Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 2/3597 Zweite Wahlperiode 28.05.1997 Unterrichtung Präsident des Landtages Magdeburg, 27. Mai 1997 von Sachsen-Anhalt Verfassungsschutzbericht 1996 Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom 13. Mai 1997 hat der Ministerpräsident des Landes SachsenAnhalt gemäß SS 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (VerfSchG-LSA) vom 14. Juli 1992 (GVBI. LSA S. 590) dem Landtag den Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 1996 der Landesregierung mit der Bitte um Kenntnisnahme übermittelt. Federführend ist das Ministerium des lnnern des Landes Sachsen-Anhalt. Die Unterrichtung des Landtages erfolgt gemäß SS 54 Abs. 1 Satz 2 der Vorläufigen Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt. Mit freundlichen Grüßen Dr. Klaus Keitel Anlage Hinweis: Die Ausgabe des gedruckten Verfassungsschutzberichtes 1996 erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. (Ausgegeben am 28.05.1997) Verfassungsschutzbericht 1996 SACHSEN ANHALT \ !1111 ,!t_:-., llillCrll . hdlt -------------Sachsen-Anhalt-Verfassungsschutzbericht 1996 Ministerium des lnnern des Landes Sachsen-Anhalt - - - - - - - - Berlchtszeitraum: 01.01.-31.12.1996-- Herausgeber: Ministerium des lnnern des Landes Sachsen-Anhalt, Halberstädter Straße 2, 39112 Magdeburg, Mai 1997 Herstellung: .. Vorwort Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die Arbeitsergebnisse des Verfassungsschutzes des Landes Sachsen-Anhalt im Jahr 1996. Den breitesten Raum nehmen die Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen ein. Im Vergleich zum Voriahr haben diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen insgesamt nicht zugenommen. ln nach wie vor bewegten und von wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten geprägten Zeiten ist dies mit Blick auf die noch iunge Demokratie in unserem Bundesland ermutigend. Erfreulich ist insbesondere der Rückgang politisch motivierter Gewalttaten. Daß andererseits kein Anlaß zur Entwarnung besteht, führt gerade der zusammenfassende Jahresrückblick mit der Auflistung brutaler Straftaten und verabscheuungswürdiger Publikationen deutlich vor Augen. Extremistische Tendenzen wirken häufig im Verborgenen und sind für die Bürgerinnen und Bürger nicht ohne weiteres erkennbar. ln der rechtsextremistischen Szene zeigt sich dies vor allem an inhaltlichen und personellen Querverbindungen zwischen einzelnen Organisationen, Parteien und Aktivitäten. Diese verdeckten Strukturen sind dafür verantwortlich, daß sich hinter Gruppierungen und Publikationen, die auf den ersten Blick unter teils unverdächtiger Bezeichnung firmieren, bekannte Rechtsextremisten verbergen. Linksextremisten suchen dagegen häufig die Nähe zu demokratischen Protestbewegungen, wenn es um aktuelle Themen geht, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden. Dabei diskreditieren sie durch ihre häufig militanten Aktionen den Protest friedlicher Veranstalter und der in der großen Mehrzahl friedlichen Teilnehmer. Sie suchen zu solchen Anlässen auch ihre verfassungsfeindlichen Einstellungen zu verbreiten. Dem Verfassungsschutzbericht kommt deshalb eine wichtigeFunktion zur Information der Öffentlichkeit zu, indem er verdeckte verfassungsfeindliche Absichten und Strukturen kenntlich macht. Der Verfassungsschutzbericht ist in diesem Jahr auf Ereignisse, Parteien und Organisationen konzentriert. Er ermöglicht so einen prägnanten Überblick über verfassungsfeindliche Aktivitäten in unserem land. Das Landesamt für Verfassungsschutz dokumentiert dabei durch den im Vergleich zu den Vorjahren weiter verbesserten Erkenntnisstand zugleich seine zunehmende Leistungsfähigkeit. Wer darüber hinaus Informationen zu Bestrebungen in anderen Bundesländern und zu bundesweit wirksamen Phänomenen sucht, sei an dieser Stelle begleitend auf die Verfassungsschutzberichte der Vorjahre und den jährlichen Bericht des Bundesinnenministers verwiesen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt mein Dank für ihre erfolgreiche Tätigkeit im vergangenen Jahr und die Erstellung dieses Berichtes. Ich hoffe, daß er viele interessierte Leser finde und so einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit Verfassungsfeinden leiste. Eine breite und auch öffentliche Diskussion schützt unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. An dieser geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus aktiv mitzuwirken, rufe ich alle demokratischen Kräfte auf. Magdeburg, im Mai 1997 - ?_ ( Dr. Ma nfred Püchel Minister des lnnern VORWORT .. I. USERBLICK 1 II. RECHTSEXTREMISMUS 3 ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN 3 ANTI-ANTIFA 3 Die Rudolf-HESS-Kampagne 6 Aktionen anläßlich des Volkstrauertages 10 Internationale Treffen mit Teilnehmern aus Sachsen-Anhalt 11 Neonazistische Propaganda aus dem Ausland 12 MILITANTE RECHTSEXTREMISTEN 14 Übersicht über die Strafund Gewalttaten 16 Veranstaltungen mit Skinheadbands 26 NEONAZISTISCHE ORGANISATIONEN UND GRUPPIERUNGEN 29 "Die Nationalen e. V." 29 "Kameradschaft Eibe-Ost" 32 Gruppierungen und Aktionsbündnisse im Harzbereich 34 "Volkstreue Bewegung Halle" (VBH) 38 Publikation "Umbruch" 40 RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN 43 "Die Republikaner" (REP) 43 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 45 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 46 "Deutsche Volksunion" (DVU) 48 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 49 111. LINKSEXTREMISMUS 50 AUTONOME 50 Vorbemerkungen 50 Autonomer in der Anti-Castor-Bewegung 60 Ubersicht über die Strafund Gewalttaten 62 LINKSEXTREMISTISCHE PARTEIEN UND ORGANISATIONEN 66 "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" {MLPD) 66 "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" {SpAD) 67 "Kommunistische Partei Deutschlands" {KPD-Ost) 68 Partei Deutschlands - Gruppe MOLLER" {KPD/M) 69 "Internationale Jugend" {IJ) 70 "Kommunistische Plattform der POS" {KPF) 71 LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 73 "Rote-Armee-Fraktion" {RAF) 73 "Antiimperialistische Zelle" {AIZ) 74 IV. FORTWIRKENDE .. STRUKTUREN.. UND TATIGKEITEN DER AUFKLARUNGSUND ABWEHRDIENSTE DER DDR 75 .. V. SICHERHEITSGEFAHRDENDE UND EXTREMISTISCHE .. BESTREBUNGEN VON AUSLANDERN 76 Allgemeines 76 "Arbeiterpartei Kurdistans" {PKK) 77 Türkische revolutionär-marxistische Gruppen 82 Übersicht über die Strafund Gewalttaten 84 II VI. SPIONAGEABWEHR 84 Allgemeines 84 Nachrichtendienste der Russischen Föderation und der übrigen GUS-Staaten 85 Nachrichtendienste sonstiger ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten 85 Nachrichtendienste aus dem Nahen und Mittleren Osten 85 Spionageabwehr mit Hilfe der Bevölkerung 86 VII. GEHEIMSCHUTZ 86 Allgemeines 86 Geheimschutz im Behördenbereich 87 Geheimschutz in der Wirtschaft 88 VIII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT 88 GRUNDLAGEN UND ORGANISATORISCHE AUSGESTALTUNG DES VERFASSUNGSSCHUTZES 88 Organisation des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt 90 Methoden und Mittel der Informationsgewinnung 92 Keine polizeilichen Befugnisse 94 Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit 94 Datenschutz 95 Auskunftserteilung 96 Kontrolle 97 Strukturdaten 97 Verfassungsschutz durch Aufklärung 98 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 100 STICHWORTVERZEICHNIS wird noch erarbeitet 111 ** I. UBERBLICK Nach wie vor ist die Beobachtung des Rechtsextremismus mit seinen verfassungsfeindlichen Aktivitäten ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz des Landes SachsenAnhalt. Die Zahl der Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund ging zwar 1996 gegenüber dem Vorjahr erkennbar zurück, diese Tendenz bedeutet aber nicht, daß die von den Rechtsextremisten ausgehende Gefahr geringer geworden wäre. Zum einen blieb das Potential der gewaltbereiten Rechtsextremisten unvermindert hoch, zum anderen führte die wachsende Zahl von Propagandadelikten zur bisher höchsten Anzahl von extremistisch motivierten Straftaten. Die Schwerpunkte neonazisfiseher Strukturen in Sachsen-Anhalt liegen in der Harzregion sowie in Wittenberg und Naumburg. Die dortigen Neonazis thematisierten vor allem sozialund wirtschaftspolitische Fragen und den Kampf gegen "staatliche Repression". Dabei zeigten sie sich zur Zusammenarbeit mit dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum bereit und stellten die Fortführung der ANTI-ANTIFA-Kampagne in den Mittelpunkt. Sie bemühten sich verstärkt, rechtsextremistische Skinheads in dieses Aktionsbündnis einzubeziehen. Darüber hinaus versuchten einschlägig bekannte Neonazis, als Konzertverantwortliche oder Betreiber von Musikvertrieben die Skinhead-Musikszene zu kommerzialisieren. Die Mitgliederzahlen der rechtsextremistischen Parteien in Sachsen-Anhalt sind auf ihrem bisher niedrigsten Niveau angelangt. Mit dieser Entwicklung ging der "Rückbau" ihrer Organisationsstrukturen einher. Die rechtsextremistischen Parteien blieben ohne politischen Einfluß. 1 Im Bereich des Linksextremismus ist gegenüber 1995 eine rückläufige Tendenz bei den Strafund Gewalttaten festzustellen. Bei den Gewaltdelikten bildeten Landfriedensbrüche und Körperverletzungen den Schwerpunkt. Handlungsfähige Strukturen der gewaltbereiten Autonomenszene konnten vor allem in Magdeburg, Dessau sowie in der Region Halberstadt/Quedlinburg ausgemacht werden. Neben den klassischen linksextremistischen Agitationsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Kurdistansolidarität" wurde im Berichtszeitraum auch die Verhinderung von Atommülltransporten thematisiert. Der Trend zur anlaßbezogenen Zusammenarbeit sowohl mit orthodox-kommunistischen als auch mit demokratischen Organisationen hält an. Darüber hinaus beteiligten sich Autonome aus Sachsen-Anhalt an überregionalen Veranstaltungen in anderen Bundesländern. Aktivitäten linksextremistischer Parteien blieben ohne nennenswerten politischen Einfluß; Bemühungen um eine Etablierung wurden jedoch gezielt fortgeführt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt registrierte eine erhebliche Zunahme von Aktivitäten im Bereich des sogenannten "Ausländerextremismus". Dies wird anhand der Straftatenentwicklung deutlich. So nahmen die Straftaten 1996 gegenüber dem Vorjahr um rund 67 % zu. Vor allem Aktivitäten von Anhängern der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sind herauszustellen. Diese äußerten sich in Plakatierungsaktionen und Teilnahmen an bundesweiten Veranstaltungen. Zunehmend sind Bemühungen hinsichtlich des Aufbaus von PKK-Strukturen in Sachsen-Anhalt zu erkennen. 2 II. RECHTSEXTREMISMUS Die Parteien, Organisationen, losen Gruppierungen und Einzelpersonen, die als rechtsextremistisch einzustufen sind, verfügen über kein einheitlich festgefügtes ideologisches System. Sie bekämpfen aus einer rassistisch und nationalistisch geprägten Motivation heraus offen oder verdeckt die freiheitliche demokratische Grundordnung, um an ihre Stelle eine totalitäre, zumindest aber autoritäre Regierungsform mit Führerprinzip zu setzen. Die rechtsextremistischen Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland lassen sich in drei Erscheinungsformen einteilen: * den militanten Rechtsextremismus, darunter insbesondere Skinheads, * den organisierten Neonazismus, * die rechtsextremistischen Parteien und Organisationen. ORGANISATIONSÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN + ANTI-ANTIFA Die Träger der ANTI-ANTIFA-Kampagne 1 sind in ihrer ideologi,) sehen Ausrichtung durchgängig dem neonazisfischen Spektrum zuzuordnen und verfügen zumeist über einen * einschlägigen rechtsextremistischen Vorlauf. Sie beanspruchen Führungspositionen im rechten Lager und wirken darauf hin, möglichst das gesamte rechtsextremistische Spektrum in die Aktivitäten der ANTI-ANTIFA einzubeziehen. Es ist das erklärte Ziel der Initiatoren, die politischen Gegner, zu denen sie sowohl ihre linksextremistischen Widersacher als auch die Vertreter des demokratischen Rechtsstaates zählen, auszuspähen und in der rechten Szene bekanntzumachen. Offenbar hat sich iedoch der Schwerpunkt Siehe auch Seite 36. 3 verlagert, wie die Lektüre des Strategieblattes der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), "Einheit und Kampf", zeigt: "Eine bekämpft nun die 'Antifa'. Nach Meinung der JN-Bayern sollen durch entsprechende Maßnahmen Einblicke in die linke Szene ermöglicht werden ... Ist der Feind unserer nationalen Bewegung aber tatsächlich der Linksextremismus? Nein/ Unsere Gegner sind nicht die linken, Ausländer oder Juden - unser Gegner ist das System/" 2 Nach wie vor können CHAVES-RAMOS in Naumburg und HUPKA in Quedlinburg als Protagonisten der ANTI-ANTIFA in SachsenAnhalt angesehen werden. Darüber hinaus gibt es Gruppierungen wie die "Kameradschaft Eibe-Ost" und den "Deutschen Freundeskreis deren Flugblattaktionen und einige weitere Aktivitäten gleichfalls der ANTI-ANTIFA-Kampagne zuzurechnen sind. ln einem Artikel seiner Postille "Umbruch" 3 mit dem Titel " Achfungi SpitzelSpalterProvokateurel"versucht HUPKA gezielt, die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt zu "enthüllen". HUPKA fordert dazu auf, Informationen über "An_) werbeversuche" einem "Bürgerkommitee (sicl) für Meinungsfreiheit" mit Sitz in Quedlinburg zu übermitteln. Der Artikel wurde auch in Form eines Flugblattes und über eine Mailbox des THULE-Netzes in der rechtsextremistischen Szene verbreitet. Darüber hinaus war er in der "Berlin-Brandenburger-Zeitung" und deren Regionalausgabe "Mitteldeutsche Rundschau" abgedruckt. 2 "Einheit und Kampf" Nr. 16/Juni 1996. 3 Nr. 11 /Februar 1996. 4 ln Nummer 12 des "Umbruch" solidarisiert sich HUPKA mit den Kriminellen, die im Mai 1996 den bekannten Mäzen und Gründer des Hamburger "Instituts für Sozialforschung" Jan Phitipp REEMTSMA entführt hatten. HUPKA bezeichnet das Opfer als "einer (sie!) der größten Schweine" und wünscht seinen Entfüh- 4 rern "viel Glüc/(' . Die von CHAVES-RAMOS seit Anfang 1995 geleitete "ANTIANTIFA-Infogruppe" in Naumburg nennt sich nunmehr "Front 88". ln Neonazikreisen steht die Ziffernfolge 11 88" für "Heil Hitler", wobei die Acht der Platzhalter für den achten Buchstaben im Alphabet ist. Zugleich ist an der Bezeichnung eine inhaltliche Vorbestimmung zu erkennen. Die ANTI-ANTIFA war Mitunterzeichner mehrerer Flugblätter, die sich - gegen den Ordnungsdezernenten der Stadt Mainz, der Veranstaltungen auf dem Gärtnereigelände des neonazisfischen Ehepaares MÜllER untersagt hatte, - gegen ein Mitglied der Fraktion von "Bündnis 90/Die Grünen" im rheinland-pfälzischen Landtag und - gegen einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten richteten, der sich für die Bekämpfung des Rechtsextremismus _) engagierte. Anfang November wurde in Naumburg ein Flugblatt aufgefunden, in dem eine "Naumburger Bürgerinitiative gegen linksextremistische Gewalt" insgesamt 15 Personen vorwirft, "gewalttätige Übergriffe" zu planen oder vorzubereiten "oder auch selbst daran teilzunehmen". Ebenso waren "anti-nationale" Äußerungen nach dem Verständnis der Verfasser hinreichend, um aufgelistet zu werden und ihre Urheber zu diffamieren. Die Betroffenen gehören den Parteien "Bündnis 90/Die Grünen" und POS an. Im # Die öffentliche Billigung einer Straftat führte zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. 5 übrigen täuscht das Flugblatt offensichtlich ein gemeinsames Handeln seiner rechtsextremistischen Urheber mit solchen politischen Kräften vor, die nicht der ANTI-ANTIFA zuzurechnen sind. Zu diesem Zweck werden als Unterzeichnende unter anderem die CDU, der Bund der Stalinistisch Verfolgten// sowie die Partei 11 "Die Republikaner// (REP) und die Nationaldemokratische Partei 11 Deutschlands// (NPD) aufgeführt. ln die Aufzählung sind die "Front 88", der "Arbeitskreis gegen politische Verfolgung" und ein //Nationales Bürgerforum Burgenlandkreis" eingestreut. Nach dem Bekanntwerden des Flugblattinhaltes haben sich die Naumburger CDU und der Oberbürgermeister der Stadt in deutlicher Form von dem Pamphlet distanziert. Auch ein Vertreter der "Republikaner// bekundete gegenüber der Presse, daß seine Par115 tei nichts mit der "Bürgerinitiative gegen linke Gewalt zu tun habe. Die Urheber dieses Flugblattes sind bislang unbekannt, können aber in der rechtsextremistischen Szene des Burgenlandkreises vermutet werden. + Die Rudolf-HESS-Kampagne 1996 Der HITLER-Stellvertreter Rudolf HESS starb am 17. August 1987 durch Selbstmord im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau. Seit seinem Tod wird er von der neonazisfischen Szene zunehmend zum Märtyrer hochstilisiert und zum Idol verklärt. Die Rechtsextremisten bezeichnen HESS auf Flugblättern und Aufklebern unter anderem als "Märtyrer für den //Friedensflieger// und //Friedensbofschafter des Deutschen ReiSein Todestag wird alliährlich als Anlaß zur Rudolf-HESSKampagne genutzt. 5 .. Naumburger Tageblatt" vom 5.11.1996. 6 Ein bekannter Neonazi hoHe ein Konzept für die "HESSAktionen 1996" entworfen, die den gesamten Monat August umfassen sollten und unter dem Motto "Demokratie und Freiheit schützen - Grundrechte verteidigen!" stand. Erklärtes Ziel der Rechten war es, "den Staat lächerlich zu /,enorme Kosten zu verursa"die Justiz zu entlarven'/ und "die ÖHentlichkeit zu Zur Strategie wurde des weiteren ausgeführt: "Über die Kampagne soll schließlich der ÖHentlichkeit das Bild der neuen nationalen Bewegung vermillelt werden. Nicht mehr Kriegsschule/, Konzentrationslager und Verschwörungstheorie sind unsere Themen, sondern Solidargemeinschaft, Bürgerrechte und Systemalternativel" Das Konzept fand keine mehrheitliche Zustimmung in der rechtsextremistischen Szene und wurde nur ansatzweise und regional umgesetzt. Wie in den Jahren zuvor hatten führende Neonazis ein "RudolfHeß-Aktionskomitee" zur zentralen Koordinierung der Aktionen gebildet, das mit den "Jungen Nationaldemokraten'' eng verflochten war. Die Vorbereitungen zielten darauf ab, möglichst eine zentrale Aktion in der Deutschland durchzu- 7 führen. Die Versorgung der Aktivisten mit HESS-Piakaten und Aufklebern übernahmen die JN und "Die Nationalen e. V.". Sie stellten eine entsprechende Anzeige mit Bezugsadresse und verfügbaren Mengen in das THULE-Mailbox-Netz ein. Bereits im Juli wurden diese Propagandamittel in mehreren Ländern, darunter 6 auch in Sachsen-Anhalt , aufgefunden. ln der Absicht, die Verwaltungsbehörden zu behindern, hatte der Quedlinburger Neonazi HUPKA in sechs verschiedenen Ord- 7 nungsämtern des Landes Sachsen-Anhalt eine Kundgebung für das erste Augustwochenende in Magdeburg mit 500 Teilnehmern angemeldet. Die Veranstaltungen wurden umgehend von den zuständigen Behörden verboten. Die Wittenberger "Kameradschaft Eibe-Ost" rief ebenfalls zu einer HESS-Kundgebung auf. Die Hoffnung auf auswärtige Unterstützung wurde enttäuscht. Am 3. August versammelten sich rund 20 Personen auf dem Bahnhofsvorplatz der lutherstadt. Polizeikräfte verhinderten jedoch den geplanten Marsch. Am gleichen Tag gelang es den "Jungen Nationaldemokraten", im niedersächsischen Bad Harzburg einen Aufmarsch durchzuführen, in dessen Verlauf Transparente mit der Aufschrift "Rudolf _) HeB - ein Toter ruft zur Tar/ und "Rudolf HeB - Märtyrer des Friedens// gezeigt und NPD-Fahnen geschwenkt wurden. Zu den Teilnehmern gehörten neben bekannten Führungspersonen der JN auch Rechtsextremisten aus dem norddeutschen Raum und aus Sachsen-Anhalt. Sicherheitskräfte, die versuchten, die Demonstranten aufzuhalten, wurden durch die Teilnehmer angegriffen und verletzt. Erst einer Hundertschaft der Polizei gelang es, den Marsch aufzulösen. 6 Genthin, Wittenberg und im Monsfelder Land. _ 7 Dessau, Eisleben, Halberstadt, Magdeburg, Salzwedel, Stendal. 8 Alle Ankündigungen und Aufrufe aus der rechtsextremistischen Szene waren bundesweit darauf gerichtet, den 17. August zum Hauptaktionstag werden zu lassen. Eine große, zentrale Kundgebung sollte an einem bis zum Schluß geheimgehaltenen Ort durchgeführt werden. Zur Täuschung der Sicherheitsbehörden wurden bundesweit über 200 Demonstrationen angemeldet. HUPKA übernahm diese Aufgabe für Sachsen-Anhalt und meldete Demonstrationen in Aschersleben, Bernburg, Eisleben, Halberstadt, Magdeburg, Naumburg, Salzwedel, Stendal und Lutherstadt Wittenberg mit dem Thema "Einhalfung demokratischer Grundrechte für alle Meinungen! Gegen Versammlungsverbote und diktalorisehe Tendenzen im Staat."" an. Als verantwortliche Organisation benannte er einen "Verein für Demokratische Erneuerung". Alle Demonstrationen wurden verboten. HUPKA selbst nahm an der vom "Aktionskomitee" geplanten Kundgebung teil, die in Worms {Rheinland-Pfalz} am 17. August unter Leitung der Neonazis WULFF und APFEL durchgeführt wurde. Nahezu zeitgleich sammelten sich ungefähr 1 00 Personen aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und dem Raum Leipzig vor dem Marseburger Hauptbahnhof. Unter der Leitung eines Halleschen Neonazis und des Vorsitzenden des Vereins "Die Nationalen e. V." formierten sich die Rechtsextremisten zu einer Marschko-- j lonne und zogen etwa zehn Minuten durch die Marseburger Innenstadt. Sie skandierten Parolen wie _,_,Rudolf Heß - das war ,_,Rudolf Heß - Märtyrer des Friedens"" und ,,Rudolf Heß - Märtyrer für Deutschland'. Am Nachmittag und Abend kam es im nahegelegenen Bad Lauchstädt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als angetrunkene Rechte randalierten und die Besucher des "Brunnenfestes" bedrohten. Die Polizei nahm 34 Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Gewahrsam. 9 + Aktionen an läßlich des Volkstrauertages Wie auch in den Jahren zuvor schickten sich Rechtsextremisten bundesweit an, den Volkstrauertag öffentlichkeitswirksam für sogenannte "Heldengedenkfeiern" in ihrem Sinne zu mißbrauchen. Da eine zentrale Veranstaltung auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg) seit 1992 von den Behörden regelmäßig verboten wird, sind die Rechtsextremisten dazu übergegangen, dezentrale Veranstaltungen durchzuführen. Es wurden mehrere derartige Aktionen bekannt, die entweder in Sachsen-Anhalt stattfanden oder an denen sich Personen aus Sachsen-Anhalt beteiligt haben. Die "Kameradschaft Eibe-Ost" führte am 17. November eine Gedenkfeier in Kropstädt bei Wittenberg durch, an der auch der Vorsitzende des Vereins "Die Nationalen e. V." SCHWERDT teilnahm. Etwa 40 Personen aus Wittenberg, Berlin, Halle, Coswig und Brandenburg trafen sich an einem Ehrendenkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges in der Nähe von Kropstädt. Es wurden Fackeln entzündet, Fahnen in den Farben schwarzweiß-rot entrollt und Gedenkworte gesprochen. Als die Polizei erschien, wurde die Aktion von den Rechtsextremisten vorzeitig abgebrochen. Auf dem Soldatenfriedhof in Oderbrück (Niedersachsen) fanden ) am Volkstrauertag zwei Gedenkveranstaltungen statt, an denen --Rechtsextremisten aus Sachsen-Anhalt8 beteiligt waren. Am Vormittag führte HUPKA mit zirka 50 Gesinnungsgenossen eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung durch. Am Nachmittag formierten sich rund 50 Angehörige der rechten Szene aus Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu einer weiteren "Heldengedenkfeier". 8 Siehe auch Seite 35. 10 * + Internationale Treffen mit Teilnehmern aus SachsenAnhalt * Belgien Seit 1927 treffen sich iährlich am letzten Augustwochenende im belgischen Diksmuide {Provinz Westflandern} flämische Gruppierungen, um der gefallenen Flamen des Ersten Weltkrieges am lizerturm zu gedenken. Diesen Anlaß nutzen auch Rechtsextremisten aus Westund Osteuropa, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Di-e "lizerbedevaart" 1996 zählte rund 6.000 Besucher. Aus dem Bundesgebiet waren rund 150 Teilnehmer angereist. Unter ihnen befanden sich ehemalige Funktionäre der verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" {FAP} sowie der Bundesvorsitzende der "Jungen Nationaldemokraten" Holger APFEL Wegen der im Voriahr erfolgten Festnahmen von über 140 deutschen Rechtsextremisten, die an Ausschreitungen teilgenommen hatten, rechneten die belgischen Sicherheitsbehörden mit "Vergeltungsmaßnahmen" und erneuten Krawallen. Bereits am Vorabend der Veranstaltung nahm die belgisehe Polizei insgesamt 129 Rechtsextremisten, darunter 43 deutsche Teilnehmer, fest, denen unerlaubter Waffenbesitz und das Verwenden verbotener Kennzeichen vorgeworfen wurde. Unter den Festgenommenen waren auch vier Personen aus Sachsen-Anhalt. * Falangisten-Treffen in Spanien An einem Wochenende um den 20. November iedes Jahres treffen sich "alte Kämpfer" und Neonazis aus dem lnund Ausland 9 in Madrid, um der Todestage von PRIMO DE RIVERA und des 9 Er gründete 1933 die Partei der Falange (ab 1937 von FRANCO geleitete faschistische spanische Staatspartei) und war ab 1934 bis zu seinem Tgd 1936 deren unabsetzbarer Führer. Die Falange wurde 1977 aufgelöst. 11 Diktators FRANCO zu gedenken. Des weiteren wird der Kämpfer der "Division Azul", die mit der deutschen Wehrmacht an der Ostfront gekämpft hatten, sowie auch der gefallenen Soldaten der im spanischen Bürgerkrieg eingesetzten deutschen "Legion Condor" gedacht. Die NPD bot in ihrer Publikation "Deutsche Stimme" mehrmals für ihre Mitglieder Flugund Busreisen nach Spanien an, um ihnen die Teilnahme an den Gedenkfeiern zu ermöglichen. Während i*m Vorjahr rund 200 deutsche Rechtsextremisten zu den Treffen nach Spanien fuhren, waren es 1996 lediglich 50 Personen, die vom 22. bis 24. November an den Veranstaltungen teilgenommen haben. Unter ihnen befanden sich neben bekannten NPDund JN-Funktionären auch einige Personen aus SachsenAnhalt, die der Skinheadszene zuzuordnen sind. + NEONAZISTISCHE PROPAGANDA AUS DEM AUSLAND Die Rechtsextremisten in der Bundesrepublik Deutschland erhalten in beachtlichem Umfang Unterstützung aus dem Ausland durch neonazisfische Propagandamaterialien, deren Produktion und Ausfuhr dort zum Teil straffrei erfolgen kann. Der größte Teil des neonazisfischen Propagandamaterials, das aus dem Ausland 'j nach Deutschland eingeschleust wurde, konnte über eine Kontaktadresse in lincoln/Nebraska aus den USA bezogen werden. Den Versand betrieb bis zu seiner Festnahme der US-Bürger und Führer der 1972 gegründeten "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAPI AO) Gary Rex LAUCK. LAUCK wurde im März 1995 in Dänemark festgenommen und im September 1995 an Deutschland ausgeliefert. 12 * Ende Januar 1996 erhob die Hamburger Staatsanwaltschaft An-klage gegen LAUCK. Sie warf ihm 38 Straftaten in der Zeit von April 1994 bis März 1995 vor. ln der Anklageschrift wurden auch fünf Bezieher von NSDAP/AO-Materialien in Sachsen-Anhalt aufgeführt, darunter der Naumburger Rechtsextremist llias CASTEAS. Zur Prozeßeröffnung gegen LAUCK erschien eine "Sonderausgabe" des "NS-Kampfruf", die von einem sogenannten "Koordinierungsausschuß Europa" der NSDAP/AO unter der Leitung des niederländischen Neonazis Eite HOMAN und mit Beteiligung deutscher Neonazis herausgegeben wurde. Darin riefen die Autoren zu Gewalttaten gegen Vertreter der Sicherheitsbehörden auf: ,,Am 9. Mai in Hornburg GERHAND LAUCK VOR SONDERGERICHT! Das Maß ist vollWIR SCHLAGEN Die von der rechten Szene im Vorfeld des Prozesses gegen LAUCK großartig angekündigte Solidarität blieb aus. Die deutschen Neonazis zeigten wenig Interesse am Prozeß. Am 22. August wurde der Prozeß beendet. Das Landgericht ver__ , urteilte LAUCK zu vier Jahren Haft wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Verbreitung von NS-Propagandamaterialien und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Derzeit verbüßt er die Strafe. Anfang Januar 1996 erhielt eine Bürgerin Magdeburgs unaufgefordert eine Postsendung aus den USA mit diversem Propagandamaterial der NSDAPI AO. Diese Sendung beinhaltete mehrere Ausgaben der Publikation "NS Kampfruf" sowie zahlreiche Aufkleber mit Hakenkreuzen und Aufschriften wie: 13 * II .. d er raus.I" , Aus 1an * uNS-Verbot aufhebenl 11 , uWir sind wieder da I" und "Die Juden sind unser Unglückl". Festzustellen ist, daß die Inhaftierung LAUCKs zu einer nachhaltigen Störung der Logistik seiner Organisation führte, wodurch der Zufluß des einschlägigen Propagandamaterials bundesweit erheblich zurückging. Der noch bis Mitte 1995 alle zwei Monate herausgegebene "NS-Kampfruf" erschien mit großer Verspätung erst wieder Anfang Februar 1996. Die Ausgabe beinhaltete unter anderem mehrere Anschriften der ANTI-ANTIFA, darunter die Postfachadresse der ANTI-ANTIFA in Naumburg. MILITANTE RECHTSEXTREMISTEN Nach wie vor bilden militante Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, ein erhebliches GewaltpotentiaL Ihre Gesamtzahl im Bundesgebiet ist im Berichtszeitraum von 6.200 auf etwa 6.400 angestiegen, nachdem bereits im Voriahr eine vergleichbare Tendenz zu beobachten war. Gewaltbereite Rechtsextremisten in der Bundesrepublik Deutschland - / I 6200 6400 6000 5400 4500 3000 1500 0 1994 1995 1996 *. 14 Bat Sy ne -En ln Sachsen-Anhalt beträgt die Zahl militanter Rechtsextremisten unverändert rund 600 Personen, von denen der überwiegende Teil der rechten Jugendund Skinheadszene zuzurechnen ist. Die Schwerpunkte dieser Szene befinden sich in Magdeburg und im Raum Merseburg, aber auch in der Altmark, in Halle und im Harzbereich sowie im Raum Wittenberg. Die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung rechter Gewalt zeigten offenbar Wirkung bei den potentiellen Tätern und Mitläufern. Zahlreiche Veranstaltungsverbote, polizeiliche Maßnahmen und beschleunigte Gerichtsverfahren sowie die Berichterstattung darüber dürften präventive Wirkung gehabt haben. Als Beispiel für ein zügiges Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden ist folgender Fall anzuführen: Am 14. November hatten drei Jugendliche aus fremdenfeindlicher Motivation heraus einen Moc;ambiquaner zunächst mit rassistischen Worten beschimpft und ihn anschließend geschlagen und getreten. ln einem Eilverfahren verurteilte das Amtsgericht Magdeburg noch am gleichen Tag die Täter im Alter zwischen 18 und 19 Jahren zu ieweils 60 Tagen gemeinnütziger Arbeit in ihrer Freizeit sowie zu ieweils vier Monaten sozialpädagogischer Betreuung durch das Jugendamt. + Übersicht über die Strafund Gewalttaten 10 Im Berichtszeitraum wurden 865 Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation erfaßt, davon 41 Gewalttaten. Während die Gesamtzahl der einschlägigen Straftaten im Vergleich zum Voriahr leicht anstieg (+ 2 %), nahm die Zahl der Gewalttaten um fast die Hälfte ab (- 46 %). Das Ansteigen der Straftaten insgesamt ist im wesentlichen auf die weitere Zunahme von Propagandadelikten zurückzuführen, darunter ins10 Die Zahlen ergeben sich aus der Statistik des Lcfndeskriminalamtes. 16 ('*** Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund 9001 .. *'.. , ;* . 800 ."..., 700 600 500 400 I " 300 * Gesetzesverletzungen gesamt, davon: 200 0 Gesetzesverletzungen ohne Gewaltanwendung 100 * Gesetzesverletzungen mit Gewaltanwendung 0 1994 1995 1996 1:) besondere das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger 4 Organisationen und Hakenkreuzschmierereien. 734 solcher Straftaten wurden registriert, die mitunter von Jugendlichen begangen wurden, denen die Bedeutung und/oder das Verwendungsverbot der Symbole nicht bewußt war. Die Gewalttaten gliedern sich nach Deliktarten wie folgt: Nach ihrem Ziel gliedern sich die Gewalttaten wie folgt: 11 ln allen Fällen handelt es sich um versuchte Töfungen. 18 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund y 70 - MTötung/vers. Tötung MKörperverletzung 60 - MBrandanschlag OiLandfriedensbruch MSachbeschädigung 50 - 4 - 30 - 20 - 10 - bV * Fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten ) Die Zahl der Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation ging gegenüber dem Voriahr um ein Drittel zurück. Nach wie vor waren vor allem Ausländer, mitunter auch nur vermeintliche, Angriffsziel militanter Rechtsextremisten. Die fremdenfeindlichen Gewalttaten gliedern sich nach Deliktarten wie folgt: ) --* Besonders brutale Beispiele für fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten aus dem Berichtszeitraum sind: 12 ln allen Fällen handelt es sich um versuchte Tötungen. 20 * 18. März, Magdeburg Etwa 18 Jugendliche der rechten Szene verfolgten einen Sudanesen und bewarfen ihn mit Pflastersteinen. Als er flüchten wollte, rissen sie ihn zu Boden, traktierten ihn mit Fußtritten und schossen mit einer Schreckschußpistole in sein Gesicht. 29. April, Halberstadt Vier rechtsorientierte Jugendliche verfolgten einen türkischen Asylbewerber und beschimpften ihn mit den Worten: "Bist du etwa Moslem?// Ein Jugendlicher schoß ihm mit einer Sehreckschußpistole ins Gesicht. 7. August, Magdeburg Ein algerischer Staatsbürger, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist, wurde vor seiner Wohnung von 13 rechtsorientierten Jugendlichen überfallen. Die Täter hatten zuvor das Treppenhaus mit Baseballschlägern, Eisenketten und Knüppeln gestürmt und riefen ausländerfeindliche Parolen, unter anderem "KanackenAusländer 2. September, HeHstedt, Landkreis Monsfelder Land Mehrere rechte Jugendliche zerschlugen mit Steinen und Eisenrohren die Fensterscheiben des Asylbewerberheimes und warfen -) dann Brandflaschen in die Unterkunft. Die Polizei ermittelte unter anderem wegen versuchten Mordes. 21. September, Halle Ein der rechten Szene zugehöriger Jugendlicher beleidigte und beschimpfte zwei russische Asylbewerber mit den Worten: "Ihr Russenschweine/ Anschließend bedrohte er die Asylbewerber mit einer Zaunlatte. Als ihm diese entrissen wurde, griff der Jugendliche zu einem Messer und stach auf die Asylbewerber ein. 21 18. Oktober, Halle Zwei rechte Jugendliche fragten einen tschechischen Studenten in der Straßenbahn, ob er Deutscher sei. Als dieser verneinte, hinderten sie ihn zunächst am Aussteigen, zeigten den "Hitlergruß" und schlugen ihn zusammen. * Antisemitisch motivierte Straftaten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stoßen regelmäßig auf erhöhte Sensibilität der Öffentlichkeit. Die Zahl derartiger Straftaten ist erstmals deutlich gesunken. Überwiegend handelte es sich dabei um Schmierereien und Äußerungen mit übelsten Inhalten. Unter den Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurde eine Gewalttat bekannt. 1. Juni, Eckartsberga, Burgenlandkreis Ein Erzieher, der einem Schüler das Abspielen von SkinheadMusik mit antisemitischem Inhalt verbot, wurde daraufhin von ./ dem Jugendlichen zusammengeschlagen. * Gewalttaten gegen politische Gegner Die Zahl der festgestellten Gewalttaten, die von militanten Rechtsextremisten gegen politische Gegner verübt wurden, ist erheblich zurückgegangen. Es wurden drei Ereignisse, davon zwei Gewalttaten, registriert, die ieweils als Angriff von Personen der rechten Szene auf vermeintlich linke Jugendliche einzustufen sind. 22 * Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation 35 34 30 25 25 20 . . . ..- . ... -.... . . .. '* **.: ., 15 10 5 0 1994 1995 1996 * Tötung/vers. Tötung * Körperverletzung * Brandanschlag Landfriedensbruch * Sachbeschädigung Gewalttaten "Rechts" gegen "Links" 16 16 14 12 10 :* .* .. : . *. .: . . . .. 8 6 . . . 4 2 2 0 0 0 0 0 0 1994 1996 *. Die Gewalttaten gegen den politischen Gegner gliedern sich nach den Deliktarten wie folgt: Im einzelnen wurde bekannt: 2. Februar, Nudersdorf, Landkreis WiHenberg Etwa 15 Anhänger der Wittenberger "Kameradschaft Eibe-Ost" suchten eine Diskothek auf. Kurz nach Betreten der Räume kam es zwischen den Gästen und den Rechtsextremisten zu Auseinandersetzungen. Später wurde ein Bus, der Diskothekbesucher nach Hause beförderte, von Personen der rechten Szene angegriffen und stark beschädigt. Hierbei wurde ein Businsasse verletzt. Nach dem Vorfall wurden vier Kameradschaftsangehörige von der Polizei festgenommen. 16. Mai, Quedlinburg Mehrere rechte Jugendliche überfielen einen Jugendclub, der überwiegend von Personen der linken Szene besucht wird. Dabei warfen sie mit Steinen die Fensterscheiben ein, brachen die Eingangsfür auf und demolierten die Inneneinrichtung. 24 * Altersstruktur der mutmaßlichen Täter Auffallend ist das zumeist jugendliche Alter der militanten Rechtsextremisten. Auch im Berichtsjahr hat sich der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gesamtzahl der rechtsextremistischen Tatverdächtigen weiter erhöht. Mehr als zwei Drittel der 463 bekanntgewordenen mutmaßlichen Straftäter waren zun1 Tatzeitpunkt nicht älter als 20 Jahre. Die rechtsextremistischen Straftaten wurden überwiegend von männlichen Personen begangen. Lediglich 26 der mutmaßlichen Tatbeteiligten sind weiblichen Geschlechts, darunter sechs Personen, denen Gewalttaten vorgeworfen werden. Von den insgesamt erfaßten Tatverdächtigen sind 75 Personen mehrfach in Erscheinung getreten. Altersstruktur der mutmaßlichen Täter: 13 Die Daten von Tatverdächtigen dieser Altersgruppe werden aus datenschutzrechtlichen Gründen nur in anonymisierter Form für statistische Zwecke erfaßt. 1 "' Die Zahl der Tatverdächtigen unter 16 Jahren wurde nicht ermittelt. 25 +VERANSTALTUNGEN MIT SKINHEADBANDS Für die rechte Jugendund Skinheadszene erfüllen Skinheadkonzerte eine wichtige kommunikative Funktion. Zugleich sind sie ein demonstrativer Beleg für die Mobilisierungsfähigkeit dieser Szene. Seit 1995 ist bundesweit eine deutliche Zunahme der Skinheadkonzerte festzustellen, zu denen Rechtsextremisten länderübergreifend aufriefen. An den Veranstaltungen beteiligten sich mehr Personen aus Sachsen-Anhalt als noch im Jahr zuvor. Im Gegen.satz zum Bundestrend ging die Zahl der Konzerte in Sachsen-Anhalt deutlich zurück. Die rechten Magdeburger Bands "Eibsturm" und "Doitsche Patrioten" hatten nur wenige Auftritte, zu denen sie in mehreren Fällen auf andere Länder ausweichen mußten. Die zuständigen Behörden in Sachsen-Anhalt unterbanden derartige Konzerte konsequent, sobald der Veranstaltungsort bekannt wurde. Einige Auftritte konnten nicht von Beginn an verhindert werden, weil es ihre Organisatoren geschickt verstanden, die Veranstaltungen äußerst konspirativ vorzubereiten und die anreisenden Teilnehmer erst über Handys zum geheimgehaltenen Veranstaltungsort zu lotsen. Des weiteren konnte festgestellt werden, daß Skinheadkonzerte als "Geburtstagsparty" oder "Hochzeitsfeier" getarnt angemeldet wurden, um Räume anmieten zu können und um die Behörden zu täuschen. 20. Januar, Bad Kösen, Burgenlandkreis ln der als Treffpunkt der rechten Szene bekannten Gaststätte "Burgblick" fand ein Konzert mit zwei Thüringer Skinheadgruppen statt, das als "Geburtstagsfeier" angemeldet worden war. Am Rande der Veranstaltung kam es zu Schlägereien zwischen Jugendlichen. Von der Polizei wurden insgesamt 186 Identitätsfeststellungen vorgenommen und gegen mehrere Personen Ermittlungsverfahren wegen des Verwendans von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet. 26 2. März, Barleben, Ohrekreis ln einer Lagerhalle einer ehemaligen LPG fand ein Skinheadkonzert unter Beteiligung mehrerer Gruppen aus England und Deutschland, darunter auch "Eibsturm", statt. An dem Treffen nahmen um die 700 Personen teil, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Die Polizei führte nach dem Bekanntwerden der nicht angemeldeten Veranstaltung umfangreiche Identitätsfeststellungen durch. Fast alle Teilnehmer konnten bei der Abfahrt kontrolliert werden. 14 Rechtsextremisten wurden in Gewahrsam genommen und Ermittlungsverfahren gegen sie ei ng el eitet. Bezeichnend ist die konspirative Vorbereitung des Konzertes durch den Veranstalter, einem bekannten Neonazi. Die mit Kraftfahrzeugen anreisenden Konzertteilnehmer standen während der Anfahrt ständig durch Mobiltelefone mit den Organisatoren in Verbindung und wurden so zum Veranstaltungsort dirigiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur einem kleinen Personenkreis bekannt, wo das Konzert stattfinden würde. ln der rechten Szene wurde eine Flut von Angaben zu möglichen Veranstaltungsorten in und außerhalb von Sachsen-Anhalt verbreitet, um die Sicherheitsbehörden möglichst lange über den tatsächlichen Veranstaltungsort im unklaren zu lassen und Verbotsmaßnahmen * zu erschweren. 1 0. August, Kakerbeck, Landkreis Westliche Altmark Rechtsextremistische Skinheads, die sich als "Kameradschaft Klötze" bezeichnen, organisierten den Auftritt der Gruppe "Eibsturm" in einer Sporthalle. Die etwa 130 Teilnehmer wurden über Mobiltelefone zum Veranstaltungsort geleitet. Statt Eintrittskarten erhielten die Besucher einen Hakenkreuzstempel auf den Handrücken. Es wurden wiederholt ausländerfeindliche Parolen skandiert. Nach der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung wurde die Veranstaltung von der Polizei aufgelöst. Neun Personen, die sich der Räumung widersetzten, wurden festgenommen. Darüber 27 " > NACHRICHTEN DER kart hinaus stellte die Polizei rechtsextremistisches Propagandamaterial sowie die Musikanlage sicher. Die regelmäßigen Verbote sind, wie die Beispiele zeigen, begründet. Zum einen spielen die auftretenden Skinbands auch Musiktitel mit strafrechtlich relevanten Texten, zum anderen werden von Konzertbesuchern während und nach den Veranstaltungen Straftaten begangen. Zudem nutzen einschlägig bekannte Musikvertriebe solche Veranstaltungen, um Tonträger zu verkaufen, die überwiegend von der Bundesprüfsteile für iugendgefährdende Schriften (BPiS) indiziert 15 sind. Darüber hinaus werden Skinheadutensilien, Fanzines und Tonträger mit Kennzeichen verbotener Organisationen angeboten. Auch in Sachsen-Anhalt sind zwei Vertriebe bekannt, die bei Konzerten oder über Katalog ihre Artikel der rechten Szene anbieten. NEONAZIS11SO-IE ORGANISA110NEN UND GRUPPIERUNGEN + "Die Nationalen e. V/ 1 Vertreter von NPD, Deutsche Liga für Volk und Heimat (DlVH) und FAP sowie ehemalige Mitglieder der REP gründeten im September 1991 ein Zweckbündnis unter der Bezeichnung "Freiheitliche Wählergemeinschaft - 'Wir sind das Volk' ", um an den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen teilzunehmen. Im Januar 1992 erfolgte die Umbenennung in "Die Nationalen e. V.". Der Verein trat nunmehr mit dem Ziel an, integrativ auf die Einheit der "nationalen Kräfte" hinzuwirken. Folglich wurde die Zusammenarbeit mit oll denen betrieben, die sich in den verschiedensten Organisationsformen des "rechten Spektrums", von Parteien bis hin zu Kameradschaften, sammelten. Ab 1995 und insbesondere nach dem Verbot der FAP verstärkte sich die neonazisfische Ausrichtung des Vereins, der 15 Die Weitergabe an Jugendliche ist nach dem ,Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der seit dem 01.04.1985 geltenden Fassung strafbar. 29 L Brandenburg hinaus erweitern konnte. Bundesweit sind den "Nationalen e. V." rund 150 Personen zuzurechnen. Darunter befinden sich auch Jugendliche, die als "Junges Nationales Spektrum" (JNS) auftraten. Im Oktober 1996 erfolgte die Umbenennung derJugendorganisation in "Jungnationale" (JNA). Seit 1992 erscheint die "Berlin Brandenburger-Zeitung der nationalen Erneuerung" (BBZ), die vom Vorsitzenden des Vereins Frank SCHWERDT herausgegeben wird. Zudem gibt es seit Oktober 1995 Regionalausgaben, deren Zahl sich Anfang 1996 auf fünf erhöhte, als unter dem Namen "Mitteldeutsche Rundschau" eine Ausgabe für Sachsen und Sachsen-Anhalt hinzukam. Die Publikation wird über eine Kontaktanschrift der "Kameradschaft Elbe-Ost" und auch über ein Postfach in Quedlinburg vertrieben, das im Zusammenhang mit den Aktivitäten HUPKAs aufgefallen ist. Der Neonazi HUPKA ist in der BBZ und ihren Regionalausgaben als Korrespondent benannt. Es verwundert somit nicht, wenn bereits in der zweiten Ausgabe der "Mitteldeutschen Rundschau" über die Gründung eines "Bürgerkomitees für Meinungsfreiheit" in Quedlinburg berichtet und in diesem Zusammenhang erläutert wird: "Ziel ist es, bewußfte Gesetzesverletzungen seitens der Sicherheitsbehörden öffentlich zu machen und somit für mehr Rechtsschutz für betroffene Bürger zu sorgen. Darüber hinous will das 'Bürgerkomitee' die Kontinuität von MfS, Verfassungsschutz und polizeilichen Staatsschutz in der BRD beleuchten." '(r) 1% Mitteldeutsche Rundschau" Nr.2/1. Jg. März/April 1996. 30 ln einem weiteren Beitrag wird über eine Flugblattaktion der "Kameradschaft Eibe-Ost" gegen den als linkes Jugendzentrum bekannten "Schweizer Garten" in Wittenberg berichtet und Werbung für die Ziele der Wittenberger Rechtsextremisten betrieben. Das Eintreten für die dortigen "Kameraden" überrascht nicht, da seit mehreren Jahren enge Kontakte zwischen SCHWERDT und der "Kameradschaft Eibe-Ost" bestehen. Die bisherige Zusammenarbeit beinhaltete sowohl Aktivitäten in Sachsen-Anhalt als auch die Mobilisierung der Kameradschaftsangehörigen für Veranstaltungen, die "Die Nationalen e. V." im übrigen Bundesgebiet durchführten. ,.'' Für Ende Januar hatte SCHWERDT in Hoyerswerda {Sachsen} einen Aufzug unter dem Thema "Die Deutsche Reichsgründung" angemeldet. Für die Veranstaltung wurde mit Einladungsschreiben und über das "Nationale Infotelefon Berlin" geworben. Trotz eines Veranstaltungsverbotes reisten 180 bis 200 Teilnehmer an, von denen 31 Personen, die einem Platzverweis nicht nachkamen, in Polizeigewahrsam genommen wurden. Unter den Festgenommenen waren auch Angehörige der "Kameradschaft EibeOst". Mitte Dezember fand in Guben {Brandenburg) die Jahreshaupt_} versammlung des Vereins "Die Nationalen e. V." statt. Etwa 20 Personen aus Sachsen-Anhalt nahmen daran teil, unter ihnen Anhänger der "Kameradschaft Eibe-Ost", der "Harzfront" sowie Personen der "rechten Szene" der Altmark. Bei den Vorstandswahlen wurden SCHWERDT als Vereinsvorsitzender bestätigt und die "Jungnationalen" durch Satzungsänderung in den Verein aufgenommen. 31 Im Anschluß an ihre Jahreshauptversammlung führten "Die Nationalen e. V." in Liebenwalde (Brandenburg) ein Konzert mit dem bekannten rechten Liedermacher KELTERBORN aus Thüringen durch. Die Veranstaltung war nicht genehmigt, so daß die Polizei den Teilnehmern einen Platzverweis aussprach. Bei den Personenkontrollen wurden 13 Rechtsextremisten aus SachsenAnhalt festgestellt. + "Kameradschaft Elbe-Ost 11 .. Die "Kameradschaft Eibe-Ost" ging aus der seit 1991 bekannten "Kameradschaft Wittenberg" hervor und bezeichnete sich zwischenzeitlich als "Kameradschaft Wittenberg im Freundeskreis 'Die Nationalen e. V.'", als "Kameradschaft Ostelbe" und als "Kameradschaft Anhalt" . Im Berichtszeitraum wurde von der Kameradschaft mehrmals die Bezeichnung "Kameradschaft EibeOst Wittenberg e. V./Die Nationalen e. V." verwendet. Der Kameradschaft sind ungefähr 80 Mitglieder und Sympathisanten aus Wittenberg, Coswig, Dessau, Roßlau, Bergwitz und Gräfenhainichen zuzurechnen. Der Personenkreis setzt sich aus ehemaligen FAP-Anhängern, Skinheads und Hooligans zusammen. Nur 25 bis 30 Angehörige beteiligen sich regelmäßig an i den Aktivitäten ihrer Kameradschaft. Im übrigen ist eine hohe " Fluktuation auffällig. Nach eigenem Bekunden hat sich die Kameradschaft die Pflege und Wahrung des nationalen Brauchtums zum Ziel gesetzt. Regelmäßig finden Kameradschaftsabende mit politisch-ideologischer Schulung der Teilnehmer statt. Daneben beteiligt man sich an überregionalen Veranstaltungen der rechten Szene. Nach wie vor hält die "Kameradschaft Eibe-Ost" engen Kontakt zum Verein "Die Nationalen e. V." und wird insbesondere durch SCHWERDT mit Schulungsund Propagandamaterial, aber auch finanziell unterstützt. 32 . ' " .. Die Aktivitäten der Kameradschaft haben 1996 gegenüber dem Voriahr zugenommen. Offensichtlich ist es gelungen, die politische Arbeit zu intensivieren und weitere Anhänger zu gewinnen, die zunächst eine gewisse "Probezeit" zu bestehen haben. Zudem waren Bemühungen der Vereinsmitglieder zu beobachten, die Kameradschaft in der Öffentlichkeit bekanntzumachen und ihr bisheriges eher unfriedliches Erscheinungsbild zu korrigieren. Bereits Ende 1995 war von der Kameradschaft ein im Stil der ANTI-ANTIFA gehaltenes Flugblatt verbreitet worden, um die Wittenberger Bevölkerung gegen das autonome Jugendzentrum "Schweizer Garten" einzunehmen und sich selbst als "Bürgerinitiative für Recht und Ordnung" darzuste IIen. Die aus Sicht der Rechten erfolgreich verlaufene Flugblattaktion führte im Mai 1996 dazu, daß Angehörige der Kameradschaft erneut Flugschriften gegen den "Schweizer Garten" in Wittenberg verteilten. Unter der Überschrift ,, Was ist eigenflieh los in unserer Stadt?" wird über den "Mordanschlag'' auf einen Jugendlichen in Wittenberg berichtet und der aus der linken Szene stammende Täter benannt. Für die Gewalt in der Stadt werden der "Schweizer Garten" und ein PDS-landtagsabgeordneter verantwortlich gemacht. Die Flugblattinhalte und weitere Textpassagen zu den Aktivitäten der "Kameradschaft Eibe-Ost" gegen den "Schweizer Garten" waren auch in dem von der rechtsextremistischen Szene betriebenen THULE-Mailbox-Netz eingestellt worden und fanden dadurch überregionale Verbreitung. 33 ,. Wie bereits zuvor beteiligten sich Anhänger der Wittenberger Kameradschaft auch im Jahr 1996 an rechtsextremistischen Straftaten, darunter mehrere Gewalttaten. Als herausragende Aktion sei hier der Überfall auf einen Bus angeführt, bei dem eine Person verletzt wurde und hoher Sachschaden entstand. Nach dem Vorfall wurden vier Kameradschaftsangehörige von der Polizei festgenommen. Derartige Militanz paßt nicht in das Erscheinungsbild, welches der Verein von sich in der Öffentlichkeit darzustellen versucht. Auch die tatsächlichen politischen Positionen der "Kameradschaft Eibe-Ost" werden an deren weiteren Aktivitäten deutlich. So versuchten Kameradschaftsangehörige, sich ., mit einer nicht angemeldeten Demonstration an den bundesweiten rechtsextremistischen Aktionen zum Gedenken an den HITLER-Stellvertreter HESS zu beteiligen. Die Polizei konnte das Vorhaben rechtzeitig unterbinden. Anläßlich des Volkstrauertages führte die Kameradschaft eine sogenannte "Heldengedenkfeier" durch. + Gruppierungen und Aktionsbündnisse im Harzbereich Seit Anfang 1993 versuchen führende Neonazis, ein Netz von nach außen hin unabhängig auftretenden und intern hierarchisch organisierten Zellen, analog dem linksextremistischen Spektrum, ,i aufzubauen. Damit beabsichtigen sie, mit weniger angreifbaren Organisationsstrukturen die staatlichen Verbote zu unterlaufen. 11 * "Harzfronf Seit 1994 tritt in der Harzregion ein von HUPKA geleitetes Aktionsbündnis "Harzfront" unter nach wie vor wechselnden Bezeichnungen auf. Das erweckt nach außen hin den Eindruck, als handele es sich um den Zusammenschluß mehrerer unabhängiger Gruppierungen. Tatsächlich stehen hinter den Aktivitäten der "Harzfront" nur wenige Personen; somit ist davon auszugehen, daß unter den bekanntgewordenen Bezeichnungen 34 * "Harzer Heimatschutzbundu (Thale), 11 * "Aufbruch (Biankenburg), * "Unabhängiger Arbeitskreisu (Quedlinburg) sowie * "Bürgerkomitee für jeweils die gleichen Aktivisten auftreten. So können der "Harzfrontu am Ende des Berichtszeitraumes lediglich etwa 15 Personen zugeordnet werden. Gleichwohl ist HUPKA in der Lage, anlaßbezogen weitere Rechtsextremisten aus dem Raum Quedlinburg zu mobilisieren. Seit zwei Jahren ist zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem "Deutschen Freundeskreis Nordharzu (DFN) und mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen der 17 Region und Parteien, hier insbesondere mit N PD und JN, feststell bar. Anhänger der "Harzfront" nehmen auch an den "Runden Tischenil des rechtsextremistischen Spektrums teil. Im Berichtszeitraum organisierte oder unterstützte HUPKA mehrere Veranstaltungen, an denen Rechtsextremisten verschiedener Gruppierungen teilnahmen. Dazu zählten die Sonnenwendfeiern, die in Süpplingen und Vienenburg (beide Niedersachsen) stattfanden und an denen sich insgesamt 250 Personen aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin beteiligten. Des weiteren 18 nahm er den Volkstrauertag zum Anlaß, eine "Heldengedenkfeier11 auf dem Soldatenfriedhof "Oderbrück11 (Niedersachsen) abzuhalten, zu der ebenfalls überregional mobilisiert werden konnte. 19 HUPKA ist einer der Initiatoren der ANTI-ANTIFA in SachsenAnhalt. Nach seinem Bekunden soll der "Harzfront" die Rolle einer zentralen Sammelstelle für Informationen zukommen, die im Rahmen organisierter Aktivitäten gegen den politischen Gegner 17 Ehemalige Anhänger der FAP in Wernigerode. 18 Siehe auch Seite 10. 19 Siehe auch Seite 3ff. 35 und im Zusammenhang mit den Maßnahmen der Sicherheitsund Ordnungsbehörden gegen Rechtsextremisten anfallen. Die gesammelten Daten wurden genutzt, um auf Flugblättern gegen die linke Szene zu polemisieren und einzelne "mißliebige" Personen zu diffamieren. So wurde im Februar in Quedlinburg ein mit //Linker Terror// überschriebenes Flugblatt aufgefunden. Als Verfasser bekannte sich ein "Unabhängiger Arbeitskreis", der den Behörden darin vorwirft, die //linken Gewalttäter// nicht zu verfolgen und sie sogar finanziell zu unterstützen. * Rechtsextremistische Szene Wernigerode Schwerpunkt rechtsextremistischer Aktivitäten in der Harzregion ist Wernigerode. Bis zum FAP-Verbot im Februar 1995 existierte dort der bundesweit größte Kreisverband dieser neonazisfischen Vereinigung, der enge Kontakte zu bekannten Führungspersonen der deutschen Neonaziszene unterhielt. Nach dem Verbot zerfiel der Kreisverband in einzelne Splittergruppen ohne erkennbare Organisationsstrukturen. Die Kontakte zum ehemaligen Bundesvorsitzenden der FAP und weiteren bundesweit operierenden Neonazis brachen weg. Einige ehemalige FAP-Anhänger sind seitdem in die Aktivitäten des von Niedersachsen aus agierenden "Deutschen Freundeskreis Nordharz11 (DFN} eingebunden oder haben sich einer als 11 Harzblickszene 11 bekannten militanten Skinhead-Gruppierung in Wernigerode zugewandt. Der rechtsextremistischen Szene in Wernigerode können am Ende des Berichtszeitraumes rund 50 Personen zugeordnet werden, darunter etwa 25 Neonazis einer "Kameradschaft" Wernigerode und etwa 20 Angehörige der "Harzblickszene" . Anlaßbezogen war die Mobilisierung weiterer Personen festzustellen. Einige Führungspersonen unterhielten enge Kontakte zu HEISE (Niedersachsen) und HUPKA, die genutzt wurden, um an gemeinsamen überregionalen Veranstaltungen teilzunehmen. Daneben wurden 36 die üblichen "Kameradschaftsabende" und Liederabende durchgeführt. * "Deutscher Freundeskreis Nordharz11 (DFN) Der 1994 im Landkreis Goslar (Niedersachsen} gegründete DFN hatte sehr bald seinen Wirkungsbereich auch auf den Landkreis Quedlinburg ausgedehnt. Der Gruppierung können rund 20 Personen, überwiegend aus dem Raum Goslar, zugerechnet werden. Auch ehemalige FAP-Anhänger aus Wernigerode nahmen an DFN-Veranstaltungen teil. Das Ziel des DFN ergibt sich aus einem Zitat aus der vom DFN herausgegebenen Publikation "NORDHARZ INFO-Dienst", die unter anderem über Postfächer in llsenburg (Landkreis Wernigerode) und Liebenburg (Niedersachsen) zu beziehen ist, in dem es heißt: "W'ir haben es uns zur Aufgabe gemacht die in den verschiedenen rechten Parteien und Gruppen aktiven Menschen in unserer Region zu vernetzen und darüber hinaus eine überparteiliche Plattform im DFN zu bieten.. .Im DFN ist das gesamte Spektrum/ von gemäßigt-patriotisch bis zum radikal-nationalistisch gesinnten Menschen/ vertreten. // 20 Der DFN fiel durch seine nationalistische und betont feindselige Haltung gegenüber Ausländern, insbesondere Asylbewerbern, auf. Dies zeigte sich insbesondere in der Agitation auf Flugblättern und anderen Propagandamaterialien, die regelmäßig verbreitet wurden. Unter anderem konnten Aufkleber mit folgenden Inhalten festgestellt werden: 20 Ausgabe 3 und 4/1994. 37 ,,Stoppt die antideutsche Medienhetze I" "Wir wollen nicht der 51. Bundesstaat der USA sein Deutschland zuerst" "Familienzusammenführung der Ausländer in ihrer Heimat Deutschland den Deutschen!" Des weiteren beteiligte sich der DFN an der ANTI-ANTIFAKampagne. ln diesem Zusammenhang wurde ein Flugblatt bekannt, das Anhänger des "Freundeskreises" im Harzbereich verteilten. Unter der Überschrift "Feiger Anschlag auf nationale Bürger" setzt sich eine "Bürgerinitiative für Meinungsfreiheit" mit dem Angriff auf zwei bekannte DFN-Aktivisten auseinander. + "Volkstreue Bewegung Halle (VBH) 11 Seit Ende 1995 ist in Sachsen-Anhalt eine regionale Gruppierung mit dem Namen "Volkstreue Bewegung" aktiv und führt in regelmäßigen Abständen "Runde Tische" durch. Etwa zehn Personen aus dem Raum Halle können der Gruppe zugerechnet werden. Der Kreis setzt sich aus Skinheads und ehemaligen FAPAnhängern zusammen. Offenbar bestehen gute Kontakte zu -- 1 SCHWERDT (Berlin), der die "Volkstreue Bewegung" mit Propa- j gandamaterial unterstützt. Das Programm der VBH, die sich auch als "Bürgerbewegung Halle/Saale e. V." bezeichnet, ist mit dem Programm der Vereinigung "Die Nationalen e. V." nahezu identisch. Neben völkischkollektivistischem und. antisemitischem Gedankengut ist darin eine ausländerfeindliche und biologisch-rassistische Ideologie vorherrschend. Die inhaltlichen Schwerpunkte beziehen sich auf den Umgang mit die angeblich drohende "Überfremdung" des deutschen Volkes sowie die strikte Ablehnung der 38 Europäischen Union. ln der Präambel zum Programm sind die Ziele der VBH deutlich formuliert: N Wir kämpfen für nationale Identität, soziale Gerechtigkeit, innere Sicherheit, die Erholtun der Familie, eine gesunde Umwelt und geschichtliche Wahrheit. wir verwahren uns gegen jede Form der moralischen Erpressung des deutschen Volkes. Wie sie seit 1945 durch die bisher etablierten Parteien geduldet wird.'' (Fehler übernommen) An den Veranstaltungen der "Volkstreuen Bewegung" in Halle konnte mitunter eine überregionale Beteiligung festgestellt werden. So trafen sich zu einem "Überparteilichen Runden Tisch" im Februar rund 60 Personen der rechten Szene, darunter auch HUPKA. Bei dem Treffen wurde rechtsextremistisches Propagandamaterial, unter anderem die einschlägige Publikation "Unabhängige Nachrichten" und Flugblätter der JN, verteilt. Die VBH-Anhänger beteiligten sich an den regelmäßig durchgeführten Kameradschaftsabenden und auch an solchen überregionalen Veranstaltungen, die im Rahmen rechtsextremistischer Kampagnen stattfanden. So war der Verein im Rahmen der , HESS-Aktionen 1996 21 an einem Aufmarsch von Rechten in Marseburg beteiligt. 21 Siehe auch Seite 6ff. 39 + Publikation "Umbruch 11 Seit 1 994 gibt der Quedlinburger Neonazi Steffen HUPKA den "Umbruch" heraus, der sich in rechtsextremistischen Kreisen zu einer wichtigen Publikation von überregionaler Bedeutung entwickelt hat. Auf Veranstaltungen von DFN, NPD und JN sowie durch das Einstellen von Texten in das THULE-Mailbox-Netz fand der "Umbruch" über Sachsen-Anhalt hinaus Verbreitung. Bis zum Mai 1 996 erschien die Publikation, von einzelnen Unterbrechungen abgesehen, regelmäßig im Abstand von zwei Monaten mit einer geschätzten Auflagenhöhe von 300 Exemplaren. Von der darauffolgenden Ausgabe wurden im Zuge einer polizeilichen Durchsuchung 270 Exemplare beschlagnahmt. Hintergrund der Aktion war eine Strafanzeige durch Jan Philipp REEMTSMA, über den sich HUPKA im beschlagnahmten "Umbruch" Nr. 12 in abfälligster Weise geäußert hatte. Erst im Dezember erschien die nächste Ausgabe des Pamphlets. Seit 1 995 nutzt HUPKA den "Umbruch" für ANTI-ANTI FA-Aktivitäten und führte dies auch im Berichtsiahr fort. Darüber hinaus geht es ihm offensichtlich darum, die Verflechtung einzelner neonazistischer Gruppierungen weiter voranzutreiben und die strategischen und taktischen Möglichkeiten lokaler und regionaler J Gruppen zu verbessern. HUPKA, der auch Landesbeauftragter der JN in Sachsen-Anhalt ist, ruft die "Kameraden" dazu auf, der NPD-Jugendorganisation beizutreten, um in legalen Strukturen von den Möglichkeiten einer bundesweiten Organisation zu profitieren: "Viele Kameraden bekunden auch verstärkt ihr Interesse für die JN d. h. sie zeigen den Willen, sich zu organisieren. Das ist grundsätzlich immer richtig und bringt einige Vorfeile Zu warnen ist allerdings davor, nun gleichzeitig als komplette Gruppe in diese Organisation einzutreten. Es ist nie verkehrt, wenn einige Akfivistl!!n und Sympathisanten unorga40 nisierl bleiben, d. h. schwerer für den -Gegner eingeordnet werden können macht eine Arbeitsteilung! laßt einige Leute den Kontakt zur JN durch Mitgliedschaft halten und nutzt so die Vernefzung mit einer großen Organisation, - andere Kameraden können dafür andere Aufgaben vor Ort übernehmen."" {Fehler übernommen) 22 Unter der Überschrift .,.,Revolutionärer Anspruch und revolutionäre Wirklichkeit"" fordert HUPKA für das "nationale" Lager .,.,revolutionäres Bestreben"" über eine Reformbewegung hinaus und erläutert dazu: .,,Revolutionärem Denken geht die Erkenntnis voraus, daß der existierende Staat das, was man selber für die wichtigsten Lebensbereiche des Volkes als richtig erachtet, nicht nur nicht durchsetzt, sondern es sogar bekämpft bzw. unterdrückt. D. h .., daß der Staat auf politischen., wirtschaftlichem, sozialen, kulturellen und militärischem Bereich entweder versagt oder sogar ganz bewußt Maßnahmen ergreift, die das Volk und land in seiner Substanz bedrohen."" 23 (Fehler übernommen) HUPKA rät, zunächst .,,das System'" gründlich zu analysieren und ) folgert: "Wenn wir dann zu der Erkenntnis gelangt sind, daß es eben nicht mehr zu wandeln ist, dann müssen wir - wenn wir nicht resignieren wollen - uns klar darüber sein, daß wir die Revolution wollen. "" 24 22 "Umbruch" Nr.ll /1996. 23 ,.Umbruch" Nr.13/1996. 2 " Ebenda. 41 Das Signal der Landtagswahlen W** jetzt *uf dem SJ>Iel ateht - * Drutfrbr IDorbrn3ritung . . . . . . . . ,L fijjjJlEf::::.:;: ;, :PS ) RECHTSEXTREMisn5CHE PARIElEN UND ORGANISAnONEN + "Die Republikaner'1 (REP) "Die Republikaner" wurden 1983 in München unter Beteiligung des Publizisten Franz SCHÖNHUBER gegründet, der ihr langjähriger Bundesvorsitzender war. Seit 1994 wird die Partei, die den Sitz ihrer Bundesgeschäftsstelle in Berlin hat, von Dr. Rolf SCHLIERER geführt. Die Zahl der Mitglieder ist seit Jahren rückläufig, lag am Ende des Berichtszeitraumes aber noch bei rund 15.000 (1995: 16.000). Damit sind die "Republikaner" neben der "Deutschen Volksunion" (DVU) die größte rechtsextremistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland. Der auf dem Bundesparteitag im Oktober mit großer Mehrheit als Vorsitzender wiedergewählte Dr. SCHLIERER sieht den von ihm eingeschlagenen Kurs bestätigt, der die Aufnahme nationalkonservativer Politikinhalte und die Ablehnung eines Bündnisses mit anderen rechtsextremistischen Parteien beinhaltet, um durch weniger radikale Außendarstellung die Akzeptanz breiterer Wählerschichten zu erreichen. Zudem kann Dr. SCHLIERER auf die im März durchgeführte Landtagswahl in Baden-Württemberg verweisen, bei der den REPs der Wiedereinzug in das Landesparlament gelungen war. Dennoch sind die parteiinternen Auseinan_.> dersetzungen in der Frage der Bündnispolitik keinesfalls beendet, wie die Situation in einigen Landesverbänden zeigt. ln Sachsen-Anhalt war der Rückgang der Mitgliederzahlen der Partei besonders deutlich. Gegenüber 800 Mitgliedern im Jahr 1993 gehörten am Ende des Berichtszeitraumes nur etwa 250 Personen den REP an. Trotz dieser Tendenz blieben die "Republikaner" die zahlenmäßig stärkste rechtsextremistische Partei im Land. Der Landesverband gliedert sich in Kreisund Ortsverbände. Dr. Rudolf KRAUSE wurde im Januar 1997 in seiner Funktion als Landesvorsitzender von Wolfgang HÖBER abgelöst. Wie be43 reits zuvor, waren auch 1996 die Aktivitäten des Kreisverbandes Magdeburg auffällig. Dieser Kreisverband ist offensichtlich nicht bereit, die bisherige lokale Zusammenarbeit mit Vertretern anderer rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen aufzugeben. Die bestehenden Kontakte zu Magdeburger NPD-Mitgliedern wurden weiterhin gepflegt und gipfelten in der Durchführung gemeinsamer Aktionen. So bauten Mitglieder beider Parteien gemeinsame Informationsstände in Magdeburg und in Schöneback auf, die iedoch in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fanden. Am Volkstrauertag trafen sich Vertreter von REP und NPD zu einer gemeinsamen "Gedenkveranstaltung". Darüber hinaus führten die Republikaner im Berichtszeitraum mehrere Flugblattaktionen in Magdeburg durch, bei denen Propagandamaterial sowie Flugblätter des einschlägig bekannten Rechtsextremisten GODENAU (Hessen) verteilt wurden. Auf den Flugschriften wird unter der Überschrift "Aufruf an alle Deutschen// gegen den //ungehemmten Zuzug von Ausländern// und die nach Auffassung der Rechtsextremisten drohende //Überfremdung'' der Bundesrepublik Deutschland polemisiert. Die Aktivitäten des Kreisverbandes Magdeburg, die den Abgrenzungsbeschlüssen des Bundesvorstandes der Partei zuwiderlaufen, wurden durch Dr. KRAUSE geduldet. Dieser hatte sich des .._) öfteren für eine Zusammenarbeit der rechten Parteien ausgesprochen, äußerte sich iedoch nach seiner Wahl zum Stellvertreter Dr. SCHLIERERs deutlich zurückhaltender. Gleichwohl blieb er einer der schärfsten Widersacher des Bundesvorsitzenden und ließ nichts unversucht, dessen Machtbefugnisse einzuschränken. Das Vorhaben mißlang, und Dr. KRAUSE mußte auf dem Bundesparteitag in Hannover mit seinem Ausscheiden aus dem Bundesvorstand einen herben Prestigeund Machtverlust hinnehmen. 44 Während Dr. KRAUSE über den Bundesvorsitzenden der Partei äußert: //Mein Vertrauensverhältnis zu ihm ist zerstört// 25 , erscheint sein Verhältnis zu SCHÖNHUBER ungetrübt. Tatsächlich wollten die Republikaner in Sachsen-Anhalt den Ende 1 995 aus der Partei ausgetretenen Ex-Vorsitzenden wieder für das Amt des Bundesvorsitzenden vorschlagen. Dazu hatte der Landesvorstand im August einen Beschluß gefaßt und in einem Brief an SCHÖNHUBER diesen gebeten, ,, ... in unseren landesverband Sachsen-Anhalt einzutreten und auf dem nächsten Bundesparleitag ... wieder die Führung unserer Partei zu übernehmen// 26 * SCHÖNHUBER lehnte ab. ) + "Nationaldemokratische Partei Deutschlands11 (NPD) * Die NPD wurde 1964 in Hannover mit dem Ziel gegründet, die rechte Opposition in einer Partei zu sammeln und in die bundesdeutschen Parlamente zu bringen, was insbesondere von 1 966 bis 1 969 auch gelang. Die Partei hat den Sitz ihrer Bundesgeschäftsstelle in Stuftgart und verfügt über Landesverbände im gesamten Bundesgebiet. Die Mitgliederzahl ist weiter rückläufig und lag am Ende des Berichtsjahres bei rund 3.500 (1 995: 4.000). Auf einem Sonderparteitag im März wurde Udo VOIGT (Bayern) zum Bundesvorsitzenden gewählt. Er löste Günter DECKERT ab, der die Partei lange Zeit geführt hatte. DECKERT, der wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß rechtskräftig verurteilt wurde und seit Ende 1 996 eine zweijährige Haftstrafe verbüßt, hatte in Abwesenheit erneut für das Amt des Bundesvorsitzenden kandidiert. Unter ihrem neuen Bundesvorsitzenden erfolgte eine inhaltliche Umorientierung der NPD sowie die verstärkte Einbeziehung der "Jungen Nationaldemokraten". Mit der Abkehr von den Themen 25 ,.Junge Freiheit" vom 11.10.1996. 26 Ebenda. 45 "Revisionismus" und "Antisemitismus" sowie mit der Hinwendung zu einer bündnisorientierten Politik versucht die Partei, sich als "nationales Sammelbecken" darzustellen. Der von VOIGT eingeschlagene Kurs schließt dabei die Zusammenarbeit mit Neonazis nicht aus. Der landesverband in Sachsen-Anhalt zählt etwa 30 Mitglieder (1995: 60), die in den Regionalverbänden Halle, Magdeburg und Dessau organisiert sind. Diese geringe Mitgliederzahl in Verbindung mit der schwachen Organisationsstruktur hatte zur Folge, daß die Partei in Sachsen-Anhalt kaum öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat und sich die wenigen Aktivitäten ihrer Mitglieder auf die Teilnahme an Veranstaltungen der landesverbände in Thüringen und Sachsen beschränkten. Auch die regionalen Kontakte zum REP-Kreisverband Magdeburg wurden fortgesetzt. Im Mai fand in Bad Kösen der Landesparteitag der NPD SachsenAnhalts statt. An der Veranstaltung nahmen ungefähr 30 Personen teil, darunter der JN-Vorsitzende APFEL sowie HUPKA. Der bis dahin kommissarisch eingesetzte Ernst KUHNE wurde zum landesvorsitzenden gewählt. + "Junge Nationaldemokraten 11 (JN) Die 1969 gegründete Jugendorganisation der NPD ist mit bun__ ) desweit etwa 200 Mitgliedern der größte und aktivste Zusammenschluß iüngerer Rechtsextremisten. Die JN haben sich zu einer Nahtstelle zwischen der NPD und anderen organisierten und unorganisierten Rechtsextremisten entwickelt. Dabei ist eine zunehmende neonazisfische Ausrichtung festzustellen, wie die Aufnahme einiger Neonazis, darunter HUPKA, in den Bundesvorstand zeigt. Mit der beabsichtigten Umwandlung in eine Kaderorganisation27 soll zudem eine Organisationsstraffung und eine stärkere Disziplinierung der Mitglieder erreicht werden. Da27 Die Mitglieder einer derartigen Organisation d.urchlaufen den Weg vom Mitgliedsanwärter zum Mitglied/Aktivist und danach weiter über den Status Kaderanwärter zum Kader. 46 mit dokumentieren die JN bereits im Organisationsaufbau ihre Gegnerschaft zu demokratischen Prinzipien, wie zum demokratischen Rechtsstaat überhaupt, den sie nach eigenem Bekunden beseitigen wollen: "Die organisatorische Einheit der JN ist ein unverzichtbarer Grundsatz unserer revolutionär-nationalistischen Bewegung. Aus den von uns erkannten bisherigen Fehlern des sog. nationalen Lagers ... müssen wir dann folgerichtig auch die richtigen Schlüsse ziehen. Aus diesem Grund sehen wir die Notwendigkeif der Einheit und Geschlossenheit der revolutionären Kampforganisation als ein selbstverständliches Prinzip/ dessen Unverzichtbarkeif allt? Erfahrungen der Vergangenheit und des jahrzehntelangen Scheiferns parlamentarischer Gehversuche der //Rechten// in der BRD belegen. Eine von uns angestrebte revolutionäre Umwälzung der Machtverhältnisse ist nur mit einheitlich organisiert handelnden Kräften erreichbar. // 28 Die "Jungen Nationaldemokraten" konnten bisher keine erkennbaren Organisationsstrukturen in Sachsen-Anhalt aufbauen. 11 Gleichwohl organisierte HUPKA als "Landesbeauftragter in Sachsen-Anhalt die politische Arbeit der JN und warb um Mit_) glieder. Im übrigen war festzustellen, daß die "Jungen Nationaldemokraten" insbesondere über Propagandaaktionen {Flugblätter, Plakatierungen) versuchten, ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Zudem führte die NPD-Jugendorganisation eine Großveranstaltung in Sachsen-Anhalt durch, die unter der Bezeichnung "3. Europäischer Kongreß der Jugendu in Groß Rosenburg stattfand. Über 300 Rechtsextremisten, darunter Gäste aus neun europäischen Staaten und den USA, nahmen daran teil. Die Vorbereitungen dazu verliefen derart konspirativ, daß die Sicherheits28 "Der Aktivist" Nr. 2/1996. 47 behörden erst kurz vor Veranstaltungsbeginn den tatsächlichen Veranstaltungsort in Erfahrung bringen konnten. + "Deutsche Volksunion 11 (DVU) Die DVU wurde 1987 auf Initiative des Münchener Verlegers Dr. Gerherd FREY gegründet, der auch ihr Bundesvorsitzender ist. Das Programm der Partei ist bewußt allgemein und zurückhaltend formuliert, um verfassungsfeindliche Ziele und Ansätze möglichst . zu verschleiern. Jedoch belegen die DVU-Publikationen29 "Deutsche Wochenzeitung I Deutscher Anzeiger" und "Deutsche National-Zeitung// in deutlicher Weise die gegen das Grundgesetz gerichteten Bestrebungen der Partei. Schwerpunktthemen der DVU sind die ablehnende Haltung gegenüber Ausländern, insbesondere den Asylbewerbern, die Herabwürdigung der demokratischen Parteien und deren Politiker, die angebliche "Geschichtsfälschung// und "Umerziehung// der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, die innere Sicherheit und die Stimmungsmache gegen die Europäische Union. Der 1991 in Magdeburg gegründete Landesverband trat im Berichtszeitraum kaum in Erscheinung. Er umfaßt etwa noch 30 Mitglieder und wurde wie bereits im Voriahr (50 Mitglieder) vom Thüringer DVU-Landesvorstandsmitglied Dr. Dieter HAUBACH kommissarisch geleitet. Die wenigen Aktivitäten erstrecken sich auf regelmäßige "Nationale Stammtisch// -Treffen in Halle, an denen sich auch DVUMitglieder aus Thüringen, Sachsen und Bayern beteiligen. 29 DNZ und DWZ/DA, die vom BundesvorsitzendJtn Dr. FREY herausgegeben werden, haben eine hohe wöchentliche Auflage und können als Publikationsorgane der Partei angesehen werden. 48 + "Deutsche Liga für Volk und Heimat11 (DLVH) Die DlVH wurde 1991 von ehemaligen Mitgliedern der REP, DVU und NPD gegründet. Sie ist aus dem "Förderverein Vereinigte Rechte" hervorgegangen und versteht sich als Semmelbewegung des "rechten Lagers", ohne bisher diesem Anspruch gerecht zu werden. Auf ihrem Bundesparteitag im Oktober 1996 hat sich die DlVH nunmehr als Partei aufgelöst und nahm die Rechtsform eines Vereins an. Die Organisationsbezeichnung und -struktur sowie der gewählte Bundesvorstand wurden beibehalten. Mit der Aufgabe des Parteistatus soll es nach eigenem Bekunden den Mitgliedern des Vereins ermöglicht werden, sich anderen rechtsextremistischen Parteien, insbesondere den "Republikanern", anzuschließen, um die "Einheit der Rechten" voranzubringen. Entscheidend für die Umwandlung waren aber wohl eher finanzielle Gründe, da die DlVH über keine ausreichenden Geldmittel für die notwendigen Aufwendungen einer Partei verfügt. Der Verein hat bundesweit lediglich 800 Mitglieder. Der landesverband in Sachsen-Anhalt wurde 1993 in Halle gegründet und wird von Andreas MERKEL geführt. Am Ende des Berichtsjahres zählte die Anhängerschaft rund 30 Personen (1995: 50). Die wenigen politischen Aktivitäten die von der DlVH ausgingen, beschränkten sich im wesentlichen auf die Teilnahme der Mitglieder an sogenannten "Nationalen Stammtischen" in Halle. 49 111. LINKSEXTREMISMUS Die in der Bundesrepublik Deutschland bedeutsamen linksextremistischen Organisationen und Gruppierungen orientieren sich entsprechend ihrer ieweiligen ideologischen Ausrichtung an der marxistisch-leninistischen Weltanschauung oder an anarchistischen Theorien. Die linksextremistischen Bestrebungen und Tätigkeiten lassen sich einteä"ien in * gewaltbereite Autonome/anarchistische Bestrebungen, * marxistisch-leninistische Parteien und Vereinigungen, * linksextremistischen Terrorismus. AUTONOME + Vorbemerkungen ln der Bundesrepublik Deutschland bestehen seit etwa 1980 linksextremistische Zusammenschlüsse, deren Angehörige sich selbst als "Autonome" bezeichnen. Die sogenannte Autonomenszene verfügt weder über verbindliche organisatorische Strukturen noch über ein einheitliches ideologisches Konzept. Ihr "Weltbild" folgt im wesentlichen verschwommenen anarchistischen Vorstellungen und ist darüber hinaus von Haß auf die bürgerliche Gesellschaft, ihre Normen und Lebensformen geprägt. Nach Auffassung der Autonomen verhindert das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland ein "freies, selbstbestimmtes" Leben und soll deshalb zerschlagen, das heißt, auf revolutionärem Wege überwunden werden. 50 Das "Erkämpfen" von "Freiräumen", zum Beispiel in Form von ' Hausbesetzungen, ist insofern ein erstes Zurückdrängen des Staates und soll dessen Angreifbarkeif aufzeigen und autonome Gegenmacht symbolisieren. Die Bereitschaft zur Militanz, also zum Kampf für eine Überzeugung mittels Gewalt, ist innerhalb der Autonomenszene weitestgehend akzeptiert, wobei Grad und Ziel der Gewalt sehr wohl umstritten sind. Gradmesser für Diskussionen sind die von der "Szene" herausgegebenen Zeitschriften, in denen oftmals direkt oder indirekt zur Gewalt aufgerufen wird und mitunter sogar potentielle Anschlagsziele benannt werden. Ein Zusammenwirken mit "Westautonomen" kommt nicht mehr nur bei bundesweiten Veranstaltungen, sondern auch in speziellen Einzelfällen und auf regionaler Ebene zustande. Autonome aus Sachsen-Anhalt kooperierten im Berichtszeitraum sowohl anlaßbezogen als auch aufgrund regionaler Gegebenheiten mit Autonomen aus Südost-Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Berlin. Der Autonomenszene Sachsen-Anhalts werden gegenwärtig rund 380 Personen zugerechnet. Ihre Schwerpunkte befinden sich in Magdeburg, Dessau und in der Region Halberstadt/Quedlinburg. Darüber hinaus wurden entsprechende Aktivitäten vor allem in Halle und Wittenberg, ferner in Wernigerode, Gardelegen, Haldensleben, Aschersleben, Bitterfeld und Stendal festgestellt. Neben den bekannten linksextremistischen Agitationsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Kurdistansolidarität" wurde im Berichtszeitraum auch die Verhinderung von Atommülltransporten thematisiert. Taktik der Autonomen ist dabei, legitime friedliche Proteste zu einem eigenen teilweise militanten Aktionsfeld umzufunktionieren. Gerade deshalb versuchen sie, 51 aktuelle Anlässe zur Durchsatzung ihrer extremistischen Bestrebungen zu nutzen. Sie diskreditieren dabei häufig durch militante Aktionen den legitimen und friedlichen Protest. Es bleibt daher nicht aus, daß im nachfolgenden Bericht punktuell Ereignisse beschrieben werden, an denen auch demokratische Gruppen oder deren Mitglieder beteiligt waren. 52 * Dessau Die im "Alternativen Jugendzentrum Dessau" {AJZ) ansässigen Autonomen zählen gegenwärtig zu den aktivsten Zusammenschlüssen in Sachsen-Anhalt. Sie unterhalten gute Kontakte zu linksextremistischen Gruppen in Magdeburg und Bitterfeld sowie überregional nach Leipzig und Delitzsch {Sachsen). Neben den auch in Sachsen-Anhalt gelesenen Publikationen 30 31 "INTERIM" und "radikal" kommt auf Landesebene der in Dessau herausgegebenen Zeitschrift "Der Alzheimer" besondere Bedeutung zu. Neben einigen allgemeinpolitischen Themen verbreitete die Redaktion wiederholt unterschwellige Gewaltaufrufe. ln der Ausgabe Oktober/November 1996 wird eine ursprünglich 32 in der Berliner Szenepublikation "INTERIM" erschienene Anlei33 tung zum Bau eines Wurfankers kommentarlos nachgedruckt; in der ersten Ausgabe 1996 ist eine Anleitung zum Bau von Brandsätzen zur Verwendung gegen PKW abgedruckt. Im Jahr 1996 traten Autonome aus Dessau vor allem mit Aktivitäten zu den Aktionsfeldern Antimilitarismus und Kurdistansolidarität in Erscheinung. So versammelten sich am 25. Februar etwa 60 Personen, die teilweise der Autonomenszene zuzurechnen sind, vor der HugoJunkers-Kaserne der Bundeswehr in Dessau, um einen dort in 34 Arrest sitzenden Totalverweigerer "zu besuchen". Nachdem den Demonstranten der Zutritt zum Kasernengelände verweigert wurde, blockierten sie die Zufahrt. Etwa 40 Personen aus der Gruppe versuchten, sich mit Gewalt Zutritt zum Kasernengelände 30 ln Berlinerscheinende autonome Wochenschrift mit bundesweiter Verbreitung. 31 Als "Zeitung aus dem Untergrund" an wechselnden Orten im Ausland gedruckte und konspirativ vertriebene Szenepublikation. 32 Nr. 308, Jahrgang 1994. 33 Baugleiche Wurfanker fanden bei Anschlägen auf Bahntrassen Verwendung (Aktionen gegen "CASTOR"-Transporte). 3 " "Totalverweigerung": Synonym für die Verweigerung sowohl von Wehrals auch von Ersatzdienst (Zivildienst). 53 zu verschaffen, was von der Bundeswehr verhindert werden konnte. Darüber hinaus sind die Aktivitäten der Dessauer Autonomenszene gegen die Durchführung eines Rekrutengelöbnisses am 24. Oktober hervorzuheben. Bereits im Vorfeld waren massive Störungen der Veranstaltung angekündigt worden. Etwa 200 Personen versammelten sich abends auf dem Dessauer Marktplatz und führten einen Demonstrationszug zum AJZ durch, in dessen Verlauf sie ein Einsatzfahrzeug der Polizei beschädigten. Am 20. März versuchten Angehörige der linksextremistischen Szene aus Dessau, Aken und Köthen, die Abschiebung eines in der JVA Volkstadt inhaftierten Kurden zu verhindern, indem sie die Zufahrt zur Haftanstalt blockierten und Sachbeschädigungen am Eingangsbereich der JVA vornahmen. Die Außenmauer verunstalteten sie mit Farbschmierereien. Am 1. Mai führte eine "Initiativgruppe 1. Mai" 35 in Dessau eine Demonstration unter dem Motto "Wer kämpft, kann verlieren - Wer nicht kämpft, hat schon verloren" 36 durch. An der Veranstaltung beteiligten sich zwischen 250 und 300 Personen, darunter Autonome aus Magdeburg, Bitterfeld, Halle, Haldensieben und Berlin sowie etwa 80 Kurden. Während der Demonstration wurden Symbole der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) gezeigt und in kurdischer Sprache Parolen skandiert und Flugblätter verteilt, auf denen mutmaßliche politisch Verantwortliche beschuldigt werden, Kurden zu verfolgen und mundtot zu machen. Darüber hinaus wurden unter anderem Redebeiträge zur Situation in Kurdistan und zur Solidarisierung mit den inhaftierten Mitgliedern der "Roten Armee Fraktion" (RAF) verlesen. 35 Die ,.Initiativgruppe 1. Mai" besteht aus Autonomen aus den Städten Oessau, Bitterfeld, Wittenberg und Oelitzsch (Sachsen). 36 Bertolt BRECHT. 54 * Magdeburg Im Berichtszeitraum hat sich in Magdeburg die Gruppe "Hewkari - Arbeitsgemeinschaft Kurdistan e. V." formiert. Einige ihrer Gründungsmitglieder sind bereits durch ihre frühere Betätigung in der ebenfalls in die Autonomenszene eingebundenen "KurdistanSolidarität Magdeburg" bekannt. Die satzungsgemäßen Ziele des Vereins, wie zum Beispiel "Förderung der Völkerverständigung mit kurdischen Menschen" und "Vertretung ihrer gruppenspezifischen Interessen" sind allgemein gehalten und unverfänglich. Wie andere in der Autonomenszene aktive Kurdistan-Solidaritätsgruppen hält auch Hewkari zu diesem Zweck Kontakte zu der in Deutschland verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 37 und ihren Anhängern. Der PKK wird von der Autonomenszene eine Art "Vorbildcharakter" beigemessen, da sie als eine der wenigen marxistischleninistischen Parteien angesehen wird, die eine vermeintlich reale Chance hat, durch ihre Politik des "Befreiungskampfes" Veränderungen zu erreichen. Die Autonomenszene Magdeburgs entfaltete darüber hinaus Aktivitäten mit den Bezügen "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Anti-Atomkraft". Insbesondere waren hierzu Beteiligungen an Demonstrationen und Kundgebungen in Niedersachsen und Sachsen sowie innerhalb Sachsen-Anhalts zu verzeichnen. 37 Siehe auch Seite SOff. 55 * Region Halberstadt/Quedlinburg Aus den Autonomenszenen der Städte Halberstadt und Quedlinburg ragt insbesondere die "Antifa Ha/Qu" heraus. Diese Gruppierung legte in der Vergangenheit besonderen Wert auf öffentlichkeitswirksame Aktionen im Themenbereich "Antifaschismus", die in der Regel gegen die im Ostharz ansässigen Rechtsextremisten gerichtet waren. Im Berichtszeitraum führte vom 7. bis 13. September ein von der "Antifa Ha/Qu" geführtes, als "Antifa Ostharz" bezeichnetes Bündnis eine sogenannte "Antifaschistische Mahnund Gedenkwoche" in Quedlinburg durch. Einzelveranstaltungen fanden im wesentlichen im sogenannten "Kulturzentrum Reichenstraße" statt, das der 11Antifa Ha/Qu" regelmäßig als Treffpunkt dient. Besonders hervorzuheben ist eine Podiumsdiskussion zum Thema "Perspektiven des antifaschistischen Widerstands'', an der sich auch der Sprecher der autonomen 11Antifa (M) 1138 aus Göttingen, Bernd LANGER, beteiligte. 38 Besonders die "Antifa(M)" hatte sich in der Vergangenheit als Befürworter eines harten Kurses gegenüber dem Staat und speziell den Strafverfolgungsbehörden hervorgetan und war bereits an der etwa 1.000 Teilnehmer umfassenden bundesweiten Demonstration "Kampf dem Faschismus im Ostharz" am 4. November 1995 in Quedlinburg maßgeblich beteiligt. 56 B: - iiee En * Halle Die Hallenser Autonomenszene hat geringe Aktivitäten entfaltet. Das bisherige, auch über Sachsen-Anhalt hinaus bekannte autonome Szeneobjekt ist zum Jahresende 1996 fast vollständig geräumt worden. Die Autonomen richten gegenwärtig ein neues Zentrum ein. aus Halle beteiligten sich 1996 hauptsächlich an Veranstaltungen der Themenfelder "Antifaschismus" und "AtommüllTransporte". Besonders hervorzuheben ist eine durch die Umsichtigkeif Dritter vereitelte Serie von Brandanschlägen. Am 22. März wurde auf einem Fotokopierer einer Behörde in Halle das Original eines Selbstbezichtigungsschreibens zu einem für den 27. März geplanten Brandanschlag auf das Fahrzeug eines Angehörigen einer vermeintlich rechtsorientierten Studentenverbindung vorgefunden. Verantwortlich zeichnete ein "Autonomes Kommando Max Hoelz". Das Schreiben war bereits so präpariert, daß bei der Vervielfältigung eine Art "Vordruck" hergestellt worden wäre, der nach Ergänzung von Angaben zu Tatziel und -zeit offenbar als Bekennung für weitere Brandanschläge dienen sollte. Wörtlich heißt es im Schreiben: NMit der Aktion soll ein Zeichen gesetzt werden im Kampf gegen die verstärkten Bestrebungen der Regierenden in der BRD/ durch die Übernahme neurechter, elitärer Politikansätze ihre Herrschaftsstrukturen zu festigen ... Kampf dem nationalen Wahn! Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft.// 58 LINKSEXTREMISMUS [2 R 2 TE ME En per EU 59 + Aktivitäten Autonomer in der Anti-Castor-Bewegung Die Transporte abgebrannter Kernbrennstäbe {sogenannte "CASTOR-Transporte") in das Zwischenlager Gorleben {Niedersachsen) wurden im Jahr 1996 zum Gegenstand zahlreicher friedlicher Proteste, vor allem von Bürgerinitiativen und Umweltgruppen. Die Beteiligung gewalttätiger Autonomer an diesem Protest verdeutlicht, daß auch die nach eigenem Selbstverständnis autarke und unabhängige Autonomenbewegung versucht, durch Teilhabe an der Auseinandersetzung mit einem vielschichtigen und von verschiedensten Teilen der Gesellschaft diskutierten Problem Akzeptanz für ihre Formen des Widerstands zu finden. ln der gegenwärtigen Situation sehen Teile der Autonomenszene erneut eine Chance gekommen, über diese Thematik auch andere Positionen ihrer Politik zu vermitteln. Am 7. Oktober wurden an insgesamt 13 Stellen im Bundesgebiet sogenannte "Hakenkrallenanschläge" auf Oberleitungen der Deutschen Bahn AG verübt. Im Selbstbezichtigungsschreiben "Stop die Bahn - Stop den Cestori Kommunique autonomer Gruppen ... " 39 , das am 8. Oktober bei den Magdeburger Büros der Nachrichtenagenturen ADN und AP einging, betonen die Verfasser, daß ,,der Kampf gegen den Castor,.. für sie ..,ein Ansatzpunkt oder Versuch'/ sei, ..,aktiv zu ln Sachsen-Anhalt kam es über die Teilnahme an Anti-AtomDemonstrationen hinaus auch zu Sachbeschädigungen und Bombendrohungen zum Nachteil der Deutschen Bahn AG: 39 *** für einen lebendigen und militanten Widerstand gegen den Castor ins Wendland oder Ein offener Brief.", in: INTERIM Nr. 392 vom 11.10.1996. 60 ln der Nacht vom 19. zum 20. März führten unbekannte Täter einen Kurzschluß in der Oberleitung der Bahnstrecke Wittenberge - Magdeburg herbei, auf der für den fraglichen Zeitraum ein Atomtransport vorgesehen war. Zuvor blieb am 7. März ein ähnliches Vorhaben im Bereich des Bahnhofes von Tongerhütte erfolglos. Am 4. Mai sprach ein unbekannter Täter eine Bombendrohung gegen Bahnanlagen im Stadtgebiet von Salzwedel aus. ln der Nacht vom 5. zum 6. Mai durchtrennten Unbekannte die Kabel vorf Signalund Meldeanlagen am Gleisabschnitt zwischen Eilsieben und Wefensleben (Strecke Hannover - Magdeburg) und legten damit sämtliche Bahnschranken und Warneinrichtungen an der Strecke lahm. Bundesweit war in einschlägigen Szenepublikationen auf Möglichkeiten zur Sabotage an Bahnanlagen hingewiesen worden, so auch in der Dessauer Szenepublikation "Der Alzheimer" Nr. 2/96. Wörtlich heißt es: "Um selbst am Profest teilzunehmen, ohne gleich ins Wendland zu fahren, erfordert es eigentlich nur etwas weniger Ignoranz und etwas mehr Tatendrang. Neben legalen Profestveranstaltungen lassen sich auch leicht Hilfsmittel wie zum Beispiel Wurfanker bauen... Außerdem ist es sicherlich nicht schwer, an einer abgelegenen Stelle einen Strommasten der Bahn zu fällen.'' 61 + Übersicht über die Strafund Gewalttaten 40 Linksextremisten in Sachsen-Anhalt verübten 1996 55 Straftaten, davon 20 Gewalttaten und 35 sonstige Straftaten. Die Gewalttaten gliedern sich wie folgt: 1 1 Straftaten, davon 1 0 Gewalttaten, richteten sich gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten. -40 Die Zahlen ergeben sich aus der Statistik des Lapdeskriminalamtes. -4l ln allen Fällen handelt es sich um versuchte Tötungen. 62 Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund 120 Va 100 - 82 01 60... 40 - Mi Gesetzesverletzungen gesamt, davon: 20UGesetzesverletzungen ohne Gewaltanwendung EM Gesetzesverletzungen mit Gewaltanwendung 0- 1994 1995 1996 * Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund 16 ,*. . .*. .*' *):.1* . .. *Tötung/vers. Tötung * Körperverletzung 14 * Brandanschlag * ** 0 Landfriedensbruch 12 * Sachbeschädigung 11 ;.-:. ;'' , :, *' " 10 10 **.,* .;: ' ' 8 7 .. 6. 6 4 3 2 1 0 .*o ..*.*. .** 0+---1994 1996 1996 i--.. -; "artan TanchWelnyar. if 11 > . : Morsislisch-Leninzsische Partei D hond are Koar 8 - 45399 Coisemirchu - I, 0209-95 19 d. UNKSEXTREMisn5CHE PARTEIEN UND ORGANISAnONEN + "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands11 (MLPD) Die MLPD wurde 1982 im Ruhrgebiet als Nachfolgerin des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands (KABD) gegründet. Die Partei bekennt sich zum Marxismus-leninismus. Sie sieht sich als einzig wahre kommunistische Partei. Dies begründet sie damit, daß //mit dem XX: Parleitag der KPdSU der Sozialismus in der Sowjetunion und in der DDR verraten wurde. Eine kleinbürgerliche Bürokratie entartete zu einer bürokratischen Kapitalistenklasse neuen Typs ... Die einst revolutionäre KPD folgte dem verhängnisvollen Weg der KPdSU. So verlor die deutsche Arbeiterklasse ihre revolutionäre Vorhut. Das machte den Aufbau einer revolutionären Arbeiterparlei neuen Typs notwendig. // 42 Als ideologische Kernaussage entwickelte die MLPD die sogenannte "proletarische Denkweise", die sie dem kleinbürgerlichen Denken in orthodox-kommunistischen Parteien entgegensetzen will. Die MLPD ist bemüht, in den neuen Bundesländern einen "Aufbaubezirk" (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen) zu gründen. Weitere Organisationsstrukturen sind für Sachsen-Anhalt nicht bekannt geworden. ln der MLPD-Publikation "Rote Fahne" wird eine Kontaktadresse in Halle angegeben. 43 Zur Frage "Wohin will die MLPD nach dem Solinger Parteitag" fand in Halle eine Veranstaltung mit dem Vertreter des Zentralkomitees Peter BORGWARDT zur Politik der MLPD statt. 42 Auszüge aus der Broschüre: "Wofür steht die MLPD?", herausgegeben vom Zentralkomitee der MLPD. 43 Stattgefunden im Januar 1996. 66 Im Oktober führte die MLPD einen Landesdelegiertentag unter konspirativen Bedingungen durch. Hauptthema war der innere Zustand der Partei. An der Demonstration anläßlich des 1 0. "Tschernobyl-Jahrestages" gegen die Nutzung von Kernenergie am 27. April in Magdeburg beteiligte sich auch die MLPD mit einem Infostand. + "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD) 11 Die SpAD ist eine Organisation, die auf der Tradition der Lehren TROTZKis und seiner 1938 gegründeten "IV. Internationale" aufbaut: "/n der Tradition der frühen kommunisfischen Bewegung ehren wir Trotzkisten im Januar die "Drei L"" 44 des Bolschewismus... Wir Spartakisten kämpfen für den Aufbau bolschewistischer Parteien, die neue Oktoberrevolutionen welfweit zum Sieg führen und das irrationale kapitalisfische System ein für alle Mal hinwegfegen, um dadurch eine welfweife Planwirtschaft, basierend auf Arbeiferräfen_. zu errichten. "" 45 Die SpAD besitzt unter anderem eine Kontaktadresse in Halle. Ihre Zeitung "Spartakist" erscheint alle zwei Monate. Die SpAD/Spartakist-Jugend führte im Februar in Halle eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Trotzkismus: was er nicht ist - und was er ist." durch. Mittlerweile weist der Veranstaltungsplan im "Spartakist" nur noch Termine in Leipzig aus. Am 24. Februar beteiligte sich die SpAD in Halle an einer Demonstration, die sich gegen das Verbot der PKK richtete. 44 LENIN, LUXEMBURG, LIEBKNECHT. 45 "Spartakist", Nr. 126, Januar/Februar 1997. 67 + "Kommunistische Partei Deutschlands (KPD-Ost) 11 Die KPD-Ost sieht sich selbst in der Tradition der 1918/19 von Kerl LIEBKNECHT und Rosa LUXEMBURG gegründeten KPD. Als programmatische Grundlage der KPD-Ost gilt das "Kommunistische Manifest". Sie befürwortet nachdrücklich "ein umfassendes Bündnis aller linken Kräfte// 46 und tritt für eine einheitliche gesamtdeutsche Kommunistische Partei ein. Im Berichtszeitraum wurde bekannt, daß die KPD-Ost Gründungsmitglied der //Neuen Kommunisfischen Internationale// (NKI) 47 ist. Manifest und Statut enthalten ein klares Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats und zur Politik und den Maßnahmen STALINs. Mittlerweile konnte die Partei Strukturen in Sachsen-Anhalt aufbauen. Sie besitzt eine Kontaktadresse ihrer Landesorganisation in Halle. 48 ln ihrer Zeitung "Die Rote Fahne" wird erläutert: "Die Schwerpunkte der Arbeit der KPD in SachsenAnhalt liegen bei den Regionalorganisationen Zeifz/ Ha/le-Bernburg und Magdeburg. // Das Hauptaugenmerk der Parteiarbeit liegt auf der Werbung neuer Mitglieder. Die KPD-Ost organisierte am 23. März in Leuna eine Veranstaltung "anläßlich des 75. Jahrestages der Märzkämpfe und der blutigen Auseinandersetzung bei leuna ". Daran nahmen zirka 30 Personen teil. Redner war der KPD-Vorsitzende Hans WAUER. 46 Aus der KPD-Zeitung "Die Rote Fahne". 47 Gegründet Dezember 1995 in Sofia. 48 Nr. 2/1996. 68 "Die Rote Fahne" berichtete über die 10. Tagung des ZK der KPD-Ost am 23. März in Bad Dürrenberg (Landkreis Merseburg/Querfurt). Sie diente der Vorbereitung des 19. Parteitages, der im Januar 1997 stattgefunden hat. Auf Beschluß der KPD-Landesleitung von Sachsen-Anhalt führte die KPD-Ost am 1. Mai einen ///nformafionseinsalz/.4 9 in Bernburg durch. Anwesend waren Mitglieder aus Bernburg, Halle, Magdeburg und Zeitz. Handzettel und Werbeexemplare ihres Zentralorgans wurden verteilt. Ein Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien Ende April/ Anfang Mai in Brüssel nutzte die KPD-Ost für eine weitere Vertiefung der internationalen Kontakte. + "Kommunistische Partei Deutschlands - Gruppe Möller'1 (KPD/M) Diese KPD-Gruppe wurde von Diethard MÖLLER 1986 gegründet. Ihr Publikationsorgan ist der "Rote Morgen". Ziel der KPD/M ist der Kommunismus. Der Weg dorthin soll mit Hilfe "revolutionärer Gewalr/ über die Errichtung des Sozialismus als Übergangsgesellschaft verlaufen. Die KPD/M besitzt in Magdeburg eine Kontaktadresse. ln der KPD-Zeitung "Roter Morgen" 50 erschienen unter der Rubrik "Aus Betrieb und Gewerkschaft" Berichte über die Arbeitsplatzsituation in Magdeburger Betrieben. Im Bericht über einen Magdeburger Großbetrieb heißt es: ,,Die Magdeburger Aktion //Arbeifsplälze für Millionen/' stellte sich sofort an die Seife der Kollegen/ diskutierte mit Betriebsangehörigen über die Situation/ lud zu einer Diskussionsveranstaltung ein... // 49 "Die Rote Fahne", Nr. 5/1996. 50 Nr. 4/1996. 69 * Die KPD/M beteiligte sich an 1. Mai-Veranstaltungen . ln der Zeitung "Roter Morgen" 51 erschien ein Artikel zu einem Antifa-Workcamp, das seit einigen Jahren auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald stattfindet. Unter der Überschrift// Wir können auch anders!// heißt es dort: //Im Rahmen des diesiährigen Antifa-Workcamp in Buchenwald konnte die KPD einige gute Aktionen durchführen: Mehrere Stände regten zu vielfältigen Diskussionen mit Camp-Teilnehmer/innen und Besucher/innen der KZGedenkstäffe an/ verschiedene Einzelgespräche und eine Flugblattaktion wurden durchgeführt. Am Rande der oHiziellen Veranstaltungen des Camps verfeilten Genoss/innen der KPD und der MLPD gemeinsam ... das KPD-Fiugblaff //Ja/ SPAREN... können wir uns dieses Sch... systemr/ Die knapp 7000 Flugblätter stießen dabei auf weitgehende Zustimmung der Bevölkerung... "" Laut "Roter Morgen" 52 beteiligten sich Personen aus SachsenAnhalt Mitte Juli in Chemnitz an einem "Basistreffen" der KPDLeipzig, der MLPD, der KPD-Ost und der KPD/M. Für den Herbst 1996 wurde ein weiteres Treffen vereinbart. //Dies sind Schritte" um zur Einheit der Kommunisten auf marxistischleninistischer Grundlage zu kommen."" + "Internationale Jugend (IJ)11 Die Internationale Jugend ist eine bundesweite Jugendorganisation, die in Ortsgruppen gegliedert ist. Ihre Ziele stellt sie wie folgt dar: 51 Nr. 15/1996. 52 Nr. 15/1996. 70 "Wir wollen gegen die zunehmende Entwicklung nach " rechts kämpfen, dabei den Kapitalismus nicht schonen, denn er ist die Wurzel des Übels. Stiefelfaschisten wie die mit Krawatte sind unsere Feinde. Ziel unserer Tätigkeit ist eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Klar ist uns, daß wir dies durch Reformen nicht erreichen werden, sondern daß ein revolutionärer Prozeß notwendig . t. "53 IS * ln Magdeburg besitzt die IJ eine Kontaktadresse. Darüber hinaus trat eine )J-Thale" in Erscheinung. Die IJ-Magdeburg beteiligte sich an Veranstaltungen, wie zum Beispiel Workcamps und Antikernkraftdemonstrationen. Sie gehörte zu den Unterzeichnern eines Aufrufs gegen die nationalen Einheitsfeiern am 3. Oktober 1996 in München, dessen Motto lautete: "Es gibt nichts zu feiern, aber viele Gründe zum Widerstand!". + "Kommunistische Plattform der PD511 (KPF) Die KPF bezeichnet sich selbst als ein 0Hen tätiger Zusammen11 schluß von Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS1154 * ln der Vergangenheit erarbeitete die KPF mehrere Positionspapiere 1 die ihr Bekenntnis zur marxistischen Weltanschauung deutlich unterstreichen. Sie tritt für ein Gesellschaftssystem ein, dem wesentliche Züge der kommunistischen Ideologie zugrunde liegen. Die KPF bringt sich nach wie vor in den politischen Prozeß der POS ein und versucht, politische Akzente in der Gesamtpartei zu setzen. 55 53 Flugblatt der IJ. 5 "' Satzung der Kommunistischen Plattform der POS (Präambel), beschlossen auf der 2. Tagung der 6. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform der POS am 25./26. Februar 1995. 55 Die KPF ist nicht mehr im Bundesvorstand der POS vertreten. 71 - Als oberstes Gremium der KPF fungiert der Bundeskoordinierungsrat, der auch die Mitgliederzeitschrift ..Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der PDS 11 monatlich herausgibt. Seit mehreren Jahren arbeiten Personen aus Sachsen-Anhalt im Bundeskoordinierungsrat mit oder sind in einer exponierten Position als Sprecher der KPF tätig und nehmen auf die inhaltliche und ideologische Programmatik der KPF Einfluß. Im Frühjahr führte die KPF Sachsen-Anhalt ihre jährliche Landeskonferenz durch. Hinsichtlich der Rolle von Kommunisten in der PDS wurde folgendes festgestellt: //Kommunisten gehören in die PDS. Die Plattform versteht sich als politische Strömunft die marxistisches Denken in der Partei erhalten will... // 6 Darüber hinaus bekräftigte die Landeskonferenz ihre Zusammenarbeit mit der DKP und anderen "Linkskräften". Führende Vertreter der sachsen-anhaltischen KPF publizierten im Berichtszeitraum regelmäßig in den "Mitteilungen der KPF". Verschiedene Beiträge befaßten sich unter anderem mit einer möglichen Regierungsbeteiligung der POS. Einen Arbeitsschwerpunkt sieht die hiesige KPF in der Gestaltung der Kommunalpolitik. Zeitz, Halle und Magdeburg gelten als Arbeitsschwerpunkte der KPF. 56 Mitteilungen der KPF, Heft 4/1996. 72 LINKSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS ln Sachsen-Anhalt gibt es gegenwärtig keine Anhaltspunkte für linksterroristische Bestrebungen. + "Rote-Armee-Fraktion 11 (RAF) Die neue RAF-Politik ist durch eine Abkehr vom bisherigen Konzept des bewaffneten Kampfes gekennzeichnet, was in mehreren Schreiben Ende 1996 bekräftigt wurde. Das nunmehr verbleibende Zie-l der Gruppe ist es demnach, über eine längere Zeit die Geschichte der linken und der RAF aufzuarbeiten. Aufgrund der Selbstgestellung Christoph SEIDLERs 57 , der Erklärungen der inhaftierten RAF-Mitglieder Birgit HOGEFELD und Helmut POHL58 und des offenen Briefes von Andrea WOLF sah sich die RAF offenbar gezwungen, kurzfristig mit Erklärungen zu reagieren. ln der ersten Erklärung vom November 1996 bekannte sich die RAF erneut zu dem Sprengstoffanschlag auf den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt vom 27. März 1993. Weiterhin erklärte sie, ,,daß Christoph Seid/er nie in der RAF gekämpft hat'' und wendet sich gegen das Rückkehrerprogramm'' 59 * Sie ruft dazu auf, daß ,,Aussagen über illegale Strukturen und geheime Orfe des Exils absolut abzulehnen sind und blieben." Perspektivisch formuliert die RAF: "Die Auseinandersetzung um die Geschichte der linken macht nur einen Sinn, wenn sie zur Neubestimmung revo57 Christoph SEIDLER stellte sich am 22. November 1996 im Rahmen des sogenannten .Aussteigerprogramms" des BfV den Behörden. Ihm wurde Mitgliedschaft in der RAF und Mord vorgeworfen. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, da kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. 58 POHL äußerte sich kritisch zur bisherigen Politik JJnd Strategie der RAF. 59 Programm für die Rückkehr von RAF-Aussteigern in die Legalität. 73 . lutionärer Politik und Neuformierung einer radikalen linken beiträgt. // 60 //Das RAF-Konzept ist überholt. Das ist objektiv so. Dabei bleibt es also auch. Alles andere würde völlig an der politischen Situation insgesamt vorbeigehen. // 61 + "Antiimperialistische Zelle (AIZ) 11 Von der terroristischen AIZ geht aus heutiger Sicht keine Gefahr mehr aus. Noch vor einem Jahr machte die AIZ mit spektakulären Anschlägen auf Politiker und Gebäude sowie ausführlichen Grundsatzerklärungen auf sich aufmerksam. Seit der Festnahme zweier mutmaßlicher All-Mitglieder im Februar 1996 ist diese Gruppierung nicht mehr in Erscheinung getreten. 60 Aus dem Positionspapier der RAF vom 29. November 1996. 61 Aus der Erklärung der RAF vom 9. Dezember 1996. 74 IV. FORTWIRKENDE ** STRUKTUREN UND TÄTIGKEITEN DER AUFKLARUNGSUND ABWEHRDIENSTE DER DDR Nach der deutschen Einheit im Oktober 1990 war nicht auszuschließen, daß frühere Mitarbeiter der Aufklärungsund Abwehrdienste der DDR, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS), ihre konspirative Tätigkeit auf dem Gebiet des wiedervereinigten Deutschlands fortsetzen würden. Um den Gefahren, die von solchen Bestrebungen entstehen könnten, zu begegnen, wurde der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt durch den Gesetzgeber mit der Beobachtung von solchen "fortwirkenden Strukturen und Tätigkeiten" beauftragt. Diese Annahme hat sich nicht bestätigt. Wie im Voriahr sind auch 1996 in Sachsen-Anhalt keine Strukturen und Aktivitäten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen DDR festgestellt worden, deren Ziel es gewesen wäre, durch organisierte Handlungen die äußere Sicherheit zu gefährden62 oder kriminelle oder terroristische Vereinigungen zu bilden. 63 62 SSSS 94 - 99 des Strafgesetzbuches. 63 SSSS 129, 129a des Strafgesetzbuches. 75 V. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN + Allgemeines Eine kleine Minderheit der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer trat mit Aktionen in Erscheinung, die als sicherheitsgefährdend oder extremistisch im Sinne des SS 4 Absatz 1 VerfSchG-LSA einzustufen sind. Dies betrifft Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Auf bundesdeutschem Territorium werden hierbei politisch motivierte Aktivitäten entwickelt, die eine Änderung der herrschenden Verhältnisse in den ieweiligen Heimatländern zum Ziele haben. Sie werden mit dem Begriff "Ausländerextremismus" bezeichnet. Das Spektrum reicht von Linksextremisten über extreme Nationalisten bis zu islamistischen Extremisten. Motive und ideologische Ausrichtung der extremistisch aktiven Ausländergruppen sind breit gefächert. Im Vergleich zu den alten Bundesländern sind in Sachsen-Anhalt auf dem Gebiet des Ausländerextremismus wenige Aktivitäten zu verzeichnen. Es sind auch nur einige der in der Bundesrepublik agierenden Gruppierungen im land aktiv. Insbesondere kurdische Asylbewerber bekundeten ihre Zugehörigkeit oder Sympathie zur verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK}. Gelegentlich wurden auch Aktivitäten anderer Parteien und Organisationen festgestellt. 76 + "Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 11 Die "Arbeiterpartei Kurdistans" {PKK} wurde im November 1978 in der Türkei gegründet. Eines der Gründungsmitglieder, Abdullah ÖCAlAN, steht seither an der Spitze der Partei. Mittelpunkt der Arbeit der PKK ist der aktive "revolutionäre Kampf" für ein freies und unabhängiges Kurdistan. Die PKK führt seit August 1984 mit Hilfe ihres militärischen Arms, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" {ARGK}, einen Guerillakrieg im Südosten der Türkei. ln. Deutschland versucht die PKK, bei den hier lebenden Kurden nationale Gefühle zu wecken, um sie zur aktiven Unterstützung der Partei zu veranlassen, Parteiangehörige für den militärischen Kampf zu rekrutieren, die deutsche Öffentlichkeit für die Kurdenproblematik zu sensibilisieren und den Parteiapparat zu finanzieren. PKK-Anhänger führten in den vergangenen Jahren in Deutschland Aktivitäten unterschiedlicher Art durch. Dabei kam es auch zu äußerst gewalttätigen Aktionen. Wegen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde die "Arbeiterpartei Kurdistans" {PKK} im November 1993 verboten. Im März 1996 hatte Abdullah ÖCAlAN massiv mit Terror und Selbstmordkommandos gedroht, später äußerte er in einem ZDFInterview, vorerst die Gewaltaktionen in Deutschland einzustellen. Zur Zeit bemüht sich die PKK in Deutschland, das Hauptaugenmerk auf den politischen Dialog zu lenken, um damit eine Aufhebung des PKK-Verbotes zu erreichen. Das Zeigen von Symbolen der PKK und der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" {ERNK}, die eine internationale Teilorganisation der PKK ist und somit ebenfalls unter das PKK-Verbot fällt, sowie das aktive Eintreten für diese Organisationen sind in der Bundesrepublik Deutschland unter Strafe gestellt. Unter diesem 77 . Gesichtspunkt gab es in Sachsen-Anhalt eine Reihe von Vorfällen. ln den Zentralen Gemeinschaftsunterkünften und Asylbewerberheimen sind zunehmend Bemühungen zu beobachten, PKKStrukturen aufzubauen. Örtliche PKK-Komitees bestehen zum Beispiel in einigen Asylbewerberheimen Sachsen-Anhalts. Die PKK-Komitees versuchen, die Heimbewohner zur Teilnahme an PKK-Veranstaltungen zu bewegen. Ein weiteres Betätigungsfeld der PKK-Komitees ist die Beschaffung finanzieller Mittel für die Partei in Form von "Spendensammlungen". Hierbei werden Kurden auch mit Gewaltandrohung unter Druck gesetzt, diesen Aufforderungen zur Spende nachzukommen. Dies wird durch Propagandamaterialien und Spendengeldquittungen belegt, die bei verschiedenen Durchsuchungsaktionen in Asylbewerberheimen aufgefunden wurden. Die Aktivitäten des PKK-Komitees in Gardelegen gingen bis hin zur Planung eines Anschlages gegen den Leiter der Ausländerbehörde. Von großer Bedeutung für die kurdische Bevölkerung ist das kurdische Neujahrsfest NEWROZ am 21. März. Dieser Tag wird von der PKK zum Anlaß genommen, um zu Demonstrationen aufzurufen und durch die Mobilisierung großer Bevölkerungsteile ihre Stärke zu zeigen. Trotz Verbotes fand am 16. März in Dortmund eine von der PKK organisierte Großdemonstration statt, an der sich 60.000 Personen beteiligten. Aufrufe zu dieser Veranstaltung erfolgten bundesweit. Über straff organisierte Strukturen in den alten Bundesländern sowie über die örtlichen PKK-Komitees wurden auch die in den neuen Bundesländern lebenden Kurden angesprochen und zum Teil mit Nachdruck aufgefordert, an dieser Demonstration teilzunehmen. Ein Teil der Kurden aus Asylbewerberheimen, die nach Dortmund anreisen wollten, wurden von der Polizei erfaßt und zurückgeschickt. 78 An einer ebenfalls verbotenen Kurdendemonstration am 20. März in Osnabrück nahmen kurdische Asylbewerber aus Sachsen-Anhalt teil. Anläßlich des 1 . Mai schlossen sich PKK-Angehörige und -Sympathisanten den von Personen des linksextremistischen Spektrums initiierten Demonstrationen in Dessau und Halberstadt an. Besonders in Dessau wurde die Kurdistanproblematik thematisiert. Einige Demonstranten zeigten PKK-Symbole. ln kurdischer Sprache skandierte Parolen wurden ins Deutsche übersetzt. ln Harnburg fand am 15. Juni eine als "Friedensdemo für Kurdistan" angekündigte Großdemonstration statt, an der sich etwa 37.000 Personen beteiligten. Aus Sachsen-Anhalt nahmen mindestens 100 Kurden teil. ln Gardelegen und Burg wurden Aufrufe zu dieser Demonstration festgestellt und Busse mit Abfahrtsort Halberstadt und Gardelegen angemietet. 64 Aus Anlaß des zweiten Todestages von Halim DENER wurde am 6. Juli in Hannover eine verbotene Demonstration durchgeführt, an der etwa 50 Kurden aus Sachsen-Anhalt teilnahmen. Während der Veranstaltung wurden PKK-Parolen skandiert. Eine weitere PKK-orientierte Großveranstaltung war das "Friedensfestival Kurdistan" am 21 . September in Köln, zu dem bundesweit etwa 60.000 Teilnehmer angereist waren. Etwa 80 Kurden aus Sachsen-Anhalt fuhren mit gemieteten Reisebussen nach Köln, wobei einige Personen Transparente mitführten. 64 Der kurdische Jugendliche Halim DEN ER wurde. im Rahmen eines Polizeieinsatzes tödlich verletzt. 79 AUSLANOEREXTREMISMUS * ,. . / . ' J r . .*I ,\ - . ' .J .. i 80 Im Jahr 1996 trat die PKK in Magdeburg und Halle mit verschiedenen Plakatierungen an die Öffentlichkeit, wie zum Beispiel "SYMBOLE BLEIBEN VERBOTE NICHT 2 Jahre PKKVerbol 2 Jahre Konflikt// //Solidarität mit dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes - weg mit dem Verbol kurdischer Organisationen// //Weg mit dem Verbol kurdischer Organisationen. Für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes. Solidarität mit der ERN!(, PKK, ARGK// sowie Plakate der "lnformationsstelle Kurdistan e. V. Bonn", auf denen die Aufhebung des PKK/ERNK-Verbotes gefordert wird. Im Berichtszeitraum gab es verschiedene Veranstaltungen deutscher linksextremistischer Gruppierungen, an denen PKK-Angehörige und -Sympathisanten teilnahmen. Hier ist eine zunehmende Tendenz zur Zusammenarbeit erkennbar. Es wurden Demonstrationen zum 1. Mai abgesprochen und Veranstaltungen zur Kurdistanproblematik gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. 81 " + Türkische revolutionär-marxistische Gruppen Von den türkischen linksextremistischen Parteien traten in Sachsen-Anhalt die "Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) 65 , die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (fKP/ML) und das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) 66 sowie die "Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei" (TDKP) und ihre Basisorganisation "Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (DIDF) in. Erscheinung. Ihre Aktivitäten, hauptsächlich Plakatierungen, wurden in Halberstadt und Burg festgestellt; türkische Asylbewerber aus Sachsen-Anhalt plakatierten aber auch in anderen Bundesländern. Feste Strukturen sind bisher in SachsenAnhalt nicht bekannt. Türkische Linksextremisten beschäftigten sich hauptsächlich mit der Unterstützung der Hungerstreikenden in türkischen Gefängnissen 67 * Im Zusammenhang damit kam es in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland zu Solidaritätsbekundungen bis hin zu Brandanschlägen gegen türkische Einrichtungen. An einigen bundesweiten Solidaritätsaktionen wollten türkische Asylbewerber aus Sachsen-Anhalt teilnehmen. + Übersicht über die Strafund Gewalttaten 68 Im Jahr 1996 wurden in Sachsen-Anhalt 35 Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund, darunter ein versuchtes Gewaltdelikt, registriert. Bei der Mehrzahl der Straftaten handelt es sich um Verstöße gegen das Vereinsgesetz. 65 Aus der jetzt verbotenen "Oevrimci Sol" gingen die Strömungen "KARATAS"und .,YAGAN"-Fiügel hervor. Der "KARATAS"-Fiügel trägt nunmehr die Bezeichnung "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (OHKP-C), der YAGAN-Fiügel nennt sich meist .,Türkische Volksbefreiungspartei/-FrontOevrimci Sol" (THKP/-C-Oevrimci Sol). 66 Innerhalb der TKP(ML) polarisieren sich die Fraktionen "Ostanatolisches Gebietskomitee" (OABK) und "Partizan" -Flügel. 67 Oie Hungerstreikkampagne der politischen Gefangenen in der Türkei, die im weiteren Verlauf die Bezeichnung "Todesfasten" erhielt, forderte ein* Reihe von Todesopfern. 68 Oie Zahlen ergeben sich aus der Statistik des landeskriminalamtes. 82 Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund 36 36 ... ' . ' . :. . . '. .. .: *, : .. 30 26 20 16 ' ' 13 * ' *;. 10 * Gesetzesverletzungen gesamt, davon: D Gesetzesverletzungen 5 ohne Gewaltanwendung * Gesetzesverletzungen 1 mit Gewaltanwendung 0 1994 1996 1996 . .;X; ""' ' .... Ausländerextremismus 1995 1996 VI. SPIONAGEABWEHR + Allgemeines Die Intensität der Aktivitäten der östlichen Nachrichtendienste hat nach einer Phase der Zurückhaltung in den Vorichren 1996 wieder zugenommen. Nach wie vor gibt es Hinweise darauf, daß Nachfolgestaaten der Sowjetunion Aussiedler im nachrichtendienstliehen Sinne für ihre Zwecke einzubinden versuchen. Die Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der DDR-Nachrichtendienste ist für die Spionageabwehr - von Einzelfällen abgesehen - abgeschlossen. Wie auch in anderen führenden Industrienationen sind in der Bundesrepublik Deutschland bestimmte Produkte der Hochtechnologie Exportbeschränkungen unterworfen. Um die Exportbestimmungen zu umgehen, versuchen Länder des Nahen und Mittleren Ostens, mit nachrichtendienstliehen Mitteln in den Besitz dieser geschützten Technologie zu gelangen. 84 ' + Nachrichtendienste der Russischen Föderation und der übrigen GUS-Staaten Unverändert sind die Nachrichtendienste der Russischen Föderation - vornehmlich der zivile Aufklärungsdienst SWR und der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU - bemüht, Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik zu beschaffen. Dabei können die Nachfolgedienste des KGB auf ehemalige DDR-Bürger zurückgreifen, die - getarnt über ihre vorgeschobene berufliche Tätigkeit unter anderem in Behörden oder Kombinaten - zum Teil "hauptberuflich" für das KGB tätig waren (sogenannte "KGB-Helfer"). ln Sachsen-Anhalt konnte die Spionageabwehr im Berichtszeitraum mehrere Personen enttarnen, die dem Kreis der "KGBHelfer" zuzurechnen waren. + Nachrichtendienste sonstiger ehemaliger WarschauerPakt-Staaten Aktivitäten dieser Dienste wurden in Sachsen-Anhalt nicht registriert. + Nachrichtendienste aus dem Nahen und Mittleren Osten Über Stützpunkte und Tarnfirmen im lnund Ausland versuchen Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Osten insbesondere militärisch verwendbare Erzeugnisse, die Exportbeschränkungen unterliegen, zu beschaffen. Neben diesem Hauptanliegen sehen einige Dienste ihre Aufgabe darin, oppositionelle Landsleute in der Bundesrepublik Deutschland zu überwachen. ln Sachsen-Anhalt wurden keine wesentlichen Aktivitäten nahoder mittelöstlicher Nachrichtendienste , festgestellt. 85 + Spionageabwehr mit Hilfe der Bevölkerung Wirkungsvolle Spionageabwehr ist nur mit Hilfe der Bevölkerung möglich. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt bittet jede Bürgerin und jeden Bürger, die von der Tätigkeit fremder Geheimdienste gegen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Verbündeten Kenntnis haben oder von solchen Nachrichtendiensten angesprochen oder zur Mitarbeit aufgefordert worden sind, ihr Wissen im Interesse unseres freiheitlichen Staatswesens, aber auch der eigenen Sicherheit wegen, darzulegen. Das gilt auch für diejenigen, die schon im fremden Interesse nachrichtendienstlich tätig geworden sind. Ihnen können die Verfassungsschutzbehörden helfen, sich aus einer für ausweglos gehaltenen Lage zu befreien. Voraussetzung hierfür ist die freiwillige Aufgabe der nachrichtendienstliehen Tätigkeit und eine umfassende Offenbarung. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt bietet hierzu jederzeit seine Hilfe an. Vertraulichkeit ist zugesichert. VII. GEHEIMSCHUTZ + Allgemeines Alle Institutionen des Bundes und der Länder sowie die Bevölkerung selbst müssen sich darauf verlassen können, daß Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder gefährden könnte, als im staatlichen Interesse geheimzuhaltende Informationen (Verschlußsachen - VS) wirkungsvoll geschützt werden. Besondere vorbeugende Maßnahmen, der sogenannte personelle und materielle Geheimschutz, sollen dies gewährleisten. Zudem ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der NATO und anderer überoder zwischenstaatlicher 86 f, Einrichtungen gehalten, bestimmte Sicherheitsnormen zu erfüllen. Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 4 Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt beim Geheimschutzverfahren im Behördenund Wirtschaftsbereich mit. + Geheimschutz im Behördenbereich * Personeller Geheimschutz Maßgeblich für den personellen Geheimschutz ist die Sicherheitsüberprüfung. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Ermächtigung einer Person zum Zugang zu im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen (Verschlußsachen). Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ist es Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde festzustellen, ob eine Person für eine sicherheitsempfindliche Position geeignet ist. Dabei gilt es, etwaige Sicherheitsrisiken herauszufinden oder auszuschließen. Ferner führt das Landesamt für Verfassungsschutz im Bereich des Geheimschutzes Tagungen und Schulungen für die Geheimschutzbeauftragten der Ministerien sowie der oberen und mittleren Landesbehörden durch. * Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz befaßt sich mit technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen, die erschweren sollen, daß Unbefugte an geschützte Informationen gelangen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat hierbei die Aufgabe, öffentliche Stellen des Landes zu beraten, wie sie am besten technische Sicherungsmaßnahmen planen und durchführen könn*en. 87 t + Geheimschutz in der Wirtschaft Neben den erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Geheimschutzes im Behördenbereich muß der Staat auch sensible Bereiche seiner Wirtschaft schützen, die mit der Ausführung geheimhaltungsbedürftiger öffentlicher Aufträge betraut sind. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß sich die Aktivitäten fremder Nachrichtendienste nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern in starkem Maße auch gegen Wirtschaftsunternehmen richten. Ein wirksames Geheimschutzsystem soll hier gewährleisten, daß die gegen die deutsche Wirtschaft gerichteten Ausspähungsversuche durch gezielte Maßnahmen im vorbeugenden Bereich abgewehrt werden können, um irreparable Schäden zu vermeiden. VIII. VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN-ANHALT + GRUNDLAGEN UND ORGANISATORISCHE AUSGESTALTUNG DES VERFASSUNGSSCHUTZES Vor allem die geschichtlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, die sich den Angriffen von rechts und links schutzlos ausgesetzt sah und schließlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten kapitulieren mußte, veranlaßten die Verfasser des Grundgesetzes, das Modell "Bundesrepublik Deutschland" im Sinne einer streitbaren Demokratie auszugestalten. Zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wurden daher im Grundgesetz Schutzmaßnahmen getroffen. 88 .. Hierzu gehören: * die Verwirkung bestimmter Grundrechte, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht werden (Artikel 18 Grundgesetz}, * das Recht, Parteien (Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz} und sonstige Vereinigungen (Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz} zu verbieten, wenn diese darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, * die Unabänderlichkeif wesentlicher Grundsätze der Verfassung wie zum Beispiel der Schutz der Menschenwürde und fundamentale Verfassungsgrundsätze (Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz}. Bereits der Grundgesetzgeber war der Auffassung, daß dem Verfassungsschutz in diesem komplexen Schutzsystem eine wichtige Rolle zukommt. Daher hat er den Bund zur Errichtung von Zentralstellen zur Sammlung von Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit von Bund und Ländern ermächtigt (Artikel 73 Nr. 1 Ob; Artikel 87 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz). Von dieser Ermächtigung hat der Bund bereits 1950 Gebrauch gemacht und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Bundesverfassungsschutzgesetz} erlassen, das Bund und Länder nicht nur zur Zusammenarbeit, sondern auch zur Errichtung von Verfassungsschutzbehörden verpflichtete. Auf Bundesebene wurde daraufhin das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gegründet. Die Länder haben ihre Verfassungsschutzbehörden entweder _als Teil des Innenministeriums 89 oder als selbständige Landesbehörde organisiert. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder unterstehen nicht dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieses hat als zentrale Sammelstelle für Nachrichten lediglich eine koordinierende Funktion. Das Bundesverfassungsschutzgesetz ist im Dezember 1990 novelliert worden. Es enthält detaillierte Bestimmungen über die Aufgaben und Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz und einen strengen Katalog datenschutzrechtlicher Vorschriften. *Das Bundesgesetz hat - wie in den meisten anderen Ländern - auch im Land Sachsen-Anhalt als Vorlage gedient. Das Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt vom 14. Juli 1992 ist im Gesetzund Verordnungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt 1992, Seite 590ff, abgedruckt. * Organisation des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden in Sachsen-Anhalt vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Landesamt gehört als obere Landesbehörde zum Geschäftsbereich des Ministeriums des lnnern und untersteht somit dessen Fachund Dienstaufsicht. Das Landesamt gliedert sich in Abteilungen, die ihrerseits in Dezernate untergliedert sind. Zu erreichen ist das Landesamt für Verfassungsschutz wie folgt: Zuckerbusch 15 oder Postfach 18 49 39114 Magdeburg 39008 Magdeburg Telefon: 0391/567 3900 Telefax: 0391/567 3999. 90 * Landesamt t*ür Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt )> .... .... Q m ' -z m m Cl' Abteilung 1 Abteilung 2 Nachrichtenauswertung, Nachrichtenbeschaffung. Personeller und n1aterieller Spionageahehr Ciehein1und Sabotageschutz. Zentrale Vcrwaltung 4 Dezernate 3 l)ezernate c \ .. - I * * Methoden und Mittel der lnfonnationsgewinnung Die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz sind in SS 4 VerfSchG-LSA definiert: "SS 4 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde (1} Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1 . Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben; 2. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit, im Sinne der SSSS 94 bis 99, 129, 129a des Strafgesetzbuches; 3. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes; 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland' gefährden. 92 ) ' (2) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt auf Ersuchen der zuständigen öffentlichen Stellen mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können; 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Iebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, welche das zuständige Ministerium im einzelnen bestimmt hat; 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Für die Mitwirkung des Verfassungsschutzes an der Sicherheitsüberprüfung nach Satz 1 ist die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich. Ehegatten, Verlobte oder die Person, die mit der betroffenen Person in Lebensgemeinschaft zusammenlebt, dürfen in die Sicherheitsüberprüfungen ebenfalls nur mit ihrer Einwilligung einbezogen werden. (3) Die Mitwirkung der Verfassungsschutzbehörde gemäß Absatz 2 setzt im Einzelfall voraus, daß die betroffene Person und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung_ einschließlich der 93 Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen vorab unterrichtet werden." Der Verfassungsschutz sammelt seine Informationen (Nachrichten, Unterlagen etc.) sowohl durch die Auswertung von Pressemeldungen, den Besuch von öffentlichen Veranstaltungen, freiwillige Auskünfte (offene lnformationserhebung) als auch unter Einsatz der sogenannten nachrichtendienstliehen Mittel (verdeckte lnformationserhebung). * Keine polizeilichen Befugnisse Dem Verfassungsschutz stehen für seine Aufgabenerfüllung keinerlei polizeiliche Befugnisse zu. Er ist also nicht berechtigt zu verhören, zu verhaften, festzunehmen, anzuhalten, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Dies obliegt allein der Polizei. Die Verfassungsschutzbehörde darf daher auch nicht die Polizei bitten, an ihrer Stelle tätig zu werden. * Methoden und Mittel nachrichtendienstlicher Tätigkeit Wo die offene Informationserhebung nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Verfassungsschutzbehörde die in SS 7 Absatz 3 VerfSchG-LSA aufgeführten nachrichtendienstliehen Mittel einsetzen: "SS 7 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf mit nachrichtendienstliehen Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen Informationen verdeckt erheben. Die nachrichtendienstliehen Mittel sind in einer Dienstvorschrift 94 } zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung "'' solcher Informationsbeschaffung regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission zu übersenden." Der Einsatz solcher nachrichtendienstliehen Mittel kann dann erforderlich werden, wenn eine Organisation oder Gruppierung sich nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit zusammenfindet oder sich generell konspirativ verhält, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Weil der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre und die allgemeinen Freiheitsrechte darstellt, ist er nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise nicht möglich ist und er nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Das einschneidendste nachrichtendienstliche Mittel des Verfassungsschutzes ist die Brief-, Postund Telefonkontrolle. Weil hierdurch das Grundrecht gemäß Artikel 10 Grundgesetz beeinträchtigt wird, kann der Einsatz eines solchen Mittels nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen. Mit dem Bundesgesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (allgemein "G 10" genannt) und dem entsprechenden Landesousführungsgesetz sind in Sachsen-Anhalt die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden. * Datenschutz Der Verfassungsschutz hat das Datenschutzrecht zu beachten. Die zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erhobenen personenbezogenen Daten werden daher gemäß den im Verfassungsschutzgesetz enthaltenen Vorschriften über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung solcher Daten behandelt. 95 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten nicht unbegrenzt oder auf Vorrat speichern. Wird festgestellt, daß eine Speicherung unzulässig war oder die Kenntnis der gespeicherten Daten nicht mehr erforderlich ist, müssen diese gelöscht werden. Ergibt sich, daß die Daten zu löschen sind, müssen auch die zur Person geführten Akten vernichtet werden (Näheres siehe SS 11 VerfSchG-LSA). Daten zu Minderiährigen, die das 16. Lebensiahr noch nicht vollendet haben, dürfen in Dateien nicht gespeichert werden. Daten des Landesamtes für Verfassungsschutz dürfen nur unter genau festgelegten engen Voraussetzungen an Dritte übermittelt werden. Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Datenübermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. * Auskunftserteilung Jedermann hat die Möglichkeit, das Landesamt für Verfassungsschutz um unentgeltliche Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu bitten. Die Behörde ist gemäß SS 14 VerfSchG-LSA grundsätzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen, soweit der Bürger auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Die Auskunftserteilung hat aber zu unterbleiben, wenn die Verweigerungsgründe vorliegen, die bereits das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG-LSA} in SS 15 Absa1z 4 nennt. Zu diesen Verweigerungsgründen kommt als spezieller gesetzlicher Auskunftsverweigerungsgrund für das Landesamt für Verfassungsschutz die Gefährdung von Quellen oder die Gefahr der Ausforschung seines Erkenntnisstandes oder seiner Arbeitsweise hinzu. 96 1 * Kontrolle Das Landesamt für Verfassungsschutz unterliegt einer umfassenden Kontrolle, nämlich * der Dienstund Fachaufsicht des Ministeriums des lnnern, * der Prüfung durch den Landesrechnungshof, * der Kontrolle durch das Parlament, * der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten und * der Kontrolle durch die Gerichte. Außerdem unterliegt das Landesamt für Verfassungsschutz der besonderen Kontrolle des Landtages durch die Parlamentarische Kontrollkommission. Diese Kommission wird von der Landesregierung umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet. Die aus fünf Abgeordneten des Landtages bestehende Kontrollkommission tritt mindestens vierteljährlich zusammen. Unter bestimmten Voraussetzungen hat sie das Recht auf Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten und andere Unterlagen, Zugang zu Einrichtungen des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie auf Anhörung von Auskunftspersonen. * Strukturdaten Beschäftigte Zum Jahresende 1996 waren im Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt 11 0 Beschäftigte tätig. Haushalt Der Haushalt des Landesamtes für Verfassungsschutz sah für 1996 ein Gesamtvolumen von DM 10.555.600 vor. Es wurden jedoch aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen nur DM 97 9.018.345 verbraucht. Im einzelnen verteilen sich die Ausgaben wie folgt: 7.444.100 7.387.400 2.020.000 1.206.147 120.000 75.627 971.500 349.171 Datenspeicherung Seit seiner Gründung {30. Juli 1992) hat das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt bis Ende 1996 Daten zu etwa 6.880 Personen in dem von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder als Aktenfundstelle gemeinsam betriebenen und genutzten nachrichtendienstliehen Informationssystem ("NADIS") gespeichert, davon Daten zu 1.675 Personen im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen. * Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes trägt maßgeblich dazu bei, daß Regierung und Parlament, aber auch die Bürgerinnen und Bürger über Aktivitäten verfassungsfeindlicher Organisationen und Personenzusammenschlüsse informiert sind. Ein wichtiges Mittel hierfür ist der jährlich herausgegebene Verfassungsschutzbericht. Um die Gefahren für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die von Gewalt und Extremismus, Intoleranz und Ausländerhaß, übersteigertem Nationalismus und Fun98 können,bedarf es der Aufklärung insbesondereder Jugendüber Ziele, Absichten und Methoden verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Diesem Vorhaben soll die gemeinsame Wanderausstellung der Innenministerien der neuen Länder unter dem Motto "Demokratie - aber sicher!" dienen, die im Berichtszeitraum in Halle und Stendal in öffentlichen Einrichtungen und Schulen zu sehen war. Auch wurde die vom Bundesinnenminister und den Innenministern der Länder ins Leben gerufene Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß" in Sachsen-Anhalt fortgeführt. 99 ADN Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst AFP Agence France Press AIZ Antiimperialistische Zelle AJZ Alternatives Jugendzentrum Dessau AP Associated Press ARGK Volksbefreiungsarmee Kurdistans BPiS Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften CDU Christlich Demokratische Union DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DFN Deutscher Freundeskreis Nordharz DHKP-C Volksbefreiungspartei/-front DIDF Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DNZ Deutsche Nationalzeitung dpa Deutsche Presseagentur DSG-LSA Datenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt DWZ/DA Deutsche Wochenzeitung/Deutscher Anzeiger ERNK Nationale Befreiungsfront Kurdistans FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei GRU Militärischer Aufklärungsdienst der Russischen Föderation lJ Internationale Jugend JN Junge Nationaldemokraten JNA Jungnationdle - 100 .* JNS Junges Nationales Spektrum JVA Justizvollzugsanstalt KABD Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands KGB Komitee für Staatssicherheit der ehemaligen Sowietunion KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPD-Ost Kommunistische Partei Deutschlands KPD/M Kommunistische Partei Deutschlands - Gruppe MÖLLER KPdSU Kommunistische Partei der Sowietunion KPF Kommunistische Plattform der POS KZ Konzentrationslager MfS Ministerium für Staatssicherheit MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands NKI Neue Kommunistische Internationale NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation POS Partei des Demokratischen Sozialismus PKK Arbeiterpartei Kurdistans RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SpAD Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands SWR Ziviler Aufklärungsdienst der Russischen Föderation 101 . r t TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten VBH Volkstreue Bewegung Halle VerfSchG-LSA Verfassungsschutzgesetz des Landes SachsenAnhalt vs Verschlußsache 102