWEHR gimen ihrer Heimatländer stehen. Hierzu wird die Aufklärung und Unterwanderung der in Deutschland lebenden Landsleute betrieben. Um entsprechende Personen für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen, wird nicht selten massiver psychischer Druck ausgeübt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere der iranische Nachrichtendienst VEVAK (Vezerate Etala'at Va Amniate Keshvar) sowie die syrischen Dienste zu erwähnen. Letztere haben in Deutschland ein Informantennetz aufgebaut. Nachrichtendienste Chinas und Nordkoreas Die Volksrepublik China gewinnt in der internationalen Politik weiter an Bedeutung. Parallel hierzu entwickelt sich China mit seinem überproportionalen Wirtschaftswachstum und seiner prosperierenden Industrie zu einer der führenden Industrienationen der Welt. Entsprechend hoch ist der Informationsbedarf der chinesischen Staatsführung. Dem tragen die Aktivitäten der chinesischen Nachrichtendienste Rechnung. Die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung obliegt in erster Linie dem Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und dem militärischen Nachrichtendienst (MID), der im Generalstab der Volksbefreiungsarmee angesiedelt ist. Ihr Hauptaugenmerk ist auf die Bereiche Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft gerichtet. Es wird versucht, Kontakt zu entsprechenden Einrichtungen und Personen aufzunehmen. Durch diese Kontakte soll das Wissen der jeweiligen Gesprächspartner unauffällig abgeschöpft und ein möglichst persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Nach hier vorliegenden Erkenntnissen unterliegen vor allem Universitäten, wissenschaftliche Forschungseinrichtungen und sensible oder besonders innovative Unternehmen einer Gefährdung im Hinblick auf die Ausspähung durch chinesische Nachrichtendienste. Das nordkoreanische Regime unterhält sechs Nachrichtendienste sowie weitere Organisationen mit ähnlichen Strukturen und Aufgabenstellungen. 86 SPIONAGEABWEHR Proliferation Unter dem Begriff Proliferation versteht man die Weitergabe von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) und deren Trägersystemen sowie von Mitteln und Know-how zu deren Herstellung an Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. Intensive Proliferationsbestrebungen gibt es in Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens. Aber auch andere an der Proliferation interessierte Staaten werden weiterhin Aktivitäten entwickeln, um an das in westlichen Industrieländern vorhandene Know-how zu gelangen. In diesem Zusammenhang besitzt die Bundesrepublik Deutschland und somit auch Sachsen-Anhalt mit den hier existierenden Unternehmen und Forschungseinrichtungen einen erheblichen Stellenwert. Aufgabe der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes ist es auch, von fremden Geheimdiensten gesteuerte oder durch fremde Staaten mit verdeckten Mitteln und Methoden betriebene Proliferationsvorgänge zu analysieren. Zudem wird durch Informationsweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden im Fall erkannter beabsichtigter illegaler Beschaffung zu deren Verhinderung beigetragen. Die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder unter dem Titel "Proliferation - das geht uns an!" erstellte Broschüre kann im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz abgerufen werden. Die Verfassungsschutzbehörde bietet allen in der gewerblichen Wirtschaft und der Wissenschaft Tätigen eine Sicherheitspartnerschaft an. Ziel dieser Partnerschaft ist es, durch Informationen, ver87 SPIONAGEABWEHR trauensvollen Dialog und Sensibilisierung Wirtschaftsspionage sowie Proliferation zu erkennen und letztlich zu verhindern. Mitarbeit der Bevölkerung Eine wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich. Die Verfassungsschutzbehörde des Landes SachsenAnhalt geht daher Hinweisen auf die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste nach und bittet alle Bürgerinnen und Bürger, die von derartigen Sachverhalten Kenntnis haben oder von fremden Nachrichtendiensten zur Mitarbeit aufgefordert wurden, ihr Wissen im Interesse unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der eigenen Sicherheit weiterzugeben. Dies gilt auch für diejenigen, die bereits im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Ihnen kann geholfen werden, sich aus einer ausweglos erscheinenden Situation zu befreien. Die Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht wie die Strafverfolgungsbehörden dem Legalitätsprinzip44 und sind daher nicht in jedem Fall verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden über Hinweise auf Spionagedelikte zu informieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Die Verfassungsschutzbehörde bietet hierzu jederzeit ihre Hilfe an und sichert Vertraulichkeit zu. Die Spionageabwehr der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ist wie folgt zu erreichen: Telefon: 0391/567 3900 Fax: 0391/567 3999 E-Mail: vschutz@mi.sachsen-anhalt.de 44 Legalitätsprinzip: Strafverfolgungsbehörden sind prinzipiell verpflichtet, Straftaten bei Vorliegen ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte zu verfolgen. 88 GEHEIMSCHUTZ VI. GEHEIMSCHUTZ Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder sowie die Bevölkerung selbst müssen sich darauf verlassen können, dass Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden kann, als im staatlichen Interesse geheimzuhaltende Informationen (Verschlusssachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Besondere vorbeugende Maßnahmen, der so genannte personelle und materielle Geheimschutz, sollen dies gewährleisten. Zudem ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der NATO und anderer überoder zwischenstaatlicher Einrichtungen gehalten, bestimmte Sicherheitsnormen zu erfüllen. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt gemäß SS 4 Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) bei Geheimschutzverfahren im Behördenund Wirtschaftsbereich mit. Das Verfahren ist im sachsen-anhaltischen Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA) geregelt.45 Geheimschutz im Behördenbereich Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person zum Zugang zu im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen (Verschlusssachen). Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde 45 Siehe auch Seite 93. 89 GEHEIMSCHUTZ festzustellen, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Position geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden oder auszuschließen. Ferner berät die Verfassungsschutzbehörde in Fragen des Geheimschutzes die Geheimschutzbeauftragten der Ministerien sowie der oberen und mittleren Landesbehörden. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befasst sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern oder zumindest erschweren sollen, dass Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Die Verfassungsschutzbehörde hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen können. Geheimschutz in der Wirtschaft Neben den erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Geheimschutzes in Behörden muss der Staat auch sensible Bereiche der Wirtschaft schützen, die mit der Ausführung geheimhaltungsbedürftiger öffentlicher Aufträge betraut sind. Die Erfahrungen haben auch im Berichtsjahr gezeigt, dass sich die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern auch gegen Wirtschaftsunternehmen richten. Ein wirksames Geheimschutzsystem soll hier gewährleisten, dass die gegen die deutsche Wirtschaft gerichteten Ausspähungsversuche durch gezielte Maßnahmen im vorbeugenden Bereich abgewehrt werden können, um irreparable Schäden zu vermeiden. 90 ALLGEMEINES VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT Rechtliche Grundlagen Die geschichtlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren musste, veranlassten die Verfasser des Grundgesetzes, die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie zu gestalten. Deshalb enthält das Grundgesetz (GG) Schutzvorkehrungen zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: - die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Art. 18 GG), - das Recht, Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) und sonstige Vereinigungen (Art. 9 Abs. 2 GG) zu verbieten, wenn diese darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, - die Unabänderlichkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung wie zum Beispiel des Schutzes der Menschenwürde und fundamentaler Verfassungsgrundsätze (Art. 79 Abs. 3 GG). Die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden ist Ausdruck der Entscheidung des Grundgesetzgebers für eine wehrhafte Demokratie. Er hat dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Art. 73 Nr. 10b und Nr. 10c GG) zugewiesen und ihn zur Einrichtung von Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ermächtigt. 91 ALLGEMEINES Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)46 regelt unter anderem den gemeinsamen Aufgabenrahmen der Verfassungsschutzbehörden und ihre Zusammenarbeit. Das BVerfSchG verpflichtet die Länder zur Einrichtung von Landesbehörden für den Verfassungsschutz. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder als Teil des Ministeriums des Innern oder als selbstständige Landesbehörde organisiert. Seit April 1999 wird die Aufgabe des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt durch eine Abteilung des Ministeriums des Innern wahrgenommen. Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde werden durch das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) geregelt. Das Gesetz ist im Jahr 2005 umfassend novelliert worden und im Februar 2006 in Kraft getreten.47 Die dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)48 eingeräumten erweiterten Auskunftsbefugnisse gegenüber Telekommunikationsunternehmen, Finanzdienstleistern oder Luftfahrtunternehmen sind nunmehr auch landesgesetzlich geregelt und können damit von der hiesigen Landesbehörde für Verfassungsschutz angewandt werden. Das VerfSchG-LSA ermächtigt die Verfassungsschutzbehörde auch zum Einsatz dieser neuen Auskunftsrechte zum Zwecke der Beobachtung des gewaltgeneigten Inlandsextremismus. Zugleich ist das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt (AG G 10-LSA) in novellierter Fassung in Kraft getreten.49 Hierin finden sich die landesrechtlichen Ausfüh46 BGBl. 1990 Teil I, S. 2954, 2970, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Januar 2007 BGBl. 2007 Teil I, S. 2. 47 GVBl. LSA 2006, S. 236, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2006, GVBl. LSA 2006, S. 524. 48 BGBl. 2002 Teil I, S. 361. 49 GVBl. LSA 2006, S. 25; Bundesrecht: Artikel 10-Gesetz - G 10, BGBl. 2001 Teil I, S. 1254, 2298, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Februar 2007, BGBl. 2007 Teil I, S. 106. 92 ALLGEMEINES rungsbestimmungen für Maßnahmen, die in das Grundrecht nach Art. 10 GG eingreifen. Zudem ersetzt das Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA)50 die bisher geltenden Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes (Sicherheitsrichtlinien - SiR-LSA). Aufgaben des Verfassungsschutzes Aufgabe der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und die Auswertung von Informationen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 50 GVBl. LSA 2006, S. 14. 93 ALLGEMEINES 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Im Rahmen des Geheimschutzes und des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes wirkt die Verfassungsschutzbehörde bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen des öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichs mit. Sie berät zudem bei technischen Sicherheitsmaßnahmen. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde zählt auch die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Aufenthalts-, dem Staatsangehörigkeits-, dem Luftsicherheits-, dem Sprengstoffund dem Atomgesetz sowie nach der Bewachungsverordnung. Um im Sinne eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes alle relevanten Erkenntnisse in Bezug auf den islamistischen Extremismus und Terrorismus zentral auswerten zu können, ist das Gemeinsame Informationsund Analysezentrum (GIAZ) geschaffen worden. Im GIAZ arbeiten Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei unter Beachtung des Trennungsgebotes und der für die jeweilige Behörde geltenden Rechtsvorschriften zusammen. Keine polizeilichen Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde hat keine polizeilichen Befugnisse. Ihre Mitarbeiter sind also nicht berechtigt, zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Die Verfassungsschutzbehörde darf auch nicht im Wege der Amtshilfe die Polizei um die Durchführung von Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. 94 ALLGEMEINES Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Wo die offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde unter den Voraussetzungen des SS 8 VerfSchG-LSA nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre und die Freiheitsrechte des Einzelnen darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Ein wichtiges nachrichtendienstliches Mittel ist der Einsatz von Vertrauensleuten (kurz: V-Leuten). Bei V-Leuten handelt es sich um Personen, die gezielt zur verdeckten Beschaffung von Informationen eingesetzt werden. V-Leute sind keine Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde. Die Steuerung extremistischer Gruppierungen oder Organisationen durch V-Leute ist unzulässig. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählt auch die Brief-, Postund Telefonkontrolle. Der hiermit verbundene Eingriff in das Grundrecht nach Artikel 10 GG ist nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes zulässig. Die Verfassungsschutzbehörde ist im Rahmen detaillierter gesetzlicher Regelungen befugt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, sowie die dem Briefoder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.51 51 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) BGBl. 2001 Teil I, S. 1254, 2298, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Februar 2007, BGBl. 2007 Teil I, S. 106 i. V. m. AG G 10-LSA, GVBl. LSA 2006, S. 25. 95 ALLGEMEINES Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und unter engen rechtlichen Voraussetzungen den so genannten IMSI-Catcher einsetzen, mit dem die Geräteund die Kartennummer sowie der Standort eines Mobiltelefons ermittelt werden können. Datenschutz Zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erhobene personenbezogene Daten sind nach den einschlägigen Datenschutzvorschriften, insbesondere den im Verfassungsschutzgesetz enthaltenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten nicht unbefristet oder auf Vorrat speichern. War eine Speicherung in einer Datei unzulässig oder ist die Kenntnis der gespeicherten Daten zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, ist eine Löschung vorzunehmen. In diesem Fall sind zugleich die zur Person geführten Akten zu vernichten. Daten von Minderjährigen unterliegen besonderen Schutzbestimmungen (SSSS 10, 21 VerfSchG-LSA). Personenbezogene Daten dürfen nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen an Dritte übermittelt werden. So übermittelt die Verfassungsschutzbehörde den Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Datenübermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von gravierenden Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Auskunftserteilung Jedermann kann unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten beantragen. Die Verfassungsschutzbehörde ist nach SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Die Auskunft hat jedoch zu unterbleiben, wenn bestimmte, im Gesetz geregelte Ausschlussgründe vorliegen. Ein solcher Ausschlussgrund ist beispielsweise gegeben, wenn durch die Auskunftserteilung eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde drohen würde. 96 ALLGEMEINES Kontrolle Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK)52 wahr. Hiervon bleiben die anderen Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse unberührt. Die Landesregierung hat diese Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Die aus Abgeordneten des Landtages bestehende PKK tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Grundsätzlich hat die PKK das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. In den Fällen der oben dargestellten Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz53 und der Wahrnehmung von Auskunftsbefugnissen im Sinne des Terrorismusbekämpfungsgesetzes54 sowie im Falle des Einsatzes des IMSI-Catchers55 erfolgt die Kontrolle durch ein eigens dafür eingesetztes Gremium, die G 10-Kommission. Deren Kontrollbefugnis erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Verarbeitung und Nutzung der erlangten personenbezogenen Daten. Zusätzlich wird die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Landesrechnungshof und die Gerichte kontrolliert. Schließlich unterliegt die Verfassungsschutzbehörde einer faktischen Kontrolle durch die Berichterstattung der Medien und die öffentliche Meinung. 52 Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt vom 16. November 2006 (GVBl. LSA, S. 524) wurde die Anzahl der Kommissionsmitglieder von bislang drei auf nunmehr vier Abgeordnete des Landtages von Sachsen-Anhalt erhöht. 53 Siehe Seite 95. 54 Siehe Seite 92. 55 Siehe Seite 96. 97 ALLGEMEINES Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Durch ihre Öffentlichkeitsarbeit leistet die Verfassungsschutzbehörde einen wichtigen Beitrag in der geistig-politischen Auseinandersetzung mit extremistischem und terroristischem Gedankengut und dient damit dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Regierung und Parlament, aber auch die Bürger werden durch den Verfassungsschutz über die Aktivitäten und Absichten der verfassungsfeindlichen Organisationen informiert. Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde halten Vorträge über - die Institution des Verfassungsschutzes und - offen verwertbare Ergebnisse der nachrichtendienstlichen Facharbeit. Der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient der Verfassungsschutzbericht. Die Verfassungsschutzberichte der letzten fünf Jahre können im Internet unter der Adresse www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz heruntergeladen werden. 98 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) In der Fassung der Bekanntmachung vom 6. April 2006 (GVBl. LSA S. 236), geändert durch Gesetz vom 16. November 2006 (GVBl. LSA S. 524) Inhaltsübersicht Erster Teil: ORGANISATION UND AUFGABEN SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Organisation und Zusammenarbeit SS 3 Bedienstete und Mitarbeiter SS 4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Begriffsbestimmungen Zweiter Teil: ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Besondere Formen der Datenerhebung SS 9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten SS 13 (weggefallen) Dritter Teil: AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person Vierter Teil: INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten 99 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an die Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 20 Übermittlungsverbote SS 21 Minderjährigenschutz SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird SS 23 Nachberichtspflicht SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Fünfter Teil: PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission SS 25 Zusammensetzung und Wahl SS 26 Verfahrensweise SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 29 Datenerhebung bei Mitgliedern des Landtages Sechster Teil: SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger SS 30a Einschränkung von Grundrechten SS 30b Sprachliche Gleichstellung SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Erster Teil ORGANISATION UND AUFGABEN SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Er hat die Landesregierung und andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch sollen diese Stellen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können. (3) Er hat auch die Öffentlichkeit über seine Aufgabenfelder zu unterrichten. 100 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ SS2 Organisation und Zusammenarbeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Ministerium des Innern. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Abteilung. (2) Die für Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr. (3) Sie ist verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund und den Ländern zusammenzuarbeiten. (4) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. SS3 Bedienstete und Mitarbeiter (1) Die Mitarbeiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern haben sich einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes zu unterziehen, welches insbesondere auf Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für nationale Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik überprüft und in das der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einbezogen wird. (2) Personen, die dem Repressionsapparat der Deutschen Demokratischen Republik angehörten, insbesondere hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, Mitarbeiter der Abteilung I der Kriminalpolizei und ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dürfen nicht mit Aufgaben des Verfassungsschutzes betraut werden; Personen mit Offiziersrang der bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen Republik dürfen Aufgaben des Verfassungsschutzes nur in zu begründenden Ausnahmefällen übertragen werden. SS4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 101 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Es gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 102 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c) das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt konkretisierten Menschenrechte. Zweiter Teil ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, 103 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. (2) Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 4 Abs. 1. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informationen verdeckt erheben. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. (4) Die Behörden des Landes sind verpflichtet, den Verfassungsschutzbehörden technische und verwaltungsmäßige Hilfe für Tarnmaßnahmen zu leisten. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. (6) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Die betroffene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 4 Abs. 2 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS8 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn die Daten nicht auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise erhoben werden können. Die Anwendung 104 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben einzelner Personen unerlässlich ist und geeignete verwaltungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in einer Wohnung. Die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel nach Satz 1 und 2 trifft der Richter. Bei Gefahr im Verzug kann der Minister des Innern oder der Staatssekretär im Ministerium des Innern einen solchen Einsatz anordnen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf längstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als weitere drei Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. Ein Eingriff nach Satz 1 oder 2 ist der betroffenen Person nach seiner Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffes ausgeschlossen werden kann. (3) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen für den Verfassungsschutz tätigen Personen vorgesehen, kann der Minister des Innern oder eine von diesem beauftragte Person deren Einsatz anordnen. Eine anderweitige Verwendung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (4) Zuständiges Gericht für Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 ist das Amtsgericht am Sitz der Verfassungsschutzbehörde. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (5) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über die nach Absatz 2 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 3 angeordneten Maßnahmen. (6) Gegen Unbeteiligte dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt angewendet werden. SS9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien und Akten speichern, verändern und nutzen, wenn 105 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. die Verfassungsschutzbehörde nach SS 4 Abs. 2 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 Abs. 2 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. (3) Die Speicherung von Informationen aus der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Personen in Dateien ist unzulässig. (4) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten und amtseigenen Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Speicherung in gemeinsamen Dateien im Sinne des SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818, 1921), ist nicht zulässig. Unter den Voraussetzungen des SS 9 darf die Verfassungsschutzbehörde Daten über Minderjährige vor Vollendung des 14. Lebensjahres in Akten speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239, 241), genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Abs. 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die zu ihrer Person 106 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ geführten Akten zu vernichten. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 oder 5 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden und die Daten für ihre künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. SS 13 Dateianordnungen (weggefallen) Dritter Teil AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt der betroffenen Person über zu ihrer Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die von der betroffenen Person nach Satz 1 mitgeteilten Informationen dürfen nur zum Zwecke der Prüfung des Auskunftsbegehrens verwendet werden. 107 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftserteilung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist die betroffene Person auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Ministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die betroffene Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Landesbeauftragte kann die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich für ihn im Einzelfall Beanstandungen ergeben, eine Auskunft an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. Vierter Teil INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten (1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. 108 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (2) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Öffentlichkeit periodisch und aus gegebenem Anlass im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (3) Es darf dabei auch personenbezogene Daten bekannt geben, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppen erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten (1) Werden öffentliche Stellen, die nicht Nachrichtendienste sind, um Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur die Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. (2) Absatz 1 gilt nicht für Ersuchen um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Soweit nach anderen Rechtsvorschriften ein Übermittlungsersuchen durch den Behördenleiter zu stellen ist oder von seiner Ermächtigung abhängt, gilt als Behördenleiter der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern. SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen (1) Öffentliche Stellen im Sinne von SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger unterrichten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 4 und 5 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus von sich aus der Verfassungsschutzbehörde auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. 109 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (3) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei sowie andere Behörden übermitteln auf Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde die zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen werden durch die Verfassungsschutzbehörde aktenkundig gemacht. Unter den gleichen Voraussetzungen darf die Verfassungsschutzbehörde 1. Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder die betroffene Person unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf die Verfassungsschutzbehörde bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat die Verfassungsschutzbehörde einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die der Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 2 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (7) Übermittelte Informationen hat die Verfassungsschutzbehörde eigenständig zu bewerten. SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Der Verfassungsschutzbehörde stehen die in SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes geregelten Befugnisse unter den dort genannten Voraussetzungen zu. (2) Die Entscheidung über die Einholung von Auskünften nach SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes trifft die Verfassungsschutzbehörde. 110 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (3) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die G 10-Kommission nach SS 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes über die beabsichtigten Maßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die Verfassungsschutzbehörde den Vollzug der Entscheidung auch vor Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. Entscheidungen über Auskunftsersuchen, die die G 10-Kommission für nicht notwendig oder unzulässig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. (4) Die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 1 erlangten personenbezogenen Daten. Für die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. Für die Mitteilung an den Betroffenen ist SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgabe nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, Auskünfte entsprechend SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes einholen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend. (6) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, sowie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. Die Absätze 2 bis 4 und 7 gelten entsprechend. Zum 31. Dezember 2008 ist eine Evaluierung der Maßnahmen durch die Verfassungsschutzbehörde durchzuführen und dem Landtag vorzulegen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung der Absätze 1 und 5. Dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5 zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag von Sachsen-Anhalt jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie über Art, Umfang und Anordnungsgründe der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5; dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. 111 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (8) Das Ministerium des Innern unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes über die nach Absatz 1 durchgeführten Maßnahmen nach Maßgabe des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. (2) Auf Anfragen der Einstellungsbehörden erteilt der Verfassungsschutz auch Auskünfte zur Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben. Die Auskunft ist beschränkt auf gerichtsverwertbare Tatsachen aus vorhandenen Unterlagen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere wegen der Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen ihrer Aufgaben nach SS 4 personenbezogene Daten an andere Stellen übermitteln, soweit dies für die Erhebung personenbezogener Daten erforderlich ist. Im Übrigen dürfen personenbezogene Daten an andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ferner zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten einer fremden Macht erforderlich ist und das Ministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. 112 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, der Polizei von sich aus die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. (2) Delikte nach Absatz 1 sind 1. die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. alle Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, a) dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, b) dass es sich um Bestrebungen handelt, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b und c des Grundgesetzes). (3) Die Polizei darf zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 2 die Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen erforderlich ist (SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes). SS 20 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Teils unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere bei Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre, und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 113 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen, insbesondere wenn die Informationen zu löschen waren. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 21 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres aus nicht zur Person geführten Akten dürfen an ausländische, überoder zwischenstaatliche Stellen nicht übermittelt werden. SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird Der Dritte, an den übermittelt wird, prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren und in den Akten entsprechend zu kennzeichnen. SS 23 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Dritten, an den die Daten übermittelt wurden, zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Für die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung und den anderen Abteilungen des Ministeriums des Innern gelten die SSSS 16 bis 23 entsprechend. 114 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Fünfter Teil PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterliegt auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission wahr. (2) Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. SS 25 Zusammensetzung und Wahl (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus vier Abgeordneten des Landtages. Der größten Oppositionsfraktion steht ein Sitz in der Kontrollkommission zu. (2) Der Landtag wählt die Mitglieder der Kommission sowie die gleiche Zahl von Stellvertretern mit der Mehrheit seiner Abgeordneten. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. (4) Scheidet ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus dem Landtag aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Kommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder ein neues stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus der Kommission ausscheidet. SS 26 Verfahrensweise (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Kommission. Die Pflicht zur Geheimhaltung gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Die Kommission tritt mindestens vierteljährlich, zusätzlich auf Antrag eines Mitgliedes zusammen. (3) Sie wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und Protokolle von den Mitgliedern der Kommission und ihren Stellvertretern eingesehen werden können. 115 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört auch das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Sie berichtet auch über den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Verfassungsschutzbehörde werden der Kommission zur Mitberatung zugeleitet. Die Landesregierung unterrichtet die Kommission über den Vollzug der Wirtschaftspläne im Haushaltsjahr. Die Kommission hat das Recht, von sich aus Sachverhalte aufzugreifen. (2) Die Kommission hat auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. Der Minister des Innern kann einem bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn es im Einzelfall die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erheblich gefährden würde; er hat dies vor dem Ausschuss schlüssig zu begründen. Die besonderen Rechte parlamentarischer Untersuchungsausschüsse bleiben unberührt. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über ihre bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (4) Die Kontrolle der Durchführung des Artikel 10-Gesetzes obliegt der G 10-Kommission. Das Nähere wird durch das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes geregelt. SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Die Parlamentarische Kontrollkommission hat auf Antrag eines Mitgliedes den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, die die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen. Die Befugnisse des Landesbeauftragten richten sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger. SS 29 Datenerhebungen bei Mitgliedern des Landtages (1) Setzt die Verfassungsschutzbehörde nachrichtendienstliche Mittel gegen ein Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt ein, hat der Minister des Innern die Parlamentarische Kontrollkommission und den Präsidenten des Landtages unverzüglich hiervon zu unterrichten. 116 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (2) Im Falle des Absatz 1 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Sechster Teil SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 4 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 9 bis 13, 15, 16 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger keine Anwendung. SS 30a Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf 1. Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 2. Schutz personenbezogener Daten (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 3. Schutz des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) eingeschränkt werden. SS 30b Sprachliche Gleichstellung Personenund Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form. SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Satz 1 betrifft das In-Kraft-Treten. SS 17a Abs. 6 tritt am 30. Juni 2009 außer Kraft. 117 STATISTIK STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK56 Vorbemerkung: Bei den statistischen Angaben zu den Strafund Gewalttaten handelt es sich um Zahlen, die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes "Politisch motivierte Kriminalität" zu übermitteln sind. Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem, das die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) am 10. Mai 2001 beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2001 eingeführt hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog erfasst und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkriminalität) zugeordnet. Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat. Der extremistischen Kriminalität - als Teilmenge der politisch motivierten Kriminalität - werden Straftaten zugerechnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in den Phänomenbereichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechtsund Politisch motivierte Ausländerkriminalität insgesamt 1.53657 (Vorjahr: 1.372) Straftaten registriert. Diese verteilen sich wie folgt: 56 Alle in dieser Statistik aufgeführten Daten entsprechen dem Stand 31. Januar 2007. 57 124 Delikte konnten bisher keinem Phänomenbereich zugeordnet werden, so dass sie bei der Darstellung der Strafund Gewalttaten unberücksichtigt geblieben sind. 118 STATISTIK Politisch motivierte Straftaten 2005 2006 nach Phänomenbereich -rechts1.130 1.240 -links222 291 Ausländerkriminalität 20 5 Davon waren: Extremistische Straftaten 2005 2006 nach Phänomenbereich -rechts1.100 1.198 -links161 164 Ausländerkriminalität 18 4 Politisch motivierte Gewalttaten 2005 2006 nach Phänomenbereich -rechts116 122 -links65 70 Ausländerkriminalität 4 4 Von den genannten politisch motivierten Gewalttaten waren: Extremistische Gewalttaten 2005 2006 nach Phänomenbereich -rechts107 111 -links61 57 Ausländerkriminalität 3 3 Fremdenfeindliche und antisemitische 2005 2006 Straftaten im Phänomenbereich -rechts-58 Fremdenfeindliche Straftaten 136 163 Antisemitische Straftaten 74 54 58 Mit Umstellung der statistischen Erfassung zum 1. Januar 2001 kann es zur Doppelerfassung einer Straftat als fremdenfeindliche und als antisemitische Straftat kommen. 119 STICHWORTVERZEICHNIS A Al-Qaida 63 Antifa 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63 Antifa Infoportal 59 Antifaschismus/antifaschistisch 18, 55, 56, 57, 58, 60, 61, 72 Antifaschistische Aktion 57 Antifaschistisches Infoportal 56 Anti-Kapitalismus-Kampagne 22, 25, 28 Antirassismus 63, 66 Antirassistische Initiative e. V. (ARI) (Berlin) 64 Antisemitismus/antisemitisch 8, 14, 37, 39, 57, 63, 119 APPELT, Mirko 30 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 77, 80 Aschersleben 54, 72 Auskunftserteilung 96, 108 Ausländerextremismus 75, 80 Autonome 55, 56, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 66 Autonomenszene 3, 56, 57, 58, 59, 62, 63, 72 AYATA, Muzaffer 78 B Bad Kösen (Burgenlandkreis) 36, 45, 46 BADY, Matthias 17, 18, 19, 31 BAUER, Jens 45 Bayreuth (Bayern) 38 Berlin 3, 14, 33, 43, 44, 49, 54, 60, 64, 65, 66, 73, 75, 85 Bernburg 2, 12, 18, 24, 26, 34, 35, 36, 48, 50, 67, 72 Billroda (Burgenlandkreis) 45 Bitterfeld 29, 31, 35, 47, 51, 60, 65, 72 Blood & Honour (B&H) 10, 11, 12, 15 BLÖTH, Michael 69 Bobbau (Landkreis Bitterfeld) 35 Brandenburg 16, 22, 25, 31, 32, 35, 39, 43 120 STICHWORTVERZEICHNIS Bundesgerichtshof (BGH) 78 Bundesministerium des Innern (BMI) 77 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) 92, 106, 110, 111, 112, 113 C Chemnitz (Sachsen) 60 Civil Disorder (Szeneband) 13 D Datenschutz 96, 97, 100, 107, 108, 116 Dessau 7, 29, 30, 35, 38, 46, 51, 64, 65, 68, 72 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 3, 66, 67, 68, 69, 70, 74 Deutsche Partei (DP) 5, 42 Deutsche Volksunion (DVU) 1, 2, 5, 38, 42, 43, 51, 52, 62 Deutsches Kolleg (DK) 39 Die Republikaner (REP) 5, 42 Die Rote Fahne (DRF), (Publikation) 67 DONALDSON, Ian Stuart 10 Dortmund (Nordrhein-Westfalen) 79 Dresden 24, 30, 44 Drewitz (Landkreis Jerichower Land) 28 Duisburg (Nordrhein-Westfalen) 68, 78 Düsseldorf 79 E Eisleben (Landkreis Mansfelder Land) 8, 36, 72 ERDOGAN, Riza 78 Exilregierung Deutsches Reich 53, 54 ENGEL, Stefan 71 121 STICHWORTVERZEICHNIS F Freie Kräfte 18, 20, 27 Freie Nationalisten 20, 22, 23, 25, 26, 35 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 77 Fremdenfeindlich 8, 12, 49, 119 FREY, Dr. Gerhard 51 G G 10-Kommission 97, 111, 116 Gardelegen 25 Geheimschutz 89, 90, 93, 94, 101, 102 Gemeinsames Informationsund Analysezentrum (GIAZ) 76, 94 Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) 3, 75 Gerwisch (Landkreis Jerichower Land) 8, 28 Gewalttaten 3, 6, 7, 8, 55, 56, 59, 80, 118, 119 Globalisierung 19, 21, 22, 25, 28, 50, 72, 73 Görlitz (Sachsen) 10 Grabow (Landkreis Jerichower Land) 28 Grundgesetz (GG) 53, 75, 91, 93, 95, 102, 103, 104, 113, 117 Gruppe 6, 8, 13, 14, 17, 18, 19, 23, 24, 28, 29, 30, 31, 35, 36, 39, 45, 46, 56, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 65, 68, 70, 71, 72, 74, 76, 78, 109 Gruppe Internationale Solidarität (GIS) 56, 63, 64, 74 H Halbe (Brandenburg) 25, 31, 32 Halberstadt 9, 24, 25, 35, 36, 46, 50 Haldensleben (Ohrekreis) 27, 29, 72 Halle 2, 3, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 31, 33, 34, 35, 46, 48, 51, 56, 59, 60, 65, 66, 67, 68, 70, 71, 72, 78, 79, 80 Hamburg 32, 39, 44 Hammerskinheads 11 122 STICHWORTVERZEICHNIS Hate Soldiers (Szeneband) 13 Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) 73 HESS, Rudolf 14, 25, 30, 32, 33, 36 Hettstedt (Landkreis Mansfelder Land) 51 HEYDER, Matthias 45, 46, 50 HILBERT, Friedrich 54 Hisbollah 50, 63 HITLER, Adolf 12, 13, 14, 20, 36 Holocaust 30, 39, 40 Hoyerswerda (Sachsen) 24, 25 HUPKA, Steffen 32 I Internet 11, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 30, 34, 37, 38, 40, 41, 46, 47, 49, 50, 52, 59, 60, 73, 83, 87, 98 IRVING, David 39 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 63 Islamisten/islamistisch 3, 4, 75, 76, 94 J JACOBS, Lars 32 JALLOH, Oury 64, 65 Jena (Thüringen) 33 Jugend-Antifa Harz (JAH) 56, 57, 60 Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) 30 Junge Nationaldemokraten (JN) 2, 5, 18, 22, 23, 34, 47, 61 K Kameradschaft 2, 19, 20, 23, 27, 28, 29, 30, 34, 37, 45, 46, 48 KARL, Andreas 45, 46, 47, 52 Kemberg (Landkreis Wittenberg) 8 123 STICHWORTVERZEICHNIS Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) 25, 26, 34, 35 KNOP, Ingmar 38, 52 Köln (Nordrhein-Westfalen) 20, 79 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) 3, 66, 67, 68, 69 KONGRA-GEL 4, 76, 77, 78, 79, 80 Konzerte 1, 6, 10, 11, 12, 15, 16, 22, 30 KORNTREFF, Ina 71 Köthen 8, 26, 35 Kretzschau (Burgenlandkreis) 36 Kurdistan Nationalkongress (KNK) 80 L Landser (Skinheadband) 8, 15 Leipzig (Sachsen) 18, 32, 54, 59, 61 Linksextremismus 55 Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 3, 66 Linksextremistische Szene 59 M Magdeburg 2, 3, 7, 9, 13, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 31, 46, 48, 50, 51, 54, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 71, 72, 74, 78, 79 MAHLER, Horst 39 Mannheim (Baden-Württemberg) 78 MARX, Enrico 13, 29, 44, 49 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 3, 66, 70, 71, 72 MEENEN, Uwe 39 Merseburg 18, 19, 36, 54, 62, 68, 72 militante gruppe (mg) 65, 66 Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 93, 101, 102 MOLAU, Andreas 38 Mosbach (Thüringen) 54 124 STICHWORTVERZEICHNIS MÜLLER, Annett & Michael 44 N Nachrichtendienstliche Mittel 95, 105, 116 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 1, 2, 5, 8, 11, 17, 18, 20, 21, 22, 24, 31, 35, 36, 37, 38, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 49, 50, 51, 52, 53, 60 Nationaler Beobachter (Szenepublikation) 19, 24 Nationalisten 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 30, 34, 35, 44 Nationalsozialismus 12, 15, 40, 57 Naumburg 16, 65, 66 Neonaziszene 2, 5, 48 Neue Rechte 37 Neugattersleben (Landkreis Bernburg) 12 Neu-Isenburg (Hessen) 78 O Oberlandesgericht (OLG) 16, 65, 66 OBERLERCHER, Dr. Reinhold 39 ÖCALAN, Abdullah 77, 78, 79 OETTLER, Frank 71 Öffentlichkeitsarbeit 18, 98 Ostara 29 Özgür Politika (Publikation) 77, 80 P Parlamentarische Kontrollkommission 97, 100, 105, 108, 111, 115, 116 Pömmelte (Landkreis Schönebeck) 9, 61 Projekt Schulhof 16 Proliferation 87, 88 125 STICHWORTVERZEICHNIS Q Quedlinburg 24, 45 R Rassismus 64 Rebell (Jugendverband der MLPD) 72 Rechtsextremismus 5, 6, 22, 25, 27, 37, 38, 50 Rechtsextremistische Parteien und Vereinigungen 42 Republikaner (REP) 42, 53 RIEGER, Jürgen 44 ROCHOW, Stefan 47 ROHLEDER, Frank 47 ROTHE, Judith 45 RUDOLF, Germar 39 S Salzwedel 25, 30, 35, 59, 61, 68, 70 Samswegen (Ohrekreis) 27 Sangerhausen 2, 13, 29, 36, 44, 45, 48 SCHÄFER, Michael 47, 48, 51 SCHAUB, Bernhard 40 SCHITTKE, Norbert 54 SCHLIERER, Dr. Rolf 42 Schollene (Landkreis Stendal) 35 Schönebeck 2, 9, 23, 24, 25, 26, 30, 34, 48, 50, 61 SelbstSchutz Sachsen-Anhalt 30, 31 SEVEN, Nedim 78 Sicherheitsbehörden 1, 3, 7, 12, 20, 66, 75, 100, 113 Sicherheitsüberprüfung 89, 93, 94, 101, 102, 104, 106 Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz 89, 93, 101 Skinhead 5, 6, 9, 10, 11, 14, 15, 16, 29, 30, 44 126 STICHWORTVERZEICHNIS Skinheadband 9, 14, 15, 44 Skinheadkonzert 6, 16, 30 Skinheadszene 5 Sonnenwendfeier 24, 33, 34 Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) 13, 29, 44, 45 Spionageabwehr 81, 85, 87, 88 Staßfurt 2, 24, 26, 34, 36, 48, 50 STEHR, Heinz 68 Straftaten 1, 3, 6, 7, 26, 55, 65, 80, 88, 106, 110, 113, 118, 119 Strinum (Landkreis Anhalt-Zerbst) 7 Stuttgart (Baden-Württemberg) 14 T Terroranschläge 3, 75 Terrorismus/terroristisch 3, 66, 75, 76, 83, 92, 94, 97, 98, 110 Terrorismusbekämpfungsgesetz 92, 97 Thalheim (Landkreis Bitterfeld) 65 Thor Steinar 63 Tonträger 9, 12, 13, 14, 15, 16 U Unsere Zeit (UZ), (Publikation) 70 V VALENTA, Philipp 18, 51 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten (VRBHV) 40 Verschlusssachen 89 VEVAK (iranischer Nachrichtendienst) 86 V-Leute 95 VOIGT, Udo 44, 47 127 STICHWORTVERZEICHNIS Völkerverständigung 53, 76, 94, 102 Volksverhetzung/volksverhetzend 14, 15, 34, 64 W WALDE, Peter 42 WAUER, Hans 67 Weißenfels 36, 45, 72 Wernigerode 2, 24, 25, 32, 33, 45, 46, 47, 48, 50, 60, 62, 72 Wernigeröder Aktionsfront (WAF) 24 WILLERT, Lutz 16 Wirtschaftsspionage 4, 82, 88 Wittenberg 8, 29, 30, 68 WOHLLEBEN, Ralf 22 Wolfen (Landkreis Bitterfeld) 35, 46, 71, 72 WORCH, Christian 32 WULFF, Thomas 44 Wüllmersen (Altmarkkreis Salzwedel) 70 Wunsiedel (Bayern) 32 Y YEK-KOM 78, 79 YIGIT, Ali 80 Z Zeitz (Burgenlandkreis) 36, 67, 68, 69, 72 Zerbst 7, 8 Zora 9 ZÜNDEL, Ernst 39 128 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AAMD Autonome Antifa Magdeburg AG G 10-LSA Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt AIP Antifaschistisches Infoportal antikap Anti-Kapitalismus-Kampagne ARI Antirassistische Initiative e. V. (Berlin) B&H Blood & Honour BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BMI Bundesministerium des Innern BRD Bundesrepublik Deutschland BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DP Deutsche Partei - Die Freiheitlichen DRF Die Rote Fahne DVU Deutsche Volksunion FAU-IAA Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation FSB Federalnaja Sluschba Besopasnosti (Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation) GfP Gesellschaft für Publizistik GG Grundgesetz GIAZ Gemeinsames Informationsund Analysezentrum GIS Gruppe Internationale Solidarität GRU Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (Militärischer Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten 129 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS GVBl. LSA Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HS Hammerskinheads i. V. m. in Verbindung mit IPIS Institute for Political and International Studies JAH Jugend-Antifa Harz JLO Junge Landsmannschaft Ostpreußen JN Junge Nationaldemokraten KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans KGB Russischer Geheimdienst KNK Kurdistan Nationalkongress KONGRA-GEL Volkskongress Kurdistans KPD/Ost Kommunistische Partei Deutschlands LuK Lernen und Kämpfen MDR Mitteldeutscher Rundfunk MfS Ministerium für Staatssicherheit mg militante gruppe MID Militärischer Nachrichtendienst (China) MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MSS Ministerium für Staatssicherheit (China) NB Nationaler Beobachter NOM National Officers Meetings NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran OLG Oberlandesgericht PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PFLP Volksfront für die Befreiung Palästinas 130 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS PKK Arbeiterpartei Kurdistans REP Die Republikaner RNF Ring Nationaler Frauen SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SSA Skinheads Sachsen-Anhalt StGB Strafgesetzbuch SÜG-LSA Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz im Land Sachsen-Anhalt SWR Sluschba Wneschnej Raswedki (Ziviler Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) USA United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) VerfSchG-LSA Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten VS Verschlusssache WAF Wernigeröder Aktionsfront WOH Weiße Offensive Halle YEK-KOM Föderation kurdischer Vereinigungen in Deutschland e. V. 131