Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 3/3199 Dritte Wahlperiode 25.05.2000 Unterrichtung Präsident des Landtages Magdeburg, 25. Mai 2000 von Sachsen-Anhalt Verfassungsschutzbericht 1999 Sehr geehrte Damen und Herren, der Minister des Innern, Herr Dr. Püchel, übergab dem Landtag im Auftrag der Landesregierung am 24. Mai 2000 gemäß SS 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) vom 14. Juli 1992 (GVBl. LSA S. 590), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Haushaltsbegleitgesetzes vom 30. März 1999 (GVBl. LSA S. 120), den Verfassungsschutzbericht des Landes SachsenAnhalt 1999 mit der Bitte um Kenntnisnahme. Federführend ist das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt. Die Unterrichtung des Landtages erfolgt gemäß SS 54 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Mit freundlichen Grüßen Wolfgang Schaefer Anlage Hinweis: Die Ausgabe des gedruckten Verfassungsschutzberichtes 1999 erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. (Ausgegeben am 26.05.2000) 2 Hinweis: Die Anlage ist eine Broschüre. SACHSEN ANHALT Ministerium des Innern Sachsen-Anhalt IMPRESSUM HERAUSGEBER: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Halberstädter Straße 2/ am "Platz des 17. Juni" 39112 Magdeburg BEZUGSADRESSE: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Abteilung 5 Zuckerbusch 15 39114 Magdeburg TELEFON: (0391) 567-3900 TELEFAX: (0391) 567-3999 VORWORT VORWORT Der jährlich herausgegebene Verfassungsschutzbericht ist ein wichtiger Beitrag zur Information der Bürgerinnen und Bürger ü- ber verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten im Land Sachsen-Anhalt sowie ein wesentlicher Bestandteil praktizierter wehrhafter Demokratie. Wichtige Prinzipien unserer Verfassung wie die Achtung der Menschenrechte, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung oder das Mehrparteienprinzip gilt es vor Extremisten aller Schattierungen zu schützen. Der auf Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörde basierende Bericht zeigt anschaulich, welchen Gefahren unser demokratisches Gemeinwesen durch Extremisten ausgesetzt ist. Beim Studium der vorliegenden Broschüre wird ersichtlich, dass die Beobachtung des Rechtsextremismus eindeutiger Arbeitsschwerpunkt der Verfassungsschutzbehörde ist. Das nach wie vor hohe Niveau der Zahl rechtsextremistisch motivierter Strafund Gewalttaten, die zahlreichen Aktivitäten rechtsextremistischer Parteien wie der NPD oder der DVU sowie das A- gieren gewaltgeneigter Skinheads und Neonazis fordern zurecht von den politisch Verantwortlichen eine öffentliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik. I VORWORT Der Verfassungsschutzbericht leistet somit einen wichtigen Beitrag, die Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes über die wahren Absichten von Verfassungsfeinden aufzuklären. Neben einer ausführlichen Darstellung des Rechtsextremismus informiert der Bericht auch über verfassungsfeindliche Bestrebungen, die von Linksextremisten oder Ausländern ausgingen. Darüber hinaus findet sich eine Einschätzung über die Aktivitäten der Scientology-Organisation. Der Leser kann sich auch über die weiteren Aufgabengebiete der Verfassungsschutzbehörde einen Überblick verschaffen. Dazu zählt die Spionageabwehr, die trotz der Annäherung zwischen Ost und West nicht an Bedeutung verloren hat. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde danke ich für ihre engagierte Arbeit und sachgerechte Information der Politik und der Öffentlichkeit. Magdeburg, im Mai 2000 Dr. Manfred Püchel Minister des Innern II INHALTSVERZEICHNIS VORWORT I. ÜBERBLICK 1 II. RECHTSEXTREMISMUS 3 RECHTSEXTREMISTISCH ORIENTIERTE JUGENDLICHE 3 Subkulturell geprägte, gewaltbereite Rechtsextremisten und Sonstige 3 Aktivitäten von Skinheadbands in Sachsen-Anhalt 10 Rechtsextremistische Musikvertriebe in SachsenAnhalt 13 Übersicht über die Strafund Gewalttaten 14 NEONAZISTISCHE ORGANISATIONEN UND GRUPPIERUNGEN 19 Strukturelle Entwicklungen und berichtszeitraumbezogene Aktivitäten von "Kameradschaften" 20 "Freiheitlicher Volks Block" (FVB) 21 RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 24 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN 24 "Deutsche Volksunion" (DVU) 24 "Die Republikaner" (REP) 30 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und "Junge Nationaldemokraten" (JN) 34 "Vereinigte Rechte" (VR) 39 "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) 41 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 42 Rudolf-HESS-Kampagne 1999 42 Aktionen anlässlich des Volkstrauertages 43 Sonnenwendfeiern 45 ANTI-ANTIFA 45 NUTZUNG NEUER MEDIEN DURCH RECHTSEXTREMISTEN 47 III INHALTSVERZEICHNIS III. LINKSEXTREMISMUS 50 AUTONOME 50 Allgemeine Entwicklung 50 Aktivitäten der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt 52 Linksextremistischer Einfluss auf die Anti-Atomkraftbewegung 58 Linksextremistischer Widerstand gegen die "EXPO 2000" 60 Übersicht über die Strafund Gewalttaten 61 LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 64 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN 68 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 68 "Kommunistische Partei Deutschlands - Gruppe MÖLLER" (KPD/M) 69 "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD-Ost) 70 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 72 "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) 73 "Rote Hilfe e. V." (RH) 74 IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN 78 Ideologischer Hintergrund 78 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 79 Andere extremistische Ausländerorganisationen 82 Ausländerextremistisch motivierte Straftaten 83 V. "SCIENTOLOGY"-ORGANISATION 85 IV INHALTSVERZEICHNIS VI. SPIONAGEABWEHR 88 Allgemeines 88 Spionageabwehr mit Hilfe der Bevölkerung 89 Fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der DDR 89 VII. GEHEIMSCHUTZ 90 Allgemeines 90 Geheimschutz im Behördenbereich 90 Geheimschutz in der Wirtschaft 91 VIII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 92 Grundlagen und organisatorische Ausgestaltung des Verfassungsschutzes 92 Erreichbarkeit der Verfassungsschutzabteilung 94 Aufgaben des Verfassungsschutzes 94 Keine polizeilichen Befugnisse 95 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit 95 Datenschutz 96 Auskunftserteilung 97 Kontrolle 97 Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes 98 IX. ANHANG 99 - GESETZ ÜBER DEN VERFASSUNGSSCHUTZ IM LAND SACHSEN-ANHALT 99 - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 116 - STICHWORTVERZEICHNIS 119 V ÜBERBLICK I. ÜBERBLICK Die wesentlichen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Aktivitäten im Land Sachsen-Anhalt werden im jährlich herausgegebenen Verfassungsschutzbericht dargestellt, der auch in das Internet1 eingestellt ist. Für das Berichtsjahr ist festzuhalten, dass sich die rechtsextremistischen Aktivitäten trotz eines leichten Rückganges rechtsextremistischer Gewalttaten weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen. Wegen des anhaltend hohen Gefährdungspotenzials des Rechtsextremismus ist seine Beobachtung ein Arbeitsschwerpunkt der Verfassungsschutzbehörde. Das Lagebild über die rechtsextremistischen Parteien hat sich gegenüber 1998 verändert. Die "Deutsche Volksunion" (DVU) ist aufgrund parteiinterner Differenzen zersplittert; die Partei zerfiel in verschiedene Lager. 1999 setzte sich die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) durch öffentlichkeitswirksame Aktionen in Szene. Inzwischen ist deutlich geworden, dass sich die NPD immer mehr zu einem Sammelbecken für Rechtsextremisten aller Schattierungen entwickelt. Der NATO-Einsatz in Serbien und im Kosovo beherrschte im Berichtszeitraum die rechtsextremistische Theoriedebatte. Neonazistische Aktivitäten haben zugenommen. Das trifft für die neonazistisch ausgerichteten Kameradschaften und andere Kleingruppen sowie für den "Freiheitlichen Volks Block" (FVB) zu, der offensichtlich die Phase der Konsolidierung überwunden hat. Die international agierende Skinhead-Bewegung "Blood & Honour" (B&H) baut ihr Netzwerk innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene weiter aus. 1 http://www.mi.sachsen-anhalt.de 1 ÜBERBLICK Die linksextremistische Autonomenszene Sachsen-Anhalts wurde vorwiegend zum Themenbereich "Antifaschismus" aktiv. In diesem Zusammenhang wurden Gegenmaßnahmen zu den NPDAufmärschen in Magdeburg durchgeführt. Darüber hinaus beabsichtigte die Szene, über eine öffentliche Diskussion zur Kurdenproblematik eine Akzeptanz der mit einem Betätigungsverbot belegten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu erreichen. Die traditionell-kommunistisch ausgerichteten Parteien und Organisationen haben in Sachsen-Anhalt keinen nennenswerten politischen Einfluss. Der Bereich des Ausländerextremismus war im Berichtsjahr von den Ereignissen im Zusammenhang mit dem Prozess und dem Todesurteil gegen den Generalvorsitzenden der PKK Abdullah ÖCALAN bestimmt. Wie im gesamten Bundesgebiet beteiligten sich auch in Sachsen-Anhalt lebende Kurden an regionalen und bundesweiten Veranstaltungen, um für die Freiheit ÖCALANs zu demonstrieren. 1999 gab es keine terroristischen Aktivitäten. Besorgniserregend ist die zunehmende Verbreitung extremistischen und vor allem gewaltverherrlichenden Gedankengutes im Internet. Hinzu kommt die verstärkte Nutzung anderer Kommunikationsmedien bei der zum Teil konspirativen Vorbereitung extremistischer Veranstaltungen. Aus den von der Scientology-Organisation (SO) herausgegebenen Schriften ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. In Sachsen-Anhalt konnte bislang keine SOEinrichtung festgestellt werden. 2 3 RECHTSEXTREMISMUS II. RECHTSEXTREMISMUS Die Parteien, Organisationen, losen Gruppierungen und Einzelpersonen, die als rechtsextremistisch einzustufen sind, verfügen über kein einheitlich festgefügtes ideologisches System. Sie bekämpfen aus einer teilweise diffusen rassistisch und nationalistisch geprägten Motivation heraus offen oder verdeckt die freiheitliche demokratische Grundordnung, um an ihre Stelle eine totalitäre, zumindest aber autoritäre Regierungsform mit Führerprinzip zu setzen. Rechtsextremismus in Deutschland lässt sich grundsätzlich in drei Erscheinungsformen einteilen: * rechtsextremistisch orientierte Jugendliche, * organisierter Neonazismus sowie * rechtsextremistische Parteien und Organisationen. RECHTSEXTREMISTISCH ORIENTIERTE JUGENDLICHE Subkulturell geprägte, gewaltbereite Rechtsextremisten und Sonstige Rechtsextremistische Skinheads bilden den bei weitem größten Teil der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Das Potenzial dieses Spektrums, dem gegenwärtig in SachsenAnhalt etwa 700 Personen zugerechnet werden, hat in den letzten Jahren vor allem in den neuen Bundesländern weiter zugenommen. Skinheads verfügen über eine nebulöse rechtsextremistische Weltanschauung, die von rassistisch motivierter Fremdenfeindlichkeit sowie übersteigertem Nationalbewusstsein geprägt ist und insofern an wesentliche Elemente des Nationalsozialismus anknüpft. So werden beispielsweise den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern ihre Grundrechte abgespro- RECHTSEXTREMISMUS chen und damit wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verneint. Allgemein werden Fremde und Andersartige als Schuldige für gesellschaftliche und konkrete eigene Probleme, wie Arbeitslosigkeit oder Lehrstellenmangel, verantwortlich gemacht. Verstärkt durch gruppendynamische Prozesse unter Gleichgesinnten entlädt sich - oft in Verbindung mit Alkoholkonsum - der angestaute Hass auf die vermeintlich für die persönliche Misere Verantwortlichen in spontaner, oft hemmungsloser Gewaltanwendung. Zielgruppe dieser Gewalt sind an erster Stelle Asylbewerber aus Schwarzafrika und Asien, aber auch andere Ausländer. * In Magdeburg wurde ein Mosambikaner, der sich in Begleitung seiner Freundin befand, von zwölf Jugendlichen mit den Worten "Ausländerschwein, geh in deine Heimat zurück, wir brauchen keine Ausländer in Deutschland" beschimpft. Als die Freundin ihren Begleiter verbal verteidigen wollte, wurde der Afrikaner getreten und mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen. * In Cochstedt (Landkreis Aschersleben-Staßfurt) wurde eine aus Jugoslawien stammende Frau mit den Worten "Ausländer raus", "Scheiß Türken" und "Asoziales Pack" beschimpft. Als die Frau den der rechtsextremistischen Szene zuzurechnenden Täter zur Rede stellen wollte, wurde sie von diesem angegriffen und in den Unterleib getreten. Neben hauptsächlich rassistischen Beweggründen spielt auch antisemitisch motiviertes Handeln eine Rolle. Ein Beispiel zeigt besonders deutlich den menschenverachtenden Charakter antisemitischer Parolen: 5 RECHTSEXTREMISMUS * Im Keller eines Magdeburger Wohnhauses wurde folgende Schmiererei festgestellt: "Wir sind die Sturmkolonne der Hitlerdiktatur, Volk ans Gewehr, wenn Judenblut vom Messer spritzt, dann geht es nochmal so gut. Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt. Wetzt die langen Messer an dem Bürgersteig, Blut muss fließen knüppelhageldick, wir pfeifen auf die Freiheit der Judenrepublik. Deutschland erwache, Jude verrecke; gez. Hitler". (Schreibweise wie im Original) Die für die Skinheadszene typische Neigung zu spontanen Gewaltausbrüchen richtet sich auch gegen politisch Andersdenkende. Bevorzugtes Angriffsziel sind dabei im Szenejargon als "Zecken" oder pauschal als "Linke" bezeichnete Personen, die einem von den Punks bis zu den Autonomen reichenden Spektrum jugendlicher Subkultur angehören. * Während einer Feier in Magdeburg-Olvenstedt entschlossen sich drei Skinheads spontan "Zecken zu klatschen" und suchten dazu eine Wohnung von Angehörigen der Magdeburger Punkszene auf. Da ihnen der von ihnen Gesuchte bereits im Hausflur begegnete, jagten sie diesen eine Treppe hinauf und zwangen ihn, die Tür seiner Wohnung aufzuschließen, um ihm mit einem blechummantelten Baseballschläger lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen. Das Landgericht Magdeburg verurteilte zwei der Täter wegen versuchten Totschlags zu mehrjährigen Haftstrafen sowie einen Täter zu einer zweijährigen Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Neben völlig unorganisierten Skinheads etablierten sich in den letzten Jahren auch festere Skinheadstrukturen in Deutschland. RECHTSEXTREMISMUS "Blood&Honour"-Skinheads (B&H) Das Symbol der B&H-Bewegung ist die Triskele (Sonnenrad), das auch vom Ku-Klux-Klan (KKK)2 benutzt wird. Die Ursprünge der B&H-Bewegung gehen auf das Jahr 1979 zurück. Die englische Rechtspartei "National Front" (NF) rief damals als Reaktion auf den steigen den Druck des politischen Gegners der "Against Racism"-Bewegung zur Gründung von "Rock Against Communism" (RAC) auf und gewann dafür die Band "Skrewdriver" um Ian Stuart DONALDSON. Musik schien für sie das ideale Mittel zu sein, um Jugendliche im Sinne nationalsozialistischer Ideale aufzuhetzen. Ende der 80erJahre etablierte sich B&H auch in anderen westund osteuropäischen Ländern sowie in Nordamerika. Ab 1991 existierten in Deutschland zunächst informelle Zusammenschlüsse bewährter "Aktivisten" der Skinheadszene. 1994 wurde in Berlin die erste deutsche "B&H-Sektion" gegründet. Mittlerweile existieren mehrere regionale Sektionen, die die "B&H-Deutschland-Division" bilden. Entsprechend dem Statut von B&H muss jeder "Anwärter" zunächst eine Probezeit durchlaufen, bevor er als Mitglied aufgenommen wird. Über die Organisierung von Skinheadkonzerten mit mittlerweile starkem kommerziellen Charakter hinaus ist die B&H-Bewegung bemüht, "radikale politische Akzente" zu setzen, wobei einzig die NPD als politische Partei in Deutschland akzeptiert wird. Eine Doppelmitgliedschaft B&H/NPD ist ausdrücklich nicht verboten. Die "Sektion Sachsen-Anhalt" zählt mit zirka 40 Mitgliedern zu den wichtigeren B&H-Sektionen in Deutschland, ihre als Rundbrief fungierende Zeitschrift "New Dawn" erlangte jedoch keine Bedeutung. Überdies scheiterte der Versuch, in Sachsen-Anhalt im Oktober ein B&H-Bundestreffen auszurichten, da die zuständige Verwaltungsbehörde ein Verbot der Veranstaltung erlassen hatte. 2 Erstmalig 1866 im Süden der USA gegründeter terroristischer Geheimbund, dessen Aktivitäten sich insbesondere gegen den schwarzen Bevölkerungsteil der USA richteten. 7 RECHTSEXTREMISMUS "Hammerskins" Die "Hammerskins" wurden 1986 in den USA gegründet und unterhalten Sektionen in Kanada, Australien und Europa. "Hammerskins" sehen sich als Skinheadsammelbewegung mit dem Ziel der Vereinigung aller "weißen, national denkenden Skinheads". Ihr Organisationssymbol sind zwei gekreuzte Zimmermannshämmer in einer Raute, die die Stärke und Kraft der weißen Arbeiterschaft symbolisieren sollen. In ihren Richtlinien heißt es: "Wir sind inspiriert durch den Glauben unserer Ahnen. Wir sind rassistisch in dem Sinne, dass wir glauben, dass unsere Rasse das natürliche Recht hat, die eigene Tradition und Kultur ohne fremde Einmischung fortzuführen. Wir haben einen tiefen Stolz auf unsere arische Kultur und unser arisches Erbe. Wir unterstützen unsere eigene Art zuerst. Wir wehren uns gegen Leute anderer Weltanschauung, die versuchen, unsere natürliche Ordnung zu korrumpieren". "Hammerskins" betrachten sich als elitär und folgen am ehesten Ideologiefragmenten rassistischer und neonazistischer Ausrichtung. In Deutschland wurden die "Hammerskins" erstmals 1992 durch ein Fanzine3 bekannt, das inzwischen indiziert wurde, weil es offen zu Angriffen gegen den politischen Gegner aufrief und den Nationalsozialismus verherrlichende sowie rassistische und antisemitische Texte verbreitete. Bis 1995 wurden in Deutschland drei "Hammerskinsektionen" gegründet. In Sachsen-Anhalt existiert bislang keine eigene Sektion, jedoch beteiligen sich hiesige Skinheads an Aktivitäten von "Hammerskins". "SelbstSchutz" Sachsen-Anhalt Der "SelbstSchutz" Sachsen-Anhalt setzt sich aus Angehörigen mehrerer "Kameradschaften" Sachsen-Anhalts zusammen und fungiert als Ordnerdienst für rechtsextremistische Veranstaltungen. Die gruppeneigenen Regeln verpflichten die Mitglieder, sich 3 "Fanzine" ist ein Kunstwort. Es setzt sich aus den beiden Teilen "Fan" = Anhänger und "Zine" = Magazin zusammen. RECHTSEXTREMISMUS "korrekt" zu verhalten und bei "Nicht-Einsatz" während Veranstaltungen ihre Gruppenzugehörigkeit zu verbergen. Strafbare Handlungen von "SelbstSchutz"-Angehörigen werden offenbar toleriert, jedoch soll darauf geachtet werden, dass diese nicht im Namen der Gruppierung erfolgen. Der "SelbstSchutz", der im Internet für seine Dienste wirbt, tritt bei Veranstaltungen einheitlich mit schwarzen Sweatshirts auf, die das der alt-germanischen Mythologie entlehnte Gruppensymbol - Thors Hammer mit Keltenkreuz im Zahnkranz - tragen. "Weiße Offensive - Halle/Saale" Die Aktivitäten der Skinheadgruppierung "Weiße Offensive" beschränkten sich zunächst auf die Region Halle, jedoch bemühten sich die Mitglieder um Kontakte zu anderen Skinheadgruppierungen der Region. Die Angehörigen der "Weißen Offensive" tragen in der Öffentlichkeit rote Bomberjacken mit ihrer Gruppenbezeichnung. "Weiß & Stolz", Halle Die Gruppierung "Weiß & Stolz" ist eine eigenständige, örtlich locker strukturierte Skinheadgruppierung, die unter anderem auch über Kontakte zur "Weißen Offensive - Halle/Saale" verfügt. "OSTARA"-Skinheads Die OSTARA4-Skinheads sind seit einigen Jahren im Raum Sangerhausen aktiv. Die im Kern aus etwa 15 Personen bestehende Gruppierung vertreibt ein eigenes Fanzine, das neben Szeneberichten hauptsächlich Mitteilungen über Skinheadbands und -konzerte beinhaltet. 4 Germanische Erdund Frühlingsgöttin. 9 RECHTSEXTREMISMUS "SachsenAnhaltFront" (S.A.F.) Einem Interview mit der "Sachsen-Anhalt-Front" in einem bayerischen Skinheadfanzine ist zu entnehmen, dass die ..."Kleinstorganisation S.A.F. im Juni 1998 von acht Nationalisten unweit von MD gegründet wurde." Nach Eigenangaben "gehören der S.A.F. derzeit rund 30 Personen an, die sich auf mehrere Ortsgruppen verteilen." Ihrem Selbstverständnis nach "ist die S.A.F. eine Gruppierung freier Nationalisten, die sich um inhaftierte Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt kümmert." Nach eigenem Bekunden pflegt die S.A.F. Kontakte zur neonazistischen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) sowie zu "Blood & Honour". Insgesamt spielt die S.A.F. im Skinheadmilieu keine besondere Rolle. "Weiße Bruderschaft" Merseburg Die "Weiße Bruderschaft" ist ein loser Zusammenschluss von Skinheads und existiert seit 1994 in Merseburg. Die ihr zuzurechnenden Personen tragen schwarze Bomberjacken mit der Aufschrift "Weiße Bruderschaft Merseburg" und wurden in der Vergangenheit durch zahlreiche rechtsextremistisch motivierte Straftaten bekannt. "White Power" Die Gruppierung "White Power" betrachtet sich als Ableger des amerikanischen Ku-Klux-Klan (KKK). Die Gewalttaten ihrer Anhänger, die einheitlich schwarze T-Shirts und Bomberjacken mit dem Symbol des KKK sowie der Zahl "88"5 tragen, richten sich insbesondere gegen Menschen dunkler Hautfarbe. Anfänglich sich bildende Strukturen in einigen Regionen Sachsen-Anhalts blieben jedoch weitgehend bedeutungslos. 5 Die Ziffer "8" steht für den achten Buchstaben des Alphabets (H). "88" steht szeneintern als Codierung des verbotenen Grußes "Heil Hitler" (HH). RECHTSEXTREMISMUS Aktivitäten von Skinheadbands in Sachsen-Anhalt Der in den letzten Jahren zu verzeichnende Trend zur Organisierung innerhalb der Skinheadszene wird durch die Skinheadmusik, die nach wie vor ein identitätsstiftendes und verbindendes Element darstellt, maßgeblich unterstützt. Diese Musik liefert Jugendlichen einen Anreiz zum Einstieg in die rechtsextremistische Szene und trägt in hohem Maße zu ihrer Verflechtung bei. Sowohl international aktive Skinhead-Gruppierungen wie zum Beispiel "Blood & Honour" als auch Neonazis und NPD/"Junge Nationaldemokraten" (JN) haben die Möglichkeit erkannt, ihre Ideologie mit Hilfe der Musik zu transportieren und zu verbreiten. Die Zahl der durchgeführten rechtsextremistischen Skinheadkonzerte hat bundesweit und auch in Sachsen-Anhalt im Berichtsjahr leicht abgenommen. Zugleich stieg jedoch die durchschnittliche Besucherzahl pro Konzert. Der Schwerpunkt der rechtsextremistischen Musikszene befindet sich unverändert in den neuen Bundesländern. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte waren in SachsenAnhalt verstärkt Aktivitäten der rechtsextremistischen Musikszene zu verzeichnen. Verschiedentlich konnten Konzerte aufgrund von Maßnahmen der Sicherheitsund Ordnungsbehörden bereits im Vorfeld als Folge von gezielten Aufklärungsmaßnahmen verhindert oder zumindest im Verlauf abgebrochen werden. Das bislang größte Konzert in Sachsen-Anhalt fand am 4. September statt, als sich weit über 2.000 Anhänger der "Blood & Honour"-Bewegung aus allen Bundesländern sowie aus den angrenzenden Nachbarstaaten Polen, Tschechien, Dänemark, Österreich, Schweiz und aus Großbritannien in Garitz (Landkreis Anhalt-Zerbst) versammelten. Dieses Konzert zeigte besonders deutlich, über welche Mobilisierungsmöglichkeiten das rechtsextremistische Lager verfügt. Die Durchführung eines Konzertes solcher Größenordnung wurde im Internet durch B&H entsprechend als großer Erfolg dargestellt. 11 RECHTSEXTREMISMUS Skinheadkonzerte werden fast ausschließlich durch SkinheadOrganisationen konspirativ vorbereitet. Dies bedeutet, dass potenzielle Teilnehmer in der Regel bis kurz vor Konzertbeginn über den genauen Veranstaltungsort im Unklaren gelassen und dann durch Mobilfunk und SMS6 dorthin dirigiert werden. Die erheblichen Einnahmen der Konzertveranstaltungen, deren auch kommerzieller Charakter immer deutlicher zu Tage tritt, fließen in die Kassen der Skinhead-Organisationen zurück, die damit auch Musikgruppen aus Übersee finanzieren. Im Rahmen von Skinhead-Konzerten werden fast immer strafbare Handlungen wie Skandieren nationalsozialistischer Parolen, Entbieten des "Hitlergrußes" und sonstiges Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen festgestellt. Darüber hinaus nutzen einschlägige Musikvertriebe die Veranstaltungen für den Verkauf indizierter Tonträger mit Musikstücken rechtsextremistischen Inhalts. Die Texte solcher Musikstücke sind regelmäßig strafrechtlich relevant und haben zumeist einen fremdenfeindlichen, volksverhetzenden oder auch antisemitischen Inhalt. Ein besonders drastisches Beispiel für die Verwendung solcher Texte zu Melodien von Hits der "Neuen Deutschen Welle" stellt die erst kürzlich erschienene CD "Die Härte - ! Vorsicht ! - National Deutsche Welle" dar. Bereits vor dem offiziellen Erscheinen waren verschiedene Titel über das Internet abrufbar. Nachfolgend einige Textbeispiele: "Hurra, hurra, ein Nigger brennt" ... Es wird dunkel, es wird wieder mal Zeit es versammelt sich der Ku-Klux-Clan. Die Kanister sind voll, kleine Nigger dabei 6 "Short Message Service" (SMS) = Kurzmitteilungsservice. Eine SMS-Mitteilung ist vergleichbar einer E-Mail für Mobilfunk und kann sowohl über Mobilfunk selbst als auch über das Internet verschickt werden. RECHTSEXTREMISMUS so tut sie in ein Bettchen fort. Holt nur noch das Kreuz, den Clan-Chef freut's und will gegrillt diesen Bastard seh'n. Und jetzt brennt die Sau ... Das ist geil, das ist geil, hurra, hurra, ein Nigger brennt. ... "Am Tag, als Ignatz Bubis starb" ... Eines Tages werden wir die ganzen dreckigen Nigger und Juden töten und dann wird alles sauber sein. ... Am Tag, als Ignaz Bubis starbUnd alle Juden heulten. Am Tag, als Ignaz Bubis starbUnd alle Gläser klingen. Das war ein schöner Tag, wir pissen auf sein Judengrab. ... Bubis, du Sack, hör gut zu! Dein Todeslied könnte dies sein. Ja, irgendwann ist der Schuß am Ziel, wir kühlen schon die Flasche Wein. Die Warnung ist unser Ernst, Deine Judenhaut überreif. Die Deutschen kann man nicht besiegenDu auch bald an Deinem Todestag begreifst. ... Rechtsextremistische Musikvertriebe Rechtsextremistische Musikvertriebe versorgen die Szene nicht nur mit legalen Tonträgern und solchen, die durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) indiziert wurden, sondern vielfach auch mit szenetypischer Bekleidung und Fanzines sowie Devotionalien der NS-Zeit. Solcher Handel erfolgt so- 13 RECHTSEXTREMISMUS wohl über Direktverkauf in Ladengeschäften und bei Skinheadkonzerten als auch über Zusendung bestellten Materials (Versandhandel). Übersicht über die Strafund Gewalttaten7 Verglichen mit dem Vorjahr verringerte sich die Anzahl rechtsextremistisch motivierter 1999 um 11,1 Prozent. Das Straftatenaufkommen befindet sich damit im Bundesvergleich aber weiterhin auf hohem, besorgniserregendem Niveau. Ein deutlicher Rückgang um rund ein Drittel der Straftaten ist bei den fremdenfeindlich sowie den antisemitisch motivierten Delikten zu verzeichnen. Rechtsextremistische Straftaten 1998 1999 Straftaten insgesamt: 1045 929 * Gewalttaten 908 83 * sonstige Straftaten 9559 846 7 Die Zahlen ergeben sich aus der Statistik des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt. 8 Die Zählung der Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung ist ab 1998 in Anpassung an die Zählweise der anderen Verfassungsschutzbehörden statistisch in den sonstigen Straftaten enthalten. RECHTSEXTREMISMUS Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund 1200 1045 1000 955 929 846 800 Gesetzesverletzungen 600 gesamt, davon: Gesetzesverletzungen 400 ohne Gewaltanwendung 200 Gesetzesverletzungen 90 83 mit Gewaltanwendung 0 1998 1999 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund 80 71 70 62 60 50 Tötung/vers.Tötung 40 Körperverletzung 30 Brandanschlag 20 16 Landfriedensbruch 12 Gefährliche Eingriffe 10 5 1 1 2 2 Raub 1 0 0 0 1998 1999 15 RECHTSEXTREMISMUS Hinsichtlich ihrer Zielrichtung untergliedern sich die Gewalttaten wie folgt: Zielrichtung 1998 1999 * fremdenfeindlich 50 30 * antisemitisch 4 1 * gegen politische Gegner 26 32 * gegen Sonstige 10 20 Summe 90 83 Die Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund gliedern sich nach Deliktsarten wie folgt: Gewalttaten 1998 1999 Deliktsarten: * versuchte Tötungen 1 1 * Brandanschläge 5 2 * Landfriedensbruch 12 16 * Körperverletzungen 71 62 * Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, 1 0 Luft-, Schiffsund Straßenverkehr * Raub 0 2 Summe 90 83 71 Prozent der festgestellten Tatverdächtigen sind jünger als 21 Jahre. Deshalb gilt der zumeist jugendlichen Skinheadszene das besondere Augenmerk der Verfassungsschutzbehörde. RECHTSEXTREMISMUS Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation 50 45 42 40 35 30 24 25 20 15 10 5 5 3 2 3 0 0 0 1 0 1998 1999 Tötung/vers. Tötung Körperverletzung Brandanschlag Landfriedensbruch Raub Gewalttaten "Rechts" gegen "Links" 30 25 22 20 18 15 10 8 7 5 1 1 1 0 0 0 0 1998 1999 Tötung/vers. Tötung Körperverletzung Brandanschlag Landfriedensbruch Raub 17 RECHTSEXTREMISMUS NEONAZISTISCHE ORGANISATIONEN UND GRUPPIERUNGEN Der Trend zum Aufbau regionaler Gruppierungen in Form von so genannten "Kameradschaften" setzte sich im Berichtszeitraum fort. In den Orten Gardelegen, Klötze, Magdeburg, Salzwedel, Sangerhausen, Schönebeck, Tangermünde, Tangerhütte und Wernigerode sowie in der Region Blankenburg/Quedlinburg sind neonazistisch ausgerichtete "Kameradschaften", die sich zum überwiegenden Teil strukturell an die NPD binden, in Erscheinung getreten. Ihren Strukturen sind jeweils zwischen zehn und 30 Rechtsextremisten zuzurechnen, allerdings können anlassbezogen oft bis zu 150 Personen mobilisiert werden. Kameradschaften sind nach dem "Führerprinzip" ausgerichtet, neben dem "Leiter" oder "Führer" wird gelegentlich nur noch die Position eines "Kassenwarts" besetzt. Im Wesentlichen erfüllen Kameradschaften zwei Funktionen: Zum einen dienen sie offenbar als Sammelbecken für orientierungslose Jugendliche, zum anderen der Etablierung und "Pflege" rechtsextremistischen Gedankenguts einschließlich der Planung und Durchführung einschlägiger Aktionen. Die verschiedenen Kameradschaften sind durch "Kameradschaftsführertreffen" verbunden, die das Ziel haben, szeneinterne Informationen auszutauschen, Termine bekannt zu geben und gemeinsame Aktivitäten wie Flugblattverteilungen, Demonstrationen und Seminare abzustimmen. Die Kameradschaften unterhalten insbesondere zur NPD/JN, aber auch zu anderen rechtsextremistischen Organisationen vielfältige Kontakte, die sich unter anderem in der Teilnahme an den Demonstrationen der NPD am 27. Februar und 17. April in Magdeburg sowie in der Wahlkampfunterstützung für die NPD in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt widerspiegelten. Zu den typischen Aktivitäten von Kameradschaften zählen regelmäßige Treffen mit "gemütlichem Beisammensein" sowie Kund- RECHTSEXTREMISMUS gebungen und Kranzniederlegungen anlässlich von Sonnenwendfeiern, HESS-Gedenkveranstaltungen und so genannten "Heldengedenkfeiern". Angehörige verschiedener Kameradschaften sind auch in der Gruppierung "SelbstSchutz Sachsen Anhalt"9 aktiv. Strukturelle Entwicklungen und berichtszeitraumbezogene Aktivitäten von "Kameradschaften" "Kameradschaft Blankenburg/Quedlinburg" Die "Kameradschaft Blankenburg/Quedlinburg" existiert seit Anfang 1998 unter dieser Bezeichnung und ist aus der Gruppierung um Steffen HUPKAs "Harzfront" hervorgegangen. Die etwa 20 Kameradschaftsangehörigen finden sich regelmäßig zu politischen Aktionen zusammen und halten engen Kontakt zum NPDLandesvorsitzenden. Kameradschaftsangehörige nahmen unter anderem an den Demonstrationen der NPD am 30. Januar in Kiel (Schleswig-Holstein) und am 6. November in Pasewalk (Mecklenburg/Vorpommern) sowie an Plakatierungsaktionen teil. "Kameradschaft Klötze" Die etwa 15 Personen zählende "Kameradschaft Klötze" ist aus der "Kameradschaft Westliche Altmark" hervorgegangen und unterhält enge Kontakte zur "Kameradschaft Salzwedel" sowie zur rechtsextremistischen Szene im Raum Wolfsburg (Niedersachsen). 19 RECHTSEXTREMISMUS "Kameradschaft Magdeburg" Der im Herbst 1997 gegründeten Kameradschaft gehören etwa 20 Personen an, von denen mehrere zusätzlich in einem durch sie gegründeten "Kulturkreis Magdeburg" aktiv sind. Der "Kulturkreis", der sich der "Pflege des germanischen Brauchtums" widmen will, trat erstmals mit einer von ihm organisierten Erntedankfeier am 25. September im Bördekreis in Erscheinung. Darüber hinaus wurde von ihm eine Wintersonnenwendfeier am 18. Dezember initiiert. "Kameradschaft Wernigerode" Der "Kameradschaft Wernigerode" gehören etwa 15 Rechtsextremisten an, die zuvor überwiegend der zwischenzeitlich verbotenen neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) zuzurechnen waren. Enge Kontakte bestehen zu dem niedersächsischen Neonazi Thorsten HEISE, der regelmäßig vor Angehörigen der Kameradschaft Schulungen vorwiegend zur Geschichte des Dritten Reiches durchführte. Darüber hinaus reisten Kameradschaftsangehörige am 30. Januar nach Kiel, am 1. Mai nach Bremen und am 9. September nach Osnabrück (Niedersachsen), um an dortigen Kundgebungen der NPD teilzunehmen. "Freiheitlicher Volks Block" (FVB) Der FVB mit Sitz in Nürnberg wurde 1994 gegründet und hat bundesweit etwa 70 Mitglieder. Bundesvorsitzender ist seit 1998 Thomas SCHARF (Bayern). Führende Funktionäre des FVB gehörten der inzwischen verbotenen neonazistischen "Heimattreuen Vereinigung Deutschland" (HVD) an oder haben enge Kontakte zu ehemaligen HVD-Mitgliedern. Im "Parteiprogramm" bezeichnet sich der FVB als "Partei des deutschen Aufbruchs", ohne tatsächlich Parteienstatus zu haben. Außer in Sachsen-Anhalt verfügte der FVB im Berichtszeitraum zumindest über Landesverbände in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Mit- RECHTSEXTREMISMUS glieder des FVB treten in der Öffentlichkeit einheitlich in schwarzer Kleidung auf. In seinem Propagandamaterial agitiert der FVB zu Themen wie Arbeitslosigkeit, Steuerbelastung und Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft. So wurden in der Vergangenheit FVB-Flugschriften mit Parolen wie "Nordstadt bleibt Deutsch! STOLZ STARK EINIG" und "Deutschland in Not! Rekordpleiten bei den Unternehmen Rekord in der Staatsverschuldung Unkontrolliert hohe Arbeitslosigkeit Steigende Steuerbelastungen Keine sicheren Renten" aufgefunden. (Schreibweise wie im Original) Die Entwicklung des FVB stagnierte im Berichtsjahr vor allem in den Landesverbänden Bayern und Baden-Württemberg. Als Gründe hierfür gelten Unstimmigkeiten im Vorstand verbunden mit mangelnder finanzieller Absicherung neuer Vorhaben. Dementsprechend dürfte es sich bei Planungen, die aus im Juli in Reutlingen (Baden-Württemberg) aufgefundenen Unterlagen des FVB hervorgehen, um eine wenig realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten handeln. In so genannten "Strategierichtlinien für den Zeitraum 1999 - 2000" wird die Teilnahme an Wahlen als Ziel festgeschrieben. Zur möglichst schnellen Umsetzung dieses Ziels bestimmen die Unterlagen folgende Vorgehensweise: "1. In den Jahren 1999 und 2000 möglichst hohe Mitgliederrekrutierungen, 2. Aufbau eines rentablen politischen Förderkreises, 3. Konsequentes Eintreiben der Mitgliedsbeiträge, 4. Aufbau eines großen Umfeldes und Sympathisantenkreises, 5. Unbedingte parteiinterne und parteiexterne Disziplin, 6. Aufbau einer Jugendorganisation im großen Stil, 7. Grundsätzliche Anerkennung als Wahlpartei (Parteien status) und 8. Geradliniges und kompromißloses Vorgehen zur Erreichung der politischen Zielsetzungen." 21 RECHTSEXTREMISMUS Bisher hat der FVB nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die oben genannten Vorhaben durchzusetzen. Dem FVB Landesverband in Sachsen-Anhalt gehören etwa zehn Mitglieder an. Er ist in der Lage, etwa 20 bis 30 weitere Personen für seine Aktivitäten zu mobilisieren. In den vergangenen Jahren zeichnete sich der FVB zumindest in Sachsen-Anhalt durch seine "isolierte Stellung" innerhalb der neonazistischen Szene aus (rigide Abgrenzung von anderen Gruppierungen, klare Befehlsstruktur, Uniformierung). Mittlerweile sind erste Ansätze für eine regionale Öffnung und Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Gruppierungen erkennbar. So nahmen Angehörige des FVB an einer Kundgebung der Gruppierung "Nationalistische Volksfront" zum Thema "Drogenfrei ins neue Jahrtausend" im Juli in Naumburg teil. Im Berichtszeitraum wurde ebenso festgestellt, dass FVB-Mitglieder "Schulungsabende" mit jugendlichen Anhängern der rechtsextremistischen Szene aus Halle durchführen. Vermutlich sollen aus diesem Personenkreis neue Mitglieder und auch Führungspersonen für den FVB gewonnen werden. Des Weiteren bestehen seitens des FVB Kontakte zu den Skinheadgruppierungen "Weiße Offensive Halle" und Kameradschaft "Weiß & Stolz". RECHTSEXTREMISMUS RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS In Sachsen-Anhalt gibt es keine Hinweise auf die Existenz oder Bildung terroristischer Vereinigungen oder Strukturen. Trotzdem bedeutet das bei Rechtsextremisten deutlich ausgeprägte Interesse an Waffen und Sprengstoff ein latentes Risiko für die innere Sicherheit. RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN "Deutsche Volksunion" (DVU) Am 5. März 1987 wurde in München durch Dr. Gerhard FREY die Partei zunächst als "DVU-Liste D" ("D" für Deutschland) gegründet. Die Umbenennung in "Deutsche Volksunion" (DVU) erfolgte am 16. Februar 1991. In ihrer politischen Ausrichtung bekennt sich die DVU in ihrem Parteiprogramm zwar ausdrücklich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Belege für die verfassungsfeindliche Zielsetzung finden sich jedoch unter anderem in der wöchentlich erscheinenden "National-Zeitung/ Deutsche Wochen-Zeitung".10 Durch die ständige Wiederholung bestimmter Themen und Inhalte in den Artikeln werden zielgerichtet bestimmte Ressentiments erzeugt. So erfolgt insbesondere eine tendenziöse Berichterstattung über das Dritte Reich. Im Zusammenhang mit der doppelten Staatsbürgerschaft wird vor "Überfremdung" gewarnt sowie ein "Ansturm von Scheinasylanten" auf die Bundesrepublik Deutschland behauptet. Ferner erfolgen Agitationen mit antisemitischer Zielrichtung, insbesondere gegen jüdische Institutionen und deren Repräsentanten. Dabei bedient sich Dr. FREY in seinem Presseorgan einer subtilen Vorgehensweise, indem er die eigent10 Bis September erschienen jeweils wöchentlich die "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). Beide Zeitungen werden nunmehr unter der Bezeichnung "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" zusammengefasst, die ebenfalls wöchentlich herausgegeben wird und weiterhin als Sprachrohr der DVU anzusehen ist. 23 RECHTSEXTREMISMUS liche Botschaft meist zwischen den Zeilen verbirgt oder mit Zitaten arbeitet. "In der antideutschen Meinungsindustrie ist es zur Gewohnheit geworden, Deutschland als Land der Täter oder Mörder usw. zu beschimpfen. Das ist nach dem derzeit geltenden politischen Strafrecht gänzlich straffrei, da gegen Deutschland, das deutsche Volk, die deutsche Geschichte, die deutschen Soldaten, die deutschen Gefallenen usw. nach Belieben gelogen und gefälscht werden darf. Strafrechtlich geschützt und privilegiert sind nur Minderheiten, konkret Juden und Zigeuner." 11 Generell ist die DVU sowohl in ihrer Publizistik als auch bei Äußerungen ihrer führenden Funktionäre sehr darauf bedacht, keine Ansatzpunkte für eventuelle strafrechtliche Konsequenzen zu liefern. Die DVU ist zentralistisch auf die Person des Bundesvorsitzenden Dr. FREY ausgerichtet, der die Partei seit ihrer Gründung leitet. Sie verfügt in allen Bundesländern über Organisationsstrukturen und hat gegenwärtig etwa 17.00012 Mitglieder. Die DVU ist somit weiterhin die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Der Landesverband Sachsen-Anhalt wurde am 6. Oktober 1991 in Magdeburg gegründet. Bis zur Landtagswahl am 26. April 1998 war die DVU innerhalb des rechtsextremistischen Parteienspektrums Sachsen-Anhalts von eher untergeordneter Bedeutung. Nach ihrem Einzug in den Landtag bemühte sich die DVU, flächendeckend Parteigliederungen zu errichten. Im Berichtszeitraum erfolgten die Gründungen der Kreisverbände Halle-Saalkreis, Merseburg-Querfurt, Ohrekreis und Jerichower Land. Darüber hinaus wurden in einigen Regionen so genannte Bürgerbüros eingerichtet. Der DVU gehören in Sachsen-Anhalt über 700 Mitglieder an, die in Kreisverbänden organisiert sind. 11 DNZ Nr. 3/49 vom 15. Januar 1999, Seite 2. 12 Geschätzt. RECHTSEXTREMISMUS Die Situation des Landesverbandes ist geprägt von internen Querelen und Auseinandersetzungen mit dem Bundesvorsitzenden. Ursache hierfür sind Bestrebungen von Teilen des Landesverbandes, die auf eine Abspaltung von der Bundespartei und auf eine Loslösung von Dr. FREY abzielen. Für diese Tendenz steht insbesondere Claudia WIECHMANN13, während der DVU-Landesvorsitzende Dieter KANNEGIEßER weiterhin strikt den Kurs des Bundesvorsitzenden verfolgt. Dabei besteht zwischen dem Landesverband und der Bundespartei durchaus ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Der Bundesvorsitzende Dr. FREY allein verfügt über die für die politische Arbeit notwendigen finanziellen Mittel. Er wiederum benötigt für seine Zwecke die Strukturen des Landesverbandes. Bei der DVU bestehen jedoch nicht nur Differenzen auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene. So beantragte der schleswigholsteinische Spitzenfunktionär Professor Dr. Klaus SOJKA wegen parteischädigenden Verhaltens ein Amtsenthebungsverfahren gegen sowie den Parteiausschluss von Dr. FREY und sieben weiteren Mitgliedern des Bundesvorstandes. Ursache hierfür war der Protest SOJKAs gegen den vom Bundesvorstand gefassten Beschluss des Teilnahmeverzichts zur Landtagswahl am 27. Februar 2000 in Schleswig-Holstein. SOJKA wurde aktiv, da ihm in diesem Zusammenhang zuvor von Dr. FREY parteischädigendes Verhalten vorgeworfen worden war. Am 16. Januar führte die DVU in München ihren Bundesparteitag durch. Dr. FREY wurde erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt. Nach dem dort vorgelegten Finanzbericht belief sich das Defizit der DVU auf 9,1 Millionen DM. Mittlerweile soll sich dieser Fehlbetrag, der von Dr. FREY kreditiert wird, auf 15 Millionen DM erhöht haben. Die DVU beteiligte sich im Berichtszeitraum in mehreren Bundesländern an Landtagsund Kommunalwahlen. Erwähnenswert ist hierbei das Abschneiden bei der Landtagswahl in Brandenburg, 13 Am 15. Februar 2000 gründete sich die "Freiheitliche Deutsche Volkspartei" (FDVP) unter Führung von Claudia WIECHMANN. 25 RECHTSEXTREMISMUS wo die Partei mit fünf Abgeordneten in das Landesparlament einziehen konnte. Aufgrund der bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt erzielten Ergebnisse ist die DVU mit einem Abgeordneten im Kreistag von Halberstadt vertreten. Darüber hinaus zog ein DVUMitglied für die "Freie Wählervereinigung Burgenland" (FW) in den Kreistag von Naumburg (Burgenlandkreis) ein. Die "Freien Wählervereinigungen" sind in ihrer politischen Zielrichtung weitestgehend orientiert an den insbesondere bei der DVU vorherrschenden Schwerpunktthemen. Sie wurden zu einem Zeitpunkt gegründet, als noch Unsicherheit hinsichtlich der Teilnahme der DVU an den Kommunalwahlen bestand. Ihre Mitglieder sind Angehörige der DVU sowie weiterer Parteien. Bei den Gemeinderatswahlen konnte die DVU in den Orten Roßlau, Kakau (beide Landkreis Anhalt-Zerbst), Hettstedt (Landkreis Mansfelder Land) und Magdeburg sowie mit einem Vertreter der FW in Naumburg jeweils ein Mandat in den Gemeindevertretungen erzielen. Insbesondere die Wahlkämpfe zur Bremer Bürgerschaft und zu den Landesparlamenten in Brandenburg und Thüringen wurden von der DVU intensiv und mit hohem finanziellen sowie personellen Aufwand geführt. Die Partei setzte hierbei wieder auf massive Plakatierungen und versandte zirka eine Woche vor dem Wahltermin eine große Anzahl von Werbebriefen. Das besondere Interesse der DVU galt hierbei den Jungwählern, die oft sogar mehrfach persönlich angeschrieben wurden. Die DVU verwendete in ihrer Wahlkampfwerbung nach bewährtem Muster einprägsame, fast ausschließlich populistisch geprägte, monokausalen Erklärungsansätzen folgende Parolen: RECHTSEXTREMISMUS * "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche!" * "Deutsches Geld zuerst für Deutsche in Not!" * "Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben. Nein zu: "Ausländer raus". Ja zu: Ausländerbegrenzung! Keine Masseneinbürgerung von Ausländern." * "Es darf keine Diskriminierung der Deutschen in ihrem Land geben." * "Deutsche Politiker haben die Pflicht, bei Sozialleistungen, Sozialwohnungen, Arbeitsplätzen usw. zuerst für die Einheimischen zu sorgen." * "Bessere Durchsetzung der deutschen Interessen in der EU." * "Den totalen Untergang unseres Geldes in der EuroWährung verhindern; Möglichkeit der Rückkehr zur D- Mark offenhalten." * "Steuergeldmißbrauch durch Polit-Bonzen und ihre Gehilfen muß streng bestraft werden." * "Schutz des Volkes vor Verbrechern durch härtere Gesetze und schärferen Strafvollzug." * "Mehr demokratische Mitbestimmungsrechte des Volkes durch Volksbefragungen, Volksabstimmungen und Volksentscheide." In Sachsen-Anhalt fanden, teilweise in unmittelbaren Zusammenhang mit den Landtagswahlen der angrenzenden Bundesländer Brandenburg und Thüringen, eine Reihe von Großveranstaltungen der DVU statt. So am 27. Februar in Bad Kösen (Burgenlandkreis), am 28. Februar in Zeppernick (Landkreis Anhalt-Zerbst), am 13. Juni in Freyburg (Burgenlandkreis) und am 27. Juni wiederum in Zeppernick. Zu den Veranstaltungen reisten jeweils zwischen 300 und 500 Teilnehmer aus verschiedenen Bundesländern an. 27 RECHTSEXTREMISMUS Ihren Landesparteitag für Sachsen-Anhalt hielt die DVU am 18. April in Zeppernick ab. An der Veranstaltung nahmen in Anwesenheit des Bundesvorsitzenden Dr. FREY etwa 400 Mitglieder und Sympathisanten teil. Dieter KANNEGIEßER (Halle) wurde zum Landesvorsitzenden gewählt. Schwerpunkt der Aktionen der Kreisverbände war neben der Wahlkampfunterstützung anderer Landesverbände die Planung und Durchführung des Wahlkampfes anlässlich der Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt. Erstmalig in Sachsen-Anhalt wich die DVU hierbei von ihrer bisherigen Vorgehensweise ab und führte vereinzelte Aktivitäten in der Öffentlichkeit durch. So wurden in der Magdeburger Innenstadt und vor dem Hauptbahnhof Informationsstände aufgebaut, darüber hinaus kam es zu Flugblattverteilungen und einer Demonstration vor dem Landtagsgebäude sowie dem Hauptbahnhof gegen den NATO-Einsatz in Serbien und im Kosovo. "Die Republikaner" (REP) Die politische Arbeit des Landesverbandes der REP, dem gegenwärtig etwa 70, meist inaktive Parteimitglieder angehören, ist als bedeutungslos einzustufen. Die Organisationsstruktur des Landesverbandes wird auch von führenden Parteifunktionären für stark verbesserungsbedürftig gehalten. Aufgrund der immer stärker werdenden Kritik seitens des Bundesund des Landesverbandes an der Person des Landesvorsitzenden LEHMANN und seiner seit langem anhaltenden Inaktivität ist eine personelle Veränderung an der Spitze des hiesigen Landesverbandes nicht unwahrscheinlich. Schwerpunkt der wenigen Aktivitäten der REP in Sachsen-Anhalt war die Teilnahme an den Kommunalwahlen am 13. Juni. Mitglieder der Partei traten sowohl auf eigenen Listen als auch gemeinsam mit anderen Personen auf der Liste der "Freien RECHTSEXTREMISMUS Wählervereinigung Burgenland" (FW) sowie der "Deutschen Sozialen Union" (DSU) an. Die REP stellten in vier Kommunen insgesamt 13 Bewerber14. Unter den 24 Bewerbern auf der Liste der FW für die Kreistagswahlen im Burgenlandkreis befanden sich fünf Kandidaten der Republikaner. Auf der DSU-Liste in Dessau kandidierte ein REP-Mitglied für ein Stadtratsmandat. Im Ergebnis der Wahlen gelang es lediglich, ein Gemeinderatsmandat in Frose (Landkreis Aschersleben-Staßfurt) und ein Stadtratsmandat in Haldensleben (Ohrekreis) zu erringen. Während des Wahlkampfes zum Europäischen Parlament traten die REP mit Slogans wie "Ja zu Europa, Nein zu dieser EU!", "Politik für Deutsche!" und "Weg mit der Brüsseler Korruption!" an und wandten sich mit Plakatwerbungen, Postwurfsendungen sowie mit einigen Informationsständen und Saalveranstaltungen gegen die angeblich "einseitige Ausplünderung" des "Hauptnettozahlers Deutschland". Im Ergebnis des Wahlkampfes konnte die Partei auf Bundesebene lediglich 461.088 Stimmen (entspricht 1,7 Prozent der Gesamtstimmen) auf sich vereinen. In Sachsen-Anhalt entfielen 1,3 Prozent der gültigen Stimmen auf die REP; dies entspricht einem Minus von 1,5 Prozentpunkten gegenüber der Wahl vor fünf Jahren. Die fehlende Konkurrenz durch die nicht angetretene DVU hatte nur geringe Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Das Abschneiden der Partei bei den zurückliegenden Wahlen wurde intern als Katastrophe bezeichnet. Der Bundesvorsitzende Dr. SCHLIERER übernahm die volle Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis. Dieses verdeutlicht einmal mehr, dass es der Partei weder auf Bundesnoch auf Landesebene gelungen ist, die anhaltende Stagnation zu überwinden. Auch die seit Jahren rückläufigen Mit14 Drei Kandidaten traten im Landkreis Ohrekreis, einer im Landkreis Aschersleben-Staßfurt, acht im Landkreis Anhalt-Zerbst sowie einer in Magdeburg an. 29 RECHTSEXTREMISMUS gliederzahlen bestätigen deutlich den Abwärtstrend der Partei, der 1999 nur noch rund 14.000 Personen angehörten. Um diese seit Jahren anhaltende Entwicklung zu stoppen, soll im Februar 2000 eine "Strategiekonferenz" durchgeführt werden, zu der der Bundesvorstand, die Landesvorstände sowie der Bundesvorstand der "Republikanischen Jugend" eingeladen sind. "...Ziel dieser Strategiekonferenz soll neben einer eingehenden Analyse der Wahlergebnisse der letzten Jahre und der Lage der Partei die Erörterung notwendiger Konsequenzen für die Zukunft sein. Hierzu zählen nicht nur organisatorische und wahlkampftaktische Fragen, sondern auch die inhaltlichen Schwerpunkte und die Möglichkeiten einer Imageverbesserung. ... Natürlich wird es auch darum gehen müssen, die Kräfte in der Zukunft zu bündeln." 15 In diesem Zusammenhang trafen sich im Oktober und Dezember "...die Vorsitzenden verschiedener rechtskonservativer und nationalliberaler Parteien zu Gesprächen über eine intensivere Zusammenarbeit." 16 An der Veranstaltung nahmen neben den REP auch Vertreter des "Bundes Freier Bürger" (BFB), der DSU, der "Freien Bürger Union" (FBU) und der "Deutsche Partei" (DP) teil. Daneben gab es auch sporadische Kontakte der REP zu Rechtsextremisten, insbesondere mit der DVU, um Wahlabsprachen zu treffen. Anfang September führte der REP-Landesverband Hamburg entgegen der Weisung des Bundesvorstandes eine Veranstaltung mit dem ehemaligen REP-Generalsekretär, späteren Bundesvorsitzenden der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) und derzeitigen Mitherausgeber der Zeitschrift "Nation und Europa" Harald NEUBAUER durch. Ebenfalls im September wurde in Neustadt-Glewe (MecklenburgVorpommern) auf Einladung des "Nation Europa-Freunde e. V." eine Veranstaltung im Rahmen der "Deutschlandbewegung" durchgeführt. Als Redner traten neben NEUBAUER auch Mitglie15 "Der Republikaner" 10-12/99. 16 Ebenda. RECHTSEXTREMISMUS der des hessischen REP-Landesverbandes sowie des Landesverbandes Hamburg auf. Bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg im Oktober in Karlsruhe traten vier Mitglieder der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) auf der Liste der REP an. Der Vorsitzende des REP-Kreisverbandes Bergstraße Hans-Peter FISCHER fordert unter der Überschrift "Schlierers Kurs ist profillos" den Rücktritt des REP-Bundesvorstandes. Seiner Meinung nach ist "Eine Zusammenarbeit auch mit der NPD ... nicht nur sinnvoll, sondern überlebenswichtig für alle nationalen und demokratischen Kräfte aus dem sogenannten ,rechten Lager'".17 Mit dem allgemeinen Abwärtstrend der Partei gestaltete sich auch deren finanzielle Situation zusehends schwieriger. Aufgrund des Wegfalls von Geldern aus der Parteienfinanzierung gingen den REP Beträge in Millionenhöhe verloren. Als eine Sparmaßnahme erschienen im Berichtsjahr nur noch vier statt wie bisher üblich zwölf Ausgaben der Parteizeitung "Der neue Republikaner". "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die NPD feierte am 27. November unter dem Motto "Alles Große steht im Sturm" in München ihr 35-jähriges Bestehen. Anlässlich der Veranstaltung erklärte der NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT (Brandenburg), dass die von vielen Patrioten geforderte "Vereinigte Rechte" bereits in Form der NPD existiere. VOIGT begreift die Partei als Sammlungsbewegung, die sich nicht mit kurzfristigen Wahlerfolgen begnügen werde, sondern eine tiefgreifende Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland anstrebe. Die NPD wurde am 28. November 1964 nach dem Verfall der "Deutschen Reichspartei" als neue Sammlungs-Bewegung ge17 "Deutsche Stimme" 11/99, Seite 10. 31 RECHTSEXTREMISMUS gründet. In den 60er-Jahren hatte sie deutlich über 25.000 Mitglieder und war in einer Reihe von Länderparlamenten vertreten. Bei der Bundestagswahl 1969 verfehlte sie mit 4,3 Prozent der Stimmen nur knapp den Einzug ins Parlament. Nach ihrem Niedergang in den 70erund 80er-Jahren hat die Partei gegenwärtig und unverändert gegenüber dem Vorjahr 6.000 Mitglieder. Die Aufwärtsentwicklung der Mitgliederzahl unter VOIGTs Parteiführung seit 1996 wurde durch die Öffnung gegenüber Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads erreicht. Mit öffentlichkeitswirksamen regionalen und überregionalen Veranstaltungen gelang es der NPD in den letzten Jahren, das Bild einer handlungsfähigen Organisation zu vermitteln, was insbesondere auf junge Rechtsextremisten attraktiv wirkte. Durch die aufgenommenen Neonazis und Skinheads hat sich sowohl das äußere Erscheinungsbild der NPD (vor allem bei Demonstrationen) als auch die politisch-ideologische Ausrichtung geändert. Die von diesen Personengruppen in die NPD hineingetragenen neonazistischen und nationalrevolutionären Gedankenelemente sind mittlerweile integraler Bestandteil eines inzwischen breit angelegten ideologischen Spektrums, das von traditionellen Nationaldemokraten ü- ber Neonazis bis zu Sozialisten reicht. Getragen von dieser Öffnung der NPD konnte der NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt unter der Führung des Landesvorsitzenden Steffen HUPKA gegenüber 1998 die Anzahl seiner Mitglieder nochmals erhöhen. Mit etwa 200 Personen (1998: zirka 100) liegt der hiesige Landesverband jedoch deutlich unter dem Niveau anderer NPD-Landesverbände. Die bisher wenig ausgeprägten Organisationsstrukturen konnten im Berichtsjahr weiter gefestigt werden. Neben dem bereits existierenden NPD-Kreisverband "Burgenland" gründeten sich zwei weitere Kreisverbände in Sangerhausen und Merseburg-Querfurt. Ende 1999 kam es zu heftigem Streit zwischen HUPKA und dem Kreisverband "Burgenland", der in der Verhängung des "organisatorischen Notstandes" über den Landesverband Sachsen-Anhalt und der zeitweiligen Absetzung HUPKAs durch den Bundesvor- RECHTSEXTREMISMUS stand gipfelte. Dem vorausgegangen war die eigenmächtige Absetzung des NPD-Kreisvorstandes "Burgenland" sowie zweier Landesvorstandsmitglieder durch HUPKA. Mit einer Intensivierung des so genannten "Drei-Säulen-Konzepts"18, versuchte die NPD, ihre öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten zu verstärken. Im Jahr 1999 wurden bundesweit über 50 Veranstaltungen registriert. Zur Mobilisierung ihrer Mitglieder und Sympathisanten nutzt die Partei verstärkt moderne Kommunikationstechniken wie Internet, Infotelefone oder Mobiltelefone. Auch der Landesverband Sachsen-Anhalt betreibt seit geraumer Zeit eine eigene Homepage im Internet. HUPKA, der die deutschen Medien als "gleichgeschaltet" erachtet, begründet die von ihm betriebene Einrichtung der Homepage mit der zunehmenden Bedeutung des Mediums Internet und der damit verbundenen Möglichkeit, die Absichten der NPD "unzensiert" an interessierte Personen weiterzugeben und eine politische Diskussion in Gang zu setzen. Die bündnisorientierte Politik der Partei zeigte sich unter anderem bei den im Februar und April in Magdeburg abgehaltenen Kundgebungen und Demonstrationen. Am 27. Februar führte der NPD-Landesverband auf dem Domplatz in Magdeburg eine Veranstaltung unter dem Motto "Kein Doppelpass - Keine Integration - Keine Multikultur in Deutschland!" durch, an der rund 1.000 Personen, zum großen Teil Neonazis und rechtsextremistische Skinheads, teilnahmen. Neben der NPD/JN traten als Unterstützer und Teilnehmer unter anderem NPD-beeinflusste Kameradschaften aus Sachsen-Anhalt, "Freie Nationalisten" aus Norddeutschland, Neonazis aus Sachsen und Berlin sowie Skinheads verschiedener Gruppen auf. Am 17. April veranstaltete in Magdeburg der hiesige NPDLandesverband die zweite Großdemonstration unter dem Motto "Kein deutsches Blut für fremde Interessen - USA und NATO raus 18 Hierunter versteht die NPD den "Kampf um die Köpfe", den "Kampf um die Straße" und den "Kampf um die Parlamente". 33 RECHTSEXTREMISMUS aus Europa!". An der Veranstaltung nahmen etwa 650 Personen teil. Neben NPD/JN-Mitgliedern konnten wiederum viele Neonazis, rechtsextremistische Skinheads und Angehörige rechtsextremistischer Kameradschaften festgestellt werden. Des Weiteren rief der NPD-Landesverband im Berichtszeitraum zu "Aktionswochen" unter anderem in Magdeburg, Salzwedel, Halle, Blankenburg, Schönebeck, Sangerhausen, Dessau, Köthen und Zeitz auf, bei denen Flugblätter verteilt, Plakate geklebt und Infostände betrieben werden sollten. Ziel dieser öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten war, den Bekanntheitsgrad der Partei zu erhöhen und weitere Mitglieder zu gewinnen. Die Priorität der Gewinnung neuer Mitglieder wurde bereits von VOIGT in seinem Grußwort anlässlich des am 28. März in Helbra (Landkreis Mansfelder Land) durchgeführten NPD-Landesparteitages herausgestellt. HUPKA, der auf dem Parteitag in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt wurde, unterstrich seine positive Einstellung zur Zusammenarbeit zwischen dem NPDLandesverband, den "Freien Nationalisten" und den rechtsextremistisch ausgerichteten "Kameradschaften" in Sachsen-Anhalt. Der Landesparteitag wurde von etwa zehn Angehörigen der Gruppe "SelbstSchutz Sachsen-Anhalt" abgesichert. Ihrem Konzept entsprechend beteiligte sich die Partei im Berichtsjahr an fast allen Wahlen, konnte jedoch lediglich bei den Kommunalwahlen einzelne Erfolge erzielen. Letztere stellen aus Sicht der NPD allerdings eine wichtige Grundlage für die politische Basisarbeit dar. So erklärte VOIGT auf dem Bundesparteitag am 23./24. Februar in Mulda (Sachsen), dass das "nationale Fundament" in den Kommunen aufgebaut werden müsse. In der Gemeinde müsse man die Vertreter deutscher Bürgerinteressen persönlich kennen, nur dann könne man sich in den deutschen Parlamenten verankern. In Sachsen-Anhalt trat die NPD ausschließlich bei Gemeinderatswahlen an. Dabei konnte sie in Sangerhausen mit Steffen HARTMANN und in Tangerhütte (Landkreis Stendal) mit Heiko RECHTSEXTREMISMUS KRAUSE je einen Sitz im Stadtrat erringen. In Merseburg, Bad Kösen und Billroda (beide Burgenlandkreis) verfehlten die Kandidaten den Einzug in die Kommunalparlamente. Seit geraumer Zeit kommt HUPKA seiner Funktion als NPDSchulungsleiter verstärkt nach, um das "Kaderprinzip" in der NPD weiter voranzutreiben. Er definiert seine Aufgabe diesbezüglich wie folgt: "In diesem und im nächsten Jahr muß es uns gelingen, die Mitglieder und Funktionsträger unserer Partei zu einer weltanschaulich gefestigten und politisch einheitlich ausgerichteten Kampfgemeinschaft zusammenzuschweißen. Aber auch Strategie und Taktik werden in Zukunft wichtiges Thema der Schulungen sein und die Arbeit der Verbände bestimmen". Die im Jahr 1969 als Nachwuchsorganisation der NPD gegründeten JN bleiben in Sachsen-Anhalt weiter unbedeutend. Sie verfügt hier bisher über keine eigenen Organisationsstrukturen, sondern lediglich über wenige Einzelmitglieder und so genannte "Anwärter". Der bisherige "JN-Landesbeauftragte" Steffen HUPKA19 trat von dieser Funktion zurück. Auf Bundesebene führten Querelen zwischen dem JN-Bundesvorsitzenden Sascha ROßMÜLLER und dem ehemaligen JN-Landesvorsitzenden Nordrhein-Westfalens Achim EZER zum Bruch innerhalb der JN und zur Neugründung des "Bildungswerkes Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) durch EZER. Das BDVG versteht sich als Sammelbecken für unzufriedene JN-Mitglieder und fordert in seinem Grundsatzprogramm ein "freies, einiges und selbstbestimmtes Deutschland in einem Europa der Nationen", die "Rückkehr zum Staatsbürgerschaftsrecht nach dem Prinzip der Abstammung", die Wiedereingliederung der "völkerrechtswidrig abgetrennten deutschen Gebiete" sowie die "stufenweise Rück19 Nach einem am 11. März 2000 durchgeführten Landesparteitag der NPD Sachsen-Anhalt und einem eine Woche später abgehaltenen NPD-Bundesparteitag verfügt HUPKA nunmehr weder über Funktionen auf Landesnoch auf Bundesebene. 35 RECHTSEXTREMISMUS führung der Fremdarbeiter" in ihre Herkunftsländer. Zentrales Anliegen sei die "Auflösung dieser entwurzelten Gesellschaft und die Wiederherstellung einer wahren Volksgemeinschaft". In Sachsen-Anhalt existieren bisher keine Organisationsstrukturen des BDVG. "Vereinigte Rechte" (VR) Die Kleinpartei "Vereinigte Rechte" (VR) wurde am 11. Oktober 1997 in Herrieden (Bayern) von 35 Personen gegründet. Seit 1998 ist der Theologe Mario MEURER (Baden-Württemberg) Bundesvorsitzender. Die rechtsextremistische Partei verfügt nur über wenige Landesverbände und hat bundesweit etwa 200 Mitglieder. Darüber hinaus existieren einige Kreisverbände und Kreisbeauftragte. Die Funktionsträger der VR sind zu einem erheblichen Teil ehemalige Funktionäre oder einfache Mitglieder von REP, NPD, "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) sowie der verbotenen neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Die VR strebt die Zusammenführung der "deutschen Rechtsparteien zu einer einzigen und starken patriotischen Partei" an, "die als nationale Opposition dafür sorgt, dass im deutschen Bundestag und in den Länderparlamenten in erster Linie Politik für die Deutschen und für deutsche Interessen gemacht wird." 20 Das Programm der VR enthält nationalistische, völkisch-kollektivistische sowie revisionistische Zielsetzungen. Es fordert unter anderem eine äußerst repressive Ausländerund Asylpolitik sowie die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937. Im Berichtszeitraum bemühte sich die VR, Strukturen in SachsenAnhalt aufzubauen. REP und DVU werden aufgrund einer als enttäuschend bezeichneten politischen Arbeit als nicht zukunftsweisend angesehen. 20 Kurzprogramm der "Vereinigten Rechten" (VR). RECHTSEXTREMISMUS Die VR verfügt in Sachsen-Anhalt über keine Parteigliederungen. Bisher sind lediglich zwei Personen aus Sachsen-Anhalt, darunter der ehemalige DVU-Abgeordnete Torsten MIKSCH, als Angehörige der VR bekannt geworden; möglicherweise soll ein Landesverband aufgebaut werden. Ein ehemaliges DVU-Mitglied ist als Kreisbeauftragter der VR für den Landkreis Aschersleben-Staßfurt in Erscheinung getreten. In einem im Internet veröffentlichten "Offenen Brief an alle Patrioten" kritisiert dieser die internen Machtkämpfe der rechtsextremistischen Parteien: "Statt das deutsche Patriotentum zu bündeln um Wählerpotential zu erreichen, wird intrigenhaft gegen gemeinsame rechte Plattform mobil gemacht. Das spüren vor allem die Wähler und Parteimitglieder mehr als wir zu glauben vermögen. Als ehemaliges DVUund Kreisvorstandsmitglied ist mir wohl bekannt, wie Aktivität und Gemeinschaftswille belohnt werden. Statt Zusammenschluß, wird Abwerbung und Verleumdung betrieben. Eigene Mitglieder werden ohne Wenn und Aber nur auf die eigene Partei eingeschworen und dabei wird die gemeinsame rechte Basis für den Erfolg verhindert." (Schreibweise wie im Original) Gleichwohl verfolgt die VR nach wie vor das politische Ziel, über eine Art Bündnisund Sammlungspolitik das zersplitterte rechtsextremistische Lager in einer Dachorganisation mit der Bezeichnung "Vereinigte Rechte für Deutschland" zusammenzuführen. "Gesellschaft für Freie Publizistik" (GFP) Die GFP wurde 1960 gegründet und ist mit etwa 450 Mitgliedern die bundesweit größte rechtsextremistische "Kulturvereinigung". Die Organisation, der vor allem Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler angehören, gibt vor, sich für die "Freiheit 37 RECHTSEXTREMISMUS und Wahrheit" einzusetzen und "einseitige Verzerrungen des NSRegimes" richtigzustellen. Mitglieder der Organisation beteiligen sich des Öfteren an Vortragsveranstaltungen rechtsextremistischer Parteien und Organisationen und unterhalten Kontakte zur NPD, DLVH sowie zur "Nation Europa-Verlag GmbH". Die GFP, die die Publikation "Das Freie Forum" herausgibt, kritisiert den Konkurrenzkampf der rechtsextremistischen Parteien untereinander. Deshalb ist sie bemüht, neue Impulse für ein gemeinsames Vorgehen zu geben. So ließ sie auf ihrem alljährlichen Kongress (Diesjähriges Motto: "Deutschland und Europa - Erneuerung statt Völkermord"), der 1999 in Wernigerode stattfand, mehrere Rechtsextremisten unterschiedlicher Ausrichtung zu Wort kommen. An der Veranstaltung nahmen etwa 200 bis 300 Personen teil. ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN Rudolf-HESS-Kampagne 1999 Bereits der Verlauf der "HESS-Gedenkveranstaltungen" im Jahr 1998 hatte verdeutlicht, dass Rudolf HESS als Symbolfigur der rechtsextremistischen Szene an Bedeutung verliert. So gab es auch in diesem Jahr nur in relativ geringem Umfang und zudem verspätet einsetzende Mobilisierungen zu den verschiedenen Aktionen mit HESS-Bezug. Nach den Misserfolgen der letzten Jahre hatte die Szene einen Strategiewechsel "Weg von zentralen Großveranstaltungen, hin zu dezentralen Aktionen" vollzogen. Entsprechend sind die Aktivitäten nicht wie in den Vorjahren von einem überregionalen "Aktionskomitee" geplant und koordiniert worden. Stattdessen riefen "nationale Infotelefone" zu dezentralen und spontanen Aktionen auf. Letztlich wurden lediglich regionale Kundgebungen mit relativ schwacher Beteiligung beobachtet. Das Konzept, durch dezentrale Organisation die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden zu unterlaufen, ist somit ebenfalls als gescheitert anzusehen. RECHTSEXTREMISMUS In Sachsen-Anhalt fanden zwei spontane HESS-Aufzüge statt. Kurz vor Mitternacht des 13. August führten 40 vermummte Personen in Oebisfelde (Ohrekreis) einen Fackelmarsch durch, bei dem mehrfach Parolen wie "Hess - das war Mord" skandiert wurden. Zu einem zweiten Aufzug, an dem sich zwölf Personen beteiligten, kam es am späten Abend des 17. August in Groß Schwarzlosen (Landkreis Stendal). Der Marsch, dessen Teilnehmer Trommeln, Fackeln und ein Transparent mit der Aufschrift "Rudolf Heß, Märtyrer für Deutschland" mitführten, dauerte aufgrund des Eingreifens von Polizeikräften nur sieben Minuten. Überdies wurden landesweit HESS-Plakatierungen, Verteilaktionen von Propagandamaterial, Anbringungen von Transparenten sowie Schmierereien mit HESS-Bezug festgestellt. Aktionen anlässlich des Volkstrauertages Anlässlich des Volkstrauertages21 am 14. November führten Rechtsextremisten mehrere Veranstaltungen durch. So legten 40 Personen, unter ihnen Angehörige der Kameradschaft Wernigerode, Kränze auf dem Soldatenfriedhof "Oderbrück" im niedersächsischen Teil des Harzes nieder. Darüber hinaus wurden Kranzniederlegungen in Salzwedel und Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) sowie in Gommern (Landkreis Jerichower Land) bekannt. An letzterer beteiligten sich insgesamt 100 Personen aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. In der Ortslage Salzelmen (Landkreis Schönebeck) sowie in Magdeburg wurden Flugblätter eines "Kameradschaftsbundes Sachsen-Anhalt" mit der Überschrift "Heldengedenken" festgestellt. 21 Der Volkstrauertag wird von Rechtsextremisten in der Diktion des Dritten Reiches als "Heldengedenktag" bezeichnet und vorwiegend genutzt, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und bei dieser Gelegenheit politische Inhalte zu verbreiten. Hierbei werden entweder eigene Veranstaltungen durchgeführt oder es wird an offiziellen Gedenkfeiern teilgenommen. 39 RECHTSEXTREMISMUS Sonnenwendfeiern22 Die diesjährigen Wintersonnenwendfeiern von Rechtsextremisten wurden am 18. Dezember durchgeführt. Sie fanden in Halle, bei Wernigerode sowie bei Blankenburg (Landkreis Wernigerode) statt. Etwa 90 Personen aus Halle, Weißenfels, Eisleben, Leipzig und Wurzen (beide Sachsen) sowie von der "Weißen Bruderschaft" aus Merseburg entfachten am Ufer des Steinbruchsees in Halle/Neustadt ein Lagerfeuer und hielten dort ihre "Feierlichkeiten" ab. In der Nähe von Ilsenburg (Landkreis Wernigerode) versammelten sich zirka 50 Personen aus dem Raum Wernigerode und aus Niedersachsen, um ihre Sonnenwendfeier durchzuführen. Unter Federführung von Matthias HEISE organisierte der "Kulturkreis Magdeburg" in Blankenburg eine weitere Feier. Zu den 90 Teilnehmern gehörte unter anderem Steffen HUPKA. ANTI-ANTIFA Im Berichtsjahr nahmen die "ANTI-ANTIFA"-Aktivitäten in der Neonaziszene wieder zu. Bislang wurden zwar keine Gewalttaten gegen Ziele registriert, auf die in einschlägigen "ANTI-ANTIFA"Veröffentlichungen hingewiesen worden war. Dennoch besteht die Gefahr, dass derartige Bekanntmachungen Einzelne oder Gruppen zu Angriffen gegen die konkret genannten Personen, Einrichtungen oder Institutionen animieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich in Teilen der deutschen neonazistischen Szene zustimmende Äußerungen zur Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele mehren. Im Berichtszeitraum wurden bundesweit mehrfach, vorzugsweise im Internet verbreitete, so genannte "Schwarze Listen" festge22 Die Bräuche der Sonnenwende gehören zum ältesten überlieferten Brauchtum. Sie sind verbunden mit dem Abbrennen eines "Lagerfeuers" sowie dem Aufsagen von Feuersprüchen. Aktuell wurden auch Bücher (darunter Verfassungsschutzberichte) und Fahnen verbrannt. RECHTSEXTREMISMUS stellt, die aus Sicht der rechtsextremistischen Szene "missliebige" Personen und Organisationen ("Gegner", "Volksfeinde"), teilweise mit Fotos, Adressen und weiteren personenoder objektbezogenen Daten enthalten. Eine der bekanntgewordenen Internet-Homepages solchen Inhalts bot sogar die Möglichkeit, eigene "Vorschläge" für die Komplettierung der vorgestellten "Schwarzen Liste" zu übermitteln. Nachdem bereits in der Vergangenheit ANTI-ANTIFA-Aktivitäten im Raum Naumburg bekannt geworden waren23, bestätigte eine im Oktober 1999 in Berlin durchgeführte Durchsuchungsmaßnahme, dass Rechtsextremisten aus dem Raum Naumburg erneut Informationen über "politische Gegner" sammelten und diese ü- ber Mailboxverbund mit anderen Rechtsextremisten austauschten. Verstärkte ANTI-ANTIFA-Aktivitäten sind auch im Ausland zu verzeichnen. So enthielt eine Ausgabe der Publikation "NS-Kampfruf"24 (Nr. 123) einen Aufruf, alle Informationen zur "ANTIANTIFA-Arbeit" an eine holländische Adresse zu senden. In diesem Zusammenhang sind erstmals seit 1997 auch wieder Postfachadressen der ANTI-ANTIFA in Deutschland abgedruckt. Zudem forderte der als "Kampfruf"-Herausgeber fungierende amerikanische Rechtsextremist Gary Rex LAUCK25 (NSDAP/AO, USA) die Leser in der Ausgabe Nr. 129 zur Abgabe von Informationen zu Staatsanwälten, Richtern, Beamten und Privatpersonen auf, die sich an "Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Untaten gegen die nationale Opposition" beteiligt hätten. Deren Tun solle dokumentiert und die Tatverdächtigen namentlich identifiziert werden. Durch verstärkten Einsatz moderner Datenträger und die Präsenz im Internet dürfte LAUCK seine "ANTI-ANTIFA"-Aktivitäten weiter intensivieren. 23 Siehe auch Verfassungsschutzbericht 1997, Seite 42 f. 24 Publikation der NSDAP/AO, Herausgeber hat nach seiner Haftentlassung am 23. März an den früheren zweimonatlichen Erscheinungsrhythmus der Publikation angeknüpft. 25 LAUCK wurde am 19. März nach insgesamt vierjähriger Haft aus dem Gefängnis in HamburgFuhlsbüttel entlassen und in die USA abgeschoben. Seither erscheint seine Publikation "NSKampfruf" wieder in zweimonatlichem Rhythmus. 41 RECHTSEXTREMISMUS NUTZUNG NEUER MEDIEN DURCH RECHTSEXTREMISTEN Der Trend zur stetig wachsenden Nutzung neuer Medien durch Rechtsextremisten hielt auch im Berichtszeitraum an. Mobiltelefone, über die die Informationsübermittlung zumeist abgewickelt wird, sind zu einem wichtigen Kommunikationsmittel vieler Rechtsextremisten geworden. Über Mobilfunk werden beispielsweise Veranstaltungen konspirativ geplant, bekanntund weitergegeben. Relativ neu ist die Verwendung des "Short Message System" (SMS). Tauschten bislang lediglich Rechtsextremisten untereinander persönliche oder szenebezogene Mitteilungen aus, werden inzwischen zum Beispiel Ausländern, die Mobiltelefone besitzen, volksverhetzende Nachrichten zugesandt: "Deutschland erwache, Adolf fordert Rache. Tod den Asylanten, die uns überrannten. Schwarz, weiss, rot - bis in den Tod. Kommt Deutsche besteigt das Boot." Die Versendung kann sowohl von Funktelefonen, als auch über das Internet erfolgen. In letzterem Fall ist der Absender nicht mehr identifizierbar. Besondere Bedeutung kommt auch den seit langem bekannten organisationsunabhängigen, rechtsextremistischen Info-Telefonen zu. Über ihr Anrufbeantworter-Ansagesystem kann jedermann rund um die Uhr Veranstaltungshinweise und andere Informationen abrufen, ohne dazu eine spezielle technische Ausrüstung zu besitzen. RECHTSEXTREMISMUS Das Kommunikationsmedium Internet nimmt hinsichtlich der informellen Vernetzung mehr und mehr eine Schlüsselposition ein. Durch die Nutzung ausländischer Provider und die Verwendung von Pseudonymen fühlen sich die Betreiber von extremistischen Homepages vor der Strafverfolgung durch deutsche Behörden sicher und äußern sich dort dementsprechend aggressiv und mit zunehmender Schärfe. So wurden Rechtsextremisten auf Homepages ermuntert, so genannten "Farbball-Vereinen" beizutreten, um eine paramilitärische Ausbildung zu erhalten. In diesen Vereinen wird mit Druckwaffen geübt, die Farbbeutel anstatt Kugeln verschießen. Ausländer in den Vereinen sollten dem Aufruf zufolge zum "Training am lebenden Objekt" genutzt werden. Die zunehmende Bedeutung des Internet drückt sich am deutlichsten in der steigenden Anzahl der Homepages aus, die von Rechtsextremisten aller Schattierungen betrieben werden. Neben rechtsextremistischer, antisemitischer und volksverhetzender Propaganda und Angeboten von Versandfirmen für Szenematerial wurden in jüngster Zeit auch politische Gegner mit Namen und Anschrift auf so genannten "Schwarzen Listen" publik gemacht, um sie als Zielscheibe für Anschläge aller Art darzustellen. Darüber hinaus werden umfangreiche Bauanleitungen für die Herstellung und Nutzung von Sprengstoffen angeboten sowie der Aufbau und die Wirkung verschiedener Sprengsätze demonstriert. Durch die Nutzung des Internet wird zwar ein hoher Grad an Außenwirkung erreicht, die eigentlichen Foren für politischideologische Hintergrundarbeit werden jedoch durch zu Computernetzwerken zusammengeschlossene "Mailboxen" gebildet. Diese sind der Öffentlichkeit weitgehend unzugänglich, da wichtige oder strafrechtlich relevante Kommunikation zumeist verschlüsselt durchgeführt wird und sich der beschränkte Teilnehmerkreis aus speziell überprüften, oftmals nur persönlich bekannten Personen zusammensetzt. Somit ist auch ein Nachweis strafrechtlicher Relevanz schwer führbar. LINKSEXTREMISMUS III. LINKSEXTREMISMUS Die in der Bundesrepublik Deutschland bedeutsamen linksextremistischen Organisationen und Gruppierungen orientieren sich entsprechend ihrer jeweiligen ideologischen Ausrichtung an der marxistisch-leninistischen Weltanschauung oder an anarchistischen Theorien, die eine klassenoder herrschaftslose Gesellschaftsordnung propagieren. Die linksextremistischen Bestrebungen und Tätigkeiten lassen sich einteilen in - gewaltbereite Autonome/anarchistische Bestrebungen, - marxistisch-leninistische Bestrebungen von Parteien und Vereinigungen sowie - linksextremistischen Terrorismus. AUTONOME Allgemeine Entwicklung Die zahlreichen Gruppen der Autonomenszene in der Bundesrepublik Deutschland charakterisierten sich durch mehrere Gemeinsamkeiten: Sie wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung zerstören und lehnen vehement den von ihnen als dogmatisch und bürokratisch dargestellten Marxismus-Leninismus ab. Sie treten für Spontaneität, Autonomie und Selbstorganisation der "Unterdrückten" ein und wollen vor allem an der "Basis", zum Beispiel in Wohngebieten, Betrieben und Hochschulen, arbeiten, um jeden Ansatz revolutionären Widerstandes zu nutzen. Ab 1980 entwickelte sich mit gewalttätigen Aktionen eine neue Form des Protests. Autonome Gruppen propagierten Hausbesetzungen zur Schaffung von "Freiräumen", die als eine "politische Basis im Kampf gegen den Staat" dienen sollten, und suchten die offene Auseinandersetzung mit dem "staatlichen Gewaltapparat". LINKSEXTREMISMUS Autonome agieren meist in losen örtlichen Zirkeln ohne hierarchische Strukturen. Da ihnen jegliche Form von Organisierung vom Grunde her suspekt ist, sind die meisten Versuche, durch verbindlichere Strukturen langfristig mehr bewirken zu können, bislang gescheitert. Zur Kontaktaufnahme und Kommunikation innerhalb der linksextremistischen Szene dienen unter anderem Publikationen, Trefforte ("Infoläden"), Mailboxverbünde und verstärkt das Internet. Szenepublikationen, die zum Teil konspirativ hergestellt und verbreitet werden, veröffentlichen regelmäßig Berichte über Aktionen, Aufrufe zu Demonstrationen, Diskussionspapiere, aber auch Selbstbezichtigungen, in Einzelfällen sogar Sabotageanleitungen oder Hinweise zur Herstellung von Bomben, Brandsätzen, Zeitzündern und dergleichen sowie andere für die aktuelle linksextremistische Diskussion und Praxis relevante Beiträge. Der Autonomenszene werden bundesweit mehr als 6.000 Personen zugerechnet; sie stellt nach wie vor den weitaus größten Anteil des gewaltbereiten linksextremistischen Potenzials. Gruppen existieren in fast allen größeren Städten. Zu den "Hochburgen" der Autonomenszene gehören Berlin, Hamburg sowie das RheinMain-Gebiet und kleinere Universitätsstädte wie Göttingen. Beherrschendes Thema autonomer Agitation und Aktion ist nach wie vor der "antifaschistische Kampf", also der "Kampf" gegen alles tatsächlich oder vermeintlich Rechtsextremistische, der sich oftmals auch gegen das als "faschistisch" diffamierte, gesellschaftliche System und seine Einrichtungen wendet, um letztlich den gesamten Staat und seine Existenz in Frage zu stellen. Diese antistaatliche Haltung wird durch das Aufgreifen aktueller und zum Teil allgemein umstrittener Themen wie "Sozialabbau", "Abschiebung von Ausländern", "NATO-Kampfeinsätze", "Kurdistanfrage" und "Atomtransporte" unterstrichen. Im Vordergrund stehen dabei jeweils die Suche nach der Vermittelbarkeit auto- LINKSEXTREMISMUS nomer Aktionsformen und letztlich die Schaffung von Rückhalt für militante Aktionen auch in der "normalen" Bevölkerung. Eine politisch agierende Autonomenszene entwickelte sich im Osten Deutschlands im Wesentlichen nach der Grenzöffnung 1989 und orientierte sich zunächst an Strukturen und Aktionsformen der Autonomen in den alten Bundesländern. In den Großstädten Sachsen-Anhalts artikulierten Autonome ihre politischen Ziele auf Demonstrationen oder anderen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen. Hinzu kamen im Laufe der Zeit immer häufiger tätliche Auseinandersetzungen mit der lokalen rechtsextremistischen Szene. Signifikante Unterschiede zwischen den Autonomen aus Ostund Westdeutschland bestehen inzwischen nicht mehr. Allenfalls ist festzustellen, dass in der Gesamtschau die ostdeutsche Autonomenszene in geringerem Maße zu Ideologieund Strategiedebatten neigt und stattdessen eher spontan und anlassbezogen mit zumeist lokalem Bezug agiert. Aktivitäten der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt Der Autonomenszene Sachsen-Anhalts, deren Betätigungsschwerpunkt eindeutig im Bereich "Antifaschismus" liegt, werden gegenwärtig rund 340 Personen zugerechnet. Ihre Schwerpunkte befinden sich in Magdeburg, Halle und Dessau. Darüber hinaus wurden entsprechende Aktivitäten vor allem in den Regionen Halberstadt/Quedlinburg, Gardelegen, Haldensleben, Bitterfeld, Merseburg und in der Altmark festgestellt. Die Tendenz zur zunehmenden Instabilität der Gruppenstrukturen setzte sich auch im Berichtszeitraum fort. Viele Autonome ziehen nach einigen Jahren "AntifaArbeit" aus persönlichen oder "politischen" Gründen in größere Städte wie Leipzig und Berlin. Zudem hat auch die Mobilisierungsfähigkeit der "Szene" nachgelassen. So scheiterten öffentlichkeitswirksame Aktionen oft an mangelnder Beteiligungsbereitschaft. Diese Aktionsmüdigkeit und die hohe personelle Fluktuation werden auch szeneintern als Ursachen für die Zerfallsprozesse in den LINKSEXTREMISMUS Autonomengruppen gewertet. Eine mögliche Lösung dieses Problems wird in der Zusammenarbeit mit Gruppen auch aus dem demokratischen Spektrum gesehen, die zudem die Partizipation an legitimem und friedlichem Protest mit eigenen, dann aber oft militanten Mitteln ermöglicht. Am 27. Februar fand in Magdeburg eine von der NPD/JN angemeldete Demonstration unter dem Motto "Kein Doppelpass - Keine Integration - Keine Multikultur in Deutschland!" statt. Gegen diese Veranstaltung wurde von mehreren demokratischen Gruppen eine Demonstration durchgeführt, an der sich auch Linksextremisten beteiligten. Im Vorfeld veröffentlichte der Magdeburger "Arbeitskreis Antifaschismus" unter seiner Internet-Adresse folgenden Aufruf: "Antifaschistische Aktion! Aus der Erfahrung zahlreicher ähnlicher Aufmärsche in den letzten zwei Jahren soll es bei den Gegenaktionen in Magdeburg drei Schwerpunkte geben: neben der Mitarbeit in einem bürgerlichen Bündnis und direkten Aktionen gegen anund abreisende Aufmarsch-Teilnehmer (bzw. gerade gegen die Magdeburger Nazis), soll durch eine nichtmilitante, aber entschlossene und eigenständige linksradikale Demonstration unseren politischen Forderungen Gehör verschafft werden... Nazi-Aufmärsche nicht ungestört lassen!... Den antifaschistischen Widerstand organisieren!" (Schreibweise wie im Original) Zum Teil sehen sich Autonome auch von "bürgerlichen Bündnissen" in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Gewaltfreiheit zur Bedingung von Bündnisaktivitäten erklärt wurde. So wurde innerhalb der überregionalen Autonomenszene zum Teil massive Kritik am Konzept einer friedlichen Bündnisdemonstration gegen eine NPD-Kundgebung am 17. April in Mag- LINKSEXTREMISMUS deburg geübt, weil durch diese Strategie ein gewaltsames Vorgehen "von vornherein eingeschränkt" werde. Im konkreten Fall sagten gewaltbereite Autonome aus anderen Regionen ihre Teilnahme an der Bündnisdemonstration ab. Die "AntifaschistInnen aus Magdeburg" stellten im Nachgang fest: "Im Antifa-Block liefen etwa 350 Leute mit - ein peinliches Ereignis, nachdem im Februar noch 900 Antifaschisten mit einer eigenständigen linksradikalen Demo gegen den NPD-Aufmarsch protestiert hatten. Was allerdings am 27. 02. noch punktuell gelang, nämlich Nazis bzw. ihre Autos anzugreifen, war am 17. 04. wegen der schwachen Beteiligung komplett unmöglich... Die Gründe für den Mißerfolg am 17. 04. liegen unter anderem in der Arbeitsbelastung der AntifaschistInnen vor Ort durch zwei Aufmärsche in kurzer Folge und gewiß auch in der überstürzten Versendung eines nicht abgestimmten miserablen Konzept-Papiers. Doch diese von uns selbst zu verantwortenden Schwächen in Vorbereitung können nicht darüber hinweg täuschen, daß im Umgang der Antifa-Szene mit Naziaufmärschen im Osten eine schleichende Normalisierung eingesetzt hat. Gerade aus nicht weit entfernten Städten Niedersachsens... ist niemand nach Magdeburg gekommen." Die Auswertung der Kundgebungen war ein Thema des "Offenen Antifaschistischen Plenums" (OAP) des Arbeitskreises "Viento contrario". Das OAP war im Berichtszeitraum der einzige feste Anlaufpunkt für Angehörige der linksextremistischen Autonomenszene in Magdeburg. Bei den regelmäßigen Treffen in einem Cafe der Fachhochschule Magdeburg wurden meist aktuelle Aktivitäten mit in der Regel "antifaschistischer" Ausrichtung besprochen. LINKSEXTREMISMUS Neben demonstrativen Aktionen gehören immer wieder auch gezielte Übergriffe auf Rechtsextremisten und ihr Eigentum zu den Aktionsformen der linksextremistischen Szene: * In Timmenrode (Landkreis Wernigerode) verübten bislang unbekannte Täter in den Nachtstunden des 30. April einen Brandanschlag auf das Anwesen des NPD-Landesvorsitzenden HUPKA. Im Vorfeld wurden in Quedlinburg Postwurfsendungen verteilt, die den Kauf von Immobilien durch den Rechtsextremisten HUPKA in Timmenrode thematisierten. Im Text, der mit dem Aufruf: "Den Nazis kein ruhiges Hinterland! Kein Nazizentrum in Timmenrode und anderswo!" endet, mutmaßen die Autoren, dass die Gebäude zum Zwecke der Schaffung eines "nationalen Wohnund Schulungsobjekts" dienen sollen. Unterzeichner des Textes ist die der Autonomenszene zuzurechnende "Antifa Halberstadt/Quedlinburg" (Antifa Ha/Qu). * In Kalbe/Milde (Landkreis Salzwedel) wurden am 13. Mai während eines Himmelfahrtsausfluges rechtsextremistische Jugendliche, die eine NPD-Fahne mit sich führten, von einer Personengruppe aus der linksextremistischen Szene tätlich angegriffen. Über ihre Aktivitäten mit Antifaschismus-Bezug hinaus beteiligten sich Autonome aus Sachsen-Anhalt an Protesten gegen Kampfeinsätze der NATO und gegen Atomtransporte. Schließlich beteiligten sich in der "Kurdistan-Solidarität-Magdeburg" aktive Szeneangehörige an einer bundesweiten Kampagne zur Aufhebung des Betätigungsverbotes der extremistischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Im Rahmen dieser Aktivitäten kam am 5. November während einer Kundgebung auf dem Magdeburger Bahnhofsvorplatz ein "Infobus" der "Informationsstelle Kurdistan e. V." (ISKU), einer Art Dachverband der KurdistanSolidaritätsgruppen, zum Einsatz. Wie die gesamte Busrundreise LINKSEXTREMISMUS durch mehrere deutsche Städte stand auch die Veranstaltung in Magdeburg unter dem Motto "Freiheit für Abdullah ÖCALAN - Für eine politische Lösung in Kurdistan". Linksextremistischer Einfluss auf die Anti-Atomkraftbewegung Über das Engagement in der zum überwiegenden Teil von demokratischen Gruppen und Initiativen getragenen Anti-AtomkraftBewegung versuchen Linksextremisten gezielt, den vorhandenen Protest gegen die Atomkraft in einen Protest gegen den gesamten Staat und das "kapitalistische" und "unterdrückende System" umzumünzen und breitere Kreise zum Aufgreifen ihrer Anliegen und Aktionsformen zu bewegen. Insofern bemühen sie sich auch in der Anti-AKW-Bewegung um neue politisch-konzeptionelle Impulse. Unter der Überschrift "Dem Staat die Krallen zeigen" veröffentlicht die Monatszeitung "anti atom aktuell"31 eine auf einer im Oktober stattgefundenen "Anti-AKW-Herbstkonferenz" verabschiedete Resolution. In ihr wird gefordert, dass sich der Protest und Widerstand gegen die menschenverachtende Atomtechnologie auch gegen die herrschende staatliche Ordnung richten solle. "Auch in Zukunft werden wir zu Protest und Widerstand gegen menschenverachtende Atomtechnologie aufrufen und uns an Aktionen gegen sie beteiligen! Wir lassen uns nicht kriminalisieren oder spalten und erklären, daß der Protest und Widerstand gegen diese Technologie legitim ist. Er sollte sich jedoch in letzter Konsequenz auch gegen die herrschende staatliche Ordnung richten. Nicht die Atomanlagen sind die Fehler, sondern das System, welches die Profitinteressen der Konzerne über die Lebensinteressen der Menschen stellt, welches Menschen nach ihrer Ver31 Nr. 106, November 1999. LINKSEXTREMISMUS wertbarkeit klassifiziert und selektiert, welches sexistische, rassistische und autoritäre Strukturen nutzt und fördert, - gegen ein solches System leisten wir Widerstand. Diejenigen, die die Macht ausüben öffentlich zu benennen und ineffektiv zu machen ist unser erklärtes Ziel." Am 13. Oktober stellte ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG bei Gardelegen (Landkreis Altmark) eine Hakenkralle im Fahrdraht der ICE-Strecke Hannover - Berlin fest. Bis zur Streckensperrung hatten mehrere Züge die Fundstelle passiert; Sachschaden entstand nicht. Eine Selbstbezichtigung liegt nicht vor. Da Hakenkrallenanschläge eine typische Aktionsform linksextremistischer AKW-Gegner sind, liegt ein entsprechender Tathintergrund nahe. Im autonomen Szeneblatt "INTERIM"32 war zu Anschlägen mit Hakenkrallen auf Strecken der Deutschen Bahn AG ermuntert worden. Linksextremistischer Widerstand gegen die "EXPO 2000" Mit dem Herannahen der Weltausstellung "EXPO 2000" in Hannover, die mit den Räumen Wolfen und Bitterfeld über so genannte "Korrespondenzregionen" in Sachsen-Anhalt verfügt, mehren sich auch die Aktivitäten militanter EXPO-Gegner, die vornehmlich aus der linksextremistischen Szene stammen. Diese rufen zu gewalttätigen Störmanövern im Vorfeld und während der Weltausstellung auf und sind bemüht, den Widerstand linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Gruppen gegen die Weltausstellung zu "vernetzen" und ihm "mit neuer Stoßrichtung" eine Perspektive über das Jahr 2000 hinaus zu geben. Mit den Parolen "Die Beherrschung verlieren! Die EXPO demaskieren!" kursierte in der linksextremistischen Szene im Frühjahr eine Flugschrift, in der erklärt wird, dass die EXPO den Anspruch erhebe, einen kompletten Zukunftsentwurf zu präsentieren, der 32 Nr. 482 vom 26. August 1999. LINKSEXTREMISMUS die verschiedenen Aspekte der herrschenden Politik in einen Zusammenhang setze. Dies mache sie zu einer "angreifbaren Bühne". Die Mobilisierung müsse breit und über die EXPO hinaus angelegt werden. Ziel sei eine kontinuierliche Zusammenarbeit von "Widerstandsstrukturen", nicht nur eine bloße Vernetzung und Aktionsabstimmung. Derzeit sind Kontaktadressen von bundesweit 52 "Anti-ExpoGruppen" bekannt. Für Magdeburg existiert ebenfalls eine solche Kontaktadresse. Übersicht über die Strafund Gewalttaten33 Linksextremisten verübten in Sachsen-Anhalt im Berichtszeitraum 140 Straftaten, davon 41 Gewalttaten und 99 sonstige Straftaten. Dies bedeutet einen Rückgang der Straftaten um 38 Prozent bei einem gleichzeitigen leichten Anstieg der Gewalttaten. Linksextremistische Straftaten 1998 1999 Straftaten insgesamt: 225 140 * Gewalttaten 3534 41 * sonstige Straftaten 19034 99 33 Die Zahlen ergeben sich aus der Statistik des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt. Änderungen zu den Vorjahren beruhen auf Aktualisierungen. 34 Die Zählung der Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung ist ab 1998 in Anpassung an die Zählweise der anderen Verfassungsschutzbehörden statistisch in den sonstigen Straftaten enthalten. LINKSEXTREMISMUS Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund 250 225 200 190 150 140 Gesetzesverletzungen gesamt, davon: 99 100 Gesetzesverletzungen ohne Gewaltanwendung 35 41 50 Gesetzesverletzungen mit Gewaltanwendung 0 1998 1999 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund 35 30 25 25 Tötung/vers.Tötung 20 18 Körperverletzung 15 13 12 Brandanschlag 10 Landfriedensbruch 5 Gefährliche Eingriffe 1 2 1 2 1 1 0 0 Raub 0 1998 1999 LINKSEXTREMISMUS Die Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund gliedern sich wie folgt: Gewalttaten 1998 1999 Deliktsarten: * versuchte Tötung 1 0 * Brandanschläge 2 1 * Landfriedensbruch 13 12 * Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, 1 1 Luft-, Schiffsund Straßenverkehr * Körperverletzungen 18 25 * Raub 0 2 * Summe 35 41 LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Die terroristischen Gruppen "Rote Armee Fraktion" (RAF) und die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) existieren nicht mehr. Gegen mutmaßliche Angehörige der "Revolutionären Zellen" (RZ/Rote Zora) wurden im Berichtsjahr mehrere Durchsuchungen durchgeführt und Haftbefehle erlassen. Die Reaktionen der sich für gewöhnlich solidarisierenden linksextremistischen Szene auf diese Exekutivmaßnahmen waren jedoch eher verhalten. In Sachsen-Anhalt gibt es keine Anhaltspunkte für linksterroristische Bestrebungen. LINKSEXTREMISMUS Auch nach dem Ende der Terrorgruppe "Rote-Armee-Fraktion" (RAF) wurden in der Bundesrepublik vereinzelt terroristische Gewaltakte angedroht. So ging am 19. Juli verschiedenen Sicherheitsbehörden der Länder ein vierseitiges Schreiben einer "Bewaffneten-Widerstand-Aktion" (BWA) zu. Darin drohen unbekannte Verfasser unter anderem "gezielte Anschläge auf politische und wirtschaftliche Führungskräfte" in Deutschland an: "Das Jahr 1999 wird der Beginn einer nicht kontrollierbaren, konspirativen Terrorwelle sein, welche sich vornehmlich gegen parteipolitisch herausragende 'Persönlichkeiten' der Angriffsliste richtet." Die Autoren agitieren gegen das "imperialistische, politische und gesellschaftliche System der Bundesrepublik Deutschland", das keine "Grundlage für eine allgemein sozial verträgliche Lebensperspektive" biete und fordern abschließend: "Nieder mit dem imperialistischen Staat. Tod dem Kapitalismus, für den Aufbau einer neuen Stadtguerilla." Die angekündigten Gewalttaten blieben im Berichtszeitraum aus. Eine Gruppierung mit der Bezeichnung "Bewaffnete-WiderstandAktion" trat ansonsten nicht in Erscheinung. Neben einer möglichen Bedrohung durch konkrete Gruppen bedeutet aber auch die Aufforderung zu politischen Gewalttaten, wie sie sich immer wieder in einschlägigen Publikationen findet, eine potenzielle Gefahr für die innere Sicherheit. So erschien Mitte Juni nach mehr als einjähriger Pause eine neue Ausgabe der bundesweiten Untergrundzeitschrift "radikal"35. Angekündigt wurde die Herausgabe durch ein Interview mit "radikal"Redakteuren im Berliner autonomen Szeneblatt "INTERIM" vom 3. Juni. In diesem Gespräch äußern die "radikal"-Autoren den Wunsch 35 Nr. 156 vom Juni 1999, siehe auch Abbildung auf Seite 66. LINKSEXTREMISMUS nach einer bundesweiten politisch-militanten Vernetzung. Im Vorwort der neuen "radikal" erklären sie schließlich, sie verstünden das Blatt als einen subversiven Raum, in dem Kommunikationsprozesse stattfänden und militante Strategien verhandelt und organisiert werden könnten. Mit der vorliegenden Ausgabe, die mit einem Aufruf zur Unterstützung und aktiven Mitarbeit an der "radikal" verbunden ist, verfolgen die Herausgeber offenbar das Ziel, ihre Publikation wieder als Forum für die Diskussion "linksradikaler" Themen außerhalb staatlicher Kontrollen in das Bewusstsein der Szene zu bringen. Die Autoren bringen ihre grundlegende Ablehnung des Gesellschaftssystems, ihr Bekenntnis zu Illegalität und Kriminalität offen zum Ausdruck. Jedoch fehlen Hinweise darauf, wie sie sich eine revolutionäre Fortentwicklung hin zu der von ihnen angestrebten herrschaftsfreien Gesellschaft vorstellen. Der Artikel "Militant ins nächste Jahrtausend! Anleitung für einen Brandsatz als militantes Mittel" umfasst eine mehrseitige Anleitung zum Bau eines Brandsatzes mit Zeitzünder und fordert indirekt zur Begehung entsprechender Anschläge auf. Einleitend heißt es: "In der militanten Geschichte des Widerstandes hat sich der Einsatz von Brandsätzen bewährt. ... Das Prinzip des Brandsatzes ist leicht zu verstehen. Deshalb kann er auch von vielen gebaut und angewendet werden. Zudem sollte der Einsatz des Brandsatzes wegen seines Gebrauchswertes wieder ins Bewußtsein vieler Militanter gebracht werden". LINKSEXTREMISMUS LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN Traditionell kommunistisch ausgerichtete Parteien und Organisationen sehen in den von Marx, Engels und Lenin entwickelten Ideologien noch heute die theoretische Basis und Zielvorgabe für den Aufbau einer "sozialistischen Gesellschaftsordnung" unter Führung einer kommunistischen Partei und für den "internationalen Klassenkampf des Proletariats" sowie die damit verbundenen revolutionären Veränderungen der Welt. Zu den Parteien, die sich dieser weltanschaulichen Maxime verschrieben haben, zählen die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), verschiedene Formen der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) und die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF). Die traditionell kommunistisch orientierten Parteien und Organisationen haben in Sachsen-Anhalt keinen nennenswerten politischen Einfluss. Eine Bündnispolitik linksextremistischer Parteien wird zwar häufig thematisiert, scheint aber aufgrund der Auseinandersetzungen mit eigenen Stukturproblemen derzeit nicht möglich. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Bereits auf dem 14. Parteitag im Mai 1998 sind die "Sozialismusvorstellungen der DKP" diskutiert worden. Die darin enthaltene angeblich zu negative Darstellung der DDR hatte unter DKP-Mitgliedern in den neuen Bundesländern zu Unmut geführt. Angesichts der seit mehreren Jahren schwelenden Auseinandersetzungen zwischen der Parteiführung der DKP und Mitgliedern in den neuen Bundesländern hat sich die Parteiführung nunmehr entschlossen, deutliche Zugeständnisse an die ehemaligen Mitglieder der SED in der DKP zu machen. Das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) verbreitete ein umfassendes "UZ-Magazin"36 mit dem Titel "Mit der DDR in die Zukunft". Darin finden sich überwiegend 36 Nr. 3/1999. LINKSEXTREMISMUS Referate einer Konferenz, die mit "Die DKP und der 50. Jahrestag der DDR" überschrieben war und vom 2. bis 3. Oktober in Berlin stattgefunden hat. Sämtliche Beiträge enthalten eine unkritische Verherrlichung der DDR. Im Oktober fand in Halle anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung der DDR eine als "Frühschoppen der DKP HalleMerseburg" angekündigte öffentliche Versammlung der DKP statt. An der Veranstaltung nahmen auch etliche ehemalige hohe SEDFunktionäre teil. In Sachsen-Anhalt existieren Parteistrukturen in der Altmark und im Raum Halle/Merseburg. Eine Person aus Sachsen-Anhalt ist im Parteivorstand der DKP vertreten. "Kommunistische Partei Deutschlands - Gruppe Möller" (KPD/M) In Magdeburg fand am 9. Januar eine KPD-Veranstaltung "80 Jahre KPD, 30 Jahre Neugründung" statt, an der zeitweise zirka 150 Personen teilnahmen, unter ihnen Gäste aus weiteren Städten des Bundesgebietes, der Türkei und Rußlands. Am Rande der Veranstaltung, die später in der KPD/M-Publikation "Roter Morgen"37 ausführliche Darstellung fand, wurden Publikationen des Verlages "Roter Morgen", der Zeitschrift "Revolutionärer Ausweg" und der "Internationalen Jugend" (IJ), der "Roten Hilfe" (RH) und der türkischen "Föderation der demokratischen Arbeitervereine e. V." (DIDF) angeboten. Obwohl in Magdeburg für diese Veranstaltung mit Plakaten geworben wurde, gab es kein nennenswertes öffentliches Interesse. Bei den anwesenden Personen handelte es sich größtenteils um geladene Gäste. Im Berichtszeitraum warb die KPD/M im Stadtgebiet von Magdeburg durch Plakatierungen und Postwurfsendungen. Zur Kontakt37 Nr. 1 vom 21.01.1999. LINKSEXTREMISMUS aufnahme wurden ein Postfach und eine Internet-Adresse angegeben. "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD-Ost) Die KPD-Ost verfügt gegenwärtig über Gliederungen in Zeitz (Burgenlandkreis) und im Raum Halle/Bernburg. Darüber hinaus nennt die parteieigene Publikation "Die Rote Fahne" eine "KPDRegionalorganisation Magdeburg". Während einer im Januar durchgeführten Landeskonferenz für Sachsen-Anhalt in Zeitz wählte die Partei eine neue Landesleitung und diskutierte einen überarbeiteten Programmentwurf. Darüber hinaus wurden Möglichkeiten zu Bündnissen mit anderen revolutionär-marxistischen Organisationen besprochen. Hierzu schrieb die KPD-Ost: "Alle waren sich einig, daß ein Zusammengehen mit allen progressiven Kräften eine Lebensnotwendigkeit ist. Mit Bedauern wurde wiederholt festgestellt, daß es nicht gelungen ist, seit der Wiedergründung unserer Partei dabei Fortschritte zu erreichen. Ausgehend von den Kontakten der Basis mit Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Plattform der PDS beschloß die Landesorganisation Sachsen-Anhalt, daß die in Zusammenarbeit erarbeitete Vereinbarung oder Absprache der gemeinsamen Aufgaben mit allen Kräften umgesetzt wird." 38 38 "Die Rote Fahne", Ausgabe März 1999, S.12. LINKSEXTREMISMUS Bei den Kommunalwahlen in Zeitz verfehlte der Kandidat der KPD-Ost mit 0,85 Prozent39 der Stimmen den Einzug ins Stadtparlament. Zuvor hatte die Partei Wahlwerbung durch Flugblätter und Infostände betrieben. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die orthodox-kommunistische MLPD war 1999 in Sachsen-Anhalt inaktiv. Als Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gab sie lediglich eine Magdeburger Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse an. Als wesentliche Aktivität der MLPD auf Bundesebene ist ihr im Dezember durchgeführter Parteitag anzusehen. Das MLPD-Zentralorgan "Rote Fahne"40 berichtete, der Parteitag habe ein neues Programm beschlossen, das überzeugende und motivierende Antworten auf alle wesentlichen gesellschaftlichen Fragen über das kapitalistische System gebe. In den letzten Jahren sei es gelungen, Parteiarbeit auf der Grundlage der proletarischen Denkweise "in einem für die Parteigeschichte beispiellosen Prozess der Selbstveränderung" durchzusetzen. Ziel sei es, systematisch in allen Regionen Deutschlands die MLPD aufzubauen, um damit besonders in den neuen Bundesländern nachhaltig das Kräfteverhältnis zwischen der PDS und der MLPD zugunsten letzterer zu ändern. In der Gesamtschau darf die Berichterstattung in der "Roten Fahne" als deutlicher Beleg für eine erhebliche Selbstüberschätzung der Partei gewertet werden. 39 293 Stimmen. 40 Ausgaben vom 17. und 24. Dezember 1999. LINKSEXTREMISMUS "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) Die KPF verfügt über Strukturen sowohl auf Landesals auch auf Bundesebene. Seit den anlässlich der "9. Bundeskonferenz" der KPF im Juni in Berlin durchgeführten Neuwahlen zum "Bundeskoordinierungsrat" (BKR), ihrem obersten Gremium, ist die sachsen-anhaltische KPF dort mit einer Person vertreten. Der Sprecherrat der KPF Sachsen-Anhalt verbreitet überdies mit der "Roten Tribüne" eine eigene Publikation, die in Magdeburg erscheint und außerdem im Internet veröffentlicht wird. Sie dient vornehmlich als Diskussionsforum für verschiedene, innerhalb der linksextremistischen Szene immer wieder aufgegriffene Themen. Darüber hinaus wird auch über die aktuellen Aktivitäten der KPF Sachsen-Anhalt berichtet. Auf der 2. Landeskonferenz der KPF, die am 15. Oktober 1998 in Halberstadt durchgeführt wurde, musste festgestellt werden, dass "die Kraft der KPF in SachsenAnhalt ... leider nicht so gut entwickelt [ist], um über die kritische Begleitung der Vorstandsund Fraktionspolitik hinauszugehen ... Dass es uns gelungen ist, ein Infoblatt zu erstellen, stellt einen neuen Schritt in unserer Arbeit dar. Unsere größte Schwäche ist wohl im Unvermögen zu suchen, die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für Kontinuität zu schaffen". Auf der Landeskonferenz der KPF im Dezember in Eisleben wurde eine "Resolution der KPF der PDS Sachsen-Anhalt zur Programmdebatte in der PDS" verabschiedet. Bereits seit längerer Zeit entzünden sich an der Programmdebatte der PDS grundlegende Meinungsverschiedenheiten zwischen der KPF und PDS-Führungsgremien. Dieser Konflikt wird im oben genannten Papier deutlich artikuliert. Die KPF sieht in der Programmdiskussion einen "ideologischen Kampf um die zukünftige Entwicklung der PDS". Weiter heißt es: LINKSEXTREMISMUS "Die PDS steht am Scheideweg. Sie steht vor der Entscheidung, will sie endgültig im Kapitalismus ankommen oder will sie den Kampf für eine sozialistische Alternative führen. Wir sind für letztere Zielstellung." Während des Bundesparteitages der PDS im Januar in Berlin wurde nach vierjähriger Pause wieder ein Vertreter der KPF in den Bundesvorstand der PDS gewählt. Zum 50. Jahrestag der Gründung der DDR veranstaltete die KPF am 9. Oktober eine Feierstunde "Entschuldigung, wir gratulieren..." in Berlin. Laut den "Mitteilungen der KPF"41, in denen zwei Redebeiträge der Veranstaltung veröffentlicht wurden, nahmen 600 Personen an der Veranstaltung teil. Die Bundessprecherin Ellen BROMBACHER (Berlin) stellte in ihrer Rede zum Veranstaltungsmotto klar: "Wir vermitteln der veröffentlichten Meinung nicht: Entschuldigung, daß wir es versucht haben. Aber denen, die unter den Folgen der Niederlage der DDR zu leiden hatten, den Sozialhilfeempfängern, den Opfern deutscher Bomben in Jugoslawien und all den anderen sagen wir: Entschuldigung, daß es uns mißlang." "Rote Hilfe e. V." (RH) Die Rechtsund Hafthilfeorganisation "Rote Hilfe e. V." entstand in den 80er-Jahren nach den ersten Verurteilungen von Terroristen der RAF. Sie rekrutierte sich zunächst aus dem terroristischen Umfeld und unterstützt gegenwärtig große Teile des linksextremistischen Spektrums. 41 Bundesweite Publikation der KPF, Heft 11/1999. LINKSEXTREMISMUS In einer Selbstdarstellung beschreibt sich die Rote Hilfe als eine "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie bietet politische und materielle Hilfe an, unter anderem die Prozessvorbereitung mit den Angeklagten, die Bekanntmachung des politischen Hintergrunds in der Öffentlichkeit, die Organisation von Solidaritätsveranstaltungen, die Bereitstellung von Zuschüssen aus Beitragsgeldern, die Erstattung der Anwaltsund Gerichtskosten und führte Spendensammlungen durch. Da der extremen Linken von der RH juristische Hilfe und große finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, wird ihre Funktion innerhalb der Szene als entsprechend wichtig erachtet. Nach Eigenangaben des Bundesvorstandes zahlt die Organisation auf jeder ihrer zweimonatlichen Bundesvorstandssitzungen etwa DM 30.000 bis DM 40.000 Unterstützungsgelder aus. Die "Rote Hilfe e. V." organisiert ihre Arbeit auf Bundesund Landesebene. Sie hat - ebenfalls eigenen Angaben zufolge - bundesweit über 3.000 Mitglieder aus verschiedenen linken Strömungen, die in mehr als 30 Ortsund Regionalgruppen organisiert sind. In Sachsen-Anhalt besteht seit 1996 eine Ortsgruppe in Halle/Saale und seit 1998 eine Ortsgruppe in Magdeburg. Als Kontaktadressen werden auch "Infoläden" in Dessau und in Aschersleben angegeben. Im Dezember gründete sich zudem eine Ortsgruppe in Quedlinburg. Die Informationen der Mitglieder und die Öffentlichkeitsarbeit auf Bundesebene werden durch die vierteljährlich vom Bundesvorstand herausgegebenen Publikation "Die Rote Hilfe" gewährleistet. In allen Ausgaben unterstützte "Die Rote Hilfe" in so genannten Kampagnen die Forderungen des linken Spektrums nach Freilassung der inhaftierten ehemaligen RAF-Mitglieder sowie des in LINKSEXTREMISMUS den USA zum Tode verurteilten ehemaligen "Black Panther"Angehörigen Mumia ABU-JAMAL.42 Zum 18. März, dem so genannten "Tag der politischen Gefangenen", gab "Die Rote Hilfe" eine Sonderbeilage für die Tageszeitung "junge Welt" und eine Sonderausgabe der Zeitung "Die Rote Hilfe" heraus, mit denen vornehmlich zur "internationalen Solidarität" im "Kampf für die Freiheit aller politischen Gefangenen weltweit" aufgerufen wurde. Die Ortsgruppe Magdeburg organisierte am 18. März eine Informationsveranstaltung mit Büchertischen in der Magdeburger Innenstadt im Bereich Alter Markt/Breiter Weg. Eine Vertreterin der Roten Hilfe informierte die etwa 30 anwesenden Personen unter anderem über die Situation ABU-JAMALs und betonte, dass der Veranstaltungstag diesem gewidmet sei. Unterbrochen von Einspielungen afro-amerikanischer Musik äußerte sich die Rednerin auch zur Lage der Kurden in Deutschland nach der Verhaftung ÖCALANs. In der Aprilausgabe der Publikation "Die Rote Hilfe"43 erbat die Organisation Spenden "Für politische Öffentlichkeitsarbeit und die Anwaltskosten" in Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren wegen Landfriedensbruchs gegen Angehörige der Dessauer Autonomenszene. Diese hatten im Februar 1997 in Dessau einen Bus mit Mitgliedern und Sympathisanten der "Deutschen Volksunion" (DVU) beschädigt und an der Weiterfahrt gehindert. 42 Der schwarze Journalist ABU-JAMAL war 1982 wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilt worden. In den zurückliegenden Jahren ist seine inzwischen in der Öffentlichkeit umstrittene Verurteilung immer wieder auch von der linksextremistischen Szene thematisiert worden. Wiederholt fanden bundesweit organisierte Demonstrationen statt, so am 20. Februar in Hamburg mit etwa 3.700 Teilnehmern, darunter rund 350 Angehörige des autonomen Spektrums. Im Oktober wurde die Vollstreckung des für den 2. Dezember festgesetzten Hinrichtungsbefehls für ABU-JAMAL auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Für Frühjahr 2000 wird eine Entscheidung über eine mögliche Wiederaufnahme des Verfahrens erwartet. 43 Nr. 2/1999, April - Juni. AUSLÄNDEREXTREMISMUS IV. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Ideologischer Hintergrund Die ideologische Zielrichtung der extremistischen ausländischen Organisationen und Gruppierungen, die von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden, wird in drei Kategorien eingeteilt: - islamistische Zielrichtung, - linksextremistische Zielrichtung sowie - extrem nationalistische Zielrichtung. In den letzten Jahren haben die islamistischen Gruppierungen türkischer und arabischer Herkunft in der Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung gewonnen. Ihr Ziel ist es, die in den jeweiligen Heimatländern herrschenden, meist westlich orientierten Regierungssysteme durch islamistische Staatsgefüge zu ersetzen. Die Islamisten44 lassen neben der für sie als vollkommen geltenden Weltanschauung des Islam keine anderen Anschauungen gelten und streben letztlich die Weltherrschaft an. Dies steht in unüberwindlichem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie den darin verankerten Grundund Menschenrechten. Hinsichtlich der Durchsetzung ihrer Ziele haben die islamistischen Gruppierungen sehr unterschiedliche Vorgehensweisen, die von gewaltfreien Aktionen bis zu Militanz und Terror reichen. 44 Unter dem Begriff Islamisten versteht man die Anhänger eines extremistischen islamischen Fundamentalismus mit totalitärem Herrschaftsanspruch. Aufgrund ihrer gegen die bestehende demokratische Rechtsordnung gerichteten Bestrebungen sind islamistische Gruppen Beobachtungsobjekt der Behörden für Verfassungsschutz. Dies betrifft jedoch nicht diejenigen Muslime, die Anhänger gemäßigter Richtungen des Islam sind und sich gesetzestreu verhalten. Sie genießen das Grundrecht der freien Religionsausübung und werden nicht beobachtet. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Die bedeutendste islamistische Organisation in der Bundesrepublik ist gegenwärtig die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V.". Linksextremistisch orientierte ausländische Gruppierungen haben im Allgemeinen das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Heimatländern zu beseitigen und eine sozialistische oder kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Bei einigen dieser Gruppen treten zunehmend ethnisch motivierte Unabhängigkeitsbestrebungen in den Vordergrund. Zu den wichtigsten linksextremistisch orientierten Gruppierungen in der Bundesrepublik gehören derzeit die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und die "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C Devrimci Sol). Die extrem-nationalistischen Ausländergruppierungen, die die Bildung eines Nationalstaates in den jeweiligen Herkunftsländern anstreben, traten in den letzten Jahren kaum öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Insgesamt sind derzeit mehr als 60 dem Ausländerextremismus zuzuordnende Organisationen im Bundesgebiet vertreten. In Sachsen-Anhalt verfügt lediglich die PKK über gefestigte Strukturen. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) In kaum einer anderen Organisation hat es im Berichtszeitraum eine derartig große Veränderung gegeben wie innerhalb der PKK. Die 1978 in der Türkei von Abdullah ÖCALAN gegründete Partei führte seit 1984 einen erbitterten Guerillakrieg gegen türkische Sicherheitskräfte mit dem Ziel der staatlichen Selbstverwaltung in einem "freien" Kurdistan. Als Generalvorsitzender, unumschränkter Führer und einzige Autorität der streng hierarchisch aufgebauten Partei amtierte ÖCALAN seit ihrer Gründung. Von AUSLÄNDEREXTREMISMUS Damaskus (Syrien) aus traf er sämtliche Entscheidungen. 1998 musste er sein syrisches Exil verlassen, suchte vergeblich nach einem anderen Gastland, wurde in Italien vorübergehend festgenommen, reiste nach Kenia aus und wurde von dort durch türkische Sicherheitskräfte in die Türkei verbracht. Nach einem in der Türkei geführten Prozess wurde Abdullah ÖCALAN zum Tode verurteilt. Nach der Inhaftierung ÖCALANs übernahm ein aus mehreren hochrangigen Parteifunktionären bestehender Präsidialrat die Leitung der Partei. Aus der Haft heraus verkündete ÖCALAN, dass die PKK einen friedlichen Kurs einschlagen werde. Die wichtigste Aufgabe sei die Lösung der Kurdenfrage auf politischem Wege. Auf Grund seiner Autorität und Stellung in der Partei sei er in der Lage, die Kurden zum friedlichen Handeln aufzurufen und den bewaffneten Kampf zu beenden. Durch dieses Angebot erhoffte sich ÖCALAN zum einen die Unterstützung der europäischen Staaten in der Kurdenfrage und zum anderen die Verhinderung der Vollstreckung der Todesstrafe45. Der Präsidialrat der PKK stellte sich eindeutig hinter ÖCALAN und griff die Friedensinitiative auf. Da die Anhängerschaft der PKK zunächst irritiert auf die Kursänderung reagierte, folgten einige Erklärungen und Veröffentlichungen ÖCALANs und des Präsidialrates. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist festzustellen, dass sich die Mehrheit der PKK-Mitglieder und -Anhänger an diesem friedlichen Kurs orientiert. 45 Die Entscheidung über die Vollstreckung der Todesstrafe wurde von der türkischen Regierung ausgesetzt, bis vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über den Fall ÖCALAN verhandelt wird. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Die PKK in Sachsen-Anhalt Trotz eines Rückgangs der in Sachsen-Anhalt verübten Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund im Vergleich zum Vorjahr lassen die Aktivitäten der PKK-Mitglieder und -Anhänger auf gefestigte Strukturen der Partei schließen. Ein großer Teil der durchgeführten Aktionen geht hierbei von den beiden kurdischdeutschen Kulturvereinen in Halle und Magdeburg aus. Sowohl die Verteilung von Propagandamaterial46 als auch die Mobilisierung zur Teilnahme an bundesund europaweiten Großveranstaltungen der PKK werden über diese Vereine organisiert. Darüber hinaus werden einige Asylbewerberunterkünfte als Ausgangsbasis für PKK-Aktivitäten genutzt. Die Verhaftung Abdullah ÖCALANs in Kenia führte auch unter den PKK-Anhängern in Sachsen-Anhalt zu emotionalen Reaktionen. Am 16. Februar beteiligten sich 22 Kurden aus Magdeburg, Halle, Bitterfeld, Marke (Landkreis Bitterfeld), Wolmirstedt, Haldensleben (beide Ohrekreis), Zeitz (Burgenlandkreis) und Stendal an der gewaltsamen Besetzung des griechischen Generalkonsulates in Leipzig (Sachsen). Die nach den ersten gewalttätigen Ausschreitungen im gesamten Bundesgebiet erfolgte Änderung der Strategie der PKK hin zu gewaltfreien Aktionen wurde auch in Sachsen-Anhalt realisiert. Alle folgenden Demonstrationen verliefen friedlich. An allen bedeutenden Großdemonstrationen47 der "Arbeiterpartei Kurdistans" im Bundesgebiet und im Ausland nahmen in Sachsen-Anhalt wohnende PKK-Anhänger teil. 46 Am 26. November 1993 hat das Bundesministerium des Innern (BMI) ein Betätigungsverbot gegen die PKK sowie einige ihrer Teilund Nebenorganisationen erlassen. Aufgrund dieses Verbotes verstoßen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spendensammlungen, Plakatierungen, Verkauf und Verbreitung von PKK-Publikationen sowie das Zeigen von Fahnen, Symbolen, Bildern und Spruchbändern mit PKK-Bezug gegen das Vereinsgesetz und stellen eine Straftat dar. 47 Die Teilnehmerzahlen betrugen bis zu 80.000 Personen je Veranstaltung. AUSLÄNDEREXTREMISMUS In Sachsen-Anhalt selbst wurden ebenfalls mehrere, insgesamt friedlich verlaufene Demonstrationen und Kundgebungen von PKK-Mitgliedern und PKK-nahen Organisationen durchgeführt. Gegenstand sämtlicher Veranstaltungen waren Forderungen wie "Freiheit für ÖCALAN", "Frieden für Kurdistan", "Weg mit dem Todesurteil" und "Weg mit dem PKK-Verbot". Ähnliche Losungen fanden sich teilweise in Form von Plakatierungen und Schmierereien an Häuserwänden in Magdeburg, Halle und Burg (Landkreis Jerichower Land) wieder. Wegen des Verdachts der Betätigung für die PKK/ERNK48, der Erpressung von Spendengeldern und der Körperverletzung wurden am 20. Oktober 1999 in Halle die Räume des "KurdischDeutschen Kulturvereins" sowie vier Wohnungen mutmaßlicher PKK-Aktivisten durchsucht. Hierbei wurden umfangreiche Propagandamaterialien sichergestellt, die auf Verbindungen zur PKK hinweisen. Insgesamt ist festzustellen, dass die PKK-Anhänger in SachsenAnhalt der derzeit friedlichen Strategie der PKK folgen. Andere extremistische Ausländerorganisationen In Sachsen-Anhalt sind keine gefestigten Strukturen anderer ausländischer Gruppierungen mit extremistischer Zielstellung vorhanden. Allerdings entfalteten in Sachsen-Anhalt lebende einzelne Mitglieder verschiedener extremistischer Ausländerorganisationen einschlägige Aktivitäten in anderen Bundesländern. 48 Die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) ist eine Teilorganisation der PKK. Ihr obliegt im Wesentlichen die Öffentlichkeitsarbeit der Partei. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ausländerextremistisch motivierte Straftaten49 Im Jahr 1999 wurden mit 17 Straftaten, darunter zwei Gewalttaten, erheblich weniger Delikte registriert als noch in den Vorjahren. Bei den sonstigen Straftaten handelt es sich überwiegend um Verstöße gegen das Vereinsgesetz sowie um Sachbeschädigungen. Die Entwicklung im Bereich der Strafund Gewalttaten ist gegenläufig zum Bundestrend, der einen starken Anstieg vor allem bei den Gewalttaten aufweist. Dieser Anstieg ist vornehmlich auf die Aktionen der Anhänger der PKK nach der Festnahme ÖCALANs im Februar sowie nach der Verkündung des Todesurteils gegen ihn im Juni zurückzuführen50. AUSLÄNDEREXTREMISMUS 1998 1999 Straftaten insgesamt: 44 17 * Gewalttaten 6 2 * sonstige Straftaten 38 15 49 Die Zahlen ergeben sich aus der Statistik des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt. 50 Die Straftaten von hiesigen PKK-Anhängern, die außerhalb Sachsen-Anhalts begangen wurden, bleiben statistisch unberücksichtigt. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund 50 44 45 40 38 35 30 25 Gesetzesverletzungen gesamt, davon: 20 17 15 15 Gesetzesverletzungen ohne Gewaltanwendung 10 6 5 2 Gesetzesverletzungen 0 mit Gewaltanwendung 1998 1999 SCIENTOLOGY-ORGANISATION V. SCIENTOLOGY-ORGANISATION (SO) Seit dem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom 5./6. Juni 1997 beobachten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder51 die Scientology-Organisation. Die Verfassungsschutzbehörden unterrichteten im Oktober 199852 die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern über die im Zuge der Beobachtung erlangten Erkenntnisse zur SO. Im Ergebnis beschloss die IMK, die Beobachtung fortzusetzen. Die SO betrachtet sich selbst als "Erlösungsreligion" in der "Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus", die "dem Menschen den Zustand vollständiger geistiger Freiheit von dem endlosen Kreislauf von Geburt und Tod vermitteln und ihn von seinen Banden im physischen Universum"53 befreien will. Aus den Publikationen und Äußerungen ihres Gründers Lafayette Ronald HUBBARD (1911 - 1986) sowie aus sonstigen Veröffentlichungen der SO ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Bei der Organisation liegen politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen vor. Dies folgt aus dem generellen Absolutheitsanspruch der scientologischen Ideologie, der sich nicht nur darauf bezieht, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, sondern den Menschen in all seinen persönlichen sowie zwischenmenschlichen und gesellschaftlich-politischen Lebensbereichen zu erfassen. Die politische Dimension dieser "Lehre" ergibt sich allein daraus, dass mit ihren "Techniken" nicht nur der Einzelne, sondern die gesamten gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse im Sinn einer "Therapie" verändert werden sollen. Ziel der Organisation ist die Beseitigung des demokratischen 51 In Schleswig-Holstein wird die SO aufgrund der geltenden Rechtslage durch die dortige Verfassungsschutzbehörde nicht beobachtet. 52 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Scientology der Verfassungsschutzbehörden vom 12. Oktober 1998 auf der Grundlage eines Beschlusses der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 5./6. Juni 1997. 53 Zitiert aus der Mustersatzung einer SO-Mission aus dem Jahr 1992. SCIENTOLOGY-ORGANISATION Staates und die Errichtung einer neuen scientologischen Sozialund Staatsordnung. Scientology-Interessenten werden oftmals im Rahmen des so genannten "Bodyroutings" gewonnen, das heißt durch wahllose Ansprache von Passanten, meist in der Nähe einer SO-Niederlassung. Diesen Personen wird zunächst ein so genannter "Oxford Capacity Test"54 kostenlos in der SO-Einrichtung angeboten. Nach der Absolvierung des Testes werden von geschulten SOMitarbeitern unter Hinweis auf vermeintliche Test-Ergebnisse Kurse und Bücher zur Verbesserung der individuellen Lebenssituation sowie die SO-Mitgliedschaft angeboten. Der Verkauf von Kursen und Schulungsmaterialien, aber auch die Mitgliedsbeiträge und "Spenden" sind die Haupteinnahmequellen der Scientology-Organisation. Während die SO weiterhin behauptet, in der Bundesrepublik Deutschland etwa 30.000 Mitglieder zu haben, gehen die Verfassungsschutzbehörden von 5.000 bis 6.000 Personen aus, darunter nur wenige Mitglieder in Sachsen-Anhalt. Die SO versucht sich sowohl national als auch international in Form von Kundgebungen und Demonstrationen in der Öffentlichkeit darzustellen. Der von ihr veranstaltete "Europäische Marathon für Menschenrechte 1999" wurde im Juli in Athen/Griechenland gestartet und führte über Italien, die Schweiz, Frankreich, Belgien und Holland nach Deutschland. Bei der Abschlussveranstaltung am 25. Oktober in Hamburg demonstrierten etwa 1.000 Personen gegen die angeblich in Deutschland praktizierte Missachtung der Religionsfreiheit. Die SO-Teilorganisation "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V." (KVPM) veranstaltete am 7. August in Hamburg eine Kundgebung mit rund 1.000 Teilnehmern, um 54 Hierbei handelt es sich um einen jede wissenschaftliche Seriosität außer Acht lassenden Persönlichkeitstest mit 200 Fragen. SCIENTOLOGY-ORGANISATION gegen den dort stattfindenden XI. Kongress der "Weltvereinigung für Psychiatrie" und gegen die heute üblichen Methoden in der psychiatrischen Behandlung zu demonstrieren. In Sachsen-Anhalt konnte bislang keine SO-Einrichtung festgestellt werden. Gleichwohl wurden im Berichtszeitraum - insbesondere an öffentliche Stellen - verschiedene Broschüren versandt. In den Begleitschreiben warb die SO für ihre Belange. Die Verfassungsschutzabteilung im Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt hat für Hinweisgeber, Betroffene und deren Angehörige, Opfer und Aussteiger der SO ein "Vertrauliches Telefon" unter der Rufnummer (0391) 567 5909 eingerichtet. Hinweise werden vertraulich behandelt. SPIONAGEABWEHR VI. SPIONAGEABWEHR Allgemeines Nach wie vor ist die Bundesrepublik Deutschland bevorzugtes Ziel der Spionagetätigkeit von Nachrichtendiensten fremder Staaten. Deren Aufklärungsaktivitäten richteten sich auch 1999 vorrangig gegen die hiesige Wirtschaft und Wissenschaft. Obgleich diese Spionage in erster Linie nach wie vor von Staaten Osteuropas sowie des Nahen und Mittleren Ostens und Asiens ausging, haben die aus der geänderten Weltlage und den wirtschaftlichen Interessen im globalen Wettbewerb erwachsenden Risiken dazu geführt, dass die Spionageabwehr richtungsunabhängig tätig werden muss. Die erhebliche Bedrohung deutscher Unternehmen sowie von Forschungseinrichtungen im Universitätsund Hochschulbereich steht in direktem Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau und der wachsenden Nutzung moderner Kommunikationseinrichtungen. Diese unterliegen vor allem im Bereich der satellitengestützten Kommunikation einer weltweiten strategischen Überwachung durch fremde Nachrichtendienste. Neben der Wirtschaftsspionage spielen Rüstungsspionage und Proliferation55 eine gewichtige Rolle. Hierbei sind es insbesondere die Nachrichtendienste so genannter Krisenund Schwellenländer wie Irak, Iran, Libyen, Syrien sowie Nordkorea, Indien und Pakistan, die damit das militärische Potenzial ihrer Länder erhöhen wollen. 55 Unter dem Begriff Proliferation versteht man die Weitergabe von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) und deren Trägersystemen (Raketentechnik) sowie die Mittel und das Know-how zu deren Herstellung an Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. SPIONAGEABWEHR Eine weitere Zielrichtung ist die Ausspähung ausländischer Oppositioneller und Dissidenten in der Bundesrepublik Deutschland durch die Nachrichtendienste ihrer zumeist totalitären Heimatstaaten. Spionageabwehr mit Hilfe der Bevölkerung Wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich. Die Verfassungsschutzbehörde bittet alle Bürgerinnen und Bürger, die von der Tätigkeit fremder Geheimdienste gegen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Verbündeten Kenntnis haben oder von solchen Nachrichtendiensten angesprochen o- der zur Mitarbeit aufgefordert worden sind, ihr Wissen im Interesse unseres freiheitlichen Staatswesens, aber auch der eigenen Sicherheit wegen, zu offenbaren. Das gilt auch für diejenigen, die schon im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Ihnen können die Verfassungsschutzbehörden helfen, sich aus einer für ausweglos gehaltenen Lage zu befreien. Voraussetzung hierfür ist die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Die Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt bietet hierzu jederzeit ihre Hilfe an. Vertraulichkeit ist zugesichert. Fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der DDR Wie in den Vorjahren sind auch 1999 in Sachsen-Anhalt keine Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR festgestellt worden, deren Ziel es gewesen wäre, durch organisierte Handlungen die äußere Sicherheit zu gefährden56 oder kriminelle oder terroristische Vereinigungen zu bilden.57 56 SSSS 94 - 99 des Strafgesetzbuches. 57 SSSS 129, 129a des Strafgesetzbuches. GEHEIMSCHUTZ VII. GEHEIMSCHUTZ Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder sowie die Bevölkerung selbst müssen sich darauf verlassen können, dass Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden können, als im staatlichen Interesse geheimzuhaltende Informationen (Verschlusssachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Besondere vorbeugende Maßnahmen, der so genannte personelle und materielle Geheimschutz, sollen dies gewährleisten. Zudem ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der NATO und anderer überoder zwischenstaatlicher Einrichtungen gehalten, bestimmte Sicherheitsnormen zu erfüllen. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt gemäß SS 4 Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt58 bei Geheimschutzverfahren im Behördenund Wirtschaftsbereich mit. Geheimschutz im Behördenbereich Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person zum Zugang zu im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen (Verschlusssachen). Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde festzustellen, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Position geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden oder auszuschließen. Ferner führt die Verfassungsschutzbehörde im Bereich des Geheimschutzes Tagungen und Schulungen für die Geheimschutz58 Gesetz vom 14. Juli 1992 (GVBl. LSA S. 590), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 4. August 1999 (GVBl. LSA S. 234). GEHEIMSCHUTZ beauftragten der Ministerien sowie der oberen und mittleren Landesbehörden durch. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befasst sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die erschweren sollen, dass Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Die Verfassungsschutzbehörde hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen können. Geheimschutz in der Wirtschaft Neben den erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Geheimschutzes in Behörden muss der Staat auch sensible Bereiche seiner Wirtschaft schützen, die mit der Ausführung geheimhaltungsbedürftiger öffentlicher Aufträge betraut sind. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern in starkem Maße auch gegen Wirtschaftsunternehmen richten. Ein wirksames Geheimschutzsystem soll hier gewährleisten, dass die gegen die deutsche Wirtschaft gerichteten Ausspähungsversuche durch gezielte Maßnahmen im vorbeugenden Bereich abgewehrt werden können, um irreparable Schäden zu vermeiden. ALLGEMEINES VIII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSENANHALT Grundlagen und organisatorische Ausgestaltung des Verfassungsschutzes Die geschichtlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren musste, veranlassten die Verfasser des Grundgesetzes, die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie zu gestalten. Zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung enthält das Grundgesetz Schutzvorkehrungen. Hierzu gehören: * die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 Grundgesetz), * das Recht, Parteien (Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz) und sonstige Vereinigungen (Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz) zu verbieten, wenn diese darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, * die Unabänderlichkeit wesentlicher Grundsätze der Verfassung wie zum Beispiel der Schutz der Menschenwürde und fundamentaler Verfassungsgrundsätze (Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz). Die Verfassungsschutzbehörden sind zusätzlicher Ausdruck der Entscheidung des Grundgesetzgebers für eine wehrhafte Demokratie. Er hat dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Artikel 73 Nr. 10 b ALLGEMEINES und c des Grundgesetzes) zugewiesen und ihn zur Einrichtung von Zentralstellen von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes (Artikel 87 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ermächtigt. Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz) aus dem Jahre 1990 regelt unter anderem den gemeinsamen Aufgabenrahmen der Verfassungsschutzbehörden und die Zusammenarbeit dieser. Das Bundesverfassungsschutzgesetz verpflichtet die Länder zudem zur Einrichtung von Landesbehörden für den Verfassungsschutz. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder als Teil des Innenministeriums oder als selbständige Landesoberbehörde organisiert. In Sachsen-Anhalt werden die Einrichtung, Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde durch das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt geregelt. Im Jahr 1999 wurde dieses Gesetz zweimal novelliert. Hierbei wurden auch wesentliche inhaltliche Änderungen in das Gesetz eingearbeitet. Es sind dies vor allem die erleichterten rechtlichen Voraussetzungen für die Auskunftserteilung über gespeicherte personenbezogene Daten der Bürger (SS 14), die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel zum Mithören des in der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Richter (SS 8 Abs. 2) und die Verkleinerung der Parlamentarischen Kontrollkommission (SS 25). Im Zuge der Gesetzesnovellierung wurde zudem die Aufgabe des Verfassungsschutzes auf das Ministerium des Innern übertragen, das seit dem 8. April Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt ist und zu diesem Zweck eine gesonderte Abteilung unterhält. Der aktuelle Text des Verfassungsschutzgesetzes ist zur Information im Anhang abgedruckt. ALLGEMEINES Erreichbarkeit der Verfassungsschutzabteilung Ministerium des Innern Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt des Landes Sachsen-Anhalt Abteilung 5 oder Abteilung 5 Zuckerbusch 15 Postfach 18 49 39114 Magdeburg 39008 Magdeburg Telefon: 0391/567 3900 Telefax: 0391/567 3999. Aufgaben des Verfassungsschutzes Die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde Sachsen-Anhalts sind die Sammlung und Auswertung von Informationen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches, 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. ALLGEMEINES Zusätzlich wirkt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen bei Sicherheitsüberprüfungen und technischen Sicherheitsmaßnahmen mit. Keine polizeilichen Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde hat keine polizeilichen Befugnisse. Ihre Mitarbeiter sind also nicht berechtigt zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Dies obliegt allein der Polizei. Die Verfassungsschutzbehörde darf auch nicht im Wege der Amtshilfe die Polizei um die Durchführung von Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Wo die offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde unter den Voraussetzungen des SS 8 VerfSchG-LSA nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil ihr Einsatz einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre und die Freiheitsrechte des Einzelnen darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in SS 7 Absatz 3 VerfSchGLSA aufgeführt. Das einschneidendste nachrichtendienstliche Mittel ist die Brief-, Postund Telefonkontrolle. Hierdurch wird das Grundrecht nach Artikel 10 Grundgesetz beeinträchtigt, so dass der Einsatz eines ALLGEMEINES solchen Mittels nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen darf. Mit dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (allgemein "G 10" genannt) und dem entsprechenden Landesausführungsgesetz sind in Sachsen-Anhalt die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen. Auch hier wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen. Datenschutz Zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erhobene personenbezogene Daten sind gemäß den im Verfassungsschutzgesetz enthaltenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Insbesondere ist für jede automatisierte Datei der Verfassungsschutzbehörde eine Dateianordnung zu erstellen, vor deren Erlass der Landesbeauftragte für den Datenschutz anzuhören ist. Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten nicht unbefristet oder auf Vorrat speichern. War eine Speicherung in einer Datei unzulässig oder ist die Kenntnis der gespeicherten Daten zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, sind diese zu löschen. In diesem Fall sind zugleich die zur Person geführten Akten zu vernichten. Daten zu Minderjährigen unterliegen besonderen Schutzbestimmungen (Vergleiche SSSS 10, 21 VerfSchG-LSA). Personenbezogene Daten dürfen nur unter engen Voraussetzungen an Dritte übermittelt werden. Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Datenübermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Auskunftserteilung Jedermann kann die unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten beantragen. Die Behörde ist gemäß SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen. ALLGEMEINES Die Auskunft hat jedoch zu unterbleiben, wenn die Verweigerungsgründe vorliegen, die bereits das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG-LSA) in SS 15 Absatz 4 nennt. Zu diesen Verweigerungsgründen kommt als spezieller gesetzlicher Auskunftsverweigerungsgrund für die Verfassungsschutzbehörde die Gefährdung von Nachrichtenzugängen oder die Gefahr der Ausforschung ihres Erkenntnisstandes oder ihrer Arbeitsweise hinzu. Kontrolle Die Verfassungsschutzbehörde unterliegt der üblichen Kontrolle der Exekutive durch das Parlament, den Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Landesrechnungshof und die Gerichte. Zusätzlich wird die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages kontrolliert. Die Landesregierung hat diese Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Die aus Abgeordneten des Landtages bestehende Kontrollkommission tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Unter bestimmten Voraussetzungen hat sie das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen der Verfassungsschutzbehörde sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes leistet in der notwendigen geistig-politischen Auseinandersetzung mit extremistischem und terroristischem Gedankengut einen wichtigen Beitrag, der letztlich dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland dient. Sie gewährleistet, dass Regierung und Parlament, aber auch jeder Bür- ALLGEMEINES ger über die Aktivitäten und Absichten verfassungsfeindlicher Organisationen informiert werden. Die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes informiert über * die Institution des Verfassungsschutzes und * die offen verwertbaren Ergebnisse der nachrichtendienstlichen Facharbeit. Im Berichtsjahr wurden zahlreiche Vorträge und Diskussionsrunden in Bildungseinrichtungen von Referenten der Verfassungsschutzbehörde gestaltet. Der Unterrichtung der Öffentlichkeit dient der jährlich herausgegebene Verfassungsschutzbericht, der seit 1995 auch im Internet unter http://www.mi.sachsen-anhalt.de/broinfo/verfbe99/ nachzulesen ist. Auf Anfrage stellt die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde Referenten für Informationsveranstaltungen zur Verfügung. ANHANG Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) vom 14. Juli 1992 zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 4. August 1999 (GVBl. LSA Nr. 27/1999, S. 234) Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: Erster Teil (3) Er hat auch die Öffentlichkeit ORGANISATION UND AUFGABEN über seine Aufgabenfelder zu unterrichten. SS 1 Zweck des SS 2 Organisation Verfassungsschutzes und Zusammenarbeit (1) Der Verfassungsschutz dient dem (1) Die Aufgaben des VerfassungsSchutz der freiheitlichen demokraschutzes werden von der Verfassungstischen Grundordnung, des Bestanschutzbehörde wahrgenommen. Verdes und der Sicherheit des Bundes fassungsschutzbehörde ist das Minisund der Länder. terium des Innern. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Ab(2) Er hat die Landesregierung und teilung. andere Stellen nach Maßgabe dieses Gesetzes über Gefahren für diese (2) Die für den Verfassungsschutz Schutzgüter zu unterrichten. Dadurch zuständige Abteilung im Ministerium sollen diese Stellen rechtzeitig die des Innern nimmt ihre Aufgaben geerforderlichen Maßnahmen ergreifen sondert von der Polizeiorganisation können. wahr. (3) Sie ist verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit 117 ANHANG dem Bund und den Ländern zusamder Deutschen Demokratischen Remenzuarbeiten. publik dürfen Aufgaben des Verfassungsschutzes nur in zu begründen(4) Verfassungsschutzbehörden anden Ausnahmefällen übertragen derer Länder dürfen in Sachsenwerden. Anhalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im EinSS 4 Aufgaben der vernehmen, das Bundesamt für VerVerfassungsschutzbehörde fassungsschutz nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig (1) Aufgabe der Verfassungsschutzwerden. behörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbeSS 3 Bedienstete und Mitarbeiter sondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten (1) Die Mitarbeiter der für den Verund Unterlagen über fassungsschutz zuständigen Abteilung im Ministerium des Innern ha1. Bestrebungen, die gegen die freiben sich einem Sicherheitsüberprüheitliche demokratische Grundfungsverfahren zu unterziehen, welordnung, den Bestand oder die ches insbesondere auf Tätigkeit für Sicherheit des Bundes oder eines das Ministerium für Staatssicherheit Landes gerichtet sind oder eine oder das Amt für Nationale Sicherungesetzliche Beeinträchtigung heit der Deutschen Demokratischen der Amtsführung der VerfasRepublik überprüft und in das der sungsorgane des Bundes oder Bundesbeauftragte für die Unterlaeines Landes oder ihrer Mitgliegen des Staatssicherheitsdienstes der der zum Ziel haben, ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einbezogen wird. 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund (2) Personen, die dem RepressionsAbwehrdienste der ehemaligen apparat der Deutschen DemokratiDeutschen Demokratischen Reschen Republik angehörten, insbepublik, insbesondere des Ministesondere hauptamtliche oder inoffiriums für Staatssicherheit oder zielle Mitarbeiter des Ministeriums für des Amtes für Nationale SicherStaatssicherheit oder des Amtes für heit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, Nationale Sicherheit, Mitarbeiter der 129, 129a des Strafgesetzbuches, Abteilung I der Kriminalpolizei und ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter 3. sicherheitsgefährdende oder geder Sozialistischen Einheitspartei heimdienstliche Tätigkeiten für Deutschlands dürfen nicht mit Aufeine fremde Macht im Geltungsgaben des Verfassungsschutzes bebereich des Grundgesetzes, traut werden; Personen mit Offiziersrang der bewaffneten Organe 118 ANHANG 4. Bestrebungen im Geltungsbereich Person, die mit der betroffenen Perdes Grundgesetzes, die durch Anson in Lebensgemeinschaft zusamwendung von Gewalt oder darauf menlebt, dürfen in die Sicherheitsgerichtete Vorbereitungshandlunüberprüfungen ebenfalls nur mit gen auswärtige Belange der Bunihrer Einwilligung einbezogen werdesrepublik Deutschland gefährden. den. (3) Die Mitwirkung der Verfassungs(2) Die Verfassungsschutzbehörde schutzbehörde gemäß Absatz 2 setzt wirkt auf Ersuchen der zuständigen im Einzelfall voraus, dass die beöffentlichen Stellen mit troffene Person und andere in die Überprüfung einbezogene Personen 1. bei der Sicherheitsüberprüfung über Zweck und Verfahren der Übervon Personen, denen im öffentliprüfung einschließlich der Verarbeichen Interesse geheimhaltungstung der erhobenen Daten durch die bedürftige Tatsachen, Gegenbeteiligten Dienststellen vorab unterstände oder Erkenntnisse anverrichtet werden. traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verSS 5 Begriffsbestimmungen schaffen können, (1) Es gelten folgende Begriffsbe2. bei der Sicherheitsüberprüfung stimmungen: von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensa) Bestrebungen gegen den Bestand oder verteidigungswichtigen Eindes Bundes oder eines Landes im richtungen beschäftigt sind oder Sinne dieses Gesetzes sind solche werden sollen, welche das zupolitisch bestimmten, zielund ständige Ministerium im Einzelzweckgerichteten Verhaltensweinen bestimmt hat, sen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der da3. bei technischen Sicherheitsmaßrauf gerichtet ist, die Freiheit des nahmen zum Schutz von im öfBundes oder eines Landes von fentlichen Interesse geheimhalfremder Herrschaft aufzuheben, tungsbedürftigen Tatsachen, Geihre staatliche Einheit zu beseitigenständen oder Erkenntnissen gen oder ein zu ihm gehörendes gegen die Kenntnisnahme durch Gebiet abzutrennen. Unbefugte. b) Bestrebungen gegen die SicherFür die Mitwirkung des Verfassungsheit des Bundes oder eines Lanschutzes an der Sicherheitsüberdes im Sinne dieses Gesetzes sind prüfung nach Satz 1 ist die Einwillisolche politisch bestimmten zielgung der betroffenen Person erforund zweckgerichteten Verhaltensderlich. Ehegatten, Verlobte oder die weisen in einem oder für einen 119 ANHANG Personenzusammenschluss, der die Volksvertretung in allgemeidarauf gerichtet ist, den Bund, ner, unmittelbarer, freier, Länder oder deren Einrichtungen gleicher und geheimer Wahl zu in ihrer Funktionsfähigkeit erwählen, heblich zu beeinträchtigen. b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordc) Bestrebungen gegen die freinung und die Bindung der vollheitliche demokratische Grundziehenden Gewalt und der Rechtordnung im Sinne dieses Gesetsprechung an Gesetz und Recht, zes sind solche politisch bestimmten, zielund zweckc) das Mehrparteienprinzip sowie gerichteten Verhaltensweisen in das Recht auf Bildung und Auseinem oder für einen Personenübung einer parlamentarischen zusammenschluss, der darauf Opposition, gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundd) die Ablösbarkeit der Regierung sätze zu beseitigen oder außer und ihre Verantwortlichkeit geGeltung zu setzen. genüber der Volksvertretung, Für einen Personenzusammenschluss e) die Unabhängigkeit der Gerichte, handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckf) der Ausschluss jeder Gewaltund gerichtet unterstützt. VerhaltensweiWillkürherrschaft und sen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzug) die im Grundgesetz und in der sammenschluss handeln, sind BeVerfassung des Landes Sachsenstrebungen im Sinne dieses GesetAnhalt konkretisierten Menschenzes, wenn sie auf Anwendung von rechte. Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, Zweiter Teil ein Schutzgut dieses Gesetzes erERHEBUNG, VERARBEITUNG UND heblich zu beschädigen. NUTZUNG PERSONENBEZOGENER DATEN (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses GeSS 6 Grundsatz der setzes zählen: Verhältnismäßigkeit a) das Recht des Volkes, die StaatsEine Maßnahme ist unverzüglich zu gewalt in Wahlen und Abstimbeenden, wenn ihr Zweck erreicht ist mungen und durch besondere oder sich Anhaltspunkte dafür ergeOrgane der Gesetzgebung, der ben, dass er nicht oder nicht auf vollziehenden Gewalt und der diese Weise erreicht werden kann. Rechtsprechung auszuüben und Von mehreren geeigneten Maßnah120 ANHANG men ist diejenige zu wählen, die die Dienstvorschrift ist der Parlamenbetroffene Person voraussichtlich am tarischen Kontrollkommission zu wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßübersenden. nahme darf keinen Nachteil her(4) Die Behörden des Landes sind beiführen, der erkennbar außer Ververpflichtet, den Verfassungsschutzhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg behörden technische und verwalsteht. tungsmäßige Hilfe für Tarnmaßnahmen zu leisten. SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Ver(1) Die Verfassungsschutzbehörde fassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben darf die Polizei auch nicht im Wege erforderlichen Informationen einder Amtshilfe um Maßnahmen erschließlich personenbezogener Daten suchen, zu denen sie selbst nicht erheben, verarbeiten und nutzen, befugt ist. soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes zum (6) Werden personenbezogene Schutz personenbezogener Daten Daten bei der betroffenen Person mit der Bürger vom 12. März 1992 ihrer Kenntnis erhoben, so ist der (GVBI. LSA S. 152) oder besondere Erhebungszweck anzugeben. Die Regelungen in diesem Gesetz entgebetrofgenstehen. fene Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicher(2) Voraussetzung für die Sammlung heitsüberprüfung nach SS 4 Abs. 2 auf und Auswertung von Informationen eine dienst-, arbeitsrechtliche oder ist das Vorliegen tatsächlicher Ansonstige vertragliche Mitwirkungshaltspunkte für Bestrebungen oder pflicht hinzuweisen. Tätigkeiten im Sinne des SS 4 Abs. 1. (7) Die Verfassungsschutzbehörde ist (3) Die Verfassungsschutzbehörde an die allgemeinen Rechtsvorschrifdarf mit nachrichtendienstlichen ten gebunden (Artikel 20 des GrundMitteln, insbesondere durch Einsatz gesetzes). von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund SS 8 Besondere Formen Tonaufzeichnungen und die Verwender Datenerhebung dung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informationen verdeckt (1) Die Verfassungsschutzbehörde erheben. Die nachrichtendienstlichen darf Informationen einschließlich Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu personenbezogener Daten mit nachbenennen, die auch die Zustänrichtendienstlichen Mitteln erheben, digkeit für die Anordnung solcher wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Informationsbeschaffung regelt. Die Annahme rechtfertigen, dass 121 ANHANG einer Wohnung. Die Anordnung des 1. auf diese Weise Erkenntnisse Einsatzes technischer Mittel nach Satz über Bestrebungen oder Tätig- 1 und 2 trifft der Richter. Bei Gefahr keiten nach SS 4 Abs. 1 oder die im Verzug kann der Minister des Inzur Erforschung solcher Ernern oder der Staatssekretär im kenntnisse erforderlichen NachMinisterium des Innern einen solchen richtenzugänge gewonnen werEinsatz anordnen; eine richterliche den können oder Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf läng2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, stens drei Monate zu befristen. VerEinrichtungen, Gegenstände längerungen um jeweils nicht mehr und Nachrichtenzugänge der als weitere drei Monate sind auf AnVerfassungsschutzbehörde getrag zulässig, soweit die Vorausgen sicherheitsgefährdende setzungen der Anordnung fortbesteoder geheimdienstliche Tätighen. Liegen die Voraussetzungen der keiten erforderlich ist. Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Die Erhebung nach Satz 1 ist nur Mittel zur Informationsgewinnung zulässig, wenn die Daten nicht auf nicht mehr erforderlich, so ist die andere, die betroffene Person weniMaßnahme unverzüglich zu beenger beeinträchtigende Weise erhoden. Ein Eingriff nach Satz 1 oder 2 ben werden können. Die Anwendung ist der betroffenen Person nach nachrichtendienstlicher Mittel darf seiner Beendigung mitzuteilen, wenn nicht erkennbar außer Verhältnis zur eine Gefährdung des Zweckes des Bedeutung des aufzuklärenden SachEingriffes ausgeschlossen werden verhaltes stehen. kann. (2) Das in einer Wohnung nicht öf(3) Sind technische Mittel ausfentlich gesprochene Wort darf mit schließlich zum Schutz der bei einem technischen Mitteln nur heimlich mitEinsatz in Wohnungen für den Vergehört oder aufgezeichnet werden, fassungsschutz tätigen Personen vorwenn es im Einzelfall zur Abwehr gesehen, kann der Minister des Ineiner gegenwärtigen gemeinen Genern oder eine von diesem beauffahr oder einer gegenwärtigen Getragte Person deren Einsatz anordfahr für das Leben einzelner Pernen. Eine anderweitige Verwendung sonen unerlässlich ist und geeignete der hierbei erlangten Erkenntnisse zu verwaltungsbehördliche oder polizeiZwecken der Gefahrenabwehr oder liche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut der Strafverfolgung ist nur zulässig, nicht rechtzeitig erlangt werden wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der kann. Satz 1 gilt entsprechend für Maßnahme richterlich festgestellt ist; einen verdeckten Einsatz technischer bei Gefahr im Verzug ist die richterliMittel zur Anfertigung von Bildaufche Entscheidung unverzüglich nachnahmen und Bildaufzeichnungen in zuholen. 122 ANHANG (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 (4) Zuständiges Gericht für EntscheiAbs. 2 dürfen in automatisierten Dadungen nach den Absätzen 2 und 3 teien nur personenbezogene Daten ist das Amtsgericht am Sitz der Verüber die Personen gespeichert werfassungsschutzbehörde. Für das den, die der Sicherheitsüberprüfung Verfahren gelten die Vorschriften des unterliegen oder in die SicherheitsGesetzes über die Angelegenheiten überprüfung einbezogen werden. der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (3) Die Speicherung von Informationen aus der engeren Persön(5) Das Ministerium des Innern unlichkeitssphäre der betroffenen Perterrichtet die Parlamentarische Konsonen in Dateien ist unzulässig. trollkommission über die nach Absatz 2 und, soweit richterlich überprü(4) Die Verfassungsschutzbehörde fungsbedürftig, nach Absatz 3 angehat die Speicherungsdauer auf das ordneten Maßnahmen. für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (6) Gegen Unbeteiligte dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt SS 10 Speicherung, angewendet werden. Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 9 Speicherung, von Minderjährigen Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 16. Lebens(1) Die Verfassungsschutzbehörde jahres dürfen in Dateien nicht darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben gespeichert werden. Daten über das personenbezogene Daten in Dateien Verhalten einer Person nach Vollund Akten speichern, verändern und endung des 16. und vor Vollendung nutzen, wenn des 18. Lebensjahres sind spätestens zwei Jahre nach der Erkenntnis auf 1. tatsächliche Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Speicherung Bestrebungen oder Tätigkeiten zu überprüfen und spätestens nach nach SS 4 Abs. 1 vorliegen, fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit 2. dies für die Erforschung und weitere Erkenntnisse nach SS 4 Abs. 1 Bewertung von Bestrebungen angefallen sind. Für die Führung von oder Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1 Akten zu Minderjährigen gelten Satz erforderlich ist oder 1 und 2 entsprechend. 3. die Verfassungsschutzbehörde nach SS 4 Abs. 2 tätig wird. 123 ANHANG SS 11 Berichtigung, Entscheidung und legt die Prüffrist Löschung und Sperrung erneut fest. von personenbezogenen Daten in Dateien (4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der (1) Die Verfassungsschutzbehörde Datenschutzkontrolle, der Datensihat die in Dateien gespeicherten percherung oder zur Sicherstellung eines sonenbezogenen Daten zu berichtiordnungsgemäßen Betriebes einer gen, wenn sie unrichtig sind. Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese (2) Die Verfassungsschutzbehörde Zwecke verwendet werden. hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, SS 12 Berichtigung und wenn ihre Speicherung unzulässig Sperrung personenbezogener war oder ihre Kenntnis für die AufDaten in Akten gabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. In diesem Fall sind auch die (1) Stellt die Verfassungsschutzbezu ihrer Person geführten Akten zu hörde fest, dass in Akten gespeivernichten. Die Löschung unterbleibt, cherte personenbezogene Daten unwenn Grund zu der Annahme richtig sind, oder wird ihre Richtigkeit besteht, dass durch sie schutzwürdige von der betroffenen Person bestritInteressen der betroffenen Person ten, so ist dies in der Akte zu verbeeinträchtigt würden. In diesem merken oder auf sonstige Weise Falle sind die Daten zu sperren. Sie festzuhalten. dürfen nur noch mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt wer(2) Die Verfassungsschutzbehörde den. hat personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie im Einzelfall fest(3) Die Verfassungsschutzbehörde stellt, dass ohne die Sperrung prüft bei der Einzelfallbearbeitung schutzwürdige Interessen der und nach festgesetzten Fristen, späbetroffenen Person beeinträchtigt testens nach fünf Jahren, ob gewürden und die Daten für ihre künspeicherte personenbezogene Daten ftige Aufgabenerfüllung nicht mehr zu berichtigen oder zu löschen sind. erforderlich sind. Gesperrte Daten Gespeicherte personenbezogene Dasind mit einem entsprechenden Verten über Bestrebungen nach SS 4 Abs. merk zu versehen; sie dürfen nicht 1 Nrn. 1, 2 oder 4 sind spätestens mehr genutzt oder übermittelt werzehn Jahre nach dem Zeitpunkt der den. Eine Aufhebung der Sperrung letzten gespeicherten relevanten Inist möglich, wenn ihre Voraussetzunformation zu löschen, es sei denn, gen entfallen. der Behördenleiter begründet im Einzelfall ausnahmsweise eine andere 124 ANHANG SS 13 Dateianordnungen Dritter Teil AUSKUNFT (1) Für jede automatisierte Datei sind in einer Dateianordnung festzulegen: SS 14 Auskunft an die betroffene Person 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt der betroffenen Person über zu 3. Voraussetzungen der Speicherung, ihrer Person gespeicherte Daten auf Übermittlung und Nutzung (beAntrag unentgeltlich Auskunft. Die troffener Personenkreis, Arten der von der betroffenen Person nach Satz Daten), 1 mitgeteilten Informationen dürfen 4. Anlieferung oder Eingabe, nur zum Zwecke der Prüfung des 5. Zugangsberechtigung, Auskunftsbegehrens verwendet werden. 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, (2) Die Auskunftserteilung unter7. Protokollierung. bleibt, soweit Der Landesbeauftragte für den Da1. eine Gefährdung der Aufgabentenschutz ist vor Erlass einer Dateianerfüllung durch die Auskunftserordnung anzuhören. teilung zu besorgen ist, (2) Die Speicherung personenbezo2. durch die Auskunftserteilung gener Daten ist auf das erforderliche Nachrichtenzugänge gefährdet Maß zu beschränken. In angemessesein können oder die Ausfornen Abständen ist die Notwendigkeit schung des Erkenntnisstandes der Weiterführung oder Änderung oder der Arbeitsweise der Verfasder Dateien zu überprüfen. sungsschutzbehörde zu befürchten ist, (3) In der Dateianordnung über automatisierte personenbezogene 3. die Auskunft die öffentliche SiTextdateien ist die Zugriffsberechcherheit gefährden oder sonst tigung auf Personen zu beschränken, dem Wohl des Bundes oder eines die unmittelbar mit Arbeiten in dem Landes Nachteile bereiten würde Gebiet betraut sind, dem die Textoder dateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne 4. die Daten oder die Tatsache der die dazugehörenden erläuternden Speicherung nach einer RechtsUnterlagen übermittelt werden. vorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten In125 ANHANG teressen eines Dritten geheimgeeine Auskunft an die betroffene Perhalten werden müssen. son aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. Die Entscheidung trifft der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständiVierter Teil gen Abteilung im Ministerium des INFORMATIONSÜBERMITTLUNG Innern oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter. SS 15 Unterrichtungspflichten (3) Die Auskunftserteilung erstreckt (1) Die Landesregierung unterrichtet sich nicht auf die Herkunft der Daten den Landtag mindestens einmal und die Empfänger von Übermittlunjährlich über Bestrebungen und gen. Tätigkeiten nach SS 4 Abs. 1. (4) Die Ablehnung der Auskunfts(2) Das Ministerium des Innern unerteilung bedarf keiner Begründung, terrichtet die Öffentlichkeit über Besoweit dadurch der Zweck der Ausstrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 kunftsverweigerung gefährdet würde. Abs. 1. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. (3) Es darf dabei auch personenbeWird die Auskunftserteilung abgezogene Daten bekanntgeben, wenn lehnt, ist die betroffene Person auf die Bekanntgabe für das Verständnis die Rechtsgrundlage für das Fehlen des Zusammenhanges oder der Darder Begründung und darauf hinzustellung von Organisationen oder weisen, dass sie sich an den Landesunorganisierten Gruppen erforderlich beauftragten für den Datenschutz ist und überwiegende schutzwürdige wenden kann. Dem LandesbeaufInteressen der betroffenen Person tragten für den Datenschutz ist auf nicht entgegenstehen. sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Ministerium des InSS 16 Zulässigkeit von nern im Einzelfall feststellt, dass Ersuchen der Verfassungsdadurch die Sicherheit des Bundes schutzbehörde um Übermittlung oder eines Landes gefährdet würde. personenbezogener Daten Mitteilungen des Landesbeauftragten an die betroffene Person dürfen (1) Werden öffentliche Stellen, die keine Rückschlüsse auf den Erkenntnicht Nachrichtendienste sind, um nisstand der VerfassungsschutzbeÜbermittlung personenbezogener hörde zulassen, sofern sie nicht einer Daten ersucht, so dürfen nur die weitergehenden Auskunft zustimmt. Daten übermittelt werden, die bei Der Landesbeauftragte kann die der ersuchten Behörde bekannt sind Parlamentarische Kontrollkommission oder aus allgemein zugänglichen unterrichten, wenn sich für ihn im Einzelfall Beanstandungen ergeben, 126 ANHANG Quellen entnommen werden könAnhaltspunkte dafür bestehen, dass nen. die Übermittlung für die Erfüllung der (2) Absatz 1 gilt nicht für Ersuchen Aufgaben der Verfassungsschutzbeum solche Daten, die bei der Wahrhörde erforderlich ist. nehmung grenzpolizeilicher Aufgaben bekannt werden. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben die (3) Die Verfassungsschutzbehörde Staatsanwaltschaften und, vorbehaltbraucht Ersuchen nicht zu begrünlich der staatsanwaltschaftlichen den, soweit dies dem Schutz der Sachleitungsbefugnis, die Polizei sobetroffenen Person dient oder eine wie andere Behörden um ÜbermittBegründung den Zweck der Maßlung der zur Erfüllung ihrer Aufgaben nahme gefährden würde. erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten SS 17 Übermittlung von ersuchen, wenn sie nicht aus allgeInformationen an die mein zugänglichen Quellen oder nur Verfassungsschutzbehörde mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person (1) Öffentliche Stellen des Landes stärker belastende Maßnahme erhounterrichten von sich aus die Verfasben werden können. Die Ersuchen sungsschutzbehörde über die ihnen sind aktenkundig zu machen. Unter bekanntgewordenen Tatsachen, die den gleichen Voraussetzungen darf sicherheitsgefährdende oder geheimdie Verfassungsschutzbehörde dienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Gel1. Behörden des Bundes und der tungsbereich dieses Gesetzes erkenbundesunmittelbaren juristischen nen lassen, die durch Anwendung Personen des öffentlichen Rechts, von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die 2. Staatsanwaltschaften und, vorbein SS 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 haltlich der staatsanwaltschaftligenannten Schutzgüter gerichtet chen Sachleitungsbefugnis, Polisind. zeien des Bundes und anderer Länder um die Übermittlung sol(2) Die Staatsanwaltschaften und, cher Informationen ersuchen. vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die (4) Würde durch die Übermittlung Polizei übermitteln darüber hinaus nach Absatz 3 der Zweck der Maßvon sich aus der Verfassungsnahme gefährdet oder die betroffene schutzbehörde auch alle anderen Person unverhältnismäßig beeinihnen bekanntgewordenen Informaträchtigt, darf die Verfassungsschutztionen einschließlich personenbezobehörde bei der Wahrnehmung der gener Daten über Bestrebungen Aufgaben nach SS 4 Abs. 1 Nrn. 2 bis nach SS 4 Abs. 1, wenn tatsächliche 4 sowie bei der Beobachtung terro127 ANHANG ristischer Bestrebungen amtliche dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben Register einsehen. erforderlich ist oder der Empfänger (5) Über die Einsichtnahme nach Abdie Daten zum Schutz der freiheitlisatz 4 hat die Verfassungsschutzbechen demokratischen Grundordnung hörde einen Nachweis zu führen, aus oder sonst für Zwecke der öffentlidem der Zweck und die Veranlaschen Sicherheit benötigt. Der Empsung, die ersuchte Behörde und die fänger darf die übermittelten Daten, Aktenfundstelle hervorgehen; die soweit gesetzlich nicht anderes besNachweise sind gesondert aufzubetimmt ist, nur zu dem Zweck verwenwahren, gegen unberechtigten Zuden, zu dem sie ihm übermittelt wurgriff zu sichern und am Ende des den. Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (2) Auf Anfragen der Einstellungsbehörden erteilt der Verfassungsschutz (6) Die Übermittlung personenbezoauch Auskünfte zur Überprüfung der gener Daten, die auf Grund einer Verfassungstreue von Personen, die Maßnahme nach SS 100a der Strafsich für den öffentlichen Dienst beprozessordnung bekanntgeworden werben. Die Auskunft ist beschränkt sind, ist nach den Vorschriften der auf gerichtsverwertbare Tatsachen Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn aus vorhandenen Unterlagen. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS (3) Die Verfassungsschutzbehörde 2 des Gesetzes zu Artikel 10 darf personenbezogene Daten an Grundgesetz genannten Straftaten ausländische Stellen sowie an überplant, begeht oder begangen hat. und zwischenstaatliche Stellen überAuf die der Verfassungsschutzbemitteln, wenn die Übermittlung zur hörde nach Satz 1 übermittelten Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Kenntnisse und Unterlagen findet SS 7 Wahrung erheblicher SicherheitsinAbs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel teressen des Empfängers erforderlich 10 Grundgesetz entsprechende Anist. Die Übermittlung unterbleibt, wendung. wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder über(7) Übermittelte Informationen hat wiegende schutzwürdige Interessen die Verfassungsschutzbehörde eigender betroffenen Person, insbesondere ständig zu bewerten. wegen der Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegensteSS 18 Übermittlung personenhen. Die Übermittlung ist aktenkunbezogener Daten durch die dig zu machen. Der Empfänger ist Verfassungsschutzbehörde darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck (1) Die Verfassungsschutzbehörde verwendet werden dürfen, zu dem darf personenbezogene Daten an sie ihm übermittelt wurden und die öffentliche Stellen übermitteln, wenn Verfassungsschutzbehörde sich vor128 ANHANG behält, über die vorgenommene nis, der Polizei von sich aus die ihr Verwendung der Daten um Auskunft bekanntgewordenen Informationen zu bitten. einschließlich personenbezogener (4) Die Verfassungsschutzbehörde Daten, wenn tatsächliche Anhaltsdarf im Rahmen ihrer Aufgaben nach punkte dafür bestehen, dass die SS 4 personenbezogene Daten an anÜbermittlung zur Verhinderung oder dere Stellen übermitteln, soweit dies Verfolgung von Staatsschutzdelikten für die Erhebung personenbezogener erforderlich ist. Daten erforderlich ist. Im übrigen dürfen personenbezogene Daten an (2) Delikte nach Absatz 1 sind andere Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum 1. die in SSSS 74a und 120 des GeSchutz der freiheitlichen demokrarichtsverfassungsgesetzes genanntischen Grundordnung, des Bestanten Straftaten, des oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ferner zur 2. alle Straftaten, bei denen auf Abwehr von sicherheitsgefährdenden Grund ihrer Zielsetzung, des Mooder geheimdienstlichen Tätigkeiten tivs des Täters oder dessen Vereiner fremden Macht erforderlich ist bindung zu einer Organisation und das Ministerium des Innern seine tatsächliche Anhaltspunkte dafür Zustimmung erteilt hat. Der Empvorliegen, fänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu a) dass sie sich gegen die freidem sie ihm übermittelt wurden. Der heitliche demokratische Grund Empfänger ist auf die Verwendungsordnung, gegen den Bestand beschränkung und darauf hinzuweioder die Sicherheit des Bunsen, dass die Verfassungsschutzbedes oder eines Landes richten, hörde sich vorbehält, über die vorgenommene Verwendung der Daten b) dass es sich um Bestrebungen um Auskunft zu bitten. handelt, die durch Anwendung von Gewalt oder durch SS 19 Übermittlung von darauf gerichtete VorbereiInformationen durch die tungshandlungen auswärtige Verfassungsschutzbehörde an Belange der Bundesrepublik Strafverfolgungsund Deutschland gefährden (ArtiSicherheitsbehörden in kel 73 Nr. 10 Buchst. b und c Angelegenheiten des des Grundgesetzes). Staatsund Verfassungsschutzes (3) Die Polizei darf zur Verhinderung (1) Die Verfassungsschutzbehörde von Staatsschutzdelikten nach Absatz übermittelt den Staatsanwaltschaften 2 die Verfassungsschutzbehörde um und, vorbehaltlich der staatsanÜbermittlung der erforderlichen Inwaltschaftlichen Sachleitungsbefug129 ANHANG formationen einschließlich personenoder von Berufsoder besonderen bezogener Daten ersuchen. Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, (4) Die Verfassungsschutzbehörde bleibt unberührt. übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen AbSS 21 Minderjährigenschutz schirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Da(1) Informationen einschließlich perten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte sonenbezogener Daten über das dafür bestehen, dass die ÜberVerhalten Minderjähriger dürfen mittlung zur Erfüllung der gesetzlinach den Vorschriften dieses Gesetchen Aufgaben des Empfängers erzes übermittelt werden, solange die forderlich ist (SS 21 Abs. 2 des BunVoraussetzungen der Speicherung desverfassungsschutzgesetzes). nach SS 10 erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, SS 20 Übermittlungsverbote bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erhebliDie Übermittlung nach den Vorchen Gefahr oder zur Verfolgung schriften dieses Teils unterbleibt, einer Straftat von erheblicher Bewenn deutung erforderlich ist. 1. für die übermittelnde Stelle er(2) Informationen einschließlich perkennbar ist, dass unter Berücksonenbezogener Daten über Mindersichtigung der Art der Informajährige vor Vollendung des 16. Letionen, insbesondere bei Daten bensjahres aus nicht zur Person geaus der engeren Persönlichkeitsführten Akten dürfen an auslänsphäre, und ihrer Erhebung die dische, überoder zwischenstaatliche schutzwürdigen Interessen der Stellen nicht übermittelt werden. betroffenen Person das Allgemeininteresse an der ÜberSS 22 Pflichten des Empfängers mittlung überwiegen, Der jeweilige Empfänger prüft, ob 2. überwiegende Sicherheitsinterdie nach den Vorschriften dieses Geessen dies erfordern oder setzes übermittelten personenbezoge3. besondere gesetzliche Übernen Daten für die Erfüllung seiner mittlungsregelungen entgegenAufgaben erforderlich sind. Ergibt die stehen, insbesondere wenn die Prüfung, dass sie nicht erforderlich Informationen zu löschen sind, hat er die Unterlagen zu verwaren. nichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von Die Verpflichtung zur Wahrung geanderen Informationen, die zur Ersetzlicher Geheimhaltungspflichten füllung der Aufgaben erforderlich 130 ANHANG sind, nicht oder nur mit unvertret(2) Der Landtag wählt die Mitglieder barem Aufwand möglich ist; in dieder Kommission sowie die gleiche sem Fall sind die Daten zu sperren Zahl von Stellvertretern mit der und in den Akten entsprechend zu Mehrheit seiner Abgeordneten. kennzeichnen. (3) Die Parlamentarische KontrollSS 23 Nachberichtspflicht kommission übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Erweisen sich personenbezogene Landtages solange aus, bis der nachDaten nach ihrer Übermittlung als folgende Landtag eine neue Parlaunvollständig oder unrichtig, so sind mentarische Kontrollkommission gesie unverzüglich gegenüber dem wählt hat. Empfänger zu berichtigen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung (4) Scheidet ein Mitglied oder ein eines Sachverhaltes ohne Bedeutung stellvertretendes Mitglied aus dem ist. Landtag aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es Fünfter Teil seine Mitgliedschaft in der KommisPARLAMENTARISCHE KONTROLLE sion; es ist unverzüglich ein neues Mitglied oder ein neues stellvertreSS 24 Parlamentarische tendes Mitglied zu wählen. Das Kontrollkommission Gleiche gilt, wenn ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied aus der (1) Die Landesregierung unterliegt Kommission ausscheidet. auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den SS 26 Verfahrensweise Landtag. Diese Aufgabe nimmt die Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Beratungen der Parlamenwahr. tarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder und ihre (2) Die Rechte des Landtages und Stellvertreter sind zur Geheimhaltung seiner Ausschüsse bleiben unberührt. der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der ParSS 25 Zusammensetzung lamentarischen Kontrollkommission und Wahl bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Ausschei(1) Die Parlamentarische Kontrollden aus der Kommission. Die Pflicht kommission besteht aus drei Abgezur Geheimhaltung gilt nicht für die ordneten des Landtages. Der größten Bewertung aktueller Vorgänge, wenn Oppositionsfraktion steht ein Sitz in eine Mehrheit von zwei Dritteln der der Kontrollkommission zu. anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt. 131 ANHANG lagen, Zugang zu Einrichtungen der (2) Die Kommission tritt mindestens Verfassungsschutzbehörde sowie auf vierteljährlich, zusätzlich auf Antrag Anhörung von Auskunftspersonen. eines Mitgliedes zusammen. Der Minister des Innern kann einem bestimmten Kontrollbegehren wider(3) Sie wählt einen Vorsitzenden und sprechen, wenn es im Einzelfall die gibt sich eine Geschäftsordnung. Erfüllung der Aufgaben der VerfasDiese regelt auch, unter welchen sungsschutzbehörde erheblich geVoraussetzungen Sitzungsunterlagen fährden würde; er hat dies vor dem und Protokolle von den Mitgliedern Ausschuss schlüssig zu begründen. der Kommission und ihren StellverDie besonderen Rechte parlamentretern eingesehen werden können. tarischer Untersuchungsausschüsse bleiben unberührt. SS 27 Aufgaben und Befugnisse der Parlamentarischen (3) Die Kontrolle der Durchführung Kontrollkommission des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz bleibt der in SS 3 des Gesetzes (1) Die Landesregierung unterrichtet zur Ausführung des Gesetzes zu Artidie Parlamentarische Kontrollkomkel 10 Grundgesetz im Land Sachmission umfassend über die allgesen-Anhalt vom 27. April 1993 meine Tätigkeit der Verfassungs(GVBl. LSA S. 202), geändert durch schutzbehörde und über Vorgänge Artikel 7 des Gesetzes vom 30. März von besonderer Bedeutung. Hierzu 1999 (GVBl. LSA S. 120, S. 122), gegehört auch das Tätigwerden von nannten Kommission nach den dortiVerfassungsschutzbehörden anderer gen Bestimmungen vorbehalten. Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. (4) Die Parlamentarische KontrollSie berichtet auch über den Erlass kommission erstattet dem Landtag in von Verwaltungsvorschriften. Die der Mitte und am Ende jeder WahlEntwürfe der jährlichen Wirtschaftsperiode einen Bericht über ihre pläne der Verfassungsschutzbehörde bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei werden der Kommission zur Mitsind die Grundsätze des SS 26 Abs. 1 beratung überwiesen. Die Landesrezu beachten. gierung unterrichtet die Kommission über den Vollzug der WirtschaftsSS 28 Beteiligung des pläne im Haushaltsjahr. Die KommisDatenschutzbeauftragten sion hat das Recht, von sich aus Sachverhalte aufzugreifen. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat auf Antrag eines Mitglie(2) Die Kommission hat auf Antrag des den Landesbeauftragten für den mindestens eines ihrer Mitglieder das Datenschutz zu beauftragen, die Recht auf Erteilung von Auskünften, Rechtmäßigkeit einzelner MaßnahEinsicht in Akten und andere Untermen, die die Verfassungsschutzbe132 ANHANG hörde durchgeführt hat, zu überprüdes Gesetzes zum Schutz personenfen. Die Befugnisse des Beauftragten bezogener Daten der Bürger keine richten sich nach den Bestimmungen Anwendung. des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger. SS 30a Einschränkung von Grundrechten SS 29 Datenerhebungen bei Mitgliedern des Landtages Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf (1) Setzt die Verfassungsschutzbehörde nachrichtendienstliche Mittel 1. Unverletzlichkeit der Wohnung gegen ein Mitglied des Landtages (Artikel 13 des Grundgesetzes von Sachsen-Anhalt ein, hat der und Artikel 17 der Verfassung des Minister des Innern die ParlamenLandes Sachsen-Anhalt), tarische Kontrollkommission und den Präsidenten des Landtages unver2. Schutz personenbezogener Daten züglich hiervon zu unterrichten. (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen(2) Im Falle des Absatz 1 sind der Anhalt) betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer eingeschränkt werden. Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der MaßSS 31 Inkrafttreten nahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch Dieses Gesetz tritt vierzehn Tage nicht abschließend beurteilen, ob nach seiner Verkündung in Kraft. diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Sechster Teil SCHLUSSVORSCHRIFTEN SS 30 Geltung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 4 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die SSSS 7 und 9 bis 16 133 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AIZ Antiimperialistische Zelle Antifa Ha/Qu Antifa Halberstadt/Quedlinburg B&H Blood & Honour BFB Bund Freier Bürger BKR Bundeskoordinierungsrat BPjS Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften BWA Bewaffnete Widerstand-Aktion DHKP-C Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DIDF Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DP Deutsche Partei DSG-LSA Datenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt DSU Deutsche Soziale Union DVU Deutsche Volksunion ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FBU Freie Bürger Union FVB Freiheitlicher Volks Block FW Freie Wählervereinigung Burgenland GFP Gesellschaft für Freie Publizistik HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. HVD Heimattreue Vereinigung Deutschland IJ Internationale Jugend IMK Innenministerkonferenz ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ISKU Informationsstelle Kurdistan e. V. JN Junge Nationaldemokraten KKK Ku-Klux-Klan KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD/M Kommunistische Partei Deutschlands - Gruppe MÖLLER KPD-Ost Kommunistische Partei Deutschlands KPF Kommunistische Plattform der PDS KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V. MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands NF National Front NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation OAP Offenes Antifaschistisches Plenum PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PKK Arbeiterpartei Kurdistans RAC Rock Against Communism RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner RH Rote Hilfe e. V. RZ Revolutionäre Zellen S.A.F. Sachsen-Anhalt-Front SMS Short Message Service SO Scientology-Organisation THKP/-CTürkische Volksbefreiungspartei/-front - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Devrimci Sol Revolutionäre Linke UZ Unsere Zeit VerfSchG-LSA Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt VR Vereinigte Rechte