Sachsen-Anhalt Verfassungsschutzbericht 2005 Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Berichtszeitraum 01.01. - 31.12.2005 IMPRESSUM IMPRESSUM HERAUSGEBER: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Halberstädter Straße 2/ am "Platz des 17. Juni" 39112 Magdeburg BEZUGSADRESSE: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Abteilung 5 Zuckerbusch 15 39114 Magdeburg TELEFON: (0391) 567-3900 TELEFAX: (0391) 567-3999 INTERNET: http://www.mi.sachsen-anhalt.de/ verfassungsschutz/ E-MAIL: vschutz@mi.sachsen-anhalt.de DRUCK: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt Merseburger Straße 2 06112 Halle/Saale Hinweis: Die in Anführungszeichen gefassten Textteile wurden - sofern es sich um Zitate handelt - in der Originalschreibweise wiedergegeben. VORWORT VORWORT Unsere Demokratie ist streitbar, sie ist selbstbewusst, und sie setzt sich entschieden gegen ihre Widersacher zur Wehr. Die wichtigste Grundlage für eine lebendige wehrhafte Demokratie legen wir alle gemeinsam: Durch die aktive Ausübung demokratischer Rechte in Staat, Gesellschaft und Arbeitsleben und durch Zivilcourage im Alltag gegen die Feinde der Demokratie. Ein Ausdruck dieser Wehrhaftigkeit ist auch die Arbeit des Verfassungsschutzes, über deren Ergebnisse ich Sie mit diesem Bericht informieren möchte. Die Zahlen und Fakten des Berichtes sprechen eine klare Sprache: Die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren haben wieder zugenommen - vielleicht nicht in einem Umfang, der den Staat existenziell bedroht, ganz sicher aber in einer Art und Weise, die unser demokratisches Gemeinwesen gefährdet, indem sie einzelne Menschen ausgrenzt, diffamiert und - wie auch mitten unter uns geschehen - erniedrigt und misshandelt. Über diese Entwicklungen aufzuklären und ihnen mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten, ist ein erklärtes Ziel der neuen Landesregierung. Neben den reaktiven Möglichkeiten des Innenressorts, also vor allem den polizeilichen Maßnahmen, kommt der Beobachtung des Extremismus durch den Verfassungsschutz eine besondere Bedeutung zu. Durch seine bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen angesiedelte Arbeit konnten im Berichtszeitraum beispielsweise entscheidende Informationen über die Planung von Skinheadkonzerten I VORWORT gewonnen und an die zuständigen Stellen weitergegeben werden. Auf diese Weise ist es gelungen, die Anzahl der Skinheadkonzerte in Sachsen-Anhalt ein weiteres Mal zu reduzieren. Insbesondere im Hinblick auf den gegenläufigen Bundestrend ist dies ein ermutigendes Signal. Der Bericht zeigt ebenso, dass auch im Bereich islamistischer und anderer terroristischer Bedrohungen die Wachsamkeit des Verfassungsschutzes unverzichtbar ist. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts das Informationsangebot dieses Berichtes nutzen und sich einen Überblick über die Gefährdungen verschaffen würden, die dem demokratischen Rechtsstaat durch Verfassungsfeinde unterschiedlicher Ausrichtung drohen. Ihre Strategien und Ziele zu kennen ist Grundlage für die zweifelsohne notwendige breite und öffentliche Diskussion sowie eine geistig-politische Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde gilt mein Dank für die im zurückliegenden Jahr geleistete Arbeit. Sie tun im professionellen Bereich das, was wir alle als unsere Aufgabe begreifen sollten - unsere freiheitliche Verfassung und die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und vor Schaden zu bewahren. Magdeburg, im Juni 2006 Holger Hövelmann Minister des Innern II I N H A LT S V E R Z E I C H N I S VORWORT I. ÜBERBLICK 1 II. RECHTSEXTREMISMUS 5 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN 5 Allgemeines 5 Strafund Gewalttaten 6 Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen 9 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 10 Veröffentlichung strafrechtlich relevanter Tonträger 11 Rechtsextremistische Fanzines 12 Rechtsextremistische Vertriebe 12 RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSENANHALT 14 Rechtsextremistische Szene im Raum Halle-Merseburg 14 Rechtsextremistische Szene im Raum Magdeburg 16 Rechtsextremistische Szene im Harz und im Harzvorland 19 Rechtsextremistische Szene im Raum DessauWittenberg-Bitterfeld 22 Rechtsextremistische Szene Bernburg-Köthen 23 Rechtsextremistische Szene in der Altmark 23 Rechtsextremistische Szene im Jerichower Land 25 Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen 26 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 26 Demonstrationen 26 Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen 28 III I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Aktivitäten zum Heldengedenktag (Volkstrauertag) 30 Sonnenwendfeiern 32 DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") 32 Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) 33 Deutsches Kolleg (DK) 34 Deutsche Akademie (DA) 35 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 35 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 35 Deutsche Volksunion (DVU) 42 Deutsche Partei Die Freiheitlichen (DP) 44 Die Republikaner (REP) 44 Exilregierung Deutsches Reich 45 III. LINKSEXTREMISMUS 48 AUTONOME 48 Selbstverständnis 48 Strafund Gewalttaten 48 Überblick und Entwicklungstendenzen 49 Spezifische Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt 51 Linksextremistische Einflussnahme auf die AntiAtomkraftbewegung 62 Linksextremistische Einflussnahme auf die AntiGlobalisierungsbewegung 63 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN 64 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 65 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) 66 IV I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 67 Kommunistische Plattform der PDS (KPF) 69 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) 71 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 72 Allgemeines 72 Islamismus und internationaler Terrorismus 73 Prozesse und Urteile im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland 80 Gefährdungslage 81 Islamistische Organisationen 82 Kurdische und türkische linksextremistische Organisationen 85 Strafund Gewalttaten 90 V. SPIONAGEABWEHR 91 Allgemeines 91 Nachrichtendienste der Russischen Föderation 92 Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten 93 Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas 93 Nachrichtendienste Chinas und Nordkoreas 94 Proliferation 94 Mitarbeit der Bevölkerung 95 VI. GEHEIMSCHUTZ 97 Allgemeines 97 Geheimschutz im Behördenbereich 97 Geheimschutz in der Wirtschaft 98 V I N H A LT S V E R Z E I C H N I S VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 99 Rechtliche Grundlagen 99 Aufgaben des Verfassungsschutzes 101 Keine polizeilichen Befugnisse 102 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit 103 Datenschutz 104 Auskunftserteilung 104 Kontrolle 105 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 105 VIII. ANHANG 107 - GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IM LAND SACHSEN-ANHALT (VerfSchG-LSA) 107 - STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK 127 - STICHWORTVERZEICHNIS 129 - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 139 VI ÜBERBLICK I. ÜBERBLICK Das rechtsextremistische Personenpotenzial nahm im Berichtszeitraum zu. Gleichzeitig stieg die Anzahl der politisch motivierten Straftaten im Bereich Rechtsextremismus an. Letzteres ist insbesondere auf das überproportionale Anwachsen der so genannten Propagandadelikte zurückzuführen. Eine Vielzahl von ihnen steht im Zusammenhang mit dem Tragen von Kleidung mit dem erst seit Ende 2004 verbotenen "Thor Steinar"-Logo. Im annähernd gleichen Verhältnis wie die Straftaten stieg die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte. Diese Zunahme und das zunehmend rücksichtslosere Vorgehen der Straftäter sind Zeichen der veränderten Situation im subkulturellen Bereich des Rechtsextremismus. Nach wie vor sind politische Gegner, Andersdenkende und -aussehende Hauptzielgruppen gewalttätiger Übergriffe von Rechtsextremisten. Der seit 2001 in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnende Anstieg der Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte setzte sich auch im Jahr 2005 fort. In Sachsen-Anhalt dagegen verringerte sich die Anzahl dieser Konzerte deutlich. Im Berichtsjahr fanden nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes elf derartige Veranstaltungen statt (2004: 23). Die Entwicklung im Land ist nicht zuletzt auf die enge Kooperation zwischen den Sicherheitsund Ordnungsbehörden zurückzuführen. Die von deutschen Rechtsextremisten bereits 2004 unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof" angekündigte kostenlose und bundesweite Verteilung von CDs mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" ist als gescheitert zu betrachten. Gleichwohl wurden punktuelle, nicht zeitgleiche Verteilaktionen regionaler Szeneaktivisten bekannt. Bundesweit wurden inzwischen etwa 4.000, im Land Sachsen-Anhalt dagegen nur sehr wenige Einzelexemplare der durch das Amtsgericht Halle mit einem bundesweiten Einziehungsund Beschlagnahmebeschluss belegten CD sichergestellt. 1 ÜBERBLICK Die NPD bildete auch 2005 einen Kristallisationspunkt für die fortdauernden Versuche des rechtsextremistischen Lagers zur Einigung. Ihr Ziel, durch Wahlabsprachen mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) den Einzug in Länderparlamente und in den Deutschen Bundestag zu erreichen, scheiterte. Dem NPD-Landesvorstand gelang es, den Landesverband auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Dieser konnte sich vor allem im Süden Sachsen-Anhalts etablieren. NPD-Mitglieder haben dort mehrere Mandate auf kommunaler Ebene inne. Der Landesverband verfügt über neun Kreisverbände und mehrere Ortsbereichsgruppen. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die ihre Positionen aggressiver als ihre Mutterorganisation vertritt und als Bindeglied zu den Neonazis fungiert, gründete im August einen Landesverband in Sachsen-Anhalt. Über diesen wird versucht, Einfluss auf die parteiungebundene rechtsextremistische Szene zu nehmen. Die DVU bleibt auch mit einer bundesweit rückläufigen Mitgliederzahl die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ihr Einfluss im rechtsextremistischen Spektrum gilt dennoch als gering. Der hiesige DVU-Landesverband ist in einem desolaten Zustand und hat nur noch wenige aktive Mitglieder, die zudem nur noch in sehr geringem Maße Aktivitäten entfalten. Die übrigen rechtsextremistischen Parteien blieben in SachsenAnhalt weitgehend bedeutungslos. Im Berichtsjahr wurde die 2004 gegründete "Exilregierung Deutsches Reich" in die Liste der Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde aufgenommen. Die "Exilregierung" leugnet die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und behauptet einen Fortbestand des Deutschen Reiches. Sie verfolgt Ziele, die gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und gegen den 2 ÜBERBLICK Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Sie lehnt das Gesamtsystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausdrücklich ab. Die Anzahl der Linksextremisten im Land Sachsen-Anhalt blieb in ihrer Gesamtheit konstant. Während das Personenpotenzial der Autonomenszene leicht anstieg, ging die Anzahl der Mitgliedschaften in linksextremistischen Parteien und Vereinigungen im gleichen Umfang zurück. Die Anzahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Linksextremismus und die Anzahl entsprechender Gewalttaten nahmen im Berichtsjahr stark zu. Letztere wurden in aller Regel im Zuge von Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten oder vermeintlichen Rechtsextremisten begangen. Schwerpunktregionen der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt sind nach wie vor die Städte Magdeburg, Halle und Dessau. In Revisionsverfahren gegen zwei Magdeburger Autonome bestätigte das Oberlandesgericht Naumburg die 2003 im Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung verhängten Haftstrafen von zwei und zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Von den linksextremistischen Parteien und Vereinigungen sind in Sachsen-Anhalt nach wie vor lediglich die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und die "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) mit eigenen Strukturen vertreten. Die Gefährdung durch den globalen islamistischen Terrorismus hält weiterhin an. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist insbesondere aufgrund der Beteiligung an militärischen Einsätzen in Afghanis- 3 ÜBERBLICK tan sowie angesichts der Mithilfe bei der Ausbildung irakischer Polizeibeamter und Offiziere gefährdet. Es ist weiter von der Existenz bislang nicht enttarnter Mujahedin auszugehen, die die Bundesrepublik nicht nur als Rückzugsund Ruheraum, sondern auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Ziel von Anschlägen betrachten. Spätestens seit den Londoner Anschlägen im Juli 2005 muss bei der Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt werden, dass terroristische Aktivitäten auch von scheinbar in die Gesellschaft integrierten Personen ausgehen können. In Sachsen-Anhalt ist als Organisation mit festgefügten Strukturen nach wie vor lediglich der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRAGEL) etabliert. 4 RECHTSEXTREMISMUS II. RECHTSEXTREMISMUS Das rechtsextremistische Personenpotenzial nahm im Berichtszeitraum zu. Dies geht vor allem auf Mitgliederzuwächse im Bereich der rechtsextremistischen Parteien und auf die erstmalige Berücksichtigung der 2004 gegründeten "Exilregierung Deutsches Reich" zurück. Die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten stieg nach Jahren des Rückgangs wieder an. Rechtsextremisten1 2004 2005 Parteien und Vereinigungen 370 440 Neonazis 250 250 Gewaltbereite Rechtsextremisten 600 650 Sonstige Personenzusammenschlüsse 10 120 Gesamt: 1.230 1.4602 SUBKULTURELL GEPRÄGTE, GEWALTBEREITE RECHTSEXTREMISTEN Das Personenpotenzial der gewaltbereiten Rechtsextremisten umfasste im Berichtsjahr bundesweit etwa 10.400 Personen. Das sind 400 mehr als im Vorjahr. In Sachsen-Anhalt werden diesem Spektrum 650 Personen (2004: 600) zugerechnet. Allgemeines Die in den 90er-Jahren noch weitgehend in Neonazis und gewaltbereite Rechtsextremisten aufgeteilte rechtsextremistische Szene hat ihr Auftreten im Zuge zahlreicher Vereinsverbote deutlich verändert. Die Neonaziszene entwickelte Konzepte, die auf die Bildung eines Netzwerkes oft nur sehr schwach strukturierter lokaler Gruppierungen abzielte. Die gewaltbereiten Skinheads legten ihre Vorbehalte 1 Zahlen zum Teil geschätzt und gerundet. 2 1.415 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften. 5 RECHTSEXTREMISMUS gegen szeneinterne Strukturierungsversuche ab. Dies führte zu einer Annäherung beider Lager. Während die rechtsextremistische Skinheadszene von der informationellen Struktur der Neonazis profitiert, ziehen Neonazis aus dem weit größeren Mobilisierungspotenzial der subkulturell geprägten Rechtsextremisten Vorteile bei öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten. Strafund Gewalttaten3 Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten im Bereich Rechtsextremismus stieg im Berichtszeitraum erneut an. Dies ist vor allem auf die starke Zunahme an so genannten Propagandadelikten zurückzuführen, die um 260 Fälle anstiegen. Eine Vielzahl von ihnen steht im Zusammenhang mit dem Tragen von Kleidung mit dem erst seit Ende 2004 verbotenen "Thor Steinar"-Logo. Im annähernd gleichen Verhältnis stieg die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte. Diese Zunahme und das zunehmend rücksichtslosere Vorgehen der Straftäter sind Zeichen der veränderten Situation im subkulturellen Bereich des Rechtsextremismus. Nach wie vor sind politische Gegner, Andersdenkende und -aussehende Hauptzielgruppen gewalttätiger Übergriffe von Rechtsextremisten. Folgende Beispiele sind hier exemplarisch zu nennen: Am 5. Mai griffen Rechtsextremisten in Halberstadt nach einem Trinkgelage zum "Herrentag" (Christi Himmelfahrt) einen Schwarzafrikaner grundlos an, rissen diesen zu Boden, traktierten ihn mit Faustschlägen und schlugen ihm eine Bierflasche auf den Kopf. Als ein Polizeibeamter versuchte, die Täter zu stoppen, wurde dieser durch Schläge mit Flaschen ebenfalls schwer verletzt. Drei Tatverdächtige wurden von der Polizei gefasst, gegen zwei wurde Haftbefehl erlassen, weitere flüchteten. Über einen Tatverdächtigen liegen hier umfangreiche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse vor - 3 Genauere Angaben können der auf Seite 127f dieses Berichts auszugsweise wiedergegebenen Statistik des Landeskriminalamtes entnommen werden. 6 RECHTSEXTREMISMUS unter anderem über mehrere schwere Körperverletzungsdelikte gegenüber politischen Gegnern. Am 19. Mai ging in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie in Bernburg zum wiederholten Male ein Schreiben antisemitischen Inhaltes ein. Hierin hieß es: "...Wir scheißen auf die Freiheit eurer Judenrepublik! Das Reich wir fordern, unser Land, das Hakenkreuz zurück! Das Judenpack in Ost und West, schmeißt es vom gold'nen Thron am Tag der Revolution! Vorwärts Kameraden, schlag die Juden, Logenbruder, Democrat entzwei. Unter diesem Zeichen:4 Keine Arbeitslosigkeit, keine Inflation, kein Schwindel". Am 1. Juli (Sachsen-Anhalt-Tag) wurden in der Magdeburger Stadtmitte drei Ausländer durch Rechtsextremisten in fremdenfeindlicher Art und Weise beschimpft. Da die Ausländer nicht reagierten, wurden sie von den Rechtsextremisten zunächst verfolgt, dann geschlagen und getreten. Die eintreffenden Polizeibeamten verhinderten, dass die Tatverdächtigen mit Eisenstangen auf ihre Opfer einschlagen konnten. Während des Halberstädter Sommerfestes am 9. Juli wurde ein Schwarzafrikaner mit Kopfverletzungen aufgefunden. Zeugen berichteten, dass es zuvor eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Rechtsextremisten gegeben habe, die ihr Opfer niederschlugen, als sich dieses nach einer verbalen Konfrontation von ihnen entfernen wollte. Während des Heimatfestes am 30. Juli in Zerbst (Landkreis AnhaltZerbst) wurde ein der Punkszene zuzurechnender Jugendlicher von einem Rechtsextremisten mit einem Bierglas ins Gesicht geschlagen. Der Angreifer hatte sich durch ein T-Shirt mit der Aufschrift 4 Gemeint ist das Hakenkreuz. 7 RECHTSEXTREMISMUS "Gegen Nazis" provoziert gefühlt. Das Opfer wurde durch Glassplitter so erheblich verletzt, dass es auf einem Auge erblindete. Am 12. August wurde in einer Appartementanlage in Tanne (Landkreis Wernigerode) eine Schmiererei fremdenfeindlichen Inhalts festgestellt: "Ich hatte einen Traum, ein Neger hing an einem Baum. Ich hatte viele Träume, nur zu wenig Bäume! Keine Neger in Tanne!" Zudem waren Hakenkreuze an Wände und einen Pkw geschmiert worden. Ein weiteres Graffito zeigte eine Person an einem Galgen. Am 22. August beschmierten Rechtsextremisten das von einem vietnamesischen Pächter betriebene "Asia Bistro" im Wernigeröder Stadtteil Hasserode mit Hakenkreuzen und SS-Runen sowie der Parole "W.R. Die braune Stadt am Harz, wir sind wieder da". In früheren Jahren hatte sich hier ein Treffpunkt der rechtsextremistischen Szene befunden. Kurz zuvor, in der Nacht zum 19. August, hatten Unbekannte in der Wernigeröder Innenstadt ein Musikgeschäft mit einem Hakenkreuz und einen Döner-Imbiss mit einem Davidstern beschmiert. Die Teilnehmer eines Internationalen Sommercamps im Museum der Synagoge Gröbzig (Landkreis Köthen) wurden am 17. August mit fremdenfeindlichen Parolen beschimpft und mit Bierflaschen beworfen. Die Aufführung eines Theaterstücks im Camp musste unter Polizeischutz stattfinden. Am 15. September warf ein einschlägig bekannter Rechtsextremist in Magdeburg aus einem Pkw einen Molotowcocktail gegen die Jalousie eines Döner-Imbisses. Der Brand konnte gelöscht werden. Der Tatverdächtige, der bis 2002 der linksextremistischen Szene angehört hatte, war hier in den Folgejahren durch rechtsextremisti- 8 RECHTSEXTREMISMUS sche Propagandadelikte und schließlich als Teilnehmer von Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene bekannt geworden. Bundesweit agierende Skinheadgruppierungen Nachfolgeaktivitäten von "Blood & Honour" (B&H) Ehemaligen B&H-Aktivisten ist es nach dem Verbot der deutschen Sektion im Jahr 2000 nicht gelungen, die früheren Organisationsstrukturen auf Bundesebene fortzuführen oder zu reaktivieren. Gleichwohl nehmen Nachfolgeaktivitäten der B&H-Szene im benachbarten Ausland zu. An ihnen sind auch deutsche Staatsbürger beteiligt. Seit Mitte April ist im Internet das neue "Blood & Honour"-Radio abrufbar. Es handelt sich dabei um Sendungen mit einschlägiger Musik von rechtsextremistischen Bands wie "Skrewdriver", "No Remorse", "Landser" oder "People Haters". Darüber hinaus bietet der US-amerikanische Skinhead-Musikvertrieb "Final Stand Records" im Internet einen strafrechtlich relevanten Sampler mit Beiträgen rechtsextremistischer Bands aus Europa sowie Nordund Südamerika an. Das Cover der CD zeigt ein Hakenkreuz, das Inlay ein Bild HITLERs. "Hammerskinheads" (HS) Parallel zur B&H-Bewegung gründeten sich in den USA die "Hammerskinheads". Die HS haben weltweit so genannte Chapter aufgebaut. In der Bundesrepublik Deutschland existieren seit 1991 HSGruppierungen in mehreren Bundesländern. Diese sind über so genannte "National Officers Meetings" (NOM) verknüpft. Neben der Organisierung von Internationalen Treffen beteiligen sich "Hammerskinheads" auch an der Durchführung von Skinheadkonzerten. In Sachsen-Anhalt wurden lediglich Einzelpersonen bekannt, die an HS-Konzerten und Treffen der Organisation teilgenommen haben. 9 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Der seit 2001 in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnende Anstieg der Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte setzte sich auch im Jahr 2005 fort. In Sachsen-Anhalt dagegen verringerte sich die Anzahl dieser Konzerte deutlich. Im Berichtsjahr fanden nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes elf derartige Veranstaltungen statt (2004: 23). Die rückgängige Entwicklung im Land ist nicht zuletzt auf die enge Kooperation zwischen den Sicherheitsund Ordnungsbehörden zurückzuführen. Dem bundesweiten Aufwärtstrend bei den Skinheadkonzerten liegen verschiedene Ursachen zugrunde. Die rechtsextremistische Musik erfreut sich auch außerhalb der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene zunehmender Beliebtheit. Sie wird stärker als in den Vorjahren als Mittel eingesetzt, um Jugendliche an die Szene zu binden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), die im Wahlkampf als Propagandamittel nicht nur Musik-CDs einsetzt, sondern auch größere Veranstaltungen mit Auftritten rechtsextremistischer Bands oder Liedermacher organisiert oder unterstützt. Hinzu kommt der Umstand, dass die Mehrzahl der Organisatoren rechtsextremistischer Skinheadkonzerte diese gezielt als Einnahmequelle nutzt. Mit Eintrittspreisen zwischen 10 und 20 Euro werden dabei beachtliche Gewinne erzielt. Vielfach werden im Verlauf von Skinheadkonzerten strafbare Handlungen begangen. Häufig wird der "Hitlergruß" gezeigt oder es werden einschlägige Parolen aus der Zeit des Nationalsozialismus skandiert. Darüber hinaus enthält das Repertoire der auftretenden Bands oftmals Lieder mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Texten. Am Rande der Veranstaltungen findet ein reger Handel mit zum Teil strafrechtlich relevanten und indizierten Tonträgern statt. 10 RECHTSEXTREMISMUS Szenetreffpunkt "Zum Thingplatz" in Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) In dem von Enrico MARX (Sotterhausen) und seiner Lebensgefährtin Judith ROTHE betriebenen Szenetreffpunkt in Sotterhausen fanden im Berichtszeitraum regelmäßig rechtsextremistische Veranstaltungen statt, an denen zwischen 50 und 300 Personen teilnahmen. Die behördlichen Maßnahmen führten dazu, dass MARX die Ausrichtung von Skinheadkonzerten merklich einschränkte. Veröffentlichung strafrechtlich relevanter Tonträger Auch 2005 erschienen strafrechtlich relevante Tonträger deutscher rechtsextremistischer Bands. Dabei handelte es sich unter anderem um CDs, die von in den USA ansässigen Vertrieben hergestellt wurden. Diese schüren regelmäßig Hass gegen Angehörige von Minderheiten und insgesamt gegen alle Menschen, die nicht dem eigenen rechtsextremistischen Weltbild entsprechen, und greifen demokratische Gesellschaftsformen an. Seit kurzem kann über verschiedene passwortgeschützte Internetseiten eine strafrechtlich relevante, volksverhetzende DVD heruntergeladen werden. Die Tonaufnahmen deutscher und ausländischer rechtsextremistischer Skinhead-Musikgruppen sind mit Bildern und Bildsequenzen von Skinheadkonzerten und Aufnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus unterlegt. Ebenfalls erschien eine strafrechtlich relevante CD der Skinheadband "Bataillon 500". Der Tonträger, bislang ausschließlich von einem rechtsextremistischen US-amerikanischen Vertrieb angeboten, enthält elf Musiktitel, die den Nationalsozialismus, das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg glorifizieren. Auf dem Cover sind Hakenkreuze abgebildet, die Rückseite des Covers zeigt darüber hinaus eine Abbildung Adolf HITLERs. 11 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Fanzines Die so genannten Fanzines haben ihre Bedeutung als wichtiges Kommunikationsmittel der rechtsextremistischen Szene durch den zunehmenden Einfluss des Internet eingebüßt. Die Publikationen enthalten nach wie vor in erster Linie Interviews mit SkinheadMusikgruppen, Erlebnisund Konzertberichte aus der Szene sowie Bestelladressen einschlägiger Musikvertriebe, anderer Fanzines und für diverse Szeneartikel, wie zum Beispiel T-Shirts, Buttons und Aufkleber. Allgemein politische Themen werden dagegen nur selten behandelt. Zudem haben strafrechtlich relevante Inhalte oder fremdenfeindliche Beiträge in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Zu den bekanntesten rechtsextremistischen Fanzines in SachsenAnhalt zählen "Meinungsfreiheit" (Klötze/Altmarkkreis Salzwedel), "Streetwar" (Markwerben/Landkreis Weißenfels), "Fahnenträger" (Wolfen/Landkreis Bitterfeld), "Der Vorstoß - Das nationale Heftchen aus der Altmark" (Region Altmark) und "Ostara" (Region Sangerhausen). Rechtsextremistische Vertriebe Für die Verbreitung rechtsextremistischer Tonträger, aber auch von Textilien und sonstigen Artikeln mit rechtsextremistischem Bezug hat sich eine eigene, auf den speziellen Kundenkreis konzentrierte Vertriebsstruktur entwickelt. Die Szeneartikel werden in einschlägigen Szeneläden oder am Rande von Skinheadkonzerten und Szenetreffen verkauft. Ein Großteil der Händler bevorzugt inzwischen das Internet als Handelsplattform. Aufgrund der geringen logistischen Anforderungen und der ständigen Erreichbarkeit der Online-Shops stellt die Internetpräsenz eine ebenso einfache wie effiziente Möglichkeit zur Verbreitung einschlägiger Artikel dar. Eine Vielzahl dieser Vertriebe wirbt auch über Newsletter und Mailinglisten. Bundesweit hat die Anzahl rechtsextremistischer Vertriebe und Ladengeschäfte zugenommen. 12 RECHTSEXTREMISMUS Das Angebot ist vielfältig und reicht von teilweise in Eigenproduktion hergestellten Tonträgern, über Szenekleidung bis hin zu KultArtikeln mit heidnisch-germanischen Bezügen. Viele Produzenten und Händler verzichten auf Tonträger mit strafbaren Inhalten in den offenen Angebotslisten, um Indizierungen und strafrechtliche Maßnahmen zu vermeiden. Zunehmend lassen die Produzenten einen Großteil der Liedtexte vor der Herstellung und Produktion von Rechtsanwälten auf eine etwaige Strafbarkeit hin prüfen. Hinsichtlich der Versorgung der Szene mit strafrechtlich relevanten Tonträgern haben die im Ausland, insbesondere in den USA, ansässigen Vertriebe weiterhin eine große Bedeutung. Seit Anfang 2004 planen deutsche Rechtsextremisten unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof" die kostenlose und bundesweite Verteilung von CDs mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund". Die enge Zusammenarbeit der zuständigen Stellen, die strafprozessualen und jugendschützenden Maßnahmen und eine gezielte intensive Öffentlichkeitsarbeit haben dazu geführt, dass die von den Initiatoren ursprünglich angekündigte, zentral gesteuerte und flächendeckende Verteilung im Bundesgebiet nicht realisiert werden konnte. Gleichwohl wurden punktuelle, nicht zeitgleiche Verteilaktionen regionaler Szeneaktivisten bekannt. Bundesweit wurden inzwischen etwa 4.000, im Land Sachsen-Anhalt dagegen nur sehr wenige Einzelexemplare der durch das Amtsgericht Halle mit einem bundesweiten Einziehungsund Beschlagnahmebeschluss belegten CD sichergestellt. 13 RECHTSEXTREMISMUS RECHTSEXTREMISTISCHE SZENEN IN SACHSEN-ANHALT Rechtsextremistische Szene im Raum Halle-Merseburg In Halle existiert ein facettenreiches rechtsextremistisches Personenpotenzial, das etwa 80 Personen umfasst und unter wechselnden Gruppenbezeichnungen wie "Freie Nationalisten", "Freie Kräfte", "Kameradschaft Halle" oder "Nationale Sozialisten Halle/Saale" auch in der Öffentlichkeit agiert. Die "Freien Nationalisten" aus Halle verfügen über gute Kontakte zu Personen in Merseburg sowie zur Skinheadszene im Raum Delitzsch/Schkeuditz (Sachsen). Der rechtsextremistische Personenzusammenschluss in Merseburg firmiert bereits seit mehreren Jahren unter den Bezeichnungen "Freie Kräfte Merseburg" und "Autonome Kameradschaft Merseburg". Dem Zusammenschluss gehören etwa 20 bis 30 Personen an, von denen einige auch in der NPD organisiert sind. Dieser Personenkreis trifft sich regelmäßig in Merseburg-West. Er unterhält Kontakte nach Halle und nach Sachsen, dort ebenfalls insbesondere nach Delitzsch und Schkeuditz. Angehörige der Merseburger Szene nehmen an Demonstrationen und szenetypischen Veranstaltungen wie zum Beispiel Skinheadkonzerten teil und sind überdies regelmäßig bei überregionalen Zusammenkünften anwesend. Die Aktivitäten der Gruppe in Merseburg selbst beschränken sich auf die wöchentlichen Treffen. Gute Kontakte werde zum örtlichen NPD-Kreisverband gepflegt. Aktivitäten Zu den wesentlichen Aktivitäten der "Freien Nationalisten" gehörten im Berichtszeitraum neben den so genannten "Kameradschaftsabenden" Teilnahmen an überregionalen Veranstaltungen, insbesondere an den Demonstrationen am 8. Mai in Delitzsch (Sachsen), am 17. Juni in Halle5, am 1. Oktober in Leipzig (Sachsen) und am 5 Motto: "17. Juni 1953 - nie wieder Arbeitermord! Gegen Gewaltherrschaft und Unterdrückung". 14 RECHTSEXTREMISMUS 12. November in Halbe (Brandenburg) sowie an Skinheadkonzerten. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen gehören auch Vorträge oder Schulungen, die sich vornehmlich mit dem historischen Nationalsozialismus befassen. An der genannten Demonstration in Halle nahmen insgesamt etwa 200 Personen der regionalen rechtsextremistischen Szenen aus Sachsen-Anhalt teil, darunter Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Magdeburg. Als Redner trat unter anderem der Neonazi Axel REITZ auf. Während des Demonstrationszuges durch die Innenstadt von Halle wurden Parolen wie "Europa-Nation-Revolution" und "Hoch die nationale Solidarität" gerufen. Während des Berichtszeitraumes organisierten die "Freien Nationalisten" aus Halle eine Vortragsveranstaltung und Informationsstände, die sich gegen die Bundestagswahl im September richteten. "Nationaler Beobachter - Informationsblatt für die Region Halle/ Merseburg" (NB) Auf der Internetseite des NB wird das Jahr 2005 als ein "weiteres Kampfjahr" für den "Nationalen Widerstand" bezeichnet. Die Stadt Halle wird erneut zur "Frontstadt im Kampf um den einzig wahren Sozialismus, den Nationalen Sozialismus" erklärt. So heißt es: "Wir Arbeiter der Faust und wir Arbeiter der Stirn werden auch das Jahr 2005 nutzen, um unsere große Freiheitsbewegung voran zu bringen. Also auch dieses Jahr keine Ruhe für Großkapital, Systembonzen und Rotfaschisten. Der Kampf geht weiter, für echte Freiheit und eine wirklich sozialistische Gerechtigkeit...Das Volk blutet und die (noch) herrschende Klasse genießt den Luxus. Aber es kommt der Tag, da werden Deutschlands Geschicke nicht mehr aus Tel Aviv oder von der US-Ostküste gelenkt, dann nehmen wir, als deutsches Volk, unser Schicksal wieder selber in 15 RECHTSEXTREMISMUS die Hand und führen Deutschland zu neuem Ruhm und Wohlstand." Anhand der Themenauswahl und der Formulierungen wird deutlich, dass die Verfasser bemüht sind, den NB qualitativ aufzuwerten. Außer über die zentrale Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) wurde im Berichtszeitraum auch über die in Schönebeck und Wernigerode durchgeführten Demonstrationen der "Nationalen Bewegung" berichtet. Unter den Stichworten "Globalisierung" und "Hartz IV" wurden überdies allgemeinpolitische Themen aufgegriffen. Der NB wird fast ausschließlich im Internet verbreitet. Im Berichtszeitraum wurde lediglich eine gedruckte Fassung bekannt. Rechtsextremistische Szene im Raum Magdeburg Rechtsextremistische Szene in Magdeburg Die unter den Bezeichnungen "Freie Nationalisten Magdeburg" oder "Freie Sozialisten Magdeburg" firmierende, etwa 40 Personen umfassende rechtsextremistische Szene der Landeshauptstadt ist teilweise neonazistisch ausgerichtet. Eine wie in den Vorjahren festzustellende, regelmäßige politische Betätigung beschränkte sich im Berichtszeitraum auf Veranstaltungen im szeneintern so bezeichneten "Club S 26"6 in Magdeburg. Dagegen wurde im Zuge der vorgezogenen Bundestagswahl die Zusammenarbeit mit dem NPDKreisverband Magdeburg zur Schaffung einer "Volksfront"7 forciert. Ab Dezember erschien der Internetauftritt des Zusammenschlusses in einer neuen Aufmachung. Er zeigt ein Logo mit der Beschriftung "Freie Sozialisten Magdeburg". Am inhaltlichen Aufbau wurden keine Veränderungen vorgenommen. 6 Die Bezeichnung verweist auf die während des "Dritten Reiches" in Magdeburg stationierte Sturmabteilung "Standarte 26". 7 Ziel der "Volksfront" soll die Bündelung aller Kräfte (Parteiangehörige, Kameradschaften) sein, um den "Kampf um die Parlamente" zu ermöglichen. 16 RECHTSEXTREMISMUS Die Broschüre "Magdeburger Frontzeitung - Informationsblatt für Magdeburg und Umgebung" wurde im Berichtsjahr in unregelmäßigen Abständen als Printausgabe herausgegeben. In einer der Publikationen beschäftigten sich die Verfasser unter anderem mit der "Volksfront der nationalen Opposition". So heißt es in den Ausführungen unter anderem: "Kameraden, wer die Veränderungen in diesem Land auch auf parlamentarischer Ebene anstoßen will, wer sich den Menschen unseres Volkes noch als eine ernst zu nehmende Alternative anbieten will, der kann dies nur tun, indem er eine größtmögliche Geschlossenheit der nationalen Opposition zu unterstützen bereit ist! Dies kann bei Leibe keine programmatische oder weltanschauliche Gemeinsamkeit sein, es sollte es uns aber den Versuch wert sein, auf diesem Weg eine Bündelung der Kräfte zu erreichen, mit denen auch Siege im Kampf um die Parlamente möglich erscheinen". Ein mittlerweile zentraler Termin mit überregionaler Bedeutung für die rechtsextremistische Szene ist die jährliche Veranstaltung aus Anlass der Bombardierung Magdeburgs im Januar 1945. Am 15. Januar beteiligten sich etwa 1.000 Rechtsextremisten (2004: 200) aus dem gesamten Bundesgebiet an einem von einer so genannten "Initiative gegen das Vergessen" organisierten "Trauermarsch" im Stadtzentrum von Magdeburg. Im Rahmen der Veranstaltung hielten führende Rechtsextremisten Reden, in denen sie das NS-Regime verharmlosten. Für den 12. Mai hatten "Freie Nationalisten" eine Kundgebung im Zentrum der Stadt Magdeburg angemeldet. Am Veranstaltungstag wurde ein Tisch mit Informationsmaterial aufgebaut und ein Transparent mit dem Text "8. Mai 1945 - Tag der Niederlage - Wir feiern nicht" ausgerollt. Die Kundgebung fand schließlich nicht statt. 17 RECHTSEXTREMISMUS Weiterhin nahmen Angehörige der rechtsextremistischen Szene aus Magdeburg an den von der NPD am 6. August und 10. September in Magdeburg veranstalteten Doppeldemonstrationen8 sowie an überregionalen Demonstrationen in Dresden, Halbe (Brandenburg), Magdeburg, Schönebeck und Wernigerode teil. Rechtsextremistische Szene Schönebeck Dem wahlweise unter den Bezeichnungen "Kameradschaft Schönebeck" oder "Freie Nationalisten Schönebeck" auftretenden rechtsextremistischen Zusammenschluss sind 15 bis 20 Personen zuzurechnen. Als Kommunikationsplattform dient der über das Internet verbreitete "Nationale Beobachter Schönebeck". Am 15. Oktober veranstalteten ortsansässige Rechtsextremisten in Schönebeck eine Demonstration unter dem Motto "Unsere Kinder - unsere Zukunft, gemeinsam für härtere Strafen gegen Kinderschänder". An ihr nahmen etwa 240 Personen teil. Während des Aufzuges durch die Innenstadt trugen Demonstranten Holzkreuze, schwarze Fahnen und Transparente zum Thema Kindesmissbrauch. Im weiteren Verlauf der Demonstration verstießen Szeneangehörige gegen behördliche Auflagen, indem sie die Parole "FreiSozial-National" skandierten. Die Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt kamen überwiegend aus den Regionen Halle-Merseburg und Magdeburg sowie aus dem Harz. Weiterhin waren Rechtsextremisten aus den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen beteiligt. Mit dem Demonstrationsmotto setzt die rechtsextremistische Szene ihre seit einiger Zeit zu beobachtende sozialpolitische Ausrichtung auf aktuelle Themen fort. Ziel und Zweck ist es, sich in der Öffentlichkeit als Vertreter der "wahren Volksmeinung" zu präsentieren. Im Anschluss an die Demonstration in Schönebeck wurde durch Magdeburger Rechtsextremisten in Magdeburg eine Spontankundgebung "gegen linke Gewalt" durchgeführt. Auslöser hierfür war eine Körperverletzung von Linksextremisten an einem Angehörigen 8 Siehe auch Seite 41. 18 RECHTSEXTREMISMUS der rechtsextremistischen Szene, der sich auf dem Weg zur Demonstration nach Schönebeck befunden hatte. An der genannten Spontankundgebung, die in der Nähe des Magdeburger Hauptbahnhofes durchgeführt wurde, nahmen etwa 70 Personen teil. Rechtsextremistische Szene im Harz und im Harzvorland In dem sich auf die Landkreise Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode erstreckenden Gebiet sind etwa 50 Rechtsextremisten aktiv. Lediglich im Raum Wernigerode existiert eine festere Gruppenstruktur. Im Berichtsjahr trat erstmalig der als bandenähnlich zu charakterisierende Personenzusammenschluss "Wernigeröder Aktionsfront" (WAF) auf, dem 20 bis 30 Personen zugerechnet wurden. Die als gewaltbereit einzustufende Gruppierung - Beleg hierfür waren gezielt herbeigeführte Auseinandersetzungen mit Personen des linksextremistischen Spektrums in Wernigerode - besaß keine festgefügte Struktur. In der Nacht vom 26. zum 27. Januar wurden im Stadtgebiet von Wernigerode Plakate festgestellt, die mit "Wernigeröder Aktionsfront" unterzeichnet waren. Auf ihnen hieß es: "Finger weg von unserer Jugend! Wer sich der Bewegung in den Weg stellt, hat mit den Konsequenzen zu leben! Organisiert die Anti-Antifa! Gegen die roten Faschisten und Ihre Hintermänner!" Seit Juli existiert im Internet eine Seite, die über Aktivitäten der Szene in Wernigerode und Umgebung berichtet. Neben üblichen Hinweisen zu szenetypischen Veranstaltungen und der Auswertung solcher Zusammenkünfte war dort auch eine Unterseite mit dem Titel "Wernigeröder Aktionsfront Wer wir sind und was wir wollen!" abrufbar. Dort hieß es zum Selbstverständnis der WAF: 19 RECHTSEXTREMISMUS "Wir...sind zu der Einsicht gelangt, dass dieses korrupte und vom Kapital beherrschte System keine Zukunft hat. Wir sind übergegangen zum ideologischen Angriff gegen dieses System und seine gekauften Bonzen. Dieser 'Angriff' erfolgt natürlich völlig friedlich." Am 27. Mai beteiligten sich in Wernigerode 22 Personen der rechtsextremistischen Szene an einer Kundgebung unter dem Motto "Schluss mit dem Schuldkult". Die Teilnehmer breiteten ein schwarzes Transparent mit der Aufschrift "8. Mai - Tag der Befreiung, wir feiern nicht" aus und verteilten Handzettel an Passanten. Mitglieder der WAF nahmen am 3. Juni in Sangerhausen an einer Demonstration gegen "Polizeiwillkür" und an der Demonstration am 17. Juni in Halle teil. Bei beiden Veranstaltungen wurde ein Transparent "Freiheit-Arbeit-Zukunft / Nationaler Sozialismus-Jetzt! / Wernigeröder Aktionsfront" gezeigt. Angehörige der WAF beteiligten sich zudem an einer Vortragsveranstaltung am 16. Juli in Köthen und an der NPD-Doppeldemonstration am 6. August in Magdeburg. Unter dem Motto "Schöner leben ohne Naziläden" demonstrierten am 1. Oktober in Halberstadt etwa 120 Angehörige der linksextremistischen Szene gegen ein Halberstädter Geschäft, in dem unter anderem Bekleidung und Tonträger mit rechtsextremistischen Bezügen angeboten werden. Vor dem selben Hintergrund veranstalteten etwa 120 rechtsextremistische Szeneangehörige am selben Tag eine Gegenkundgebung im Stadtgebiet, in deren Verlauf es zu von Rechtsextremisten ausgegangenen massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen mit linksextremistischen Demonstranten und eingesetzten Polizeikräften kam. Neben Rechtsextremisten aus der Harzregion nahmen an der Gegenveranstaltung auch Personen aus Magdeburg sowie aus Niedersachsen und Sachsen teil. 20 RECHTSEXTREMISMUS Am 14. Oktober demonstrierten in Wernigerode etwa 200 Rechtsextremisten unter dem Motto "Für Meinungsfreiheit. Gegen roten Terror und gesellschaftliche Denkverbote". Die Veranstaltung war vom sachsen-anhaltischen Landesverband der JN angemeldet worden, beim überwiegenden Teil der Demonstrationsteilnehmer handelte es sich jedoch um so genannte "Freie Nationalisten" aus Sachsen-Anhalt. Hintergrund der Veranstaltung war ein Ereignis vom 7. Oktober in Wernigerode, bei dem linksextremistische Szeneangehörige Rechtsextremisten angegriffen und verletzt hatten. Neben Personen aus Sachsen beteiligten sich Rechtsextremisten aus Dessau, der Harzregion, aus Halle, Köthen, dem Raum Magdeburg und Sangerhausen.9 Im Oktober wurde unter der Überschrift "Wernigeröder Aktionsfront aufgelöst - der Kampf beginnt" eine Erklärung verbreitet, in der die Gruppe ihre Selbstauflösung erklärt: "Da wir um die Zustände in dieser brD wissen...wollen wir Staat und Meinungsfaschisten das Ziel ihres Hasses nehmen und die WAF auflösen. Denn auf was wollen sie sich stürzen, wenn nichts greifbares da ist? Wir brauchen keine Namen oder Vereine. Uns reicht der Glaube an unsere Idee...Die Auflösung dieser Arbeitsgruppe heißt nicht, dass der Kampf vorbei ist, abschwächt oder aufhört. Jeder nationale Aktivist steht in der Pflicht weiter für Freiheit, Zukunft und Sozialismus zu streiten." Angehörige der aufgelösten WAF engagieren sich auch weiterhin rechtsextremistisch. Offenbar ist es neonazistisch ausgerichteten Führungskräften gelungen, Wernigeröder Szeneangehörige neu zu organisieren. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in einschlägigen Veranstaltungen wider. Zudem ist der Einfluss der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) innerhalb der Szene unverkennbar. 9 Gleichzeitig fand in Wernigerode eine Kundgebung statt, an der sich auch etwa 120 Personen der gewaltbereiten linksextremistischen Szene beteiligten. Zu Auseinandersetzungen zwischen beiden politischen Lagern kam es nicht. 21 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Szene im Raum Dessau-WittenbergBitterfeld "Kameradschaft Landkreis Wittenberg" Der "Kameradschaft Landkreis Wittenberg" gehören gegenwärtig 25 Personen aus Wittenberg, Jessen, Kemberg, Radis, Gräfenhainichen (alle Landkreis Wittenberg) und Dessau an. Die Angehörigen der Kameradschaft nahmen an zahlreichen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene teil. So mobilisierten sie für die Demonstration "Gegen Kinderschänder" am 17. Juli in Halle. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Flugblätter und Plakate gedruckt, die bei Veranstaltungen in Sotterhausen und in Thüringen verteilt wurden. Am 13. August plante die Kameradschaft eine Veranstaltung der rechtsextremistischen Szene mit Live-Musik im Landschaftsschutzgebiet zwischen Pratau und Seegrehna (beide Landkreis Wittenberg). Die Polizei konnte diese Veranstaltung verhindern. Kameradschaftsangehörige beteiligten sich zudem an der HESSDemonstration am 20. August in Berlin. "Freie Nationalisten Dessau" Dem Personenzusammenschluss der "Freien Nationalisten Dessau" und dessen Umfeld gehören derzeit etwa 15 Personen an. Eine homogene Zusammensetzung ist nicht erkennbar, die Gruppe ist lose strukturiert. Sie trat in unterschiedlicher personeller Zusammensetzung regelmäßig bei regionalen und überregionalen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene in Erscheinung, ist als gewaltbereit einzustufen und verfügt über gute Kontakte zur "Kameradschaft Landkreis Wittenberg". Angehörige der "Freien Nationalisten Dessau" führten am 12. März in der Dessauer Innenstadt einen "Trauermarsch" zum 60. Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch. Als Anmelder der Kundgebung, zu der 300 Personen der rechtsextremistischen Szene angereist waren, trat der bekannte Neonazi Christian WORCH 22 RECHTSEXTREMISMUS (Hamburg) auf. Im Vorfeld hatten Rechtsextremisten der Region weiträumig für diese Veranstaltung geworben. Darüber hinaus nahmen Angehörige der Gruppierung an weiteren Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene teil, so zum Beispiel am 17. Juni in Halle,10 am 19. August an den in Dessau und Köthen durchgeführten Demonstrationen zum Todestag von HESS und an NPD-Demonstrationen ("Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre") am 17. September in Köthen und Bernburg sowie am 15. Oktober in Schönebeck ("Unsere Kinder - unsere Zukunft, gemeinsam für härtere Strafen gegen Kinderschänder"). Rechtsextremistische Szene Bernburg-Köthen Die rechtsextremistische Szene im Raum Bernburg-Köthen umfasst ein Personenpotenzial von etwa 30 Rechtsextremisten, das keinen strukturellen Aufbau erkennen lässt und im Berichtszeitraum nur sporadisch öffentlich in Erscheinung trat. In Bernburg fand am 31. März eine Podiumsdiskussion zum Thema "Strategien gegen Rechts" statt. Während der Veranstaltung betraten etwa fünfzehn Personen der rechtsextremistischen Szene aus Bernburg, Halle und Magdeburg den Saal und störten das Geschehen. Ein durch den Veranstalter ausgesprochenes Hausverbot wurde nicht befolgt. Erst nachdem die herbeigerufene Polizei Platzverweise erteilt hatte, verließen die Störer den Saal. Rechtsextremistische Szene in der Altmark Die etwa 80 bis 90 Rechtsextremisten zählende Szene in der Altmark entfaltete im Berichtszeitraum nur sporadisch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten, so zum Beispiel zum Volkstrauertag oder zum HESS-Todestag. Nach längerer Pause erschien im Frühjahr erstmals wieder eine Ausgabe der Publikation "Nationaler Beobachter - Altmark-West". Aufbau und Form des Heftes sind dabei mit denen früherer Ausgaben identisch. Wie in Szeneschriften dieser Art üblich, finden sich 10 Siehe auch Seite 14f. 23 RECHTSEXTREMISMUS auch hier Demonstrationsund Konzertberichte, regionale und überregionale Termine von Szeneveranstaltungen und Verweise auf einschlägige Internetseiten. Im Berichtsjahr wurde zudem eine Internetseite der "Freien Nationalisten Altmark-West" bekannt, die Auskunft über örtliche Szeneveranstaltungen gibt, auf bevorstehende Termine hinweist und politische Themen aus rechtsextremistischer Sichtweise darstellt, ohne auf das Selbstverständnis des Zusammenschlusses einzugehen. Die "Freien Nationalisten Altmark/West" zeichneten auch für ein am 27. Januar in Salzwedel an Privathaushalte verteiltes Flugblatt volksverhetzenden Inhalts verantwortlich. Am 22. Oktober veranstalteten etwa zehn Angehörige der rechtsextremistischen Szene einen so genannten "Nationalen Säuberungstag" und reinigten im Stadtgebiet von Klötze Parkanlagen. Auch dieses Vorgehen zielt vorwiegend darauf ab, Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. "SelbstSchutz Sachsen-Anhalt" Der von dem Rechtsextremisten Mirko APPELT aus Salzwedel geführte "SelbstSchutz Sachsen-Anhalt" setzt sich aus Szeneangehörigen mehrerer Regionen zusammen und betrachtet sich als Teil der "Freien Nationalisten". APPELT ist nach wie vor bemüht, Veranstaltungen und Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene als Ordner zu begleiten. Beispiele hierfür sind die Demonstrationen am 15. Januar in Magdeburg und am 13. Februar in Dresden anlässlich des 60. Jahrestages der Bombardierung dieser Städte im Zweiten Weltkrieg. Des Weiteren sicherten Angehörige der Gruppe einen Wettkampf im Kickboxen ab, der am 6. Februar in den Magdeburger Messehallen stattfand. Bei dieser Veranstaltung lief ein Wettkampfteilnehmer zu einem Musiktitel der rechtsextremistischen Band "Landser" ein. 24 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Szene im Jerichower Land Im Bereich des Landkreises Jerichower Land traten verschiedene Gruppierungen in Erscheinung, die jedoch nur in geringem Maße Aktivitäten entfalteten. Im Berichtszeitraum wurde überdies ein bislang nicht bekannter Zusammenschluss mit der Bezeichnung "Kameradschaft Jerichower Land" bekannt. Eine von diesem betriebene Internetseite verweist auf Szeneveranstaltungen und weitere rechtsextremistische Internetpräsenzen, enthält jedoch keine Ausführungen zum Selbstverständnis der Gruppe. Im April wurden im Stadtgebiet von Burg Flugblätter aufgefunden, die "nationalistische Alternativen" für die Bundesrepublik Deutschland einfordern und zur "Revolution" aufrufen. Als Unterzeichner tritt eine bislang nicht bekannte Gruppe unter der Bezeichnung "NJBDie Nationale Jugend Burg" auf. Im Juli gab die bekannte rechtsextremistische Vereinigung "Kameradschaft SS 12" aus Burg auf ihrer Internetseite bekannt, dass die Gruppe aus "einigen Gründen ihren Namen ändert und die Internetseite abgeschaltet wird". Als Nachfolgeorganisation könnte der ebenfalls im Berichtszeitraum bekannt gewordene lose strukturierte Personenzusammenschluss "Weiße Aktivisten Jerichower Land" (WAJL) fungieren. Ihm werden etwa 20 Personen aus dem Raum Burg zugerechnet. Hierarchische Strukturen innerhalb der WAJL oder politische Aktivitäten (Kameradschaftsabende, Demonstrationsteilnahmen) waren bislang nicht auszumachen. Der WAJL zugehörige Personen wandten insbesondere in der Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden Gewalt an. Am 13. August beendete die Polizei eine nicht angemeldete Zusammenkunft der rechtsextremistischen Szene in Gerwisch (Landkreis Jerichower Land) und sprach Platzverweise gegen 60 dort anwesende Rechtsextremisten aus. Im Rahmen der Veranstaltung waren einschlägige CDs und szenetypische Bekleidungsstücke zum Kauf angeboten worden. 25 RECHTSEXTREMISMUS Rechtsextremistische Szene der Region Sangerhausen "Ostara-Skinheads" (Sangerhausen) Auf dem von Enrico MARX genutzten Grundstück in Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) finden nach wie vor regelmäßige Szenetreffen statt. Aufgrund der zahlreichen Exekutivmaßnahmen der Polizei schränkte MARX die Durchführung von Skinheadkonzerten allerdings ein. Der Landkreis Sangerhausen hat aus baurechtlichen Gründen eine Nutzungsuntersagung für den Szenetreff des MARX erlassen. Eigenen Angaben zufolge beabsichtigt MARX, die baurechtlichen Auflagen zu erfüllen. Die Verwaltungsgemeinschaft Allstedt-Kaltenborn leitete gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoßes gegen Auflagen nach dem Gaststättengesetz ein. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus wurde ein Gewerbeuntersagungsverfahren gemäß SS 35 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) wegen Verbreitung neonazistischen Gedankengutes eingeleitet. Im Januar gab MARX erstmals die von ihm verfasste neue Publikation "Der Volksentscheid" als "unabhängigen Rundbrief freier Nationalisten" heraus. Diese richtet sich an die Skinheadszene und hat vornehmlich deren stattgefundene und geplante Aktivitäten zum Inhalt. ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN Demonstrationen Etwa 330 Personen der rechtsextremistischen Szene aus mehreren Bundesländern beteiligten sich am 12. März in Dessau an dem von dem Hamburger Rechtsextremisten Christian WORCH angemeldeten Aufzug mit Kundgebung und einer abschließenden Kranzniederlegung unter dem Motto "Kein Vergessen! Kein Vergeben! - Erinnerung an den 60. Jahrestag der Zerstörung der Stadt Dessau". 26 RECHTSEXTREMISMUS Im Rahmen der Veranstaltung traten neben WORCH die Rechtsextremisten Alexander HOHENSEE (Hamburg) und Peter NAUMANN (Hessen) als Redner auf. In Leipzig beteiligten sich am 1. Mai an einer ebenfalls von WORCH angemeldeten Demonstration etwa 800 Rechtsextremisten unter anderem aus Brandenburg, Hamburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt (etwa 100 Personen). Der Aufzug stand unter dem Motto "Arbeit für alle - Heraus zum Tag der deutschen Arbeit". Als sich die Teilnehmer nach stundenlangen Vorkontrollen in Marsch setzten, blockierten rund 4.000 Gegendemonstranten gewaltsam die Route der Rechtsextremisten, wobei es zu Auseinandersetzungen beider Lager kam, die nur durch massiven Polizeieinsatz unterbunden werden konnten. An der Veranstaltung in Leipzig beteiligten sich auch Angehörige eines "Schwarzen Blockes", die sich auch als "Autonome Nationalisten" bezeichnen. Der "Schwarze Block" der Rechtsextremisten ist Teil der neonazistischen Szene. Seine Akteure wollen nicht nur durch ihr Äußeres (schwarze Kleidung) auffallen, sondern auch durch "revolutionäre" Inhalte und Aktionen wie Blockaden oder Besetzungen auf sich aufmerksam machen sowie "offensiv für einen revolutionären Nationalismus/Sozialismus kämpfen". An einer Demonstration unter dem Motto "Gedenkmarsch zum 62. Jahrestag des alliierten Luftterrors gegen Hamburg. Kein Vergeben, kein Vergessen" beteiligten sich am 30. Juli in Hamburg etwa 160 Szeneangehörige aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch Rechtsextremisten aus dem Raum Magdeburg. An einem von WORCH angemeldeten Aufzug der rechtsextremistischen Szene (Motto: "Weg mit den Mauern in den Köpfen") beteiligten sich am 1. Oktober etwa 170 Personen, darunter etwa 30 Rechtsextremisten aus dem Raum Halle/Merseburg. Aufgrund von Störungen durch gewalttätige Gegendemonstranten wurde die Veranstaltung jedoch nach kurzer Zeit beendet. Im Anschluss führten etwa 100 Rechtsextremisten eine Spontandemonstration in der Innenstadt von Halle durch. 27 RECHTSEXTREMISMUS Rudolf-HESS-Gedenkveranstaltungen Überregional Rechtsextremisten aus dem Inund Ausland beabsichtigten am 20. August mit einem Trauermarsch in Wunsiedel (Bayern) erneut des verstorbenen HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS zu gedenken. Der geplante Aufzug blieb nach einer am 16. August im Eilverfahren ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verboten. Das BVerfG bezog sich dabei auf die seit dem 1. April 2005 geltende Strafvorschrift des SS 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB), wonach sich strafbar macht, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewaltund Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Der Rechtsanwalt und Neonazi Jürgen RIEGER - seit 2001 maßgeblicher Initiator der jährlichen Veranstaltungen in Wunsiedel - hatte mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim BVerfG vom 12. August versucht, das durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in zweiter Instanz bestätigte Verbot der Veranstaltung durch das Landratsamt Wunsiedel außer Vollzug zu setzen. Das BVerfG lehnte jedoch die Gewährung von Eilrechtsschutz ab. Das Gericht kündigte an, in einem Hauptsacheverfahren die Verfassungsmäßigkeit und die Anwendung des SS 130 Abs. 4 StGB im konkreten Fall klären zu wollen. Ungeachtet des Verbots mobilisierte die rechtsextremistische Szene weiterhin für den 20. August nach Süddeutschland, allerdings unter Verzicht auf einen direkten Bezug zu HESS. Thematisiert wurde stattdessen das erfolgte Verbot und der SS 130 StGB. Von den zunächst geplanten Ersatzveranstaltungen in Jena (Thüringen), Karlsruhe (Baden-Württemberg), Magdeburg, Nürnberg (Bayern) und Berlin fanden nur die beiden letztgenannten statt. An der NPD-Demonstration in Nürnberg, die zuletzt unter dem Motto "Arbeit für Deutsche - keine Stimme den Kriegsparteien" stand, nahmen etwa 350 Rechtsextremisten teil. Nach Beendigung der 28 RECHTSEXTREMISMUS Demonstration führten rückreisende Teilnehmer eine Spontandemonstration in Ingolstadt (Bayern) durch. In Berlin beteiligten sich etwa 600 Rechtsextremisten an einer angemeldeten Demonstration unter dem Motto "Meinungsfreiheit für alle - Paragraph 130 abschaffen", darunter auch Rechtsextremisten aus dem Raum Halle/Merseburg. Nach dem kurzfristigen Verbot einer weiteren Demonstration in Magdeburg kam es zu zwei Spontandemonstrationen in Nordund Ostdeutschland. In Peine (Niedersachsen) demonstrierten 500 Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen und Hessen friedlich. In Weißenfels versammelten sich etwa 170 Rechtsextremisten aus Thüringen, die sich auf dem Weg zur geplanten Demonstration nach Magdeburg befunden hatten, als sie von dem kurzfristigen Verbot der Veranstaltung erfuhren. Die Kundgebung in Magdeburg war kurzfristig vom NPD-Kreisverband Magdeburg unter dem Thema "Für Meinungsfreiheit statt Versammlungsverbote" angemeldet worden. Da Erkenntnisse vorlagen, dass es sich bei der Zusammenkunft um eine Ersatzveranstaltung für die geplante Demonstration in Wunsiedel handelte und mit bis zu 2.000 Teilnehmern gerechnet wurde, verbot die Polizeidirektion Magdeburg die Demonstration. Aktivitäten in Sachsen-Anhalt Im Rahmen der szenenintern so bezeichneten "HESS-Aktionswoche" im August wurden wie in den Vorjahren Propagandaaktionen in Sachsen-Anhalt festgestellt. Einen eindeutigen Schwerpunkt bildeten dabei die Landkreise der Altmarkregion. Darüber hinaus wurden derartige Aktivitäten auch in den Räumen Halle und Magdeburg sowie vereinzelt in der Harzregion, in Dessau und in Köthen festgestellt. Am 19. und 20. August führten Rechtsextremisten unter anderem in Burg, Dessau, Köthen und Merseburg Demonstrationen zum "HESS-Gedenken" durch. 29 RECHTSEXTREMISMUS Bei der genannten Veranstaltung in Burg kam es bereits bei der Kontaktaufnahme der Polizei zu Gewalttätigkeiten durch die Demonstranten, so dass die Veranstaltung aufgelöst wurde. Darüber hinaus wurden durch bekannte Rechtsextremisten in Halle (20. August) und Schönebeck (21. August) Demonstrationen zum Thema Meinungsfreiheit angemeldet. Die geplanten Aufzüge wurden durch die jeweils zuständigen Ordnungsbehörden untersagt. Aktivitäten zum Heldengedenktag (Volkstrauertag) Überregional Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren führten Angehörige der rechtsextremistischen Szene am Soldatenfriedhof in Halbe eine Kundgebung zum so genannten "Heldengedenken" durch. Unter dem Motto "Ruhm und Ehre dem Deutschen Frontsoldaten und den europäischen Freiwilligen" beteiligten sich am 12. November etwa 1.700 Personen (2004: 1.600; 2003: 600) aus dem gesamten Bundesgebiet an der Zusammenkunft. Im Rahmen der Veranstaltung hielten Rechtsextremisten wie NAUMANN, RIEGER oder WORCH Ansprachen. Aufgrund von Blockaden durch linke Gegendemonstranten konnte sich der Demonstrationszug der Rechtsextremisten jedoch nicht in Bewegung setzen. Erfolglos wurde versucht, diese Absperrungen zu durchbrechen, woraufhin die Veranstaltung beendet wurde. Aus Sachsen-Anhalt beteiligten sich etwa 120 Rechtsextremisten vorwiegend aus den Bereichen der Altmark, Halle/Merseburg und Magdeburg an der "Gedenkkundgebung". Im Nachgang wurde unter der Rubrik "Konseqenzen aus Halbe und Wunsiedel - Anmerkungen zu einer Strategiediskussion" bundesweit auf rechtsextremistischen Internetseiten über das weitere Vorgehen bei Demonstrationen diskutiert. Hierbei wurden mehrere Veranstaltungen im Jahr 2005 als klare Niederlagen für die rechtsextremistische Szene bewertet. 30 RECHTSEXTREMISMUS Aktivitäten in Sachsen-Anhalt Die Polizei in Halle verhinderte am Abend des 12. November 2005 eine Spontandemonstration von etwa 130 Personen der rechtsextremistischen Szenen aus Sachsen-Anhalt und Thüringen, die sich mit drei Bussen auf der Rückreise aus Halbe befunden hatten. Nachdem die Busse angehalten worden waren, meldete ein bekannter Rechtsextremist aus Halle eine Versammlung im Stadtgebiet Halle zum Thema "Polizeiliche Willkür" an, die jedoch untersagt wurde. Etwa 20 Angehörige der "Freien Nationalisten" aus Halle führten am 13. November auf dem Gertraudenfriedhof der Stadt eine Mahnwache durch und legten einen Kranz nieder. In den Abendstunden begab sich der Personenkreis zu einer weiteren Kranzniederlegung auf den Friedhof von Halle-Diemitz. Auf einem Friedhof im Magdeburger Stadtteil Alt Fermersleben legten am gleichen Tag etwa 20 Angehörige der "Freien Nationalisten" und Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Magdeburg einen Kranz nieder. Im Anschluss begab sich ein Teil des Personenkreises in die Magdeburger Leiterstraße, um dort eine politische Diskussionsrunde, an der auch ein bekannter Politiker teilnahm, zu stören. Die Rechtsextremisten wurden durch Polizisten des Veranstaltungsraumes verwiesen. Etwa 30 Szeneangehörige beteiligten sich in Salzwedel und im Anschluss in Klötze an offiziellen Gedenkveranstaltungen der jeweiligen Städte zum Volkstrauertag, in deren Rahmen von den Rechtsextremisten Reden gehalten und Kränze niedergelegt wurden. Da in den jeweiligen Redebeiträgen die Verherrlichung des Nationalsozialismus im Mittelpunkt stand, wurden die Ansprachen durch die Polizei beendet. In Sangerhausen beteiligten sich etwa 40 Szeneangehörige an einer Kranzniederlegung der "Jungen Nationaldemokraten" (JN). 31 RECHTSEXTREMISMUS Weiterhin wurde bekannt, dass Personen aus Sachsen-Anhalt an einer Kranzniederlegung in Groß-Kreutz (Landkreis Potsdam-Mittelmark, Brandenburg) teilnahmen. Hierbei konnten Kranzgebinde mit den Aufschriften "Nationale Sozialisten aus Magdeburg" und "Freie Nationalisten Altmark-West" festgestellt werden. Sonnenwendfeiern Die Anzahl der von Rechtsextremisten abgehaltenen Sonnenwendfeiern ging in Sachsen-Anhalt im Jahr 2005 deutlich zurück. Am 24. Juni fand im Raum Salzwedel eine Sonnenwendfeier statt, an der etwa 30 bis 40 Personen des rechtsextremistischen Spektrums teilnahmen. Nach dem Abbrennen eines Feuers und dem Verlesen einer Rede trat ein szenebekannter Liedermacher auf. Eine weitere Sonnenwendfeier wurde am 23. Dezember im Raum Salzwedel abgehalten. DISKURSORIENTIERTER RECHTSEXTREMISMUS ("NEUE RECHTE") Der so bezeichnete diskursorientierte Rechtsextremismus lehnt an die Ideen der "Konservativen Revolution" der 20erund 30er-Jahre an. Er äußert sich rechtsextremistisch oder verfolgt rechtsextremistische Ziele. Eine Gefahr für den freiheitlichen Rechtsstaat besteht darin, dass manche Argumente und Positionen geeignet sind, die Trennlinie zwischen demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus aufzulösen. Hierzu bedient sich der diskursorientierte Rechtsextremismus einiger klassischer rechtsextremistischer Themen, die in leicht modifizierter, teils abgeschwächter Form präsentiert werden. Hierzu zählen die Äußerung von Zweifeln an den Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus bis hin zu ihrer Leugnung, die Relativierung der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg und ein als Antizionismus oder Antiamerikanismus zu Tage tretender Antisemitismus. Auch in diesem Zusammenhang werden aktuelle politische und gesellschaftliche Ereignisse aufgegriffen und 32 RECHTSEXTREMISMUS so umgedeutet, dass diese rechtsextremistische Theorien scheinbar bestätigen. Diskursorientierte Rechtsextremisten betreiben Diskussionszirkel, führen Seminare durch und geben Publikationen heraus. Sie nutzen auch das Internet, um ihre Auffassungen zu vertreten und Nachrichten zu verbreiten. Mit Beginn der Präsenz von NPD-Mitgliedern im Sächsischen Landtag und der dadurch in Teilen des rechtsextremistischen Lagers ausgelösten Euphorie sahen sich diskursorientierte Rechtsextremisten in der Position, Stellung zu nehmen und sich einzubringen. Die NPD-Landtagsfraktion wurde dabei zum Arbeitgeber solcher Rechtsextremisten, indem sie diese als Fraktionsmitarbeiter einstellte. Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) Die GfP ist mit etwa 500 Mitgliedern die bundesweit größte rechtsextremistische Kulturvereinigung. Ihr gehören rechtsextremistische Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Der ehemalige Lehrer Andreas MOLAU, der noch in den 90er-Jahren zeitweilig für die Wochenzeitung "Junge Freiheit"11 geschrieben hatte, avancierte 2004 zum Berater der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen und zum stellvertretenden Chefredakteur der "Deutschen Stimme". Beim Jahreskongress der GfP, der vom 8. bis 10. April in Bayreuth (Bayern) stattfand, wurde MOLAU zum Bundesvorsitzenden der Organisation gewählt. Unter den Rednern des diesjährigen Kongresses befand sich auch der sachsen-anhaltische DVU-Landesvorsitzende Ingmar KNOP, der zum Thema "Zur aktuellen Einschränkung von Grundrechten" referierte. Die enge Zusammenarbeit und personelle Vernetzung der NPD mit der rechtsextremistischen Monatsschrift "Nation & Europa" und der GfP stellt ein Bündnis zum gegenseitigen Nutzen dar. Während die NPD ihre Stellung im rechtsextremistischen Lager weiter ausbauen 11 Die "Junge Freiheit" ist kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörde. 33 RECHTSEXTREMISMUS kann und hofft, weitere Intellektuelle an sich zu binden, verspricht sich der diskursorientierte Rechtsextremismus größere Einflussmöglichkeiten, neue Mitglieder oder Abonnenten für eigene Publikationen sowie eine Ausstrahlung auf die restliche rechtsextremistische Szene. Deutsches Kolleg (DK) Das von den Rechtsextremisten Horst MAHLER (Brandenburg), Dr. Reinhold OBERLERCHER (Hamburg) und Uwe MEENEN (Bayern) geführte DK hat sich die "Schulung der nationalen Intelligenz" zum Ziel gesetzt und in diesem Sinne einige, allerdings von der Öffentlichkeit kaum beachtete Veranstaltungen durchgeführt. Es blieb bei der oben geschilderten Vernetzung mit der NPD unbeteiligt und kann mit seiner unverholen aggressiven antisemitischen und rassistischen Agitation nicht über den engsten Kreis seiner Anhänger hinaus wirken. Allerdings ist das DK über die Person des ehemaligen Linksterroristen MAHLER mit rechtsextremistischen Organisationen wie dem "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) oder dem "Collegium Humanum" aus Vlotho (Nordrhein-Westfalen) verflochten. Auf seiner Internetseite verglich das DK die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg mit dem Holocaust, forderte in einem "Obligatorischen Allparteien-Wahlprogramm" diktatorische Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und "ermunterte" das Deutsche Volk, einen "allgemeinen Aufstand mit allen Mitteln, auch mit dem Mittel des Stimmzettels" auszuführen. Das Landgericht Berlin verurteilte MAHLER am 12. Januar wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung. MAHLER hatte 2002 während einer Pressekonferenz in den Räumen der NPD-Parteizentrale in Berlin-Köpenick einen Schriftsatz an Journalisten verteilen lassen, in dem er als Prozessvertreter der NPD im Rahmen des Verbotsverfahrens vor dem BVerfG den Hass auf Juden als "untrügliches Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems" bezeichnete. Das Landgericht befand, MAHLER habe die Menschenwürde jüdischer Mitbürger ver34 RECHTSEXTREMISMUS letzt. Er empfinde Genuss an der Provokation und sehe sich als Vordenker der "nationalen Bewegung". In dem Urteil heißt es weiter, sein Verhalten sei gefährlich, weil es die "intellektuelle Rechtfertigung für dumpfe Gemüter der rechtsextremen Szene" biete. MAHLERs Provokationen werden von der rechtsextremistischen Szene genüsslich verfolgt, letztere betrachtet ihn jedoch zunehmend als eine Art Politclown. Deutsche Akademie (DA) Zusammen mit Funktionären von Nebenorganisationen der NPD organisierte der ehemalige NPD-Chefideologe Jürgen SCHWAB (Bayern) unter der Überschrift "Deutsche Akademie" am 8. und 9. Oktober in Thüringen eine Tagung mit dem Thema "Nationalrevolutionär heute". Sie sollte dem Zweck dienen, "Nationalrevolutionären und Nationalen Sozialisten" ein organisationsübergreifendes Forum zu bieten und die eigene Position im Verhältnis zur NPD zu bestimmen, deren Kurs nach ihrem Einzug in den Landtag von Sachsen als "parlamentaristisch und kapitalistisch" empfunden wird. Die DA griff damit die ideologische Entwicklung so genannter "Freier Nationalisten" und rechtsextremistischer Kameradschaften auf, die gewisse Parallelen zu derjenigen der Nationalrevolutionäre der 20erund 30er-Jahre aufweist. Die DA übt eine vehemente Kapitalismuskritik, die sich auch gegen die Globalisierung und die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika richtet und sich selbst als antiimperialistisch bezeichnet. RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Die NPD bildete auch 2005 einen Kristallisationspunkt für die fortdauernden Versuche des rechtsextremistischen Lagers zur Einigung. Sie setzte ihre im Vorjahr propagierte Zusammenarbeit mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) und den "Freien Kräften" fort. 35 RECHTSEXTREMISMUS Nach den bereits 2004 zwischen der NPD und DVU getroffenen Wahlabsprachen (Brandenburg und Sachsen) haben der NPDParteivorsitzende Udo VOIGT und der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard FREY in einer als "Deutschland-Pakt" bezeichneten Vereinbarung am 15. Januar ihre weitere Zusammenarbeit für die kommenden Wahlen auf Europa-, Bundesund Landesebene festgeschrieben. Ziel der Absprache ist es, sich bei Wahlen nicht gegenseitig zu behindern. In der Vereinbarung heißt es, der "Bruderkampf" sei eingestellt, es werde nun ausschließlich gegen die "wirklichen Gegner gefochten". Die NPD erzielte auch im Jahr 2005 einen Mitgliederzuwachs. Der Mitgliederbestand der NPD erhöhte sich bundesweit von 5.300 (2004) auf nun 6.000 Personen. Wahlergebnisse Bei der Bundestagswahl am 18. September erlangte die NPD 743.903 Zweitstimmen (1,6 Prozent) und erhöhte damit ihren Anteil um 528.671 Stimmen (1,2 Prozentpunkte). Aufgrund ihres Abschneidens kann die Partei Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung beanspruchen und dürfte damit ihre finanziell angespannte Lage deutlich verbessern. In Sachsen-Anhalt erhielt die NPD 36.970 Stimmen (2,5 Prozent), liegt damit über dem Bundesdurchschnitt und konnte ihr Ergebnis gegenüber der Bundestagswahl 2002 mehr als verdoppeln. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen blieb die Partei bedeutungslos. Ideologische Entwicklung Die NPD unternimmt weitere Schritte, um ihre herausgehobene Stellung im rechtsextremistischen Spektrum zu festigen. Unter anderem versucht sie, ihre Parteiarbeit zu professionalisieren, indem sie parteiunabhängige Intellektuelle an die Partei heranführt. 36 RECHTSEXTREMISMUS Darüber hinaus ist die NPD bemüht, sich über eine bisweilen militante Diktion als Teil einer sozialen Protestbewegung darzustellen oder eine solche zu initiieren. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen im Jahr 2004 war es der NPD gelungen, einige renommierte rechtsextremistische Intellektuelle als wissenschaftliche Berater der Landtagsfraktion zu gewinnen. Die NPD rückte gezielt soziale Themen, insbesondere die Sozialreformen, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes und heizte damit die sozialdemagogische Agitation weiter an. Weitere Themenschwerpunkte der Partei waren eine angeblich in Deutschland immer stärker um sich greifende Überfremdung sowie der angestrebte EUBeitritt der Türkei. Volksfront von rechts Die NPD hatte in allen Ländern Landeslisten zur Bundestagswahl aufgestellt. Elf dieser Listen umfassten auch Kandidaten der DVU. In Nordrhein-Westfalen wurde der DVU-Vorsitzende FREY auf den ersten und VOIGT auf den zweiten Platz der Landesliste gesetzt. Neben den DVU-Kandidaten fanden sich auf den Landeslisten der NPD und als Wahlkreiskandidaten auch führende Neonazis und Mitglieder anderer rechtsextremistischer Parteien. So kandidierten für die NPD die führenden Neonazis und Mitglieder im NPDParteivorstand Thomas WULFF (in Mecklenburg-Vorpommern) und Thorsten HEISE (in Thüringen). Der Rechtsanwalt und Neonazi Jürgen RIEGER war Spitzenkandidat der NPD-Liste in Hamburg. Vereinzelt waren unter den NPD-Kandidaten auch Mitglieder der "Deutschen Partei" (DP) und der Partei "Die Republikaner" (REP) zu finden. 37 RECHTSEXTREMISMUS Weitere Aktivitäten der Bundespartei Die NPD veranstaltete am 16. April in Stolberg (Nordrhein-Westfalen) aus Anlass ihres 40-jährigen Bestehens einen Festakt unter dem Motto "Vier Jahrzehnte NPD".12 In seiner Rede betonte VOIGT auch, dass er damit rechne, dass die Bundesrepublik Deutschland in kurzer Zeit zusammenbreche. "Auf diesen Trümmern" werde die NPD dann das "neue Deutschland" errichten. MAHLER kritisierte in seinem Beitrag, dass in Israel wieder über einen NPD-Verbotsantrag diskutiert werde. Dies stelle einen Versuch dar, Druck auf die deutsche Politik auszuüben. Die NPD sei für ihn eine geeignete Partei, um künftige gesellschaftliche Umbrüche zu kanalisieren. In einem während der Veranstaltung verlesenen Brief sprach sich FREY für die Fortsetzung des "Deutschland-Paktes" aus. VOIGT wurde vom Landgericht Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er 1998 bei einer Wahlveranstaltung zum bewaffneten Kampf gegen Politiker aufgerufen hatte. Der Prozess geht auf eine Rede zurück, die VOIGT am 22. August 1998 in der Nähe von Greifswald vor etwa 50 jugendlichen Aktivisten gehalten hatte. Zu Zeiten des Kalten Krieges hätte er zur Waffe gegriffen, wenn Deutschland in Gefahr gewesen wäre, sagte VOIGT damals. "Das erwarten wir auch von euch" ergänzte er. Den Feind ortete er "in den Köpfen der etablierten Politiker". Das Gericht wertete die Äußerungen als Volksverhetzung. Die viermonatige Haft wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Im Dezember 2005 traten drei sächsische NPD-Funktionäre aus der dortigen Landtagsfraktion und aus der Partei aus. Sie erhoben dabei schwere Vorwürfe sowohl gegen die Bundesführung der Partei als auch gegen die Fraktionsführung im Sächsischen Landtag. Die Austritte trafen die NPD überraschend und führten zu Verunsicherung und Irritationen. 12 Im Jahr 2004 hatte die 1964 gegründete NPD ihren Festakt nicht durchführen können. 38 RECHTSEXTREMISMUS "Junge Nationaldemokraten" (JN) Mit der JN verfügt die NPD als einzige rechtsextremistische Partei über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Die "Jungen Nationaldemokraten" bekennen sich zwar zur Ideologie und zum Programm der NPD, vertreten diese Standpunkte aber wesentlich aggressiver und stellen ein Bindemitglied zu den Neonazis dar. In Berlin nahmen an einer von der JN unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" angemeldeten Veranstaltung Polizeiangaben zufolge rund 3.300 Personen teil. Die Kundgebung begann mit der Rede des JN-Bundesvorsitzenden Stefan ROCHOW (Sachsen), der den Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai als ein "Symbol der Gefangenschaft" bezeichnete. Das deutsche Volk sei bis heute unterdrückt und befinde sich in einer "Schuldknechtschaft". In einer von starkem Beifall begleiteten Rede titulierte der stellvertretende NPD-Parteivorsitzende Holger APFEL die Bundesrepublik Deutschland als "Canossa-Republik" und forderte ein Ende der Vergangenheitsbewältigung. Der Neonazi Dieter RIEFLING (Niedersachsen) zeigte sich als "Vertreter des freien, nationalen und sozialistischen Widerstandes" erfreut über die mit der Demonstration hergestellte Solidarität zwischen parteigebundenen und "freien Kräften". Am 26. November trafen sich die Delegierten der JN in Chemnitz (Sachsen) zu ihrem 35. Bundeskongress. Der bisherige Bundesvorsitzende ROCHOW wurde bei der Neuwahl des Bundesvorstandes mit 83 Prozent der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigt. Wiedergewählt wurde auch sein Stellvertreter Alexander NEIDLEIN, JN-Landesvorsitzender Baden-Württemberg. Zum zweiten Stellvertreter avancierte der JN-Landesvorsitzende SachsenAnhalts Philipp VALENTA (Bernburg), der dem Vorstand bislang als Beisitzer angehört hatte. Michael SCHÄFER (Wernigerode), stellvertretender Landesvorsitzender der JN Sachsen-Anhalt, wurde als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. 39 RECHTSEXTREMISMUS Der formell erst im August gegründete JN-Landesverband Sachsen-Anhalt führte zusammen mit "Freien Nationalisten" am 23. Juli in Königshütte (Landkreis Wernigerode) eine Wahlkampfauftaktveranstaltung zur Bundestagswahl 2005 durch. An dem Treffen nahmen etwa 150 Personen aus Sachsen-Anhalt teil. VOIGT sprach in seinem Redebeitrag über die verbesserte Zusammenarbeit zwischen der NPD und den "Freien Nationalisten" in Sachsen-Anhalt. Einer Pressemitteilung des JN-Landesverbandes zufolge wurde am 22. Dezember in Wernigerode der landesweit erste regionale "Stützpunkt" gegründet. Der "Nationale Beobachter - Schönebeck" führte im Zusammenhang mit einem Jahresrückblick auf die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene in Schönebeck an, dass dort ebenfalls ein JNStützpunkt gegründet werden soll, um vor Ort präsent zu sein und den "revolutionären und rebellierenden Geist durch eine Jugendorganisation" zu vermitteln. NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt Dem NPD-Landesvorstand gelang es, den Landesverband auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Für das Jahr 2005 ist von rund 250 Mitgliedern auszugehen (2004: 200). Diese sind in neun Kreisverbänden und mehreren Ortsbereichsgruppen organisiert. Die NPD konnte sich vor allem im Süden Sachsen-Anhalts etablieren. Ihre Mitglieder haben dort mehrere Mandate auf kommunaler Ebene inne. Aktivitäten des NPD-Landesverbandes betrafen im Berichtszeitraum überwiegend den Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl, zu der die Partei mit einer 20 Personen umfassenden Landesliste antrat. Entsprechend den Wahlabsprachen zwischen NPD und DVU kandidierten auf Platz eins der Liste der DVU-Landesvorsitzende Ingmar KNOP (Dessau), und auf Platz zwei der NPDLandesvorsitzende Andreas KARL (Billroda/Burgenlandkreis). 40 RECHTSEXTREMISMUS Der Wahlkampf vollzog sich schwerpunktmäßig in den südlichen Regionen Sachsen-Anhalts. In den Kreisverbänden Burgenlandkreis, Sangerhausen und Halle wurden verstärkt Informationsstände aufgestellt. Zudem wurde rechtsextremistisches Propagandamaterial in Form von Wahlzeitungen und Flugblättern verteilt. Der NPD-Kreisverband Magdeburg veranstaltete in Magdeburg am 6. August zwei Demonstrationen mit jeweils 135 Teilnehmern. Anmelder beider Veranstaltungen war der NPD-Kreisverbandsvorsitzende Jens BAUER (Magdeburg). Die erste Demonstration wurde im Stadtteil Rothensee vor dem dortigen Asylbewerberheim durchgeführt. Dort wurde zum "Widerstand gegen die Verausländerung unserer Heimat" aufgerufen und "Gerechtigkeit für deutsche Volksgeschwister" gefordert. Die zweite Demonstration führte durch die Magdeburger Innenstadt. Dabei wurden Reden zu den Themen Sozialreformen und "Agenda 2010" gehalten. In Weißenfels fand am 3. September eine Wahlkampfveranstaltung der NPD mit Beteiligung von etwa 200 Rechtsextremisten statt, an der auch VOIGT teilnahm. Der Landesverband veranstaltete am 10. September zwei weitere Demonstrationen in Magdeburg, an denen sich jeweils rund 130 Personen beteiligten. Dabei ging es erneut um sozialpolitische Themen. Die von der NPD produzierte, nicht strafbewehrte so genannte Schulhof-CD13 wurde in Magdeburg, Bernburg und Köthen in Straßenbahnen und vor Schulen an Erstwähler und Schüler verteilt. KARL erlangte bei der Bundestagswahl im Wahlkreis 74 (Burgenland) ein Erststimmenergebnis von 4,7 Prozent als Direktkandidat und somit zugleich das beste Ergebnis der NPD in Sachsen-Anhalt. Dies festigt KARLs Position als Vorsitzender des Landesverbandes. Das Ergebnis resultiert nicht zuletzt aus dem aufwändig geführten Wahlkampf im mitgliederstärksten Kreisverband der Landes-NPD. 13 Die Schulhof-CD der NPD ist nicht identisch mit der CD "Anpassung ist Feigheit". 41 RECHTSEXTREMISMUS Bei der zu wiederholenden Wahl zum Kreistag im Burgenlandkreis errang die NPD 5,1 Prozent und zog erneut mit zwei Sitzen in den Kreistag ein. Der Landesvorstand gab im Berichtszeitraum zwei Ausgaben der Parteizeitung "NPD-Echo Sachsen-Anhalt" heraus. Inhalt waren überwiegend Darstellungen interner Veranstaltungen der NPDKreisverbände. Deutsche Volksunion (DVU) Die DVU bleibt auch mit einer bundesweit rückläufigen Mitgliederzahl von etwa 9.000 Personen (2004: 11.000) die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ihr Einfluss im rechtsextremistischen Spektrum bleibt trotz des "Deutschland-Paktes" mit der NPD gering. Die Partei wird seit ihrer Gründung vom Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard FREY (Bayern) zentralistisch und autokratisch geführt. Den 16 Landesverbänden bleibt daher kaum Raum für selbstständige politische Arbeit. Auf dem Bundesparteitag am 15. Januar wurde FREY erneut in seiner Funktion als Bundesvorsitzender bestätigt, stellvertretende Vorsitzende der DVU bleiben Bruno WETZEL (Rheinland-Pfalz) und der Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft Siegfried TITTMANN. Die DVU hatte mehrere Wahlerfolge bei Landtagswahlen (in Brandenburg, in Bremen und 1998 in Sachsen-Anhalt), blieb aber - zumindest in Bezug auf den hiesigen Landesverband - bis heute ein vom Parteivorsitzenden ideell und finanziell abhängiges Kunstprodukt mit schwacher sozialer Verankerung, chronisch knapper Personaldecke und unterentwickeltem Parteileben. Die Aktivitäten der DVU standen im Berichtszeitraum ganz im Zeichen der Bundestagswahl am 18. September. Im Sinne des "Deutschland-Paktes" nahm vor allem FREY gemeinsam mit dem NPD-Vorsitzenden VOIGT an verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen der NPD teil. 42 RECHTSEXTREMISMUS Die von FREY herausgegebene rechtsextremistische "NationalZeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) hat ihre traditionelle antisemitische Agitation deutlich verstärkt. Diese entzündete sich vor allem an dem von Rechtsextremisten gebrauchten Begriff des "Bombenholocaust"14 zur Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen an den europäischen Juden und konzentriert sich gegenwärtig in zahlreichen Artikeln auf angebliche "jüdische Hintergrundmächte" in der deutschen Politik. Die im rechtsextremistischen "DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) herausgegebene NZ ist mit 41.000 Exemplaren die auflagenstärkste Publikation im rechtsextremistischen Spektrum. Landesverband Sachsen-Anhalt Der DVU-Landesverband in Sachsen-Anhalt ist in einem desolaten Zustand. Nur etwa insgesamt 50 aktive Mitglieder begeben sich zu den regelmäßig stattfindenden politischen Stammtischen in Halle, Bitterfeld, Dessau, Hettstedt, Magdeburg und Stendal. Der Landesverband ist weder dazu in der Lage, eigenständige Mitgliederversammlungen durchzuführen, weil die Einladungen zentral aus München verschickt werden müssen, noch haben die Mitglieder selbst ein Interesse, aus eigener Kraft Informationsveranstaltungen in der Öffentlichkeit durchzuführen. Am 2. März wählte der Landesverband Sachsen-Anhalt auf seinem außerordentlichen Landesparteitag den Rechtsanwalt Ingmar KNOP aus Dessau zum neuen Vorsitzenden. Die DVU vereinbarte im Rahmen des "Deutschland-Paktes" mit der NPD, an der sachsen-anhaltischen Landtagswahl am 26. März 2006 teilzunehmen und ihre Liste auch für NPD-Kandidaten zu öffnen. 14 Der NPD-Abgeordnete des sächsischen Landtags Jürgen GANSEL verwendete den Begriff im Januar 2005 als Synonym insbesondere für die Bombardierung Dresdens im Jahr 1945. 43 RECHTSEXTREMISMUS Die DVU plante, den Einzug in den Landtag durch einen ähnlich hohen Einsatz von Wahlkampfmitteln wie 1998 zu erreichen. Der Bundesvorsitzende FREY sagte zu, den Wahlkampf mit erheblichen finanziellen Mitteln zu unterstützen. Ein besonderes Augenmerk richtete die Partei auf die Kandidatenauswahl, um ein personelles Desaster wie 1998 zu vermeiden. Deutsche Partei Die Freiheitlichen (DP) Der etwa 50 Mitglieder starke Landesverband der DP entwickelte im Berichtszeitraum keinerlei politische Aktivitäten. Bundesweit beläuft sich die Mitgliederstärke unverändert auf etwa 500 Personen. Die Republikaner (REP) Der Versuch des REP-Bundesvorstandes, eine eher gemäßigte Position innerhalb der Gesamtpartei durchzusetzen, bewirkte vor allem an der Parteibasis fortschreitende Resignation und führte zu einem weiteren Absinken der Mitgliederzahl auf nunmehr rund 6.500 Personen (2004: 7.500). Der Abwärtstrend der Partei erklärt sich auch durch die wieder aufgeflammten innerparteilichen Differenzen, die vor allem auf den vom REP-Bundesvorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER (Baden-Württemberg) vertretenen Abgrenzungskurs der Partei gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen zurückgehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der teilweise deutlich besseren Wahlergebnisse der Konkurrentin NPD. Trotz wachsender innerparteilicher Kritik hält die Parteiführung jedoch nach außen hin an ihrem Abgrenzungskurs, insbesondere gegenüber der NPD, fest. Im Vorfeld der Bundestagswahl am 18. September haben NPD und DVU mehrmals versucht, die REP in ihre "Volksfront"-Strategie einzubinden. Eine Beteiligung an einem von der NPD dominierten Wahlbündnis lehnte die REP-Bundesführung jedoch strikt ab. 44 RECHTSEXTREMISMUS Wegen fehlender organisatorischer Strukturen und finanzieller Engpässe hatten die REP nicht in allen Bundesländern Landeslisten zur Bundestagswahl aufgestellt und traten mit Direktkandidaten nur punktuell an. In ihrem Wahlprogramm griff die Partei auf die Themen Arbeitsmarktreform "Hartz IV", Arbeitslosigkeit sowie auf eine behauptete finanzielle Umverteilung zurück. REP-Wahlplakate zeigten Parolen wie "4 Millionen neue Arbeitsplätze - wir sorgen dafür" und "Arbeit für Olek - Hartz IV für Deutsche?". Nennenswerte Wahlkampfaktivitäten der REP wurden nicht bekannt. Die erzielten Wahlergebnisse auf Bundesund Landesebene blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Landesverband Sachsen-Anhalt Der REP-Landesverband Sachsen-Anhalt umfasst die Kreisverbände Köthen, Magdeburg, Wittenberg, Mansfelder Land/Aschersleben und Halle und hat etwa 100 Mitglieder. Er ist im Internet mit seinem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2006 präsent. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten waren nicht zu verzeichnen. Exilregierung Deutsches Reich Seit Anfang 2000 wurden verstärkt Aktivitäten einer so genannten "Kommissarischen Reichsregierung des Deutschen Reiches" (KRR)15 bekannt. Schreiben der KRR suggerieren das Fortbestehen des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937. Als Beleg dafür werden unter anderem mehrere völkerrechtliche Verträge und entsprechende Gerichtsurteile zitiert, die diese Rechtsauffassung angeblich unterstützen. In der Regel wurden Forderungen gegenüber Behörden und staatlichen Einrichtungen erhoben, gelegentlich wurde deren Mitarbeitern mit Strafanzeigen oder "disziplinarischen Konsequenzen" gedroht. 15 Die KRR ist kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörde. 45 RECHTSEXTREMISMUS Aufgrund interner Unstimmigkeiten innerhalb der KRR spalteten sich im Laufe der Zeit mehrere kleine Personengruppen ab, die unter anderen Bezeichnungen die Thesen und Ansichten der KRR weiter vertraten. Bei der "Exilregierung Deutsches Reich" handelt es sich um einen im Jahr 2004 gegründeten Ableger der KRR. Die "Exilregierung" entfaltet Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und wird daher von der Verfassungsschutzbehörde beobachtet. In den Verlautbarungen der "Exilregierung" finden sich zahlreiche Belege für die Nichtanerkennung der völkerrechtlich akzeptierten Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen beziehungsweise Russland. Dies geht einher mit der Forderung nach einer Geltendmachung angeblich noch bestehender Gebietsansprüche Deutschlands. Über die Kritik an Vertretern von Politik und Behörden hinaus lehnt die "Exilregierung" das Gesamtsystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausdrücklich ab. Sie verfolgt Ziele, die gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Dabei dient ihr die Leugnung der Kriegsschuld Deutschlands zu einer positiveren Darstellung des Nationalsozialistischen Regimes. Aktivitäten entwickelt die vornehmlich im Süden Sachsen-Anhalts aktive "Exilregierung" unter anderem durch Vortragsund Informationsveranstaltungen, durch das Verteilen von Informationsmaterialien, über die Eigendarstellung im Internet und durch die "Unterstützung" von "Reichsbürgern" bei Auseinandersetzungen mit Behörden. Die "Exilregierung" verkauft an ihre "Reichsbürger" zahlreiche "Dokumente". Hierzu zählen neben so genannten Personenausweisen auch Führerscheine und "Gewerbeerlaubnisse" des "Deutschen Reiches". Sie behauptet, der Inhaber solcher Dokumente sei als "Reichsbürger" kein Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, unterfalle nicht deren Rechtssystem und habe dieser gegenüber keinerlei finanzielle oder anderweitige Verpflichtungen mehr. 46 RECHTSEXTREMISMUS Der "Exilregierung Deutsches Reich" können in Sachsen-Anhalt deutlich über 100 Personen zugerechnet werden. Örtliche Schwerpunkte bilden vor allem die Städte, in denen so genannte Passund Meldestellen eingerichtet wurden. Dies sind in Sachsen-Anhalt die Städte Halle, Leuna (Landkreis Merseburg-Querfurt), Magdeburg, Quedlinburg, Wernigerode und Merseburg.16 Die "Meldestellen" gelten als regionale Zentren der "Exilregierung" und dienen auch der Rekrutierung neuer Mitglieder. 16 In Merseburg existieren zwei "Meldestellen". 47 LINKSEXTREMISMUS III. LINKSEXTREMISMUS Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Anzahl von Linksextremisten im Land Sachsen-Anhalt in ihrer Gesamtheit konstant. Während das Personenpotenzial der Autonomenszene leicht anstieg, ging die Anzahl der Mitgliedschaften in linksextremistischen Parteien und Vereinigungen im gleichen Umfang zurück. Linksextremisten 2004 2005 Parteien und sonstige Gruppierungen 275 245 Autonome 260 290 Gesamt: 535 535 AUTONOME Selbstverständnis Autonome propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von diversen "Anti-Einstellungen", so definieren Autonome sich zum Beispiel als "antifaschistisch", "antikapitalistisch" und "antipatriarchal". Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente bilden den Rahmen oftmals spontaner Aktivitäten. Dabei zielen Autonome, wie alle Linksextremisten, im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" ab. Die Anwendung von Gewalt halten Autonome in diesem Zusammenhang für legitim. Strafund Gewalttaten17 Die Anzahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Linksextremismus stieg im Berichtsjahr stark an. Dies trifft auch auf die entsprechenden Gewalttaten zu, die in aller Regel im Zuge von Aus17 Genauere Angaben können der auf Seite 127f dieses Berichts auszugsweise wiedergegebenen Statistik des Landeskriminalamtes entnommen werden. 48 LINKSEXTREMISMUS einandersetzungen mit Rechtsextremisten oder vermeintlichen Rechtsextremisten begangen wurden. Überblick und Entwicklungstendenzen Schwerpunktregionen der etwa 290 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt sind nach wie vor die Städte Magdeburg, Halle und Dessau. Auch das Demonstrationsgeschehen spielte sich fast ausschließlich in diesen Regionen ab. Namentlich machten Gruppierungen wie die "Gruppe Internationale Solidarität" (GIS), die neu gegründete "Gruppe 45" (beide Magdeburg), der "Antifaschistische Arbeitskreis" (AfA Halle), die "Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg" und die "Antifa Dessau" auf sich aufmerksam. Seit Mitte des Jahres existiert im Internet ein so genanntes "Antifa Infoportal", über das Termine und Aktionsaufrufe verbreitet werden. Die Häufigkeit von rechtsextremistischen Aufzügen und das stets als provokativ empfundene Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit führten im Berichtszeitraum dazu, dass auch in der Sichtweise von Autonomen aus Sachsen-Anhalt die Bedeutung des "antifaschistischen Kampfes" zunahm. Dies reichte von bloßen verbalen Reaktionen über Angriffe auf öffentliche Auftritte von Rechtsextremisten bis hin zu einem verstärkten Engagement in Form von eigenen themenbezogenen Demonstrationen. Daneben protestierten Autonome gegen den Vertrieb und Verkauf tatsächlicher oder vermeintlicher rechtsextremistischer Mode und Musik. Ziel war dabei, solche Vertriebsstrukturen aufzudecken und öffentlich bekannt zu machen. Sachsen-anhaltische Autonome übernahmen die Logistik der Kampagne von Berliner und Brandenburger Antifa-Gruppen "we will rock you! - Weg mit Naziläden, rechter Musik und rechtem Lifestyle" und nutzten diese für eigene Veranstaltungen. Gegen vermeintliche oder erkannte Personen des gegnerischen politischen Lagers wurde zum Teil mit erheblicher Brutalität vorgegangen. 49 LINKSEXTREMISMUS Einen weiteren thematischen Schwerpunkt stellte der 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges dar. Aus diesem Anlass fanden zahlreiche regionale und überregionale Demonstrationen statt, die sich vor allem gegen Aktivitäten von Rechtsextremisten richteten, die ihrerseits die Zerstörung verschiedener Städte Sachsen-Anhalts durch alliierte Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg thematisierten. Linksextremisten wandten sich dabei gegen den so bezeichneten deutschen "Opfermythos" und gegen "Geschichtsrevisionismus". In Revisionsverfahren gegen die Magdeburger Autonomen Daniel W. und Marco H. bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg die 2003 im Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung verhängten Haftstrafen von zwei und zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass beide Angeklagte 2001 und 2002 an Brandanschlägen auf ein Autohaus und zwei Fahrzeuge der Deutschen Telekom in Magdeburg beteiligt waren. Zudem waren sie für zwei versuchte Brandanschläge auf das Gebäude des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und ein Dienstfahrzeug des damaligen Bundesgrenzschutzes mitverantwortlich. Die zur Unterstützung der beiden Angeklagten im Jahr 2003 gegründete "Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg" rief auch anlässlich des Revisionsverfahrens zur Beteiligung an Solidaritätskundgebungen und zur Prozessbeobachtung auf. Sie führte außerdem am 18. Juni in Magdeburg eine Demonstration unter dem Motto "Kriminell ist das System und nicht der Widerstand" durch. Dabei wurde auf Plakaten "Freiheit für alle revolutionären Gefangenen weltweit" und "Freispruch für Marco und Daniel" gefordert. 50 LINKSEXTREMISMUS Spezifische Aktionsfelder der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt "Antifaschismus" Im Berichtszeitraum richteten sich die Aktivitäten der Autonomenszene erneut vor allem gegen Aufzüge von Rechtsextremisten in verschiedenen Städten Sachsen-Anhalts. Folgende Beispiele sind hier exemplarisch zu nennen: Ein so genanntes "Antifaschistisches Aktionsbündnis", an dem sich auch die linksextremistische "Antifaschistische Aktion Magdeburg" (AFA) beteiligte, mobilisierte zu einer Demonstration am 15. Januar in Magdeburg, die sich gegen einen zeitgleich stattfindenden rechtsextremistischen Aufzug unter dem Motto "Gegen den deutschen Opfermythos - Geschichtsrevisionismus bekämpfen" richtete. Anlass für beide Aufzüge war der 60. Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg. Etwa 700 Personen, überwiegend Angehörige der Autonomenszene aus der Region, den benachbarten Bundesländern und Berlin, nahmen an der Demonstration teil. Während des Verlaufs kam es zu militanten Aktionen von Autonomen, die damit den Aufzug der Rechtsextremisten stören wollten. Es wurden Straßenkreuzungen besetzt, Flaschen und Pflastersteine auf Polizeibeamte geworfen und Müllcontainer in Brand gesetzt. Entlang der Demonstrationsroute wurden mehrere parkende Fahrzeuge beschädigt. Der Aufzug der Rechtsextremisten kam aufgrund dieser Aktivitäten bereits nach 20 Minuten zum Stillstand, wurde jedoch später über eine veränderte Wegstrecke fortgesetzt. Am 12. März beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 900 Personen, darunter etwa 500 aus dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum, an Protestaktionen gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten aus Anlass des 60. Jahrestages der Zerstörung Dessaus. 51 LINKSEXTREMISMUS Dazu war im Internet unter dem Motto "12. März - Naziaufmarsch smashen" bundesweit mobilisiert worden. Geplant war, die rechtsextremistische Demonstration dezentral zu stören. Gewaltbereite Kleingruppen versuchten, das polizeiliche Raumschutzkonzept zu unterlaufen und die Kundgebungen sowie den Aufmarsch der Rechtsextremisten direkt anzugreifen. Dies gelang jedoch nicht. Es kam vereinzelt zu Steinund Flaschenwürfen auf Polizeibeamte, an einem Dienstfahrzeug entstand Sachschaden. Innerhalb der Autonomenszene wertete man die eigenen Aktivitäten als Misserfolg, da der Aufzug der rechtsextremistischen Szene nicht nachhaltig gestört werden konnte. Grund hierfür seien das sehr hohe Polizeiaufgebot und eine mangelnde Kommunikation untereinander gewesen. Bereits im Vorfeld der Demonstration wurden Schmierereien an verschiedenen Häuserwänden in Dessau festgestellt: "Nazis folgt eurem Führer - Begeht Selbstmord!" "Deutsche Opfer sind nur Täter. Nazis raus!" "Ihr habt den Krieg verloren!" "Nazis stoppen! Stalingrad - schönes deutsches Grab" Für den 17. Juni meldete die rechtsextremistische Szene einen Aufzug in Halle an.18 Die dortige linksextremistische Szene, namentlich der aktionsbezogene Zusammenschluss "Antifaschistische Gruppen Halle", rief insbesondere im Internet zu Gegenaktivitäten auf. Unter dem Motto "Smash the Naziscum! Den Fackelaufmarsch verhindern! Kein Naziaufmarsch in Halle" hieß es dazu: "Dieser Aufmarsch ist nach langer angenehmer Stille der erste Versuch der rechten Szene sich in Halle zu artikulieren. Dass sie gleich mit dem Feuer spielen müssen ist wohl so eine Art natürlicher Reflex. Dazu kann einem eigentlich nur eins einfallen: Es ist Sommer, es ist Wochenende und eine Einladung zum Barbecue schlägt man nur ungern aus." 18 Siehe Seite 14f. 52 LINKSEXTREMISMUS Der rechtsextremistische Aufzug verlief jedoch ohne nennenswerte Störungen. Konfrontationsversuche der linksextremistischen Szene, die etwa 200 Personen mobilisiert hatte, wurden von der Polizei unterbunden. Am 10. September führte ein so genanntes "Antifaschistisches Aktionsbündnis" in Magdeburg eine "Antifa-Demonstration" unter dem Motto "Keinen Raum für Nazis" durch, an der sich etwa 135 Personen beteiligten. Anlass dazu waren zwei NPD-Aufzüge in Magdeburg-Olvenstedt und in Magdeburg-Stadtfeld. Innerhalb der linksextremistischen Szene mobilisierten die "Gruppe 45 Magdeburg" und das "Antifa Infoportal Magdeburg". Beide Gruppierungen existieren erst seit kurzem. Am Rande der eigentlichen Gegendemonstration versuchten Linksextremisten, die rechtsextremistischen Aufzüge durch Einzelaktivitäten zu stören. Hierzu zählten "Wasserbombenwürfe" vom Dach eines Hauses, ein brennender Müllcontainer nahe der Aufzugsstrecke und eine Bombendrohung gegen ein Einkaufszentrum. Außerdem erhielten Anwohner Flugblätter über eine angebliche Sperrmüllsammlung. Der erhoffte Sperrmüll sollte offenbar zum Bau von Barrikaden Verwendung finden. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Verlaufs der NPD-Aufzüge misslang. Das "Antifaschistische Infoportal" (AIP) rief außerdem zu einem "Antifa-Ausflug in die Provinz" auf. Anlass war ein geplanter Aufzug von Rechtsextremisten in Schönebeck. An den Gegenaktivitäten am 15. Oktober nahmen nach eigenen Angaben etwa 80 Personen teil. Erfreulicherweise seien auch sehr viele junge Menschen erschienen. Nicht so erfreulich sei aber die Tatsache gewesen, dass "relativ wenige organisierte AntifaschistInnen ihren Weg nach Schönebeck fanden". Aufgrund einer Sitzblockade von etwa 70 Personen der linksextremistischen Szene musste zwar die Aufzugsroute geändert werden. Nennenswerte Zwischenfälle gab es nach Polizeiangaben darüber hinaus aber nicht. 53 LINKSEXTREMISMUS Weitere Aktivitäten von Autonomen richteten sich gegen so bezeichneten "rechten Lifestyle". So fand am 1. Oktober in Halberstadt unter dem Motto "Schöner leben ohne Naziläden - Kein Raum für Faschisten - Ragnarök dicht machen!!!" unter Beteiligung von Autonomen eine Demonstration statt, die sich gegen das Halberstädter Geschäft "Ragnarök" richtete. Dort werden auch Bekleidung und Tonträger mit rechtsextremistischem Bezug angeboten. In einem im Internet verbreiteten Demonstrationsaufruf der "Antifaschistischen Gruppe Harz" hieß es dazu: "Das Ragnarök ist ein wichtiger Teil der lokalen NaziSzene, da es gleichzeitig einen Infound Sammelpunkt für Nazis aus der Umgebung darstellt...Es ist Zeit etwas zu tun - Wir müssen damit anfangen! Maul auf gegen Faschismus, Rassismus und Nationalismus". An der Demonstration beteiligten sich etwa 120 Personen. Massive Versuche von anwesenden Rechtsextremisten, unter anderem durch Flaschenund Steinwürfe, den Demonstrationszug zu stoppen, wurden von der Polizei unterbunden. Obwohl Rechtsextremisten die Demonstration gestört hatten, sprachen die Organisatoren von einem "Erfolg für lokale antifaschistische Strukturen". In Wittenberg protestierten am 31. Oktober nach Polizeiangaben etwa 20 Personen der Autonomenszene gegen die Eröffnung des Bekleidungsgeschäftes "Rodberg", das auch Bekleidung der Marke "Thor Steinar" vertreibt.19 Mitgeführte Transparente enthielten Parolen wie "Achtung geistige Brandstifter" und "Gegen Thor Steinar". Einem Eintrag im Internetportal "Indymedia" zufolge sollen "40 Antifas" den Anlass der Eröffnung des "Naziladens" genutzt haben, um die Öffentlichkeit durch Flugblätter über die "Nazimarke" zu informieren. Einige Demonstranten fotografierten sowohl den Laden als 19 Kleidungsstücke der Marke "Thor Steinar" dienen in der rechtsextremistischen Szene immer häufiger als Erkennungsmerkmal, werden allerdings auch von szenefernen Jugendlichen getragen. 54 LINKSEXTREMISMUS auch dessen Kundschaft. Nachdem drei der Demonstranten versucht hatten, den Fahrradständer aus der Verankerung zu reißen und Pflastersteine lockerten, rief der Ladeninhaber die Polizei. Diese sprach Platzverweise aus. In diesem Zusammenhang versahen unbekannte Täter in der Nacht zum 5. November in Wittenberg zahlreiche Gebäudefassaden mit Farbschmierereien. Autonome suchten auch im Jahr 2005 die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner und gingen dabei mitunter äußerst brutal vor. Am Abend des 7. Oktober begingen etwa 40 Angehörige der linksextremistischen Szene in Wernigerode einen schweren Landfriedensbruch. Die Gruppe griff auf einem Parkplatz acht bis zehn Rechtsextremisten mit Baseballschlägern, Zaunlatten und Schlagringen an. Zwei zu Boden geschlagene Geschädigte wurden getreten und erlitten Kopfverletzungen und Prellungen. Die anderen Angegriffenen konnten trotz Verfolgung flüchten. Als die Polizei am Tatort eintraf, ergriffen die Täter ihrerseits die Flucht. Zwei von ihnen wurden sofort festgenommen, sieben im Rahmen einer Nahbereichsfahndung aufgegriffen. Im Internetportal "Indymedia" kommentierte ein "Antifaschist" den Überfall mit den Worten: "Och wie traurig...Die Nasen heulen sich schon auf diversen Internet-Foren die Seele aus dem Leib...Auch wenn ich einen Überfall mit so deutlich zahlenmäßiger Überlegenheit nicht bejubeln kann, aber wie heißt es so schön? 'Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus', Nazis aufs Maul!" Aufgrund dieser Auseinandersetzungen führten beide Szenen am 14. Oktober Demonstrationen in Wernigerode durch. Die Polizei verhinderte ein Zusammentreffen beider Gruppierungen. 55 LINKSEXTREMISMUS Darüber hinaus kam es zu weiteren direkten Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linksund der rechtsextremistischen Szene: Angehörige der linksextremistischen Szene griffen am 15. Januar in Magdeburg zwei Passanten an, die sich als Beobachter am Rand eines rechtsextremistischen Demonstrationszuges aufgehalten hatten. Beide wurden von etwa 50 Autonomen eingekreist, als "Scheiß Nazis" beschimpft und danach zu Boden gestoßen und getreten. Am 2. April griffen in Wittenberg etwa 30 Autonome zehn Rechtsextremisten an. Als letztere flüchteten, wurde ein Jugendlicher unter anderem mit einer Eisenstange geschlagen. Zwei Angehörige der örtlichen linksextremistischen Szene beschimpften am 5. Oktober in Bitterfeld einen mutmaßlichen Rechtsextremisten als "Nazischwein". Dem Rechtsextremisten, der durch seine Kleidung als solcher erkennbar war, wurde mit Reizgas ins Gesicht gesprüht, danach wurde ihm die Sprayflasche auf den Kopf geschlagen. Zudem trat einer der Täter dem Geschädigten gegen den Kopf. Bei Eintreffen anderer Personen entfernten sich die Täter, wurden aber von der Polizei ermittelt. Der Geschädigte musste wegen einer Platzwunde ärztlich versorgt werden. Am 15. Oktober besprühten unbekannte Täter in Merseburg die Hauswand einer Gaststätte mit dem Schriftzug "Keine Räume für Nazis" und schlugen die Scheiben am Fahrzeug des Gaststättenbesitzers ein. Außerdem wurde versucht, gewaltsam in die Gaststättenräume einzudringen. Grund dafür war offenbar die Vermietung der Räume an den NPD-Landesvorstand Sachsen-Anhalt. Ein 57-jähriger Rollstuhlfahrer - aktives Mitglied der "Schill-Partei" - wurde am 17. November in Halberstadt von fünf mutmaßlich der Autonomenszene zuzurechnenden Tätern überfallen und beraubt. Bei dem Überfall wurde er mit seinem Rollstuhl umgestoßen, getreten, mit "Du Schill-Schwein, jetzt hauen wir dir aufs Maul" bedroht und seiner Lederjacke beraubt. 56 LINKSEXTREMISMUS "Proteste gegen Geschichtsrevisionismus" Am 30. April führte das "Jugendbündnis Merseburg" eine so genannte "Party-Demonstration" unter dem Motto "Dank den Alliierten für die Zerschlagung Nazideutschlands" durch. In dem mit so genannten antideutschen Positionen durchzogenen Aufruf hieß es: "Der konstruierte Gegensatz von guten Deutschen und bösen Nazis und der Opfermythos der Landsleute macht dieses Gedenkdeutschland anno 2005 so widerwärtig, wie es schon immer war...Da das Ende der Barbarei am 8. Mai 1945 von der übergroßen Mehrheit der Deutschen eher als Niederlage denn als Befreiung aufgefasst wurde, und die Deutschen bis zuletzt loyal zu Führer und Massenmord standen, danken wir den Siegermächten, dass sie der deutschen Mordmaschine mit allen Mitteln ein Ende setzten. Deshalb werden wir in diesem Jahr auf unserer Maidemo den 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus ausgiebig feiern." An der weitgehend störungsfreien Demonstration nahmen etwa 120 Personen teil. Unter dem Motto "Kraut(s) wegrauchen - Gegen Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus" veranstaltete die linksextremistische Szene am 7. Mai in Dessau einen Aufzug mit Abschlusskundgebung, an dem sich rund 80 Personen beteiligten. Die Demonstration, zu der die "Antifa Dessau" aufgerufen hatte, verlief störungsfrei. Zur Mobilisierung wurden unter anderem in Dessau selbst, in Leipzig (Sachsen), Halle, Bitterfeld und Magdeburg Plakate geklebt. 57 LINKSEXTREMISMUS Im Anschluss an die Veranstaltung fand im Dessauer "Beatclub" ein Konzert statt, das Demonstrationsteilnehmer verbilligt besuchen konnten. Von dieser Zusage hatte man sich eine höhere Teilnehmerzahl für die Demonstration versprochen. "Antirassismus" Angehörige des autonomen Spektrums agitieren seit Jahren gegen vermeintlich rassistische Denkund Verhaltensmuster in Staat und Gesellschaft. Dabei werden insbesondere die deutsche Asylpolitik, die Abschiebepraxis und die Unterbringung von Asylbewerbern kritisiert. Vor diesem Hintergrund fand am 18. Mai vor dem Ministerium des Innern in Magdeburg eine Kundgebung mit anschließendem Aufzug für die Schließung des Ausreisezentrums in Halberstadt statt. Daran nahmen etwa 100 Personen teil. Die Demonstrationsteilnehmer, darunter eine hohe Zahl von Asylbewerbern, reisten vorwiegend aus Halle, Dessau und Halberstadt an oder kamen direkt aus Magdeburg. Vorbereitet wurde die Demonstration von der so genannten "Initiative für die Schließung des Abschiebelagers Halberstadt", einem Bündnis aus extremistischen und nichtextremistischen Gruppen. Aus Anlass des so bezeichneten "Aktionstages gegen die Einrichtung von Lagern für Asylsuchende" veranstaltete eine "Initiative für die Schließung des Abschiebelagers in Halberstadt" am 24. September in Halle eine Demonstration mit mehreren Kundgebungen. Die etwa 50 Demonstranten gehörten teilweise dem linksextremistischen Spektrum an. Der Aufruf endete mit der Forderung "Kein Lager in Sachsen-Anhalt, kein Lager vor den Toren Europas, in dem die Menschenwürde mit Füßen getreten wird!" 58 LINKSEXTREMISMUS "Kampf gegen staatliche Repression" Das Revisionsverfahren im Strafprozess gegen zwei Magdeburger Autonome20 wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung21 war erneuter Anlass für Autonome, den "Kampf gegen staatliche Repression" zu propagieren. Angehörige der linksextremistischen Szene beteiligten sich an entsprechenden Kundgebungen und nahmen als Prozessbeobachter an den Sitzungen teil. Zum Prozessauftakt verlas der Angeklagte Daniel W. eine von ihm verfasste Prozesserklärung, in der es unter anderem hieß: "Natürlich ist es Ihre Aufgabe, Formen des sozialen Widerstands in seine Schranken zu weisen, und auch wenn Sie von Begriffen wie 'Klassenjustiz' nichts hören wollen, so praktizieren Sie als VertreterInnen der deutschen Judikative doch genau diese!...Es ist Aufgabe der deutschen Linken sich dieser Entwicklung anzunehmen und den Knast als Feld sozialer Kämpfe wieder zu entdecken. Widerstand regt sich auch hinter Gittern und politische wie auch soziale Gefangene brauchen unsere Solidarität...Freiheit für alle sozialen und politischen Gefangenen weltweit! Kein Knast steht ewig! Kriminell ist das System und nicht der Widerstand! - Gegen jede Form von Ausbeutung und Unterdrückung! Für eine soziale Revolution weltweit!!!" Im Zusammenhang mit dem Revisionsverfahren wurden in verschiedenen Städten Sachsen-Anhalts Farbschmierereien an öffentlichen Gebäuden festgestellt, so zum Beispiel: "Beugehaft abschaffen! SFO22 - Fight together" "Unsere Solidarität gegen ihre Repression" "Ja zur Aussageverweigerung" 20 Siehe auch Seite 50. 21 Strafbewehrt nach SS 129a Strafgesetzbuch (StGB). 22 "Stadtfeld-Ost" - Bezeichnung eines Stadtteils in Magdeburg. 59 LINKSEXTREMISMUS "Abschaffung des SS 129a" "Kapitalismus ist Scheiße" "Organisiert Euch für eine freie Gesellschaft! Solidarität mit Daniel und Marco" Die linksextremistische "Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg" meldete für den 18. Juni unter dem Motto "Kriminell ist das System und nicht der Widerstand" eine Demonstration in Magdeburg an. Unterstützer bei der Vorbereitung waren vor allem die "Rote Hilfe" (RH) und andere linksextremistische Gruppen wie zum Beispiel die "Antifaschistische Linke Berlin" (ALB). In dem über Internet verbreiteten Mobilisierungsaufruf hieß es: "Seien wir solidarisch, lasst uns am 18. Juni 2005 in Magdeburg unsere Wut über diese Schikanen auf die Straße tragen - Spucken wir Ihnen in die Suppe!...Linke Strukturen aufbauen und verteidigen! Unsere Gefangenen müssen raus!...Für den Aufbau einer starken, libertären Linken!...Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen - weltweit!" Die Demonstration und die Zwischenkundgebungen verliefen im Wesentlichen störungsfrei. Nachdem sich zu Beginn des Aufzuges etwa 480 Personen beteiligt hatten, erreichten den Endpunkt schließlich nur noch 200 Personen. Im Internetportal "Indymedia" hieß es später: "Im Vergleich zu der Demo 2003 ganz schön mau oder? Woran lag's? Schlechtere Mobilisierung oder sind doch zu viele nach Braunschweig gefahren? Schade, dabei ist Antirepression ein wichtiges und leider ein viel zu wenig beachtetes Thema..."23 23 In Braunschweig (Niedersachsen) fand zur gleichen Zeit eine Demonstration der NPD statt. 60 LINKSEXTREMISMUS Auf einer so genannten "Knastkundgebung" unter dem Motto "Kein Wort sagt mehr - Aussage verweigern" am 28. August in Halle solidarisierten sich etwa 80 Mitglieder und Sympathisanten der "Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg" mit zwei in Beugehaft befindlichen Autonomen aus Magdeburg. Diese hatten als geladene Zeugen die Aussage im Prozess gegen Daniel W. verweigert und statt dessen eine Erklärung verfasst, in der es hieß: "Wir werden auf keinen Fall Aussagen in diesem Verfahren machen, da wir dies nicht mit unserem Gewissen und unserer politischen Identität vereinbaren können...Eine Zusammenarbeit mit der durch diesen Senat vertretenen Klassenjustiz verbietet sich daher für uns. In diesem Sinne, Freunde und GenossInnen verrät mensch nicht! Kraft und Liebe allen sozialen und revolutionären Gefangenen!" In einem im Internet verbreiteten und auf der Kundgebung verlesenen Beitrag hieß es unter anderem: "Unsere Freunde und Genossen Marco und Carsten sitzen hier in Halle im Knast, weil sie diese Zustände bekämpft haben und sich öffentlich gegen Ausbeutung und für eine alternative Selbstorganisation aller Menschen ausgesprochen haben und immer noch aussprechen. Für uns sind sie revolutionäre politische Gefangene unserer Bewegung und sind damit auch im Knast ein Teil von uns und dem gemeinsamen Kampf um Befreiung. Marco und Carsten, wir vergessen euch nicht!" Im Anschluss an die Urteilsverkündung am 22. November nahmen etwa 90 Angehörige der linksextremistischen Szene, darunter auch 30 Berliner, an einer Demonstration teil. Im Verlauf der Demonstration wurden Transparente mit Aufdrucken wie "Weg mit SS 129a", "Sind wir nicht alle ein bisschen 129a?", "Wer nicht für seine Rechte kämpft, ist rechtlos - wer sich nicht organisiert, ist machtlos" mitgeführt. 61 LINKSEXTREMISMUS Störungen waren nicht zu verzeichnen, die Demonstration wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-Atomkraftbewegung Im Berichtsjahr fand vom 19. bis 22. November ein Castortransport von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague in das niedersächsische Transportbehälter-Zwischenlager Gorleben statt. Bereits ab Oktober mobilisierten linksextremistische Gruppen aus Nordund Ostdeutschland über einen im Internet verbreiteten Aufruf zu Protestaktionen. Die Verfasser betonten, "den Castortransport nach Gorleben zu einem Desaster machen" und "die notwendigen Eingriffe in den gesellschaftlichen Normalbetrieb" organisieren zu wollen. Sie kündigten Widerstand gegen das Vorhaben an, Gorleben zu einem Endlagerstandort für hochradioaktiven Atommüll werden zu lassen. Der Aufruf ist unterzeichnet mit "Autonome und Linksradikale Gruppen aus Nordund Ostdeutschland" und endet mit der Parole "Against Castor, Capital & Cops!" Die den Castortransport begleitenden Proteste verliefen weitgehend friedlich. Das tatsächlich vor Ort aktive Protestpotenzial war mit etwa 3.500 Personen kleiner als in den Jahren zuvor. Die Beteiligung von etwa 100 Autonomen bewegte sich auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Im Vorfeld wurden Hakenkrallenanschläge auf Hauptstrecken der Deutschen Bahn AG im Bundesgebiet verübt. Eine diesbezügliche Taterklärung endete mit der Parole: "Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen und der herrschenden Klasse!" 62 LINKSEXTREMISMUS Linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-Globalisierungsbewegung Vom 6. bis 8. Juli fand in Gleneagles (Großbritannien) das Jahrestreffen der Staatsund Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen (G8)24 statt. Ein Höhepunkt der Proteste von Globalisierungsgegnern war die Großdemonstration "Make Poverty History" am 2. Juli in Edinburgh, zu der eine breite Koalition von Kirchengruppen und Nichtregierungsorganisationen aufgerufen hatte. Nach Angaben der britischen Behörden nahmen an dem friedlich verlaufenen Aufzug etwa 150.000 Personen teil, darunter auch ein etwa 300 bis 500 Personen umfassender, international zusammengesetzter "Schwarzer Block". Am 6. Juli versuchten mehrere hundert militante Globalisierungskritiker zum Teil erfolgreich, Zufahrtswege von Edinburgh nach Gleneagles zu besetzen. In Eigendarstellungen im Internet rühmten sich militante Kreise damit, etwa zehn verschiedene Streckenabschnitte "mehr oder weniger erfolgreich" blockiert, Absperreinrichtungen niedergerissen und dabei "Bullen nicht nur mit Wurfgeschossen, sondern auch mit Knüppeln und Eisenstangen bearbeitet" zu haben. Die militanten Proteste am 6. Juli fanden im Rahmen eines "Global day of Action" in anderen Ländern Resonanz. So kam es auch in mehreren deutschen Städten, unter anderem in Magdeburg, zu Solidaritätsdemonstrationen, die in der Öffentlichkeit jedoch nur auf geringes Interesse stießen. Bereits jetzt planen auch linksextremistische Globalisierungskritiker Aktivitäten gegen das G8-Treffen im Frühsommer 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern). Diese wenden sich dabei gegen "die neue deutsche Außenpolitik, sprich Großmachtpolitik im ökonomischen und militärischen Sinne". Von einigen Globalisierungsgegnern wurde in diesem Zusammenhang eine breite, auch militante Kampagne zum G8-Gipfel vorgeschlagen. Die Antiglobali24 G8-Staaten: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA und Russland. 63 LINKSEXTREMISMUS sierungsbewegung habe nur dann eine Chance emanzipatives Potenzial zu entwickeln, wenn sich "die Arbeit verstetige und verdichte". Eine anlassbezogene Mobilisierung im engeren Sinne fand bis Ende 2005 noch nicht statt. Gleichwohl kam es bereits zu Brandanschlägen auf Fahrzeuge und Gebäude in Niedersachsen und Berlin. Die "militante gruppe" (mg), die sich zu einem Brandanschlag auf das Bürogebäude des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am 9. November in Berlin-Steglitz bekannt hatte, griff mit Bezug zur Anti-Globalisierungskampagne ihre Militanzdebatte wieder auf. Zur Begründung des Anschlags hieß es, das DIW sei eines der maßgeblichen Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland und in dieser Rolle "Stichwortgeber" für die Politik. Die "mg" betonte erneut die Bedeutung der angelaufenen militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel 2007 als "Kristallisationspunkt für die Konkretisierung einer militanten Politik der revolutionären Linken in der BRD". Hierbei ließen sich sozialrevolutionäre und antiimperialistische Ansätze thematisch miteinander verknüpfen. LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND VEREINIGUNGEN In Sachsen-Anhalt sind die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD/Ost), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und die "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union - Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) mit eigenen Strukturen vertreten. Die revolutionär-marxistischen Organisationen setzten weiter auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes. Ihre Vertreter wie auch die der anarchistisch orientierten FAUIAA versuchten, durch Aufgreifen gesellschaftlicher Protestkampagnen, insbesondere des "Kampfes gegen Sozialabbau", zu profitieren. 64 LINKSEXTREMISMUS Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Die DKP verfügt in Sachsen Anhalt über einen so genannten "Koordinierungsrat" und so genannte DKP-Gruppen für die Bereiche Halle/Merseburg, Dessau/Wittenberg und Magdeburg. Zudem gründete sich eine "DKP-Nordharz". Die DKP veranstaltete vom 12. bis 13. Februar in Duisburg-Rheinhausen (Nordrhein-Westfalen) ihren 17. Parteitag. Die bisherigen Amtsinhaber wurden in ihren Positionen bestätigt. Seit 1990 steht Heinz STEHR der Partei vor. Im Rahmen der konstituierenden Sitzung am 5. und 6. März beschloss der neu gewählte Parteivorstand die "Handlungsorientierung für die Jahre 2005/2006". Die DKP-Zeitung "Unsere Zeit" (UZ) veröffentlichte im April als Beilage eine vom Parteivorstand zur Verfügung gestellte "Diskussionsgrundlage des Parteiprogramms der DKP". Die UZ hat nach eigenen Angaben finanzielle Schwierigkeiten. Zusätzlich zum Rückgang an Abonnements, der seit 1997 rund zehn Prozent ausmacht, bereiteten Verschiebungen innerhalb der Abonnement-Struktur zusätzliche finanzielle Probleme. So zahlten nur noch 60 Prozent der Abonnenten den normalen Preis. Demgegenüber sei die Anzahl ermäßigter Abonnements stark angestiegen. "Förderabonnements" machten dagegen nur noch zwei Prozent aus. Der UZ vom 28. Oktober zufolge habe es nach einer Werbekampagne seit September 2004 bundesweit 594 neue Abonnements gegeben, davon lediglich 14 in Sachsen-Anhalt. Die DKP-Halle veranstaltete unter dem Motto "60 Jahre Zerschlagung des Hitlerfaschismus" im April und im Mai in Halle eine Reihe von Filmvorführungen, die "den Krieg aus der Sicht der Sowjetarmee" thematisierten. 65 LINKSEXTREMISMUS Die DKP beschloss erwartungsgemäß, zur Bundestagswahl nicht eigenständig zu kandidieren und verwies stattdessen auf das Wahlbündnis "Linkspartei". Folglich gab es in den einzelnen Wahlkreisen keine DKP-Direktkandidaten. Mitglieder der DKP, die zum Teil auf Landeslisten der "Linkspartei.PDS" aufgestellt waren, errangen bei der Bundestagswahl am 18. September kein Mandat. In Sachsen-Anhalt wurden keine Kandidaten aufgestellt. Die DKP und die KPD/Ost in Sachsen-Anhalt beschlossen, zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt unter dem Namen "Bündnis DKP/KPD" anzutreten. Hierzu wurde ein gemeinsames Wahlprogramm erstellt. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD/Ost) Nach eigenen Angaben ist die KPD/Ost in Sachsen-Anhalt durch einen Landesverband mit Sitz in Zeitz (Burgenlandkreis) und drei "Regionalorganisationen" in Zeitz, Halle/Bernburg und Magdeburg vertreten. Die KPD/Ost beklagte im Berichtszeitraum Strukturprobleme, die durch einen parteiinternen Streit über Politikinhalte und Bündnisfähigkeit entstanden waren. Die Aprilausgabe der Parteizeitung "Die Rote Fahne" (DRF) veröffentlichte einen von einem Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der KPD/Ost unterzeichneten Artikel "Ein offenes Wort über den gegenwärtigen Zustand unserer Partei". Darin hieß es: "Unsere marxistisch-leninistische Kommunistische Partei Deutschlands steckt momentan in einigen Schwierigkeiten. Manch einer meint, in einer politischen Krise." Die Vorkommnisse wurden als "Vorgänge mit parteischädigendem Charakter", "sektiererhafte Positionen", "offene Subversion" und "abenteuerliches Liquidatorentum" bezeichnet. Als Konsequenz aus den Streitigkeiten wurden einige Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen. 66 LINKSEXTREMISMUS Am 11. Juni fand in Berlin der 24. Parteitag der KPD/Ost statt, der unter der Losung "Feste Einheit - Entschlossener Kampf - Beharrliche Arbeit" stand. Der Vorsitzende Werner SCHLEESE (Berlin) wurde wiedergewählt. Auch Mitglieder aus Sachsen-Anhalt üben Funktionen innerhalb der Partei aus. Die KPD/Ost widmete sich auch im Berichtsjahr dem Thema "Sozialabbau". In der Januar-Ausgabe der Publikation "Die Rote Fahne" erschien ein Artikel mit dem Titel "Hartz, Härte und Hatz auf Arbeiter und Arbeiterlose". "Hartz IV" sei nach Auffassung der Partei "Bestandteil eines ganzen Bündels von sozialreaktionären Maßnahmen zur Verschärfung der Ausbeutung der Werktätigen und des Sozialabbaus", dem es entgegenzuwirken gelte. Deshalb sei das "Ringen um die Geschlossenheit der Kommunisten und um die Aktionseinheit der antikapitalistischen Parteien, Organisationen und Bewegungen...Schwerpunkt der Politik der KPD". Die KPD/Ost trat zur Bundestagswahl nicht an. Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die MLPD baute ihre Strukturen in Sachsen-Anhalt aus. Am 1. Mai wurde der Parteizeitung "Rote Fahne"25 zufolge der "erste ostdeutsche Kreisverband" der MLPD, bestehend aus den Ortsgruppen aus Dessau, Wolfen und Bitterfeld gegründet. Im Verlauf des Jahres bildete sich aus den Ortsgruppen Magdeburg und Schönebeck der Kreisverband Magdeburg/Schönebeck. Weitere Ortsgruppen bestehen in Halle und Merseburg. Außerdem existieren Strukturen des MLPD-Jugendverbandes "Rebell" in Magdeburg und in Halle sowie der MLPD-Kinderorganisation "Rotfüchse" in Halle. MLPD-Mitglieder entfalteten in besonderem Maße Aktivitäten im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Sozialreformen. 25 Nr. 18/05. 67 LINKSEXTREMISMUS Zur Unterstützung der "MLPD/Offene Liste" bei der Bundestagswahl am 18. September und bei der Landtagswahl 2006 gründete die MLPD so genannte Wählerinitiativen. Diese sammelten die für beide Wahlen erforderlichen Unterstützerunterschriften. Zu den Wahlkampfaktivitäten der MLPD zur Bundestagswahl gehörten in Sachsen-Anhalt eine Auftaktkundgebung am 20. August in Halle, elf Wahlkampfveranstaltungen in verschiedenen Städten Sachsen-Anhalts, das Verteilen einer Vielzahl von Exemplaren einer "Wahlkampfzeitung" mit dem Titel "Die sozialistische Initiative" und die Teilnahme des Halleschen MPLD-Direktkandidaten an einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Vertretern verschiedener Parteien am 15. September in Halle. Die MLPD beteiligte sich als "MLPD/Offene Liste" in allen 16 Bundesländern an den Bundestagswahlen. Sie erreichte dabei insgesamt 16.480 Erststimmen (0,0 Prozent) und 45.238 Zweitstimmen (0,1 Prozent). Ihre besten Ergebnisse erzielte die MLPD in den ostdeutschen Bundesländern. Auf der Landesliste der MLPD Sachsen-Anhalt kandidierten zwölf Personen, davon vier als Direktkandidaten in den Wahlkreisen Halle, Magdeburg, Bernburg-Bitterfeld-Saalkreis und Anhalt. Die MLPD erreichte in Sachsen-Anhalt 3.697 Erststimmen (0,3 Prozent) und 5.412 Zweitstimmen (0,4 Prozent). Das beste Ergebnis wurde mit 1.049 Erststimmen in Halle erreicht. In einem Interview in der "Roten Fahne" vom 1. Dezember erörterte der Vorsitzende Stefan ENGEL die politische Situation nach der Regierungsbildung und die daraus resultierenden Aufgaben der Partei: "Nachdem die bürgerlichen Monopolparteien die wichtigsten reaktionären Kräfte in der Gesellschaft zu ihrem Krisenmanagement zusammengeschlossen haben, muss dem eine überlegene Kraft entgegengesetzt werden. Um diese Überlegenheit im Kampf herzustellen, muss die MLPD alles tun, die kämpferische Opposition gegen die neue Regie68 LINKSEXTREMISMUS rungspolitik zu stabilisieren, qualitativ für die neuen Erfordernisse weiterzuentwickeln und zu verbreitern...Dabei steht die Entfaltung und Höherentwicklung der Arbeitskämpfe in den Betrieben im Mittelpunkt. Der Fortgang des Übergangs zur Arbeiteroffensive entscheidet letztlich über die Qualität des Kampfes gegen die Regierung." Als eine der nächsten Aufgaben der Partei betrachtet ENGEL eine "Kampagne gegen die neue Regierung", die zur Teilnahme an der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gestartet werden soll. "Wir wollen den positiven Prozess des Aufbaus der MLPD in Sachsen-Anhalt weiter beschleunigen und zielen auf einen Achtungserfolg bei der Landtagswahl." Zur Landtagswahl veröffentlichte die MLPD in ihrer Wochenzeitung "Rote Fahne" im Dezember einen Artikel "Die sozialistische Alternative MLPD in den Landtag von Sachsen-Anhalt!" und erklärte, dass sie mit 22 Kandidaten auf der offenen Landesliste und mit zehn Direktkandidaten zur Landtagswahl am 26. März 2006 in SachsenAnhalt antreten werde. Kommunistische Plattform der PDS (KPF) Sachsen-anhaltische Mitglieder der KPF sind auf Bundesebene im Bundeskoordinierungsrat der KPF, im Bundessprecherrat der KPF und im Parteirat der PDS vertreten. Am 17. Juli beschloss die PDS auf der Außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages ihre Umbenennung in "Die Linkspartei." mit dem möglichen Zusatz "PDS", dessen Verwendung den Landesverbänden selbst überlassen bleibt. Unter anderem Angehörige der KPF hatten zuvor einen Änderungsantrag eingebracht, in dem sie forderten, das Kürzel "PDS" dem Namen als festen Bestandteil anzufügen. Anderenfalls bestehe die Gefahr eines Identitätsverlustes, das Ziel des Sozialismus 69 LINKSEXTREMISMUS werde verschwinden. Sinn des Antrages sei seinen Verfassern zufolge, das auch von ihnen begrüßte Wahlbündnis zu ermöglichen und die Selbstauflösung der PDS zu stoppen. Der Änderungsantrag wurde schließlich mehrheitlich abgelehnt. Auch die Bundeskonferenz der KPF am 9. Oktober in Berlin thematisierte die Stellung der KPF innerhalb der Partei. In einem Beschluss, betitelt "Die Bundesrepublik nach der Wahl und die Herausforderungen für die politische Linke", hieß es unter anderem: "Die Kommunisten in der Linkspartei.PDS befinden sich zusammenhängend mit der bevorstehenden bzw. laufenden Fusion mit der 'Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit' (WASG) in der kompliziertesten Situation seit Ende 1989. Die KPF wird weder unüberlegt handeln, noch so tun, als sei eigentlich nichts weiter passiert. Die KPF bekennt sich weiterhin zur Partei." Erneut wurde bekräftigt, die Zusammenarbeit mit anderen marxistischen Kräften innerhalb und außerhalb der Partei, insbesondere mit der DKP, intensivieren zu wollen. Ergänzend hieß es dazu in einem Referat zum Thema "Aktuelle Aspekte des Antikommunismus 2005": "Die KPF hatte und hat nicht die Kraft, grundlegenden Einfluss auf die politische Linie der PDS auszuüben - aber ihre Kraft reichte aus, zu dokumentieren, dass es die kommunistischen Wurzeln der Partei noch gibt...Wir bleiben solange in dieser Partei, wie die Möglichkeiten, in ihr kommunistische Überzeugungen zu vertreten, stärker sind, als die in ihr sich entwickelnden antikommunistischen Tendenzen." 70 LINKSEXTREMISMUS Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU-IAA) Die anarchistisch ausgerichtete FAU-IAA verfügt in Sachsen-Anhalt über Ortsgruppen in Magdeburg und Halle. Die FAU-IAA-Ortsgruppe Magdeburg begleitete die Prozessbeobachtung im Strafverfahren gegen Daniel W.26 und sympathisierte mit den Angehörigen der Soligruppe. Sie veröffentlichte dazu auf ihrer Internetseite einen Artikel "Kein Wort sagt mehr: Aussageverweigerung!". Dort hieß es, man wolle die in den letzten Jahren zu kurz gekommene Diskussion zur Aussageverweigerung anregen. Man betrachte dies als eine Möglichkeit, den staatlichen Angriff ins Leere laufen zu lassen. Wörtlich wurde erklärt: "Daher haben sich auch die betroffenen FAUistas in Magdeburg entschieden, jede Aussage im aktuellen Verfahren zu verweigern. Dabei geht es nicht darum, 'Märtyrer' im Kampf gegen den Staat zu produzieren, sondern vor allem darum, zu zeigen, dass es wichtig ist, den eigenen politischen Anspruch auch mit allen Konsequenzen zu vertreten." Die FAU-IAA-Ortsgruppe veröffentlichte auf ihrer Internetseite zudem ein Positionspapier mit dem Titel "Der Versuch einer politischen Einschätzung des Plädoyers und des derzeitigen Verfahrens gegen Daniel". Darin wird behauptet, der Staat versuche systematisch, Menschen und Gruppen einzuschüchtern und deren politische Arbeit zu unterbinden. 26 Siehe auch Seiten 50, 59ff. 71 AUSLÄNDEREXTREMISMUS IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Allgemeines Die weltweite Sicherheitslage wird nach wie vor in hohem Maße durch den internationalen Terrorismus beeinflusst, dessen Bekämpfung für die Sicherheitsbehörden eine erhebliche Herausforderung darstellt. Dem Verfassungsschutz obliegt hierbei vor allem die Aufgabe, schon im Vorfeld extremistische und insbesondere terroristische Bestrebungen von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen. Das Spektrum der ideologischen Zielsetzungen ausländischer Organisationen ist dabei vielschichtig. Es beinhaltet neben islamistischen auch linksextremistische und extrem nationalistische Ausrichtungen. In der Bundesrepublik Deutschland sind etwa 57.420 Personen in 73 als extremistisch eingestuften ausländischen Organisationen und Gruppierungen aktiv. Das islamistische Potenzial wird auf etwa 32.100 Personen27 geschätzt. Das Mitgliederpotenzial der 39 linksextremistischen ausländischen Organisationen und Gruppierungen umfasst etwa 16.900 Personen, als extrem national sind sechs Gruppen mit etwa 8.400 Personen anzusehen. In Sachsen-Anhalt ist nach wie vor lediglich der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) als Organisation mit festgefügten Strukturen etabliert. Über Aktivitäten anderer Organisationen in Sachsen-Anhalt liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Gleichwohl gibt es Hinweise auf hier wohnhafte Einzelpersonen, die mit extremistischen Gruppierungen in anderen Bundesländern in Verbindung stehen und diese unterstützen. 27 Siehe auch Seite 82ff. 72 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Islamismus und internationaler Terrorismus Vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den international agierenden islamistischen Terrorismus ist zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie zu unterscheiden. Der Islam als Religion ist kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Für viele Muslime ist der im Koran offenbarte Islam Maßstab ihres gesamten Handelns. Der Islamismus macht sich dies zunutze und versucht, die Gläubigen zu instrumentalisieren. Ziel des Islamismus ist dabei die Errichtung eines auf der Scharia28 beruhenden Herrschaftssystems. Das bedeutet, dass alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens - also nicht nur die juristischen, sondern auch die politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und religiösen - nach diesem Rechtssystem ausgerichtet werden müssen. Dieser Absolutheitsanspruch ist mit den demokratischen Werten wie Volkssouveränität, Mehrparteiensystem, Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Religionsfreiheit und Vereinigungssowie Versammlungsfreiheit nicht zu vereinbaren. Islamismus tritt in vielen Formen auf und muss sich nicht zwangsläufig in gewaltsamen oder gar terroristischen Aktivitäten äußern. Islamisten bedienen sich auch subtiler, verbaler Methoden, um ihre Ziele zu erreichen. So vielschichtig wie das Spektrum des Islamismus sind auch die unterschiedlichen islamistischen Gruppierungen. Es gibt große Unterschiede im Hinblick auf die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt, um politische Ziele durchzusetzen. So sind beispielsweise die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) nicht und die pan-islamistische "Muslimbruderschaft" (MB) derzeit nicht vordergründig gewaltorientiert. Dagegen zählen Organisationen wie die libanesische "Hizb Allah" ("Partei Gottes") und die palästinensischen Gruppen "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS), eine 28 Islamisches Rechtssystem, das auf den im Koran, in der Sunna (Praxis der muslimischen Urgemeinde) und den Hadithen (Taten und Aussprüche des Propheten Mohammed) enthaltenen Bestimmungen beruht. 73 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Tochterorganisation der MB, und "Palästinensischer Islamischer Jihad" (PIJ) im Nahen Osten sowie die "Groupe Islamique Arme" ("Bewaffnete Islamische Gruppe", GIA) und die "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" ("Salafiyya Gruppe für die Mission und den Kampf", GSPC) zu den gewaltorientierten Gruppierungen. HAMAS, PIJ, GIA und GSPC lehnen die derzeit herrschenden politischen Verhältnisse in ihren muslimischen Heimatländern ab und wollen dort eine islamistische Gesellschaftsordnung errichten. "Hizb Allah" bezeichnet sich selbst als antizionistisch und führt militärische Angriffe gegen das israelische Territorium durch. Die von Usama BIN LADEN gegründete "Al-Qaida" ("Die Basis") und so genannte "non-aligned"-Mujahedin29 bilden ein international terroristisch agierendes Netzwerk. Viele Mujahedin haben eine militärische Ausbildung in afghanischen, pakistanischen oder sudanesischen Lagern durchlaufen und sind dann in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Durch die in den Lagern geknüpften Kontakte entstand ein Netzwerk von Gruppen, die sich gegenseitig bei der logistischen Vorbereitung, der Finanzierung oder der Durchführung von Terroranschlägen unterstützen. Die einzelnen Zellen operieren dabei weitgehend autark und ohne zentralistische Hierarchien. Feindbilder dieses internationalen islamistischen Terrornetzwerkes sind vor allem die USA und verbündete Staaten sowie viele politische Führer in arabischen Staaten, in Afghanistan und in Pakistan. Das Netzwerk "Organisation Al-Qaida für den Jihad im Zweistromland"30 unter Führung von Abu Musab AL-ZARQAWI ist im Irak aktiv. AL-ZARQAWI ist für zahlreiche Anschläge sowie für exemplarische Hinrichtungen, die zum Teil im Internet gezeigt wurden, verantwortlich. Er selbst schnitt einer amerikanischen Geisel vor laufender Kamera den Kopf ab. Im Nordirak bekämpft die kurdische islamistische Terrororganisation "Ansar al-Islam"31 (AAI) säkulare kurdische Gruppen, die alliierten Streitkräfte und humanitäre Hilfsorganisationen mit dem Ziel, 29 Glaubenskämpfer. 30 Jihad bedeutet (innerer) "Kampf", "Anstrengung" oder "heiliger Krieg". 31 "Helfer des Islam". 74 AUSLÄNDEREXTREMISMUS einen islamistischen kurdischen Staat nach dem Vorbild des früheren afghanischen Taliban-Regimes zu errichten. Auch im Jahr 2005 konnte keine Entspannung hinsichtlich Anzahl und Heftigkeit der Folgen von Terroranschlägen mit islamistischem Hintergrund festgestellt werden. Dies trifft insbesondere auf den Irak zu. Aber auch viele andere Regionen weltweit waren Ziel von Anschlägen, darunter auch Westeuropa. Folgende Ereignisse sind hier exemplarisch zu nennen: Am 7. April explodierte in Kairo in einer Gasse eines besonders von ausländischen Touristen besuchten Basars ein Sprengsatz. Zwei Franzosen und ein Amerikaner sowie der Selbstmordattentäter starben, etwa 20 Personen, darunter elf Ägypter, wurden verletzt. Bei zwei weiteren Anschlägen in Kairo wurden am 30. April zehn Personen verletzt. Zunächst stürzte sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe des Ägyptischen Museums mit einer Bombe von einer Nilbrücke auf eine Gruppe ausländischer Touristen. Zwei Stunden später beschossen seine Verlobte und seine Schwester einen Touristenbus im Süden der ägyptischen Hauptstadt. Zu den Anschlägen bekannten sich zwei islamistische Gruppen, die sich "Mujahedin Ägyptens" und "Abdullah-Assam-Brigaden" nennen. Bei den Attentätern soll es sich um Einzelpersonen gehandelt haben, die der gleichen militanten Kleinstgruppe angehörten. Am Morgen des 7. Juli kam es in London zu mehreren koordinierten Bombenexplosionen. Nahezu zeitgleich detonierten drei Sprengsätze in der Londoner U-Bahn und ein vierter explodierte in einem Doppeldeckerbus. 56 Menschen wurden bei den Anschlägen getötet, etwa 775 verletzt. Die vier Selbstmordattentäter sind dem Bereich des islamistischen Terrorismus zuzuordnen. Es handelt sich um britische Staatsangehörige pakistanischer Herkunft. 75 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Im Internet wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben einer Gruppe "Gemeinschaft der Geheimorganisation; Organisation der Basis (Qaida) des Jihad in Europa (Qaida fi Uruba)" veröffentlicht. Am 21. Juli folgte ein weiterer Anschlag in der Londoner Innenstadt. Fast zeitgleich versuchten Attentäter, in drei U-Bahnstationen und in einem Bus Bomben zu zünden. Da diese nur unvollständig explodierten, wurden keine Personen verletzt. Die vier Attentäter wurden schließlich durch britische und italienische Sicherheitsbehörden festgenommen. Die Eltern von drei Attentätern waren aus Somalia und Eritrea nach Großbritannien eingewandert, der vierte Attentäter ist äthiopischer Herkunft. Am folgenden Tag wurde im Internet eine Erklärung der "Abu Hafs Al-Masri-Brigaden" veröffentlicht, in der erneut Drohungen gegen europäische Regierungen ausgesprochen wurden. In der Nacht vom 22. zum 23. Juli kam es in Scharm el-Scheich (Ägypten) zu mindestens drei simultanen Bombenexplosionen. In einem PKW versteckt wurde eine Bombe unmittelbar in die Lobby eines Hotels gefahren und dort gezündet. Die weiteren Bomben explodierten auf einem Basar und vor einem Cafe. Pressemeldungen zufolge sollen mehr als 80 Personen ums Leben gekommen und etwa 200 verletzt worden sein. Am 23. Juli wurde im Internet eine Erklärung der "Brigaden des Märtyrer Abdallah Assam - Organisation Al-Qaida in den SharmStaaten und in Ägypten" veröffentlicht, in der diese Organisation die Verantwortung für die Anschläge übernahm. Zwei weitere Selbstbezichtigungsschreiben von bislang unbekannten Gruppen erschienen ebenfalls im Internet. Die Ferieninsel Bali (Indonesien) war am 1. Oktober Ziel von Selbstmordanschlägen. Im Abstand von wenigen Minuten explodierten in zwei Strandrestaurants und einem Cafe in einem Touristenzentrum Sprengsätze. 22 Personen wurden getötet und etwa 125 verletzt. Unter den Todesopfern sind Indonesier, Australier und Japaner. Mehrere deutsche Staatsangehörige wurden leicht ver76 AUSLÄNDEREXTREMISMUS letzt. Die indonesische Polizei geht von einer Täterschaft der Organisation "Jemaah Islamiyah" (JI), der größten und aktivsten islamistischen Organisation in Südostasien, aus. Am 9. November kam es in der jordanischen Hauptstadt Amman innerhalb weniger Minuten zu drei Explosionen. Betroffen waren drei Hotels in Stadtteilen, die größtenteils von wohlhabenden Jordaniern, internationalen Geschäftsleuten und Diplomaten frequentiert werden. Bei den 70 Todesopfern und 300 Verletzten handelt es sich überwiegend um jordanische Staatsangehörige. Im Internet wurde eine Selbstbezichtigung veröffentlicht, in der AL-ZARQAWI die Bombenanschläge rechtfertigte. Unter anderem warf er König Abdullah II. von Jordanien vor, ein Verräter zu sein. Jordanien diene der von den USA geführten Allianz als Hinterland. AL-ZARQAWI droht mit weiteren Anschlägen in Jordanien, bei denen vor allem Hotels, Touristenattraktionen und Militärflughäfen Ziele sein könnten. Am 14. November wurde in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein Anschlag auf deutsche Soldaten verübt, die der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) angehören. Der Selbstmordattentäter rammte mit einem mit Sprengstoff beladenen Wagen ein Bundeswehrfahrzeug. Ein Bundeswehrsoldat kam ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Kurze Zeit später ereignete sich in der Nähe des ersten Anschlagsortes ein zweiter Selbstmordanschlag mit einer Autobombe. Dabei kamen neben dem Selbstmordattentäter zwei afghanische Zivilisten ums Leben, vier griechische ISAF-Soldaten wurden verletzt. Zu den Anschlägen bekannte sich ein Sprecher der radikalislamischen Taliban. Islamisten gingen im Jahr 2005 verstärkt mit Verlautbarungen und Botschaften an die Öffentlichkeit. Dabei bedienten sie sich moderner Medien wie Internet und Fernsehen. Die Führungspersonen terroristischer Netzwerke von "Al-Qaida" bis AAI nahmen somit Einfluss auf die ideologische Meinungsbildung der Muslime. Anlass der 77 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Veröffentlichungen waren aktuelle politische Ereignisse, Selbstbezichtigungen im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen und Drohungen gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika und ihren Verbündeten. Die Medienpräsenz verfolgte vor allem das Ziel, die Muslime weiter im Kampf gegen die so genannte westliche Welt zu motivieren und eine Drohkulisse gegen "Ungläubige" aufzubauen. Besonders häufig äußerte sich AL-ZARQAWI, Anführer der Gruppe "Organisation Al-Qaida für den Jihad im Zweistromland". Einer am 20. Januar veröffentlichten Tonbandaufnahme anlässlich des islamischen Opferfestes waren Erklärungen zum Jihad zu entnehmen. Am Beispiel verschiedener Propheten der islamischen Glaubensgeschichte zeigte der Sprecher, dass diese trotz großer Schwierigkeiten am Schluss triumphierten. Allah habe den Jihad so schmerzvoll gemacht, um die Gläubigen von den Ungläubigen zu trennen. Am 23. Januar veröffentlichte AL-ZARQAWI im Vorfeld der Wahlen im Irak ein Tonband, in dem er einen "gnadenlosen Krieg" gegen die Demokratie ankündigte. Die Demokratie sei ein "bösartiges Herrschaftssystem", weil es die Allah zustehende Macht dem Volke übertrage. Die sunnitischen Muslime sollten sich gegen die Wahlen stellen, denn diese seien eine Verschwörung der USA und der schiitischen Muslime.32 Da die Demokratie darauf basiere, dass alle Macht vom Volke ausgeht, sei dies ein Verstoß gegen das Prinzip des Monotheismus. Die so genannte "Informationsabteilung der Al-Qaida im Zweistromland" veröffentlichte am 22. Januar im Internet ein Video über die Enthauptung zweier irakischer Lastwagenfahrer, die Lebensmittel und andere Güter für die US-Armee transportiert hatten. Mit diesen Videobotschaften und Selbstbezichtigungen versuchte die Organisation, dem Aufbau eines neuen irakischen Staatssystems entgegen zu wirken. Am 17. Februar erklärte die Organisation die Fortsetzung des Kampfes im Irak "bis zur Errichtung eines islamischen 32 Im Islam unterscheidet man die sunnitische und die schiitische Glaubensrichtung. Weltweit ist die deutliche Mehrheit der etwa 1,2 Milliarden Muslime sunnitisch. Im Irak jedoch sind etwa zwei Drittel der Bevölkerung der schiitischen und ein Drittel der sunnitischen Glaubensrichtung zuzurechnen. Die transnationalen Mujahedin-Netzwerke basieren hauptsächlich auf dem Islamismus sunnitischer Prägung. 78 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Staates". Im Mai erschien auf mehreren islamistischen Internetseiten eine vermutlich ebenfalls von AL-ZARQAWI stammende Audiobotschaft, in der die Kampfmethoden seiner Organisation, insbesondere die Inkaufnahme der Tötung unbeteiligter Muslime, gerechtfertigt werden. Nachdem Gerüchte und Spekulationen über eine schwere Verwundung oder den Tod AL-ZARQAWIs verbreitet worden waren, meldete sich dieser am 30. Mai erneut mit einer Audiobotschaft zu Wort und versicherte, dass er nur leicht verletzt sei. Er versprach BIN LADEN, zusammen mit den Mitgliedern seines Netzwerkes im Irak die "Kreuzritter, die Feinde des Glaubens und der Religion" weiterhin zu bekämpfen. In einer Tonbandbotschaft vom 5. Juli beklagte er den Mangel an Unterstützung der Mujahedin durch die Muslime und insbesondere die Gelehrten. Er wandte sich auch gegen eine territoriale Beschränkung des Jihad. Im September forderte AL-ZARQAWI die Sunniten auf, nicht nur gegen die Amerikaner, sondern auch gegen die Schiiten Krieg zu führen. Er und seine Gruppe erklärten den Schiiten den totalen Krieg. Auch der als Stellvertreter BIN LADENs geltende Dr. Ayman AL-ZAWAHIRI trat mit zahlreichen Verlautbarungen an die Öffentlichkeit. Am 31. Januar wandte er sich mit einer Erklärung im Internet zum Thema "Die Befreiung des Menschen und der Heimatländer unter dem Banner des Koran" an die Muslime in der ganzen Welt und äußerte sich allgemein über die Notwendigkeit des Jihad. Am 20. Februar forderte er in einer vom arabischen Fernsehsender Al-Jazeera ausgestrahlten Videobotschaft die westlichen Staaten auf, "ihre Angriffe auf den Islam" zu beenden. Er sagte dem Westen zehntausende Tote und den Zusammenbruch der Wirtschaft voraus. Am 17. Juni strahlte dieser Fernsehsender eine weitere Videobotschaft aus, in der AL-ZAWAHIRI die USA wegen des Gefangenenlagers in Guantanamo kritisierte und islamische Staaten zur Vertreibung der "Besatzer muslimischer Länder" aufrief. Auf die Anschläge von London am 7. Juli ging AL-ZAWAHIRI in einer Videobotschaft am 4. August ein und drohte neben Großbritannien allen westlichen Staaten, die Truppen in islamischen Ländern stationiert haben, mit Anschlägen. Am 19. September bezichtigte er 79 AUSLÄNDEREXTREMISMUS sich im Namen von "Al-Qaida" der Anschläge von London. In einem angeblich von AL-ZAWAHIRI verfassten Brief wurde der Jihad im Irak als eine zentrale Aufgabe "Al-Qaidas" definiert. Die Bevölkerung solle bei diesem Kampf mit einbezogen werden. Der Verfasser erklärte, dass der Kampf neben dem Jihad auf dem "Schlachtfeld der Medien" stattfinde. Prozesse und Urteile im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland Mehrere Prozesse zeugen davon, dass in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Personen terroristische Anschläge geplant oder deren Durchführung im Irak von hier aus unterstützt haben. So begann im April in München der Prozess gegen den Iraker Lokman Amin MOHAMMED wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Ansar al-Islam" (AAI).33 Der Libanese Ihsan GARNAOUI wurde im April wegen Umsatzsteuerhinterziehung, Urkundenfälschung, unerlaubten Waffenbesitzes und anderer Delikte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Bezüglich des Hauptvorwurfes der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung sprach das Gericht den Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei. Am 9. Juni bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren das Urteil gegen Abdelghani MZOUDI. Aus Mangel an Beweisen war MZOUDI durch das OLG Hamburg am 5. Februar 2004 vom Tatvorwurf des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord und Angriffen auf den Luftverkehr34 freigesprochen worden. Er ist inzwischen seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen. 33 Am 12. Januar 2006 wurde MOHAMMED zu sieben Jahren Haft verurteilt. 34 MZOUDI war beschuldigt worden, Verbindung zu den Selbstmordattentätern des 11. September 2001 gehabt zu haben. 80 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Am 19. August wurde der Marokkaner Mounir EL MOTASSADEQ zu sieben Jahren Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt.35 Sowohl die Verteidigung als auch die Generalbundesanwaltschaft legten gegen das Urteil Revision ein.36 Am 26. Oktober verkündete das OLG Düsseldorf das Urteil im Strafverfahren gegen vier Personen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten. Die Angeklagten sollen als Mitglieder der Organisation "Al-Tawhid" an der Planung und Vorbereitung von terroristischen Anschlägen auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin sowie auf einen Gastronomiebetrieb in Düsseldorf beteiligt gewesen sein. Die Existenz einer terroristischen Vereinigung - deutsche Zelle der "Al-Tawhid" - wurde dabei vom Gericht zweifelsfrei festgestellt. Die Haftstrafen betragen zwischen fünf und acht Jahren. Gefährdungslage Die Gefährdung durch den globalen islamistischen Terrorismus hält weiterhin an. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist insbesondere aufgrund der Beteiligung an militärischen Einsätzen in Afghanistan sowie angesichts der Mithilfe bei der Ausbildung irakischer Polizeibeamter und Offiziere gefährdet. Es ist von der Existenz bislang nicht enttarnter Mujahedin auszugehen, die die Bundesrepublik nicht nur als Rückzugsund Ruheraum, sondern auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Ziel von Anschlägen betrachten. Spätestens seit den Londoner Anschlägen im Juli 2005 muss bei der Bewertung der Sicherheitslage auch das Phänomen des "homegrown terrorism" berücksichtigt werden. Terroristische Aktivitäten können auch von scheinbar in die Gesellschaft integrierten Personen ausgehen. 35 EL-MOTASSADEQ steht im Verdacht, den Attentätern des 11. September 2001 logistische Unterstützung geleistet zu haben. 36 Aufgrund eines Antrages der Verteidigung wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt und EL MOTASSADEQ aus der Untersuchungshaft entlassen. 81 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Obwohl diese Gefährdungseinschätzung generell auch für Sachsen-Anhalt gilt, kann jedoch aufgrund der hier nicht gefestigten Organisationsstrukturen islamistischer Gruppierungen, der vergleichsweise geringen Ausländerquote sowie der Infrastruktur insgesamt nach wie vor von einer abgeschwächten Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus ausgegangen werden. Islamistische Organisationen In der Bundesrepublik Deutschland sind 28 islamistische Organisationen aktiv, denen sich nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden rund 32.100 Personen angeschlossen haben. Die rund 27.250 Anhänger türkischer Organisationen stellen die größte Personengruppe dar. Im Folgenden werden einige wichtige islamistische Organisationen exemplarisch dargestellt. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V." (IGMG) Die IGMG ist die zahlenmäßig größte muslimische Organisation in Deutschland. Nach eigenen Angaben unterhält die IGMG europaweit über 500 Moscheegemeinden (davon über 300 in Deutschland). Die IGMG ging aus dem 1976 gegründeten Verein "Türkische Union Europa" hervor. 1983 erfolgte zunächst die Umbenennung in "Islamische Union Europa e. V.". 1985 erfolgte der Zusammenschluss zur "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT), aus der 1995 zwei selbstständige Organisationen hervorgingen. Die IGMG nimmt sich der religiösen, sozialen und kulturellen Belange ihrer Mitglieder an, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG) für die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes zuständig ist. Politisch steht die IGMG seit ihrer Gründung in enger Verbindung mit verschiedenen islamistischen Parteien des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Professor Necmettin ERBAKAN, die in 82 AUSLÄNDEREXTREMISMUS der Türkei wiederholt verfassungsgerichtlich verboten wurden. Zuletzt betraf das Verbot die "Fazilet Partisi" (FP-"Tugendpartei") im Juni 2001, doch nur knapp einen Monat nach diesem Verbot wurde die "Saadet Partisi" (SP-"Partei der Glückseligkeit") gegründet. Sie vertritt ebenfalls die Linie der "Milli-Görüs"-Strömung von ERBAKAN. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gibt es Hinweise darauf, dass die IGMG nicht nur die Beseitigung der laizistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei anstrebt, sondern darüber hinaus auch die Errichtung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia zumindest in den Staaten, in denen - wie in der Bundesrepublik - Muslime leben. Indem sie einen islamischen Gottesstaat anstrebt, richtet sich die IGMG vor allem gegen das in Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz verankerte Demokratieprinzip. Langfristig strebt die IGMG unter Ausnutzung der von der Verfassung selbst gebotenen Gestaltungsund Mitwirkungsmöglichkeiten an, die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit die Verfassung der Bundesrepublik zu überwinden.37 In mehreren, im Zusammenhang mit Einbürgerungsstreitigkeiten ergangenen Verwaltungsgerichtsurteilen aus dem Jahr 2005 wurde die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, dass es sich bei der IGMG um eine Organisation handelt, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, nachdrücklich bestätigt. In Sachsen-Anhalt sind bislang keine Strukturen oder Aktivitäten mit Bezug zur IGMG bekannt geworden. "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln" (ICCB - auch: "Der Kalifatsstaat") Am 12. Dezember 2001 hatte das Bundesministerium des Innern (BMI) die Vereinigung "Kalifatsstaat" einschließlich der ihr zugeordneten Teilorganisationen verboten, da diese sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten und die innere Sicherheit in Deutschland gefährden. 37 So auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Urteil vom 24. Mai. 83 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Das Ziel der 1984 in Köln (Nordrhein-Westfalen) gegründeten Organisation war wie bei allen islamischen Organisationen die Weltherrschaft des Islam unter Führung eines einzigen "Kalifen". Als Mittel wurden seit 1996 der "Jihad" und der "Befreiungskampf" durch die "Soldaten und Generalstabsmitglieder des Kalifatsstaates" propagiert. Nach dem Tod von Cemaleddin KAPLAN übernahm 1995 sein Sohn Metin die Leitung. Der als "Kalif von Köln" bekannte Metin KAPLAN war nach Verbüßung einer Haftstrafe im Oktober 2004 aus Deutschland abgeschoben und am 20. Juni in der Türkei wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die KAPLAN wegen insgesamt 13 Vergehen angeklagt hatte. Unter anderem wird ihm vorgeworfen, 1998 einen Anschlag gegen die türkische Regierungsspitze geplant zu haben. Das oberste türkische Berufungsgericht in Ankara entschied am 30. November, dass das Verfahren in der Türkei wegen materieller Fehler und nicht ausreichender Ermittlungen nicht rechtmäßig sei und deshalb erneut zu verhandeln sei. Auf verschiedenen Internetseiten zeigte die Organisation weiterhin Präsenz. Ungeachtet des Vereinsverbotes wird versucht, über das Internet die Verbreitung der Lehren von Cemaleddin und Metin KAPLAN fortzusetzen. Im Jahr 2005 war der Verstoß gegen das Vereinsverbot und die Unterstützung von Teilorganisationen der verbotenen Vereinigung Gegenstand verschiedener Strafverfahren in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhob mehr als 30 Anklagen gegen Anhänger der Organisation. Die Staatsanwaltschaft München hatte am 5. April den Schwiegersohn Metin KAPLANs Turgay CIBIR sowie vier weitere Personen wegen des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot angeklagt. Die Beschuldigten haben laut Anklageschrift bis zur bundesweiten Durchsuchungsaktion am 6. August 2004 den verbotenen Moscheeverein "Mevlana" in Augsburg unterhalten und unter anderem über eine Lebensmittelfirma in Belgien verschiedene Waren bezogen. Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass es sich bei 84 AUSLÄNDEREXTREMISMUS der belgischen Firma um ein Unternehmen handelt, das Metin KAPLAN und somit das Fortbestehen des "Kalifatstaates" unterstützt. Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart veröffentlichte am 10. Mai ein Urteil, wonach es die Klage des ehemaligen "Gebietsemirs" des verbotenen "Kalifatsstaates" Osman ÜNAL gegen seine Ausweisung abgewiesen hat. In der Begründung des Urteils heißt es, dass von ÜNAL eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Zudem mangele es an Anhaltspunkten, dass sich ÜNAL künftig rechtstreu verhalten werde. Die Aktivitäten des "Kalifatsstaates" hatten keine unmittelbaren Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt. Kurdische und türkische linksextremistische Organisationen "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL), vormals "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Der KONGRA-GEL und seine Teilund Nebenorganisationen hatten im Berichtszeitraum deutschlandweit insgesamt rund 11.500 Mitglieder. Der KONGRA-GEL stellt damit die größte nicht-islamistische ausländerextremistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland dar. Bereits am 30. Juli 2004 hatte das BMI verfügt, dass sich das aus dem Jahr 1993 stammende vereinsrechtliche Betätigungsverbot gegen die PKK auch auf den Ende 2003 gegründeten KONGRA-GEL erstreckt, da wie im Fall der vorherigen Umbenennung von PKK in KADEK Identität mit der PKK besteht. Schwerpunkt zahlreicher Aktivitäten des KONGRA-GEL waren die Haftbedingungen des auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Mitbegründers der PKK Abdullah ÖCALAN. Thematisiert wurden auch Forderungen nach Anerkennung der Identität des kurdischen Volkes und einer Lösung der Kurdenfrage in den von Kur85 AUSLÄNDEREXTREMISMUS den besiedelten Gebieten. Das ursprünglich von der PKK verfolgte Ziel eines eigenständigen kurdischen Staates wurde aufgegeben. Im Zusammenhang mit den Diskussionen und Gesprächen zum Beitritt der Türkei zur Europäischen Union (EU) forderte der KONGRA-GEL, dass die EU für einen Waffenstillstand zwischen der Türkei und den vom KONGRA-GEL im Nordirak unterhaltenen "Volksverteidigungseinheiten" (HPG) mit Sorge tragen müsse. In Deutschland wurden die vom anhaltenden so genannten Friedenskurs getragenen Vorgaben des KONGRA-GEL und der ihm zuzurechnenden Organisationen durch die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM) und ihre etwa 60 Mitgliedsvereine umgesetzt. Aus Sachsen-Anhalt sind der "KurdischDeutsche Kulturverein Magdeburg e. V." und der Verein "Mezopotamien Kultur Haus e. V." in Halle Mitglieder des YEK-KOM. Über Umbenennungen und strukturelle Veränderungen versuchte die KONGRA-GEL-Führung, die Anhänger der Organisation zu motivieren. Im Berichtsjahr wurde die Gründung der 'neuen PKK' verkündet, die eine Schlüsselrolle in der Demokratisierung des Nahen Ostens spielen soll. Diese PKK soll "ideologische Kraft" des von ÖCALAN entwickelten Projektes eines "demokratischen Konföderalismus Kurdistans" sein. Sie soll zudem als "Motor in der Theoriebildung" für den KONGRA-GEL fungieren. Letzterer vertrete weiterhin den so genannten demokratischen Volkswillen. Im Berichtsjahr wurde auch die "Konföderation der kurdischen Gemeinschaften/Koma Komalen Kurdistan" (KKK) gegründet, die als "oberstes Exekutivorgan" des "demokratischen Konföderalismus Kurdistans" fungieren soll. Vor dem Hintergrund des Jahrestages der Festnahme ÖCALANs am 15. Februar 1999 beteiligten sich etwa 9.000 Personen aus mehreren europäischen Ländern am 12. Februar in Straßburg (Frankreich) an einer Großdemonstration unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - eine demokratische Lösung der Kurdenfrage". In einer Botschaft setzte der Vorsitzende des Exekutivrates des KONGRA-GEL Murat KARAYILAN der Türkei eine Frist zur Lösung 86 AUSLÄNDEREXTREMISMUS der Kurdenfrage bis zum Newrozfest38 und drohte indirekt einen militärischen Kampf an. Anhänger des KONGRA-GEL organisierten zum 19. März zahlreiche Newroz-Feiern. Als Höhepunkt in Deutschland wurden überregionale Hallenveranstaltungen mit insgesamt etwa 15.500 Teilnehmern durchgeführt. Bei diesen Veranstaltungen forderte der Vorsitzende des KONGRA-GEL Zübeyir AYDAR die EU auf, den KONGRA-GEL von der Liste terroristischer Organisationen zu streichen.39 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg (Frankreich) bestätigte am 12. Mai sein Urteil bezüglich der Klage ÖCALANs gegen die Türkei aus dem Jahr 2003. Die Große Kammer des Gerichtes rügte den Verlauf des Prozesses gegen ÖCALAN in der Türkei als unfair, bestätigte jedoch, dass in Bezug auf die Inhaftierung und die Haftbedingungen sowie dessen Festnahme im Februar 1999 in Kenia keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliege.40 Eine Neuauflage des Verfahrens gegen ÖCALAN wird im Urteilsspruch empfohlen, aber nicht verbindlich vorgeschrieben. Die Einlegung weiterer Rechtsmittel gegen dieses Urteil ist nicht möglich. Mitglieder der KONGRAGEL-Führung begrüßten in Stellungnahmen der organisationsnahen kurdischen Tageszeitung "Özgür Politika" die Entscheidung des EGMR.41 In Deutschland führten Anhänger und Sympathisanten des KONGRA-GEL nach der Entscheidung diverse Solidaritätsbekundungen durch. 38 Die Kurden begehen das kurdische Newrozfest (Neujahrsfest) am 21. März traditionell mit Großveranstaltungen. 39 Der Rat der EU hatte am 2. April 2004 beschlossen, den KONGRA-GEL sowie die Vorgängerorganisation KADEK in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufzunehmen. Die PKK ist dort seit dem 2. Mai 2002 gelistet. 40 Die Anwälte ÖCALANs hatten sich nach der Verhängung der Todesstrafe (später umgewandelt in eine lebenslange Freiheitsstrafe) gegen ihren Mandanten im Jahre 1999 mit einer Beschwerde an den EGMR gewandt und geltend gemacht, dass die Verhaftung und Verbringung ÖCALANs in die Türkei, das anschließende Gerichtsverfahren, die Verhängung der Todesstrafe sowie ÖCALANs Haftbedingungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Die Kleine Kammer des EGMR hatte im ersten Urteil vom 12. März 2003 in einigen Punkten Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt. Gegen diese Entscheidung hatten sowohl die Anwälte ÖCALANs als auch die türkische Regierung die Verweisung an die Große Kammer des EGMR nach Artikel 43 der Europäischen Menschenrechtskonvention beantragt. 41 "Özgür Politika", Ausgabe vom 14. Mai 2005. 87 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Am 9. Oktober, dem Jahrestag der Ausweisung ÖCALANs aus Syrien,42 beteiligten sich Anhänger des KONGRA-GEL in Mannheim (Baden-Württemberg), Duisburg, Köln (beide Nordrhein-Westfalen), Saarbrücken und Berlin an Demonstrationen und Mahnwachen. Anhänger der KONGRA-GEL-Jugendorganisation "Freie Jugendbewegung Kurdistans" (TECAK) organisierten am 29. Oktober in Baden-Württemberg einen "Marsch der kurdischen Jugend" von Mannheim nach Heidelberg. Einzelne gewaltbereite Anhänger der TECAK traten in Berlin und Hamburg durch Werfen von Brandsätzen in Erscheinung. Als Beispiele für die Einbindung der KONGRA-GEL-nahen Vereine in Sachsen-Anhalt in überregionale Kampagnen der Organisation sind die nachfolgend genannten Aktivitäten zu nennen. Am 22. Januar wurde in Nürnberg (Bayern) der mit internationalem Haftbefehl gesuchte stellvertretende Vorsitzende des Exekutivrates des KONGRA-GEL Remzi KARTAL43 festgenommen. Europaweit beteiligten sich Mitglieder und Sympathisanten des KONGRA-GEL an Protesten gegen die Verhaftung KARTALs. In Deutschland wurde auf Veranstaltungen der Kurden in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, München, Celle (Niedersachsen) und Magdeburg Unmut gegen die Festnahme geäußert. Am 28. Januar führte der "Kurdisch-Deutsche Kulturverein Magdeburg e. V." vor dem Landtagsgebäude in Magdeburg eine Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für Remzi KARTAL" mit etwa 40 Teilnehmern durch. Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt führt im Auftrag der Staatsanwaltschaft Halle ein Ermittlungsverfahren gegen türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz.44 Am 8. März wur42 Die Anhänger des KONGRA-GEL sehen den 9. Oktober 1998 als den Beginn eines internationalen Komplotts an, das zur Festnahme und Verurteilung ÖCALANs führte. 43 Remzi KARTAL wurde 1991 als Abgeordneter der pro-kurdischen "Demokratie-Partei" (DEP) in das türkische Parlament gewählt. Nach dem Verbot der DEP 1994 verließ er die Türkei und war seitdem in verschiedenen Funktionen der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen tätig. 44 Verstoß gegen das bezüglich der PKK oder ihrer Nachfolgeorganisationen bestehende Betätigungsverbot. 88 AUSLÄNDEREXTREMISMUS den aufgrund von Durchsuchungsbeschlüssen Objekte in Magdeburg und Umgebung durchsucht. Die "Özgür Politika" berichtete hierüber am 9. März unter der Überschrift "Hausdurchsuchung beim Vereinsvorsitzenden". Dort hieß es, dass der Durchsuchung der Verdacht zugrunde gelegen habe, dass der "Kurdisch-Deutsche Kulturverein Magdeburg e. V." dazu genutzt worden sei, Spenden für den KONGRA-GEL zu sammeln. Den Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes von Guerillaeinheiten der ehemaligen PKK am 15. August 1984 in der Türkei begingen Anhänger und Sympathisanten des KONGRA-GEL in der Türkei und in Europa mit Gedenkveranstaltungen in Form von Picknicks, Kulturabenden oder Versammlungen. Der Verein "Mezopotamien Kultur Haus e. V." organisierte für den 21. August ein Picknick in Halle. Am 24. August berichtete die "Özgür Politika", dass etwa 300 Kurden daran teilgenommen hätten. In einem Artikel der "Özgür Politika" vom 26. Juli wurde berichtet, dass am 25. Juli in den Vereinsräumen des "Mezopotamien Kultur Haus e. V." in Halle eine Versammlung mit 250 Personen zum Thema ÖCALAN durchgeführt worden sei. Agitation türkischer Linksextremisten im Vorfeld der Bundestagswahl Die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF) bezeichnete auf ihrer Internetseite die derzeitige Situation als eine politische Krise, die als "Ohrfeige" für eine so bezeichnete volksfeindliche Politik der SCHRÖDER/FISCHER-Regierung zu werten sei. Auch die als Alternative propagierte Koalition aus CDU/CSU und FDP sei laut ATIF nichts anderes als eine Notbremse. Die ATIF rief zur Unterstützung der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) mit der Begründung auf, dass diese für echten Frieden, Gerechtigkeit und solidarischen Klassenkampf eintrete. 89 AUSLÄNDEREXTREMISMUS Reaktionen türkischer Linksextremisten auf die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union (EU) mit der Türkei Am 1. Oktober protestierten etwa 90 türkische Linksextremisten mit einem Demonstrationszug durch die Innenstadt von Köln gegen die für den 3. Oktober geplante Aufnahme von Beitrittsgesprächen zwischen der EU und der Türkei. In Sprechchören skandierten die Teilnehmer die Forderungen "Schluss mit den Massakern in der Türkei" sowie "Hoch die internationale Solidarität". Während einer in deutscher Sprache gehaltenen Rede wurde die EU als Bedrohung für die demokratischen Rechte und Freiheiten und als aggressives imperialistisches Bündnis dargestellt. Die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK), die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) sowie die "Plattform für die Einheit der Arbeiter und Freundschaft der Völker" (BIR-KAR) 45 bezeichneten in einem in deutscher Sprache gemeinsam verfassten Flugblatt die EU als militärisches, aggressives und imperialistisches Bündnis, in dem die Monopole einen "mitleidslosen Sozialabbau" vorantrieben. Die EU-Demokratie sei eine Form der "Klassenherrschaft und Monopolbourgeoisie". Darüber hinaus stelle die EU eine globale Bedrohung demokratischer Rechte und Freiheiten dar. Sie sei zudem für die Einführung von Gefängnissen mit Einzelzellen in der Türkei und für die an dortigen Gefängnisinsassen verübte Gewalt verantwortlich. Die Verfasser des Flugblattes ergreifen Partei für den von der PKK/dem KONGRA-GEL getragenen "Freiheitskampf des kurdischen Volkes", der durch den "faschistischen türkischen Staat" mit Hilfe der EU bekämpft werde. Strafund Gewalttaten Die Anzahl der politisch motivierten Strafund Gewalttaten im Bereich des Ausländerextremismus stieg im Berichtsjahr leicht an, bewegte sich aber insgesamt auf niedrigem Niveau.46 45 Die Gruppierung BIR-KAR trat bisher nicht in Erscheinung. 46 Genauere Angaben können der auf Seite 127f dieses Berichts auszugsweise wiedergegebenen Statistik des Landeskriminalamtes entnommen werden. 90 SPIONAGEABWEHR V. SPIONAGEABWEHR Allgemeines Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein Schwerpunkt der Aufklärungstätigkeit für die Nachrichtendienste zahlreicher fremder Staaten. Insbesondere die Nachrichtendienste der Russischen Föderation und einiger anderer Länder aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) entwickeln intensive Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus gehen entsprechende Spionageaktivitäten unter anderem vom Iran, von Syrien, Nordkorea und der Volksrepublik China aus. Die Aktivitäten zielen darauf ab, Informationen aus Politik, Wirtschaft und Militär zu gewinnen. Ein Ziel ist es, den technologischen Abstand zu den führenden Industrienationen zu verringern und hierbei durch den Einsatz von Spionage, Kosten und Zeit für eigene Entwicklungen einzusparen. Entsprechend gewinnt die Industrieund Wirtschaftsspionage weiter an Bedeutung. Die Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas betreiben eine zielgerichtete und intensive Ausspähung ihrer in Deutschland lebenden Staatsbürger, die in Opposition zu den jeweiligen Regierungen ihrer Heimatländer stehen. Da sich die Regierungen dieser Staaten oft selbst durch den Islamismus bedroht sehen, erfolgt durch deren Nachrichtendienste zudem eine intensive Informationsgewinnung in Bezug auf international operierende terroristische Netzwerke. Die sich weiter verschärfende Problematik der Nutzung der Atomtechnologie durch den Iran lässt beispielhaft erkennen, dass das Interesse einiger Staaten, in den Besitz von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen zu gelangen, nach wie vor hoch ist. Dieses Interesse gilt auch den für den Einsatz dieser Waffen notwendigen Trägersystemen sowie dem für die Herstellung der Waffen erforderlichen Know-how. 91 SPIONAGEABWEHR Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die bereits in der Vergangenheit eingeleitete und deutlich erkennbare Festigung der Position der russischen Geheimdienste in Staat und Gesellschaft wird weiter kontinuierlich ausgebaut. Dies trifft insbesondere auf den Inlandsdienst FSB47 zu. Dessen Tätigkeit ist insofern sicherheitsrelevant, als dass er wiederholt versucht hat, ausländische Staatsangehörige während ihres Aufenthaltes in Russland anzuwerben, um diese dann außerhalb des russischen Hoheitsgebietes, beispielsweise in Deutschland, zur Informationsbeschaffung einzusetzen. Als Begründung für diese Überschreitung der originären Zuständigkeit werden Maßnahmen der Spionageabwehr angeführt. Gegen die Bundesrepublik Deutschland gehen jedoch in erster Linie Aktivitäten des zivilen Auslandsnachrichtendienstes SWR48 sowie des militärischen Nachrichtendienstes GRU49 aus. Neben der elektronischen Fernmeldeaufklärung ist der SWR vor allem für die Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Wissenschaft und Technik zuständig. Beim GRU handelt es sich um den militärischen Auslandsnachrichtendienst, dessen Interesse insbesondere auf Informationen über Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Rüstungsindustrie gerichtet ist. Ihre Aktivitäten entwickeln die Mitarbeiter der russischen Auslandsnachrichtendienste SWR/GRU hauptsächlich aus den so genannten Legalresidenturen heraus. Diese sind Bestandteil der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den Niederlassungen der russischen Medienagenturen und Luftfahrtgesellschaften. 47 Dem FSB sind 350.000 Bedienstete zuzurechnen. 48 Dem SWR sind 13.000 Bedienstete zuzurechnen. 49 Dem GRU sind 12.000 Bedienstete zuzurechnen. 92 SPIONAGEABWEHR Im Rahmen ihrer Aktivitäten versuchen die russischen Nachrichtendienste gezielt, deutschstämmige Spätaussiedler für eine geheimdienstliche Agententätigkeit zu gewinnen. Weitere Informationen werden darüber hinaus durch die Befragung von Landsleuten gewonnen, die sich aus beruflichen Gründen zeitweise in Deutschland aufhielten. Ein Beispiel hierfür ist die Befragung von in Deutschland studierenden russischen Staatsbürgern nach Rückkehr in ihre Heimat. Nachrichtendienste der übrigen GUS-Staaten Die Strukturen und Aufgabenstellungen aller Nachrichtendienste der GUS-Staaten basieren im Wesentlichen auf den regionalen Strukturen der ehemaligen sowjetischen Nachrichtendienste, insbesondere des KGB. Es gibt daher viele Parallelen zu den Nachrichtendiensten der russischen Föderation. Unterschiede zeigen sich in der personellen und materiellen Ausstattung, Methodik sowie der Intensität der Vorgehensweise. Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas zielen durch ihre Aktivitäten schwerpunktmäßig auf die Aufklärung ihrer in der Bundesrepublik Deutschland lebenden, in Opposition zu den jeweiligen Regimen ihrer Heimatländer stehenden Staatsbürger ab. Um Personen vor diesem Hintergrund für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen, wird nicht selten massiver psychischer Druck auf die Betreffenden ausgeübt. Dies trifft insbesondere auf den iranischen Nachrichtendienst VEVAK sowie die syrischen Dienste zu. Auch die Nachrichtendienste der Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas verstärkten die Informationsbeschaffung über die Netzwerke international operierender islamistischer Terroristen. 93 SPIONAGEABWEHR Nachrichtendienste Chinas und Nordkoreas Die Volksrepublik China gewinnt innerhalb der internationalen Politik zunehmend an Bedeutung. Parallel hierzu entwickelt sich China mit seinem überproportionalen Wirtschaftswachstum zu einer der führenden Industrienationen der Welt mit entsprechend hohem Informationsbedarf im Hinblick auf die technologische Entwicklung. Dem tragen die Aktivitäten der chinesischen Nachrichtendienste Rechnung, indem sie ihr Hauptaugenmerk auf die Bereiche Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft richten. Hierdurch soll der technologische Abstand zu den derzeit führenden Industrienationen verringert und es sollen Zeit und Entwicklungskosten eingespart werden. Hierzu versuchen chinesische Nachrichtendienste, Kontakte zu Einrichtungen und Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aufzunehmen, das Wissen der jeweiligen Gesprächspartner unauffällig abzuschöpfen und möglichst ein persönliches Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das nordkoreanische Regime unterhält derzeit sechs Nachrichtendienste sowie weitere Organisationen mit ähnlichen Strukturen und Aufgabenstellungen. Proliferation Unter dem Begriff Proliferation versteht man die Weitergabe von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) und deren Trägersystemen sowie von Mitteln und Know-how zu deren Herstellung an Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. Intensive Proliferationsbestrebungen gibt es in Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens. Einen aktuellen Bezug und eine besondere Brisanz erhält diese Problematik durch das Verhalten des Iran im Zusammenhang mit der Nutzung der Kerntechnologie. Sollte der Iran im Besitz einer Atombombe sein oder in absehbarer Zeit in der Lage sein, eine sol94 SPIONAGEABWEHR che herzustellen und einzusetzen, besteht eine ernsthafte Gefahr für den Frieden in dieser Region und insbesondere für den Staat Israel. Der Iran scheint fest entschlossen, sein Atomprogramm zu realisieren. Demzufolge ist auch weiterhin mit nachrichtendienstlich gesteuerten Beschaffungsmaßnahmen zu rechnen. Für an der Proliferation interessierte Staaten hat die Bundesrepublik Deutschland insgesamt und auch Sachsen-Anhalt mit seinen Unternehmen und Forschungseinrichtungen einen erheblichen Stellenwert. Aufgabe der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes ist es auch, von fremden Geheimdiensten gesteuerte oder durch fremde Staaten mit verdeckten Mitteln und Methoden betriebene Proliferationsvorgänge zu analysieren. Zudem wird durch Informationsweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden im Fall erkannter Absichten zu illegaler Beschaffung zu deren Verhinderung beigetragen. Die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder unter dem Titel "Proliferation - das geht uns an!" erstellte Broschüre kann im Internet unter www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz abgerufen werden. Die Verfassungsschutzbehörde bietet allen in der gewerblichen Wirtschaft und der Wissenschaft Tätigen eine Sicherheitspartnerschaft an. Ziel dieser Partnerschaft ist es, durch Informationen, vertrauensvollem Dialog und Sensibilisierung, Wirtschaftsspionage sowie Proliferation zu erkennen und letztlich zu verhindern. Mitarbeit der Bevölkerung Eine wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich. Die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde geht Hinweisen auf die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste nach und bittet alle Bürgerinnen und Bürger, die von derartigen Sachverhalten Kenntnis haben oder von fremden Nachrichtendiensten zur 95 SPIONAGEABWEHR Mitarbeit aufgefordert wurden, entsprechende Informationen im Interesse unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der eigenen Sicherheit weiterzugeben. Dies gilt auch für diejenigen, die bereits im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Ihnen kann geholfen werden, sich aus einer ausweglos erscheinenden Situation zu befreien. Die Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht wie die Strafverfolgungsbehörden dem Legalitätsprinzip50 und sind daher nicht in jedem Fall verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden über Hinweise auf Spionagedelikte zu informieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Die Verfassungsschutzbehörde bietet hierzu jederzeit ihre Hilfe an und sichert Vertraulichkeit zu. Die Spionageabwehr der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ist wie folgt zu erreichen: Telefon: 0391/567-3900 Fax: 0391/567-3999 Internet: www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz 50 Legalitätsprinzip: Strafverfolgungsbehörden sind prinzipiell verpflichtet, bei Vorliegen ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte Straftaten zu verfolgen. 96 GEHEIMSCHUTZ VI. GEHEIMSCHUTZ Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder sowie die Bevölkerung selbst müssen sich darauf verlassen können, dass Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden können, als im staatlichen Interesse geheimzuhaltende Informationen (Verschlusssachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Besondere vorbeugende Maßnahmen, der so genannte personelle und materielle Geheimschutz, sollen dies gewährleisten. Zudem ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der NATO und anderer überoder zwischenstaatlicher Einrichtungen gehalten, bestimmte Sicherheitsnormen zu erfüllen. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt gemäß SS 4 Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) bei Geheimschutzverfahren im Behördenund Wirtschaftsbereich mit. Das Verfahren ist im sachsen-anhaltischen Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz (SÜG-LSA) geregelt.51 Geheimschutz im Behördenbereich Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person zum Zugang zu im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen (Verschlusssachen). Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde festzustellen, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Position geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden oder auszuschließen. 51 Siehe Seite 101. 97 GEHEIMSCHUTZ Ferner berät die Verfassungsschutzbehörde in Fragen des Geheimschutzes die Geheimschutzbeauftragten der Ministerien sowie der oberen und mittleren Landesbehörden. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befasst sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern oder zumindest erschweren sollen, dass Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Die Verfassungsschutzbehörde hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen können. Geheimschutz in der Wirtschaft Neben den erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Geheimschutzes in Behörden muss der Staat auch sensible Bereiche der Wirtschaft schützen, die mit der Ausführung geheimhaltungsbedürftiger öffentlicher Aufträge betraut sind. Die Erfahrungen haben auch im Berichtsjahr gezeigt, dass sich die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern auch gegen Wirtschaftsunternehmen richten. Ein wirksames Geheimschutzsystem soll hier gewährleisten, dass die gegen die deutsche Wirtschaft gerichteten Ausspähungsversuche durch gezielte Maßnahmen im vorbeugenden Bereich abgewehrt werden können, um irreparable Schäden zu vermeiden. 98 ALLGEMEINES VII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT Rechtliche Grundlagen Die geschichtlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren musste, veranlassten die Verfasser des Grundgesetzes, die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie zu gestalten. Deshalb enthält das Grundgesetz (GG) Schutzvorkehrungen zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung: - die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Art. 18 GG), - das Recht, Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) und sonstige Vereinigungen (Art. 9 Abs. 2 GG) zu verbieten, wenn diese darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, - die Unabänderlichkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung wie zum Beispiel des Schutzes der Menschenwürde und fundamentaler Verfassungsgrundsätze (Art. 79 Abs. 3 GG). Die Einrichtung von Verfassungsschutzbehörden ist Ausdruck der Entscheidung des Grundgesetzgebers für eine wehrhafte Demokratie. Er hat dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Art. 73 Nr. 10b und Nr. 10c GG) zugewiesen und ihn zur Einrichtung von Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ermächtigt. 99 ALLGEMEINES Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)52 regelt unter anderem den gemeinsamen Aufgabenrahmen der Verfassungsschutzbehörden und ihre Zusammenarbeit. Das BVerfSchG verpflichtet die Länder zur Einrichtung von Landesbehörden für den Verfassungsschutz. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder als Teil des Ministeriums des Innern oder als selbstständige Landesbehörde organisiert. Seit April 1999 wird die Aufgabe des Verfassungsschutzes in SachsenAnhalt durch eine Abteilung des Ministeriums des Innern wahrgenommen. Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde werden durch das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) geregelt. Das Gesetz ist im Jahr 2005 umfassend novelliert worden und im Februar 2006 in Kraft getreten.53 Damit sind die den Verfassungsschutzbehörden durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)54 eingeräumten erweiterten Auskunftsbefugnisse gegenüber Telekommunikationsunternehmen, Finanzdienstleistern oder Luftfahrtunternehmen auch landesgesetzlich geregelt. Das VerfSchG-LSA ermächtigt die hiesige Verfassungsschutzbehörde auch zum Einsatz dieser neuen Auskunftsrechte zum Zwecke der Beobachtung des gewaltgeneigten Inlandsextremismus. Zugleich ist das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt (AG G 10-LSA) in novellierter Fassung in Kraft getreten.55 Hierin finden sich die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für Maßnahmen, die in das Grundrecht nach Art. 10 GG eingreifen. 52 BGBl. 1990 Teil I, S. 2954, zuletzt geändert durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz, BGBl. 2002 Teil I, S. 361. 53 GVBl. LSA 1992, S. 590, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 2006, GVBl. LSA 2006, S. 12. 54 BGBl. 2002 Teil I, S. 361. 55 GVBl. LSA 2006, S. 25; Bundesrecht: Artikel 10-Gesetz - G 10, BGBl. 2001 Teil I, S. 1254, zuletzt geändert durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz, BGBl. 2002 Teil I, S. 364. 100 ALLGEMEINES Die bisher geltenden Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes (Sicherheitsrichtlinien - SiR-LSA) sind durch ein Gesetz, das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen und des Geheimschutzes im Land Sachsen-Anhalt (Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz - SÜG-LSA)56 ersetzt worden. Aufgaben des Verfassungsschutzes Aufgabe der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und die Auswertung von Informationen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 56 GVBl. LSA 2006, S. 14. 101 ALLGEMEINES 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Im Rahmen des Geheimschutzes und des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes wirkt die Verfassungsschutzbehörde bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen des öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichs mit. Sie berät zudem bei technischen Sicherheitsmaßnahmen. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde zählt auch die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Aufenthalts-, dem Staatsangehörigkeits-, dem Luftsicherheitsund dem Atomgesetz sowie nach der Bewachungsverordnung. Um im Sinne eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes alle relevanten Erkenntnisse in Bezug auf den islamistischen Extremismus und Terrorismus zentral auswerten zu können, ist das Gemeinsame Informationsund Analysezentrum (GIAZ) geschaffen worden. Im GIAZ arbeiten Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei unter Beachtung des Trennungsgebotes und der für die jeweilige Behörde geltenden Rechtsvorschriften zusammen. Keine polizeilichen Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde hat keine polizeilichen Befugnisse. Ihre Mitarbeiter sind also nicht berechtigt, zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Die Verfassungsschutzbehörde darf auch nicht im Wege der Amtshilfe die Polizei um die Durchführung von Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. 102 ALLGEMEINES Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Wo die offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde unter den Voraussetzungen des SS 8 VerfSchG-LSA nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre und die Freiheitsrechte des Einzelnen darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Ein wichtiges nachrichtendienstliches Mittel ist der Einsatz von Vertrauensleuten (kurz: V-Leuten). Bei V-Leuten handelt es sich um Personen, die gezielt zur verdeckten Beschaffung von Informationen eingesetzt werden. V-Leute sind keine Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde. Die Steuerung extremistischer Gruppierungen oder Organisationen durch V-Leute ist unzulässig. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählt auch die Brief-, Postund Telefonkontrolle, durch die in das Grundrecht nach Artikel 10 GG eingegriffen wird. Die Verfassungsschutzbehörde ist im Rahmen detaillierter gesetzlicher Regelungen befugt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, sowie die dem Briefoder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.57 57 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) BGBl. 2001 Teil I, S. 1254 i. V. m. AG G 10-LSA, GVBl. LSA 2006, S. 25, zuletzt geändert durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz, BGBl. 2002 Teil I, S. 364. 103 ALLGEMEINES Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und unter engen rechtlichen Voraussetzungen den so genannten IMSI-Catcher einsetzen, mit dem die Geräteund die Kartennummer sowie der Standort eines Mobiltelefons ermittelt werden können. Datenschutz Zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erhobene personenbezogene Daten sind nach den einschlägigen Datenschutzvorschriften, insbesondere den im Verfassungsschutzgesetz enthaltenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten nicht unbefristet oder auf Vorrat speichern. War eine Speicherung in einer Datei unzulässig oder ist die Kenntnis der gespeicherten Daten zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, ist eine Löschung vorzunehmen. In diesem Fall sind zugleich die zur Person geführten Akten zu vernichten. Daten von Minderjährigen unterliegen besonderen Schutzbestimmungen (SSSS 10, 21 VerfSchG-LSA). Personenbezogene Daten dürfen nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen an Dritte übermittelt werden. So übermittelt die Verfassungsschutzbehörde den Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Datenübermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von gravierenden Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Auskunftserteilung Jedermann kann unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten beantragen. Die Verfassungsschutzbehörde ist nach SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Die Auskunft hat jedoch zu unterbleiben, wenn bestimmte, im Gesetz geregelte Ausschlussgründe vorliegen. Ein solcher Ausschlussgrund ist beispielsweise gegeben, wenn durch die Auskunftserteilung eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde drohen würde. 104 ALLGEMEINES Kontrolle Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt der Kontrolle durch den Landtag, den Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Landesrechnungshof und die Gerichte. Zusätzlich wird die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) kontrolliert. Die Landesregierung hat diese Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Die aus Abgeordneten des Landtages bestehende PKK tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Grundsätzlich hat die PKK das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. In den Fällen der oben dargestellten Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz58 und der Wahrnehmung von Auskunftsbefugnissen im Sinne des Terrorismusbekämpfungsgesetzes59 erfolgt die Kontrolle durch ein eigens dafür eingesetztes Gremium, die G 10-Kommission. Deren Kontrollbefugnis erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Verarbeitung und Verwaltung der erlangten personenbezogenen Daten. Schließlich unterliegt die Verfassungsschutzbehörde einer faktischen Kontrolle durch die Berichterstattung der Medien und die öffentliche Meinung. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Durch ihre Öffentlichkeitsarbeit leistet die Verfassungsschutzbehörde einen wichtigen Beitrag in der geistig-politischen Auseinandersetzung mit extremistischem und terroristischem Gedankengut und dient damit dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Regierung und Parlament, aber auch die Bürger werden durch den Verfassungsschutz 58 Siehe Seite 103. 59 Siehe Seite 100. 105 ALLGEMEINES über die Aktivitäten und Absichten der verfassungsfeindlichen Organisationen informiert. Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde halten Vorträge über - die Institution des Verfassungsschutzes und - offen verwertbare Ergebnisse der nachrichtendienstlichen Facharbeit. Der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient der Verfassungsschutzbericht. Die Verfassungsschutzberichte der letzten fünf Jahre können im Internet unter der Adresse www.mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz heruntergeladen werden. 106 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) vom 26. Januar 2006 (GVBl. LSA S. 12, 26) Aufgrund des Artikels 5 des Gesetzes zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes vom 26. Januar 2006 (GVBl. LSA S. 12, 26) wird nachstehend der Wortlaut des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) in der seit dem 2. Februar 2006 an geltenden Fassung bekannt gemacht. Die Neufassung berücksichtigt 1. das am 30. Juli 1992 in Kraft getretene Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt vom 14. Juli 1992 (GVBl. LSA 590) 2. den am 8. April 1999 in Kraft getretenen Artikel 6 des Haushaltsbegleitgesetzes 1999 vom 30. März 1999 (GVBl. LSA S. 120, 122) 3. das am 10. August 1999 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 4. August 1999 (GVBl. LSA S. 234) 4. den am 28. August 2001 in Kraft getretenen Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2001 (GVBl. LSA S. 348, 357) 5. den am 2. Februar 2006 in Kraft getretenen Artikel 1 des eingangs genannten Gesetzes. Inhaltsübersicht Erster Teil: ORGANISATION UND AUFGABEN SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Organisation und Zusammenarbeit SS 3 Bedienstete und Mitarbeiter SS 4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Begriffsbestimmungen 107 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Zweiter Teil: ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Besondere Formen der Datenerhebung SS 9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten SS 13 (weggefallen) Dritter Teil: AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person Vierter Teil: INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an die Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 20 Übermittlungsverbote SS 21 Minderjährigenschutz SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird SS 23 Nachberichtspflicht SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten 108 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Fünfter Teil: PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission SS 25 Zusammensetzung und Wahl SS 26 Verfahrensweise SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 29 Datenerhebung bei Mitgliedern des Landtages Sechster Teil: SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger SS 30a Einschränkung von Grundrechten SS 30b Sprachliche Gleichstellung SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Erster Teil ORGANISATION UND AUFGABEN SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Er hat die Landesregierung und andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch sollen diese Stellen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können. (3) Er hat auch die Öffentlichkeit über seine Aufgabenfelder zu unterrichten. SS2 Organisation und Zusammenarbeit (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Ministerium des Innern. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Abteilung. (2) Die für Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr. (3) Sie ist verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund und den Ländern zusammenzuarbeiten. 109 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (4) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. SS3 Bedienstete und Mitarbeiter (1) Die Mitarbeiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern haben sich einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes zu unterziehen, welches insbesondere auf Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für nationale Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik überprüft und in das der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einbezogen wird. (2) Personen, die dem Repressionsapparat der Deutschen Demokratischen Republik angehörten, insbesondere hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, Mitarbeiter der Abteilung I der Kriminalpolizei und ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dürfen nicht mit Aufgaben des Verfassungsschutzes betraut werden; Personen mit Offiziersrang der bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen Republik dürfen Aufgaben des Verfassungsschutzes nur in zu begründenden Ausnahmefällen übertragen werden. SS4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 110 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ 5. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetzes sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Es gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtspre111 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ chung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, c) das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt konkretisierten Menschenrechte. Zweiter Teil ERHEBUNG, VERARBEITUNG UND NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN SS6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen. (2) Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 4 Abs. 1. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informatio112 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ nen verdeckt erheben. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffung regelt. (4) Die Behörden des Landes sind verpflichtet, den Verfassungsschutzbehörden technische und verwaltungsmäßige Hilfe für Tarnmaßnahmen zu leisten. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. (6) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Die betroffene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 4 Abs. 2 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes). SS8 Besondere Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn die Daten nicht auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise erhoben werden können. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. (2) Das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort darf mit technischen Mitteln nur heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben einzelner Personen unerlässlich ist und geeignete verwaltungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen in einer Wohnung. Die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel nach Satz 1 und 2 trifft der Richter. Bei Gefahr im Verzug kann der Minister des Innern oder der Staatssekretär im Ministerium des Innern einen solchen 113 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Einsatz anordnen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf längstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als weitere drei Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. Ein Eingriff nach Satz 1 oder 2 ist der betroffenen Person nach seiner Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffes ausgeschlossen werden kann. (3) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen für den Verfassungsschutz tätigen Personen vorgesehen, kann der Minister des Innern oder eine von diesem beauftragte Person deren Einsatz anordnen. Eine anderweitige Verwendung der hierbei erlangten Erkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (4) Zuständiges Gericht für Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 ist das Amtsgericht am Sitz der Verfassungsschutzbehörde. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (5) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über die nach Absatz 2 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 3 angeordneten Maßnahmen. (6) Gegen Unbeteiligte dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt angewendet werden. SS9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien und Akten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. die Verfassungsschutzbehörde nach SS 4 Abs. 2 tätig wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 Abs. 2 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. (3) Die Speicherung von Informationen aus der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Personen in Dateien ist unzulässig. 114 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (4) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS 10 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres in Akten und amtseigenen Dateien speichern, verändern und nutzen. Die Speicherung in gemeinsamen Dateien im Sinne des SS 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818, 1921), ist nicht zulässig. Unter den Voraussetzungen des SS 9 darf die Verfassungsschutzbehörde Daten über Minderjährige vor Vollendung des 14. Lebensjahres in Akten speichern, verändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239, 241), genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. (2) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über Minderjährige sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Abs. 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die zu ihrer Person geführten Akten zu vernichten. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In diesem Falle sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 oder 5 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Behördenleiter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. 115 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden. SS 12 Berichtigung und Sperrung personenbezogener Daten in Akten (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden und die Daten für ihre künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. SS 13 Dateianordnungen (weggefallen) Dritter Teil AUSKUNFT SS 14 Auskunft an die betroffene Person (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt der betroffenen Person über zu ihrer Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die von der betroffenen Person nach Satz 1 mitgeteilten Informationen dürfen nur zum Zwecke der Prüfung des Auskunftsbegehrens verwendet werden. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 116 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Auskunftserteilung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. (4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist die betroffene Person auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Ministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die betroffene Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Der Landesbeauftragte kann die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich für ihn im Einzelfall Beanstandungen ergeben, eine Auskunft an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. Vierter Teil INFORMATIONSÜBERMITTLUNG SS 15 Unterrichtungspflichten (1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (2) Das Ministerium des Innern unterrichtet die Öffentlichkeit periodisch und aus gegebenem Anlass im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (3) Es darf dabei auch personenbezogene Daten bekannt geben, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppen erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. SS 16 Zulässigkeit von Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung personenbezogener Daten (1) Werden öffentliche Stellen, die nicht Nachrichtendienste sind, um Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur die Daten übermittelt werden, die bei der er117 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ suchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. (2) Absatz 1 gilt nicht für Ersuchen um solche Daten, die bei der Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (4) Soweit nach anderen Rechtsvorschriften ein Übermittlungsersuchen durch den Behördenleiter zu stellen ist oder von seiner Ermächtigung abhängt, gilt als Behördenleiter der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern. SS 17 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde durch öffentliche Stellen (1) Öffentliche Stellen im Sinne von SS 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger unterrichten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 4 Abs. 1 Nrn. 1, 4 und 5 genannten Schutzgüter gerichtet sind. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus von sich aus der Verfassungsschutzbehörde auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (3) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei sowie andere Behörden übermitteln auf Ersuchen der Verfassungsschutzbehörde die zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Die Ersuchen werden durch die Verfassungsschutzbehörde aktenkundig gemacht. Unter den gleichen Voraussetzungen darf die Verfassungsschutzbehörde 1. Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2. Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, Polizeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung solcher Informationen ersuchen. 118 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (4) Würde durch die Übermittlung nach Absatz 3 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder die betroffene Person unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf die Verfassungsschutzbehörde bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. (5) Über die Einsichtnahme nach Absatz 4 hat die Verfassungsschutzbehörde einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (6) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die der Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 2 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (7) Übermittelte Informationen hat die Verfassungsschutzbehörde eigenständig zu bewerten. SS 17a Übermittlung von besonderen Informationen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Der Verfassungsschutzbehörde stehen die in SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes geregelten Befugnisse unter den dort genannten Voraussetzungen zu. (2) Die Entscheidung über die Einholung von Auskünften nach SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes trifft die Verfassungsschutzbehörde. (3) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die G 10-Kommission nach SS 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes über die beabsichtigten Maßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die Verfassungsschutzbehörde den Vollzug der Entscheidung auch vor Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. Entscheidungen über Auskunftsersuchen, die die G 10-Kommission für nicht notwendig oder unzulässig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. (4) Die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission erstreckt sich auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 1 erlangten personenbezogenen Daten. Für die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. 119 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Für die Mitteilung an den Betroffenen ist SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgabe nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, Auskünfte entsprechend SS 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes einholen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend. (6) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, sofern die dort genannten Bestrebungen durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, sowie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. Die Absätze 2 bis 4 und 7 gelten entsprechend. Zum 31. Dezember 2008 ist eine Evaluierung der Maßnahmen durch die Verfassungsschutzbehörde durchzuführen und dem Landtag vorzulegen. (7) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung der Absätze 1 und 5. Dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5 zu geben. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag von Sachsen-Anhalt jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie über Art, Umfang und Anordnungsgründe der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 5; dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (8) Das Ministerium des Innern unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes über die nach Absatz 1 durchgeführten Maßnahmen nach Maßgabe des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 120 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (2) Auf Anfragen der Einstellungsbehörden erteilt der Verfassungsschutz auch Auskünfte zur Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben. Die Auskunft ist beschränkt auf gerichtsverwertbare Tatsachen aus vorhandenen Unterlagen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere wegen der Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden und die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen ihrer Aufgaben nach SS 4 personenbezogene Daten an andere Stellen übermitteln, soweit dies für die Erhebung personenbezogener Daten erforderlich ist. Im Übrigen dürfen personenbezogene Daten an andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ferner zur Abwehr von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten einer fremden Macht erforderlich ist und das Ministerium des Innern seine Zustimmung erteilt hat. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten um Auskunft zu bitten. SS 19 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, der Polizei von sich aus die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. (2) Delikte nach Absatz 1 sind 1. die in SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. alle Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, a) dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, 121 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ b) dass es sich um Bestrebungen handelt, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b und c des Grundgesetzes). (3) Die Polizei darf zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 2 die Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen erforderlich ist (SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes). SS 20 Übermittlungsverbote Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Teils unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere bei Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre, und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen, insbesondere wenn die Informationen zu löschen waren. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 21 Minderjährigenschutz (1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres aus nicht zur Person geführten Akten dürfen an ausländische, überoder zwischenstaatliche Stellen nicht übermittelt werden. 122 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ SS 22 Pflichten des Dritten, an den übermittelt wird Der Dritte, an den übermittelt wird, prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren und in den Akten entsprechend zu kennzeichnen. SS 23 Nachberichtspflicht Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Dritten, an den die Daten übermittelt wurden, zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. SS 23a Weitergabe personenbezogener Daten Für die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung und den anderen Abteilungen des Ministeriums des Innern gelten die SSSS 16 bis 23 entsprechend. Fünfter Teil PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS 24 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterliegt auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission wahr. (2) Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. SS 25 Zusammensetzung und Wahl (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Abgeordneten des Landtages. Der größten Oppositionsfraktion steht ein Sitz in der Kontrollkommission zu. (2) Der Landtag wählt die Mitglieder der Kommission sowie die gleiche Zahl von Stellvertretern mit der Mehrheit seiner Abgeordneten. 123 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. (4) Scheidet ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus dem Landtag aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Kommission; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder ein neues stellvertretendes Mitglied zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus der Kommission ausscheidet. SS 26 Verfahrensweise (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Kommission. Die Pflicht zur Geheimhaltung gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt. (2) Die Kommission tritt mindestens vierteljährlich, zusätzlich auf Antrag eines Mitgliedes zusammen. (3) Sie wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Diese regelt auch, unter welchen Voraussetzungen Sitzungsunterlagen und Protokolle von den Mitgliedern der Kommission und ihren Stellvertretern eingesehen werden können. SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört auch das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Sie berichtet auch über den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Die Entwürfe der jährlichen Wirtschaftspläne der Verfassungsschutzbehörde werden der Kommission zur Mitberatung zugeleitet. Die Landesregierung unterrichtet die Kommission über den Vollzug der Wirtschaftspläne im Haushaltsjahr. Die Kommission hat das Recht, von sich aus Sachverhalte aufzugreifen. 124 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ (2) Die Kommission hat auf Antrag mindestens eines ihrer Mitglieder das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. Der Minister des Innern kann einem bestimmten Kontrollbegehren widersprechen, wenn es im Einzelfall die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erheblich gefährden würde; er hat dies vor dem Ausschuss schlüssig zu begründen. Die besonderen Rechte parlamentarischer Untersuchungsausschüsse bleiben unberührt. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über ihre bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 zu beachten. (4) Die Kontrolle der Durchführung des Artikel 10-Gesetzes obliegt der G 10-Kommission. Das Nähere wird durch das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes geregelt. SS 28 Beteiligung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Die Parlamentarische Kontrollkommission hat auf Antrag eines Mitgliedes den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, die die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen. Die Befugnisse des Landesbeauftragten richten sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger. SS 29 Datenerhebungen bei Mitgliedern des Landtages (1) Setzt die Verfassungsschutzbehörde nachrichtendienstliche Mittel gegen ein Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt ein, hat der Minister des Innern die Parlamentarische Kontrollkommission und den Präsidenten des Landtages unverzüglich hiervon zu unterrichten. (2) Im Falle des Absatz 1 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 125 VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ Sechster Teil SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 4 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 9 bis 13, 15, 16 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger keine Anwendung. SS 30a Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf 1. Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 2. Schutz personenbezogener Daten (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt), 3. Schutz des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) eingeschränkt werden. SS 30b Sprachliche Gleichstellung Personenund Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form. SS 31 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Satz 1 betrifft das In-Kraft-Treten. SS 17a Abs. 6 tritt am 30. Juni 2009 außer Kraft. 126 STATISTIK STRAFUND GEWALTTATENSTATISTIK60 Vorbemerkung: Bei den statistischen Angaben zu den Strafund Gewalttaten handelt es sich um Zahlen, die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes "Politisch motivierte Kriminalität" zu übermitteln sind. Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem, das die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) am 10. Mai 2001 beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2001 eingeführt hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog erfasst und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkriminalität) zugeordnet. Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat. Der extremistischen Kriminalität - als Teilmenge der politisch motivierten Kriminalität - werden Straftaten zugerechnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in den Phänomenbereichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechtsund Politisch motivierte Ausländerkriminalität insgesamt 1.372 (Vorjahr: 856) Straftaten registriert.61 Diese verteilen sich wie folgt: 60 Alle in dieser Statistik aufgeführten Daten entsprechen dem Stand 31. Januar 2006. 61 122 Delikte konnten bisher keinem Phänomenbereich zugeordnet werden, so dass sie bei der Darstellung der Strafund Gewalttaten unberücksichtigt geblieben sind. 127 STATISTIK Politisch motivierte Straftaten 2004 2005 nach Phänomenbereich -rechts758 1130 -links86 222 Ausländerkriminalität 12 20 Davon waren: Extremistische Straftaten 2004 2005 nach Phänomenbereich -rechts741 1100 -links32 161 Ausländerkriminalität 7 18 Politisch motivierte Gewalttaten 2004 2005 nach Phänomenbereich -rechts73 116 -links16 65 Ausländerkriminalität 2 4 Von den genannten politisch motivierten Gewalttaten waren: Extremistische Gewalttaten 2004 2005 nach Phänomenbereich -rechts71 107 -links13 61 Ausländerkriminalität 0 3 Fremdenfeindliche und antisemitische 2004 2005 Straftaten im Phänomenbereich -rechts-62 Fremdenfeindliche Straftaten 115 136 Antisemitische Straftaten 51 74 62 Mit Umstellung der statistischen Erfassung zum 1. Januar 2001 kann es zur Doppelerfassung einer Straftat als fremdenfeindliche und als antisemitische Straftat kommen. 128 STICHWORTVERZEICHNIS A Al-Qaida 74, 76, 77, 78, 80 Al-Tawhid 81 AL-ZARQAWI, Abu Musab 74, 77, 78, 79 AL-ZAWAHIRI, Dr. Ayman 79, 80 Ansar al-Islam (AAI) 74, 80 Antifa 19, 49, 53, 54, 57 Antifa Infoportal 49, 53 Antifaschismus/antifaschistisch 48, 49, 51, 52, 53, 54, 60 Antifaschistische Aktion 51 Antifaschistisches Infoportal 53 Antisemitismus/antisemitisch 7, 10, 32, 34, 43, 57, 128 APFEL, Holger 39 APPELT, Mirko 24 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 85, 86, 87, 88, 89, 90 Aschersleben 45 Augsburg (Bayern) 84 Auskunftserteilung 104, 116, 117 Ausländerextremismus 90 Autonome 3, 14, 27, 48, 49, 50, 51, 54, 55, 56, 59, 61, 62 Autonomenszene 3, 48, 49, 51, 52, 54, 56 AYDAR, Zübeyir 87 B Bataillon 500 (Skinheadband) 11 BAUER, Jens 41 Bayreuth (Bayern) 33 Berlin 22, 28, 29, 34, 39, 49, 51, 60, 61, 64, 67, 70, 81, 88 Bernburg 7, 23, 39, 41, 66, 68 Bewegung der freien Jugend Kurdistans/Tevgera Civanen Azad a Kurdistane (TECAK) 88 Billroda (Burgenlandkreis) 40 BIN LADEN, Usama 74, 79 129 STICHWORTVERZEICHNIS Bitterfeld 12, 22, 43, 56, 57, 67, 68 Blood & Honour (B&H) 9 Bundesgerichtshof (BGH) 80 Bundesministerium des Innern (BMI) 83 Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 28 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) 100, 115, 119, 120, 122 C Castor 62 Celle (Niedersachsen) 88 Chemnitz (Sachsen) 39 CIBIR, Turgay 84 D Datenschutz 104, 105, 107, 109, 116, 117, 125 Delitzsch (Sachsen) 14 Der Vorstoß (Publikation) 12 Dessau 3, 21, 22, 23, 26, 29, 40, 43, 49, 51, 52, 57, 58, 65, 67 Deutsche Akademie (DA) 35 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 3, 64, 65, 66, 70 Deutsche Partei (DP) 37, 44 Deutsche Volksunion (DVU) 2, 33, 35, 36, 37, 40, 42, 43, 44 Deutsches Kolleg (DK) 34 Die Republikaner (REP) 37, 44, 45 Die Rote Fahne (DRF), (Publikation) 66, 67 Dresden 18, 24, 43 Duisburg (Nordrhein-Westfalen) 65, 88 Düsseldorf 81, 88 130 STICHWORTVERZEICHNIS E EL-MOTASSADEQ, Mounir 81 Exilregierung Deutsches Reich 2, 5, 45, 46, 47 F Fahnenträger (Publikation) 12 Fanzine 12 Freie Kräfte 14 Freie Nationalisten 14, 16, 17, 18, 21, 22, 32 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) 85 Fremdenfeindlich 7, 8, 10, 12, 128 FREY, Dr. Gerhard 36, 37, 38, 42, 43, 44 G G 10-Kommission 105, 119, 125 GANSEL, Jürgen 43 GARNAOUI, Ihsan 80 Geheimschutz 97, 98, 101, 102, 110, 111 Gemeinsames Informationsund Analysezentrum (GIAZ) 102 Gerwisch (Landkreis Jerichower Land) 25 Gewalttaten 3, 6, 48, 90, 127, 128 Globalisierung 16, 35, 63, 64 Gorleben (Niedersachsen) 62 Gräfenhainichen (Wittenberg) 22 Greifswald 38 Gröbzig (Landkreis Köthen) 8 Groß-Kreutz (Landkreis Potsdam-Mittelmark/Brandenburg) 32 Grundgesetz (GG) 2, 46, 83, 99, 101, 103, 110, 111, 112, 113, 122, 126 131 STICHWORTVERZEICHNIS Gruppe 7, 14, 19, 21, 22, 24, 25, 49, 52, 53, 54, 55, 58, 60, 62, 65, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 78, 79, 117 Gruppe Internationale Solidarität (GIS) 49 H Halbe (Brandenburg) 15, 16, 18, 30, 31 Halberstadt 6, 19, 20, 54, 56, 58 Halle 1, 3, 13, 14, 15, 18, 20, 21, 22, 23, 27, 29, 30, 31, 41, 43, 45, 47, 49, 52, 57, 58, 61, 65, 66, 67, 68, 71, 86, 88, 89 Hamburg 23, 26, 27, 34, 37, 80, 88 Hammerskinheads 9 Heidelberg 88 HEISE, Thorsten 37 HESS, Rudolf 22, 23, 28, 29 Hettstedt (Landkreis Mansfelder Land) 43 HITLER, Adolf 9, 10, 11, 28, 65 Hizb Allah 73, 74 HOHENSEE, Alexander 27 Holocaust 34, 43 I Ingolstadt (Bayern) 29 Internet 9, 11, 12, 15, 16, 18, 19, 24, 25, 30, 33, 34, 45, 46, 49, 52, 54, 55, 60, 61, 62, 63, 71, 74, 76, 77, 78, 79, 84, 89, 95, 96, 106 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) 73, 82 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS) 73, 74 Islamisten/islamistisch 3, 72, 73, 74, 77, 75, 79, 81, 82, 85, 93, 102 132 STICHWORTVERZEICHNIS J Jena (Thüringen) 28 Jessen (Landkreis Wittenberg) 22 Jihad (PIJ) 74, 76, 78, 79, 80, 84 Junge Nationaldemokraten (JN) 2, 21, 31, 39, 40 K Kalifatsstaat 83, 84, 85 Kameradschaft 14, 16, 18, 22, 25, 35 KAPLAN, Cemaleddin 84 KAPLAN, Metin 84, 85 KARAYILAN, Murat 86 KARL, Andreas 40, 41 Karlsruhe (Baden-Württemberg) 28 KARTAL, Remzi 88 Kemberg (Landkreis Wittenberg) 22 Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) 12, 24, 31 KNOP, Ingmar 33, 40, 43 Köln (Nordrhein-Westfalen) 83, 84, 88, 90 Kommissarische Reichsregierung (KRR) 45, 46 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD-Ost) 3, 64, 66 Kommunistische Plattform der PDS (KPF) 69, 70 KONGRA-GEL 4, 72, 85, 86, 87, 88, 89, 90 Königshütte (Landkreis Wernigerode) 40 Konzerte 1, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 26 Köthen 8, 20, 21, 23, 29, 41, 45 L Leuna (Landkreis Merseburg-Querfurt) 47 Linksextremistische Parteien und Vereinigungen 3, 48, 64 Linksextremismus 3, 48 133 STICHWORTVERZEICHNIS Landser (Skinheadband) 9, 24 Leipzig (Sachsen) 14, 27, 57 Linksextremistische Szene 21, 52, 57 M Magdeburg 3, 7, 8, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 41, 43, 45, 47, 49, 50, 51, 53, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 65, 66, 67, 68, 71, 86, 88, 89 MAHLER, Horst 34, 35, 38 Mannheim (Baden-Württemberg) 88 Markwerben (Landkreis Weißenfels) 12 MARX, Enrico 11, 26 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 3, 64, 67, 68, 69, 89 MEENEN, Uwe 34 Meinungsfreiheit (Publikation) 12 Merseburg 14, 15, 18, 27, 29, 30, 47, 56, 57, 65, 67 militante gruppe (mg) 64 Militanzdebatte 64 Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 101, 110 MOHAMMED, Amin 80 MOLAU, Andreas 33 Mujahedin 4, 74, 75, 78, 79, 81 Muslim 73, 77, 78, 79, 83 MZOUDI, Abdelghani 80 N Nachrichtendienstliche Mittel 103, 114, 125 Nation & Europa (Publikation) 33 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2, 10, 14, 15, 16, 18, 20, 21, 23, 28, 29, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 53, 56, 60 Nationaler Beobachter (Szenepublikation) 15, 23 134 STICHWORTVERZEICHNIS Nationalisten 14, 15, 16, 17, 18, 21, 22, 24, 26, 27, 31, 32, 35, 40 Nationalsozialismus 10, 11, 15, 31, 32, 57 National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ), (Publikation) 43 NAUMANN, Peter 27, 30 Naumburg 3, 50 NEIDLEIN, Alexander 39 Neonaziszene 5 Neue Rechte 32 No Remorse (Band) 9 Nürnberg (Bayern) 28, 88 O Oberlandesgericht (OLG) 3, 50, 80, 81 OBERLERCHER, Dr. Reinhold 34 ÖCALAN, Abdullah 85, 86, 87, 88, 89 Öffentlichkeitsarbeit 13, 105 Ostara 12, 26 Özgür Politika (Publikation) 87, 89 P Parlamentarische Kontrollkommission 105, 109, 114, 117, 120, 123, 124, 125 Peine (Niedersachsen) 29 People Haters (Band) 9 Pratau (Landkreis Wittenberg) 22 Projekt Schulhof 1, 13 Proliferation 94, 95 Q Quedlinburg 19, 47, 49, 50, 60, 61 135 STICHWORTVERZEICHNIS R Radis (Landkreis Wittenberg) 22 Rassismus 54 Rebell (Jugendverband der MLPD) 67 Rechtsextremismus 1, 5, 6, 32, 34 Rechtsextremistische Parteien und Vereinigungen 35 REITZ, Axel 15 Republikaner (REP) 37, 44, 45 RIEFLING, Dieter 39 RIEGER, Jürgen 28, 30, 37 ROCHOW, Stefan 39 Rote Fahne (Publikation) 67, 69 Rote Hilfe (RH) 60 ROTHE, Judith 11 S Saarbrücken 88 Salzwedel 12, 24, 31, 32 Sangerhausen 11, 12, 20, 21, 26, 31, 41 SCHÄFER, Michael 39 Schkeuditz (Sachsen) 14 SCHLEESE, Werner 67 Schleswig-Holstein 36 SCHLIERER, Dr. Rolf 44 Schönebeck 16, 18, 19, 23, 30, 40, 53, 67 SCHWAB, Jürgen 35 Seegrehna (Landkreis Wittenberg) 22 SelbstSchutz Sachsen-Anhalt 24 Sicherheitsbehörden 72, 76, 108, 121 Sicherheitsüberprüfung 97, 101, 102, 110, 111, 113, 114 Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz 97, 101, 110 Skinhead 5, 9, 11, 12, 26 Skinheadband 11 136 STICHWORTVERZEICHNIS Skinheadkonzert 1, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 26 Skinheadszene 6, 14, 26 Skrewdriver (Band) 9 Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg 49, 50, 60, 61 Sonnenwendfeier 32 Sotterhausen (Landkreis Sangerhausen) 11, 22, 26 Spionageabwehr 91, 92, 95, 96 STEHR, Heinz 65 Stolberg (Nordrhein-Westfalen) 38 Straftaten 1, 3, 6, 48, 81, 96, 115, 119, 121, 127, 128 Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) 38 Streetwar (Publikation) 12 Stuttgart (Baden-Württemberg) 84, 85 T Tanne (Landkreis Wernigerode) 8 Terroranschläge 74, 75 Terrorismus/terroristisch 3, 4, 50, 59 72, 73, 74, 75, 77, 78, 80, 81, 82, 87, 91, 100, 102, 103, 105, 119 Terrorismusbekämpfungsgesetz 100, 103, 105 Thor Steinar 1, 6, 54 TITTMANN, Siegfried 42 Tonträger 10, 11, 12, 13, 20, 54 U ÜNAL, Osman 85 Unsere Zeit (UZ), (Publikation) 65 137 STICHWORTVERZEICHNIS V VALENTA, Philipp 39 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln (ICCB), (auch: Kalifatsstaat) 83 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten (VRBHV) 34 Verschlusssachen 97 V-Leute 103 Vlotho (Nordrhein-Westfalen) 34 VOIGT, Udo 36, 37, 38, 40, 41, 42 Völkerverständigung 3, 46, 83, 102, 111 Volksverhetzung/volksverhetzend 11, 24, 34, 38 VEVAK (iranischer Nachrichtendienst) 93 W Weiße Aktivisten Jerichower Land (WAJL) 25 Weißenfels 12, 29, 41 Wernigerode 8, 16, 18, 19, 20, 21, 39, 40, 47, 55 Wernigeröder Aktionsfront (WAF) 19, 20, 21 WETZEL, Bruno 42 Wirtschaftsspionage 91, 95 Wittenberg 22, 45, 54, 55, 56, 65 Wolfen (Landkreis Bitterfeld) 12, 67 WORCH, Christian 22, 26, 27, 30 WULFF, Thomas 37 Wunsiedel (Bayern) 28, 29, 30 Z Zeitz (Burgenlandkreis) 66 Zerbst 7 138 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AAI Ansar-al Islam ADHK Konföderation für demokratische Rechte in Europa AfA Antifaschistische Aktion AfA Antifaschistischer Arbeitskreis AFA Antifaschistisches Aktionsbündnis AG G 10-LSA Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Land Sachsen-Anhalt AIP Antifaschistisches Infoportal ALB Antifaschistische Linke Berlin ATIF Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. ATIK Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa B&H Blood & Honour BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BIR-KAR Plattform für die Einheit der Arbeiter und Freundschaft der Völker BMI Bundesministerium des Innern BRD Bundesrepublik Deutschland BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz DA Deutsche Akademie DEP Demokratie-Partei DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DP Deutsche Partei - Die Freiheitlichen DRF Die Rote Fahne DSZ Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH DVU Deutsche Volksunion 139 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EU Europäische Union FAU-IAA Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union - Internationale Arbeiter Assoziation FSB Federalnaja Sluschba Besopasnosti (Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation) GfP Gesellschaft für Publizistik GG Grundgesetz GIA Groupe Islamique Arme (Bewaffnete Islamische Gruppe) GIAZ Gemeinsames Informationsund Analysezentrum GIS Gruppe Internationale Solidarität GRU Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (Militärischer Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) GSPC Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (Salafiyya Gruppe für die Mission und den Kampf) GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GVBl. LSA Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt HAMAS Islamische Widerstandsbewegung HPG Volksverteidigungseinheiten (der KON-KURD) HS Hammerskinheads ICCB Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e. V., Köln (auch: Kalifatsstaat) IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. ISAF Internationale Schutztruppe für Afghanistan i. V. m. in Verbindung mit JI Jemaah Islamiyah JN Junge Nationaldemokraten 140 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans KGB Russischer Geheimdienst KKK Konföderation der kurdischen Gemeinschaften/ Koma Komalen Kurdistan KONGRA-GEL Volkskongress Kurdistans KON-KURD Konföderation kurdischer Vereine in Europa KPD/Ost Kommunistische Partei Deutschlands KPF Kommunistische Plattform der PDS KRR Kommissarische Reichsregierung MB Muslimbruderschaft MfS Ministerium für Staatssicherheit mg militante gruppe MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands NB Nationaler Beobachter NOM National Officers Meetings NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NZ National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PIJ Palästinensischer Islamischer Jihad PKK Arbeiterpartei Kurdistans REP Die Republikaner StGB Strafgesetzbuch SÜG-LSA Sicherheitsüberprüfungsund Geheimschutzgesetz im Land Sachsen-Anhalt SWR Slushba Wneschnej Raswedki (Ziviler Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation) TECAK Freie Jugendbewegung Kurdistans 141 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS USA United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) VerfSchG-LSA Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten VS Verschlusssache WASG Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit YEK-KOM Föderation kurdischer Vereinigungen in Deutschland e. V. 142