Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2024 Inhaltsverzeichnis I. Verfassungsschutz in Sachsen 5 1. Gesetzlicher Auftrag 6 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes 6 1.2 Informationsgewinnung 8 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz 9 2. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention 9 3. Kontrolle des Verfassungsschutzes 12 II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen 14 1. Rechtsextremismus 17 1.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 18 1.2 Personenpotenzial 21 1.3 Parteigebundener Rechtsextremismus 24 1.3.1 DER DRITTE W EG 24 1.3.2 DIE HEIMAT 30 1.3.3 FREIE SACHSEN 37 1.3.4 ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND - LANDESVERBAND SACHSEN 46 1.3.5 JUNGE ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (JA) - LANDESVERBAND SACHSEN 54 1.4 Parteiungebundener Rechtsextremismus 59 1.4.1 PEGIDA 59 1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE 62 1.4.3 EIN PROZENT E. V. 69 1.4.4 NEONATIONALSOZIALISTISCHE GRUPPIERUNGEN 72 1.4.5 Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches 79 Personenpotenzial 1.4.6 Rechtsextremistische Musik 88 1.4.7 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 96 1.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus 102 1.6 Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien 103 1.7 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem 107 Hintergrund 2. REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER 110 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 111 2.2 Strategie 111 Seite 2 von 259 2.3 Personenpotenzial 112 2.4 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen 113 3. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 122 4. Linksextremismus 131 4.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 132 4.2 Personenpotenzial 134 4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 135 4.3.1 Aktionsfelder 135 4.3.2 Aktionsformen 138 4.4 AUTONOME 139 4.4.1 AUTONOME in Leipzig 143 4.4.2 AUTONOME in Dresden 147 4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 151 4.5 ANARCHISTISCHE GRUPPIERUNGEN 154 4.5.1 FREIE ARBEITER*INNENUNION (FAU) 155 4.5.2 ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN (AND) / ANARCHIST BLACK CROSS 158 DRESDEN (ABC DRESDEN) 4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 160 4.6.1 Gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 162 4.6.1.1 ROTE W ENDE LEIPZIG/JUGEND IM KAMPF 162 4.6.1.2 KOLLEKTIV ZWICKAU 165 4.6.1.3 ROTER AUFBRUCH DRESDEN 166 4.6.2 Nicht gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 168 4.7 ROTE HILFE E. V. (RH) 169 4.8 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem 173 Hintergrund 5. Islamismus 176 5.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 177 5.2 Personenpotenzial 177 5.3 Erscheinungsformen des Islamismus 178 5.3.1 Legalistischer Islamismus 178 5.3.2 Politischer und jihadistischer Salafismus 184 5.3.2.1 Politischer Salafismus 186 5.3.2.2 Jihadistischer Salafismus 191 Seite 3 von 259 6. Auslandsbezogener Extremismus 196 6.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 197 6.2 Personenpotenzial 197 6.3 Strukturen 198 6.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten ausländische Ideologie und religiöse 208 Ideologie III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und 209 Wissenschaft 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten 210 2. Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 211 2.1 Akteure und Schwerpunkte 211 2.1.1 Russische Föderation 211 2.1.2 Volksrepublik China 213 2.1.3 Nachrichtendienste sonstiger Staaten 216 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 217 2.2.1 Beschaffung von öffentlich zugänglichen Informationen 217 2.2.2 Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen 217 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen 221 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft 222 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben 224 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und 225 Sabotageschutzüberprüfungen 1.1 Sicherheitsüberprüfungen 225 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen 226 2. Materieller Geheimschutz 226 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder 227 Ausschlussgründen V. Anhang 229 Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen im Jahr 230 2024 Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern 234 bzw. durch die Innenministerien/-senate der Länder seit 1992 Glossar 238 Abkürzungsverzeichnis 255 Aussteigerprogramm Sachsen 258 Seite 4 von 259 Deckblatt VS in SN I. Verfassungsschutz in Sachsen Aufgaben und Befugnisse des LfV Sachsen sind gesetzlich geregelt Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Gewinnung von Erkenntnissen zu extremistischen Bestrebungen sowie zu Terrorismus, Spionage, Cyberabwehr und Desinformation Informationsgewinnung durch offene Quellen und den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz: Trennungsgebot, aber kein Kooperationsverbot Das LfV Sachsen informiert die Öffentlichkeit über erwiesene extremistische Bestrebungen ("Frühwarnsystem") Kontrolle der Arbeit des LfV Sachsen u. a. durch das Sächsische Staatsministerium des Innern und die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages Seite 5 von 259 Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geht vom Grundgedanken einer streitbaren, wehrhaften Demokratie aus. Sie sieht vor, dass Angriffe von Extremisten auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bereits im Vorfeld aufgeklärt und aktiv abgewehrt werden können. In der Folge können Parteien vom Bundesverfassungsgericht verboten oder von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden (Artikel 21 Absatz 2 bis 4 GG). Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, können durch das Bundesinnenministerium bzw. das jeweils zuständige Landesinnenministerium verboten werden (Artikel 9 Absatz 2 GG). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Staat entsprechende Bestrebungen oder Aktivitäten - sie werden als extremistisch oder verfassungsfeindlich bezeichnet - rechtzeitig erkennt. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes als "Frühwarnsystem" zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Die über die extremistischen, verfassungsfeindlichen Bestrebungen gewonnenen Erkenntnisse werden in den Berichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen vor allem in Form von Analysen zu extremistischen Organisationen und Gruppierungen dokumentiert. Nur diese werden in der Berichterstattung durch die Schriftart "KAPITÄLCHEN" dargestellt. 1. Gesetzlicher Auftrag 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen sowie zu Terrorismus und Spionage schon weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu gewinnen. Ziel seiner Tätigkeit ist es, rechtzeitig auf Gefahren hinzuweisen, die dem freiheitlichen Rechtsstaat aus diesen Bereichen drohen. Dazu erstellt er Lagebilder und Analysen, Verfassungsschutz in Deutschland die es den Regierungen von Bund und Ländern ermöglichen, In der Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die gibt es Inlandsnachrichtendienste freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere sowohl auf Bundesebene (Bundesamt Sicherheit einzuleiten. Dem Verfassungsschutz selbst stehen für Verfassungsschutz) als auch auf keine polizeilichen Befugnisse zu. Jedoch übermittelt er unter Ebene der Länder bestimmten Voraussetzungen seine Erkenntnisse an Polizei (Landesverfassungsschutzbehörden). und Staatsanwaltschaft, um deren Vollzugsmaßnahmen zu Die Behörden arbeiten jeweils unterstützen. selbstständig, sind jedoch gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in diesem Bereich regelt das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG). Aufgaben und Befugnisse des Zudem gibt es für jedes Land ein eigenes Verfassungsschutzes sind gesetzlich Verfassungsschutzgesetz, das die Aufgaben und Befugnisse genau festgelegt. der jeweiligen Landesverfassungsschutzbehörde regelt. Die Rechtsgrundlage des Verfassungsschutzes in Sachsen ist das "Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen" (SächsVSG)1. Die Mitglieder des Sächsischen Landtages verabschiedeten im Juni 2024 ein neues Verfassungsschutzgesetz. Dieses Gesetz wird am 16. August 2025 in Kraft treten. Damit wurden Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz vom April 2022 umgesetzt. So darf der Einsatz besonders eingriffsintensiver nachrichtendienstlicher Mittel und verdeckter Ermittlungsmaßnahmen beispielsweise künftig nur auf richterliche Anordnung erfolgen. Ein weiterer Kernpunkt ist die 1 Das SächsVSG ist unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. Seite 6 von 259 Normierung besonderer Voraussetzungen für die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die das LfV Sachsen aus dem Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt hat. Für das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wurden im Haushaltsplan 2024 insgesamt 220 Stellen für Beamte, Tarifbeschäftigte und Anwärter im öffentlichen Dienst ausgewiesen. Das Haushaltsvolumen 2024 betrug rund 20,7 Millionen Euro. Dem LfV Sachsen obliegt die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über # Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, # sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, # Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, # Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, # fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Extremistische Phänomenbereiche Die Aufgabe der Spionageabwehr umfasst in Sachsen: insbesondere die Abwehr der Spionage von Nachrichtendiensten fremder Staaten gegen die Rechtsextremismus Bundesrepublik Deutschland. Dazu gehört auch die REICHSBÜRGER und Abwehr von Cyberangriffen sowie die Detektierung SELBSTVERWALTER sog. Desinformationskampagnen. Wesentliche Verfassungsschutzrelevante Angriffsziele sind die Bereiche Politik, Militär, Delegitimierung des Staates Forschung und Wissenschaft sowie Wirtschaft. Das Linksextremismus Islamismus LfV Sachsen beobachtet im Bereich Auslandsbezogener Extremismus Wirtschaftsschutz die Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste, um deutsche Unternehmen und Einrichtungen vor unberechtigtem Know-howund Informationsabfluss zu schützen. Daneben nimmt das LfV Sachsen auch sog. Mitwirkungsaufgaben wahr, bei denen es als Fachberater bei Sachentscheidungen einer anderen Behörde hinzugezogen wird. Hierzu gehören der Geheimund der Sabotageschutz. So ist das LfV Sachsen u. a. beteiligt an: # Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, # der Durchführung von technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen. Ebenso bringt das LfV Sachsen seine Erkenntnisse im Rahmen weiterer Beteiligungsaufgaben ein. So wird es durch andere öffentliche Stellen beteiligt bei # der Überprüfung von Personen, die sich um die Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben sowie bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wenn der Verdacht besteht, dass sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, # gesetzlich vorgesehenen Überprüfungen von Personen, z. B. nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Staatsangehörigkeitsgesetz, dem Atomgesetz, dem Sprengstoffgesetz, dem Seite 7 von 259 Waffengesetz, dem Luftsicherheitsgesetz sowie der Gewerbeordnung in Verbindung mit der Bewachungsverordnung. Die Informationen, die der Verfassungsschutz aufgrund seines gesetzlichen Auftrages sammelt, werden analysiert, d. h. sie werden gesichtet, geprüft und bewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen z. B. zur Einschätzung der Sicherheitslage, zur Vorbereitung von Vereinsund Parteiverboten oder zur Verhinderung bzw. Verfolgung von durch Extremisten, Terroristen und Spione begangene Straftaten. Diese Analysen sind auch Grundlage für die Berichterstattung des LfV Sachsen insbesondere gegenüber # dem Staatsministerium des Innern, # anderen Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, # dem Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), der die Aufgaben des Verfassungsschutzes auf dem Gebiet der Bundeswehr wahrnimmt, # dem Bundesnachrichtendienst (BND), der Auslandsaufklärung betreibt, # Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Polizei), # Behörden, welche die Informationen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung benötigen (z. B. für Versammlungsverbote) und # der Öffentlichkeit (z. B. durch eine entsprechende Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Vortragsveranstaltungen oder die Veröffentlichung des jährlichen Verfassungsschutzberichtes sowie von Broschüren). 1.2 Informationsgewinnung Der Verfassungsschutz sammelt einen erheblichen Teil Dabei wird zwischen offenen Quellen seiner Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen. und nachrichtendienstlichen Mitteln So werden u. a. Parteiprogramme, Satzungen, unterschieden. Vorrang bei der Publikationen, Flugblätter, Internetseiten, soziale Medien Informationsbeschaffung hat immer oder auch Reden von Funktionären ausgewertet. das mildeste Mittel. Extremisten, Terroristen und fremde Nachrichtendienste arbeiten jedoch häufig sehr konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Dementsprechend ist der Verfassungsschutz gesetzlich ermächtigt, auch sog. nachrichtendienstliche Mittel bei der Informationsgewinnung einzusetzen. Dabei ist er jedoch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, d. h. von den geeigneten und erforderlichen Mitteln ist jeweils das mildeste Mittel zu wählen, was durch die Gerichte voll überprüft werden kann. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen insbesondere: # der Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen), d. h. Personen, die dem LfV Sachsen selbst nicht angehören, aber aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Beobachtungsobjekt "Szene-Erkenntnisse" gegen Bezahlung liefern, ohne ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zu erkennen zu geben, # das verdeckte Beobachten von Personen (Observation), # verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen, # die Nutzung von Tarnmitteln, mit denen die Tätigkeit des Verfassungsschutzes verborgen werden soll (z. B. Tarnkennzeichen), # die Beobachtung im Internet, auch mit virtuellen Agenten Seite 8 von 259 # die Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs sowie # die Wohnraumüberwachung. Die Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs ist besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie ist in einem gesonderten Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" 2 (G 10) genannt wird. Demnach dürfen u. a. der Telekommunikationsverkehr abgehört und aufgezeichnet sowie Briefe geöffnet und gelesen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass bestimmte schwere Straftaten geplant oder begangen werden sollen bzw. wurden. Die Behördenleitung des LfV Sachsen muss hierfür einen entsprechenden Antrag beim Staatsministerium des Innern stellen, über den der Staatsminister des Innern entscheidet. Umgesetzt werden dürfen die Maßnahmen erst, wenn die vom Sächsischen Landtag gewählte G 10-Kommission deren Zulässigkeit und Notwendigkeit bestätigt hat. 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz Polizei und Verfassungsschutz arbeiten beim Schutz von Staat und Verfassung eng zusammen. Sie sind zwar getrennt voneinander organisiert und mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet, bilden aber einen Wirkverbund und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur inneren Sicherheit. Das Trennungsgebot ist in Artikel 83 Absatz 3 Satz 1 der Sächsischen Verfassung wie auch im SS 1 Absatz 4 SächsVSG verankert. Es besagt insbesondere, dass der Verfassungsschutz keiner Polizeibehörde angegliedert werden darf. Zudem gibt es untereinander keinen unbeschränkten Informationsaustausch. Auch stehen dem Verfassungsschutz Zwangsbefugnisse, wie sie der Polizei eingeräumt werden, nicht zu. Er darf also weder Personen festnehmen, durchsuchen, vorladen oder vernehmen noch Wohnungen durchsuchen oder Gegenstände beschlagnahmen. Er ist auch nicht befugt, Verbote oder Auflagen auszusprechen. Der Verfassungsschutz hat vielmehr lediglich reine Beobachtungsbefugnisse im Vorfeld der Straftatenbegehung. Hat der Verfassungsschutz ausreichende Erkenntnisse gewonnen, die ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich machen, unterrichtet er Polizei oder Staatsanwaltschaft, sofern die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dort wird dann selbstständig entschieden, ob und welche Exekutivmaßnahmen zu treffen sind. 2. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Der sächsische Verfassungsschutz ist kein "geheimer Gesamtgesellschaftliche Dienst", sondern ein Informationsdienstleister für die Sicherheitsvorsorge Öffentlichkeit. Er informiert demnach nicht nur Politik und Verwaltung, sondern beispielsweise auch Kommunen, # Nachrichtendienste Bundeswehrangehörige, Wissenschaftler sowie die # Polizei Medien und Bürger zu Erkenntnissen über extremistische # Bundeswehr Bestrebungen. # nicht staatliche Akteure # Zivilgesellschaft Das Informationsangebot stellt einen wichtigen Präventionsbeitrag dar und soll die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Extremismus fördern. Je besser Bürgerinnen und Bürger informiert sind, desto leichter fällt es ihnen, sich aktiv für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. 2 Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sowie das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Freistaat Sachsen sind unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. Seite 9 von 259 Unsere Angebote: # Vorträge und Informationsveranstaltungen zu folgenden Themen: Extremismus allgemein Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Lagebilder zu den Phänomenbereichen Rechtsextremismus, REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER, Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, Linksextremismus, auslandsbezogener Extremismus und Islamismus islamistische Radikalisierung Propaganda und Agitation von Extremisten im Internet Gefahren der (Wirtschafts-)Spionage sowie von Cyberangriffen, Proliferation, Einflussnahme und Desinformation # Beratung kommunaler Entscheidungsträger In Beratungsgesprächen informiert das LfV Sachsen kommunale Entscheidungsträger über regionale extremistische Bestrebungen und Aktivitäten, damit vor Ort Gegenstrategien entwickelt werden können. Hierzu wirkt es auch im Expertennetzwerk gegen Rechtsextremismus in Sachsen3 sowie bei diversen "Kommunal Dialogen" mit. Darüber hinaus bringt sich das LfV Sachsen aktiv in die Arbeit des Demokratie-Zentrums Sachsen sowie die Koordinierungsund Beratungsstelle Radikalisierungsprävention (KORA) ein. # Wirtschaftsschutz4 Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-how-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. # Information der Medienvertreter Die Information der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen erfolgt zudem über die Medien. Hierzu veröffentlicht das LfV Sachsen u. a. Medieninformationen, beantwortet Anfragen von Journalisten und informiert in Pressegesprächen und Pressekonferenzen über seine Arbeit bzw. seine Erkenntnisse in den jeweiligen extremistischen Phänomenbereichen. # Internetpräsentation Das Informationsangebot des LfV Sachsen unter der Adresse www.verfassungsschutz.sachsen.de stellt zum einen Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes vor. Zum anderen werden dort auch die Entwicklungen in den einzelnen extremistischen Phänomenbereichen aufgeführt. Der Internetauftritt beinhaltet darüber hinaus Informationen zu aktuellen Lageentwicklungen. Querverweise ermöglichen die Verbindung zu Internetpräsenzen anderer Verfassungsschutzbehörden. Außerdem können vom LfV Sachsen herausgegebene Berichte und Broschüren heruntergeladen werden. Auf der Internetseite befinden sich auch die Kontaktmöglichkeiten zum LfV per Telefon oder Mail. 3 Bei diesem Expertennetzwerk handelt es sich um ein behördliches Kooperationsnetzwerk, das Kommunen beim Umgang mit Rechtsextremismus - vor allem im Hinblick auf die Nutzung von Immobilien und besondere Veranstaltungslagen - berät und unterstützt. Die Geschäftsstelle des Expertennetzwerks ist bei der Landesdirektion Sachsen angesiedelt (www.lds.sachsen.de/expertennetzwerk). 4 vgl. Abschnitt III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Seite 10 von 259 # Sächsischer Verfassungsschutzbericht Der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht informiert die Öffentlichkeit über Ideologien, Personenpotenziale, Erscheinungsformen und aktuelle Entwicklungen des Extremismus, über Akteure, Aufklärungsschwerpunkte und Methoden der Spionage sowie über extremistisch motivierte Straftaten und die Funktion des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem. Der Bericht ist als Druckausgabe erhältlich und kann auch im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. # Herausgabe von Broschüren Die präventive Aufklärung der Öffentlichkeit über den Extremismus erfolgt auch durch die Herausgabe entsprechender Publikationen, die teilweise in Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden anderer Länder bzw. des Bundes erstellt und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie können als Broschüre bestellt oder im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. Alle Angebote sind kostenfrei. Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60 | 01129 Dresden Tel.: +49 351 8585-0 | Fax: +49 351 8585-500 Mail: verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de Internet: www.verfassungsschutz.sachsen.de Seite 11 von 259 3. Kontrolle des Verfassungsschutzes Das Staatsministerium des Innern (SMI) kontrolliert als Fachaufsichtsbehörde die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch das LfV Sachsen. Als Dienstaufsichtsbehörde wacht es zudem über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb. Außerdem finden Kontrollen statt durch: # die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages Sie kontrolliert die Tätigkeit des LfV Sachsen. Auch die Wahrnehmung der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern über das LfV Sachsen unterliegt der Kontrolle durch die PKK. Diese wird gemäß des neuen Verfassungsschutzgesetzes künftig durch eine Fachstelle unterstützt werden. # die Kommission nach SS 3 des Sächsischen Artikel 10-Gesetz-Ausführungsgesetzes (SächsAG G 10) des Sächsischen Landtages (G 10-Kommission) Diese Kommission prüft die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10), d. h. von Maßnahmen der Brief-, Postund Telekommunikationsüberwachung. Auch Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsersuchen gegenüber auskunftsverpflichteten Unternehmen nach SS 11a Absatz 2 bis 5 sowie SS 11b SächsVSG unterliegen der Kontrolle der Kommission. # die Sächsische Datenschutzbeauftragte Kontrolliert wird die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz. Dabei wird geprüft, ob personenbezogene Daten durch das LfV Sachsen rechtmäßig verarbeitet wurden. Jede betroffene Person kann sich an den Datenschutzbeauftragten bzw. die Datenschutzbeauftragte wenden, wenn sie der Ansicht ist, das LfV Sachsen habe sie bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in ihren Rechten verletzt. # den Sächsischen Rechnungshof Er kontrolliert die Verwendung der Haushaltsmittel des LfV Sachsen. Seite 12 von 259 # die Gerichte Jede betroffene Person hat das Recht, gegen sie belastende Maßnahmen des LfV Sachsen das Verwaltungsgericht anzurufen. Außerdem prüft ein Gericht bereits im Vorfeld die Zulässigkeit von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen. # die Öffentlichkeit Durch die Medienberichterstattung wird die Tätigkeit des LfV Sachsen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erfährt damit auch auf diese Weise eine Kontrolle. # interne Prüfungen Im LfV Sachsen finden auch interne Kontrollen statt, so z. B. durch die Innenrevision, den behördlichen Datenschutzbeauftragten, den G 10-Aufsichtsbeamten sowie die behördliche Beauftragte für den Haushalt. Organigramm des LfV Sachsen5 Das LfV Sachsen mit Sitz in Dresden gehört dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMI) an. 5 Stand: 10. März 2025 Seite 13 von 259 II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen 1. Rechtsextremismus Neue erwiesene extremistische Beobachtungsobjekte des LfV Sachsen, u. a. : ARYAN PEOPLE RESISTANCE CHEMNITZ REVOLTE SN SACHSEN URBS TURRIUM Personenpotenzial stieg weiter an, gleichzeitig erhebliche "Verjüngung" der Szene Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien bei den Kommunalund Landtagswahlen Rechtsextremisten nutzten erneut Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial" für ihre Zwecke und sickerten mit ihrem verfassungsfeindlichen Gedankengut weiter in die gesellschaftliche Mitte ein Weitere Zunahme der Vernetzungsbestrebungen Hohes Reaktionsund Mobilisierungsniveau über die sozialen Medien Weiterer Rückgang rechtsextremistischer Konzerte, mehr Liederabende bzw. klandestine Musikveranstaltungen 2. REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER Erneuter Anstieg des Personenpotenzials Landkreis Bautzen und Erzgebirgskreis stellen neben Dresden REICHSBÜRGER-Hotspots dar; die Szene konzentriert sich weiterhin vorrangig im ländlichen Raum REICHSBÜRGER-Gruppierung KÖNIGREICH DEUTSCHLAND baute Aktivitäten in Sachsen aus, stand aber zugleich im Fokus behördlicher Maßnahmen Anteil der Rechtsextremisten nach wie vor niedrig Weiterhin erhöhtes Gefährdungspotenzial durch einzelne, verschwörungstheoretisch geprägte REICHSBÜRGER Hohe Waffenaffinität dieser heterogenen Szene Seite 14 von 259 3. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates Insgesamt niedriges, aber konstantes dreistelliges Personenpotenzial im Freistaat Sachsen Andauerndes Protestgeschehen: Montagsdemonstrationen beispielsweise in Görlitz entwickelten sich zur festen Routine Fortschreitende inhaltliche Verfestigung und Radikalisierung durch die Erschließung neuer Themen und die Bezugnahme auf Verschwörungsnarrative Netzwerke von "Delegitimierern" mit Rechtsextremisten und REICHSBÜRGERN Musik gewann an Bedeutung: Szenemusiker begleiteten Veranstaltungen 4. Linksextremismus Neue erwiesene extremistische Beobachtungsobjekte des LfV Sachsen: ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN KOLLEKTIV ZWICKAU KOMMUNISTISCHE ORGANISATION (KO) ROTER AUFBRUCH DRESDEN Stagnation des Personenpotenzials Rückgang der Aktivitäten der AUTONOMEN SZENE "Budapest-Komplex" als eindeutiger Beleg für klandestines, professionelles Vorgehen der AUTONOMEN SZENE wirkt nach: Solidaritätsbekundungen für inhaftierte und untergetauchte Tatverdächtige Vernetzung bei den ANARCHISTEN: "Anarchistische Tage" als Veranstaltungsformat etabliert Aktionsund Personenpotenzial der DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN stieg an; insbesondere junge und gewaltorientierte Szeneangehörige Nahostkonflikt als bestehende Kontroverse im sächsischen Linksextremismus Seite 15 von 259 5. Islamismus Personenpotenzial bleibt im Bundesvergleich weiterhin auf niedrigem Niveau bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen Schwerpunkte salafistischer Strukturen in Leipzig; Neubau eines Moscheegebäudes der ALRAHMAN-MOSCHEE Salafisten erzielen enorme Reichweite durch die Übertragung von Predigten und Vorträgen in den sozialen Medien und bei Messengerdiensten ("TikTokisierung"), junge Influencer als "Sprachrohre" für verfassungsfeindliche Ziele Legalistischer Islamismus mit "Wolf im Schafspelz"-Strategie konzentriert sich auf Dresden Fortwährend anti-israelische, antisemitische und den Angriff der HAMAS auf Israel relativierende Positionen Unverändert abstrakt hohe Gefahr von Terroranschlägen 6. Auslandsbezogener Extremismus Neues erwiesenes extremistisches Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen: HANDALA E. V. Hohes Mobilisierungspotenzial, auch im linksextremistischen Spektrum, für Demonstrationen und Kundgebungen Zunehmende strukturelle Vernetzung mit Linksextremisten insbesondere in Leipzig und Dresden Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt geprägt von YOUNG STRUGGLE LEIPZIG und HANDALA E. V. Schicksal des inhaftierten PKK-Führers ÖCALAN und Entwicklungen im türkisch-syrischen Grenzgebiet waren Themenschwerpunkte von PKK-Versammlungen Weiterer Anstieg der Straftaten resultierend aus dem pro-palästinensischen Protestgeschehen Seite 16 von 259 1. Rechtsextremismus Neue erwiesene extremistische Beobachtungsobjekte des LfV Sachsen, u. a. : ARYAN PEOPLE RESISTANCE CHEMNITZ REVOLTE SN SACHSEN URBS TURRIUM Personenpotenzial stieg weiter an, gleichzeitig erhebliche "Verjüngung" der Szene Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien bei den Kommunalund Landtagswahlen Rechtsextremisten nutzten erneut Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial" für ihre Zwecke und sickerten mit ihrem verfassungsfeindlichen Gedankengut weiter in die gesellschaftliche Mitte ein Weitere Zunahme der Vernetzungsbestrebungen Hohes Reaktionsund Mobilisierungsniveau über die sozialen Medien Weiterer Rückgang rechtsextremistischer Konzerte, mehr Liederabende bzw. klandestine Musikveranstaltungen Seite 17 von 259 1.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Rechtsextremisten bekämpfen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Ziel, diese zu beseitigen. Auch wenn es innerhalb des Rechtsextremismus verschiedene ideologische Strömungen und Erscheinungsformen gibt, die nicht selten sogar zueinander in Widerspruch stehen, stimmen sie in folgenden Positionen grundsätzlich überein: # Rassisch definierte "Volksgemeinschaft" bzw. homogene "Kultur" als ein dem Einzelnen übergeordnetes Kollektiv Rechtsextremisten streben einen Staat an, der entweder organisatorischer Ausdruck einer ethnisch-rassisch homogenen "Volksgemeinschaft" ist oder als Wahrer und Verteidiger einer ebenso homogen gedachten "Kultur" innerhalb des Staatsgebietes fungiert. Auf dieser Grundlage wird ein vermeintlich einheitlicher "Volkswille" angenommen, der von staatlichen "Führern" verkörpert und in reale Politik umgesetzt werden soll ("Völkischer Kollektivismus"). In einem solchen Staat würden wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie die Menschenrechte und das Rechtsstaatsprinzip, und damit letztlich auch eine funktionierende demokratische Ordnung fehlen. # Rassismus / Fremdenfeindlichkeit Rassisten sind davon überzeugt, dass Menschen in biologisch definierte "Rassen" mit genetisch bedingten Merkmalen eingeteilt werden können, nach denen sie sich voneinander unterscheiden und hierarchisch in "höhere" und "minderwertige Rassen" einteilen lassen. Diese Merkmale können beispielsweise Herkunft, Ethnie oder Nationalität sein. So werten Rechtsextremisten u. a. die "weiße" bzw. "arische" Rasse auf und alle anderen "Rassen" dementsprechend als minderwertig ab. Auf diese Argumentationslinie bezog sich auch der historische Nationalsozialismus, auf den sich rechtsextremistische Gruppierungen wiederum bis heute berufen. Demnach solle das deutsche Volk vor der Integration "rassisch minderwertiger Ausländer" (davon umfasst sind auch deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund) und vor einer "Völkervermischung" bzw. einem "Völkeraustausch" bewahrt werden. Es werde befürchtet, dass das deutsche Volk infolge einer "Durchmischung mit fremdem Blut" untergehe. Diese Auffassungen sind mit der verfassungsrechtlich verbürgten Unantastbarkeit der Menschenwürde unvereinbar. Diese gilt bedingungsund voraussetzungslos für jeden Menschen. Rechtsextremisten machen dieses Recht indes von einer biologistischgenetisch definierten Zugehörigkeit zur "Volksgemeinschaft" abhängig. # Ethnopluralismus Bei dem Begriff Ethnopluralismus handelt es sich um ein Ideologieelement der extremistischen "Neuen Rechten", dem kein einheitlich definiertes Konzept zugrunde liegt. Ethnopluralismus ist ein ausgrenzender "Nationalismus", ein "Rassismus ohne Rassen". Er setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort "ethnos" (Volk) und dem lateinischen Wort "pluralis" (Mehrzahl) und propagiert damit eine "Völkervielfalt". Diese schlägt sich jedoch nach Lesart von Vertretern der "Neuen Rechten" in jeweils ethnisch weitestgehend homogenen Staaten nieder. Im Zentrum dieses Ideologieelementes steht somit die Forderung, dass keine "Durchmischung" der Bewohner verschiedener Kulturräume stattfinden darf, mit dem Ziel, ethnisch reine Gesellschaften zu schaffen und alles "Volksfremde" auszuweisen. Zuwanderung soll demnach vordergründig strikt nach ethnisch-kulturellen, aber im Ergebnis letztlich nach rassistisch-biologistischen Kriterien gesteuert werden. Mit dieser Staatsund Gesellschaftskonzeption werden Menschen vom Staatsvolk ausgeschlossen, die nicht dessen ethnischen Voraussetzungen entsprechen. Folgerichtig ergeben sich auch aus dem Ethnopluralismus traditionelle rechtsextremistische Seite 18 von 259 Forderungen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus". Der Ethnopluralismus ist daher als Begründung für die Ungleichbehandlung Deutscher mit Migrationshintergrund ebenfalls nicht mit der Menschenwürdegarantie vereinbar. # Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit Antisemitismus ist ein Merkmal nahezu aller rechtsextremistischen Strömungen. Seine Erscheinungsformen können religiöser, kultureller sowie rassistischer Ausprägung sein. In der rechtsextremistischen Szene werden Verschwörungstheorien verbreitet, wonach z. B. Umwälzungen im internationalen Finanzsektor oder Einreisen von Migranten im Hintergrund von mächtigen, jüdischen "Strippenziehern" (sog. "Eliten" oder "Globalisten") gelenkt würden. Obwohl diese Theorien jeder Faktengrundlage entbehren, tragen sie dazu bei, antisemitische Vorurteile zu schüren. Zwei vor allem innerhalb der "Neuen Rechten" populäre Verschwörungserzählungen - "Great Reset" und der "große Austausch" - arbeiten mit diesem antisemitisch konnotierten Bild einer angeblich verschwörerischen Elite. Äußerungen, die sich als "sekundärer Antisemitismus" zusammenfassen lassen, arbeiten sich am Holocaust und der damit verbundenen deutschen Erinnerungskultur ab. Hierzu gehören Aussagen und Wortkonstruktionen, die den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden mindestens relativieren, in einer extremen Ausprägung sogar leugnen ("Auschwitz-Lüge"). Vielen Rechtsextremisten ist auch eine explizite Muslimfeindlichkeit eigen. Muslime werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit per se als "gewalttätig" und "kriminell" diffamiert. Eine Daseinsberechtigung in Deutschland wird ihnen deswegen abgesprochen. # Revisionismus und Holocaustleugnung Unter rechtsextremistischem Geschichtsrevisionismus versteht man die Leugnung oder Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen und der deutschen Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Holocaust und andere NS-Verbrechen werden durch ihre Gleichsetzung mit Handlungen der Kriegsgegner Deutschlands relativiert (z. B. "Bombenholocaust"). Die Leugnung des an den Juden begangenen Völkermordes erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung (SS 130 StGB). Von extremistisch motiviertem Gebietsrevisionismus spricht man, wenn Rechtsextremisten die deutschen Gebietsverluste als Folge der Weltkriege nicht anerkennen oder sogar - entgegen vertraglicher Verpflichtungen, die Deutschland nach den Weltkriegen eingegangen war - weitere Gebiete für Deutschland beanspruchen. Revisionistische Positionen bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen den verschiedenen rechtsextremistischen Bestrebungen. # Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus Rechtsextremisten nehmen gegenüber dem historischen Nationalsozialismus häufig verherrlichende Positionen ein. Die Handlungen der Nationalsozialisten werden positiv hervorgehoben und ihre Verbrechen verharmlost. NS-Funktionsträger, wie z. B. Hitlers damaliger Stellvertreter Rudolf Heß, werden als Vorbilder dargestellt, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime hingegen diffamiert. Auch in Sprache, Symbolik und Programmatik lehnen sich Rechtsextremisten zum Teil eng an die Zeit von 1933 bis 1945 an. Neuere Strömungen im Rechtsextremismus wenden sich hingegen entschieden vom historischen Nationalsozialismus ab. Hier beruft man sich stattdessen auf die Vordenker des italienischen Faschismus und die Anhänger der "Konservativen Revolution" in der Weimarer Republik. Gleichzeitig relativiert man die NS-Zeit und negiert die Verantwortung, die sich hieraus auch für kommende Generationen in Deutschland ableitet. Seite 19 von 259 # Verächtlichmachung von Verantwortungsträgern und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates (Amtsund Mandatsträger, Medien, Wissenschaft usw.) Unter Rechtsextremisten kommt es vielfach zu herabsetzenden Verunglimpfungen des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Repräsentanten. Sie verfolgen dabei das Ziel, den staatlichen Institutionen und deren Repräsentanten ihre Legitimität abzusprechen und das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Institutionen grundlegend zu erschüttern. Politiker werden dabei nicht selten als unfähige und korrupte Handlanger ausländischer, insbesondere US-amerikanischer bzw. jüdischer Interessen, diffamiert. Rechtsextremisten stellen sich selbst als alleinige Wahrer der Interessen des deutschen Volkes dar und diskreditieren den politischen Gegner als "Verräter". Im Rahmen ihrer wöchentlichen Proteste entmenschlichen Rechtsextremisten politische Entscheidungsträger, verspotten sie und rufen nicht selten zu (Gewalt-)Straftaten gegen sie auf. Mit Begriffen wie "Volksverräter" und "Lügenpresse" werden Amtsund Mandatsträger bzw. Journalisten pauschal herabgewürdigt und diffamiert. Diese Wortwahl entlehnen Rechtsextremisten bewusst den Begrifflichkeiten des Nationalsozialismus. Ebenso leugnen sie wissenschaftliche Fakten, die ihre Auffassungen nicht stützen. # Rechtsextremistischer Antiamerikanismus In der antiliberalen und antipluralistischen Weltsicht der Rechtsextremisten verkörpern die USA ein besonderes Feindbild. Die amerikanische Nation, die - einem "Schmelztiegel" ähnlich - viele Volksgruppen umfasst, steht für Rechtsextremisten in offenem Widerspruch zu ihrem Ideal einer homogenen, "rassisch" definierten "Volksgemeinschaft" bzw. einer homogen gedachten "Kultur". # Rechtsextremistische Agitation gegen die LGBTQIA+6-Gemeinschaft Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bildet einen grundlegenden Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Agitation. So wurde in jüngster Zeit innerhalb der rechtsextremistischen Szene vermehrt gegen die LGBTQIA+-Gemeinschaft agiert und diese diskriminiert bzw. diffamiert. Auf Basis ihrer Weltanschauung lehnen Rechtsextremisten Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierungen sowie gleichgeschlechtliche Partnerschaftsund Familienmodelle größtenteils ab. Sie sehen Heterosexualität und die damit verbundene traditionelle Kernfamilie als alternativlos und biologisch "natürlich" an. Für sich genommen ist dies zunächst keine genuin rechtsextremistische Position, jedoch versuchen Rechtsextremisten das Thema ideologisch zu besetzen. Sie knüpfen die Ablehnung neuer Geschlechterverständnisse und Familienmodelle an ihr von Rassismus und Nationalismus geprägtes Weltbild. So könnten ausschließlich in der "traditionellen Kernfamilie" Kinder geboren und damit letztlich der drohende "Volkstod" abgewendet werden. Jegliche Abweichung wird im Rahmen einer 6 LGBT ist eine aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (lesbisch, schwul, bisexuell und transgender). Mittlerweile hat sich LGBT als Kurzform für viele Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen durchgesetzt, die von zweigeschlechtlichen und heterosexuellen Normen abweichen. Alle Untergruppen fordern Freiheiten in Bezug auf die gesellschaftlich geprägte zweigeschlechtliche Ordnung und die damit verbundene soziale Norm der Heteronormativität (gegengeschlechtliche Liebe). Mit dem Aufkommen der Queer-Theorie schlossen sich weitere queere Personen der Sammelbewegung an (LGBTQ). Im Folgenden wurde die Bezeichnung teilweise weiter ergänzt mit "I" für intergeschlechtliche Personen, dann mit "A" für asexuelle, aromantische und agender Personen und schließlich mit einem Pluszeichen oder Trans-Sternchen als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten (LGBTQIA+); Quelle: www.wikipedia.de Seite 20 von 259 völkisch-biologistischen Ideologie als "Zersetzung des Volkskörpers" und als Anzeichen eines fortschreitenden kulturellen Verfalls gewertet. 1.2 Personenpotenzial Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Sachsen belief sich im Jahr 2024 auf insgesamt 6.000 Personen. Dieser erneute Anstieg steht analog des Vorjahres vor allem mit dem der Partei ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD) - LANDESVERBAND SACHSEN zugerechneten Personenpotenzial in Zusammenhang. Die Gesamtzahl ergibt sich rechnerisch unter Abzug von hier bekannten Doppelmitgliedschaften bei den anderen rechtsextremistischen Parteien. Die angegebenen Werte beruhen auf Schätzungen sowie Rundungen und berücksichtigen zudem das sog. Dunkelfeld. Dem LfV Sachsen liegen nicht zu allen in den folgenden Zahlenangaben erfassten Personen Einzelerkenntnisse vor. Rechtsextremistisches Personenpotenzial im Freistaat Sachsen 6.500 6.000 6.000 5.750 5.500 5.000 4.800 4.350 4.350 4.500 4.000 3.400 3.500 3.000 2.700 2.700 2.800 2.600 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 bundesweit 2024: Das rechtsextremistische Personenpotenzial wird bundesweit nach seinem jeweiligen Organisationsgrad erfasst. Dieses Kategoriensystem untergliedert sich dementsprechend in die Bereiche: 1. parteigebundener Rechtsextremismus, 2. parteiungebundene rechtsextremistische Strukturen und 3. unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Seite 21 von 259 Rechtsextremistisches Personenpotenzial im Freistaat Sachsen nach Organisationsgrad gegliedert 3.500 3.150 3.000 2.840 2.500 2.000 2.000 2.000 2023 1.500 2024 910 850 1.000 500 0 Parteigebundener Parteiungebundene Unstrukturiertes Rechtsextremismus rechtsextr. Strukturen rechtsextr. Personenpotenzial Entwicklung der Gewaltorientierung Von den rund 6.000 Rechtsextremisten werden in Sachsen ca. 1.400 als gewaltorientiert eingestuft (2023: 1.400; 2022: 1.500). Zu den gewaltorientierten Rechtsextremisten zählen Personen, die Gewalt befürworten, die Anwendung von Gewalt unterstützen oder gewaltbereit bzw. als Gewalttäter in Erscheinung getreten sind. Im langfristigen Vergleich ist die Anzahl verübter Gewalttaten durch Rechtsextremisten rückläufig (2024: 109; 2023: 69; 2022: 58; 2018: 138; 2016: 145; 2015: 201). Seite 22 von 259 Rechtsextremistische Parteiungebundene Unstrukturiertes Parteien7 rechtsextremistische rechtsextremistisches Strukturen9 Personenpotenzial10 2024: ca. 3.1508 2024: ca. 850 2024: ca. 2.000 2023: ca. 2.840 2023: ca. 910 2023: ca. 2.000 ALTERNATIVE FÜR NEONATIONALSOZIALISTEN / DEUTSCHLAND (AFD) - SUBKULTURELL GEPRÄGTE LANDESVERBAND SACHSEN RECHTSEXTREMISTEN (in Strukturen) 2024: ca. 1.550 2024: ca. 780 2023: ca. 1.300 2023: ca. 830 JUNGE ALTERNATIVE (JA) IDENTITÄRE BEWEGUNG - SACHSENGARDE 2024: ca. 200 2023: ca. 100 2024: ca. 50 2023: ca. 50 DIE HEIMAT PEGIDA 2024: ca. 150 2024: ca. 10 2023: ca. 180 2023: ca. 20 JUNGE NATIONALISTEN (JN) EIN PROZENT 2024: ca. 60 2024: ca. 10 2023: ca. 40 2023: ca. 10 DER DRITTE W EG 2024: ca. 160 2023: ca. 140 FREIE SACHSEN 2024: ca. 1.200 2023: ca. 1.200 7 Die Parteien DIE RECHTE und NEUE STÄRKE PARTEI verfügen über keine Strukturen im Freistaat Sachsen. 8 Aufgrund von Doppelmitgliedschaften, insbesondere in Bezug auf die Parteien DIE HEIMAT und FREIE SACHSEN, entsprechen die Gesamtzahlen 2023 und 2024 nicht der Summe der jeweiligen Einzelwerte. 9 Mehrfachmitgliedschaften sind möglich 10 Dem weitgehend unstrukturierten Personenpotenzial werden Rechtsextremisten zugeordnet, die keiner Partei oder Organisation zugerechnet werden können, wie beispielsweise rechtsextremistische Strafund Gewalttäter. Seite 23 von 259 1.3 Rechtsextremistische Parteien 1.3.1 DER DRITTE WEG (III. WEG) Sitz Weidenthal (Rheinland-Pfalz) Gründung 28. September 2013 Vorsitz Matthias FISCHER Teil- / In Sachsen: Nebenorganisationen LANDESVERBAND SACHSEN, STÜTZPUNKTE VOGTLAND, W ESTSACHSEN, LEIPZIG/NORDSACHSEN, MITTELSACHSEN, OSTSACHSEN; NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND VOGTLAND, WESTSACHSEN und LEIPZIG/NORDSACHSEN (NRJ) Publikationen "Nouvi Arditi - Handbuch der revolutionären Jugend" "Nationalismus. Eine ganzheitliche Betrachtung" "Fackeln in deutscher Nacht" "National, Revolutionär, Sozialistisch" (2. Auflage 2023) "Der Nationalrevolutionär" "Rebellische Herzen" "Wie weiter?" "Theorie & Aktion" #1 und #2 "Fußball & Nationalismus" Internetauftritte Homepage der Partei, Telegram-Kanäle, diverse Profile in den sozialen Medien (X, Instagram, vk, TikTok) Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung Sachsen ca. ca. 160 140 bundesweit ca. 800 Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden, Materialvertrieb Stützpunkte verfügen über eine eigene "Handkasse". Genutzte Immobilien Parteiund Bürgerbüro, Plauen (sogenannte "Parteizentrale") Objekt der Partei, Zwickau Kurzportrait / Ziele neonationalsozialistische Grundausrichtung agiert ausländerfeindlich und revisionistisch Abschaffung der Demokratie zugunsten einer "kollektiven Volksgemeinschaft" gibt sich elitär Sport und gesunde Lebensführung stehen im Vordergrund ("Leibeserziehung") hat vor allem Jugendliche und junge Erwachsene im Fokus Seite 24 von 259 Relevante Ereignisse eine der bestimmenden Größen der und parteigebundenen, rechtsextremistischen Szene in Entwicklungen 2024 Sachsen Gründung des neuen STÜTZPUNKTES OSTSACHSEN NRJ-Gemeinschaftswochenenden im Vogtland und in Westsachsen Gegendemonstration zum "Christopher Street-Day" in Zwickau weiterer Aufbau der NRJ Ideologie Ideologisch orientiert sich die Partei am historischen Nationalsozialismus. Die Parteiprogramme der Partei DER DRITTE W EG und der NSDAP verbindet der biologistische Volksbegriff. Nach dem NSDAP-Programm konnte nur derjenige "Volksgenosse" sein, der "deutschen Blutes" war. Entsprechend fordert die Partei DER DRITTE W EG in ihrem Programm "die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" sowie die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes", die es vor Überfremdung zu schützen gelte. Eine solche ethnisch-homogene Volksgemeinschaft ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Die Partei nimmt in ihren Äußerungen immer wieder Bezug auf den Nationalsozialismus. In ihrer Veröffentlichung "Der Nationalrevolutionär - Handbuch für Aktivisten unserer Bewegung" (2019) werden die ideologischen Grundzüge dargelegt und Handlungsanweisungen zum Umgang mit der politischen Arbeit sowie zum Engagement der jeweiligen Parteimitglieder formuliert. Betont wird in diesem Zusammenhang auch das demokratiefeindliche Selbstverständnis der Partei. So heißt es: "Daher muss unsere nationalrevolutionäre Bewegung vom ersten bis zum letzten Tag stets eine Bewegung von radikalen, politischen Revolutionären sein. Wir erkämpfen unsere Revolution nicht mit dem Bürgertum, sondern auf den Trümmern der morschen Welt und Moralvorstellungen desselben."11 Weiter heißt es: "Unsere Bewegung will Deutschland nationalrevolutionär verändern." Ziel der Partei ist der "fortschrittlich sozialistische und völkische Staat". Man wolle eine "völkisch geprägte Gegenkultur" aufbauen. Dazu soll die Partei nach und nach wachsen, um dann, "wenn die Masse für einen Moment den Glauben an das System [Anm.: d. h. die demokratische Verfasstheit des derzeitigen Staates] verliert, gewappnet zu sein für die Übernahme dieser Menge". Sich selbst gesteht die Partei eine gewisse Gewaltbereitschaft zu: "Wir streben also einen gewaltlosen politisch kulturellen Wechsel an. Allerdings lehnen wir nicht das uns als Vorwurf entgegengebrachte Attribut 'gewaltbereit' ab. Jeder Mensch ist ab einem gewissen Grade 'gewaltbereit', spätestens wenn es um die Verteidigung seiner selbst oder seiner Familie in einer Notwehrsituation geht, muss man bereit sein, Gewalt aus Gründen des Selbstschutzes anzuwenden." Die Partei arbeitet auf den "Tag X" hin und will diesen nicht nur abwarten, sondern aktiv erkämpfen. In den Aussagen zum Selbstverständnis eines Parteimitgliedes finden sich folgende Aussagen: "Deshalb sind wir bewusst politische Soldaten" oder "Daher lautet das Gebot jedes Nationalrevolutionärs: Kämpfe!" Ihre geschichtsrevisionistische Orientierung belegt die Partei u. a. mit Gedenkveranstaltungen für die deutschen Bombenopfer, welche sie zur Verharmlosung der nationalsozialistischen Angriffskriege und Verbrechen instrumentalisiert. 11 Schreibweise wie im Original Seite 25 von 259 Strategie Die Partei versteht sich als "nationale Bewegung" mit "ganzheitlicher Organisation". Sie verfolgt die drei Tätigkeitsfelder "Politischer Kampf", "Kultureller Kampf" sowie "Gemeinschaft". Zum "politischen Kampf" gehören u. a. der Aufbau von Strukturen, die Durchführung von Demonstrationen und Kundgebungen, die Verteilung von Flyern und Informationsmaterial auch zu aktuellen Themen sowie der "Antritt als wahlpolitische Initiative". Um die formalen Voraussetzungen für eine Teilnahme an Landtagsund Bundestagswahlen zu erfüllen, gründete die Partei im Jahr 2020 einen Landesverband Sachsen. Der "kulturelle Kampf" bezieht sich auf die Brauchtumspflege. Der "Kampf um die Gemeinschaft" beinhaltet die Aspekte "gelebte Gemeinschaft", "Nachbarschaftshilfe", "gemeinsame Freizeitgestaltung" und "sportliche Zusammenkünfte". Gleichzeitig ist die Partei bestrebt, durch attraktiv erscheinende Angebote vor allem auf sozialem Gebiet auch Menschen außerhalb der rechtsextremistischen Szene zu erreichen und so in die gesellschaftliche Mitte hineinzuwirken: "Wir kommen unmittelbar an den Bürger heran und können unsere Botschaften direkt und ungefiltert transportieren. Wir machen auf uns aufmerksam (...) und nach innen verstärken wir das Gefühl der Stärke und Geschlossenheit", ist dementsprechend im Handbuch der Partei zu lesen. Demselben Ziel dient auch die Instrumentalisierung des Themas Umweltschutz. So sieht die Partei in einer umweltfreundlichen Politik eine Notwendigkeit zur Erhaltung der "Substanz" des Volkes. Mit dieser Ausrichtung versucht die Partei, jugendlichen Nachwuchs zu gewinnen. Über Themen wie Umweltschutz und eine offene Unterstützung der Ukraine grenzt sich die Partei außerdem gezielt von anderen Akteuren der rechtsextremistischen Szene ab. Die NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND (NRJ) beteiligt sich kaum an szeneinternen Veranstaltungen und steht anderen rechtsextremistischen Jugendgruppierungen kritisch gegenüber. Die Partei ist darum bemüht, nach außen hin ein einheitliches, elitäres Auftreten zu vermitteln. Eine Vollmitgliedschaft ist daher nur durch das "Bestehen" einer vorausgegangenen Fördermitgliedschaft möglich. Wesentlicher Teil der Strategie der Partei DER DRITTE W EG ist der Erwerb und der Ausbau von Immobilien. Mit dem Parteiund Bürgerbüro - dem bundesweiten "Vorzeigeobjekt" - auf der Pausaer Str. 130 in Plauen wurde dieses Ziel umgesetzt. Seit der Eröffnung am 1. Mai 2019 fanden dort interne und öffentliche Veranstaltungen der Partei statt. Ende März 2024 bot die Partei jedoch ihre Anteile am Gebäude öffentlich zum Kauf an. Ein neuer Sitz der sog. "Parteizentrale" wurde im Berichtsjahr noch nicht bekanntgegeben. Darüber hinaus wurden weitere Büros in Hilchenbach (Nordrhein-Westfalen) und Schweinfurt (Bayern) etabliert. Allerdings kann das Gebäude in Ohrdruf (Thüringen) seit Ende 2024 nicht mehr von der Partei genutzt werden, nachdem der Eigentümer den Mietvertrag gekündigt hat. Struktur Sowohl die Bundesals auch die Landespartei konnten ihre Strukturen weiter ausbauen. So verfügen die vier Landesverbände Sachsen, Brandenburg, Bayern und West inzwischen über 26 Stützpunkte (24 im Vorjahr). Dem LANDESVERBAND SACHSEN gehören inzwischen fünf STÜTZPUNKTE an: STÜTZPUNKT VOGTLAND (inkl. NRJ), STÜTZPUNKT W ESTSACHSEN (inkl. NRJ), STÜTZPUNKT LEIPZIG/NORDSACHSEN (inkl. NRJ), STÜTZPUNKT MITTELSACHSEN und STÜTZPUNKT OSTSACHSEN. Seite 26 von 259 Aktivitäten Öffentliche Aktivitäten des Bundesund/oder Landesverbandes Im Berichtsjahr trat die Partei nur selten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Insbesondere junge Mitglieder und Anhänger beteiligten sich an mehreren Gegenprotesten zu "ChristopherStreet-Day"-Demonstrationen in Sachsen. Am 31. August führte die Partei dann unter dem Motto "Homo-Propaganda stoppen - gesunde Familien fördern" eine eigene Gegendemonstration zum "Christopher-Street-Day" in Zwickau (Landkreis Zwickau) durch. Für die Partei in Sachsen war es die erste große Kundgebung mit zahlreichen Teilnehmern, die überregional mobilisiert werden konnten, seit 2019. Die parteiinterne Erwartungshaltung an die Protestveranstaltung in Zwickau dürfte hoch gewesen sein, da der Bundesvorsitzende Matthias FISCHER aus Brandenburg persönlich die Versammlungsleitung übernahm. Es beteiligten sich ca. 480 Personen, neben Mitgliedern und Sympathisanten der Partei DER DRITTE W EG auch Anhänger der JUNGEN NATIONALISTEN und des parteiungebundenen rechtsextremistischen Spektrums. Dies verdeutlichte auch im Berichtsjahr, dass verschiedene rechtsextremistische Akteure unter Umständen bereit sind, gemeinsam vorzugehen, um möglichst viele Personen auf der Straße zu vereinen. Die hohe Teilnehmerzahl sowie den großen Anteil an jungen Demonstrationsteilnehmern dürfte die Partei als Erfolg für sich verbucht haben, wobei die inzwischen beachtliche Mobilisierung der Partei über die sozialen Medien ausschlaggebend für diese Bilanz war. Im Nachgang veröffentlichte die Partei einen Bericht über die Veranstaltung, in dem sie den "Christopher-Street-Day" als "Wanderzirkus der Entarteten" bezeichnete. Neben dieser einzigen größeren Veranstaltung der Partei wurden im Verlauf des Jahres zahlreiche Flyer-Verteilaktionen bekannt, die zumeist von NRJ-Aktivisten übernommen worden waren. Darüber hinaus fanden weitere Aktivitäten statt, an denen sich sächsische Parteimitglieder beteiligten: Mitglieder der Partei beteiligten sich am 11. Februar an dem von Rechtsextremisten jährlich organisierten "Gedenkmarsch" in Dresden anlässlich der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 solidarisiert sich die Partei mit der Ukraine und unterstützt die dort kämpfenden Nationalisten. Im Zuge dessen produzierte und veröffentlichte die Partei DER DRITTE W EG in der Vergangenheit bereits die CD "Europa in Waffen". Mit den Einnahmen sollen Familien "unseres edlen weißen Brudervolkes und seiner russischen Freiwilligen [...] im Dienste einer freien, nationalrevolutionären Ukraine" in der Ukraine unterstützt werden. Die Partei berichtete auf ihrem Telegram-Kanal über inzwischen "mehrere Lieferungen mit gespendetem Material an die Ukraine". Diese Hilfslieferungen seien das Ergebnis der Erlöse aus den CD-Verkäufen gewesen. Darüber hinaus beteiligten sich Parteianhänger im Juli 2024 an einer nicht extremistischen pro-ukrainischen Kundgebung in Zwickau (Landkreis Zwickau). Das jährliche "Heldengedenken" zum Volkstrauertag ist für die Partei ein wichtiger Termin, der vor allem der Verbreitung ihres revisionistischen und kriegsverherrlichenden Verständnisses der deutschen Geschichte dient. So fanden am Volkstrauertag 2024 Aktionen der einzelnen Stützpunkte, wie Kranzniederlegungen, Gedächtniswanderungen und die Pflege von Gräbern, statt. Nicht öffentliche Veranstaltungen Die Partei richtet regelmäßig Mitgliederversammlungen sowie Schulungsveranstaltungen für Mitglieder und Führungspersonen aus. Diese dienten auch im Berichtsjahr der Festigung der "inneren Gemeinschaft" sowie der Vermittlung der verfassungsfeindlichen Ideologie. Weiterhin Seite 27 von 259 bot die schon seit 2018 bestehende Arbeitsgruppe "Körper & Geist" Selbstverteidigungskurse für Parteimitglieder, aber auch für "externe" Kinder, Jugendliche und Frauen an. Die Partei bietet überdies den Anhängern der NATIONALREVOLUTIONÄREN JUGEND (NRJ) ein speziell auf Jugendliche abgestimmtes Programm an. Auf diese Weise sollen Jugendliche und junge Erwachsene früh und auf zunächst niedrigschwellige Art und Weise für die Parteiarbeit gewonnen und ideologisch indoktriniert werden. Die Spannweite der Veranstaltungen reicht dabei von Wanderungen, Ausflügen, Nachhilfeunterricht, Schulungsveranstaltungen und sportlichen Aktivitäten bis hin zum Nahkampfund Selbstverteidigungstraining. Mithilfe dieses Vorgehens schaffte es die Partei in der Vergangenheit zunehmend, eine wachsende Zahl an Sympathisanten in die eigenen Strukturen einzubinden. Die NRJ propagiert jungen Menschen die Bedeutung des Widerstandsbzw. Verteidigungskampfes und bietet entsprechende Trainingsmöglichkeiten u. a. in öffentlichen Parks sowie auf Sportplätzen an. Dabei werden den Teilnehmern verschiedene Nahkampfund Selbstverteidigungstechniken beigebracht, welche die grundsätzliche Gewaltbereitschaft insbesondere des Parteinachwuchses abbilden und verfestigen. Die Gewaltbereitschaft ist bei Personen mit regelmäßigem Training perspektivisch ausgeprägter als bei Personen, die diese Kampftechniken nicht erlernt haben bzw. nur in unregelmäßigen Abständen üben. Regionale Ausprägung STÜTZPUNKT VOGTLAND Der im April 2015 gegründete STÜTZPUNKT VOGTLAND ist im sachsenweiten Vergleich der am längsten aktive Stützpunkt. Die sogenannte "Parteizentrale" in Plauen (Vogtlandkreis) wurde regelmäßig durch den Stützpunkt genutzt. Dort trafen sich bis zur Aufgabe des Objektes Parteimitglieder und Sympathisanten zu Mitgliederversammlungen, sogenannten "Aktionstagen", Zeitzeugenvorträgen, Schulungswochenenden, Parteitagen sowie zu gemeinsamen Aktivitäten mit Jugendlichen, Kindern und Familien. Ende des Berichtsjahres stand das Objekt zum Verkauf. Die Führungsperson der Partei, Tony GENTSCH, vertrat die Partei von 2019 bis April 2024 im Stadtrat von Plauen sowie bis Juni 2024 im Kreistag. Bei den Kommunalwahlen 2024 trat die Partei nicht wieder an, so dass GENTSCH aus Stadtrat und Kreistag ausschied. Im November 2021 wurde die NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND (NRJ) VOGTLAND gegründet. Deren Zielstellung wurde damals im Internet wie folgt umschrieben: "Wir sind bereit, jeden Bruder und jede Schwester unseres Blutes in die Gemeinschaft aufzunehmen, (...), unserer Jugend eine Perspektive zu schaffen (...)." STÜTZPUNKT WESTSACHSEN Der im März 2017 gegründete STÜTZPUNKT WESTSACHSEN ist überwiegend in Zwickau (Landkreis Zwickau) und Umland aktiv. Dieser Stützpunkt trat mehrfach mit Aktivitäten öffentlich in Erscheinung: bei Gedenkveranstaltungen, Flyer-Verteilaktionen und beim jährlich stattfindenden "Tag der Gemeinschaft" (Sport und politische Vorträge). Am 17. Dezember 2022 wurde die NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND (NRJ) W ESTSACHSEN gegründet. Auf der Internetseite der Partei wurde dieser Schritt folgendermaßen begründet: Dies "ist zugleich auch Verpflichtung für die jungen Nationalrevolutionäre, ihrer Verantwortung gewissenhaft nachzukommen und auf dem vor ihnen liegenden Weg zu wachsen. Im Jahr 2023 wird es in Zwickau und Westsachsen heißen: Nationalrevolutionäre Jugend voran!" Seite 28 von 259 STÜTZPUNKT LEIPZIG/NORDSACHSEN Der im April 2015 gegründete STÜTZPUNKT MITTELLAND, 2024 umbenannt in LEIPZIG/NORDSACHSEN, ist vor allem im Raum Leipzig und Umgebung aktiv. Im Juni fand ein Aktionstag des Stützpunktes mit der Beteiligung an einem Flohmarkt, einer Banneraktion am Völkerschlachtdenkmal und der Verteilung von Flyern statt. Außerdem führte der Stützpunkt im November eigene Aktivitäten, darunter Sporteinheiten und Flyer-Verteilaktionen, durch. STÜTZPUNKT MITTELSACHSEN Im Dezember 2015 wurde der STÜTZPUNKT MITTELSACHSEN gegründet. Im Berichtsjahr sind wiederholt keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen des Stützpunktes bekannt geworden. STÜTZPUNKT OSTSACHSEN Im Januar 2024 gründete sich der neue STÜTZPUNKT OSTSACHSEN, mit dem die Partei DER DRITTE W EG die Gebiete in den Landkreisen Bautzen und Görlitz abdecken will. Im Berichtsjahr fanden dort Schulungen und interne Treffen statt. Auch nahm der STÜTZPUNKT an Aktivitäten anderer STÜTZPUNKTE teil. Fazit Als Wahlpartei spielt DER DRITTE W EG, der weder zur Kommunalnoch zur Landtagswahl 2024 in Sachsen angetreten ist, keine Rolle. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene ist die Partei mit ihrer erfolgreichen Jugendarbeit jedoch ein relevanter Akteur, weil es ihr gelingt, junge Menschen mit niedrigschwelligen, zunächst unpolitisch wirkenden Angeboten an die Partei und somit auch an die rechtsextremistische Ideologie heranzuführen und zu binden. Der verstärkte Zulauf von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur NRJ sorgt dafür, dass sich der Rechtsextremismus neue Altersgruppen erschließt. Die Mitgliederzahlen der Partei sind leicht angestiegen. Der LANDESVERBAND kann die Strukturen seiner bereits existierenden STÜTZPUNKTE trotz Mobilisierungsschwäche und weniger öffentlichkeitswirksamer Aktionen weiterhin aufrechthalten. Ein neugegründeter STÜTZPUNKT in Ostsachsen trat allerdings bisher nicht öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Der Strukturausbau und der leichte Mitgliederzuwachs stehen auch im Zusammenhang mit Fortschritten bei der Nutzung sozialer Medien durch die Partei. Seit dem Frühjahr 2023 thematisiert sie verstärkt die Wirkung sozialer Medien. Neben "Telegram" nutzt DER DRITTE WEG auch "Instagram" und "TikTok". Vor allem auf "TikTok" werden professionell wirkende Clips von Trainingseinheiten oder internen Veranstaltungen veröffentlicht, die sich gezielt an junge Sympathisanten richten. Trotz einiger Kooperationen mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen insbesondere im Rahmen der Protestkampagne gegen die "Christopher-Street-Day"-Demonstrationen versucht die Partei weiterhin, ihr "elitäres" Image zu pflegen, was ihr jedoch eine größere Anschlussfähigkeit in der Bevölkerung und der rechtsextremistischen Szene verwehrt. Die Ablehnung hedonistischer Lebensweisen und die neonationalsozialistische Brauchtumspflege sprechen bei weitem nicht die Mehrzahl der Rechtsextremisten an. Für die Entwicklung des LANDESVERBANDES SACHSEN aber auch der Gesamtpartei spielt die Suche nach einer neuen sogenannten "Parteizentrale" eine entscheidende Rolle. Seit der Eröffnung des Büros in Plauen bis zum Auszug konzentrierte sich das Veranstaltungsgeschehen auf diese Räumlichkeiten. Durch den Auszug fehlt der Partei zum Ende des Berichtsjahres eine zentrale Anlaufstelle und ein geeignetes Veranstaltungsobjekt. Seite 29 von 259 1.3.2 DIE HEIMAT Gründung / Sitz: 1964 / Berlin Frank FRANZ (bis 23./24.11.2024) Vorsitz Bund: Peter SCHREIBER (seit 23./24.11.2024) Vorsitz Sachsen: Peter SCHREIBER Teil- / Nebenorganisationen: JUNGE NATIONALISTEN (JN) RING NATIONALER FRAUEN (RNF) KOMMUNALPOLITISCHE VEREINIGUNG (KPV) Kreisverbände der Partei Publikationen / Internetauftritte: DEUTSCHE STIMME Homepage des Bundesverbandes YouTube-Kanäle des Landesverbandes ("Blickpunkt Sachsen TV"), der DEUTSCHEN STIMME ("DS-TV") und einzelner Kreisverbände Facebook-Seite des Landesverbandes; Facebook-Seiten der Kreisverbände Instagramund "X"Accounts des Landesverbandes sowie einzelner Kreisverbände und JN-Stützpunkte Telegram-Kanal des Landesverbandes sowie einzelner Kreisverbände und JNStützpunkte Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 190 ca. 180 bundesweit ca. 2.800 Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden genutzte Immobilien DIE HEIMAT-Landesgeschäftsstelle sowie JN-Bundesund Landesgeschäftsstelle, Riesa (Landkreis Meißen) Büroräume der JN, Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) "Haus Montag", Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) Kurzportrait / Ziele DIE HEIMAT ist die älteste aktive rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie will den demokratischen Verfassungsstaat beseitigen und einen Nationalstaat errichten, in dem von ihr so verstandene ethnisch Nichtdeutsche von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind. Eine solche ethnisch definierte "Volksgemeinschaft" verletzt die Menschenwürde. Auch ihre rassistische, revisionistische, antisemitische und fremdenfeindliche Grundhaltung weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Seite 30 von 259 Relevante Ereignisse und Entwicklungen Urteil des BVerfG vom 23. Januar 2024 2024 zum Ausschluss der Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung Weitere Umsetzung des "Erneuerungskonzeptes" der Bundespartei im Landesverband Sachsen; Vernetzungsbemühungen mit anderen extremistischen Gruppierungen, vor allem mit der rechtsextremistischen Partei FREIE SACHSEN Durchführung und Beteiligung der JN an Protesten gegen Veranstaltungen zum "Christopher Street Day" "Sommerfest" des DEUTSCHE STIMMEVerlages in Riesa im August 2024 Erntedankfest des DEUTSCHE STIMMEVerlages in Riesa im Oktober 2024 Bundesparteitag im November 2024 in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) mit Wahl des neuen Parteivorsitzenden Ideologie Das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung über den Antrag eines Parteiverbots vom 17. Januar 2017 die Verfassungsfeindlichkeit der NPD/Partei DIE HEIMAT fest. Demnach verletzt der von der Partei vertretene Volksbegriff die Menschenwürde, indem er den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person negiert und zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle führt, die nicht der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der Partei ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Migranten, religiöse und sonstige Minderheiten) gerichtet. Auch missachtet die Partei das Demokratieprinzip. In einem durch die "Einheit von Volk und Staat" geprägten Nationalstaat in ihrem Sinne ist für eine Beteiligung so verstandener ethnisch Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Die Partei tritt für die Abschaffung des bestehenden parlamentarischrepräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am ehemaligen Deutschen Reich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten orientierten Staat ein. Die Partei weist durch ihr Konzept der "Volksgemeinschaft", ihre antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Hinzu kommen ihr Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der Partei mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. Das Bundesverfassungsgericht stellte im Berichtsjahr abermals fest, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge und eine aktiv kämpferische Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung einnehme. Deshalb verkündete der Zweite Senat Seite 31 von 259 des Gerichts am 23. Januar sein Urteil über den Ausschluss der Partei DIE HEIMAT von der staatlichen Parteienfinanzierung für die Dauer von sechs Jahren. Strategie DIE HEIMAT befindet sich in einem bundesweit seit Jahren anhaltenden Abwärtstrend, der sich durch die schlechten Wahlergebnisse der vergangenen Jahre noch beschleunigt hat. Die innerparteilichen Probleme spiegeln sich wider in einer mangelnden Handlungsund Kampagnenfähigkeit sowie anhaltend rückläufigen personellen und finanziellen Ressourcen. Im Juni 2023 wurde die Partei von NPD in DIE HEIMAT umbenannt. Die mit der Umbenennung verbundene Neuausrichtung der Partei sieht vor, dass diese unter einem neuen "Label" als "Anti-Parteien-Bewegung und patriotischer Dienstleister" auftritt. Damit will sich die Partei noch stärker für andere, weitaus erfolgreichere rechtsextremistische Akteure öffnen und ihre Vernetzung mit diesen vorantreiben. Dies soll ihrer Bedeutungslosigkeit entgegenwirken. Zugleich will die Partei Einfluss auf nicht extremistische Gruppierungen und Initiativen ausüben, um ihren eigenen Wirkungsradius beispielsweise beim Thema Asyl und Migration zu erweitern. Den Mitgliedern wurde die Möglichkeit der Doppelmitgliedschaft gegeben. Der Landesverband Sachsen unterstützt das Konzept: Parteifunktionäre engagieren sich insbesondere unter dem Label der rechtsextremistischen Partei FREIE SACHSEN12 beispielsweise als Protestorganisatoren sowie als Kommunalpolitiker. Die Partei DIE HEIMAT trat als einzige rechtsextremistische Kleinstpartei bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni an und erreichte lediglich 0,1 Prozent der Stimmen. Somit verschlechterte sie ihr Ergebnis nochmals im Vergleich zur vorangegangenen Europawahl im Jahr 2019 (0,3 Prozent). Der damalige Parteivorsitzende Frank FRANZ begründete das schlechte Abschneiden mit der Konkurrenz durch die Partei AfD. Neben dieser sei kaum noch Platz für eine "rechte Partei". Daneben hätten mangelnde Unterstützung aus den eigenen Reihen und die "begrenzten Möglichkeiten" die Chancen der Partei geschmälert. Auch der neue Name sorge nicht "von jetzt auf gleich für gänzlich andere Möglichkeiten". Bei den Kommunalwahlen in Sachsen am 9. Juni traten Mitglieder der Partei DIE HEIMAT größtenteils für die FREIEN SACHSEN an, für die Partei DIE HEIMAT selbst hingegen lediglich für wenige Ortschaftsratswahlen. Bei der Landtagswahl in Sachsen am 1. September trat die Partei nicht an, unterstützte allerdings die FREIEN SACHSEN in ihrem Wahlkampf. Aktivitäten Sommerfest am 17. August und Erntedankfest am 5. Oktober des DEUTSCHE STIMME-Verlages Durch die alljährlichen Feste auf dem Gelände des DEUTSCHE STIMME-Verlages in Riesa unter Beteiligung von Familien mit Kindern versucht die Partei nach außen hin, ein unverfängliches und gesellschaftlich anschlussfähiges Bild von sich abzugeben. Zugleich verdeutlichen im Internet veröffentlichte Fotos durchaus den rechtsextremistischen Kern dieser Feste. So waren an Verkaufsständen (Informations-)Materialien der Partei DIE HEIMAT und deren Jugendorganisation JUNGE NATIONALISTEN sowie von rechtsextremistischen Bands erhältlich. Zugleich nutzten Politiker der Partei FREIE SACHSEN diese Veranstaltungen, um für ihre Partei und die Vernetzung innerhalb der Szene zu werben. 12 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN Seite 32 von 259 Veranstaltung des "Heimat.Kultur.Werk" am 6. September beim DEUTSCHE STIMME-Verlag Innerhalb der Partei DIE HEIMAT wurde im März 2024 unter Leitung eines rechtsextremistischen Liedermachers der Arbeitskreis "Heimat.Kultur.Werk" (HKW) als vorpolitische Organisationsstruktur im "kulturellen Bereich" gegründet. Dieser wollte im Berichtsjahr ein zweitägiges sog. "Kulturfest" auf dem Gelände des DEUTSCHE STIMMEVERLAGES in Riesa durchführen. Im Vorfeld wurde jedoch ersichtlich, dass Akteure der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE unter dem "Schutzschirm" einer Parteiveranstaltung tatsächlich eine größere Konzertveranstaltung vermutlich mit Festivalcharakter auf dem für das "Kulturfest" vorgesehenen Gelände in Riesa planten. Daraufhin kündigte die Versammlungsbehörde gegenüber dem Veranstalter Auflagen an. In der Folge fand am 6. September zwar eine sog. "politische Veranstaltung" statt, jedoch lediglich mit 170 Teilnehmern und Auftritten von verschiedenen rechtsextremistischen Liedermachern (u. a. LUNIKOFF aus Berlin). Bundesparteitag am 23./24. November in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) DIE HEIMAT führte am 23./24. November ihren im Vorfeld nicht öffentlich beworbenen 39. Bundesparteitag mit ca. 100 Teilnehmern in einer Gaststätte in Bernsdorf durch, die bereits als Szeneobjekt bekannt ist und nicht nur von der Partei DIE HEIMAT für rechtsextremistische Veranstaltungen genutzt wird. Zum neuen Bundesvorsitzenden der Partei wurde Peter SCHREIBER gewählt, der zugleich Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen ist. SCHREIBER trat als einziger Kandidat an und erhielt 88,4 Prozent der Stimmen. Weitere Vorstandsposten wurden u. a. mit Stefan TRAUTMANN (Mandatsträger der FREIEN SACHSEN) und Arne SCHIMMER (ehemaliges MdL in Sachsen für die damalige NPD) besetzt. Michael BRÜCK (FREIE SACHSEN) hob in seinem Grußwort die gute Zusammenarbeit zwischen den rechtsextremistischen Parteien DIE HEIMAT und FREIE SACHSEN hervor. Aktivitäten von DIE HEIMAT-Akteuren bei den FREIEN SACHSEN Die Aktivitäten der Partei DIE HEIMAT verlagerten sich im Wesentlichen unter das Label der FREIEN SACHSEN. Folgende Akteure haben sich im Berichtsjahr wie bereits im Vorjahr neben ihrer Funktion bei DIE HEIMAT zugleich für die FREIEN SACHSEN engagiert: Name Aktivitäten bei Aktivitäten bei den FREIEN DIE HEIMAT/JN SACHSEN Stefan HARTUNG Beisitzer im Landesvorstand der Stellvertretender Vorsitzender sächsischen DIE HEIMAT der FREIEN SACHSEN Max SCHREIBER früher DIE HEIMATFREIE SACHSENKreisvorsitzender im Landkreis Kreisvorsitzender im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Sächsische SchweizOsterzgebirge und Anmelder von zahlreichen Versammlungen der FREIEN SACHSEN im Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge und in Dresden Peter SCHREIBER Bundesund Landesvorsitzender Mandatsträger der FREIEN DIE HEIMAT SACHSEN in Strehla und im Kreistag Meißen und Beisitzer im Vorstand der FREIEN SACHSEN seit September 2022 Seite 33 von 259 Stefan DIE HEIMATund JN-Funktionär Mehrfach Anmelder von TRAUTMANN Versammlungen der FREIEN SACHSEN Thomas Beisitzer im Landesvorstand der Beisitzer im FREIE SACHSENSATTELBERG sächsischen DIE HEIMAT KREISVERBAND SÄCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE Jugendorganisation der Partei DIE HEIMAT: JUNGE NATIONALISTEN (JN) Die Jugendorganisation der Partei DIE HEIMAT gliedert sich in den Bundesverband, in Landesverbände, in bundesländerübergreifende Gebietsverbände und in regionale "Stützpunkte". Seit August 2021 gehört Sachsen neben den Ländern Thüringen, SachsenAnhalt, Berlin und Brandenburg zum JN-GEBIETSVERBAND MITTE. Die Bundesgeschäftsstelle der JN befindet sich seit dem Jahr 2018 unverändert in Riesa (Landkreis Meißen)13. Im Freistaat Sachsen werden den JN ca. 60 Personen zugerechnet (2023: ca. 40). In den vergangenen Jahren waren die JN - wie auch die Mutterpartei - nahezu bedeutungslos. Dies änderte sich im Berichtsjahr: Das Personenpotenzial der JN stieg bundesweit und insbesondere in Sachsen an. Außerdem wurde ein "Generationenwechsel" vollzogen, wobei die neuen Mitglieder stärker aktionistisch auftreten und die Öffentlichkeit suchen. In Sachsen führte dies u. a. zur Gründung eines neuen Stützpunktes, dem Stützpunkt ELBLANDREVOLTE im Raum Dresden. Dieser erfuhr bundesweit breite mediale Resonanz, was nicht zuletzt zu einem weiteren Zulauf und damit auch zu gestiegenem Aktivierungsund Mobilisierungspotenzial führte. Weiterhin unterhält der Stützpunkt ELBLANDREVOLTE regionale und überregionale Kennverhältnisse zu Anhängern der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE14. Hervorzuheben ist hierbei für das Berichtsjahr der Kontakt zum JUGENDBLOCK BAUTZEN. Seite an Seite mit dieser Gruppierung bildete die ELBLANDREVOLTE anlässlich eines sog. Montagsprotests am 15. April in Bautzen einen "schwarzen Block". Die Kennverhältnisse wurden vorrangig auch für reichweitenstarke gemeinsame Mobilisierungen im Rahmen von Protesten gegen die "Christopher Street Days" (CSD) in mehreren sächsischen Städten genutzt. Der Dresdner Stützpunkt ELBLANDREVOLTE erreichte damit Anfang Juni bei einer selbstständig organisierten und angemeldeten derartigen Veranstaltung eine Teilnehmerzahl von ca. 100 Personen. Die Gründe für diese Dynamik lagen insbesondere in dem erhöhten Interesse von Jugendlichen und Heranwachsenden an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen, wie z. B. den CSD-Protesten, die in 2024 erstmals in der gesamten rechtsextremistischen Szene einen starken Zulauf -vor allem jugendlicher Teilnehmerverzeichneten. Im Vogtlandkreis wurde im Rahmen der Mobilisierungen für Gegenproteste gegen den CSD im Internet die Gruppierung "Vogtlandrevolte" bekannt, die nach eigenen Angaben mit den JN sympathisierte und zusammenarbeitete. Mit Abklingen der CSD-Proteste waren jedoch keine Aktivitäten dieser Gruppierung mehr zu erkennen. Neben diesen äußeren Faktoren im Rahmen eines sehr dynamischen Versammlungsgeschehens, professionalisierten die JN in den vergangenen Jahren ihre Jugendarbeit und etablierten attraktive Angebote für Heranwachsende. Diese Weiterentwicklung dürfte in jüngster Vergangenheit ihren Anteil zu diesem "positiven Imagewandel" geleistet haben. Die JN initiierten erfolgreiche Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Aktionen für die Zielgruppe der Jugendlichen und Erstwähler. So führten sie im Berichtsjahr mehrere 13 Die Bundesgeschäftsstelle der JN war im Jahr 2014 zeitweise nach Lübtheen (MecklenburgVorpommern) verlegt worden. 14 vgl. Beitrag 1.4.5 SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTISCHE SZENE Seite 34 von 259 Informationsveranstaltungen für Interessenten durch, an die nicht selten auch ideologisch geprägte Schulungen anknüpften. Diese wiederum sollen zu einer "Festigung" des Parteinachwuchses führen. Die JN sehen sich dabei gemäß ihres Selbstverständnisses eher im "vorpolitischen Raum". Neue Mitglieder rekrutieren die JN insbesondere durch vordergründig unpolitische Aktivitäten (z. B. Sportfeste, Fußballturniere, Wanderungen, Sonnenwendfeiern oder sog. "Leistungsmärsche"). Mit der Kampagne "Jugend packt an" führten die JN Spendenaktionen durch, mit denen sie sich unter dem Motto "Wir helfen, wo der Staat versagt" als "Kümmerer" vor Ort darstellen wollen. Mit ihrem sozialen Engagement wollen sie nicht extremistische Personenkreise erreichen. Auffällig ist auch hier die vermeintliche Unverfänglichkeit der Themen, mit denen Jugendliche angesprochen werden: Kinder, Familien, saubere Städte, Tiersowie Klimaschutz. Über den eigenen Online-Vertrieb FRONTDIENST können Materialien der JN, wie Aufkleber, Banner, Broschüren, Plakate und Kleidung mit entsprechenden Aufdrucken, bezogen werden. Regionale Ausprägung Landeshauptstadt Dresden In Dresden beteiligten sich Mitglieder der Partei DIE HEIMAT und JN an mehreren Gedenkveranstaltungen, z. B. anlässlich der Bombardierung der Landeshauptstadt im Zweiten Weltkrieg sowie zum Volkstrauertag. Der Dresdner JNSTÜTZPUNKT ELBLANDREVOLTE führte am 1. Juni einen Gegenprotest zum CSD in Dresden durch, an dem sich ca. 100 Personen beteiligten. Der Protest wurde unter dem Motto "Normal statt Pride" geführt und reihte sich in die im Berichtsjahr weithin zu beobachtende Diskriminierung und Diffamierung der "LGBTQIA+-Szene" durch junge Rechtsextremisten ein. Deutlich wurde dies auch durch die folgende Äußerung der Führungsperson der ELBLANDREVOLTE gegenüber Medienvertretern: "Homosexualität ... für mich [...] ist das einfach eine Krankheit." Mitglieder und Sympathisanten des Dresdner Stützpunktes ELBLANDREVOLTE beteiligten sich zudem an Montagsprotesten und CSD-Protestveranstaltungen in Bautzen (Landkreis Bautzen), Dresden, Görlitz (Landkreis Görlitz) und Döbeln (Landkreis Mittelsachsen). Im September veröffentlichte der rechtsextremistische Liedermacher KAVALIER ein Werbevideo für den Stützpunkt ELBLANDREVOLTE, in welchem Mitglieder und Sympathisanten des Stützpunktes mitwirkten. Darüber hinaus befanden sich Anhänger der ELBLANDREVOLTE unter den Teilnehmern bei Demonstrationen der FREIEN SACHSEN, beispielsweise in Chemnitz, Dresden, Berggießhübel (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) und Heidenau (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) sowie bei einer PEGIDA-Veranstaltung am 20. Oktober in Dresden. Landkreis Mittelsachsen Der JN-STÜTZPUNKT MITTELSACHSEN führt im Rahmen der JN-Kampagne "Jugend packt an" fortlaufend eine sog. "Tauschbörse" in einem Laden in Döbeln durch. Dort werden gesammelte Kleidung und Spielzeug kostenlos an Besucher ausgegeben. In Brand-Erbisdorf beteiligten sich die JN am 3. Mai mit einem eigenen Transparent an einer Protestveranstaltung der FREIEN SACHSEN gegen eine geplante Asylbewerberunterkunft. Landkreis Leipzig / Landkreis Nordsachsen Der im Landkreis Leipzig und im Landkreis Nordsachsen aktive JN-Stützpunkt führte am 3. März eine Kundgebung unter dem Motto "Gegen linke Hetze - für ein freies Wurzen" mit Seite 35 von 259 etwa 40 Teilnehmern durch. Dabei wurde das Thema "Rechts-Links-Auseinandersetzungen" aufgegriffen. Landkreis Meißen Der Landesverband Sachsen der Partei DIE HEIMAT hat seinen Sitz auf dem Gelände des DEUTSCHE STIMME Verlages in Riesa. Der ebenfalls dort ansässige Kreisverband unterhält unter dem Motto "Deutsche helfen Deutschen" einen sog. "Sozialladen", wo Sachund Geldspenden im Rahmen der Kampagne "Jugend packt an" gesammelt werden. Fazit Mittels einer strategischen Neuausrichtung sollte der Niedergang der Partei gestoppt und wieder mehr Bürgernähe erreicht werden. Der sächsische Landesverband unterstützt die Reformbemühungen des Bundesverbandes. Dieses Konzept war und ist momentan insofern erfolgreich, als DIE HEIMAT-Akteure unter dem "Label" der Partei FREIE SACHSEN nahezu deckungsgleiche Positionen insbesondere zu den Themen "Anti-Asyl" und "Anti-Migration" bei zeitgleicher Steigerung ihrer Reichweite vertreten können. Diese Entwicklung birgt für DIE HEIMAT jedoch auch die Gefahr, dass die eigenen Strukturen zunehmend verblassen und faktisch nutzlos werden könnten. Bisher hat das strategische Erneuerungskonzept den Niedergang der Partei nicht aufgehalten. Die Partei DIE HEIMAT wird im Alleingang bis auf Weiteres auch bei Wahlen keine relevante Rolle im Freistaat Sachsen spielen und sich im Rahmen ihres politischen Überlebenskampfes deshalb auch künftig mit erfolgreicheren rechtsextremistischen Akteuren, wie beispielsweise den FREIEN SACHSEN, vernetzen müssen. Dies belegten auch die Wahlen im Berichtsjahr: So erhielt der Spitzenkandidat der Partei DIE HEIMAT, Udo VOIGT, bei der Europawahl bundesweit lediglich 0,1 Prozent der Stimmen und verfehlte damit ein Mandat. Bei den Kommunalwahlen in Sachsen traten die Kandidaten der Partei DIE HEIMAT größtenteils für die FREIEN SACHSEN an, für die Partei DIE HEIMAT hingegen lediglich in Gemeindeund Ortschaftsräten. Zur Landtagswahl in Sachsen war die Partei gar nicht erst angetreten, unterstützte stattdessen die Partei FREIE SACHSEN bei deren Wahlkampf. Mit der Übernahme des Bundesvorsitzes durch Peter SCHREIBER sowie der Wahl von zwei weiteren sächsischen Vertretern in den Bundesvorstand der Partei ist zwar der sächsische Einfluss auf die Bundespartei gestiegen. Ob es ihnen jedoch gelingen wird, den Abwärtstrend der Partei zu stoppen, ist unwahrscheinlich, da die hiesigen Aktivitäten der Parteimitglieder von jenen der FREIEN SACHSEN überlagert werden. Im Berichtsjahr schaffte es stattdessen die Jugendorganisation der Partei, die JN, mittels eigener Aktivitäten und auch durch das deutlich gestiegene mediale Echo an Bedeutung zu gewinnen. Dies gelang ihr insbesondere mithilfe ihrer Stützpunkte in Dresden und Mittelsachsen. Insbesondere wegen diverser Vereinsverbote in den zurückliegenden Jahren scheinen derzeit rechtsextremistische Parteistrukturen und deren Jugendorganisationen eine Renaissance zu erleben und für jüngere Rechtsextremisten zunehmend attraktiv zu werden. Dies dürfte nicht zuletzt auch am besonderen Schutzstatus von Parteien und deren Teilorganisationen gegenüber staatlichen Zugriffen liegen. Durch ein besonders radikales Abweichen vom "Mainstream" insbesondere bei Fragen zur Migrationsdebatte und der Gender-Thematik erweiterten die JN ihr Sympathisantenfeld und gewannen junge Neumitglieder. Diesen Aufwind wird die Jugendorganisation Einschätzungen des LfV Sachsen zufolge für den Ausbau ihrer Strukturen, die Erhöhung ihres Bekanntheitsgrades und ihre Vernetzung mit anderen jungen Rechtsextremisten nutzen. Ob die "Mutterpartei" von dieser Entwicklung über kurz oder lang profitieren kann, bleibt indes abzuwarten. Seite 36 von 259 Immerhin ist die Entwicklung der JN derzeit der einzig erkennbare Faktor, der DIE HEIMAT mit Leben füllt. 1.3.3 FREIE SACHSEN Gründung / Sitz: 26. Februar 2021 / Chemnitz, Brauhausstraße 6 Vorsitz: Martin KOHLMANN (Vorsitzender) Stefan HARTUNG (stv. Vorsitzender) Andreas HOFMANN (stv. Vorsitzender) Teil- / Nebenorganisationen: Ratsfraktion PRO CHEMNITZ/FREIE SACHSEN (Stadtratsfraktion Chemnitz)15 KREISVERBAND CHEMNITZ KREISVERBAND ERZGEBIRGE KREISVERBAND SÄCHSISCHE SCHWEIZOSTERZGEBIRGE mit zwei regionalen Ortsverbänden KREISVERBAND MITTELSACHSEN Jugendorganisation FREIE SÄCHSISCHE JUGEND KREISVERBAND GERA-REUß (Thüringen) Publikationen / Internetauftritte: Flugblätter/Infoblätter Publikation "Aufgewacht - Das Politikmagazin für Sachsen" (erscheint zweimonatlich) E-Mail-Rundbrief, Internetseite, Facebook-Seite, ein Telegram-Hauptkanal mit über 131.000 Followern und zahlreiche regionale "Telegram-Ableger" FJ SACHSEN - INFOKANAL Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung ca. 1.200 ca. 1.200 (Eigenangaben) (Eigenangaben) Finanzierung u. a. Spenden, Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus eigenem Versandshop genutzte Immobilien Bürgerbüro "Sachsentreff zum Kronprinz", Aue-Bad Schlema (Erzgebirgskreis); Bürgerbüro, Chemnitz; "Haus Montag", Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) Kurzportrait / Ziele Die FREIEN SACHSEN sind eine als Partei organisierte Gruppierung von NEONATIONALSOZIALISTEN, DIE HEIMAT-Funktionären und weiteren Szeneangehörigen oder -sympathisanten, die sich unter der Ägide von Martin KOHLMANN, Robert ANDRES (beide ehemals PRO CHEMNITZ) sowie Stefan HARTUNG (DIE HEIMAT) gegründet hat. Sie verstehen sich als Sammlungsbewegung, unter deren Dach verschiedene extremistische und nicht extremistische Akteure zusammenwirken sollen. Die Gruppierung richtet eigene Veranstaltungen aus. Über ihre Wirkkraft in den sozialen Medien wirbt sie aber auch für die Teilnahme an 15 Die Ratsfraktion benannte sich im Jahr 2021 in PRO CHEMNITZ/FREIE SACHSEN um. Dieser vorausgegangen war die BÜRGERBEWEGUNG PRO CHEMNITZ, die sich bereits im Jahr 2009 gegründet hatte und 2018 vom LfV Sachsen als rechtsextremistisch eingestuft worden war. Seite 37 von 259 Protestveranstaltungen anderer Akteure und fungiert über ihre Telegram-Plattformen als "Mobilisierungsmaschine" und "Dienstleister" (neben Werbung für Veranstaltungen auch Veröffentlichung von Bildern und Videos zum Protestgeschehen). Obwohl es sich bei den FREIEN SACHSEN um eine Partei ohne nennenswerten Apparat und mit ausschließlichem Regionalbezug handelt, sind sie im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass im Berichtsjahr deutschlandweit in Sachsen die meisten rechtsextremistischen Veranstaltungen stattgefunden haben. Relevante Ereignisse Zahlreiche Veranstaltungen im Zusammenhang und Entwicklungen 2024 mit dem Protestgeschehen im Freistaat Sachsen Teilnahme an Kommunalund Landtagswahlen Stammtische Verächtlichmachung und Bedrohung von Amtsund Mandatsträgern interne Parteiveranstaltungen Gründung des KREISVERBANDES GERA-REUß (Thüringen) Ideologie Die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der Partei FREIE SACHSEN richten sich gegen den Bestand des Bundes. Nach ihrem Parteiprogramm strebt sie mehr Autonomie für den Freistaat Sachsen bzw. sogar den sog. "Säxit" an ("Mehr Autonomie und notfalls der Säxit"). Was dies für die FREIEN SACHSEN bedeutet, präzisierte das Vorstandsmitglied der Partei, Robert ANDRES, in einem Interview mit der Zeitschrift N.S. HEUTE wie folgt: "Das reicht von denjenigen, die im bestehenden Föderalismus lediglich mehr Kompetenzen nach unten verlagern wollen über diejenigen, die eine Autonomie (wie z.B. Südtirol in Italien) anstreben bis zu den Verfechtern eines kompletten Austritts aus der Bundesrepublik, sprich einem eigenen Staat. Anmerken möchte ich, dass wir unter Sachsen nicht den heutigen Freistaat Sachsen verstehen, sondern das traditionelle, dem Königreich Sachsen zugehörige Gebiet. Darunter zählen weite Teile Thüringens, der Osten Sachsen-Anhalts, der Süden Brandenburgs sowie einige heutige polnisch verwaltete Landstriche. (...) Allerdings wurden - nach unserem Verständnis - die Einheitsverträge nicht eingehalten, so dass es überhaupt keinen gültigen Beitritt Sachsens zur Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Wenn es keinen gültigen Beitritt gab, sollte unserem Austritt (oder der Annullierung der Mitgliedschaft in der Bundesrepublik Deutschlands) nichts im Wege stehen." ANDRES beendete dieses Interview mit den Worten "Glück auf und ein donnerndes Heil Kohlmann!". Damit nahm er Bezug auf den Nationalsozialismus. Im Berichtsjahr machten die FREIEN SACHSEN Flüchtlinge erneut verächtlich und bezeichneten sie pauschal als Kriminelle. Diese rechtsextremistische Agitation verstößt mithin gegen die grundgesetzlich verbriefte Garantie der Menschenwürde. Die nach ihrer Lesart vermeintliche Überflüssigkeit der Demokratie und die Vorzugswürdigkeit diktatorischer Staatsformen verdeutlichten die FREIEN SACHSEN in ihrem damaligen Informationsblatt über die Corona-Politik der Republik Belarus. Darin heißt es, dass es dort "ohne Lockdown ganz wunderbar geht" und "Wenn ein 'Diktator' seinem Volk die Freiheit bewahrt, während uns die 'Demokraten' einsperren - wozu brauchen wir dann solche Seite 38 von 259 'Demokraten'?" Von dieser Aussage distanzierte sich die rechtsextremistische Partei bis heute nicht. Strategie Der Parteivorsitzende Martin KOHLMANN stellte auf dem Neujahrsempfang am 6. Januar in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) die Agenda der FREIEN SACHSEN für das Berichtsjahr vor: Proteste, Kooperationen, Informationen und Wahlen. So wolle man "mit voller Motivation ins neue Jahr (...) starten". Im Berichtsjahr verfolgten die FREIEN SACHSEN das Ziel weiter, ihre bereits gegründeten regionalen Kreisverbände auszubauen sowie neue regionale Strukturen zu etablieren. Wie schon im Vorjahr veranstaltete die Partei Stammtische, um sich gezielt zu vernetzen und neue Interessenten aus dem extremistischen und nicht extremistischen Spektrum an sich zu binden. Die "realweltliche" Vernetzung ist wichtig, bedeutender ist aber die Vernetzung in den sozialen Medien, wo die Partei regelmäßig dazu aufruft, sich bei ihr einzubringen, "... um noch effektiver politisch zu wirken". Hierfür verfügt sie inzwischen über eine Reihe von "Kanälen" - sowohl für die Gesamtpartei als auch speziell für einzelne Regionen in Sachsen. Insbesondere über Telegram riefen die FREIEN SACHSEN auch im Berichtsjahr wieder regelmäßig zur Teilnahme an den sachsenweiten Protesten auf. Damit haben sie sich strategisch als effektive "Mobilisierungsmaschine" für extremistische und nicht extremistische Proteste fest etabliert. Dabei scheinen die Themen für die FREIEN SACHSEN in hohem Maße austauschbar zu sein. Waren es in der Vergangenheit Themen mit Bezug zur CoronaPandemie oder dem Ukraine-Krieg mit seinen befürchteten Folgen für die Bevölkerung hierzulande (u. a. steigende Energieund Lebenshaltungskosten, wirtschaftliche Folgen, soziale Abstiegsängste), rückten im Berichtsjahr der Wahlkampf sowie die Flüchtlingsthematik in den Fokus. Die FREIEN SACHSEN schwingen sich seit ihrer Gründung auf Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial" auf, um das vorhandene Protestmilieu zu aktivieren und möglichst ununterbrochen für realweltliche Proteste zu mobilisieren. Mit diesem Agieren offenbaren die FREIEN SACHSEN ihre wahre Strategie: Ihnen geht es nicht um eine Lösung für die konkreten Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort, sondern einzig darum, diese für ihre eigene verfassungsfeindliche Agenda zu instrumentalisieren und mit dieser auf subtile Art und Weise in immer weitere Teile der gesellschaftlichen Mitte einzusickern. Mit dem Thema "Anti-Asyl" besetzen die FREIEN SACHSEN ein rechtsextremistisches Kernthema. Aber auch hierbei geht es ihnen vor allem darum, möglichst viele Menschen über die Wirkkraft der sozialen Medien gegen "das System" aufzustacheln und auf die Straße zu bringen, die Deutungshoheit über dieses rechtsextremistische Kernthema zu erhalten und das Protestgeschehen zu diesem Thema zu orchestrieren. Die FREIEN SACHSEN blieben damit auch im Berichtsjahr ihrer Strategie treu, indem sie in ihrer Agitation zum Thema "Asyl" betonten, dass ein vermeintlich übergriffiger, abgehobener Staat gegen die Interessen seines eigenen Volkes handle, gegen den Widerstand gerechtfertigt sei. Die FREIEN SACHSEN verbreiteten in diesem Zusammenhang deshalb immer wieder die Darstellung einer vom "normalen Volk" entfremdeten politischen Elite. Über die sozialen Medien hetzte die Partei gegen demokratisch legitimierte politische Entscheidungsträger und baute gegenüber ihrer Klientel das Zerrbild von gegenüber dem eigenen Volk feindselig gestimmten Politikern auf. Der sächsische Ministerpräsident stellt hierbei ein besonderes Feindbild dar. In einem Beitrag vom 6. August auf dem Telegram-Kanal FREIE SACHSEN - LK MEIßEN richteten die FREIEN SACHSEN folgende Aufforderung an die Leser: "(...) zeigen Sie gemeinsam mit uns Flagge gegen einen Ministerpräsidenten, der nicht auf die Regierungsbank, sondern auf die Anklagebank gehört!" Durch diesen und weitere Beiträge kriminalisierten sie ihn und suggerierten, dass er Verbrechen begangen habe, für die er zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Seite 39 von 259 Martin KOHLMANN veröffentlichte am 11. Dezember einen Beitrag auf seinem TelegramKanal in Bezug auf den erfolgten Machtwechsel in Syrien und richtete in diesem Zusammenhang Forderungen und Drohungen an die Verwaltungsmitarbeiter in Deutschland, mit denen er gegen das Demokratieprinzip verstieß: "[...] Dabei sollten die Vertreter des Staatsapparates [in Deutschland], all die kleinen Denunzianten, schikanösen Schreibtischhengste, brutalen Kretschmer-Söldner, sadistischen Finanzbeamten jetzt ganz genau zugucken: Während es die Führung im Flieger nach Moskau geschafft hat, landen die kleinen Helfer in Syrien gerade zu Hunderten an den Laternenmasten oder werden nach alter arabischer Folklore auch weniger öffentlichkeitswirksam einen Kopf kürzer gemacht. Denn auch sie haben ihre Lektion nicht gelernt. Sie haben sich darauf verlassen, dass das Regime, für das sie spitzeln, schikanieren und prügeln, sie ewig schützt. [...] Sie haben weitergemacht wie vorher. Was für ein völliges Fehlen jeglicher Weitsicht! Zu schade, dass uns die Tagesschau nicht zeigt, wie die kleinen Büttel des Systems jetzt die Stadtbeleuchtung von Damaskus schmücken. An die eifrigen Staatsdiener hierzulande: Ist der Privatjet für den Fall der Fälle vollgetankt und bereit? Oder möchten Sie eines schönen Tages als (wenig attraktiver) Schmuck einer Straßenlaterne dienen? Wenn Sie beide Fragen mit Nein beantworten, sollten Sie heute beginnen, Ihr Verhalten danach auszurichten. Es kann dabei überhaupt nicht schaden, auf Ihre Opfer zuzugehen und anzufangen, Gesten der Versöhnung auszuführen. Beginnen Sie doch schon mal mit der Erstattung von Corona-Bußgeldern. Warten Sie diesmal nicht auf Befehle von oben, die könnten zu lange brauchen." Die FREIEN SACHSEN nehmen für sich in Anspruch, den "politischen Diskurs im eigenen Bundesland wie kaum eine andere Kraft zu bestimmen. Dies sei nur durch eine "organisationsübergreifende Zusammenarbeit möglich." So sagte Martin KOHLMANN bei der Landesvorstandswahl 2023: "Wir laden jeden zur Zusammenarbeit ein, der auch nur in einem Punkt mit uns übereinstimmt." Struktur Die FREIEN SACHSEN sind eine als Partei organisierte Gruppierung von NEONATIONALSOZIALISTEN, DIE HEIMAT-Funktionären und weiteren Szeneangehörigen oder -sympathisanten. Nach ihrer Auffassung sei es aber gerade nicht ihr Ziel, "eine weitere politische Organisation als Konkurrenz zu bereits Bestehenden zu sein, sondern allen bestehenden Gruppen und auch einzelnen Aktivisten ein gemeinsames Dach zu bieten, unter dem die Kräfte wirkungsvoll gebündelt und Aktivitäten (z. B. Demonstrationen, Netzund Öffentlichkeitsarbeit) koordiniert werden, ohne dass die Einzelnen sich einer fixen Doktrin unterwerfen müssen." Doppelmitgliedschaften sind für die Partei kein Problem: "Aber: Wer sich anmeldet, kann natürlich besser am langfristigen Strukturaufbau mitwirken, und der ist gerade in solch bewegten Zeiten dringender denn je. Und: Durch Doppelmitgliedschaften spricht natürlich auch nichts dagegen, sich bei der Sammlungsbewegung anzumelden und noch parallel woanders aktiv zu sein. Im Gegenteil!" Auch wenn die FREIEN SACHSEN im Berichtsjahr in Sachsen keine weiteren Kreisverbände gründeten, festigten sie die bestehenden Strukturen. Sachsenweit versuchte die Partei mit Stammtischen und Vortragsveranstaltungen Interessenten für sich zu gewinnen. Es ist damit offensichtlich, dass Martin KOHLMANN unter dem Label FREIE SACHSEN seine bis vor wenigen Jahren auf den Chemnitzer Raum begrenzten Aktivitäten inzwischen auf den gesamten Freistaat ausgedehnt hat. Regionale Schwerpunkte sind allerdings die Landkreise Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Mittelsachsen sowie der Erzgebirgskreis und die Stadt Chemnitz. Das sind jene Regionen, in denen die FREIEN SACHSEN über Kreisverbände verfügen. Der Partei kommt dabei zugute, dass sich insbesondere die rechtsextremistische Partei DIE Seite 40 von 259 HEIMAT16 in einem desolaten Zustand befindet. Einzelne - auch hochrangige - DIE HEIMATMitglieder haben sich inzwischen unter dem Dach der FREIEN SACHSEN zusammengefunden und bringen ihr personelles und organisatorisches Wissen nunmehr in deren Parteiarbeit ein. In Thüringen wurde der erste Kreisverband der FREIEN SACHSEN außerhalb Sachsens gegründet: Der KREISVERBAND GERA-REUß. Aktivitäten Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum führten die FREIEN SACHSEN erneut deutlich mehr eigene Veranstaltungen durch. Folgende Themenschwerpunkte kristallisierten sich dabei heraus: Teilnahme an den sächsischen Kommunalund Landtagswahlen Mit der Losung "Sachsen wird weiß-grün, die Erneuerung beginnt von unten" riefen die FREIEN SACHSEN auf ihrem Telegram-Kanal zum Start in den Wahlkampf auf. In dessen Rahmen führten sie eine Vielzahl an Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsständen durch. Am 9. Juni nahm die Partei an den Kommunalwahlen im Freistaat Sachsen teil. Von den insgesamt 493 Kreistagskandidaten der Partei gelang es 32 Personen, ein Mandat zu erringen. Die Partei zog flächendeckend in alle sächsischen Kreistage sowie die Stadträte der drei kreisfreien Städte ein. Unter Berücksichtigung der für die FREIEN SACHSEN abgegebenen Stimmen im Verhältnis zur Gesamtzahl der gültigen Stimmen schaffte es die Partei sachsenweit auf 2,7 Prozent. Bei den Stadtratsund Gemeinderatswahlen traten die FREIEN SACHSEN in 36 Gemeinden an und konnten dort 48 Mandate holen. Bei den Wahlen zum Sächsischen Landtag am 1. September entfielen 2,2 Prozent der gültigen Stimmen auf die FREIEN SACHSEN. Obwohl es der Partei damit nicht gelang, in den Landtag einzuziehen, kann das Ergebnis als Achtungserfolg gewertet werden. Die FREIEN SACHSEN selbst deklarierten sich nach der Wahl als "stärkste der nicht im Landtag vertretenen Parteien". Bei der Auszählung der Stimmen für die Landtagswahl wurden manipulierte Briefwahlzettel festgestellt, bei denen Kreuze für andere Parteien überklebt und zugunsten der FREIEN SACHSEN neu gesetzt wurden. Im Zuge eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf Wahlfälschung wurden auch manipulierte Briefwahlzettel zugunsten der FREIEN SACHSEN für die vorangegangenen Kommunalwahlen festgestellt. Die Wahlzettel stammten überwiegend aus einem Wahlkreis im Dresdner Norden. Bislang liegen jedoch keine Hinweise dafür vor, dass es sich dabei um eine von der Partei selbst orchestrierte Aktion handelte. Öffentliche Kundgebungen und Aktionen Unter dem Motto "Stürmt mit uns das Rathaus" führten die FREIEN SACHSEN ab Ende Februar eine Vielzahl von Informationsständen bzw. Kundgebungen im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen durch. Untermauert wurde diese Forderung mit einem eigens hierfür angefertigten Banner mit selbiger Aufschrift, welches auch bei den Kundgebungen zur Schau getragen wurde. Die FREIEN SACHSEN ließen offen, ob es sich bei solchen Forderungen um gewaltfreiesoder gewalttätiges "Stürmen" der Rathäuser handeln soll. Neben zahlreichen Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf führte die Partei im Berichtsjahr auch wieder einige öffentlichkeitswirksame Protestaktionen zum Thema "AntiAsyl" durch, wobei erneut auch Schnittmengen mit dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates"17 feststellbar waren. Hervorzuheben ist im Kontext "Anti-Asyl" eine Protestveranstaltung am 27. August in Bad Gottleuba-Berggießhübel (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge). An der vom Rechtsextremisten und Beisitzer im Landesvorstand der FREIEN SACHSEN, Max SCHREIBER, für die Partei organisierten Kundgebung mit Aufzug unter dem Motto "Die Sächsische Schweiz 16 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT 17 vgl. Beitrag II.3 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates Seite 41 von 259 hält zusammen, wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht!" beteiligten sich ca. 400 Personen. Bereits im Vorjahr beteiligten sich in diesem Ort ca. 3.000 Personen an einem AntiAsyl-Protest, welcher von den FREIEN SACHSEN durchgeführt wurde. "Tag des Widerstandes" im Zusammenhang mit den "Bauernprotesten" Ein Höhepunkt des Versammlungsgeschehens fand gleich zu Beginn des Jahres in Dresden statt. Zum sog. "Tag des Widerstandes" hatte das FREIE SACHSEN-Mitglied Max SCHREIBER für den 8. Januar eine Versammlung mit Aufzug und Autokorso unter dem Motto "ALLE zusammen - JETZT!" und eine anschließende, über Nacht andauernde Mahnwache angemeldet. Viele bekannte - auch überregional aktive - Rechtsextremisten hatten neben der Partei selbst auf ihren zahlreichen Social Media-Plattformen für eine Teilnahme an diesem "Tag des Widerstandes" mobilisiert. Die "Bauernproteste" begannen an diesem Tag zunächst mit einer Vielzahl von Fahrzeugkorsos in ganz Sachsen. Einige dieser Korsos fuhren in Richtung Dresden, um sich der Veranstaltung SCHREIBERS anzuschließen. Die Kundgebung begann mit mehreren Redebeiträgen am Dresdner Schlossplatz vor ca. 1.500 Teilnehmern. SCHREIBER sagte in seiner Rede: "Wir geben erst nach, wenn diese Verbrecher aus ihren Ämtern gejagt werden". Eine AfD-Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis Mittelsachsen sprach ein Grußwort u. a. mit folgendem Inhalt: "Wir machen jeder unsere Arbeit. Alle auf der Straße, alle im Widerstand, wir in den Parlamenten". So ziehe man auch "der Ampel den Stecker". Nach einem Aufzug fand die Abschlusskundgebung vor der Staatskanzlei in Dresden statt. Als dort Extremisten, u. a. Michael BRÜCK, Wolfgang SCHMIDL und Lutz GIESEN, ihre Reden hielten, verließ ein Großteil der Teilnehmer die Veranstaltung. Max SCHREIBER führte in seiner Rede aus: "Wir [...] wollen gemeinsam dieses Land gegen die verteidigen, die es aktuell immer weiter Richtung Abgrund schieben. Und das ist die Ampel-Regierung gemeinsam mit der CDU. Denn die CDU regiert hier in Sachsen mit den Grünen. Und solange man sich dieser Parasiten nicht entledigt, ist man ein Mittäter und gehört bestraft." Während und nach der Abschlusskundgebung setzte eine weitere Abwanderung der Teilnehmer ein. Die in ihrer Gesamtheit nicht extremistischen "Bauernproteste" sollten im Rahmen des "Tages des Widerstandes" zweckentfremdet werden, indem sich Extremisten an ihre Spitze stellten und sich die Motive bzw. Themen der Landwirte zu Eigen machten, weil diesen ein hohes gesellschaftliches "Empörungspotenzial" innewohnte und sie sich daher eigneten, Menschen gegen demokratisch gewählte Politiker und staatliche Institutionen aufzubringen. Vor diesem Hintergrund versuchten die Extremisten, sich auf die Proteste der Landwirte "aufzuschwingen". Ihnen ging es im Kern nur darum, Zukunftsängste in der Bevölkerung weiter zu schüren und das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen grundlegend zu erschüttern. Ihnen ging es jedenfalls nicht um tragfähige Lösungen für die Anliegen der Landwirte. Die insgesamt hohe Teilnehmerzahl an den Veranstaltungen zum "Tag des Widerstandes" war ein Beleg für das hohe Mobilisierungspotenzial der beteiligten Akteure. Bei der weit überwiegenden Mehrheit der überregional angereisten Versammlungsteilnehmer handelte es sich jedoch um nicht extremistisches Klientel aus der Mitte der Gesellschaft. Es konnte folglich nur eine geringe Anzahl an tatsächlichen Rechtsextremisten festgestellt werden. Belegt wurde diese Feststellung auch dadurch, dass ein Großteil der Protestteilnehmer die rechtsextremistische Abschlusskundgebung verließ, als Extremisten dort das Wort ergriffen. Diffamierung und Bedrohung von Amtsund Mandatsträgern Die FREIEN SACHSEN und insbesondere Max SCHREIBER arbeiten inzwischen gezielt mit diffamierenden Aussagen und Bedrohungsszenarien, die sich gegen politische Verantwortungsträger richten. In einem Beitrag vom 11. Januar auf dem Telegram-Kanal "Team Schreiber - klagt an!" hieß es: "Wenn man der Ampel den Stecker zieht, wird sie nur schwarz - lasst uns also den ganzen Mast herausreißen! [...] Wir müssen nicht nur die Ampel zu Fall bringen, sondern auch ihren Mast herausreißen. [...] Wir geben erst nach, wenn für das Altparteienkartell die Handschellen klicken!". Max SCHREIBER äußerte sich am 17. Januar auf einer Kundgebung in Dresden weiter wie folgt: "Erstmal müssen wir der großen Seite 42 von 259 Schlange, dieser Ampelregierung und hier in Dresden Schwarz-Grün, den Kopf abschlagen, und dann werden die Zeiten wieder besser." Ziel derartiger Aktionen gegen politische Verantwortungsträger ist deren Einschüchterung und Beeinflussung. Auch der ehemalige Landrat des Landkreises Mittelsachsen stand im Fokus der FREIEN SACHSEN. So veranstaltete die Partei u. a. im Juni einen Autokorso zu dessen Wohnort und feindete ihn anschließend über Telegram an: "...auch Du bist schuldig! Leider hat Dirk Neubauer auch diesmal die Einladung zum Dialog nicht angenommen. Er hat wahrscheinlich einfach keine Argumente - er gehört ja ebenfalls zum Täter-Kartell." Im Juli sah sich der Landrat schließlich zum Wechsel seines Wohnorts gezwungen und kündigte kurz darauf zudem seinen Rücktritt als Landrat an. Als Erklärung für diesen Schritt nannte er u. a. die Anfeindungen durch die FREIEN SACHSEN. Parteiveranstaltungen Für das Berichtsjahr sind zwei Parteiveranstaltungen der FREIEN SACHSEN besonders hervorzuheben: Die Auftaktveranstaltung für den Kommunalwahlkampf fand am 11. April in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) mit ca. 150 Teilnehmern statt. Der Parteivorsitzende Martin KOHLMANN und dessen Stellvertreter Stefan HARTUNG traten als Redner auf. KOHLMANN forderte: "Man muss da anfangen, wo es weder Ruhm noch Geld gibt ... In einem freien Sachsen muss es Menschen geben, die wissen, wie Kommunalpolitik geht." Auch der Rechtsextremist Andreas KALBITZ hielt eine Rede: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland ... Unser Land, unsere Regeln ... Wer das nicht möchte: Gute Reise". Und weiter: "Endlich wieder normale Menschen ... Gemeinsam holen wir uns unser Land zurück!" Die FREIEN SACHSEN resümierten im Nachgang: "[...] ein gelungener Auftakt zum Kommunalwahlkampf". Am 22. November führte die Partei ihre Jahresabschlussfeier in Bernsdorf mit ca. 100 Teilnehmern durch. Auf Telegram berichteten die FREIEN SACHSEN im Nachgang über die Veranstaltung: "Wie üblich gab es Klartext - wo wir sind, geht es nach vorne, gerade bei der aktuellen Mobilmachung gegen die immer größere Weltkriegsgefahr. Die Zeiten werden nicht leichter!" Gründung des KREISVERBANDES GERA-REUß in Thüringen Am 26. September teilten die FREIEN SACHSEN auf ihrem Telegram-Kanal mit, dass sich zwei Tage zuvor ein neuer Kreisverband der Partei namens "Gera-Reuß" in Thüringen gegründet habe. Es ist der erste Kreisverband außerhalb des Freistaates Sachsen. Die FREIEN SACHSEN veröffentlichten dazu: "Aber selbstverständlich beharren wir nicht auf einem sächsischen Sonderweg, sondern freuen uns umso mehr, wenn sich Nachbarn unserem Bestreben für Freiheit und Souveränität anschließen." Plan zur Eröffnung eines Bürgerzentrums in Pirna (Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge) Das "Haus Montag" in Pirna ist ein fester und bekannter Anlaufpunkt für die rechtsextremistische Szene im Raum Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Die FREIEN SACHSEN veröffentlichten am 19. November auf ihrer Website einen Beitrag, wonach die Eröffnung eines Bürgerzentrums geplant sei. Als Räumlichkeit hierfür solle das bereits bestehende "patriotische Hausprojekt" "Haus Montag" in Pirna dienen. Da sie ihren "Strukturaufbau kontinuierlich fortsetzen" wollten, zielten sie darauf ab, "Bürgern, Interessenten und Aktivisten Anlaufstellen" zu bieten. Sie beabsichtigten deshalb, das "Haus Montag" "zukünftig stärker mitzugestalten und Anfang 2025 unter anderem Namen wiederzueröffnen". Das Objekt solle einerseits als Bürgerbüro für die Kreistagsmitglieder dienen und andererseits zur Begegnungsstätte ausgebaut werden - mit Sportraum und Freizeitangeboten insbesondere für Jugendliche. Die Partei wolle außerdem "noch unabhängiger von Lokalitäten und anderen externen Dienstleistern" werden. Seite 43 von 259 Finanzierung auch über einen eigenen Online-Shop und die "Säxit-Anleihe" Die FREIEN SACHSEN beziehen ihre finanziellen Mittel u. a. aus Spenden, Beiträgen und Einnahmen aus ihrem eigenen Online-Versandshop. Dieser wird seit Ende Juni 2021 betrieben. Wurden anfänglich vorrangig Banner, Plakate für Versammlungen sowie Schals und Tassen angeboten, hat sich das Angebot inzwischen erweitert. Das Bekleidungssortiment wurde breiter aufgestellt und eine Vielzahl an Kleinprodukten (wie Feuerzeuge, Zollstöcke, Kugelschreiber und Stoffbeutel) neu ins Sortiment aufgenommen. Neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden dürfte dieser Online-Shop inzwischen als wichtige Einnahmequelle der FREIEN SACHSEN fungieren. Diese Produkte bieten die FREIEN SACHSEN im Übrigen auch an ihren Informationsständen am Rande von Veranstaltungen zum Kauf an. Darüber hinaus bitten die FREIEN SACHSEN auf ihren Telegram-Kanälen regelmäßig um finanzielle Unterstützung für die "Konstante der Bürgeropposition in Sachsen" und "einen stetigen Professionalisierungsprozess". Als weitere Möglichkeit, die FREIEN SACHSEN finanziell zu unterstützen, stellte KOHLMANN im Berichtsjahr die "Säxit-Anleihe" vor. Am 12. April teilte er mit, dass das Finanzamt Forderungen gegen ihn in Höhe von 10.000 Euro eingetrieben habe und seine Konten leer seien. Deshalb sei er nicht mehr in der Lage, seine Mitarbeiter zu bezahlen und Plakate bzw. Zeitungen herzustellen. Er bat um Spenden und bot als weitere Unterstützungsmöglichkeit die "SäxitAnleihe" an. Diese könne man ab 500 Euro aufwärts abschließen, und er würde sich ganz korrekt um entsprechende Verträge, Zinsregelungen und Rückzahldaten kümmern. Die Laufzeit von 12 bis 60 Monaten sei von der Darlehenshöhe abhängig. Es werde ein schriftlicher Darlehensvertrag abgeschlossen und eine fünfprozentige Verzinsung gewährt. Wären die FREIEN SACHSEN in den Landtag eingezogen, wollte man Sonderzinsen zahlen, deren Höhe dem Anteil der Partei an den Zweitstimmen in Prozent entsprechen sollte. Stammtischtreffen Im Berichtsjahr führten die FREIEN SACHSEN in verschiedenen Regionen Stammtischtreffen durch, u. a in den Landkreisen Mittelsachsen, Meißen und Zwickau. Diese Stammtische dienen der regionalen Vernetzung und der Gewinnung neuer Anhänger aus dem extremistischen und nicht extremistischen Spektrum. So sollen dort "Einzelaktivisten oder andere Bürgerbewegungen" zusammengebracht werden. Bei der Durchführung dieser Treffen wurden die FREIEN SACHSEN teilweise auch von Anhängern und Funktionären der Partei DIE HEIMAT unterstützt. Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten Die FREIEN SACHSEN kooperieren eng mit der Partei DIE HEIMAT, was sich auch in großen personellen Überschneidungen widerspiegelt. Bei den sächsischen Kommunalwahlen im Juni traten z.B. viele DIE HEIMAT-Mitglieder als Kandidaten für die FREIEN SACHSEN an. Auch zur Jugendorganisation von DIE HEIMAT, den JUNGEN NATIONALISTEN (JN), gibt es Verbindungen. Über ihre Profile in den sozialen Medien teilen die FREIEN SACHSEN außerdem regelmäßig Inhalte des DEUTSCHE STIMME-Verlages und des rechtsextremistischen COMPACT-MAGAZINS. Nach dessen Verbot im Juli solidarisierte sich die Partei mit dem Medienunternehmen und organisierte u.a. die Kundgebung "Weg mit dem COMPACT-Verbot!" am 17. Juli in Chemnitz. Auch der Parteivorsitzende KOHLMANN hielt auf der Protestveranstaltung eine Rede. Das "Aufgewacht"-Magazin veröffentlichte außerdem eine Sonderausgabe zum COMPACT-Verbot. Die FREIEN SACHSEN verbindet mit dem AFD-LANDESVERBAND SACHSEN18 eine ambivalente Beziehung. Einerseits ist ihr Verhältnis geprägt vom Konkurrenzkampf bei Wahlen sowie bei der Deutungshoheit über das hiesige Protestgeschehen und damit einhergend von gegenseitigen Vorwürfen bezüglich der Spaltung des sog. "patriotischen Lagers". Andererseits waren nach einer Phase der anfänglichen Distanzierung der AFD SACHSEN von den FREIEN 18 vgl. Beitrag II.1.3.4 ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND - LANDESVERBAND SACHSEN Seite 44 von 259 SACHSEN zunehmend Kooperationen feststellbar. So zum Beispiel im Stadtrat von Eilenburg: Nach den Kommunalwahlen bildeten die Parteien hier eine gemeinsame Fraktion. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Parteien zeigten sich allerdings erneut während des Landtagswahlkampfes. Dabei setzten die FREIEN SACHSEN im Vorfeld gezielt auf die sog. "Zweitstimmenkampagne", hofften auf Unterstützung von Seiten der AFD SACHSEN sowie auf die Effekte des "strategischen Wählens". So sagte KOHLMANN in einem Interview direkt nach der Wahl: "Man hat zwischendurch schon oft den Eindruck gehabt, der Zuspruch ist groß bei den Leuten, besonders die Zweitstimmenkampagne ist eigentlich gut angekommen. Allerdings gab es nun eine massive Gegenwelle (...) das kam ja von der AfD (...) Wir waren nun der Meinung, dass das strategische Wählen auch auf der rechten Seite funktionieren muss, wenn es hier einen Wechsel geben soll. Das hat leider der AfD überhaupt nicht gefallen, und die haben da ein so massives Gegenfeuer gegeben (...) und zum Teil mit Unwahrheiten gearbeitet, (...) und das hat wahrscheinlich dann wieder Wähler gekostet." Die AFD SACHSEN warf den FREIEN SACHSEN vor, sie durch den Antritt bei der Landtagswahl zu schwächen. Diese begründeten ihren Antritt u. a. damit, dass man als Partner, aber auch Korrektiv für die AfD im Sächsischen Landtag agieren wolle. Das Thema "Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz" 2025 Die FREIEN SACHSEN lehnen den Titel "Kulturhauptstadt" und die damit einhergehenden Projekte und Veranstaltungen in Chemnitz grundsätzlich ab. Bereits zu Beginn des Berichtsjahres meldete Robert ANDRES für die FREIEN SACHSEN eine Demonstration gegen das Kulturhauptstadtjahr für den 18. Januar 2025 mit ca. 2.000 Teilnehmern an. Seit Dezember thematisierten es die FREIEN SACHSEN auf ihren Social-Media-Kanälen: "Machen wir das 'Kulturhauptstadtjahr 2025' zum Widerstandsjahr!", "Während die Politik sich zur Kulturhauptstadt feiern lassen möchte, ist die Chemnitzer Innenstadt längst zu einer No-GoArea verkommen, in der selbst der jüngste Mord, den ein Afghane begangen hat, kaum noch schockiert. Umso wichtiger ist es, einen Kontrast zur 'offiziellen' KulturhauptstadtEröffnungsveranstaltung der Kaputtsparer und Überfremdungsfanatiker zu setzen." Aktivitäten der Jugendorganisation FREIE SÄCHSISCHE JUGEND Die im Jahr 2022 gegründete FREIE SÄCHSISCHE JUGEND entfaltete im Berichtszeitraum nur noch vereinzelt eigene Aktivitäten. So beteiligte sie sich zum Beispiel am 11. Februar in Dresden am sog. "Trauermarsch" der rechtsextremistischen Szene anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Landeshauptstadt im Zweiten Weltkrieg sowie im Sommer und Herbst an verschiedenen Protesten gegen die "Christopher-Street-Day"-Veranstaltungen. Darüber hinaus traten einzelne Mitglieder der Jugendorganisation als Kandidaten der FREIEN SACHSEN bei den sächsischen Kommunalwahlen an. Im Vergleich mit anderen rechtsextremistischen Parteien spielt die Jugendarbeit bei den FREIEN SACHSEN bislang keine herausgehobene Rolle. Fazit Die FREIEN SACHSEN zeichneten sich im Berichtsjahr erneut durch ein hohes Aktionsniveau aus. Sie führten eine Vielzahl von eigenen Veranstaltungen durch und beteiligten sich auch an Protestveranstaltungen anderer Organisatoren. Die rechtsextremistische Partei versteht es nach wie vor, insbesondere über ihre zahlreichen Telegram-Kanäle zur Teilnahme an den sachsenweit stattfindenden Protesten aufzurufen. Damit hat sie sich als effektive "Mobilisierungsmaschine" für extremistische und nicht extremistische Proteste weiter etabliert. Auch wenn die Mobilisierungsthemen in hohem Maße austauschbar sind, gelingt es ihnen, das vorhandene Protestmilieu dauerhaft zu "empören" und für realweltliche Proteste zu mobilisieren. Der Partei ist es im Berichtsjahr gelungen, ihre Strukturen zu festigen und mit einem neuen Kreisverband in Thüringen weiter auszubauen. Ob sie damit das Ziel verfolgt, sich regional breiter aufzustellen und ihren Bekanntheitsgrad flächendeckend zu erhöhen, Seite 45 von 259 bleibt offen. Die Bemühungen im Kommunalwahlkampf haben sich für die Partei gelohnt: Die FREIEN SACHSEN sind nun mit Mandatsträgern in allen sächsischen Kreistagen und Stadträten der kreisfreien Städte sowie in einigen Stadtund Gemeinderäten vertreten. Das entspricht dem erklärten Ziel der Partei, dass sich Mandatsträger Fähigkeiten und Kenntnisse der öffentlichen Verwaltung aneignen sollen (Haushaltsplanaufstellung, Straßenbaumaßnahmen, usw.), damit bei einer nächsten "Wende" auf Personen mit solchen Kenntnissen zurückgegriffen werden kann. KOHLMANN führte hierzu am 7. März auf einer Kundgebung in Görlitz (Landkreis Görlitz) wie folgt aus: "Wir brauchen ja, wenn die Zeiten mal besser werden [...] Leute, die es können, ansonsten müssen wir die alten weiterverwenden, und das wollen wir ja nicht. Das ging uns schon mal so 89, 90, da haben wir die Alten weitermachen lassen und das Ergebnis ist, dass wir sie jetzt endgültig entsorgen müssen." Zugleich bekräftigte er, dass die FREIEN SACHSEN mit der Teilnahme an Wahlen nicht "Teil des Systems" würden. Äußerungen wie diese verdeutlichten auch im Berichtsjahr die verfassungsfeindliche Strategie, mit der die FREIEN SACHSEN neben den Straßen auch die kommunalen Entscheidungsgremien "erobern" bzw. unterwandern wollen. In den Kommunalwahlen sahen sie eine "große Chance für den Widerstand" und forderten zum "Sturm" auf das Rathaus auf. Damit wird deutlich, dass dieser rechtsextremistischen Partei das Protestgeschehen auf den Straßen des Freistaates längst nicht mehr genug ist und sie fest entschlossen ist, die Demokratie zunächst mithilfe von Mandatsträgern von innen "auszuhöhlen", um dann ihre verfassungsfeindliche Agenda umsetzen zu können. Jedoch blieben größere Wahlerfolge aus - zu groß war hier die Konkurrenz durch die AfD. Es ist auch deshalb davon auszugehen, dass die FREIEN SACHSEN primär auf der Straße aktiv bleiben werden und sich weiterhin als Vernetzungsakteur für die heterogene "Protestszene" im Freistaat Sachsen verstanden wissen wollen. 1.3.4 ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD) - LANDESVERBAND SACHSEN Gründung / Sitz: 2013 / Dresden Vorsitz: Jörg URBAN (MdL) Teil- / Nebenorganisationen: - 13 Kreisverbände - Jugendorganisation JUNGE ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (LANDESVERBAND SACHSEN)19 Publikationen / Internetauftritte: - Verteilung gedruckter Broschüren und Zeitschriften an Haushalte - Veröffentlichung von OnlineInformationsmaterial - Homepage sowie diverse Auftritte in den sozialen Medien (u. a. Facebook-, Telegram- , TikTok-und Instagram-Kanäle des LANDESVERBANDES und der KREISVERBÄNDE, Kommunikation über "X" Personenpotenzial / - 2024: ca. 1.55020 / ca. 3.300 Mitgliederentwicklung - 2023: ca. 1.300 / ca. 2.800 Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Mandatsträgerabgaben, Spenden, staatliche Parteienfinanzierung 19 vgl. Beitrag II.1.3.5 JUNGE ALTERNATIVE (JA) - LANDESVERBAND SACHSEN 20 siehe hierzu Erläuterung zum Personenpotenzial im Beitrag II.1.2 Personenpotenzial Seite 46 von 259 Kurzportrait / Ziele Der AFD-LANDESVERBAND SACHSEN ist im Freistaat Sachsen die größte Oppositionspartei. Wesentliche politische Ziele des Landesverbandes sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Seine Protagonisten verfolgen im Hinblick auf die Zuwanderung beispielsweise in ihren Reden sowie in den sozialen Medien eine Politik des sog. Ethnopluralismus und vertreten in der Migrationsdebatte völkischnationalistische Positionen. Insoweit entsprechen sie einer Politik, wie sie von der "Neuen Rechten", einer unstreitig rechtsextremistischen Strömung, verfolgt wird. In diesem Kontext verwendet die AfD ideologische Begriffe der rechtsextremistischen Szene wie "Bevölkerungsaustausch" oder "Remigration". Dabei spielen in der Agitation führender Parteivertreter vor allem islamfeindliche, aber auch antisemitische und verschwörungsideologische Positionen eine zentrale Rolle. Außerdem diffamieren führende Parteimitglieder staatliche Institutionen und politische Entscheidungsträger und machen diese durch ihre Äußerungen verächtlich. Darüber hinaus existieren enge strukturelle und strategische Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Akteuren. Relevante Ereignisse - Mit Beschluss vom 15. Juli (Az. 6 L 20/24), und Entwicklungen 2024 bestätigt durch Beschluss des SächsOVG vom 21. Januar 2025 (3 B 127/24), lehnte das Verwaltungsgericht Dresden den Eilantrag des AFD-LANDESVERBANDES gegen seine Einstufung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ab. - größte und relevanteste rechtsextremistische Partei im Freistaat Sachsen - Kampagnen anlässlich der Kommunalbzw. Europawahlen sowie zur Landtagswahl (Motto: "Damit Sachsen Heimat bleibt!") - Zusammenarbeit mit anderen erwiesen extremistischen Bestrebungen - Landesparteitage 2024 - Mitgliederzuwachs Ideologie Der AFD-LANDESVERBAND SACHSEN verfolgt im Hinblick auf die Zuwanderung eine Politik des sog. Ethnopluralismus21, einem Markenkern des politischen Rechtsextremismus. Danach würde sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausschließlich nach ethnischbiologischen bzw. kulturellen Kriterien richten. Ein solches Volksverständnis ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar. Mit dem Ethnopluralismus würde zwangsläufig die Herabsetzung, Ausgrenzung und Benachteiligung fremder Völker, also von Migranten und ethnischen Minderheiten, einhergehen. Sie würden als Menschen zweiter Klasse angesehen und 21 vgl. Beitrag II.1.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Seite 47 von 259 pauschal verächtlich gemacht. Eine derart rassistische Ausprägung des Volksbegriffs, wie ihn die AFD SACHSEN öffentlich vertritt, hat ihre Wurzeln bereits im historischen Nationalsozialismus. Das ethnisch-homogene Volksverständnis der sächsischen AFD wird gelegentlich unumwunden öffentlich durch deren Vertreter offenbart. So schrieb ein Funktionär des AFD-KREISVERBANDES CHEMNITZ im Oktober in sozialen Medien: "Deutscher kann man sein, aber niemals werden". Auch der sächsische Europaabgeordnete Maximilian KRAH äußerte sich auf einer Veranstaltung im Januar ähnlich: "Wir alle tragen unsere Heimat, unser Erbe, unsere Prägung in uns. Und auch der Afrikaner, der Syrer trägt es in sich. Er bleibt Afrikaner und Syrer, auch wenn er hier einwandert und harzt". Nicht nur widerspricht die Überzeugung von der Unveränderbarkeit der Volkszugehörigkeit einer Person dem Volksverständnis des Grundgesetzes, auch werden durch die Aussage von KRAH Migranten aus Afrika und Syrien pauschal herabgewürdigt. In der Migrationsdebatte vertritt die Partei typische völkisch-nationalistische Positionen. Flüchtlingen werden pauschal negative Charaktereigenschaften zugeschrieben, damit die deutsche Bevölkerung sie als Gefahr wahrnimmt. So äußerte sich KRAH im Januar über alle nach Deutschland gekommenen Einwanderer pauschal abwertend: "Die werden niemals im Stande sein, sich auch nur selbst zu versorgen (...) Wir brauchen diese Leute nicht. (...) Das Einzige was passiert, ist eine Verarmung und (...) dass wir unsere Heimat nicht wiedererkennen". Von mehreren Funktionären der Partei wurden Migranten beispielsweise auf dem Landesparteitag im März pauschal als "Messerstecher und Vergewaltiger" bezeichnet und diese Personengruppe damit in Gänze kriminalisiert. Führende Vertreter der Landespartei verwenden in diesem Kontext im öffentlichen Diskurs regelmäßig ideologische Begriffe der rechtsextremistischen Szene, wie "Der Große Austausch", "Umvolkung" oder die Forderung z. B. nach "Remigration". Auch diese Begriffe verbergen ihren rassistischen Kern und ihre Urheberschaft im Nationalsozialismus. Die Islamund Muslimfeindlichkeit des AFD-LANDESVERBANDES drückt sich insbesondere dadurch aus, dass männliche Migranten aus dem arabischen Raum mit einer drastischen, angsteinflößenden Wortwahl pauschal als "importierte Killer", "Messer-Migranten", "fanatische Primatenkultur" oder "Rapefugees" öffentlich diffamiert und diskriminiert werden. Damit schürt der AFD-LANDESVERBAND in der Bevölkerung fortwährend Ängste und Ressentiments gegen Ausländer. Die Religion des Islam wird von führenden Parteifunktionären pauschal als "unfriedlich" und "erobernd" beschrieben. Außerdem sind in diesem Kontext einzelne Aussagen und Forderungen feststellbar, die der Religionsfreiheit entgegenstehen. So lehnte die sächsische AFD in den Wahlprogrammen zur Kommunalund Landtagswahl den Bau von Moscheen ab. Ferner bedienen sich führende Vertreter der Partei, so u. a. der Landesvorsitzende Jörg URBAN, gängiger antisemitischer, zumeist verschwörungsideologischer Positionen, die regelmäßig von Rechtsextremisten und REICHSBÜRGERN verwendet werden. Antisemitismus wird von diesen zwar nicht direkt geäußert, wohl aber durch sog. Codes und Chiffren verschlüsselt, zum Beispiel über die "internationale Finanzelite". So sprach KRAH im April von der Verschwörungstheorie des sog. "Great Reset", wobei angeblich eine "finstere Elite" bzw. eine "kleine Elite" ohne demokratische Legitimation die Leitlinien der Politik bestimmen würde. Auch werden durch einzelne Funktionäre der Partei Erzählungen verbreitet, wonach die Bundesrepublik Deutschland nicht souverän sei, was einer Delegitimierung dieser gleichkommt. Darüber hinaus agitiert der AFD-LANDESVERBAND gegen die politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Im politischen Diskurs werden sowohl die staatlichen Institutionen als auch deren Repräsentanten immer wieder öffentlich diffamiert und verächtlich gemacht. Es geht dem AFD-LANDESVERBAND gerade nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen, wozu auch Kritik gehören würde, sondern um die generelle Herabwürdigung der Demokratie. Die Partei bedient in aller Öffentlichkeit Narrative wie "Diktatur", "Unrechtsregime", "postdemokratischer Totalitarismus", Seite 48 von 259 "Parteienkartell", "Staatsund Propaganda-Medien" und "Wahlbetrug". In der Gesamtschau geht es der AFD SACHSEN darum, mit diesem Vokabular das Vertrauen der Bevölkerung in die verfassungsmäßige Ordnung und Funktionsfähigkeit unserer Demokratie von Grund auf zu erschüttern sowie Proteste und Widerstand aus der gesellschaftlichen Mitte heraus zu forcieren. Der AFD-LANDESVERBAND geriert sich weiterhin als "Friedenspartei" und verbreitet dabei russische Narrative zum Ukraine-Krieg sowie über die westliche Unterstützung für das angegriffene Land. Dabei schrecken einzelne Funktionäre und Mandatsträger der Partei nicht davor zurück, Ukraine-Unterstützer aus Politik und Medien beispielsweise als "Abschaum" zu beschimpfen und sich "Hexenverbrennungen" für russische und belarussische Oppositionelle zu wünschen. Strategie Der AFD-LANDESVERBAND SACHSEN präsentiert sich dem Wähler als eine Partei, die eine andere Politik auf den Feldern der Migrationsund Zuwanderungspolitik sowie der Wirtschafts-, Energie und Sozialpolitik anstrebt. Sie steht der EU, dem Gedanken der europäischen Integration einschließlich der Wirtschaftsund Währungsunion kritisch gegenüber. In Bezug auf die Außen-, Bündnisund Verteidigungspolitik vertritt der Landesverband eigenständige Positionen. Verfassungsschutzrechtlich relevant sind nicht alle seine politischen Forderungen. Relevant im nachrichtendienstlichen Sinne sind vor allem die oben beschriebenen ideologischen Zielsetzungen des AFD-LANDESVERBANDES SACHSEN in Bezug auf die Migrationsund Zuwanderungspolitik sowie dessen nachfolgend beschriebene Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten. Der AFD-LANDESVERBAND nutzte im Berichtsjahr die Wahlkämpfe, um mit "Empörungsthemen" für die Mobilisierung eigener Anhänger sowie für die Verbreitung seiner verfassungsfeindlichen Agenda bis tief in die gesellschaftliche Mitte hinein zu sorgen. Letztlich zielt die sächsische AFD, wie jede andere Partei auch, auf die Maximierung ihrer Wahlerfolge ab. Jedoch bezeichnet sich die AfD als einzig wählbare und allein deutschen Interessen dienende Alternative, indem AfD-Funktionäre den regierungstragenden Parteien permanentes Versagen in allen Themenbereichen vorwerfen und deren Zusammenarbeit als "Kartell" abwerten. In diesem Zusammenhang getätigte rechtsextremistische Äußerungen führender Funktionsund Mandatsträger u. a. bei Versammlungen und in den sozialen Medien werden innerparteilich zur Kenntnis genommen, ohne dass es seitens der Landespartei öffentlich zu einer Distanzierung oder zumindest kritischen Auseinandersetzung käme. Nur bei auffallend deutlichen Verfehlungen eigener Parteimitglieder distanziert sich die sächsische AFD-Führung von diesen, um einen Imageschaden abzuwenden. So leitete sie beispielsweise im November in aller Eile den Parteiausschluss jener drei Mitglieder ein, die zu den sog. "Sächsischen Separatisten"22 gehörten. Außerdem gibt es zahlreiche Belege für strukturelle und strategische Verbindungen des AFDLANDESVERBANDES zu anderen gesichert extremistischen Akteuren. Hierzu gehören - zumindest punktuell auf lokaler Ebene - die FREIEN SACHSEN, ferner die IDENTITÄRE BEWEGUNG / SACHSENGARDE, PEGIDA und die COMPACT-MAGAZIN GMBH. Deren Chefredakteur, der Rechtsextremist Jürgen ELSÄSSER, war auch im Jahr 2024 wiederholt Gastredner bei Veranstaltungen der sächsischen AFD. Die Unvereinbarkeitsliste für eine AfD-Mitgliedschaft, welche u. a. eine parallele Mitgliedschaft bei den FREIEN SACHSEN ausschließt, kann vor diesem Hintergrund als "Feigenblatt" bezeichnet werden. Würde sich die AfD tatsächlich glaubwürdig, konsequent und nachhaltig von erwiesenen Rechtsextremisten distanzieren, würde sie ein strategisches 22 vgl. Beitrag II.1.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus Seite 49 von 259 aktionsbezogenes Zusammengehen mit den FREIEN SACHSEN bei Versammlungen unmissverständlich ebenso ausschließen wie eine Doppel-Mitgliedschaft in dieser Partei. Von ihrer mittlerweile aufgelösten Jugendorganisation, dem sächsischen LANDESVERBAND der JUNGEN ALTERNATIVE (JA), die das LfV Sachsen am 26. April 2023 als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung einstufte, hat sich die AFD SACHSEN seitdem ebenfalls nicht einmal ansatzweise distanziert. Zur Kommunalwahl 2024 wurden mehrere Mitglieder der JA über Listen der AfD in Stadtund Gemeinderäte sowie Kreistage gewählt. Dieses Vorgehen offenbart die von der sächsischen AFD verfolgte Doppelstrategie: Einerseits gibt sie sich mit ihrem Parteiprogramm und der Unvereinbarkeitsliste eine gesellschaftlich anschlussfähige "bürgerliche" Fassade. Der AFD-LANDESVERBAND will als "Anti-EstablishmentPartei" wahrgenommen werden, die als einzige in der Lage sei, den "Volkswillen" zu vertreten. Insoweit versteht sich die AfD als Teil der europäischen rechtspopulistischen Parteienlandschaft.23 Jedoch schloss die damals im EU-Parlament vertretene Fraktion "Identität und Demokratie" (ID)24 die Abgeordneten der AfD wenige Tage vor der Europawahl mit deutlicher Mehrheit aus ihren Reihen aus. Sie begründete diesen Schritt mit einer Reihe von Vorfällen, an denen der AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl und damit auch die deutsche Delegation beteiligt gewesen sei. Diese hätten dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet. Gemeint waren u. a. verharmlosende Äußerungen des EU-Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian KRAH, zur Rolle der Waffen-SS im Nationalsozialismus. Andererseits sprechen ihre Funktionäre mit ihren bewusst gewählten verfassungsfeindlichen Äußerungen, die vereinzelt auch rhetorische Assoziationen aus der NS-Zeit bedienen, zugleich überzeugte Rechtsextremisten an. Sobald rechtsextremistische Argumentationsmuster führender AfDFunktionäre beispielsweise von den Medien entlarvt werden, schaltet die Partei in eine strategische Opfer-Rolle um. Aussagen werden umgehend relativiert oder der "Lügenpresse" wird vorgeworfen, Aussagen aus dem Kontext gerissen und falsch dargestellt zu haben. Tatsächlich verfolgt die Landespartei bei ihren öffentlichen Auftritten eine Strategie der Normalitätsverschiebung, in deren Folge das Unsagbare sagbar und normal werden soll. Struktur Der AFD-LANDESVERBAND SACHSEN untergliedert sich in 13 Kreisverbände, die mit den Landkreisen und kreisfreien Städten deckungsgleich sind. Er ist personell und strukturell gefestigt und dominiert durch die sog. solidarisch-patriotische Strömung. Dies zeigte sich unter anderem am stringenten Ablauf der drei Landesparteitage im Jahr 2024. Die personelle Zusammensetzung des neugewählten Landesvorstands hat sich zudem nicht grundlegend geändert. Die personelle Zusammensetzung des AFD-LANDESVERBANDES SACHSEN mag zwar sehr heterogen sein, auch weil Mitglieder aus Protest bzw. Unzufriedenheit mit den aktuellen politischen Verhältnissen der Partei beigetreten sind; sie sind deshalb keine Rechtsextremisten. Inhaltlich-programmatisch überwiegt jedoch das aus dem früheren "Flügel" hervorgegangene sog. solidarisch-patriotische Lager, dessen geistiger Vater und 23 Führende europäische rechtspopulistische Politikerinnen, wie Marine Le Pen ("Rassemblement National") aus Frankreich oder die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ("Fratelli d'Italia") haben sich allerdings von der AfD aufgrund ihrer Positionen distanziert, vgl. "Der Tagesspiegel" vom 31. Januar 2024: "Selbst Europas Scharfmachern ist die AfD zu radikal", heruntergeladen am 25. April 2025. 24 Die Fraktion "Identität und Demokratie" bestand von 2019 bis 2024 und war ein Zusammenschluss rechtspopulistischer, rechtsextremistischer und EU-skeptischer Parteien. Nach der Europawahl im Jahr 2024 gingen ihre Mitglieder weitgehend in der neu gegründeten Fraktion "Patrioten für Europa" auf. Die AfD wurde nicht aufgenommen und gründete eine eigene Fraktion. Seite 50 von 259 Anführer der Rechtsextremist Björn HÖCKE25 ist und das den Charakter des gesamten Landesverbandes maßgeblich prägt. Der AFD-LANDESVERBAND nutzte auch im Berichtsjahr den der Partei nahestehenden und teilweise über öffentliche Gelder finanzierten "Kommunalpolitischen Bildungsverein Sachsen e. V." für die Weiterbildung seiner kommunalen Mandatsträger. Schließlich existieren in allen Landkreisen sowie kreisfreien Städten Fraktionen der AfD in den dortigen Kreistagen bzw. Stadträten mit zum Teil erheblichen politischen Einflussund Gestaltungsmöglichkeiten. Nachdem darüber hinaus im Dezember 2023 ein von der AfD aufgestellter, parteiloser Kandidat die Oberbürgermeisterwahl in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) gewann, wurde im Berichtsjahr auch in Großschirma (Landkreis Mittelsachsen) ein von der AfD aufgestellter Kandidat zum Bürgermeister gewählt. Bereits bei der ersten Wahl im März konnte er ca. 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, bei der notwendigen Wiederholungswahl im September waren es dann 82 Prozent der Stimmen. Die kommunale Etablierung der Partei ist demzufolge weiter vorangeschritten. Außerdem konnte der AFDLANDESVERBAND einen starken Mitgliederzuwachs für sich verbuchen. Die sächsische AFD verfügte mit der JUNGEN ALTERNATIVE (JA) - LANDESVERBAND SACHSEN bis zu ihrer Selbstauflösung im Frühjahr 2025 außerdem über eine als gesichert rechtsextremistisch bewertete Jugendorganisation, welche die "Mutterpartei" insbesondere in Wahlkämpfen, bei der Durchführung von Veranstaltungen und der Werbung junger Mitglieder unterstützte. Außerdem fungierte die JA mit ihren Veranstaltungen und Auftritten in den sozialen Medien als zentrales Bindeglied zwischen der AfD und der jüngeren Generation. Dass die Verbindungen zwischen Jugendorganisation und Mutterpartei in Sachsen sehr eng waren, belegt das Statement der JA vom März 2024: "Zwischen JA und AfD passt kein Blatt Papier". Es ist absehbar, dass die neu zu gründende Jugendorganisation noch enger an die Mutterpartei angebunden sein wird. Aktivitäten Wahlkampf Während die sächsische AFD zu Beginn des Jahres noch zahlreiche Straßenproteste gegen die Errichtung von Asylbewerberunterkünften, die Energiepolitik der Bundesregierung sowie die Bauernproteste mitinitiierte oder unterstützte, konzentrierte sich die Partei im weiteren Verlauf des Jahres wahlkampfbedingt vermehrt auf klassische Kundgebungen. Auch mit dem erwiesen rechtsextremistischen COMPACT-MAGAZIN kam sie dabei zusammen. Herausragende Einzelveranstaltungen waren die Kundgebungen im Vorfeld der Landtagswahlen in Bautzen (3.250 Teilnehmer) und Dresden (1.100 Teilnehmer) mit prominenten Gastrednern aus dem Bundesverband. Motto der Veranstaltungen war der Wahlkampfslogan "Damit Sachsen Heimat bleibt!". Regelmäßig wurden bei Kundgebungen des AFD-LANDESVERBANDES SACHSEN bzw. seiner Untergliederungen rechtsextremistische Verschwörungstheorien eines vermeintlichen "Bevölkerungsaustausches" oder eines "Great Reset" verbreitet. Der Landesvorsitzende Jörg URBAN sprach auf einer Kundgebung am 1. April beispielsweise darüber, dass Kriege nicht entstehen, sondern bewusst "gemacht" würden: "Nicht die Menschen machen die Kriege. Finanzeliten, Politiker und Journalisten sind die wahren Kriegstreiber, die immer wieder Menschen und Völker ins Unglück treiben". Damit lenkte er die Schuld für den Ukraine-Krieg weg von der russischen Führung und verbreitete antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorien einer kleinen, Unglück provozierenden "Finanzelite". Die 25 Björn HÖCKE ist der Vorsitzende des AfD-Landesverbandes Thüringen. Seite 51 von 259 pauschale Medienschelte ("kriegstreibenden Journalisten") ist eine häufig genutzte Strategie von Rechtsextremisten und Russland-Apologeten, die Deutung über den Ukraine-Krieg umzudrehen. Landesparteitage Im Berichtsjahr fanden wahlbedingt drei Landesparteitage statt. So wurden im März in Glauchau (Landkreis Zwickau) auf einem Delegiertenparteitag 75 Listenkandidaten für die Landtagswahl aufgestellt. Die vorderen Listenplätze wurden durch Landesvorstände bzw. Personen aus dem Umfeld des Landesvorstandes besetzt. Auf einem zweiten Landesparteitag im Mai, ebenfalls in Glauchau, wurde das Wahlprogramm für die Landtagswahl verabschiedet sowie der Landesvorstand neu gewählt, wobei sich keine grundlegenden personellen Änderungen ergaben. Im November fand ein Mitgliederparteitag in Löbau (Landkreis Görlitz) statt, auf welchem die Landesliste des AFD-LANDESVERBANDES für die vorgezogene Bundestagswahl im Februar 2025 aufgestellt wurde. Der jeweils stringente und größtenteils reibungsfreie Ablauf der Parteitage verdeutlichte die inhaltliche sowie personelle Geschlossenheit und Professionalisierung der sächsischen AFD. URBAN wurde jeweils mit ca. 90 Prozent der Stimmen zum Landesvorsitzenden bzw. zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt. Er steht unangefochten an der Spitze des Landesverbandes. Die Parteitage waren auch Ausdruck der innerparteilichen Geschlossenheit hinsichtlich des politischen Kurses des AFD-LANDESVERBANDES. Eine Abkehr von rechtsextremistischen Tendenzen war auch nicht im Ansatz erkennbar. Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten Der Chefredakteur des COMPACT-MAGAZINS, der Rechtsextremist Jürgen ELSÄSSER, wurde am 15. und 16. August vom AFD-KREISVERBAND SÄCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE als Gast zu Veranstaltungen in Sebnitz und Pirna (beides Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge) eingeladen. Dort sprach er von der Bundesregierung bzw. der Bundesrepublik als "Diktatur" und "Möchtegern-Staat". Der Vorsitzende des AFD-KREISVERBANDES SÄCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE forderte die Abwahl der Regierung, um im Anschluss "Gericht zu halten". Im Hinblick auf die Kooperation mit dem rechtsextremistischen COMPACTMAGAZIN sagte er: "Wir müssen gemeinsam kämpfen. Wir haben ein Ziel, und dieses Ziel heißt Sturz dieser Regierung". URBAN gab ELSÄSSER zudem im August ein Interview für COMPACT-TV. Zwischen dem COMPACT-MAGAZIN und dem AFD-LANDESVERBAND besteht ein wechselseitiges Unterstützungsverhältnis, da die AfD dem COMPACT-MAGAZIN eine politische Bühne gibt und damit auch das Magazin bewirbt. Dieses wiederum verbreitet die Botschaften der sächsischen AFD und bewirbt die Partei. Die sächsische AFD verbindet mit den FREIEN SACHSEN eine ambivalente Beziehung. Einerseits ist das Verhältnis geprägt von Konkurrenz bei Wahlen und dem Kampf um die Deutungshoheit bei Straßenprotesten. Andererseits sind nach einer Phase der anfänglichen Distanzierung der AFD SACHSEN von den FREIEN SACHSEN auch Kooperationen feststellbar. Vereinzelt gab es gemeinsame Demonstrationen und Kundgebungen beider Parteien bzw. einzelner Vertreter der Parteien, so u. a. in Waldheim (Landkreis Mittelsachsen) und in Delitzsch (Landkreis Nordsachsen). Der AFD-KREISVERBAND CHEMNITZ bewarb im Juli eine Demonstration der FREIEN SACHSEN. Die Bezüge der sächsischen AFD zu den FREIEN SACHSEN gehen jedoch zum Teil auch über diese sporadischen Veranstaltungskontakte hinaus. So bilden inzwischen in den Städten Eilenburg (Landkreis Nordsachsen) und Zittau (Landkreis Görlitz) Vertreter beider Parteien gemeinsame Stadtratsfraktionen. Erkenntnissen des LfV Sachsen zufolge findet die Zusammenarbeit zwischen AFD SACHSEN und FREIEN SACHSEN ausschließlich auf lokaler Ebene, nicht jedoch auf der Landesebene, statt. Vor den Landtagswahlen gab es mitunter sogar offenen Streit zwischen Führungspersonen beider Parteien. Die sächsische AFD rief dazu auf, Stimmen nicht an "Kleinstparteien" zu Seite 52 von 259 verschenken, womit vermutlich die FREIEN SACHSEN gemeint waren, welche auf eine Zweitstimmenkampagne zu Lasten der AfD setzten. Während URBAN im Jahr 2023 noch wiederholt auf der Bühne der erwiesen rechtsextremistischen Bestrebung PEGIDA in Dresden als Redner in Erscheinung trat, mieden er und andere Vertreter des sächsischen AFD-LANDESVERBANDES im aktuellen Berichtsjahr diese Auftritte. Die Hintergründe sind zwar nicht bekannt, jedoch wurde spätestens mit der Absage der PEGIDA-Kundgebung am 31. August ein Spannungsverhältnis deutlich, da PEGIDAChef Lutz BACHMANN den sächsischen AFD-Landesvorstand für ein "Auftrittsverbot" von geplanten Rednern der JUNGEN ALTERNATIVE (JA) aus Brandenburg verantwortlich machte. Gleichwohl warb BACHMANN bei seinen Anhängern für die Wahl der AfD zur Landtagswahl. Unverändert bestehen auch Kontakte der sächsischen AFD zur IDENTITÄREN BEWEGUNG / SACHSENGARDE. Ein Vorstandsmitglied des AFD-KREISVERBANDES CHEMNITZ warb am 28. März über seinen Instagram-Account für eine Wanderung der SACHSENGARDE. Außerdem nahmen mehrere Funktionäre des AFD-KREISVERBANDES CHEMNITZ an der Zehn-JahresJubiläumsfeier der IDENTITÄREN BEWEGUNG DEUTSCHLAND am 1. Juni in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) teil. Mehrere Beschuldigte der mutmaßlichen rechtsextremistischen Terrorgruppe "Sächsische Separatisten" waren Mitglieder des AFD-LANDESVERBANDES und dessen Jugendorganisation JUNGE ALTERNATIVE. Zwei von ihnen waren bei einem Landtagsabgeordneten der sächsischen AFD als Mitarbeiter beschäftigt. Der AFD-LANDESVERBAND distanzierte sich nach öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe von diesen Mitgliedern der "Sächsischen Separatisten" und initiierte ein formales Ausschlussverfahren. Die Kontakte und Bezüge der AFD SACHSEN zu den genannten erwiesen extremistischen Organisationen und Personen belegen, dass der hiesige Landesverband nach wie vor auf die Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten setzt. Fazit Der AFD-LANDESVERBAND SACHSEN hat im Wahljahr 2024 seine Stellung als größte Oppositionspartei auf der Landesebene weiter ausgebaut und gefestigt. Auf der kommunalen Ebene verzeichnete die sächsische AFD ebenfalls erhebliche Wahlerfolge und kann somit auch dort an politischen Willensbildungsprozessen mitwirken. Die in der Bevölkerung vorhandene Grundstimmung26 nutzt die sächsische AFD für die Verbreitung ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzungen aus, wobei nicht jeder Programmpunkt der Partei per se verfassungsfeindlich ist. Sie geriert sich bei den Protestteilnehmern auf der Straße, bei den Followern in den sozialen Medien und nicht zuletzt bei potenziellen Wählern als vermeintlich einziges wirkungsvolles "Sprachrohr" der Bevölkerung gegen "die da oben". Allerdings verzichteten Parteifunktionäre und Wahlbewerber der sächsischen AFD im Wahljahr erkennbar auf aggressive Töne, um auch bürgerliche und unentschlossene Wähler nicht abzuschrecken. Die AfD ist inzwischen keine reine Protestpartei mehr, sondern eine Partei mit Stammwählerschaft. Die Wahlergebnisse 2024 belegen, dass die Partei trotz ihres rechtsextremistischen Kurses auf zunehmend breitere Resonanz stößt und in Sachsen auch für die bürgerliche Mitte anschlussfähig geworden ist. Mit ihrem Konzept der Doppelstrategie hat sich die AFD SACHSEN in der hiesigen Wählerschaft fest verankert. 26 vgl. "Sachsen-Monitor" 2023: https://www.staatsregierung.sachsen.de/sachsen-monitor-20238897.html Seite 53 von 259 1.3.5 JUNGE ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (JA) - LANDESVERBAND SACHSEN Gründung / Sitz: 2013 / Leipzig Vorsitz: Landesvorstand seit Oktober Lennard SCHARPE Teil-/ drei Kreisverbände Nebenorganisationen: drei Bezirksverbände Publikationen / Homepage sowie verschiedene Auftritte in Internetauftritte: den sozialen Medien Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung Sachsen ca. 200 ca. 100 bundesweit ca. 4.000 Finanzierung Mitgliedsbeiträge Fördermitglieder der AfD Spenden Kurzportrait / Ziele Die JA ist die offizielle, als Verein organisierte Jugendorganisation der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und unterstützt die "Mutterpartei" insbesondere im Wahlkampf, bei Veranstaltungen und der Gewinnung junger Mitglieder. Ihre Mitglieder sind nicht automatisch Mitglieder der AfD. Gemäß Vereinssatzung müssen nur der Landesvorstand und bestimmte Funktionäre der Kreisbzw. Bezirksverbände der JA zwingend auch AfD-Mitglieder sein. Die verfassungsfeindliche Agenda der JA ist durch einen ethnisch-homogenen Volksbegriff geprägt. Daneben finden sich islamund muslimfeindliche Einstellungen. Insbesondere über die sozialen Medien werden diese offen kommuniziert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die JA ist darüber hinaus sehr eng mit verschiedenen rechtsextremistischen Akteuren der "Neuen Rechten" vernetzt. Relevante Ereignisse Teilnahme an verschiedenen regionalen und und Entwicklungen 2024 überregionalen AfD-Veranstaltungen Kundgebung "Europa statt EU" am 27. Mai in Dresden Wahlkampf im Zusammenhang mit der Kommunalwahl Wahlkampfkampagne "Können wir Deutschland noch retten? JA!" im Juli Seite 54 von 259 "Europäisches Vernetzungstreffen" vom 27. bis 29. September in Prag (Tschechien) Landeskongress und "Oktoberfest" am 26.Oktober in Neukirch/Lausitz (Landkreis Bautzen) verschiedene Gedenkveranstaltungen anlässlich des Volkstrauertages am 19. November Ideologie Die JA propagiert einen ethnisch-homogenen Volksbegriff, der mit dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Menschenwürde nicht vereinbar ist. Angehörige anderer Ethnien werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer kulturellen Wurzeln abgewertet und als nicht integrierbar dargestellt. Die größte Gefahr stelle laut JA ein vermeintlich gesteuerter Bevölkerungsaustauch dar. Rechtsextremistische Kampfbegriffe wie "Großer Austausch", "Bevölkerungsaustausch" und die Forderung nach "Remigration" finden sich fortwährend in ihrer politischen Agitation wieder. "Remigration ist unsere Mission", titelte die JA beispielsweise zu Jahresbeginn über Facebook. Im Sommer postete der JA-KREISVERBAND DRESDEN über seinen Facebook-Account: "Der Bevölkerungsaustausch schreitet in erschreckender Geschwindigkeit voran - besonders bei den Jungen. (...) Deutschland muss die Heimat der Deutschen bleiben. Das geht nur durch konsequente Grenzsicherung und umfassende Remigrationsmaßnahmen." Diese Begriffe verbergen ihren rassistischen Kern und ihre Urheberschaft im Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang agitiert die JA regelmäßig gegen Migrantinnen und Migranten. Insbesondere Zuwanderer mit muslimischem Hintergrund werden pauschal diffamiert. Ihnen werden aufgrund ihrer Herkunft negative Eigenschaften, wie eine starke Neigung zu Gewalt und Kriminalität sowie Rückständigkeit, zugeschrieben. "Wenn ich hier Mutumbos alimentieren muss, täglich 2 Gruppenvergewaltigungen & dutzende Messerstechereien passieren (...), dann ist das nicht mehr mein Land", schrieb ein Mitglied des JA-Vorstands im August über Facebook. Auch im aktuellen, für alle JA-Landesverbände gültigen Programm "Jugend, die vorangeht! Programm und Leitlinien" kommt die völkisch-nationalistische Haltung der JA zum Ausdruck. Nach der Präambel "Für ein anderes Deutschland" werden darin die folgenden sechs ideologischen Kernthemen, die nach dem Wortlaut nicht extremistisch sind, der JA inhaltlich ausgeführt: "Wir stehen zum deutschen Vaterland" "Wir stehen zum Schutz von Kulturlandschaft und Natur" "Wir stehen zur traditionellen Familie" "Wir stehen zur deutschen Bildungstradition" "Wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft" "Wir stehen zur Freiheit des Einzelnen" Menschen mit Migrationshintergrund werden in den Ausführungen zu den Kernthemen als Gefahr für den Fortbestand deutscher Werte dargestellt und die Migration als Ursache für eine Verschlechterung des Lebensstandards in der Bundesrepublik Deutschland benannt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Bezug zur Verschwörungstheorie des "Großen Austauschs" genommen. Seite 55 von 259 Darüber hinaus finden sich in Äußerungen von JA-Mitgliedern regelmäßig Verstöße gegen das Demokratieprinzip. Eine Vielzahl von Verächtlichmachungen des Staates, seiner Repräsentanten sowie des politischen Gegners sind Ausdruck dessen. So diffamierte die JA beispielsweise die Politiker der Bundesrepublik pauschal als "antideutsche Volksverräter" und "antideutsche Verrückte und sprach in diesem Kontext regelmäßig von den "Altparteien". "Das einzige, was dem volksfeindlichen Establishment noch einfällt: Zensur, Lüge, Propaganda, Bespitzelung, Verfolgung, Repression, Machtmissbrauch, Verbote. Sie sind am Ende. Ein Regime, das soweit gekommen ist, ist nicht mehr zu retten. Die Altparteien haben fertig", beschrieb ein Mitglied des JA-Landesvorstands gleich zu Jahresbeginn seine Sicht auf die Lage in Deutschland. Strategie Gemäß ihrer Vereinssatzung bezweckt die JA SACHSEN "die Förderung von politischer Bildung, Teilhabe und Willensbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sowie die Förderung von Heimatpflege und Heimatkunde. (...) Sie unterstützt die Partei (...) bei ihrer politischen Tätigkeit und bringt politische Themen in die innerparteiliche Diskussion und auch nach außen proaktiv ein." Mitglieder der JA nehmen dazu regelmäßig an Parteiveranstaltungen der AfD teil und bringen sich dort aktiv ein. Im Gegenzug dazu werden bedeutende Vertreter des AFDLANDESVERBANDES SACHSEN in Strategie-Veranstaltungen und Kongresse der JA eingebunden. Die enge Zusammenarbeit zwischen "Mutterpartei" und Jugendorganisation wird in den sozialen Medien fortwährend betont. "(...) Darüber hinaus halfen zahlreiche JAler bei der Durchführung des Parteitages mit. An unserem Stand informierten wir die Delegierten zudem über unsere politische Arbeit. Die Versammlung hat einmal mehr deutlich gemacht: zwischen JA und AfD passt kein Blatt Papier. Partei und Jugend stehen zusammen, und gemeinsam werden wir erfolgreich sein (...)", erklärte die JA über Facebook nach dem AfDLandesparteitag vom 18. März in Glauchau (Landkreis Zwickau). Die Partei-Jugendorganisation bringt sich auch in die Suche nach Mitstreitern ein, die auf kommunaler Ebene für die AfD aktiv werden wollen. Mehrere JA-Mitglieder kandidierten zur Kommunalbzw. Landtagswahl sachsenweit auf den Listen der AfD und zogen erfolgreich in verschiedene Kreistage bzw. Stadtund Gemeinderäte sowie in den Landtag ein. Damit hat sich die Jugendorganisation als Kaderbzw. Nachwuchsreserve für die Mutterpartei erwiesen. Zur Umsetzung ihrer Ziele setzt die JA intensiv auf die Nutzung der reichweitenstarken sozialen Medien. In den vergangenen Jahren hat sich die mediale Aufbereitung von Veranstaltungen über ihre dortigen Kanäle weiter professionalisiert - vor allem im Hinblick auf ein einheitliches öffentliches Erscheinungsbild. Einprägsame Bilder, Filme und Berichte, welche die verfassungsfeindliche Ideologie der JA widerspiegeln, erreichen auf diese Weise vor allem junge Menschen. Darüber hinaus hat die JA die personelle und strukturelle Vernetzung mit rechtsextremistischen Akteuren der "Neuen Rechten" (IDENTITÄRE BEWEGUNG, EIN PROZENT E. V., dem ehemaligen INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK, COMPACT-MAGAZIN GMBH, PEGIDA) weiter vorangetrieben. Dieses "Netz" unterstützt sich nicht nur bei Versammlungen, sondern auch bezüglich der "Bildung" im Sinne der neurechten Ideologie und bei der medialen Verbreitung eben dieser. Schlussendlich werden darüber auch neue JA-Mitglieder gewonnen. "JA, AfD und Vorfeld stehen fest zusammen gegen die Deutschlandabschaffer und Antidemokraten des Establishments!", postete die JA im Februar über ihren Facebook-Account. Insbesondere die Rhetorik der IDENTITÄREN BEWEGUNG (IB) findet sich zunehmend im Sprachgebrauch der JA wieder. Begriffe wie "Festung Europa", "Remigration", "Heimat, Freiheit, Tradition" und "Großer Austausch" haben ihren Ursprung dort. Die JA adaptiert die Seite 56 von 259 Ideologie, den Lifestyle und aktivistische Elemente der IB und wird somit noch stärker anschlussfähig für junge Menschen. Struktur Formal verfügt der JA-LANDESVERBAND SACHSEN aktuell über die drei KREISVERBÄNDE DRESDEN, MITTELSACHSEN und SÄCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE sowie die drei BEZIRKSVERBÄNDE NORDSACHSEN, OBERLAUSITZ und W ESTSACHSEN. Im Landkreis Meißen gibt es derzeit keine feste Strukur. Für die Belange der JA-Mitglieder aus dieser Region ist ein Gebietsverantwortlicher aus dem Landesvorstand zuständig. Die BEZIRKSVERBÄNDE OBERLAUSITZ und W ESTSACHSEN wurden bereits im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. Ende Oktober wurde zudem der neue BEZIRKSVERBAND NORDSACHSEN gegründet. Er umfasst die Gebiete der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen. Der ehemalige KREISVERBAND LEIPZIG ist in diesem Bezirksverband aufgegangen. Der amtierende Landesvorstand Sachsen, der sich aus acht Mitgliedern zusammensetzt, ist gemäß Satzung für ein Jahr im Amt. Die letzte Wahl fand am 26. Oktober auf dem Landeskongress in Neukirch/Lausitz (Landkreis Bautzen) statt. Der bisherige Vorsitzende trat aus Altersgründen zurück. Lennard SCHARPE aus Bautzen (Landkreis Bautzen), bereits seit mehreren Jahren im Vorstand aktiv, übernahm den Vorsitz. "In diesem Rahmen bedankten wir uns für die erfolgreiche gemeinsame Zeit, in der wir die JA in Sachsen mit zahlreichen Veranstaltungen, Kampagnen und Aktionen voranbringen und professionalisieren konnten", resümierte die JA im Nachgang der Veranstaltung. Aktivitäten Das zentrale Thema "Migration" prägte auch im Berichtsjahr die Aktivitäten und Veröffentlichungen der JA in Sachsen. Slogans wie "Massenmigration ist tödlich!", "#RemigrationJetzt!", "#FestungEuropa",#AbschiebenSchütztFrauen", #Abschiebeoffensive" und "#AbschiebenrettetLeben" fanden sich wiederholt in den sozialen Medien wieder. Mit einer Kundgebung unter dem Motto "Europa statt EU" am 27. Mai in Dresden brachte die JA ihre Kritik an der Europäischen Union zum Ausdruck, die aus ihrer Sicht "unsere Heimat mit Massenmigration, Bürokratie und Kriegseskalation zerstört.". Die Veranstaltung fand als Gegenprotest zum Jugendfest "Fete de l'Europe" anlässlich des Besuchs des französischen Staatspräsidenten statt. Darüber hinaus nutzte die JA ihre aktive Beteiligung an den sachsenweit stattfindenden Wahlkampfveranstaltungen der AfD zur Agitation und zur Verbreitung von entsprechenden Flyern. Anlässlich der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen initiierten die drei JA-Landesverbände unter Federführung der JA-Brandenburg im Juli eine Jugendwahlkampagne unter dem Motto "Können wir Deutschland noch retten? JA!". Diese Kampagne, deren ideologischer Schwerpunkt die aggressive Agitation gegen Migrantinnen und Migranten war, setzte sich aus verschiedenen Produkten zusammen, mit denen das AfDWahlprogramm sehr vereinfacht und zielgruppengrecht im JA-Design und kurzen Schlagworten dargestellt wurde, um insbesondere junge Wähler zu erreichen. Dazu gehörten neben eigenen Wahlplakaten kurze Imagevideos, ein Webgame mit dem Namen "DeutschlandRetter24" (in Anlehnung an das beliebte Spiel "Candy Crush") sowie ein Musikvideo mit dem Titel "Wir schieben sie alle ab!". Diese Produkte wurden über die entsprechenden Social Media-Kanäle verbreitet. Mit Slogans wie "Millionenfach abschieben?" JA!", "Mit Remigration beginnen? JA!", "Schule ohne Gendern? JA!", "18,36 Euro PropagandaAbo abschaffen? JA!" oder "Simson statt Lastenrad? JA!" sprach die JA sehr plakativ ihr junges Pubklikum an. Seite 57 von 259 Ein weiteres Themenfeld, auf das sich die JA im Berichtsjahr konzentrierte, war die Ablehnung der LGBTQIA+-Szene. In den sozialen Medien äußerte sich die JA mehrfach queerfeindlich, u. a. mit Aussagen wie "Frau ist Frau & Mann bleibt Mann (...) es gibt #NurZwei Geschlechter!". Anlässlich des Volkstrauertages am 17. November veranstaltete die JA in verschiedenen sächsischen Regionen kleinere Gedenkveranstaltungen. In Löbau (Landkreis Görlitz) und Bautzen (Landkreis Bautzen) "besuchten wir Kriegsdenkmäler (...) und gedachten dabei unzähligen Toten, durch Krieg und Vertreibung." In Pirna, Tharandt, Freital (alle Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), Eilenburg (Landkreis Nordsachsen) und Dresden legten JA-Mitglieder Kränze nieder. Neben politischen Aktivitäten führte die JA zur Mitgliederbindung und Förderung der Gemeinschaft verschiedene Freizeitaktivitäten und interne Veranstaltungen durch, zu denen auch befreundete Mitglieder anderer JA-Landesverbände eingeladen wurden. Dazu zählten neben Sportveranstaltungen und Wanderungen auch das "Oktoberfest" am 26. Oktober in Neukirch/Lausitz (Landkreis Bautzen), das im Anschluss an den Landeskongress stattfand, sowie ein "Europäisches Vernetzungswochenende" vom 27. bis 29. September in Prag (Tschechien) mit "Vertretern der tschechischen SPD27, der polnischen Konfederacja, der ungarischen MiHazank und aus der Schweiz". Darüber hinaus hat die JA auch ihre Vernetzung mit der IDENTITÄREN BEWEGUNG (IB) weiter ausgebaut. Vincenzo RICHTER, Leiter der SACHSENGARDE28 und der IDENTITÄREN BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB), nahm gemeinsam mit weiteren IB-Mitgliedern beispielsweise am "Oktoberfest" in Neukirch/Lausitz teil. Einzelne JA-Mitglieder aus Sachsen und Brandenburg waren auch bei der Feier der IB zum zehnjährigen Bestehen am 1. Juni in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) zu Gast. Mehrere Beschuldigte der mutmaßlichen rechtsextremistischen Terrorgruppe "Sächsische Separatisten" waren JA-Mitglieder, zwei von ihnen sogar bei einem Landtagsabgeordneten der sächsischen AFD als Mitarbeiter beschäftigt. Der AFD-LANDESVERBAND distanzierte sich nach öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe von diesen Mitgliedern der "Sächsischen Separatisten"29 und initiierte ein formales Ausschlussverfahren. Fazit Die JA fokussierte sich im Berichtsjahr in vielfältiger Weise virtuell und realweltlich auf die Forderung nach "Remigration". Auch ihre Wahlkampfunterstützung für die "Mutterpartei" AfD war von dieser Thematik geprägt. Nicht nur die AfD, auch die JA hat erkannt, dass kein anderes Thema weite Teile der Gesellschaft in so hohem Maße emotionalisiert wie dieses. Darüber lassen sich im Übrigen auch die verfassungsfeindlichen Narrative beider Gruppierungen rund um die Themen innere Sicherheit und soziale Gerechtigkeit vermitteln. Deren rechtsextremistische Interpretationen aktueller politischer Entscheidungen erreichen mittlerweile breite Schichten in der Mitte der Gesellschaft. Mit der Wahlkampfkampagne "Können wir Deutschland noch retten? JA!" hat die JA unterstrichen, dass ihr Engagement über reine Unterstützungsleistungen für die AfD hinausgeht. Mit jugendgerechten Medienprodukten knüpft der Verein inzwischen erfolgreich an das Lebensgefühl junger Menschen an. Da die Partei im Berichtsjahr insbesondere mehrere Mandate auf kommunaler Ebene gewinnen konnte, wird die JA voraussichtlich mehr Gestaltungspielraum und Einfluss innerhalb der AfD bekommen. Im Dezember kündigte die AfD zudem an, die 27 Svoboda a prima demokracie (SPD) ist eine rechtsextreme Partei in Tschechien. 28 vgl. Beitrag II.1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE 29 vgl. Beitrag II.1.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus Seite 58 von 259 Jugendorganisation neu aufstellen und enger an die Partei binden zu wollen. Das Jahr 2025 wird somit wegweisend für die weitere Zusammenarbeit zwischen JA und AfD werden. 1.4 Parteiungebundener Rechtsextremismus 1.4.1 PEGIDA Gründung / Sitz: Bei der Gruppierung PEGIDA ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes"), die im Oktober 2014 in Dresden gegründet wurde, muss zwischen dem extremistischen Organisationsteam und dem an den Veranstaltungen teilnehmenden extremistischen bzw. nicht extremistischen Personenkreis unterschieden werden. Insbesondere Funktionäre des Organisationsteams, welche zum Teil Vorstandsmitglieder im "PEGIDA Förderverein e.V." sind, nehmen maßgeblich Einfluss auf den Willensbildungsprozess und das Aktivitätsniveau von PEGIDA. Der "PEGIDA Förderverein e.V." wurde im März 2015 gegründet und hat seinen Sitz in Dresden. Vorsitz Sachsen: Lutz BACHMANN, Siegfried DÄBRITZ (beide Vorstand im "PEGIDA Förderverein e. V.") Publikationen / Internetauftritte: Telegram-Kanäle, Kanäle der Hauptprotagonisten bei "X", vk.com, GETTR und BitChute Personenpotenzial / vier Hauptakteure, Mitgliederentwicklung ca. 20 Personen im Organisationsteam (u. a. auch Ordner), Das Mobilisierungspotenzial für PEGIDAVersammlungen in Dresden lag 2024 im mittleren dreistelligen Bereich. Niedrige vierstellige Teilnehmerzahlen erreichte PEGIDA zuletzt nur noch bei herausgehobenen Veranstaltungen mit überregional bekannten Rednern. Finanzierung Spenden bei Veranstaltungen bzw. über das Bankkonto des "PEGIDA Förderverein e. V." Kurzportrait / Ziele PEGIDA versteht sich selbst als "patriotische Bewegung", welche sich gegen eine vermeintliche Islamisierung Europas stark macht. Es wurden in Dresden und zwischenzeitlich auch seitens des Ablegers in Zittau (Landkreis Görlitz) Veranstaltungen durchgeführt. Dabei war PEGIDA auch für andere Rechtsextremisten (ZUKUNFT HEIMAT aus Cottbus, IDENTITÄRE BEWEGUNG30, die sächsische AfD) und Einzelakteure aus der neurechten Szene eine wichtige Bühne für die Verbreitung ihrer eigenen 30 vgl. Beitrag II.1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE Seite 59 von 259 verfassungsfeindlichen Ziele. PEGIDA ist vernetzt mit Rechtsextremisten im Ausland. In der Gesamtschau war die Bestrebung vor allem eine Vernetzungsplattform für die rechtsextremistische Szene in Sachsen. Relevante Ereignisse und Das Veranstaltungsaufkommen blieb auf einem Entwicklungen 2024 niedrigen Niveau. Kundgebungen in Zittau fanden nicht mehr statt. PEGIDA kündigte im Herbst 2024 nach zehnjährigem Bestehen an, vorerst keine Versammlungen mehr durchzuführen. Am 19. März 2015 wurde der Verein "PEGIDA Förderverein e. V." beim Amtsgericht Dresden eingetragen. Er wird vertreten durch den Vorstand, dessen Mitglieder u. a. Lutz BACHMANN und Siegfried DÄBRITZ sind. Zu PEGIDA wird über BACHMANN und DÄBRITZ hinaus unter anderem auch Wolfgang TAUFKIRCH gezählt, der für den Personenzusammenschluss agiert und ihn damit nachdrücklich unterstützt. Hinzu kommt Thomas WALDE, der bei Veranstaltungen in Dresden seit Ende August 2020 mitunter Versammlungsleiter bzw. stellvertretender Versammlungsleiter ist. Des Weiteren organisierte er auch bis 2023 die Veranstaltungen in Zittau (Landkreis Görlitz). PEGIDA wurde im Mai 2021 durch das LfV Sachsen als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Ideologie Der Personenzusammenschluss PEGIDA gab sich im Verlauf seines Bestehens eine immer stärkere rechtsextremistische Ausrichtung. In aller Öffentlichkeit wurden unverhohlen rechtsextremistische Positionen propagiert, die mit dem Wertekanon des Grundgesetzes gänzlich unvereinbar sind. Dazu gehörte, dass der Parlamentarismus permanent verächtlich gemacht und das Rechtsstaatsprinzip abgelehnt wurden. Außerdem fanden sich in den Redebeiträgen regelmäßig minderheitenfeindliche und muslimfeindliche Äußerungen. Neben einer fremdenund insbesondere islamfeindlichen Ideologie, die z. B. durch die pauschalisierende Kriminalisierung von Personen mit Migrationshintergrund deutlich wurde, wurden Beiträge verbreitet, die an die antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorie zum "Great Reset" bzw. "Großen Austausch"31 angelehnt waren. Insbesondere in diesem Zusammenhang zeigten sich Verstöße gegen die grundgesetzlich verbriefte Garantie der Menschenwürde. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zeigten sich sowohl in Reden auf Veranstaltungen als auch in Beiträgen in den sozialen Medien. So bezeichnete TAUFKIRCH während der PEGIDAKundgebung am 1. Juli Migranten als Messer-Attentäter und "Fleischereifachkräfte aus den muslimischen Kulturen". Damit stellte er bewusst einen Zusammenhang zwischen Gewaltverbrechen und der Religion Islam her und kriminalisierte auf diese Weise alle dieser Religion Zugehörigen. Ebenso behauptete BACHMANN im Rahmen der gleichen Veranstaltung, dass sich jüngere Menschen in Deutschland derzeit in einem "Überlebenskampf" mit ausländischen und arabischen Jugendlichen befänden. Laut BACHMANN stünden "diese Kinder [...] jeden Tag in den Schulen an der Front". Damit stilisierte er Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte als existenzielle Bedrohung für das Leben deutscher Jugendlicher und zeichnete das Zerrbild einer bürgerkriegsähnlichen Bedrohungslage. 31 vgl. zu diesen Begriffen den Beitrag II.1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE Seite 60 von 259 Weiterhin verbreiteten PEGIDA-Akteure und Gastredner regelmäßig klassisch rechtsextremistische sowie verschwörungstheoretische Narrative. So wurde zum Beispiel am 20. Oktober die Forderung erhoben, Deutschland müsse "endlich vollständige Souveränität" erlangen, womit das im rechtsextremistischen Spektrum weitverbreitete Narrativ bedient wurde, wonach Deutschland nach wie vor von den USA besetzt sei. Strategie PEGIDA verfolgte zielgerichtet die Strategie, mit extremistischer Programmatik immer tiefer in die Mitte der Gesellschaft einzudringen und einen ideologischen Schulterschluss zwischen dem rechtsextremistischen Klientel und den politisch indifferenten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen. Durch das Bereitstellen der PEGIDA-Bühne für rechtsextremistische (Gast-)Redner fungierte PEGIDA wie ein "Scharnier" zwischen Extremisten und Nichtextemisten. Einer weiteren Entgrenzung des Rechtsextremismus und einem Übergreifen verfassungsfeindlicher Positionen auf die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft wurde dadurch Vorschub geleistet. PEGIDA erfüllte eine wichtige Netzwerkfunktion insbesondere in der neurechten Szene. Es bestanden enge Beziehungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen, wie der IDENTITÄREN BEWEGUNG und ZUKUNFT HEIMAT aus Cottbus. Zudem sympathisierten die Akteure in Sachsen offen mit dem hiesigen rechtsextremistischen AFD-LANDESVERBAND32. Dies wurde auch im Berichtsjahr im Zuge entsprechender Auftritte hochrangiger AfDFunktionäre bei PEGIDA-Veranstaltungen sichtbar. PEGIDA warb zudem im Vorfeld der Landtagswahl für die Wahl dieser Partei. Auch die rechtsextremistischen FREIEN SACHSEN33 konnten mithilfe ihrer Informationsstände bei PEGIDA-Kundgebungen ihre verfassungsfeindliche Ideologie verbreiten. Insbesondere durch die Übertragung der PEGIDA -Veranstaltungen im Livestream und die spätere Bereitstellung der Videos auf verschiedenen Online-Plattformen wurde eine bundesweite Reichweite angestrebt und auch erzielt. Videos von PEGIDA-Kundgebungen erreichten mitunter 60.000 Aufrufe. Aktivitäten Nachdem bereits das Jahr 2023 für PEGIDA aufgrund einer kaum nennenswerten Anzahl von Veranstaltungen ein Tiefpunkt war, setzte sich diese Entwicklung im Berichtsjahr fort. Nur bei der laut PEGIDA letzten Kundgebung im Oktober gelang es diesen, eine niedrige vierstellige Zahl an Anhängern zu mobilisieren. BACHMANN hatte zuvor in einer Videobotschaft das Ende der Versammlungen angekündigt und begründete diese Entscheidung mit finanziellen, organisatorischen und gesundheitlichen Problemen. BACHMANN kündigte jedoch gleichzeitig "neue Formate" an, welche online stattfinden sollen. Des Weiteren behielt er sich grundsätzlich die Option offen, irgendwann wieder Demonstrationen in Dresden zu initiieren. Im Berichtszeitraum fanden in Dresden sechs Veranstaltungen statt: Datum Teilnehmer 29.01.2024 ca. 850 04.03.2024 ca. 650 15.04.2024 ca. 600 20.05.2024 ca. 480 32 vgl. Beitrag II.1.3.4 ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND - LANDESVERBAND SACHSEN 33 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN Seite 61 von 259 01.07.2024 ca. 520 20.10.2024 ca. 1.000 Während der AfD-Landesvorsitzende Jörg URBAN im Jahr 2023 noch mehrmals als Redner auf der Bühne von PEGIDA stand, mied der sächsische AFD-LANDESVERBAND im Berichtsjahr Auftritte bei PEGIDA. Ursächlich dafür war wohl ein Spannungsverhältnis zwischen PEGIDA und der Partei. Dieses trat insbesondere bei der für den 31. August geplanten PEGIDA-Kundgebung hervor. Ursprünglich sollten in deren Rahmen Vertreter der JUNGEN ALTERNATIVE (JA) aus Brandenburg als Redner auftreten. BACHMANN beschuldigte den sächsischen AfDLandesvorstand, den JA-Vertretern ein "Auftrittsverbot" erteilt zu haben. Dennoch warb BACHMANN bei seinen Anhängern für die Wahl der AfD zur Landtagswahl, gewiss auch vor dem Hintergrund, dass wiederholt Funktionäre anderer AfD-Landesverbände als Gastredner bei PEGIDA auftraten. Fazit PEGIDA war ein wichtiger Akteur im Bereich der "Neuen Rechten", führte in den zurückliegenden zehn Jahren allein in Dresden immerhin 250 Versammlungen durch. Thematisch fokussierte sich die Gruppierung insbesondere auf die Asylund Migrationspolitik in Deutschland und Europa sowie auf die Folgen des Ukraine-Krieges. Vor allem durch die permanente Verbreitung von Meldungen über Straftaten von Personen mit Migrationshintergrund wurde beständig eine feindliche Stimmung gegen diese Personengruppe erzeugt. Außerdem wurden politische Institutionen und Entscheidungsträger diffamiert und verächtlich gemacht. Während bei PEGIDA-Veranstaltungen in den ersten Jahren hohe vierstellige Teilnehmerzahlen unter Beteiligung der gesellschaftlichen Mitte erzielt werden konnten, waren die Teilnehmerzahlen mit Beginn der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen rückläufig. Hintergrund dürften zum einen zunehmende konkurrierende Parallelveranstaltungen sowie zum anderen die stärkere verbale Radikalisierung der PEGIDA-Akteure gewesen sein. Das anhaltend schwache Mobilisierungspotenzial dürfte schlussendlich ursächlich für die Entscheidung gewesen sein, zukünftig keine "klassischen" Kundgebungen mehr durchzuführen und stattdessen auf "neue Formate" zu setzen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie diese wirklich umgesetzt werden und welche Reichweite diese erzielen werden. 1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE Sitz: Salzkotten (Nordrhein-Westfalen) lt. Vereinsregister Gründung: Oktober 2012, seit 2014 eingetragener Verein Leitung / Vorsitz: Vincenzo RICHTER (Sachsen) Teil- / SACHSENGARDE Nebenorganisationen in Sachsen: Publikationen: IB-Rundbrief IB-Magazin "identitär. Das Magazin unserer Bewegung" Internetauftritte u. a.: Internetseite der IDENTITÄREN BEWEGUNG DEUTSCHLAND, wechselnde Profile in den sozialen Medien Seite 62 von 259 Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung Sachsen ca. ca. 50 50 bundesweit ca. 500 Über diese aktiven Mitglieder hinaus verfügt die IB über zahlreiche Unterstützer, insbesondere in den sozialen Medien. Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Spenden Genutzte Immobilien Identitäres Hausprojekt "Zentrum Chemnitz" seit November 2023 Kurzportrait / Ziele: Die IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) trat erstmals im Oktober 2012 virtuell in Erscheinung. Seit 2014 ist sie ein eingetragener Verein in Deutschland. Sie sieht sich selbst als "außerparlamentarische patriotische Jugendbewegung". Im Zentrum ihrer Ideologie steht die Vorstellung von einer "ethnokulturellen Identität" der europäischen Völker, die durch eine Masseneinwanderung kulturfremder Einwanderer bedroht sei. Ein maßgeblicher Indikator des behaupteten "Großen Austauschs" sei die "Islamisierung Europas". Die IB ist daher bestrebt, ein Netzwerk des modernisierten Rechtsextremismus zu schaffen, um mit islamund fremdenfeindlichen Aktionen öffentliche Räume bzw. Debatten zu besetzen. Relevante Ereignisse ganzjährig Vortragsveranstaltungen/Stammtische im und identitären Hausprojekt "Zentrum Chemnitz" Entwicklungen 2024: Aktion "Protesttag gegen das Vergessen" am 21. Januar in Dresden Kundgebung "Kein Sellner ist illegal" am 23. Februar in Chemnitz Transparentaktion unter dem Motto "An Remigration kommt ihr nicht vorbei!" am 6. April in Potsdam (Brandenburg) Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen der IB unter dem Motto "10 Jahre Widerstand" am 1. Juni in Bernsdorf (Landkreis Zwickau) Aktionen im Rahmen der Kampagne "Stolzmonat" im Juni Teilnahme sächsischer IB-Anhänger am 20. Juli an der Demonstration in Wien unter dem Motto "Remigration ist alternativlos!" Teilnahme sächsischer IB-Akteure am IB-Bundeslager "Reconquista" im August Seite 63 von 259 Symbolische Trauerfeier am 31. August in Dresden unter dem Motto "Ihr Blut klebt auch an unseren Händen #Solingen" Aktion "95 Thesen für Remigration" am 31. Oktober in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) "Schwabenkongress II" am 30. November in Chemnitz Ideologie "Unser Auftrag als Jugend Europas heißt, das Erbe unserer Vorfahren anzunehmen und fortzusetzen. Wir sind davon überzeugt, dass Europa als Völkerfamilie eine Zukunft verdient hat, in der es auch seine enthnokulturelle Gestalt und Kontinuität erhalten kann." Dieses Konzept des "Ethnopluralismus" ist eine moderne Variante völkischer Ideologie und steht im Zentrum identitärer Propaganda. Hier ist allerdings kein ethnischer Pluralismus innerhalb eines Staates gemeint, sondern eine strikte Trennung der Ethnien in jeweils unterschiedlichen Nationalstaaten. Eine Zuwanderung von "Fremden" wird grundsätzlich abgelehnt. Die von der IB behauptete unkontrollierte Massenzuwanderung führe zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft. Fremdenfeindliche Themen, wie der durch Zuwanderung angeblich drohende Verlust der eigenen "ethnokulturellen Identität", die Verschwörungstheorie des "Großen Austausches"34 sowie Forderungen nach "Remigration"35 und "Reconquista"36 sollen die Ideen der IB gesellschaftsfähig machen. "Remigration ist die Schicksalsfrage unserer Generation. Daher bringen wir den Begriff über alle Hausdächer und alle Städte, in aller Munde", schrieb die SACHSENGARDE Ende Januar in einem Post auf ihrem Telgram-Kanal. Im Nachgang des IB-Bundeslagers resümierte die IB: "Die Reconquista mahnt uns zur Tat, zur Rückeroberung unserer Städte, unseres Landes, unseres Kontinents." Die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer kulturellen Wurzeln ist ein bekanntes Merkmal rechtsextremistischer Ideologie, das mit der Achtung der Menschenwürde - einem wesentlichen Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - nicht vereinbar ist. Strategie Zur Durchsetzung ihrer Ziele beschreitet die IB den Weg einer außerparlamentarischen Opposition, d. h., sie will die Meinungsbildung durch öffentliche und öffentlichkeitswirksame Aktionen beeinflussen. Diese Strategie bezeichnet sie als "Metapolitik"37. Zentrales Element ist die Kampagnenarbeit. Mittels konkreter Aktionen will die IB bestimmte Themen in ihrem Sinne besetzen und ein entsprechendes gesellschaftliches Bewusstsein schaffen. Die mediale Aufbereitung ihrer Aktionen sowie ein modernes und breitgefächertes Auftreten in den sozialen Medien spielen dabei für die IB eine wichtige Rolle. 34 Das Verschwörungsnarrativ des "Großen Austausches" geht auf den französischen Begriff "Grand Remplacement" zurück und wird von Gruppierungen der "Neuen Rechten" benutzt. Sie unterstellen demokratischen Regierungen, einen geheimen Plan zum Austausch der Mehrheitsbevölkerungen durch vorwiegend muslimische Einwanderer zu verfolgen. 35 "Remigration" meint die Rückführung von Asylbewerbern und auch von Deutschen mit Migrationshintergrund in die Herkunftsländer. 36 Als "Reconquista" (Wiedereroberung) wird in der Neuzeit die militärische Ausdehnung der christlichen Reiche in Spanien und Portugal gegen die muslimischen Herrschaften vom 8. bis 15. Jahrhundert bezeichnet. 37 Der Begriff der "Metapolitik" bezeichnet eine politische Zielrichtung, die darauf ausgerichtet ist, gesellschaftliche Debatten im vorpolitischen Raum zu beeinflussen. Seite 64 von 259 Auf der Interneteite der IB heißt es dazu: "Wir verstehen uns als eine Organisation, die im metapolitischen Raum operiert und wollen auf den Alltagsverstand und die moralischen Prämissen in dieser Gesellschaft einwirken. (...) Unsere Aufgabe besteht darin, durch gewaltfreie Aktionen, Kampagnen, Aufklärungsarbeit und den Aufbau einer Gegenkultur ein Bewusstsein für das Eigene zu schaffen und einen Kontrapunkt zum stickigen Konsensklima und Paradigma der Multikultis und Deutschlandabschaffer zu setzen." Das Auftreten der IB in der Öffentlichkeit ist dabei sehr vielseitig: "Wir sind auf der Straße und veranstalten Kundgebungen, Demonstrationen und viele weitere Formen des Straßenprotests. Wir organisieren politische Bildungsveranstaltungen, publizieren Aufklärungsbroschüren und platzieren durch spektakuläre Aktionen unsere Themen und Slogans im öffentlichen Raum, um die politischen und medialen Schweigespiralen zu durchbrechen." Ihre Anhänger treten dabei häufig einheitlich mit hohem Wiedererkennungswert (z. B. IB-Fahnen, Banner mit IBLogo, gleiche Kleidung) und häufig vermummt auf, um Outings durch den politischen Gegner und Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren. Auch wenn die IB offiziell einen gewaltfreien Aktionismus propagiert, suggeriert die Art ihres Auftretens oft eine gewisse Aggressivität (Einsatz von Pyrotechnik, einheitliche Bekleidung). Darüber hinaus nimmt sie bei ihren Aktionen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im niedrigschwelligen Bereich in Kauf (z. B. Hausfriedensbruch, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz). Mit ihren darüber hinausgehenden Aktionen und Auftritten in den sozialen Medien knüpft die IB bewusst an die Lebenswelt junger Menschen an. Da sie nicht die herkömmlichen rechtsextremistischen Slogans und Symbole einsetzt, ist die verfassungsfeindliche ideologische Ausrichtung für Außenstehende nicht immer gleich erkennbar. So ist es möglich, dass sich auch gesellschaftliche Milieus angesprochen fühlen, die von traditionellen Rechtsextremisten bislang nicht erreicht werden konnten. Aktivitäten der SACHSENGARDE Seit 2024 wird die gesamtdeutsche IB vom Chemnitzer Vincenzo RICHTER repräsentiert, der im April als Vereinsvorsitzender für den IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND E.V. ins Vereinsregister eingetragen wurde. Mit dieser Personalie wurde auch die Stellung der SACHSENGARDE innerhalb der IB aufgewertet und die Vernetzung der IB innerhalb Deutschlands sowie mit dem europäischen Ausland ausgebaut. Zu dieser Entwicklung hat auch das im November 2023 eröffnete identitäre Hausprojekt "Zentrum Chemnitz" maßgeblich beigetragen. Dieses hat sich zu "(...) einer festen Anlaufstelle für rechte, identitäre Gegenkultur [etabliert]. Nicht nur aus Chemnitz, sondern auch weit darüber hinaus begrüßen wir regelmäßig Gäste aus ganz Europa", hieß es dazu im November auf der neu eingerichteten Homepage. Zu den Gästen gehören auch immer wieder Mitglieder der JUNGEN ALTERNATIVE (JA) sowie der Parteien ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD)LANDESVERBAND SACHSEN und FREIE SACHSEN. Seit Ende Juni ist das "Zentrum Chemnitz" auch offiziell als Verein im Vereinsregister eingetragen. Vorstandsvorsitzender ist ebenfalls RICHTER, der das Zentrum in einer Videobotschaft als "das Herz des identitären Aktivismus (...) in Sachsen" bezeichnete. Im Berichtsjahr hat sich gezeigt, dass die regionale Ausprägung der SACHSENGARDE an Bedeutung verloren hat. Zwar existieren nach wie vor einzelne, der IB zurechenbare SocialMedia-Kanäle in Chemnitz, Dresden, Leipzig, Ostsachsen und dem Erzgebirge. Strikt nach Regionen abgegrenzte Aktivitäten waren jedoch kaum noch wahrnehmbar. Anknüpfend an das Vorjahr prägte auch in diesem Jahr die Forderung nach "Remigration" maßgeblich die Aktionen der IB in Deutschland und auch der SACHSENGARDE. Es handelt sich dabei um das Kernthema dieser rechtsextremistischen Bestrebung. Bereits im Februar ging die IB mit der neu eingerichteten Homepage "remigration.jetzt" online, um "(...) über das Konzept der Remigration auf[zu]klären. Neben einer fundierten Beschreibung der Seite 65 von 259 demographischen Krise und der verfehlten Migrationspolitik in Deutschland und Europa haben wir 30 exemplarische Forderungen für eine identitäre Migrationspolitik zusammengetragen." Darüber hinaus kritisierte die IB mit ihren Aktionen und Veranstaltungen wiederholt Maßnahmen staatlicher und kommunaler Behörden, die sich gegen ihre Mitglieder, ihre Organisation oder andere Akteure der neurechten Szene richteten. Die nachfolgend ausgewählten Beispiele sollen den Aktivismus der SACHSENGARDE verdeutlichen. In Anspielung auf die Veröffentlichungen des Recherchenetzwerks "Correctiv" vom 10. Januar führte die IB Ende Januar eine großflächige Graffiti-Aktion durch: an einen Brückenpfeiler in Dresden sprühte sie großflächig das Wort "Remigration". "Wir lassen uns den Begriff Remigration nicht durch eine Schmutzkampagne des politischen Gegners streitig machen", hieß es im Nachgang dazu auf dem Telegram-Account. Als die Landeshauptstadt Dresden Mitte Januar auf dem Altmarkt die Inschrift am Mahnmal, das an die alliierten Luftangriffe vom Februar 1945 erinnerte, entfernen ließ38, meldete Max SCHREIBER für die Partei FREIE SACHSEN39 eine Kundgebung unter dem Motto "Denkmalzerstörer Hilbert stoppen - für eine würdige Erinnerung an die Opfer des Bombenterrors" für den 21.Januar in Dresden an. Im Vorfeld der Veranstaltung brachten Akteure der SACHSENGARDE am Ort der entfernten Inschrift eine "alternative" Gedenktafel an. Auf den enstprechenden Social-Media-Kanälen der SACHSENGARDE hieß es dazu: "Identitäre Aktivisten stellen sich gegen das Vergessen der Opfer des alliierten Bombenhagels im Februar 1945 in Dresden! (...) Sie brachten die Inschrift und damit das Gedenken zurück (...). Wir wehren uns gegen die Umschreibung unserer Geschichte! Kommt zum Mahnmal und zeigt, dass für euch die Opfer nicht vergessen sind." Am 23. Februar organisierte die SACHSENGARDE vor dem "Zentrum Chemnitz" eine Kundgebung unter dem Motto "Refugee Welcome - Kein Sellner ist illegal". Dabei wurde der österreichische Rechtsextremist Martin SELLNER im "Refugee-WelcomeStil" mit Stofftieren und Bannern ("Kein Sellner ist illegal", "Sellner is welcome") lautstark vor dem "Zentrum Chemnitz" begrüßt. SELLNER selbst inszinierte seine Einreise medial und versuchte, über das Streuen unterschiedlicher Informationen seine Reiseroute zu verschleiern. Die Art und Weise der Kundgebung und die Einreise wurden dabei bewusst als Provokation gewählt, um die aus Sicht der IB stattfindende "unkontrollierte Massenmigration" mit den behördlichen Maßnahmen gegen SELLNER40 zu vergleichen und damit in ein falsches Licht zu rücken. Akteure verschiedener regionaler Gruppen der IB, darunter auch aus Sachsen, versperrten am 6. April den Eingang des Rathauses in Potsdam (Brandenburg) mit einem großen Pappaufsteller des Buchcovers "Remigration. Ein Vorschlag" von Martin SELLNER und zeigten ein Transparent mit der Aufschrift "An Remigration kommt ihr nicht vorbei!". Mit dieser Aktion reagierte die IB erneut auf das gegen SELLNER verhängte Einreiseverbot nach Deutschland. Mitte August gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag der rechtsextremistischen COMPACT-MAGAZIN-GMBH statt, die aufschiebende Wirkung 38 Siehe hierzu www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2024/01/pm_053.php 39 vgl. Beitrag 1.3.3 FREIE SACHSEN 40 Prüfung des Einreiseverbots gem. FreizügG/EU und AufenthG, das die Ausländerbehörde Potsdam im Hinblick auf seine rechtsextremistischen Äußerungen und Aktionen gegen ihn verhängt hatte Seite 66 von 259 ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 16. Juli wiederherzustellen. Um diesen "Sieg über unsere allseits beliebte Innenministerin" gebührend zu feiern, hielt COMPACT-Redakteur Paul KLEMM aus Brandenburg am 6. September im "Zentrum Chemnitz" einen Vortrag unter dem Motto "Sieg über Faeser! Die strategische Bedeutung des Compact-Comback". Am 31. August inszenierten sächsische IB-Anhänger in Dresden eine Trauerfeier vor der Rechtsanwaltskanzlei, die den mutmaßlich islamistischen Attentäter von Solingen (Nordrhein-Westfalen) vor dessen Messeranschlag am 23. August in seinem Asylverfahren juristisch vertreten hat. Sie errichteten dazu drei symbolische Gräber und zeigten ein Plakat mit der Aufschrift "Ihr Blut klebt auch an unseren Händen #Solingen". Im Nachgang der Aktion hieß es auf dem X-Kanal der SACHSENGARDE: "(...) Wegen Asyl-Anwälten sterben Deutsche. Wir akzeptieren das nicht (...)".41 Akteure der SACHSENGARDE hängten in der Nacht zum 31. Oktober vor der Schlosskirche in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) "auf den Tag 507 Jahre, nachdem Martin Luther seinerzeit 95 Thesen (...) anschlug" 95 eigene Thesen zum Thema "Remigration" aus. Darin wurden u. a. "lückenloser Grenzschutz und sofortiger Einwanderungsstopp für bestimmte Gruppen" gefordert. "Remigration ist der Überbegriff für alle Maßnahmen einer rechten Identitätsund Bevölkerungspolitik, die den Abbau der Überfremdung zum Ziel haben. (...)." Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wählte die IB gezielt "(...) eben jene[n] geschichtsträchtigen Ort. (...) In einer Zeit, in der friedliche Buchlesungen [Anmerkung: des Österreichers Martin SELLNER] von gepanzerten Einheiten gestürmt werden, ist es erneut an der Zeit, des Nachts 95 Thesen anzuhauen." "Da identitäre Aktionen wie immer ohne Sachbeschädigung ablaufen, haben die Aktivisten natürlich (...) ihre eigene Tür mitgebracht (...)", fasste die IB ihre Aktion im Nachgang auf ihrem Telegram-Kanal zusammen. Alle Thesen wurden einen Tag später auf der offiziellen Homepage der IB veröffentlicht. Am 30. November führte die süddeutsche IB-Regionalgruppe RECONQUISTA 21 ihre Veranstaltung, den sog. "Schwabenkongress II", im "Zentrum Chemnitz" durch. Da dieser ursprünglich in Nürtingen (Baden-Württemberg) stattfinden sollte, aber von den Sicherheitsbehörden verhindert worden war, verlegte die Regionalgruppe das Treffen kurzerhand nach Chemnitz. Die IB fasste die Veranstaltung im Nachgang wie folgt auf X zusammen: "Trotz Repression und Willkür der Behörden konnten wir die Veranstaltung ungehindert in unserem Chemnitzer Hausprojekt durchführen. Die Stimmung vor Ort war großartig, und die Redner hielten spannende Vorträge. Paul Klemm war zeitgleich als Berichterstatter noch in Baden-Württemberg und berichtete live vom repressiven Vorgehen der Behörden". Zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls führte die IB auch im Berichtsjahr verschiedene Wanderungen und interne Veranstaltungen durch. Höhepunkt war die Feier zum zehnjährigen Bestehen der IB unter dem Motto "10 Jahre Widerstand" am 1. Juni in der "Uhlig-Mühle" in Bernsdorf (Landkreis Zwickau), die von der SACHSENGARDE organisiert wurde. An der Veranstaltung nahmen IB-Akteure aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Österreich, Italien und der Schweiz teil. Darüber hinaus beteiligten sich "(...) auch Parteileute, Künstler, Autoren und Unternehmer, die alle in ihrem Bereich für unsere Ziele einstehen", hieß es im Nachgang bei Telegram. Darunter waren u. a. Mitglieder der JA und der AfD, Vertreter der COMPACT MAGAZIN GMBH und Mitglieder der Partei FREIE SACHSEN. "Wir trafen uns (...) in Sachsen, um auf 10 wilde Jahre Widerstand zurück aber auch auf kommende Aktionen vorauszublicken."42, resümierte die IB auf ihrem Telegram-Kanal. Der SACHSENGARDE war es mit der Organisation dieser Jubiliäumsfeier gelungen, führende Akteure der IB und weitere Akteure der "Neuen Rechten" aus Deutschland und dem europäischen Ausland zu 41 Der Attentäter tötete drei Menschen und verletzte acht weitere Personen zum Teil schwer. 42 Schreibweise wie im Original Seite 67 von 259 versammeln und miteinander zu vernetzen. Diese Veranstaltung war für die IB zugleich der Auftakt für die bundesweite Kampagne "Stolzmonat", die als patriotische Gegenbewegung zum "Pride Month" von verschiedenen Akteuren der "Neuen Rechten" in Deutschland vor drei Jahren initiiert wurde. "Wir feierten (...) auch den Beginn des Stolzmonats, den schwindelfreie Aktivisten mit einem Banner vom Dach einleiteten." Am 27. Juni veröffentlichte die SACHSENGARDE über X ein Video, in welchem verschiedene "Stolzmonat"-Aktionen zur Musik von Gigi D'Agostinos "L'Amour toujours" zusammengefasst wurden. "Es geht durch die Welt ein Döp Dö Dö Döp. Das ist die Stimme der Remigration! Vom Elbufer über Chemnitz bis ins Erzgebirge dringt diesen Sommer die Remigrationshymne. Und die SachsenGarde bringt sie im #Stolzmonat auf die Straße!", hieß es dazu. Zu sehen sind mehrere vermummte IB-Akteure beim Zeigen von Bannern mit den Aufschriften "Remigration" und "Stolz statt Pride" in Aue, Chemnitz und Dresden unter Einsatz von Pyrotechnik und Deutschlandfahnen. Nur drei Tage später führte die IB in Leipzig eine Sprühaktion unter dem Motto "Unsere Städte - Unsere Farben!" durch. Zu sehen war ein menschengroßes Graffito an einer Mauer mit dem Schriftzug "Stolz" umgeben von den Farben Schwarz, Rot und Gold. In den frühen Morgenstunden des gleichen Tages hissten mehrere vermummte IB-Akteure zwei große Deutschlandfahnen über der Basteibrücke in der Sächsischen Schweiz. Auch der Österreicher Martin SELLNER war mit vor Ort und postete ein kurzes Video der Aktion über seinen Telegram-Kanal. Er trat dann am Abend noch im Rahmen seiner Lesereise durch Deutschland im "Zentrum Chemnitz" auf, um "(...) einfach aufzuholen, was ich jetzt die ganzen Monate nicht machen konnte (...)" Mit der aufsehenerregenden Aktion auf der Basteibrücke "(...) hat der #Stolzmonat einen würdigen Abschluss gefunden!", resümierte die SACHSENGARDE im Nachgang über ihren Telegram-Kanal. Mit dieser Aktion auf einem der sächsischen Wahrzeichen und Touristenmagnete wollte die IB bewusst provozieren und sich selbst größtmöglich öffentlichkeitswirksam inszenieren. Darüber hinaus nahmen Mitglieder der SACHSENGARDE an verschiedenen überregionalen IBVeranstaltungen in Deutschland und dem europäischen Ausland teil. Dabei wurde insbesondere die europäische Vernetzung weiter vorangetrieben. Die europäische IB-Initiative "Action Radar Europe", die sich eigenen Angaben zufolge am 29. Juli 2023 nach einer Demonstration in Wien gründete, traf sich Ende Juni zum "European Meeting" unter Beteiligung von Akteuren der SACHSENGARDE. "(...) leaders and organizers from many European countries met in Germany to plan our next steps for the Reconquista", schrieb "Action Radar Europe" anschließend bei Instagram. Sächsische Anhänger reisten nach Wien zur alljährlichen Sommerdemonstration der IB Österreich unter dem Motto "Remigration ist alternativlos!". An der Veranstaltung, die am 20. Juli stattfand, nahmen zahlreiche IB-Akteure aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen europäischen Staaten teil. "Aktivisten aus Europa trafen sich in der Hauptstadt und forderten unübersehund unüberhörbar: ,Remigration' (...) Diese Demo war erst der Auftakt. Die Zukunft gehört der patriotischen Jugend Europas. Remigration ist unaufhaltsam", schrieb die IB im Nachgang über Telegram. "Auch dieses Jahr fand sich im August die identitäre Jugend des gesamten deutschen Sprachraums zusammen, um gemeinsam das Bundeslager abzuhalten. Das Thema lautete diesmal: Reconquista!". Das jährlich im Sommer stattfindende Bundeslager wurde im Berichtsjahr von Akteuren der SACHSENGARDE organisiert. In einem im Nachgang veröffentlichten Beitrag hieß es dazu: "Für die Teilnehmer des Lagers bedeutete diese Woche aber auch die Rückeroberung ihrer eigenen Disziplin, Kraft und ihres Willens. (...) Wir gehen gestärkt aus dem Bundeslager hervor, denn wir konnten uns in Erinnerung rufen, wozu wir in der Lage sind, wir haben unser Seite 68 von 259 Bewusstsein über uns selbst zurückerobert." Fazit Die Aktivitäten der SACHSENGARDE fokussierten sich anknüpfend an das Vorjahr überwiegend auf ihr Kernthema "Remigration". Mit vielfältigen Aktionen setzte sie sachsenund deutschlandweit ihre Forderungen insbesondere über die sozialen Medien öffentlichkeitswirksam in Szene. Im Zuge der Übernahme des IB-Vorsitzes durch Vincenzo RICHTER hat sich auch der Aktionsradius der SACHSENGARDE erweitert; die Vernetzung innerhalb Deutschlands und mit dem europäischen Ausland konnte sie ausbauen. Einendes Kampagnenthema im Berichtsjahr war unverändert die Forderung nach "Remigration". Das "Zentrum Chemnitz" hat sich zu einer festen Größe innerhalb der Szene etabliert und maßgeblich zur Vernetzung beigetragen. Insbesondere Veranstaltungen mit prominenten Gästen aus Deutschland und dem europäischen Ausland zogen neben IB-Akteuren auch andere Rechtsextremisten aus dem Bereich der "Neuen Rechten" an. In einem Interview bezeichnete Martin SELLNER das Projekt als "patriotisches Mekka", das aus seiner Sicht zu den "besten" der IB gehöre. Damit steht der IB in Chemnitz nun ein Objekt zur Verfügung, das ihren Akteuren ermöglicht, Veranstaltungen ungestört in einem geschützten Raum durchzuführen und für die Verbreitung ihrer verfassungsfeindlichen Agenda zu nutzen. Zudem hat die IB in diesem Privatobjekt keine staatlichen Maßnahmen zu befürchten. Insoweit ist das "Zentrum Chemnitz" von herausragender Bedeutung sowohl für die SACHSENGARDE als auch für die IB deutschlandweit. Im Kontext der "Kulturhauptstadt 2025" ist in Chemnitz mit Veranstaltungen im Objekt und auch im Stadtgebiet zu rechnen. Schließlich stehen die mit dem Titel "Kulturhauptstadt Europas" einhergehenden Werte (z. B. Völkerverständigung, kulturelle Vielfalt, Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa) im diametralen Gegensatz zur verfassungsfeindlichen Agenda der IB. 1.4.3 EIN PROZENT E. V. Gründung / Sitz: Herbst 2015, seit April 2016 eingetragener Verein mit Sitz in Görlitz und Büroadresse in Dresden Vorsitz: Philip STEIN Teil- / Nebenorganisationen: Online-Shop Publikationen / Internetauftritte: Newsletter "Der Rundbrief der Bewegung" Eigene Homepage Homepage "Ein Prozent-Versand" Homepage "Wahlbeobachtung" Homepage "Solifonds" verschiedene Profile in den sozialen Medien verschiedene Podcastund Videoformate Personenpotenzial / zehn Mitglieder Mitgliederentwicklung laut Eigenangaben über 50.000 Unterstützer (bundesweit) Finanzierung Beiträge von Fördermitgliedern Spenden Materialversand Seite 69 von 259 Kurzportrait / Ziele Der Verein ist bundesweit aktiv und beschreibt sich selbst als "Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk". Mit Spenden, Kampagnen, Werbung und Social-Media-Aktivitäten unterstützt und fördert er verschiedene Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen der "Neuen Rechten" und vernetzt sie miteinander. Der Name EIN PROZENT soll die eigene Überzeugung widerspiegeln, dass die Unterstützung von einem Prozent der Bevölkerung ausreiche, um die eigenen Ziele erreichen zu können. Relevante Ereignisse und Vielfältige Podcasts und Videoformate, Blogs Entwicklungen 2024 und Veröffentlichungen über eigene Internetauftritte Fortsetzung der Kampagnen "Solifonds" und "Wahlbeobachtung" Intensive Unterstützung und Vernetzung der "Neuen Rechten" Ideologie Der Verein vertritt einen ethnisch-homogenen Volksbegriff, der mit dem Prinzip der Menschenwürde nicht vereinbar ist. Das verschwörungstheoretische Konzept des "Großen Austauschs", eines vermeintlich gesteuerten Bevölkerungsaustausches, wird propagiert. Außereuropäische Flüchtlinge werden pauschal abgewertet und als nicht integrierbar angesehen. Ihnen werden ihre tatsächlichen Fluchtgründe abgesprochen, und sie werden für Missstände in Deutschland verantwortlich gemacht. Dies wird beispielsweise in einem Beitrag auf dem X-Account vom Mai verdeutlicht: "Sie können lügen, verbieten und verunglimpfen, aber diese eingewanderte Kriminalität bekommen die Etablierten in Politik und Medien nicht in den Griff. Die Lösung bleibt #Remigration." Insbesondere über die zahlreichen Internetpräsenzen des Vereins werden diese muslimund migrantenfeindlichen Einstellungen offen kommuniziert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. "Die Flüchtlingsinvasion ist eine Katastrophe für Deutschland und Europa. (...) Wir machen nicht mit! (...)", heißt es auf der Homepage des Vereins. Daneben finden sich vereinzelt auch antisemitische und homophobe Positionen wieder. Strategie EIN PROZENT bezeichnet sich selbst als "professionelle Widerstandsplattform für deutsche Interessen". Die materielle, finanzielle sowie ideelle Unterstützung und Förderung verschiedener Organisationen und Personen der "Neuen Rechten" steht dabei im Vordergrund. "Vernetzung, Finanzierung und Organisation sind somit die wesentlichen Grundpfeiler eines professionellen Widerstandes", schreibt der Verein dazu auf seiner Homepage. "Wir vernetzen Einzelpersonen und Bürgergruppen, die es wagen, in einer alternativlosen Zeit Alternativen zu suchen. Wir vermitteln Kontakte und Ideen für mutige Bürger. Wir betreuen Aktivisten, die sich in erster Reihe engagieren. Wir helfen denen, die keine Lobby haben, aber eine verdient haben. Und: Wir sorgen dafür, dass Hilfe bei denen ankommt, die sie auch brauchen." Unterstützung erhalten dabei nur solche Organisationen, deren Ziele und ideologischen Hintergründe denen des Vereins auch entsprechen. Zu diesen gehören u. a. die IDENTITÄRE Seite 70 von 259 BEWEGUNG, das ehemalige INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK (IFS)43, die JUNGE ALTERNATIVE (JA) und die AfD. Mit Hilfe der sozialen Medien, verschiedener Kommunikationsstrategien und überregionaler Kampagnen versucht der Verein, im außerparlamentarischen Raum politisch Einfluss zu nehmen und eine rechtsextremistische "Gegenkultur" zu etablieren. Die verfassungsfeindliche Ideologie ist dabei nicht immer als solche zu erkennen, was den Verein gesellschaftsfähiger machen soll. Aktivitäten Der Verein ist insbesondere im virtuellen Raum aktiv. Mittels vielfältiger Podcastund Videoformate, Blogs und Veröffentlichungen über seine Social Media-Kanäle besitzt EIN PROZENT umfangreiche Möglichkeiten der Einflussnahme. Darüber hinaus sind Mitglieder und Anhänger von EIN PROZENT mit Informationsständen bei Veranstaltungen präsent oder verteilen dort Werbematerial über ihren Verein und dessen Absichten. Über den eigenen Materialversand werden seit Oktober 2018 darüber hinaus einerseits Info-Flyer zum Verein und andererseits Kleidung mit Vereins-Logo sowie Broschüren, Bücher und Kunst (Drucke, Kalender, Gemälde) von Autoren und Künstlern aus dem neurechten Spektrum vertrieben. Mit der im Herbst 2021 initiierten Kampagne "Solifonds" und der dazu eigens eingerichteten Internetpräsenz sammelt der Verein Spenden, um "Patrioten", die Opfer von "Gewalt, Brandanschläge[n], Farbangriffe[n] und Denunziation[en]" geworden sind, finanziell zu unterstützen. "Damit deine Stimme nicht für die Tonne ist: Wahlbeobachter werden!", titelt EIN PROZENT auf der separaten Webseite zum Thema "Wahlbeobachtung". Der Verein ist der Ansicht, dass in der Bundesrepublik Deutschland flächendeckend Wahlen bewusst von Seiten des Staates zum Nachteil nicht regierungskonformer Parteien manipuliert werden. Um dem entgegenzuwirken, "beobachten wir in Deutschland alle Wahlen ab Landesebene." Deshalb wirbt der Verein um freiwillige Wahlbeobachter und -helfer und bietet diesen Schulungen bzw. Informationsmaterial an, so beispielsweise einen umfangreichen "Leitfaden für Wahlbeobachter" auf der Webseite. Vor dem Hintergrund der Europawahlen im Juni sowie der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September führten Mitglieder des Vereins außerdem "digitale Expertenschulungen" durch. Neben seinen zahlreichen virtuellen Aktivitäten trat der Verein im Berichtsjahr auch öffentlich auf: Im Januar mobilisierte EIN PROZENT für die Teilnahme an den sog. "Bauernprotesten" und war im ländlichen Raum Sachsens unterwegs, um "die Bauern und Demonstranten auf den "Solifonds" hinzuweisen. "Das Gros der Medienmacher konzentriert sich heute auf die Bauernproteste in den großen Städten. Dabei ist klar: Entscheidend ist vor allem, was auf dem Land passiert. Wir sind mit unserer Mannschaft deshalb heute primär im Erzgebirge, dem Vogtland und rund um Zwickau und Chemnitz unterwegs!". Anlässlich des Gedenkens an die Opfer der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 führte EIN PROZENT mit der Unterstützung der Partei FREIE SACHSEN44 und der IDENTITÄREN BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) am 12. Februar eine Veranstaltung unter dem Motto "Für ein neues Gedenken!" vor der Frauenkirche in Dresden durch. Dazu wurde ein "mehr als zwei Tonnen schweres (...) Mahnmal für die unzähligen Opfer der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg" mit der Inschrift "Wer das Weinen verlernt hat, lernt es wieder beim Untergang Dresdens" aufgestellt. Diese Stahlkonstruktion enthielt eine Feuerschale. Das Feuer sollte 43 Das INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK (IFS) hatte sich zu Beginn des Jahres 2024 aufgelöst und neu strukturiert. 44 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN Seite 71 von 259 dabei als "Symbol der Erinnerung" gelten. Die Initiatoren erklärten, dass es sich bei der Aktion um eine Reaktion auf die vorherige Entfernung eines offiziellen Mahnmals auf dem Dresdner Altmarkt und die Ersetzung einer darauf angebrachten Gedenkinschrift durch die Stadtverwaltung handelte: "Ein neuer Höhepunkt der Geschichtsvergessenheit war das Entfernen einer Inschrift auf dem Dresdner Altmarkt. (...) Dieser Gedenkkultur der Selbstverachtung werden wir uns nicht unterwerfen." Am 11. und 12. Mai beteiligte sich der Verein mit einem Verkaufsstand an einer sog. "Alternativen Buchmesse" in Berlin, die durch einen AfD-Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses initiiert wurde. "(...) wieder zeigt ein AfD-Volksvertreter, was alles möglich ist, wenn man nur will (...) Mit dabei sind Verlage, Künstler, Medien, Autoren und natürlich unsere Bürgerinitiative. (...) Nutzen Sie die Gelegenheit, um uns und andere Patrioten persönlich kennenzulernen, sich zu vernetzen und um neue Projekte und Werke zu entdecken", warb EIN PROZENT im Vorfeld der Veranstaltung. Fazit Seit seiner Gründung vor über neun Jahren befindet sich der Verein kontinuierlich im Aufschwung. Dies spiegelt sich vor allem in der Zunahme virtueller und realweltlicher Aktivitäten des Vereins wider. Mit seinen vielfältigen Unterstützungs-, Förderund Vernetzungsaktivitäten und seinem finanziellen Einsatz hat sich EIN PROZENT innerhalb des neurechten Spektrums etabliert. Insbesondere über die vor über vier Jahren initiierte Kampagne "Solifonds" wuchs die Zahl der Spendengelder stark an. Mit seinen medialen Aktivitäten zu Jahresbeginn hat der Verein bewiesen, dass er auch in der Lage ist, neben seinen Schwerpunktthemen "Migration" und "Wahlen" anlassbezogen andere Themen in den Fokus zu rücken, um breitere Kreise der Bevölkerung für sich zu gewinnen. 1.4.4 NEONATIONALSOZIALISTISCHE GRUPPIERUNGEN Sitz sachsenweit; Schwerpunkte in Bautzen (Landkreis Bautzen), Dresden und Leisnig (Landkreis Mittelsachsen) Gründung / Bestehen seit bundesweit: 1970erJahre Publikationen bundesweit: u. a. N.S. HEUTE Sachsen: keine Internetauftritte wechselnde Internetseiten, Blogs, Profile in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten Finanzierung Beiträge der Anhänger, Spenden, Unkostenbeiträge bei Vortragsveranstaltungen, Vermarktung und Verkauf rechtsextremistischer Devotionalien wie T-Shirts o. ä. Kurzportrait / Ziele NEONATIONALSOZIALISTEN sind vor allem durch eine positive Bezugnahme auf das sog. "Dritte Reich" gekennzeichnet. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene sind sie am stärksten ideologisch geprägt. Organisatorisch sammeln sie sich in "Kameradschaften" oder informellen Gruppen. Die strukturelle Bindung ist jedoch in den vergangenen Jahren zugunsten digitaler Vernetzungen schwächer geworden. Seite 72 von 259 Relevante Ereignisse Die einzige Demonstration der NEONATIONALund Entwicklungen 2024 SOZIALISTISCHEN SZENE im Freistaat Sachsen mit einer hohen Teilnehmerzahl fand am 11. Februar in Dresden statt. Der 13. Februar als Gedenktag an die Bombardierung der Landeshauptstadt Dresden im Jahr 1945 stellt landesund bundesweit weiterhin das Hauptereignis "historischen Gedenkens" der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE dar. Ideologie Die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE ist gekennzeichnet durch eine auf dem historischen Nationalsozialismus fußende Weltanschauung. Abgrenzungskriterien zum subkulturell geprägten Rechtsextremismus sind der bei NEONATIONALSOZIALISTEN stärker ausgeprägte Wille zur politischen Arbeit sowie eine intensivere Auseinandersetzung mit inhaltlichen Aspekten des Weltbildes der NEONATIONALSOZIALISTEN. NEONATIONALSOZIALISTEN stellen mit dieser Orientierung den ideologisch entschiedensten Teil der Szene dar und zählen damit zu den überzeugtesten Gegnern des demokratischen Rechtsstaates innerhalb des Rechtsextremismus. Kern neonationalsozialistischer Überzeugungen sind Geschichtsrevisionismus bis hin zur Holocaustleugnung, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Antipluralismus. Diese Ideologieelemente stehen im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für NEONATIONALSOZIALISTEN ist die Demokratie "die Herrschaft der Minderwertigen". Der Staat solle nach ihren Vorstellungen stattdessen autoritär nach dem "Führerprinzip" regiert werden. Die "Volksgemeinschaft" zeichne sich durch die Überlegenheit von "Weißen" - der "arischen Rasse" - aus. Zuwanderung und Integration werden als Angriff auf die "biologische Substanz des deutschen Volkes" gewertet. Gewalt wird als ein legitimes und gebotenes Mittel der politischen Auseinandersetzung angesehen. Strategie Nach den Verboten der NATIONALEN SOZIALISTEN DÖBELN im Jahr 2013 und der NATIONALEN SOZIALISTEN CHEMNITZ (NSC) im Jahr 2014 haben neonationalsozialistische Gruppierungen auch aufgrund einer weiter fortschreitenden Digitalisierung ihre bestehenden Organisationsstrukturen weitgehend aufgegeben. Diese Entwicklung hat sich durch die Verbote der HAMMERSKINS sowie der ARTGEMEINSCHAFT - GERMANISCHE GLAUBENSGEMEINSCHAFT WESENSGEMÄßER LEBENSGESTALTUNG E.V. im Jahr 2023 weiter verstärkt. Statt hierarchisch strukturierter Kameradschaften oder Gruppen des "Nationalen Widerstands" dominieren virtuelle Kennverhältnisse vor Ort. Nur in Einzelfällen gibt man sich nach außen hin noch ein Label - und dies häufig auch nur aus propagandistischen Gründen. Stattdessen strukturiert sich die Szene beispielsweise über Kampagnen und Szeneveranstaltungen. So kann sie die eigene Flexibilität erhöhen und sich gleichzeitig staatlichen Exekutivmaßnahmen leichter entziehen. Einzelne NEONATIONALSOZIALISTEN versuchen darüber hinaus, szeneintern neue Impulse zu setzen und bedienen sich moderner Medien, wie z. B. YouTube, "X", Telegram, Tiktok, Snapchat und Instagram. In Videos und Podcasts unter Namen wie beispielsweise "Moe's Taverne" des Rechtsextremisten Benjamin MOSES wird die rechtsextremistische Ausrichtung der Beiträge unter dem Deckmantel intellektueller Aufarbeitung - oft nur unterschwellig - vermittelt. Dennoch greift die Szene weiterhin auch auf klassische Medien zurück. Die Zeitschrift N.S. HEUTE des Dortmunder Neonationalsozialisten Sascha KROLZIG präsentiert sich diesbezüglich als weltanschaulicher Wegweiser der Szene. Seite 73 von 259 Die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE konzentriert sich inzwischen auf Aktivitäten im "vorpolitischen und nicht zwingend extremistischen Raum": "Wenn wir nicht anfangen, alle nur denkbaren Bereiche von Sportvereinen, Schützenvereinen, Boxund Kampfsportschulen, staatlichen Strukturen, gegnerischen Strukturen etc. zielgerichtet zu unterwandern, [...] werden wir auch weiterhin marginalisiert bleiben und nichts verändern können." Dementsprechend fokussiert man sich darauf, "Alltagssorgen" der Menschen sowie die öffentliche Diskussion bestimmende Debatten aufzugreifen und für die eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu instrumentalisieren. Mit den genannten Strategien versuchen NEONATIONALSOZIALISTEN sowohl auf versteckte als auch auf offenkundige Art und Weise innerhalb und außerhalb der rechtsextremistischen Szene ein positives Bild über das sog. "Dritte Reich" zu vermitteln. Sie wollen damit die Geschichte umdeuten bzw. die Verbrechen des NS-Regimes relativieren oder gänzlich leugnen und auch für nicht extremistische Kreise anschlussfähig sein. Struktur Die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE unterscheidet sich vom parteigebundenen Rechtsextremismus hinsichtlich ihrer Organisationsform. So setzte sich der Trend hin zu einer Verringerung fester Strukturen in der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE infolge des Verbots der HAMMERSKINS und der ARTGEMEINSCHAFT im September 2023 weiter fort. Bereits in den vergangenen Jahren hatten sich vor allem Führungspersonen der Szene häufig für den Eintritt in rechtsextremistische Parteien, wie DIE HEIMAT, deren Jugendorganisation JUNGE NATIONALISTEN (JN) und DER DRITTE W EG entschieden. Im Berichtsjahr engagierten sich bekannte NEONATIONALSOZIALISTEN in der Partei FREIE SACHSEN und kandidierten beispielsweise bei den Kommunalwahlen im Juni für diese. Auf diese Weise sollen die eigenen Aktivitäten im Schutze des im Grundgesetz festgeschriebenen Parteienprivilegs (Art. 21 GG) unbehelligt fortgeführt werden. Wegen der Auflösung fester Szenestrukturen gewinnen insbesondere bei jüngeren SzeneAnhängern schnell einzurichtende, offene und geschlossene Gruppen oder Foren auf Messenger-Diensten und in den sozialen Medien weiter an Bedeutung. Die virtuellen Vernetzungsmöglichkeiten der Szene ergänzen das Gemeinschaftsgefühl und die Gruppenzugehörigkeit. Weiterhin etabliert sich das Internet in der Szene zunehmend als zentrales Medium, um auch in kurzer Zeit eine große Anzahl von Anhängern zu erreichen und zu mobilisieren. Aus einer virtuellen Vernetzung heraus entstanden in der Vergangenheit auch im Freistaat Sachsen einzelne neonationalsozialistische Gruppierungen mit realweltlichen Aktivitäten. Diese lösten sich jedoch binnen kurzer Zeit wieder auf. Im Berichtsjahr wurden sog. "Active Clubs" (AC) als "Ausweg aus der organisatorischen Schwäche des Nationalen Widerstandes" beworben. Im Beitrag "Ausweg 'Active Club' Neue Wege für den Nationalen Widerstand" in der N.S. Heute #41 heißt es zum Zustand der Szene einleitend: "Seit vielen Jahren plätschert unsere Szene quasi zielund planlos umher, eine wirklich zielführende Strategie konnte dieser Zeit niemand präsentieren, zudem haben sich die allgemeinen Frontlinien im politischen Kampf massiv verändert. Im Netz geben mittlerweile andere den Ton an." Seite 74 von 259 "Zwar sind viele auch mit neurechten oder AfD-Gruppen im Austausch oder arbeiten im Hintergrund an Projekten mit, aber etwas richtig 'Eigenes' haben wir aktuell nicht vorzuweisen." Der Herausgeber der N.S. HEUTE wirbt daher in seinem Vorwort: "Die ACs fahren weltanschaulich eine klare Linie und werben für ihre Überzeugung, der politische Aktivismus steht aber nicht mehr unbedingt im Vordergrund. Das Aktivsein besteht auch aus gemeinsamen Sport-übungen, Wandern, Bildung, Spaß haben und Netzwerken mit Gleichgesinnten. Mit dem 'Active Club Germania' steht nun ein gemeinsames Dach zur Verfügung, in dem sich deutsche ACs bündeln und vernetzen können." Im Freistaat Sachsen konnten sich die bisher in Erscheinung getretenen "Active Clubs" namens "AC Leipzig" und "AC Westerzgebirge" nicht maßgeblich etablieren. Sie waren vordergründig über Social-Media-Kanäle aktiv, entfalteten aber kaum realweltliche Aktivitäten. Für die Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten trat im Jahr nach dem 2011 vollzogenen Verbot der HILFSORGANISATION FÜR NATIONALE UND POLITISCHE GEFANGENE UND DEREN ANGEHÖRIGE E.V. (HNG) die GEFANGENENHILFE.INFO (GH) in Erscheinung. Die GH ist ein in Schweden eingetragener Verein, dessen Hauptanliegen die finanzielle Unterstützung der Inhaftierten und ihrer Familien ist ("Gemeinschaft statt Isolation"). Durch diese "Gefangenenbetreuung" sollen die Inhaftierten weiterhin an die rechtsextremistische Szene gebunden werden. Die Hilfsorganisation informiert in Internetkanälen über Gefangene und bietet ein Postfach in Schweden an, über das man an Gefangene oder Anwälte anonym Briefe versenden kann. In den vergangenen Jahren warb die GH auch bei rechtsextremistischen Veranstaltungen im Freistaat Sachsen um Spenden. Aktivitäten Die politische Betätigung spielt für Angehörige der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE eine wichtige Rolle. Aufgrund der nicht mehr - wie in früheren Jahren - vorhandenen organisatorischen Festigkeit der Szene sind Veranstaltungen als "Sammlungspunkte" wichtig, um über die sozialen Medien hinaus weiterhin miteinander verbunden und handlungsfähig zu bleiben. Demonstrationen Demonstrationen waren für die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE lange Zeit das wichtigste Mittel, um ihr ideologisches Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen und sich gleichzeitig als Bewegung zu präsentieren. Die Anzahl der Demonstrationen der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE ist in den vergangenen Jahren allerdings stark zurückgegangen. Stattdessen wird die Organisation und Leitung von Versammlungen mittlerweile von den besser strukturierten rechtsextremistischen Parteien übernommen. "Heldengedenken" Von geringerer Reichweite sind traditionell die "Heldengedenken". Dabei werden die in den Weltkriegen Gefallenen als "Helden" und "Kämpfer" im Sinne der rechtsextremistischen Ideologie propagandistisch vereinnahmt. Diese Gedenkveranstaltungen finden vor allem um den "Volkstrauertag" im November statt. Im Berichtsjahr wurden sachsenweit verschiedene kleinere "Gedenkaktionen" auch von NEONATIONALSOZIALISTEN ausgerichtet. Sie werden regelmäßig genutzt, um die Verbrechen des NS-Regimes auszublenden und stattdessen ausschließlich die "Kriegsund Nachkriegsverbrechen der Alliierten" in den Mittelpunkt zu rücken. Seite 75 von 259 Sonnenwendfeiern Die Sonnenwendfeiern am 21. Juni und 21. Dezember sind feste Termine in den Kalendern von NEONATIONALSOZIALISTEN. Im Rahmen der Sonnenwendfeiern versuchen sie, verfassungsfeindliche Ideologieelemente mit der "Lagerfeuerromantik" dieser Feier zu verbinden. Sonnenwendfeiern wurden zu Zeiten des Nationalsozialismus als offizieller Feiertag eingeführt. Ziel war es, mit heidnischem Brauchtum christlichen oder anderen religiösen Feiertagen Konkurrenz zu machen. Gegenwärtig dienen die Feiern der Bewahrung dieses "historischen Erbes" und der Pflege des Gemeinschaftsgefühls. So fand beispielsweise am 22. Juni in Herrnhut OT Strahwalde (Landkreis Görlitz) eine Sonnenwendfeier mit ca. 200 Teilnehmern sowohl aus dem parteiungebundenen als auch aus dem parteigebundenen Spektrum statt. Dabei riefen Teilnehmer der Veranstaltung u. a. "Auf die deutsche Jugend, heil Sonnenwende", "Schwören wir, unser Leben der Ehre Deutschlands zu widmen, heil Sonnenwende", "Auf das deutsche Volk und auf Deutschland", "Zu Ehre des Löbauer Soldatenführers Max Wünsche45 und all den Ritterkreuzträgern". An dieser Sonnenwendfeier nahmen auch einzelne Mitglieder des sächsischen Landesverbandes der JUNGEN ALTERNATIVE (JA) teil. Das LfV Sachsen geht davon aus, dass die "Neue Rechte" derartige Veranstaltungen für die Vernetzung mit NEONATIONALSOZIALSTEN künftig möglicherweise verstärkt nutzen könnte. Vortragsveranstaltungen "Zeitzeugenvorträge" waren ein wichtiges Instrument, um die rechtsextremistische Ideologie und Agitation historisch zu legitimieren. In Sachsen fanden in den vergangenen Jahren mehrere "Zeitzeugenvorträge" mit teilweise einigen hundert Teilnehmern statt. Inzwischen stehen der Szene jedoch kaum noch Zeitzeugen zur Verfügung. Im Berichtsjahr wurden keine "Zeitzeugenvorträge" im Freistaat Sachsen bekannt. Andere Veranstaltungen werden hingegen weiterhin konspirativ organisiert. So fand am 1. Juni ein Vortragsabend unter dem Titel "Neue Wege im Bereich Kontrakultur / Aktivismus" mit einem bekannten bayerischen Rechtsextremisten in Ostsachsen statt. Auch hier wurde der Veranstaltungsort zuvor nicht offen bekannt gegeben, eine Teilnahme war nur nach vorheriger Anmeldung per Privatnachricht über die sozialen Medien möglich. "Kampfsportveranstaltungen" Das Interesse von NEONATIONALSOZIALISTEN am Kampfsport ist unverändert hoch, wenngleich im Berichtsjahr abermals keine derartigen Veranstaltungen in Sachsen stattfanden. Der Verfassungsschutz stellte auch in diesem Jahr eine Verlagerung rechtsextremistischer Kampfsportveranstaltungen ins europäische Ausland, etwa nach Frankreich, fest. Rechtsextremisten nahmen im Berichtsjahr allerdings als Kämpfer oder Zuschauer an unpolitischen Kampfsportveranstaltungen teil. Abseits größerer Veranstaltungen nutzen sie örtliche, nicht extremistische Sportund Fitnessstudios ("Gyms"), um sich verschiedene Kampfsporttechniken anzueignen. Kampfsport dient nicht nur dem wettbewerbsmäßigen Kräftemessen sowie der engen Vernetzung und Kontaktpflege, sondern unabhängig von entsprechenden Events dem Training der körperlichen Ertüchtigung für den Kampf gegen den politischen Gegner. Kampfsport bietet NEONATIONALSOZIALISTEN auf unkomplizierte Art und Weise die Möglichkeit, mit anderen mit der rechtsextremistischen Szene sympathisierenden Personen Kontakt aufzunehmen und diese für ihre eigenen extremistischen Aktivitäten zu begeistern. 45 Max Wünsche (1914 - 1995) war ein aus Kittlitz bei Bautzen stammender SS-Offizier Seite 76 von 259 Beteiligung an Veranstaltungen im europäischen Ausland Alljährlich im Februar beteiligen sich NEONATIONALSOZIALISTEN aus Sachsen an der rechtsextremistischen Gedenkveranstaltung "Tag der Ehre" und der sich daran anschließenden rund 60 km langen Gedenkund Wandertour "Ausbruch 60" in Ungarn. Ungarische Rechtsextremisten erinnern damit an die Belagerung der Stadt Budapest durch die sowjetische Rote Armee zum Ende des Zweiten Weltkrieges sowie an den Ausbruch von mehr als 40.000 ungarischen und deutschen Soldaten am 11. Februar 1945. Während die Gedenkveranstaltung im Berichtsjahr von den örtlichen Behörden verboten wurde, fand die Gedenkwanderung - eine Art Leistungsmarsch mit unterschiedlicher Streckenlänge - mit über 2.000 Teilnehmern statt. Die Veranstaltung bietet deutschen NEONATIONALSOZIALISTEN regelmäßig die Möglichkeit, sich mit Rechtsextremisten aus dem europäischen Ausland zu vernetzen. Regionale Ausprägung Landeshauptstadt Dresden Der 13. Februar als Gedenktag an die Bombardierung der Landeshauptstadt Dresden im Jahr 1945 stellt weiterhin landesund bundesweit das Hauptereignis "historischen Gedenkens" der NEONATIONALISTISCHEN SZENE dar. Das Narrativ eines Bombenholocausts wird dabei seit Jahren hochgehalten und dient der Relativierung des Holocausts sowie einer Täter-OpferUmkehr. Unter dem Motto "Gedenken an die Opfer der angloamerikanischen Luftangriffe! Wir fordern ein würdiges Denkmal in der Innenstadt!" führten am 11. Februar ca. 940 Rechtsextremisten in Dresden (2023: ca. 670) ihren sog. "Trauermarsch" durch. Anmelder war erneut der in den Landkreis Mittelsachsen zugezogene Rechtsextremist Lutz GIESEN. Aufgrund des starken Gegenprotestes musste die Aufzugsstrecke verkürzt werden. Auch die Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof fand im Lärm des Gegenprotests statt, woraufhin diese Personen vom Leiter der rechtsextremistischen Versammlung als "Pfeifen", "Geschichtsvergessene", "Vaterlandsverräter" und "Schwachköpfe" beschimpft wurden. Ein Redner leugnete in seinem Beitrag unter dem Titel "Freispruch für Deutschland" die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Am Gedenkmarsch beteiligten sich neben parteiungebundenen Rechtsextremisten auch Vertreter der rechtsextremistischen Parteien DER DRITTE W EG, FREIE SACHSEN und DIE HEIMAT. Im Gegensatz zu den Vorjahren waren vor allem wegen der Teilnahme der Jugendorganisationen NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND (NRJ) und JUNGE NATIONALISTEN (JN) auffallend viele junge Rechtsextremisten beim Gedenkmarsch vertreten. Landkreis Bautzen Im Landkreis Bautzen ist die neonationalsozialistische Gruppierung BALACLAVA GRAPHICS aktiv, die durch den Rechtsextremisten Benjamin MOSES angeführt wird. Seit Jahren stellt dieser Online-Plattformen u. a. für die Mobilisierung für Versammlungen zur Verfügung. BALACLAVA GRAPHICS warb auch im Berichtsjahr in den sozialen Medien (Instagram, Telegram, Facebook, "X" , YouTube, TikTok) für Veranstaltungen und berichtete anschließend über diese. Die Szene wiederum nutzt diese Plattformen für entsprechende Kommentare. Weiterhin bietet MOSES überregional die grafische Gestaltung von Werbe-Flyern und Covern an, die u. a. von rechtsextremistischen Bands genutzt werden. Die Gruppierung BALACLAVA GRAPHICS, die sich selbst als "Das rechte Medienkollektiv aus der Oberlausitz" bezeichnet, begleitete im Berichtsjahr verschiedene rechtsextremistische Veranstaltungen, u. a. den "Trauermarsch" der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN Szene am 11. Februar in Dresden, die "Heldengedenken" am 22. April in Niederkaina sowie am 17. November in Göda und Görlitz (Landkreis Görlitz) medial und veröffentlichte entsprechendes Bildund Videomaterial in den sozialen Medien. Zudem wurde auf den SocialSeite 77 von 259 Media-Kanälen von BALACLAVA GRAPHICS wie im Vorjahr für die wöchentlichen Protestveranstaltungen in Bautzen geworben und anschließend über das Veranstaltungsgeschehen berichtet sowie Fotos und Videos veröffentlicht. Ferner führte BALACLAVA GRAPHICS im Berichtsjahr eigene Veranstaltungen durch bzw. mobilisierte für diese. So fand u. a. am 1. Juni in Görlitz eine Vortragsveranstaltung mit einem bekannten bayerischen Rechtsextremisten zum Thema "Neue Wege im Bereich Kontrakultur/Aktivismus" sowie am 15. Juni eine "Sommerwanderung" in der Oberlausitz statt. Diese wurde als "Offen für alle! Egal wie alt, egal aus welchen Strukturen!" beworben und von der rechtsextremistischen Szene als Erfolg gewertet. Derartige Veranstaltungsformate werden innerhalb der rechtsextremistischen Szene aktuell häufiger angeboten, dienen ihr zur Vernetzung und zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE im Raum Bautzen führte auch im Berichtsjahr sog. "Heldengedenken" durch: Am 22. April gedachten in Niederkaina ca. 70 Personen der im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee getöten Angehörigen des "Volkssturms". Sie führten schwarze Fahnen mit und begaben sich in Zweierreihen zur Gedenktafel. Im Anschluss an diverse Redebeiträge legten sie dort ein Blumengebinde nieder. Unter den Teilnehmern befand sich auch MOSES, der analog des Vorjahres auch Anmelder dieser Veranstaltung war. Anlässlich des Volkstrauertages am 17. November gedachten auf dem Soldatenfriedhof in Göda mindestens 90 Personen der deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges. Die Teilnehmer führten auch dort schwarze Fahnen mit und legten Blumen nieder. NEONATIONALSOZIALISTEN aus dem ostsächsischen Raum beteiligten sich zudem an einer weiteren Gedenkveranstaltung am 19. November in Görlitz mit ca. 80 Teilnehmern. Diese führten Fackeln mit und begaben sich in Zweierreihen zum Gedenken. Bereits am Vortag hatten Rechtesextremisten in Ostsachsen "traditionsgemäß" Kriegsgräberstätten gereinigt, so zum Beispiel in Göda und Kodersdorf-Mückenhain (Landkreis Görlitz). BALACLAVA GRAPHICS berichtete im Nachgang u. a. auf seinen Social-Media-Kanälen über diese Veranstaltungen. Einzelne, der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE im ostsächsischen Raum angehörige Personen sind über entsprechende Kennverhältnisse mit der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE in Ostsachsen mehr oder weniger eng vernetzt. So unterstützen sie sich gegenseitig durch die Teilnahme an Veranstaltungen, wie beispielsweise den "Heldengedenken", dem sog. "Trauermarsch" in Dresden anlässlich des 13. Februars oder bei rechtsextremistischen Konzerten. Landkreis Mittelsachsen Durch die gezielte gemeinsame Ansiedlung von Rechtsextremisten im ländlichen Raum wird die Bildung rechtsextremistischer, realweltlicher Netzwerke mit Bezügen u. a. zur NEONATIONALISTISCHEN SZENE begünstigt. Die in der medialen Berichterstattung als "Völkische Siedler" bezeichneten Rechtsextremisten pflegen eine naturorientierte ländliche Lebensweise auf der Basis einer völkisch-nationalistischen Ideologie. In Sachsen ist insbesondere eine Ansiedlung von einzelnen untereinander eng verbundenen Rechtsextremisten mit ihren Familien in Leisnig bekannt. Seit Februar 2020 warben Rechtsextremisten auch unter dem Label "Initiative Zusammenrücken" für weitere Ansiedlungen im mitteldeutschen Raum. Am 28. September 2023 gab die Initiative jedoch - mutmaßlich aufgrund des Verbots der ARTGEMEINSCHAFT - die Einstellung ihrer Aktivitäten mit sofortiger Wirkung bekannt. In ihrer hierzu veröffentlichten Erklärung betonte die Initiative, dass sie "in der gegenwärtigen Lage einzig die Strategie der Sammlung für erfolgsversprechend erachte. Und diese Sammlung muss in Mitteldeutschland stattfinden." Seite 78 von 259 Maßgebliche Akteure haben sich in der Folge den FREIEN SACHSEN zugewandt und im Juni für diese Partei bei den Kommunalwahlen kandidiert. Ihre seit 2021 unregelmäßig stattfindenden Versammlungen in Leisnig meldeten sie im Berichtsjahr erstmalig für die FREIEN SACHSEN statt als Privatpersonen an. Landkreis Zwickau In der Region Zwickau wurden 2024 von angestammten und zugezogenen Rechtsextremisten gezielte Vernetzungsund Siedlungsbestrebungen verfolgt. Dabei geht es um den Zuzug von Personen mit einer neonationalsozialistischen Ideologie. Sie verfolgen das Ziel, zum Zwecke der Ressourcenbildung und des Kontaktgewinns in etablierte rechtsextremistische Parteien einzutreten. So schrieb einer der führenden Protagonisten in den sozialen Medien: "Unser Ziel für Zwickau ist es erstmal, in Bezug auf die politischen Feinde, diese aus dem ganzen Landkreis rauszujagen ... und sie nachhaltig aus ihren bisherigen Positionen und Ämtern zu entfernen." Ein anderer Protagonist schrieb: "Wir gründen morgen einen Verein, um Geldflüsse kontrollieren zu können. Ab dann werden wir von all denen, die Geld verdienen, Beiträge erheben, um unsere Aktivitäten finanzieren zu können". Das dabei in Rede stehende rechtsextremistische Personenpotenzial verfügt teilweise über Bezüge zum vom Bundesinnenminister im Jahr 2020 verbotenen Verein "Nordadler"46. 1.4.5 Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Sitz sachsenweit; Schwerpunkte in der Region Chemnitz (u.a. CHEMNITZ REVOLTE) und in den Landkreisen Bautzen und Görlitz (u. a. BRIGADE 8 CHAPTER SCHLESIEN, SCHLESISCHE JUNGS NIESKY, NATIONALER JUGENDBLOCK E.V. ZITTAU, JUGENDBLOCK BAUTZEN, URBS TURRIUM sowie rechtsextremistische Fußballanhänger) Gründung / Bestehen Die Szene ging aus der Ende der 1960er Jahre in Großbritannien entstandenen Skinheadszene hervor und breitete sich in den 1970er Jahren bundesweit auch in Deutschland aus. Publikationen bundesweit: sog. Fanzines mit Artikeln zur überwiegend subkulturell geprägten rechtsextremistischen Musikszene sowie mit Interviews und Konzertberichten Internetauftritte Wechselnde Internetseiten, Blogs, Profile in sozialen Netzwerken und Kurznachrichtendiensten; dort u. a. Bekanntmachungen von Konzerten sowie Veröffentlichungen von Videos 46 Dabei handelte es sich um eine informelle neonationalsozialistische und antisemitische Gruppierung, die eine kämpferisch-aggressive Haltung sowie eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus an den Tag gelegt und auch Gewaltphantasien geäußert hatte. So hieß ihr Anführer in einem öffentlichen Chat den Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 gut. Durchsuchungsmaßnahmen und Beschlagnahmungen erfolgten bei zwei Betroffenen in Sachsen und bei Personen in drei weiteren Bundesländern. Vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2020, Seiten 53 und 91. Seite 79 von 259 Finanzierung Finanzielle Beiträge der Anhänger, Eintrittsgelder bei Musikveranstaltungen, Vermarktung und Verkauf rechtsextremistischer Devotionalien wie T-Shirts o. Ä. Kurzportrait / Ziele Eine strategisch ausgerichtete, ideologisch-politische Arbeit wird von SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN GRUPPIERUNGEN nicht betrieben. Gewaltbereitschaft, Kurzschlussreaktionen und impulsgesteuertes Handeln sind für diese Szene charakteristisch. Mit Protesten gegen "Christopher Street Day" - Relevante Ereignisse und Veranstaltungen traten insbesondere aktionsorientierte Entwicklungen 2024 und junge Angehörige der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE verstärkt in Erscheinung. Ein Anschluss an eine breite Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Mitte konnte mit den Protesten jedoch nicht erreicht werden. Ferner war mit unterschiedlicher lokaler Ausprägung eine regelmäßige Teilnahme von Angehörigen der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE am wöchentlichen Protestgeschehen festzustellen, z. B. in Bautzen (Landkreis Bautzen) und Görlitz (Landkreis Görlitz). Ideologie Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial teilt die ideologischen Überzeugungen von NEONATIONALSOZIALISTEN.47 Es verfügt über ein ähnliches von Chauvinismus, Antisemitismus, Fremdenhass sowie Rassismus geprägtes Weltbild. Dennoch unterscheidet es sich von NEONATIONALSOZIALISTEN durch die Schwerpunktsetzung auf erlebnisorientierte Veranstaltungen, bei denen nicht die ideologische Propaganda oder die strategische Verfolgung politischer Ziele im Vordergrund stehen, sondern die Erfahrung von gelebter "Gemeinschaft" unter Gleichgesinnten. Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial stellt sich dabei als Mischszene dar und dient den NEONATIONALSOZIALISTEN als "Rekrutierungsmasse" zur Verbreitung ihrer Ideologieelemente. Da diese Personen nicht an ideologischer Vertiefung interessiert sind, beteiligen sie sich weder an politischen Strategiedebatten noch an der Erarbeitung entsprechender Konzepte oder der Verbreitung ausgearbeiteter Stellungnahmen. 47 vgl. Beitrag II.1.4.4 NEONATIONALSOZIALISTISCHE GRUPPIERUNGEN Seite 80 von 259 Strategie Anders als NEONATIONALSOZIALISTEN streben sie keine Wirkung außerhalb der rechtsextremistischen Szene an. Im Vordergrund steht das tägliche, eher unreflektierte Erleben und Ausleben ihrer Gesinnung. Dieser Teil der rechtsextremistischen Szene bildet nicht nur die unverzichtbare "Mobilisierungsmasse" für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer, auch strukturierter Gruppierungen bzw. rechtsextremistischer Kampagnen, sondern dient auch als Nährboden für die Bildung neuer Gruppierungen. Die Personen handeln impulsiv, situativ bedingt und spontan. So gingen bei den größeren Ereignissen der vergangenen Jahre die Konfrontationen und Gewalttaten beispielsweise gegen Polizisten oder den politischen Gegner zumeist von diesem Personenpotenzial aus. Personenpotenzial / Struktur Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial umfasste zu ca. 90 Prozent Personen, die dem weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial zugeordnet werden. Damit ist ein erheblicher Teil der dem LfV Sachsen bekannten Rechtsextremisten in Sachsen nicht in Parteien oder anderweitigen Strukturen eingebunden, sondern agiert trotz seiner rechtsextremistischen Gesinnung losgelöst von festen Szenegruppierungen. Die SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTISCHE SZENE weist nicht nur deutliche Bezüge zur rechtsextremistischen Kampfsportszene auf. Ihr werden auch rechtsextremistische Fußballanhänger zugeordnet. Sie sind vor allem in den Großstädten, aber auch in den Landkreisen Bautzen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Leipzig, Nordsachsen, Zwickau und im Erzgebirgskreis ansässig. Die Bildung und Auflösung von rechtsextremistischen Fußballanhängergruppierungen verläuft dem Grundcharakter der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE entsprechend sehr dynamisch: In der Vergangenheit aktive Gruppierungen traten im Jahr 2024 nicht mehr in Erscheinung. Zumeist blieb jedoch das hinter den Gruppierungen stehende Personenpotenzial erhalten und agierte auch weiter gemeinsam. Daneben bilden rockerähnliche Strukturen, die vor allem in Ostsachsen beheimatet sind, eine weitere relevante Unterart der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTEN. In Bruderschaften ahmen Rechtsextremisten den klassischen Rocker-Lifestyle nach. Mitglieder tragen bei Szeneveranstaltungen Lederwesten mit entsprechenden Symbolen und Schriftzügen ("Kutten"). Häufig werden die hierarchischen Strukturen der Rocker-Clubs übernommen. Gemeinsam ist allen rechtsextremistischen Bruderschaften, dass sie gemeinschaftliche, öffentliche Auftritte eher meiden. Kutten und sonstige Erkennungsmerkmale werden insbesondere bei internen Veranstaltungen und Konzerten getragen. Auf öffentliche Machtdemonstrationen wird für gewöhnlich verzichtet. Dies mag zum einen daran liegen, dass es den Gruppierungen in Sachsen schlichtweg an "Masse" mangelt. Zum anderen treibt die rechtsextremistischen Bruderschaften die Sorge um, durch ihre Uniformierung zu leicht als "Verein" identifiziert und damit Gegenstand vereinsrechtlicher Exekutivmaßnahmen zu werden. Herausragende Vertreter sind das Chapter der BRIGADE 8 in Mücka (Landkreis Görlitz) und die EASTSIDE ROWDYS aus Leipzig. Darüber hinaus ist das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial hinsichtlich seiner Größe und der damit verbundenen Kaufkraft ein wichtiger Abnehmer für die rechtsextremistische Konzertund Vertriebsszene. Es bildet das Gros der Konzertteilnehmer und Konsumenten rechtsextremistischer Merchandising-Artikel und lenkt durch sein Nachfrageverhalten auch die Ausrichtung des Angebotes Seite 81 von 259 rechtsextremistischer Vertriebe.48 Damit leistet die Szene selbst einen essentiellen Beitrag zur Finanzierung ihrer Strukturen. Die Strukturbildungsprozesse verlaufen sehr unterschiedlich: Ergibt sich die Notwendigkeit, unter einem klaren "Label" aufzutreten, strukturiert sich die Szene etwas fester, besteht hierfür kein dringender Bedarf mehr, verfallen die gebildeten Strukturen wieder in Inaktivität. Eine wichtige Rolle spielen neben bestehenden Kennverhältnissen das Vorhandensein geeigneten Führungspersonals, einer Treffgelegenheit sowie regelmäßig wiederkehrende Ereignisse, die die beteiligten Personen immer wieder zusammenführen. Im Freistaat Sachsen waren in diesem Zusammenhang folgende extremistische Bestrebungen im Berichtsjahr aktiv: BRIGADE 8 CHAPTER SCHLESIEN NATIONALER JUGENDBLOCK E.V. ZITTAU SCHLESISCHE JUNGS NIESKY JUGENDBLOCK BAUTZEN URBS TURRIUM ARYAN PEOPLE RESISTANCE SN SACHSEN CHEMNITZ REVOLTE Aktivitäten Angehörige der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE bzw. des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials beteiligten sich im Berichtsjahr sachsenweit insbesondere an Protesten gegen "Christopher Street Day"-Veranstaltungen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bildet einen grundlegenden Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Agitation. Rechtsextremisten lehnen Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierung sowie Partnerschaftsund Familienmodelle größtenteils ab. Sie sehen Heterosexualität und die damit verbundene traditionelle Kernfamilie als alternativlos und biologisch "natürlich" an. Für sich genommen, ist das Thema "Christopher Street Day" (CSD) keine genuin rechtsextremistische Position, jedoch versuchen Rechtsextremisten, das Thema ideologisch zu besetzen. Sie knüpfen die Ablehnung moderner Geschlechterverständnisse und Familienmodelle an ihr von Rassismus und Chauvinismus geprägtes Weltbild. Dementsprechend wurde im Berichtsjahr innerhalb der rechtsextremistischen Szene auffallend häufig gegen die LGBTQIA+-Community agiert. Die verschiedenen CSDVeranstaltungen haben Rechtsextremisten als willkommene Gelegenheit genutzt, um ihren nationalistisch geprägten Kulturkampf gegen den vermeintlich "woken Zeitgeist" zu führen. Das hohe Mobilisierungsund Aktivitätsniveau zeigt, wie anschlussfähig die rechtsextremistische Szene für diese Thematik ist. Diese öffentlichkeitswirksamen und damit von der rechtsextremistischen Szene als "Erfolg" verbuchten Gegenveranstaltungen in ganz Sachsen haben der Szene insgesamt Auftrieb verliehen. Unter anderem folgende Anti-CSD-Proteste von Rechtsextremisten fanden im Berichtsjahr in Sachsen statt: 01.06.2024 Dresden (94 Teilnehmer) 08.06.2024 Stollberg (Erzgebirgskreis, Kleingruppen) 29.06.2024 Chemnitz (ca. 25 Teilnehmer) 13.07.2024 Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Einzelpersonen) 10.08.2024 Bautzen (Landkreis Bautzen, 680 Teilnehmer) 17.08.2024 Leipzig (400 Teilnehmer) 48 vgl. Beitrag II.1.4.7 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Seite 82 von 259 25.08.2024 Plauen (Vogtlandkreis, 75 Teilnehmer) 31.08.2024 Zwickau (Landkreis Zwickau, 480 Teilnehmer) 07.09.2024 Freiberg (Landkreis Mittelsachsen, 215 Teilnehmer) 14.09.2024 Riesa (Landkreis Meißen, 30 Teilnehmer) 21.09.2024 Döbeln (Landkreis Mittelsachsen, 192 Teilnehmer) 28.09.2024 Görlitz (Landkreis Görlitz, 460 Teilnehmer) Einerseits fungierten Angehörige der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE dabei als Organisatoren und Anmelder wie bei den Protesten in Bautzen, Leipzig und Görlitz bzw. waren andererseits jeweils Teilnehmer dieser Versammlungen. Diesen Protesten schlossen sich vor allem die eher aktionistisch orientierten jungen Rechtsextremisten an. Mobilisiert wurde vorwiegend über verschiedene Plattformen in den sozialen Medien, die gezielt junge Menschen ansprechen. Dort präsentieren sich rechtsextremistische Akteure als Vertreter einer Gegenkultur zum angeblich "woken Mainstream", die Themen wie Gendersprache oder Belange der LGBTQIA+-Community ablehnen. In ihren Beiträgen zeichnen diese Akteure als Gegenentwurf ein Männlichkeitsbild, das Stereotype wie Stärke, Härte und Sportlichkeit betont. Am Beispiel der Anti-CSD-Proteste wird ein bundesweiter Trend zur Bildung rechtsextremistischer Netzwerke unter Jugendlichen deutlich. Man bindet sich nicht mehr an feste Strukturen, sondern kommuniziert in den sozialen Medien. Dort folgen die jungen Menschen von Rechtsextremisten organisierten Gruppen, denen sie unverbindlich angehören und die sie nach Belieben auch wechseln. Mithilfe dieser Social-Media-Präsenzen sollen möglichst niedrigschwellig und unkompliziert Kontakte geknüpft und rechtsextremistisches Gedankengut nach und nach weiterverbreitet werden. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die bundesweit aktiven Gruppierungen DEUTSCHE JUGEND VORAN (DJV) und JUNG UND STARK (JS), die der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE zuzuordnen sind. Diese sind vor allem in den sozialen Medien aktiv und konnten dort sowohl Aufmerksamkeit als auch Reichweite generieren. Personen aus Sachsen und anderen Bundesländern, die diesen Gruppierungen folgen, beteiligten sich in Sachsen an einzelnen CSD-Protestveranstaltungen. Zudem beteiligten sich Angehörige der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE bzw. des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials im Berichtsjahr insbesondere in Ostsachsen am sachsenweiten Protestgeschehen zu Themen wie Asyl/Migration und Ukraine-Krieg. Nachdem der Trend zu Großund Mischveranstaltungen49, wie beispielsweise dem "Schild und Schwert Festival", u. a. aufgrund der Corona-Maßnahmen aufgehalten wurde, waren wie im Vorjahr auch im Berichtsjahr keine derartigen Veranstaltungen zu verzeichnen. Großund Mischveranstaltungen stellen grundsätzlich zwar eine relevante Finanzierungsquelle für die Szene dar, bergen jedoch zugleich ein hohes finanzielles Risiko und verlangen eine zeitaufwändige Organisation. Im Berichtszeitraum fanden zudem erneut keine rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen in Sachsen statt. Derartige Veranstaltungen sind in Deutschland wegen des konsequenten Durchgreifens von Behörden mittlerweile einem hohen Verbotsrisiko ausgesetzt, was die Veranstalter offenbar nach wie vor abschreckt. Darüber hinaus fanden in Sachsen einige kleinere nicht extremistische kommerzielle Kampfsportveranstaltungen statt, an denen sich auch Rechtsextremisten beteiligten. Inwiefern sich die Teilnahme von Rechtsextremisten als Kämpfer an nicht extremistischen 49 Der Begriff "Mischveranstaltung" bezeichnet ein Veranstaltungsformat, bei dem verschiedene Veranstaltungsbestandteile ausgerichtet werden, die sonst nur in Einzelformaten bedient würden (z. B. Musik und Kampfsport im Rahmen derselben Veranstaltung). Seite 83 von 259 Kampfsportveranstaltungen etabliert, bleibt abzuwarten, wird aber seitens des LfV Sachsen angesichts fehlender rechtsextremistischer Turniere als wahrscheinlich erachtet. Rechtsextremisten sind nach wie vor auch in der sächsischen Fußballfanszene vertreten. Obwohl sie ihre Gesinnung nicht offensiv nach außen tragen, sind sie durchaus bereit, sich eventbezogen zu organisieren und die Öffentlichkeit mit ihrem Auftreten zu provozieren. Im Rahmen der Fußball-EM im Berichtsjahr gab es keine rechtsextremistischen Aktivitäten in Sachsen, die Spiele im Austragungsort Leipzig verliefen insoweit ohne Störungen. Einzelne, der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE im ostsächsischen Raum angehörige Personen sind über entsprechende Kennverhältnisse mit der NEONATIONALSOZIALISTISCHEN SZENE in Ostsachsen mehr oder weniger eng vernetzt. So unterstützen sie sich gegenseitig durch die Teilnahme an Veranstaltungen, wie beispielsweise den "Heldengedenken", dem sog. "Trauermarsch" in Dresden anlässlich des 13. Februars oder bei rechtsextremistischen Konzerten. Regionale Ausprägung Landkreis Görlitz Beim Ableger der rockerähnlichen BRIGADE 8 in Mücka handelt es sich um eines von mehreren "Chaptern" dieser 2012 gegründeten bundesweit bestehenden Gruppierung. Ihre Mitglieder sind gut vernetzt und verfügen über Verbindungen in die bundesweite rechtsextremistische - vor allem NEONATIONALSOZIALISTISCHE - Szene. Die BRIGADE 8 unterhielt im Landkreis das zwischenzeitlich aufgelöste CHAPTER OSTDEUTSCHLAND, das sich auch CHAPTER W EIßWASSER bzw. CHAPTER EASTSIDE nannte. Die Gruppierung entwickelte sich in Bezug auf die Durchführung von Szeneveranstaltungen im Landkreis Görlitz über die Jahre hinweg zu einer festen, überregional aktiven Größe. In der Folge agierte sie zunehmend selbstbewusster. Dies zeigte sich auch in unverhohlen demonstrierten Sympathien für die inzwischen verbotene Gruppierung COMBAT 1850 sowie auch im offen erkennbaren Auftreten während des "Schild und Schwert"-Festivals in Ostritz 2019. Nachdem das 2021 von früheren Mitgliedern des CHAPTER OSTDEUTSCHLAND nach internen Auseinandersetzungen neu gegründete BRIGADE 8 CHAPTER SCHLESIEN seine Strukturen und Aktivitäten wieder festigen und ausbauen konnte, konnte das LfV Sachsen im Berichtsjahr die Durchführung von Veranstaltungen mit den Auftritten von Liedermachern und Bands im Objekt der Gruppierung in Mücka feststellen, jedoch - wie bereits 2023 - in deutlich geringerem Umfang als noch im Jahr 2022. So traten dort beispielsweise am 30. März rechtsextremistische Liedermacher vor ca. 30 Gästen auf. Mit dem Objekt in Mücka existiert somit weiterhin ein festes Anlaufund Veranstaltungsobjekt der rechtextremistischen Szene in Sachsen. Die Mitglieder des CHAPTER SCHLESIEN nahmen außerdem regelmäßig an Veranstaltungen anderer BRIGADE 8 CHAPTER in Sachsen-Anhalt und Brandenburg teil. Nachdem die BRIGADE 8 DEUTSCHLAND mit ihren Chaptern SCHLESIEN, MITTEL/ELBE und SPREEWALD im Jahr 2023 über ihren Telegram-Kanal ihre Auflösung bekannt gab51, war im Berichtsjahr festzustellen, dass sich auch weiterhin Personen, die sog. "Kutten" der Brigade 8 trugen, im Objekt in Mücka aufhielten. Das LfV Sachsen geht deshalb weiterhin davon aus, dass es sich bei der im Jahr 2023 veröffentlichten Auflösungserklärung lediglich um eine taktische Erklärung handelte, mit welcher einem Vereinsverbot zuvorgekommen werden sollte. 50 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2019, S. 132 51 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2023, S. 93 Seite 84 von 259 Mit der Gruppierung SCHLESISCHE JUNGS NIESKY gehört im Landkreis Görlitz eine weitere Gruppierung zur SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE. Sie nahm am 11. Februar an der Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Landeshauptstadt am 13. Februar 1945 teil. Zuvor führten die SCHLESISCHEN JUNGS NIESKY am 31. Januar in Niesky ein Gedenken für einen ermordeten SA-Angehörigen durch, bei welchem Blumen niedergelegt und Grablichter aufgestellt wurden. Ebenfalls zur SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE im Landkreis Görlitz zählt der Verein NATIONALER JUGENDBLOCK E.V. ZITTAU (NJB). Er verfügt seit mehreren Jahren über ein Vereinshaus in Zittau, welches für Treffen und Veranstaltungen genutzt wird. So fand dort beispielsweise am 16. November eine Veranstaltung mit ca. 70 Personen statt. Unter den Teilnehmern befanden sich mehrere Mitglieder rechtsextremistischer Bands. In der AKTIONSGRUPPE ZITTAU organisierte jugendliche Vereinsmitglieder nahmen im Berichtsjahr an rechtsextremistischen Protesten gegen CSD-Veranstaltungen teil, und zwar am 10. August in Bautzen und am 28. September in Görlitz. Dabei führten sie jeweils ein eigenes Transparent mit und berichteten auf den Social-Media-Kanälen der Gruppierung. An der durch die rechtsextremistische Szene in Görlitz durchgeführten Veranstaltung gegen den CSD am 28. September beteiligten sich ca. 460 Personen überwiegend aus dem sächsischen Raum sowohl aus dem parteiungebundenen als auch dem parteigebundenen Rechtsextremismus, wie die JUNGEN NATIONALISTEN (JN, ELBLANDREVOLTE)52. Auch hier waren die Teilnehmer erneut auffällig jung. Während der rechtsextremistischen Veranstaltung skandierten die Teilnehmer den Spruch: "HIV, hilf uns doch, Schwule gibt es immer noch!". Daraufhin wurde die Identität jener Person, die mittels Megaphon zum Mitrufen animierte, festgestellt. Wenig später konnte aus dem Aufzug die Parole "Deutschland erwache" aus dem NS-Sturmlied vernommen werden. Die Staatsanwaltschaft bejahte auch hier eine strafrechtliche Relevanz. Landkreis Bautzen Im Landkreis Bautzen ist mit der Gruppierung URBS TURRIUM ein neuer Akteur in der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE aktiv geworden. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Gruppierung regelmäßig an den Montagsprotesten in Bautzen und versuchte dabei offensiv, das Protestgeschehen rechtsextremistisch zu beeinflussen, in nicht extremistische Milieus hineinzuwirken und neue Anhänger zu gewinnen. Dabei wurden häufig Parolen wie beispielsweise "Kriminelle Ausländer raus" skandiert. Zusammen mit der zu den JN gehörenden Gruppierung ELBLANDREVOLTE war URBS TURRIUM an der Organisation und Durchführung der rechtsextremistischen Demonstration gegen den CSD unter dem Motto "Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung" am 10. August in Bautzen beteiligt. An dem Protest nahmen ca. 680 Personen teil, zahlreiche davon im jugendlichen Alter. Auch Anhänger der rechtsextremistischen Partei DER DRITTE W EG beteiligten sich. Zudem war eine überregionale Teilnahme zu verzeichnen. Diese Demonstration kann als ein herausragendes Ereignis in Ostsachsen angesehen werden, welches insbesondere auch der überregionalen Vernetzung der lokalen rechtsextremistischen Szene diente. Mit dem JUGENDBLOCK BAUTZEN gehört im Landkreis Bautzen eine weitere Gruppierung zur SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE. Im ersten Halbjahr beteiligte sich diese Gruppierung analog des Vorjahres am montäglichen Protestgeschehen in Bautzen und führte dabei ein Transparent mit der Aufschrift "Wir sind die Jugend ohne Migrationshintergrund" mit. Ferner nahmen Angehörige des JUGENDBLOCKS BAUTZEN am 52 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT Seite 85 von 259 11. Februar an der Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung am 13. Februar 1945 teil. Entsprechende Beiträge über diese Aktivitäten wurden auf den Social-Media-Kanälen des JUGENDBLOCKS BAUTZEN veröffentlicht. Stadt Leipzig Anlässlich des CSD in Leipzig am 17. August meldete die lokale rechtsextremistische Szene unter dem Motto "stolz, deutsch, national" einen Gegenprotest an und mobilisierte hierfür in den sozialen Medien. Außerdem rief einer der Anmelder des vorausgegangenen CSDGegenprotestes in Bautzen zur Teilnahme in Leipzig auf. An der Veranstaltung nahmen schließlich etwa 400 auch überregional angereiste Personen teil, der Großteil von ihnen Jugendliche. Da diese bereits am Leipziger Hauptbahnhof von der Polizei festgesetzt wurden, konnte die Veranstaltung nicht wie geplant stattfinden. Ihren Frust hierüber drückten die Rechtsextremisten auch in den sozialen Medien aus. Während sie den CSD-Gegenprotest in Bautzen (Landkreis Bautzen) noch als Erfolg für sich verbuchen konnten, war dies in Leipzig auch in Bezug auf die Teilnehmerzahl nicht der Fall. Im Zuge der rechtsextremistischen CSD-Proteste trat die neu gegründete rechtsextremistische Gruppierung ARYAN PEOPLES RESISTANCE (APR) beim CSD-Gegenprotest in Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) am 21. September 2024 erstmals öffentlich in Erscheinung. Zuvor nahmen nur einzelne APR-Mitglieder an den entsprechenden Protesten beispielsweise in Leipzig teil. Die Gruppierung versucht über Profile in den sozialen Medien neue Mitglieder zu erreichen und strebt eine Zusammenarbeit mit der ebenfalls neuen rechtsextremistischen Gruppierung SN SACHSEN an. Stadt Dresden Die SN SACHSEN traten ebenfalls im Rahmen der CSD-Proteste ab August als neue Gruppierung in Erscheinung. So beteiligten sich ihre Mitglieder beispielsweise an der Versammlung der Partei DER DRITTE W EG unter dem Motto "Homo-Propaganda stoppen - gesunde Familien fördern!" am 31. August in Zwickau sowie am CSD-Protest der JUNGEN NATIONALISTEN (JN) Sachsen-Anhalt am 14. September in Halle. Über wechselnde Profile in den sozialen Medien versuchte die Gruppierung, neue Mitglieder zu erreichen. Andere zumeist jugendliche Rechtsextremisten versuchten, die in den sozialen Medien geknüpften Kontakte in realweltliche Aktivitäten umzuwandeln und riefen u. a. zu Treffen im öffentlichen Raum am 3. August und 8. Oktober in Dresden auf. Am 3. August nahmen laut Polizei neun Personen teil, vier davon wurden bereits am Rande des CSD am 13. Juli in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge) von der Polizei kontrolliert. Am 8. Oktober stellte die Polizei 13 Personen fest. Gruppenbilder beider Treffen wurden anschließend über die sozialen Medien verbreitet. Stadt Chemnitz Die im Spätsommer neu entstandene Gruppierung CHEMNITZ REVOLTE beteiligte sich regelmäßig an den Montagsdemonstrationen in Chemnitz sowie an überregionalen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene, so beispielsweise am CSD-Gegenprotest am 7. September in Freiberg (Landkreis Mittelsachsen). Die Führungsperson der CHEMNITZREVOLTE meldete ursprünglich auch den Protest gegen den CSD in Leipzig an. Die Gruppierung führte nach dem Ende der CSD-Proteste eine Veranstaltung unter dem Motto "Lügen gegen Rechte, nicht mit uns!" am 3. Oktober in Hohenstein-Ernstthal (Landkreis Zwickau) durch. Seite 86 von 259 Mit diesem neuerlichen Protest richtete sich die Gruppierung gegen eine Gedenkversammlung anlässlich des 25. Todestages von Patrick T., welcher in der Nacht zum 2. Oktober 1999 in Hohenstein-Ernstthal (Landkreis Zwickau) Opfer einer politisch rechts motivierten Straftat wurde. Insgesamt nahmen ca. 100 junge, aktionsorientierte Personen am rechtsextremistischen Gegenprotest teil. Darunter befanden sich neben Angehörigen der regionalen rechtsextremistischen Szene u.a. auch Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppierung DEUTSCHE JUGEND VORAN (DJV) aus Berlin und Brandenburg. Während des Aufzuges wurden die folgenden rechtsextremistischen Sprechchöre skandiert: "HIV, hilf uns doch, Zecken gibt es immer noch", "Ganz Deutschland hasst die Antifa" oder "Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest". In Anlehnung an die verbotene nationalsozialistische Losung "Deutschland erwache" skandierten die Teilnehmer im Sprechchor mehrfach "Chemnitz erwache". Am 19. Oktober beteiligten sich mindestens sechs Mitglieder der CHEMNITZ REVOLTE an einer Demonstration unter dem Motto "Gegen Linkspropaganda und Lügen der Antifa" in BerlinMarzahn. Damit wandten sich die insbesondere im Rahmen der Proteste gegen die CSDVeranstaltungen in Erscheinung getretenen jungen und aktionsorientierten Rechtsextremisten nach dem letzten CSD am 28. September in Görlitz (Landkreis Görlitz) umgehend dem "klassischen" rechtsextremistischen Aktionsfeld "Anti-Antifa" zu, um gegen den politischen Gegner auf die Straße zu gehen. Fazit Bis weit in die 2000er-Jahre hinein wurden rechtsextremistische Inhalte jungen Menschen vor allem über Musik vermittelt: Tonträger mit jugendaffiner Musik und Festivals zur Vernetzung der Szene waren die bevorzugten Mittel. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft nutzen Rechtsextremisten die Möglichkeiten der sozialen Medien, um ihre verfassungsfeindliche Ideologie mit maximaler Reichweite zu verbreiten. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind insbesondere über Telegram, Instagram und TikTok zu einer wichtigen Zielgruppe rechtsextremistischer Propaganda geworden, da sie über den virtuellen Raum schnell und quasi jederzeit zu erreichen sind. Die Social-Media-Plattformen sind nah an den Rezeptionsgewohnheiten und der Lebenswelt junger Nutzer ausgerichtet. In den sozialen Medien ist das Unsagbare inzwischen sagbar geworden. Hintergrund hierfür sind die Besonderheiten digitaler Kommunikation, die von zeitlicher, räumlicher und sozialer Entgrenzung, dem Fehlen eines direkten Gegenübers und den algorithmisierten inhaltlichen Zuspitzungen unmoderierter Echokammern gekennzeichnet sind. Da Jugendliche ihre soziale und politische Identität erst entwickeln müssen, ist der Kontakt mit der rechtsextremistischen Szene risikobehaftet, da diese suggeriert, Halt und Orientierung zu geben. Niedrigschwellig und lebensweltorientiert bietet sie jungen Menschen in den sozialen Medien vermeintlich einfache und nicht zwingend ideologisierte Antworten auf komplizierte Fragen (z. B. Migration, Familie, sexuelle Orientierung, Zukunftsfragen und Genderfragen), was in Zeiten der Orientierungssuche eine starke Resonanz bei dieser Personengruppe erfährt. Die offenen Kanäle werden von Rechtsextremisten oft als Erstkontakt bzw. Erstzugang zu den Heranwachsenden genutzt, um sie dann in die geschlossenen Chatgruppen zu locken. Dort werden sie mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert; Kontakte zu den Jugendlichen werden intensiviert. Rechtsextremistisches Gedankengut findet somit Seite 87 von 259 sukzessive Eingang in die "Welt" der Jugendlichen und wird von diesen - mangels politischer und digitaler Kompetenz - als richtig und harmlos empfunden. Radikalisierungsprozessen sind damit Tür und Tor geöffnet. Mobilisiert über solche Chatgruppen wurden Proteste gegen den CSD im Berichtsjahr als "Event" wahrgenommen. Als Gruppe fühlt man sich stark, zumal man schwarz bekleidet und entsprechend martialisch auftritt. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und soll dem politischen Gegner Angst einflößen. Da diese jugendlichen Gruppen eventund aktionsorientiert handeln, sind die Themen für sie grundsätzlich austauschbar. Dies war im Berichtsjahr zu erkennen, als die CSDVeranstaltungen im Freistaat Sachsen beendet waren und die Gruppierungen umgehend den politischen Gegner als Angriffsfläche für ihre fortdauernden Proteste ausmachten. Das LfV Sachsen geht davon aus, dass diese Verjüngung in der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE angesichts ihrer bereits festzustellenden Dynamik anhalten und sich verfestigen wird. In kürzester Zeit haben sich Netzwerke gebildet, die sich vor allem über die sozialen Medien ausdehnen, das rechtsextremistische Protestgeschehen im Freistaat Sachsen maßgeblich beeinflussen und - bei zunehmender Dynamik - auch entscheidend mitbestimmen werden. 1.4.6 Rechtsextremistische Musik Die Musik sowie die Szenekonzerte sind unverändert wichtige Instrumente für die Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie und damit eine zentrale, identitätsstiftende Basis für die Szene. Gemeinsame Konzertbesuche stärken das Gemeinschaftsgefühl und tragen dazu bei, dass Kontakte zwischen den verschiedenen regionalen Szenen geknüpft und aufrechterhalten werden. Szenemitglieder haben bei Konzerten darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Ideologie in der "geschlossenen Konzertgemeinschaft" auszuleben. So sind dort mitunter gemeinschaftlich begangene strafbare Handlungen, wie der Hitlergruß oder "Sieg Heil"-Rufe, festzustellen. Die Szene selbst spricht hier von "abhitlern". Rechtsextremisten vermitteln ihre verfassungsfeindliche Ideologie über die Texte ihrer Musikdarbietungen, wobei dazu passende Melodien und Rhythmen einen wesentlich verstärkenden Faktor im emotionalen Empfinden des Empfängers auslösen. Insofern ist die Musik vor allem für Jugendliche ein Einfallstor in die rechtsextremistische Szene. Darüber hinaus spielen kommerzielle Gesichtspunkte bei der Veranstaltung von Konzerten und vor allem bei den Szenevertrieben eine herausragende Rolle. Beides sind finanzielle Einnahmequellen, die ganz wesentlich zur Existenz der rechtsextremistischen Szene beitragen. Die SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTISCHE SZENE53 bevorzugt Musikstilrichtungen wie "R.A.C."54 und "Hardcore"55 bzw. "Hatecore"56. Dieser "Rechtsrock" ist geprägt von aggressiven Texten und zumeist hämmernden Rhythmen. In den Liedern werden Rassismus und Gewalt propagiert, das NS-Regime verherrlicht und der Kampf gegen das verhasste demokratische System thematisiert. In den Texten wird zum Teil auch einem Germanenund Wikingerkult gehuldigt. Politische Inhalte werden zudem auch im Balladenstil vorgetragen. Eine in der Szene beliebte Musikstilrichtung ist der sog. "NSBM"57. Diese von der Black-Metal53 vgl. Beitrag II.1.4.5 Subkulturell geprägtes und unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 54 "Rock against Communism" - Rock gegen Kommunismus 55 US-amerikanische Weiterentwicklung der "Punk"-Musik - im Stil schnell und hart 56 wie "Hardcore", jedoch mit härteren, hasserfüllten Texten. Der Begriff "Hatecore" war ursprünglich nicht rechtsextremistisch ausgerichtet, wird aber mittlerweile in erster Linie von rechtsextremistischen Bands besetzt. 57 "NSBM" steht für NS-Black Metal und bezeichnet den Teil der Metal-Szene, der sich in seiner Musik und seiner Ausrichtung auf den historischen Nationalsozialismus bezieht. Seite 88 von 259 Musik abgeleitete Stilrichtung bezieht sich in ihrer Ausrichtung auf den historischen Nationalsozialismus. Mit der Gründung der Firma NDS RECORDS UNTERNEHMENSGESELLSCHAFT58 etablierte sich im Freistaat Sachsen im Jahr 2021 zudem ein Musiklabel, dessen Musiker vor allem die Stilrichtungen "Rap" und "Hip Hop" vertreten. Interpreten dieses Labels verstehen sich als echte deutsche Rapper und waren bzw. sind dem Umfeld der IDENTITÄREN BEWEGUNG zuzurechnen. Die von NDS RECORDS produzierte Musik enthält teilweise gewaltaffine, rassistische Elemente und richtet sich mitunter gegen den politischen Gegner sowie das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland. Die Vernetzung der NDS RECORDSAkteure innerhalb der rechtsextremistischen Szene zeigt sich sowohl in der Zusammenarbeit mit deren Strukturen, Bands und Interpreten als auch durch Auftritte bei Veranstaltungen. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen im Jahr 2024 in Sachsen Nach behördlicherseits verhängtem Gewerbeverbot und dem Verkauf der Liegenschaft steht der rechtsextremistischen Szene das ehemalige Objekt in Torgau OT Staupitz (Landkreis Nordsachsen) nicht mehr zur Verfügung. Rechtsextremisten organisierten deshalb im Freistaat Sachsen zunehmend konspirativ in unterschiedlichen Lokalitäten ihre Konzerte und verschleierten sie gegenüber den Vermietern als Geburtstagsfeiern. Dabei mieten zumeist Einzelpersonen u. a. bei Sportvereinen oder Gaststätten Säle oder andere geeignete Räumlichkeiten an, ohne den eigentlichen Anlass zu offenbaren. Zudem gab es im Berichtsjahr den Versuch, ein rechtsextremistisches Konzert als Veranstaltung der Partei DIE HEIMAT59 zu organisieren. Im Berichtsjahr war ein weiterer Rückgang der Konzertaktivitäten festzustellen. Insgesamt fanden noch acht rechtsextremistische Konzerte (2023: zehn) statt, drei davon wurden seitens der Polizei aufgelöst. Zwei darüber hinaus geplante Konzerte wurden verboten. Die Anzahl der Liederabende und sonstigen Musikveranstaltungen erhöhte sich im Berichtsjahr hingegen von 39 (2023) auf 48. Davon löste die Polizei eine Veranstaltung auf. Der Anstieg ist damit zu erklären, dass kleinere Veranstaltungen wie Liederabende wegen des geringeren logistischen und finanziellen Aufwands einfacher und vor allem konspirativer zu organisieren sind. 58 vgl. Beitrag II.1.4.7 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 59 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT Seite 89 von 259 Durchgeführte rechtsextremistische Konzerte in Sachsen Die nachfolgenden Tabellen informieren über rechtsextremistische Konzertveranstaltungen, Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen, welche für das Berichtsjahr öffentlich genannt werden können: Konzertveranstaltungen Datum Ort KonzertBemerkung besucher (ca.) 1 28. Juni Coswig (Lkr. Meißen) 152 von der Polizei aufgelöst 2 14. September Leubsdorf OT Schellenberg 54 von der Polizei (Lkr. Mittelsachsen) aufgelöst 3 19. Oktober Auerbach (Erzgebirgskreis) 60 von der Polizei aufgelöst 4 9. November Lugau OT Ursprung ca. 150 (Erzgebirgskreis) Der Live-Auftritt von Bands am 3. Februar im Rahmen einer "Geburtstagsfeier" in Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) wurde vor Ort polizeilich verboten. Ein weiteres Konzert war am 19. April in Chemnitz geplant, die Polizei verhinderte es jedoch. Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen Datum Ort Veranstaltung 1 8. Januar Dresden Auftritt des Musikers KAVALIER60 (Sachsen) bei einer Kundgebung der FREIEN SACHSEN 2 Januar Chemnitz Auftritt des Liedermachers VISIONÄR61 (Sachsen-Anhalt) 60 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2022, S. 97 61 vgl. https://mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz/themenfelder/rechtsextremismus/weitgehendunstrukturiertes-rechtsextremistisches-personenpotenzial Seite 90 von 259 3 26. Januar Aue-Bad Schlema Liederabend der Partei FREIE (Erzgebirgskreis) SACHSEN 4 3. Februar Pirna (Lkr. Sächsische Liederabend der JUNGEN Schweiz-Osterzgebirge) NATIONALISTEN 5 10. Februar Lugau (Erzgebirgskreis) Liederabend mit dem Liedermacher Benjamin GRUHN62 (Sachsen) 6 2. März Sachsen Liederabend mit dem Liedermacher FREILICHFREI63 (Sachsen) 7 9. März Chemnitz Kundgebung der Partei FREIE SACHSEN mit Auftritt des Musikers KAVALIER 8 1. Juni Raum Delitzsch / Eilenburg Liederabend mit PHIL von FLAK64 (Lkr. Nordsachsen) und dem Liedermacher DER HOFFNUNGSTRÄGER (Thüringen)65 9 16. August Dresden "Geburtstagsfeier" mit Musik, von der Polizei aufgelöst 10 17. August Riesa (Lkr. Meißen) Sommerfest der Partei DIE HEIMAT mit Auftritt des Liedermachers Frank RENNICKE66 (Bayern) 11 30. August Auerbach (Erzgebirgskreis) Liederabend mit FREILICHFREI 12 6. September Riesa (Lkr. Meißen) "Kulturfest" des Arbeitskreises "Heimat.Kultur.Werk" der Partei DIE HEIMAT mit Auftritt u. a. von LUNIKOFF67 (Berlin) 13 21. September Döbeln (Lkr. Mittelsachsen) Demonstration der JUNGEN NATIONALISTEN mit Auftritt des Musikers KAVALIER 14 18. Oktober Oschatz (Lkr. Nordsachsen) Liederabend der Partei DIE HEIMAT / JUNGE NATIONALISTEN mit Auftritt von PHIL von FLAK 15 23. bis 24. Bernsdorf (Lkr. Zwickau) Auftritt des Liedermachers Frank November RENNICKE beim Bundesparteitag der Partei DIE HEIMAT Konzertgeschehen in Sachsen Das Konzertgeschehen der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE blieb mit acht festgestellten Veranstaltungen in Sachsen im Berichtsjahr auf einem niedrigen Niveau. Zudem musste die Szene Beeinträchtigungen in Folge von Auflösungen derartiger Veranstaltungen hinnehmen. Lediglich das Konzert am 9. November in Lugau OT Ursprung (Erzgebirgskreis) erreichte eine etwas höhere Teilnehmerzahl. Hierzu mieteten sich 62 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2020, S. 78 63 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2019, S. 78 64 vgl. Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2023, S. 131 65 vgl. Thüringer Landtag, Antwort auf die kleine Anfrage "Neonazistische Musikkultur in Thüringen 2023", Drs. 7/10423) 66 vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 156 67 vgl. Broschüre "Rechtsextremistische Musik", Berlin, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz, 2016, S. 7, 21-25; Verfassungsschutzbericht Berlin 2018, S. 115-116 Seite 91 von 259 Rechtsextremisten unter dem Vorwand einer "Geburtstagsfeier" in ein Objekt der Gemeinde ein. In Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) feierten am 3. Februar ca. 250 Rechtsextremisten den Geburtstag einer bekannten Szenegröße und wollten diese Veranstaltung mit Live-Musik einer Band ausgestalten. Der Eigentümer des Objektes war damit jedoch nicht einverstanden und bat die Polizei um Durchsetzung seines Hausrechts. In einem Jugendclub in Leubsdorf OT Schellenberg (Landkreis Mittelsachsen) versuchte die Szene am 14. September ungestört "abzuhitlern". Polizeikräfte stellten indizierte Liedtexte einer als rechtsextremistisch eingestuften Band sowie verfassungsfeindliche Parolen wie "Sieg Heil" fest. Die Vorsitzende des Jugendclubs, die sich unter den Teilnehmern befand, gab an, dass diese Veranstaltung lediglich eine Geburtstagsfeier sei. Sogar nach der Auflösung dieser angeblichen "Feier" durch die Polizei und der Feststellung von Straftaten beteuerte der Verein in einer Stellungnahme auf Facebook, es habe sich "am betreffenden Abend [...] lediglich um eine Vermietung für eine private Geburtstagsfeier ohne radikales Konzert oder solcher Inhalte in musikalischer Form" gehandelt. In Riesa (Landkreis Meißen) versuchte die Musikszene im September unter dem Schirm der Partei DIE HEIMAT eine Konzertveranstaltung zu organisieren. Das Ganze deklarierten die Rechtsextremisten als "Kulturfest" des "Heimat.Kultur.Werks" der Partei. Der Musiker PHIL von FLAK sagte im Mai, dass über das "Heimat.Kultur.Werk" künftig zwei Konzerte im Jahr geplant seien. Mit den Einnahmen sollten andere Künstler gefördert werden. Die von einem Parteifunktionär angemeldete Veranstaltung sollte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen auf dem Gelände des rechtsextremistischen DEUTSCHE STIMMEVERLAGES68 in Riesa (Landkreis Meißen) stattfinden. Während am 6. September neben anderen Darbietungen rechtsextremistische Liedermacher bzw. Solointerpreten vor ca. 170 Gästen auftraten, sollte es am 7. September nach Reden, Gesprächsrunden und Kabarett ein Konzert mit bekannten rechtsextremistischen Musikgruppen geben. Kurz vor der Veranstaltung teilte der Inhaber eines rechtsextremistischen Vertriebes in Brandenburg jedoch plötzlich mit, dass diese Veranstaltung nicht stattfindet. Die beiden Musiker PROTO und KAVALIER des sächsischen Labels NDS RECORDS tourten im Berichtsjahr durch Deutschland und traten bei sog. "Abschiebehauptmeister-Partys" auf. Einige dieser Veranstaltungen wurden aufgelöst bzw. konnten auf Grund von Verboten nicht stattfinden. Hintergrund dieser so titulierten "Party" ist ein Musikvideo, in welchem die beiden Interpreten - angelehnt an den aus dem Internet bekannten sog. "Anzeigehauptmeister" - als "Abschiebehauptmeister" in Erscheinung treten. Das fremdenfeindliche Lied richtet sich pauschal gegen den Aufenthalt von Ausländern in Deutschland. Die Interpreten treten im Video als zwei mit gelber Weste uniformierte Personen auf, die eine weitere Person auf einer Parkbank aufgreifen und zum Flughafen begleiten. Das Label mobilisierte beispielsweise öffentlich für eine derartige "Abschiebehauptmeisterparty" am 28. Juni im "Raum Dresden". Polizeikräfte stellten schließlich fest, dass dieses Konzert mit 152 Teilnehmern in einem Gewerbegebiet in Coswig (Landkreis Meißen) stattfand. Das sich im Eigentum der Stadt befindende und von einer Firma gepachtete Veranstaltungsobjekt war für eine derartige Nutzung nicht zugelassen. Aufgrund der baurechtlichen Gegebenheiten und der damit einhergehenden Gefahren für die Konzertbesucher wurde diese vom Veranstalter so bezeichnete "Geburtstagsfeier" aufgelöst. In eine Eventlocation in Auerbach (Erzgebirgskreis), in welcher im August bereits der rechtsextremistische Liedermacher FREILICHFREI aufgetreten war, mieteten sich am 19. Oktober Rechtsextremisten ein, um ein Konzert zu veranstalten. Die Polizei stellte Live-Musik 68 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT Seite 92 von 259 und ca. 60 Personen - darunter auch den Landratskandidaten der Partei FREIE SACHSEN69, Stefan TRAUTMANN - fest und untersagte weitere Bandauftritte an diesem Abend. Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen - Anstieg in Sachsen Im Unterschied zu Konzertveranstaltungen mit Bandauftritten stieg im Freistaat Sachsen die Anzahl von Veranstaltungen, bei denen Solointerpreten auftraten oder musikalische Darbietungen nur eine begleitende Rolle einnahmen, weiter an. Dabei konnte festgestellt werden, dass neben bekannten Liedermachern auch Mitglieder rechtsextremistischer Musikgruppen solo auftraten. Für diese Entwicklung dürften auch finanzielle Aspekte verantwortlich sein, da kleinere Formate einerseits kostengünstiger und eher klandestin zu organisieren sind. Andererseits bedeuten geringere Teilnehmerzahlen bei kleineren Veranstaltungen zugleich auch weniger finanzielle Einnahmen. Zudem besteht grundsätzlich noch ein Verlustrisiko im Zuge von Veranstaltungsverboten, das bei kleineren Formaten naturgemäß allerdings geringer ist. Der Liedermacher KAVALIER, der sich beim Label NDS RECORDS als Rapper engagiert, zeigte sich auch im Berichtsjahr sehr umtriebig. Neben seiner Beteiligung an den "Abschiebehauptmeisterpartys" trat er bei Veranstaltungen der Parteien DER DRITTE W EG70, DIE HEIMAT oder FREIE SACHSEN sowohl in Sachsen als auch in anderen Bundesländern auf. Die zuletzt genannte Partei unterstützte der Liedermacher durch drei Auftritte bei Kundgebungen bzw. Demonstrationen. Am 27. September fand in Santander (Spanien) die zweitägige Konzertveranstaltung "Galerno Fest" statt. Am ersten Tag stand ein Auftritt von KAVALIER mit auf dem Programm. Sein musikalischer Partner PROTO wollte zusammen mit einem weiteren Musiker von NDS RECORDS am 20. und 21. September im Raum Oslo (Norwegen) bei einer Musikveranstaltung auftreten. Allerdings verweigerte ihm die Bundespolizei am Berliner Flughafen die Ausreise. Rechtsextremistische Musikgruppen bzw. Bandprojekte und Liedermacher Im Freistaat Sachsen waren im Berichtsjahr 30 (2023: 26) rechtsextremistische Musikgruppen, Liedermacher und Solointerpreten aktiv. Die Musiker bzw. Musikgruppen beteiligten sich an rechtsextremistischen Konzerten im Inund Ausland bzw. Liederabenden, traten bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen auf oder arbeiteten an neuen Tonträgern bzw. gaben diese heraus. Im Berichtsjahr stieg mit 14 (2023: vier) herausgegebenen Tonträgern die Anzahl der Musikproduktionen sächsischer Musiker bzw. Musikgruppen stark an. Zudem beteiligten sich die Akteure an sechs Tonträgern der rechtsextremistischen Szene anderer Bundesländer sowie an einem "Soli Sampler" und einer Split-CD. Das Label NDS RECORDS gab im Berichtsjahr vier Tonträger heraus. Im Unterschied zu anderen Musiklabels der Szene setzt NDS RECORDS auch darauf, seine Musik online anzubieten. Die Interpreten des Labels wirkten in 22 Musikvideos mit, welche auf "Youtube" abrufbar waren bzw. sind. Nachfolgend werden die im Freistaat Sachsen im Jahr 2024 auffälligsten Entwicklungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Musikern und Musikgruppen beschrieben. Eine jahrelang inaktive sächsische Band wurde wieder tätig, und Entscheidungen der Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz (BzKJ) zu 69 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN 70 vgl. Beitrag II.1.3.1 DER DRITTE W EG Seite 93 von 259 Tonträgern bewiesen abermals, dass rechtsextremistisch eingestufte Musikgruppen bzw. Interpreten in ihren Titeln den Krieg und die NS-Ideologie verherrlichen sowie zu Gewalt und Rassenhass anstacheln. Indizierung des Tonträgers "Sturmkrieger" der Band STURMKRIEGER71 Insgesamt sieben Titel des 2023 von der Band herausgegebenen Albums "Sturmkrieger" sind gemäß einer Entscheidung der "Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz" (BzKJ) vom Juli indizierungsrelevant, so dass sie wegen der Verherrlichung bzw. Verharmlosung des Nationalsozialismus in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen wurden. Die Musik habe nach Ansicht des Gremiums eine verrohende Wirkung und verherrliche zudem den Krieg. In einem Titel würden zudem politisch links orientierte Personen diskriminiert. Indizierung des Tonträgers "Das letzte Gefecht" der Band SYMPHONIE DES BLUTES72 Als schwer jugendgefährdend stufte die BzKJ den im Vorjahr von der Band SYMPHONIE DES BLUTES herausgegebenen Tonträger "Das letzte Gefecht" ein, da er nach Einschätzung des Gremiums den Krieg und die Ideologie des Nationalsozialismus verherrliche, zu Gewalt und Rassenhass anstachle und Juden diskriminiere. Indizierung des Tonträgers "Neuer Deutscher Standard Sampler I" Eine weitere Entscheidung der BzKJ betraf im Berichtsjahr das Musiklabel NDS RECORDS. In insgesamt sechs Liedern des in Rede stehenden Samplers, an denen u. a. die Interpreten ALVA, PROTO und KAVALIER beteiligt waren, erkannte das Gremium einerseits die Diskriminierung homosexueller Menschen und Frauen sowie andererseits Inhalte, die zum Rassenhass anstachelten und die NS-Ideologie verherrlichten. So laute beispielsweise eine Zeile im Lied "NDS 4" diskriminierend: "Nehme ich die Homos an die Leine, sind die Hosenscheißer leise". Im Titel "Der letzte Germane" werde mit Formulierungen wie "Wir sehen schwarz, wir sehen rot, doch wir sehen kein Gold" die NS-Ideologie verherrlicht. So handele es sich bei dieser Textzeile um eine Anspielung auf die Nationalsozialisten, die nach ihrer Machtergreifung die Farbkombination schwarz-rot-gold als nationales Symbol abgeschafft und durch schwarzweiß-rot ersetzt hätten. Im Anschluss heiße es "(...) wir bringen das Land wieder hoch", wodurch in diesem Zusammenhang die NS-Zeit glorifiziert werde. Angelehnt an die Rassentheorie der Nationalsozialisten werde darüber hinaus im Lied "Der letzte Germane" der Deutsche, dessen Existenz bedroht sei, mit der Formulierung "blaue Augen, weiße Haut, königliche Adelsrasse" beschrieben: "In einem Land, wo das hier schon zur Frage steht, zielt es darauf ab, dass man die Rasse bald zu Grabe trägt". Das Ende des Nationalsozialismus werde mit den Worten "(...) Fick auf 45, wir tragen die Wunden schwer" bedauert. Im Titel "Arminius", der nach Einschätzung der BzKJ zum Rassenhass anstachle, werde ein angeblich bevorstehender Genozid der "weißen Rasse" beschrieben: "Wir sind längst im Krieg, jeden Tag folgt ein Toter / Aber scheißegal, solang die Opfer Weiße sind / denk mal drüber nach, sag wo geht diese Reise hin / Ja, der Zug rollt, Endstation Genozid." Im Text werde dazu aufgefordert, Nicht-Weiße aus Deutschland zu vertreiben: "Remigration, die Heimat der Standpunkt / Vereint überwinden wir Deutschen den Abgrund". Remigration meine nichts Anderes als die Deportation von Menschen, die nach Auffassung von 71 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2023, Seite 86 72 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2023, Seite 86 / 87 Seite 94 von 259 Rechtsextremisten aus ethnopluralistischen Gründen "nicht deutsch" seien und deshalb nicht nach Deutschland gehörten. Band INTIFADA wieder aktiv Nach einer langen Phase der Inaktivität war die sächsische rechtsextremistische Band INTIFADA im Berichtsjahr wieder aktiv. Sie wurde bereits im Jahr 2010 bekannt und beteiligte sich damals an verschiedenen rechtsextremistischen Konzerten in Sachsen. Der Vertrieb PC RECORDS73 gab im Berichtsjahr den Sampler "Solidarität VI" heraus. Dieser wurde - so die Beschreibung - anlässlich des Kampfes "einiger Projekte & Freunde" gegen "Repressionen, sei es durch Behörden, Gerichte oder andere staatliche Organisation" erstellt. Der Sampler enthält insgesamt 24 Titel namhafter rechtsextremistischer Gruppen. Die Band INTIFADA beteiligte sich an diesem Tonträger mit den Titeln "Intifada" und "Unsterblich". Im Titel "Intifada" bringt die Band deutlich ihre Zugehörigkeit zur rechtsextremistischen Szene ("Bewegung") und die Ablehnung des gegenwärtig existierenden Gesellschaftssystems der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ("Unser Deutschland ist nicht die BRD") zum Ausdruck. Im Lied "Intifada" heißt es: "Hallo, jetzt sind wir da, sozialistisch, aktivistisch, treu, Intifada ist unser Name, Recht und Freiheit ist unsere (...) Für ein Land mit Zukunft - spielen wir für deutsche Vernunft mit Schlagzeug und E-Gitarre, unsre Texte sind unsere Waffe. Intifada, wir regen uns auf, schreien unsre Texte laut heraus, gegen das Unrecht in diesem Land, dafür sind wir schon längst bekannt. Für die Bewegung, für unsre Sache, für das Recht und gegen die bunte Masse." "Unser Deutschland ist nicht die BRD, wir kämpfen gegen sie und verachten sie. Wir sagen die Wahrheit, du verbietest es. Doch wir wissen, du wirst bald untergehen."74 Im Lied "Unsterblich" nimmt die Band Bezug auf die neonationalsozialistische Kampagne der "Unsterblichen". Unter dieser Bezeichnung führten mit weißen Masken ausgestattete Rechtsextremisten öffentlich Fackelmärsche durch. Die Gruppierung "Spreelichter", die innerhalb der im Juni 2012 verbotenen "Widerstandsbewegung Südbrandenburg bestand, trat erstmals öffentlich derart in Erscheinung. Im Lied unterstellt die Band, dass es "einen Plan" gebe, Deutschland und die Deutschen zu vernichten und fordert den Hörer dazu auf, als Unsterblicher "mit uns gegen diese Lügen" zu kämpfen. Im Lied heißt es weiter: "Weiße Masken, einheitlich, für die Nachwelt unsterblich. Jeder soll sehen, dass du Deutscher warst. Dass es Deutschland auf dieser Erde gab. Dieses Denken, es ist nicht krank, denn der Plan geht Richtung Untergang. Öffne deine Augen und du wirst sehen, nach uns, wird hier alles untergehen. Unsere Geschichte, sie wird vernichtet, systematisch hingerichtet. Stopp mit uns diesen Wahnsinn." "Die Wahrheit zu sagen, dass ist nicht leicht. Ich weiß mein Freund, nicht in dieser Zeit. Werde unsterblich bis in alle Ewigkeit, die Nachwelt soll's wissen und alles erfahren. Es gab stolze Deutsche, voller Elan - voller Elan - ihre Zukunft zu retten und sich zu befreien von den Ketten. [...] Werde unsterblich und zeig wer du bist. Zeig allen, dass du ein Deutscher bist. Hab Mut zur Tat und schaufel nicht dein Grab, kämpf mit uns gegen diese Lügen und du wirst sehen, 73 vgl. Beitrag II.1.4.7 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 74 Schreibweise wie im Original Seite 95 von 259 sie werden sich fügen. Wir sind die guten in diesem Spiel, und nur mit der Wahrheit - mit der Wahrheit - gelangen wir ans Ziel." Fazit Das Aktionsniveau der rechtsextremistischen Musikszene im Freistaat Sachsen hat sich gegenüber dem Vorjahr erhöht. Zwar fanden im Berichtsjahr weniger Konzerte statt, jedoch konzentrierte sich die Szene stattdessen zunehmend auf kleinere Liederabende mit Solointerpreten. Sächsische Musikgruppen und Interpreten veröffentlichten überdies mehr neue Tonträger als im Vorjahr. Das Musiklabel NDS RECORDS setzte auch im Berichtsjahr seine Aktivitäten auf hohem Niveau fort und steigerte sein Produktionslevel. Im Unterschied zu den seit langem in der Szene etablierten rechtsextremistischen Bands, deren Musik oft geprägt ist von harten rhythmischen Klangmustern verbunden mit oft unverständlichem Gesang, hat die Musik von NDS RECORDS häufig eher Partycharakter und ist daher eher geeignet, sich ein breiteres Zuhörerspektrum auch außerhalb der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE zu erschließen. Auch die Verbreitung der Songs über das Internet bzw. über diverse Streamingdienste dürfte ausschlaggebend für die Entwicklung des Labels sowie für dessen Zuspruch bei jungen Menschen sein. Neben aktiven Musikgruppen, die jährlich auftreten bzw. an neuen Tonträgern arbeiten, existieren im Freistaat Sachsen nach wie vor auch Bands, die nur gelegentlich ein "Lebenszeichen" von sich geben. Das Beispiel der Band INTIFADA zeigt, dass auch jahrelang inaktive Musikgruppen plötzlich wieder von sich hören lassen. Bilanzierend hat das Berichtsjahr gezeigt, dass es für die rechtsextremistische Szene nach dem Wegfall ihrer sicheren "Bastion", des Objekts in Torgau OT Staupitz (Landkreis Nordsachsen), zunehmend schwerer wird, unbehelligt größere Konzerte durchführen zu können. Für die Organisatoren und Bands gehen behördliche Maßnahmen wie Verbote oder Auflösungen mit erheblichen finanziellen Einbußen einher. Zudem mussten sich die Konzertbesucher in diesem Zusammenhang mitunter polizeilichen Identitätsfeststellungen unterziehen. Zwar erhöhte sich die Anzahl der Liederabende und sonstigen Musikveranstaltungen, jedoch konnten an diesen kleineren und oftmals konspirativen Formaten u. a. aus räumlichen Gründen weniger Personen teilnehmen als an den vormals reichweitenstarken Konzerten mit nicht selten mehreren hundert Teilnehmern. In der Folge entgingen den Organisatoren und Bands auch dabei wesentliche finanzielle Einnahmen. Soweit Konzerte im Ausland mit rechtsextremistischen Bands oder Solointerpreten aus Sachsen stattfanden, ist es den Behörden vereinzelt gelungen, diese an der Ausreise zu hindern. Darüber hinaus waren auch Indizierungen seitens der BzKJ ein Beleg dafür, dass Behörden nicht nur ein wachsames Auge auf das hiesige Konzertgeschehen werfen, sondern ebenso intensiv rechtsextremistische Lieder hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf eine immer jünger werdende Fangemeinde prüfen - mit der Folge entsprechender Indizierungen. 1.4.7 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Die rechtsextremistische Vertriebsszene hat ihren Ursprung in der Skinheadszene, die als Jugendsubkultur in den 1980er und 1990er Jahren u. a. eine starke Nachfrage nach eigenen Musikstilen aufwies, welche damals im kommerziellen Handel nicht erhältlich waren. Die entstandenen Unternehmen richteten ihr Sortiment daher an den Bedürfnissen dieser Subkultur aus. So wurden und werden Textilien mit szenetypischen Aufdrucken (z. B. "I Seite 96 von 259 HTLR", "Adolf war der Beste"), Tonträger rechtsextremistischer Bands bzw. Liedermacher sowie andere szenerelevante Utensilien, wie z. B. Anstecker, Fahnen, Aufkleber und Plakate angeboten. Diese werden häufig mit rechtsextremistischen Symbolen gestaltet.75 Im Unterschied zu Vertrieben, deren Angebote überwiegend auf die Interessen der SUBKULTURELL GEPRÄGTEN RECHTSEXTREMISTISCHEN SZENE ausgerichtet sind, spricht das Sortiment einiger Unternehmen wiederum ausdrücklich die NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE an. Das Produktangebot dieser Vertriebe beinhaltet demnach größtenteils Publikationen bzw. Artikel mit explizit positivem Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. Um den kommerziellen Erfolg ihrer Tonträger nicht zu gefährden, sind die Produzenten in Bezug auf Liedtexte und CD-Gestaltung bestrebt, nicht gegen strafund jugendschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. So lassen sie Tonträger vor der Veröffentlichung häufig juristisch prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Jedoch entschied der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit im Falle eines damals bedeutenden Produzenten rechtsextremistischer Musik, dass von szenenahen Anwälten erstellte "Gefälligkeitsgutachten" keinen Freibrief darstellen und nicht vor strafrechtlicher Verfolgung schützen. In indizierten Tonträgern sind demnach gewaltbefürwortende und fremdenfeindlich/rassistisch geprägte Aussagen zu finden. Darüber hinaus enthalten Textpassagen oft einen positiven Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. So werden darin beispielsweise Institutionen und Funktionsträger dieser Zeit glorifiziert. Seit 2004 - damals existierten noch 22 Unternehmen - konnte ein permanenter Rückgang rechtsextremistischer Vertriebsunternehmen im Freistaat Sachsen festgestellt werden. Wesentliche Strukturveränderungen konnten im Jahr 2024 nicht festgestellt werden. Neben den bekannten Musiklabels FEINDKONTAKT PRODUKTION und PC RECORDS hat sich in Ostsachsen mit NDS RECORDS eine dritte rechtsextremistische Vertriebsorganisation in Sachsen etabliert, die selbst Tonträger produziert. Akteure von NDS RECORDS weisen Bezüge zur IDENTITÄREN BEWEGUNG (IB)76 auf. Während die beiden zuerst genannten Labels auf die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene ausgerichtet sind, war das Zielpublikum von NDS RECORDS anfangs eher im Spektrum der "Neuen Rechten" (z.B. IDENTITÄRE BEWEGUNG) zu finden. Seit 2023 kann anhand der Musikproduktionen und der Zusammenarbeit des Labels mit anderen rechtsextremistischen Strukturen bzw. Personen festgestellt werden, dass das Angebot nunmehr auch auf die SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTISCHE SZENE ausgerichtet ist. Das Spektrum der im Label mitwirkenden Interpreten verdeutlicht, dass sich NDS RECORDS zunehmend als eine Art Brücke zwischen dem klassisch rechtsextremistischen Spektrum und der "Neuen Rechten" etablieren will. Im Berichtsjahr zeigten insgesamt neun rechtsextremistische Vertriebe und zwei Verlage eine erkennbare Handelstätigkeit, wobei der Vertrieb SACHSEN-VERSAND (Chemnitz) zur Partei FREIE SACHSEN77 gehört und der Vertrieb FRONTDIENST (Riesa) ein Materialvertrieb der JUNGEN NATIONALISTEN78 ist. 75 Das LfV Sachsen hat hierzu eine Broschüre herausgegeben (Titel: "Rechtsextremistische Symbole: Augen auf! Sehen - Erkennen - Handeln"). Sie kann über die Internetseite www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. 76 vgl. Beitrag II.1.4.2 IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE 77 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN 78 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT Seite 97 von 259 Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen im Freistaat Sachsen Die aktivsten Versandhändler für rechtsextremistische bzw. szenetypische Produkte im Freistaat Sachsen Name: PC RECORDS Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Ladengeschäft, Online-Versand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft: Chemnitz aktiv seit: 2000 Sortiment: mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger, mit rechtsextremistischen Symbolen oder Losungen bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien Der Vertrieb PC RECORDS, der aus einem Ladengeschäft, einem Internet-Versand und einem Tonträger-Label besteht, ist in Sachsen der bedeutendste Produzent für rechtsextremistische Musikgruppen. Durchschnittlich stellt dieses Unternehmen etwa 20 neue Tonträger sowie ReEditionen pro Jahr her. Für das Berichtsjahr konnten 19 Produktionen festgestellt werden. Seite 98 von 259 Rund 400 Tonträger produzierte dieses Unternehmen bisher. Von diesen Produktionen hat die Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz (BzKJ) 94 Tonträger sowie zwei Filmproduktionen indiziert. Im Jahr 2024 traf die Indizierung den 2021 vom Unternehmen produzierten Tonträger "Überlebenskampf" der Band "Blutrein"79. Dieser enthält nach der Beurteilung der BzKJ mehrere Titel, die den Nationalsozialismus verherrlichen, ein Titel heizt zudem zum Rassenhass an. Das von PC RECORDS produzierte Sortiment umfasst vereinzelte Tonträger von Bands aus Sachsen, Werke von Musikgruppen aus anderen Ländern sowie Produktionen renommierter rechtsextremistischer Musikgruppen aus dem Ausland. So produzierte der Vertrieb im Jahr 2024 u. a. die Alben "No Need To Apologize" der finnischen Band "Mistreat", "No Regrets" der Band "London Breed" und "A Tribute to Peggior Amico" von "Bronson" aus Italien. Neben dem Internetshop für frei verkäufliche Tonträger werden von PC RECORDS auf einer separaten Internetseite unter der Bezeichnung "Hits vom Index" auch indizierte Produktionen angeboten. Durch die Produktion neuer Tonträger unterstützt PC RECORDS aktiv die rechtsextremistische Szene. Im Jahr 2024 erschien bei PC RECORDS zum Beispiel die sechste Auflage eines "Solidaritätssamplers" anlässlich des Kampfes "einiger Projekte & Freunde" gegen "Repressionen, sei es durch Behörden, Gerichte oder andere staatliche Organisation". Auch durch die Förderung und Organisation beispielsweise von Konzerten leistet dieser Vertrieb einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer aktiven rechtsextremistischen Szene im Freistaat Sachsen. Allerdings hat der Vertrieb offenbar mit einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen. Ein Mitarbeiter von PC RECORDS, der sich in einem Interview Anfang September auch als "Gesicht und Chef" des Vertriebes bezeichnete, führte im Internet zur aktuellen Situation aus, dass man allein von der Produktion von Tonträgern nicht leben könne. Die Kosten für die Produktion stiegen immer weiter an bei gleichzeitig sinkenden Verkaufszahlen. "Ich sag' mal 90 Prozent der Künstler, der Mainstream Künstler, die verdienen ihre Kohle mit den Konzerten. Da wird Geld verdient und nicht mit den CDs". Es fehle der Szene jedoch an Konzertobjekten. Kurze Zeit später verkündete der Vertrieb in einer Videobotschaft in den sozialen Medien, dass "nach über 20 Jahren" wegen gestiegener Kosten die Preise angehoben werden müssten. Um den Verkauf voranzutreiben, organisierte der Vertrieb im Jahr 2024 zwei Verkaufsveranstaltungen in Chemnitz. Sowohl anlässlich des "Sonderverkaufs" am 8. Juni als auch beim "Weihnachtsverkauf" am 7. Dezember präsentierten neben PC RECORDS weitere Vertriebe und Textilmarken ihre Produkte. Name: FEINDKONTAKT PRODUKTION Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Online-Versand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft / Inhaber: Lengenfeld (Vogtlandkreis) aktiv seit: 2015 79 vgl. Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2023, Seite 97 Seite 99 von 259 Sortiment: mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger eigener und fremder Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für rechtsextremistische Bands sowie weitere szenetypische Materialien Das Vertriebsunternehmen aus Lengenfeld (Vogtlandkreis) hat im Gegensatz zu PC RECORDS ausschließlich regionale Bedeutung. Es produziert zudem jährlich nur wenige Tonträger für die rechtsextremistische Szene, so beispielsweise im Berichtsjahr insgesamt drei Stück als CD bzw. LP. Das Onlineangebot des Unternehmens umfasst ein dementsprechendes Angebot. Name: NDS RECORDS Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Online-Versand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft / Inhaber: Steinigtwolmsdorf OT Weifa (Landkreis Bautzen) aktiv seit: 2021 Sortiment: Tonträger eigener Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für das eigene Label Mit dem Umzug des Rappers PROTOTYP80, der sich inzwischen nur noch PROTO nennt, nach Sachsen etablierte sich hierzulande ein Musikstil, der innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Freistaat bisher nicht festgestellt werden konnte und der insbesondere auch junge Menschen anspricht. Abweichend von der klassischen rechtsextremistischen Musikszene, die seit Jahren auf die Produktion und den Vertrieb von Tonträgern wie CDs, Schallplatten oder (eher selten) Kassetten setzt, sind die Musiker von NDS RECORDS überwiegend online aktiv. Auf Telegram-, Facebook-, YouTubeund Instagram-Kanälen werben die Musiker für ihre Produktionen. Sie produzieren begleitend zu ihren Alben Musikvideos, die über besagte Portale abrufbar sind, und bieten ihre Musik auch bei namhaften Online-Musikanbietern zum kostenpflichtigen Download an. Dadurch erzielen sie eine größere Reichweite. Zum engsten musikalischen Kreis gehört neben dem Geschäftsführer PROTO der Musiker KAVALIER81. Beide kannten sich aus der Zeit politischer Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen und haben einen Bezug zur IDENTITÄREN BEWEGUNG. Die Rapperin ALVA82 wirkte bis zum Sommer 2024 im Label mit, hat sich jedoch vom Unternehmen getrennt und ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegt. 80 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2022, Seite 92 81 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2022, Seite 97 82 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2023, Seite 88f Seite 100 von 259 Neben den beiden oben genannten Musikern wirken zudem der rechtsextremistische Rapper MAKSS DAMAGE83 (Thüringen) sowie zwei Musiker aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachen bei Musikproduktionen des Labels mit. Zudem nutzt NDS RECORDS bei verschiedenen Musikvideos Mitglieder bzw. Anhänger regionaler rechtsextremistischer Gruppierungen, wie beispielsweise der Partei DER DRITTE W EG oder der ELBLANDREVOLTE84 als Statisten. NDS RECORDS produzierte im Jahr 2024 die Tonträger "Staatsfeind", "Einer von uns", "Flächenbrand" sowie "Krawalna". Zudem veröffentlichte das Label auf Youtube 22 Musikvideos. Darüber hinaus traten Musiker des Labels im Berichtsjahr auf sog. "Abschiebehauptmeisterpartys" live auf. Hintergrund und Namensgeber dieser Veranstaltung ist ein fremdenfeindliches Musikvideo des Labels von April mit der Bezeichnung "Abschiebehauptmeister". Im Freistaat Sachsen veranstaltete NDS RECORDS am 28. Juni 2024 in Coswig eine "Abschiebehauptmeisterparty" mit 152 Teilnehmern. Da das genutzte Objekt nicht für derartige Veranstaltungen zugelassen war, löste die Polizei diese Veranstaltung auf. Den vom Label produzierten Tonträger "Neuer Deutscher Standard Sampler I" indizierte die "Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz" (BzKJ). Er enthält nach Einschätzung dieser Institution mehrere Titel, welche die NS-Ideologie verherrlichen, Frauen und homosexuelle Menschen diskriminieren und zum Rassenhass anreizen. Name: NATION UND WISSEN Typ: Verlag mit angeschlossenem Vertrieb Sitz bzw. Herkunft / Inhaber: Riesa (Landkreis Meißen) aktiv seit: 2011 Sortiment: umfangreiches Büchersortiment insbesondere mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus; Tonträger von rechtsextremistischen Musikgruppen Mit dem der Partei DIE HEIMAT zuzurechnenden DEUTSCHE STIMME VERLAG85 und dem Verlag NATION UND W ISSEN existieren im Freistaat Sachsen zwei rechtsextremistische Verlage. Während sich der DEUTSCHE STIMME VERLAG überwiegend mit der Erstellung des Parteiorgans DEUTSCHE STIMME befasst, produziert der Verlag NATION UND W ISSEN u. a. zahlreiche Bücher, die inhaltliche Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges aufweisen. Diese Bücher werden über den angeschlossenen Online-Vertrieb zum Kauf angeboten. 83 vgl. Verfassungsschutzbericht Thüringen 2016, Seite 68f 84 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT 85 vgl. Beitrag II.1.3.2 DIE HEIMAT Seite 101 von 259 1.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus Im Berichtsjahr sind rechtsextremistisch motivierte Anschläge ausgeblieben. Dennoch besteht nach wie vor eine abstrakte Gefährdungslage, die sich im Berichtsjahr in der Festnahme von acht mutmaßlichen Mitgliedern der rechtsterroristischen Vereinigung "Sächsische Separatisten" Anfang November niederschlug. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) wirft den Beschuldigten vor, sich in einer inländischen terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt zu haben (SS 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Demnach handelt es sich bei den "Sächsischen Separatisten" um eine aus 15 bis 20 Personen bestehende militante Gruppierung, die spätestens seit November 2020 bestand. Ihre ideologische Ausrichtung steht beispielhaft für rechtsextremistische Akzelerationisten86 sowie Anhänger der sog. "Siege"-Ideologie87 (englisch: Belagerung). Sie eint ihre zutiefst rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen, die sich in der Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung manifestieren. Aus Sicht der "Sächsischen Separatisten" stünde Deutschland vor dem "Kollaps", der an einem noch zeitlich unbestimmten "Tag X" in einen staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch münden würde. Ziel der rechtsterroristischen Vereinigung sei es, genau zu diesem Zeitpunkt Gebiete in Sachsen und ggf. anderen ostdeutschen Bundesländern mit Waffengewalt zu erobern und ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staatsund Gesellschaftswesen zu errichten. Unerwünschte Menschengruppen sollten notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Region entfernt werden. Seit ihrer Gründung bereitete sich die Gruppierung u. a. mit paramilitärischen Trainings in Kampfausrüstung auf den aus ihrer Sicht unausweichlichen Systemsturz vor. Dabei standen vorrangig der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen sowie Nachtund Gewaltmärsche bzw. Patrouillengänge im Mittelpunkt. Darüber hinaus beschafften sich die "Sächsischen Separatisten" militärische Ausrüstungsgegenstände, wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Ferner wurde die Strafverfolgung im Fall der rechtsterroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im Berichtsjahr fortgesetzt. Die Anklage des GBA gegen Susann E. wegen des Vorwurfes, sie habe die Vereinigung ab September 2008 unterstützt, wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden lediglich hinsichtlich der Beihilfe zu einem Banküberfall (besonders schwere räuberische Erpressung) zur Hauptverhandlung zugelassen und an das Landgericht Zwickau verwiesen. Nach Auffassung des OLG sei es unwahrscheinlich, dass Susann E. nachgewiesen werden könne, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Unterstützungshandlungen von den Morden des NSU gewusst habe. Eine Verurteilung wegen dieses Tatvorwurfs sei demzufolge unwahrscheinlich und rechtfertige nicht die Eröffnung eines Verfahrens. 86 Rechtsextremistische Akzelerationisten gehen davon aus, dass die westlichen Demokratien ohnehin vor einem Zusammenbruch stehen und ein "Rassenkrieg" unausweichlich sei. Durch Angriffe auf Juden oder Nicht-Weiße (insbesondere muslimische Einwanderer) soll eine Gewaltspirale von Reaktion und Gegenreaktion ausgelöst werden und der erwartete Zusammenbruch herbeigeführt werden. 87 Dabei handelt es sich um eine rechtsextremistische Interpretation des Akzelerationismus, die auf den gleichnamigen Titel einer Textsammlung eines US-amerikanischen Rechtsextremisten aus den 1980er-Jahren zurückgeht. Sie beinhaltet neben ideologischen Grundlagen, wie Rassismus, Antisemitismus oder der Theorie der vermeintlichen Überlegenheit der "weißen Rasse" ("White Supremacy") auch detaillierte Beschreibungen möglicher Anschlagsziele sowie operativer Vorbereitungen für terroristische Taten. Seite 102 von 259 Dennoch besteht der hinreichende Verdacht, dass die Angeklagte vor dem Hintergrund ihrer allgemeinen Kenntnis von durch NSU-Mitglieder begangenen Banküberfällen bei der Abholung eines Wohnmobils im Oktober 2011 billigend in Kauf genommen hat, dass sie damit Hilfe zu einem Banküberfall leistet. Dieser erfolgte unter Nutzung des Wohnmobils am 4. November 2011. Rechtsextremistische Ideologieelemente, darunter Verschwörungstheorien und Vernichtungsphantasien in Bezug auf andere Ethnien, spielen auch bei anderen Akteuren im Freistaat Sachsen eine wichtige Rolle und können unter Umständen den Nährboden für Gewalt und Terrorismus bilden. Rechtsextremisten finden dabei im virtuellen Raum verschiedene Aspekte, die sie unreflektiert zu ihrer eigenen verfassungsfeindlichen Agenda zusammensetzen können. Als Quintessenz steht oft das proklamierte Recht auf Widerstand und der Anspruch, stellvertretend für einen großen, ungehörten Teil der Bevölkerung zu handeln. Hinzu kommt eine hohe Waffenaffinität von Rechtsextremisten. Des Weiteren wird Militanz gegen den vermeintlichen politischen Gegner innerhalb der rechtsextremistischen Szene nach wie vor als legitimes Mittel zur Durchsetzung der politischen Ziele propagiert. Dazu trainieren Rechtsextremisten auch im Bereich des Kampfsportes. Um sich behördlichen Eingriffsmöglichkeiten sowie staatlichen Maßnahmen zu entziehen, findet dieses Training oftmals in "unpolitischen" Fitnessstudios statt. Vereinzelt beteiligten sie sich im Berichtsjahr jedoch auch als Kämpfer an "unpolitischen" Kampfsportveranstaltungen im Freistaat Sachsen. Aufgrund der internationalen Vernetzung der rechtsextremistischen Kampfsportszene, geht das LfV Sachsen davon aus, dass weiterhin entsprechende Großveranstaltungen auch im Ausland stattfinden werden, wie beispielsweise im Jahr 2023 in Ungarn und Frankreich. Nach wie vor ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass die rechtsextremistische Kampfsportszene möglicherweise künftig auch auf eigene klandestin organisierte Veranstaltungen im kleineren Rahmen ausweichen wird. 1.6 Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien88 Immobilien haben eine essentielle Bedeutung für die rechtsextremistische Szene. Entweder stehen die Objekte im Eigentum von Rechtsextremisten, oder aber diese schließen Mietverträge für eine langfristige Nutzung von Immobilien ab. In den "eigenen vier Wänden" leben sie ihre verfassungsfeindliche Ideologie ungestört aus, können auf unkomplizierte Weise regelmäßig zusammenkommen und Veranstaltungen, wie beispielsweise Konzerte, ausrichten. Immobilien sind somit "Rückzugsorte" für Rechtsextremisten, können aber auch offensiv genutzt werden. So dienen zentral gelegene Büros rechtsextremistischer Parteien dazu, im öffentlichen Raum auf die Partei aufmerksam zu machen und eine feste Anlaufstelle für Mitglieder und Interessenten zu sein. Grundsätzlich sind Rechtsextremisten aber bestrebt, Immobilien nach Möglichkeit außerhalb urbaner Zentren zu erwerben. Vor allem in Ostdeutschland und demzufolge auch im Freistaat Sachsen finden sie nicht selten langjährig leerstehende Gebäude in ländlicher Abgeschiedenheit, die sie unter Umständen über Strohmänner von privater Hand preiswert erwerben, herrichten und dann entsprechend ihrer verfassungsfeindlichen Agenda nutzen. 88 Entsprechend einer bundesweit im Verfassungsschutzverbund abgestimmten verbindlichen Definition gelten diejenigen Immobilien als "rechtsextremistisch genutzte Immobilien", bei denen eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit durch Eigentumsoder Besitzverhältnis oder durch ein Kennund Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen besteht. Voraussetzung ist zudem eine politisch zielund zweckgerichtete wiederkehrende Nutzung. Seite 103 von 259 Da in den meisten Mietund Kaufobjekten diverse interne oder externe Veranstaltungen stattfinden, dienen Immobilien insbesondere der Finanzierung der Szene. Der Immobilienbesitz ist nicht nur ein Statussymbol, sondern auch ein fester Bestandteil eines szeneinternen Finanzund Wirtschaftskreislaufs, ohne den Rechtsextremisten entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt in die Gesellschaft hineinwirken könnten. Durch interne Veranstaltungen binden Rechtsextremisten Mitglieder und Anhänger, die Beiträge oder ggf. Spenden entrichten, an sich. Damit ist langfristig für regelmäßige Einnahmen gesorgt. Bei externen Veranstaltungen - beispielsweise Konzerten - müssen Besucher nicht nur Eintrittsgelder entrichten. Zumeist werden in den Objekten Tonträger und MerchandisingArtikel verkauft. Die erzielten Einnahmen sorgen ebenfalls für einen beständigen Geldfluss innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Landkreis / Anzahl89 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte im Kreisfreie dort Jahr 2024 Stadt vorhandenen Objekte90 Landkreis 3 Bautzen: Clubhaus der dauerhafte Nutzung Bautzen ARYAN BROTHERHOOD EASTSIDE (ABE) dauerhafte Nutzung Hoyerswerda: Objekt der BLACK DEVILS Steinigtwolmsdorf, OT dauerhafte Nutzung, Weifa: Sitz von NDS Privatobjekt mit RECORDS Tonstudio Landkreis 3 Zittau: Vereinshaus des dauerhafte Nutzung, Görlitz NATIONALEN JUGENDBLOCKS u. a. Nutzung für E.V. Musikveranstaltung Mücka: Objekt der dauerhafte Nutzung BRIGADE 8 Niesky: Objekt der dauerhafte Nutzung SCHLESISCHEN JUNGS Landkreis 1 Riesa: Sitz der DEUTSCHE dauerhafte Nutzung Meißen STIMME VERLAGSGESELLSCHAFT MBH, der Landesgeschäftsstelle der Partei DIE HEIMAT, der JNBundesgeschäftsstelle und der JN-Landesgeschäftsstelle 89 Aus Gründen des Geheimschutzes dürfen nicht alle dem LfV Sachsen einschlägig bekannt gewordenen Immobilien öffentlich konkret benannt werden. Die in der entsprechenden Spalte genannte Gesamtzahl der Immobilien eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt kann daher von der nebenstehenden Spalte "Sitz der Objekte" abweichen. In Einzelfällen wird aus demselben Grund auf die Nennung des konkreten Ortes einer Immobilie oder der Details zur Nutzung verzichtet. 90 Darüber hinaus nutzten Rechtsextremisten anlassbezogen öffentliche Gaststätten für Treffen und Vortragsveranstaltungen. Seite 104 von 259 Landkreis / Anzahl89 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte im Kreisfreie dort Jahr 2024 Stadt vorhandenen Objekte90 Landkreis 6 Döbeln: Büroräume der dauerhafte Nutzung Mittelsachsen JUNGEN NATIONALISTEN (JN) Hartmannsdorf anlassbezogene Nutzung eines Objekts für Veranstaltungen Geringswalde OT Arras anlassbezogene Nutzung eines Objektes für Veranstaltungen Leubsdorf, OT anlassbezogene Nutzung Schellenberg für Musikveranstaltungen Landkreis 5 Pirna: "Haus Montag" dauerhafte Nutzung Sächsische SchweizPirna: "Klub 451" dauerhafte Nutzung Osterzgebirge Nutzungsuntersagung u. a. für öffentliche Veranstaltungen Freital anlassbezogene Nutzung Altenberg OT Liebenau anlassbezogene Nutzung Erzgebirgskreis 3 Oelsnitz/Erzgeb. anlassbezogene Nutzung Aue-Bad Schlema: anlassbezogene Nutzung "Sachsentreff zum u. a. durch FREIE Kronprinz" SACHSEN sowie für Musikveranstaltungen Auerbach anlassbezogene Nutzung für Musikveranstaltungen Landkreis 3 Grimma, OT Roda anlassbezogene Nutzung Leipzig Vogtlandkreis 1 Plauen: dauerhafte Nutzung91 Büro der Partei DER DRITTE WEG 91 Mit der Bitte um Beachtung der Ausführungen im Beitrag II.1.3.1 DER DRITTE W EG Seite 105 von 259 Landkreis / Anzahl89 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte im Kreisfreie dort Jahr 2024 Stadt vorhandenen Objekte90 Landkreis 4 Zwickau: dauerhafte Nutzung Zwickau Objekt der Partei DER DRITTE W EG Bernsdorf (Objekt 1) anlassbezogene Nutzung für Veranstaltungen/ Treffen Bernsdorf (Objekt 2) anlassbezogene Nutzung für Veranstaltungen/ Treffen Stadt Chemnitz 5 Sitz eines dauerhafte Nutzung Vertriebsunternehmens mit Szeneladen Bürgerbüro von PRO dauerhafte Nutzung CHEMNITZ / Sitz der Partei FREIE SACHSEN Wohnund Treffobjekt dauerhafte Nutzung durch parteiungebundene Rechtsextremisten IB-Zentrum Chemnitz dauerhafte Nutzung Stadt Dresden 1 Stadt Leipzig 2 Veranstaltungsobjekt / Nutzung u. a. durch Gewerbeobjekt parteiungebundene Rechtsextremisten Seite 106 von 259 1.7 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Rechtsextremistische Straftaten insgesamt 4500 3919 4000 3500 3000 2566 Straftaten, davon: 2500 gegen den polit. Gegner 2000 1816 1709 fremdenfeindlich 1500 983 antisemitisch 1000 712 563 500 252396 394 222 199 197 97 0 2021 2022 2023 2024 Die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im Berichtsjahr erneut stark angestiegen. Insbesondere die darin enthaltene Zahl der Straftaten gegen den politischen Gegner stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Doppelte an. Die fremdenfeindlichen Straftaten nahmen ebenfalls zu und übertrafen deutlich den bisherigen Höchstwert von 784 im Jahr 2015. So wuchs der Wert von 712 aus 2023 in 2024 auf 983 an. Zudem stiegen Propagandadelikte, wie beispielsweise das Verbreiten und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, sowie Volksverhetzungsdelikte gegenüber dem Vorjahr nochmals erheblich an und machten mit 83,5 % (3.271 Straftaten) wie in den Vorjahren den weit überwiegenden Teil der rechtsextremistischen Straftaten aus (2023: 73 %, 1.873 Straftaten). Auch vor dem Hintergrund des weiter bestehenden Nahostkonflikts blieben die antisemitischen Straftaten mit Extremismusbezug im Bereich Rechtsextremismus mit 197 im Jahr 2024 gegenüber 199 im Jahr 2023 auf gleichem Niveau. Darunter machten die Gewaltstraftaten mit zwei Straftaten im Berichtsjahr und einer im Jahr 2023 einen äußerst geringen Anteil aus. Im Berichtsjahr waren folgende, besonders schwerwiegende rechtsextremistische Straftaten zu verzeichnen: Ein Europaabgeordneter der SPD wurde im Rahmen des Wahlkampfes zur Europawahl am 3. Mai in Dresden nachts beim Aufhängen von Wahlplakaten von mehreren jungen Männern niedergeschlagen und schwer verletzt. Zwei Mitglieder der Partei FREIE SACHSEN begingen bei den Kommunalund den Landtagswahlen Wahlfälschung, indem sie Briefwahlstimmzettel manipulierten. Beide Personen versuchten darüber hinaus, eine leerstehende Schule in Dresden in Brand zu setzen. Das Gebäude sollte als Asylbewerberunterkunft genutzt werden. Die Bundesanwaltschaft hat am 5. November auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes acht Personen festnehmen lassen. Die festgenommenen Beschuldigten waren dringend verdächtig, sich in einer inländischen Seite 107 von 259 terroristischen Vereiniging namens "Sächsische Separatisten" mitgliedschaftlich betätigt zu haben (SS 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).92 Zudem gab es weitere Brandstiftungen an bestehenden oder geplanten Asylbewerberunterkünften. Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dazu waren zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht abgeschlossen. Rechtsextremistische Gewalttaten93 als Teilmenge der Straftaten 120 109 100 81 80 69 62 Gewalttaten, davon: 58 60 gegen den polit. Gegner 41 fremdenfeindlich 40 33 33 27 21 19 18 20 0 2021 2022 2023 2024 Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten ist im Vergleich zum Vorjahr um fast 58 % gestiegen. Nach einem Rückgang in den zweistelligen Bereich im Zeitraum 2019 bis 2023 (2018: 138), waren die Zahlen im Berichtsjahr erstmals wieder im dreistelligen Bereich. Der prozentuale Anteil der Gewalttaten am Gesamtaufkommen der rechtsextremistischen Straftaten belief sich auf 2,8 % und hat sich damit gemessen an der Steigerung der absoluten Zahlen kaum verändert (2022: 3,4 %, 2023: 2,7 %). Vor dem Hintergrund, dass die Asylthematik für Rechtsextremisten unverändert eine hohe Bedeutung hat und im Berichtsjahr aufgrund der Wahlkämpfe zu den Europa-, Kommunalund Landtagswahlen sowie wegen diverser Anschläge zudem eine zentrale Rolle in der Öffentlichkeit einnahm, stieg nach Einschätzung des LfV Sachsen auch die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten an. Deren Anteil an allen Gewaltstraftaten sank zwar leicht auf wieder 57 % (2022: 57 %, 2023: 59 %) Absolut erhöhte er sich jedoch um ein Drittel. Rechtsextremistische Aggression entlädt sich primär durch körperliche Gewalt gegen andere Menschen, überproportional jedoch gegenüber ausländischen bzw. als "nichtdeutsch" wahrgenommenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Aufteilung nach Landkreisen und kreisfreien Städten 92 Weitere Informationen über die "Sächsischen Separatisten" enthält das Kapitel 1.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. 93 Politisch motivierte Gewaltkriminalität ist die Teilmenge der Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lässt. Sie umfasst u. a. Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandund Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch und Widerstandsdelikte; siehe hierzu unter www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKrechts/PMKrechts_node.html (Stand: 2. April 2025) Seite 108 von 259 rechtsextremistische darunter Gewalttaten Straftaten 2022 2023 2024 2022 2023 2024 Leipzig (Stadt) 228 347 556 12 16 25 Dresden (Stadt) 245 378 500 14 17 17 Chemnitz (Stadt) 116 183 227 5 7 4 Vogtlandkreis 97 108 224 1 0 2 Lkr. Zwickau 164 275 441 4 8 14 Erzgebirgskreis 118 156 201 0 3 3 Lkr. Mittelsachsen 100 180 233 1 2 1 Lkr. Meißen 81 109 220 2 1 6 Lkr. Sächs. Schweiz111 122 234 2 2 5 Osterzgebirge Lkr. Bautzen 139 194 350 10 3 16 Lkr. Görlitz 88 154 270 1 0 4 Lkr. Leipzig 120 188 262 1 6 7 Lkr. Nordsachsen 102 172 201 5 4 5 Freistaat Sachsen 1.709 2.566 3.919 58 69 109 Seite 109 von 259 2. REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER Erneuter Anstieg des Personenpotenzials Landkreis Bautzen und Erzgebirgskreis stellen neben Dresden REICHSBÜRGER-Hotspots dar; die Szene konzentriert sich weiterhin vorrangig im ländlichen Raum REICHSBÜRGER-Gruppierung KÖNIGREICH DEUTSCHLAND baute Aktivitäten in Sachsen aus, stand aber zugleich im Fokus behördlicher Maßnahmen Anteil der Rechtsextremisten nach wie vor niedrig Weiterhin erhöhtes Gefährdungspotenzial durch einzelne, verschwörungstheoretisch geprägte REICHSBÜRGER Hohe Waffenaffinität dieser heterogenen Szene Seite 110 von 259 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER94 sind seit dem 1. Dezember 2016 ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes und damit auch des LfV Sachsen. Sie lehnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Institutionen und ihres Rechtssystems ab. Folglich sprechen sie den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder negieren die geltende Rechtsordnung. Neben den sog. REICHSBÜRGERN, die sich dem "Deutschen Reich" zugehörig fühlen, gibt es auch Personen, die sich als SELBSTVERWALTER bezeichnen und aus anderen Gründen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen. Typisch für sie sind z. B. selbst erklärte "Austritte" aus der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit der Erklärung der administrativen und rechtlichen Autonomie. So definieren SELBSTVERWALTER z. B. ihr Grundstück oder ihr Haus als souveränes Staatsgebiet und markieren es durch eine (Grenz-) Linie. Die ausgesprochen heterogene Szene der REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER handelt aus sehr unterschiedlicher Motivation. Dementsprechend variieren auch die jeweiligen Rechtfertigungsmuster. Teile der Szene berufen sich auf das historische Deutsche Reich, andere hängen Verschwörungstheorien an oder machen ein selbst definiertes Naturrecht geltend. Wiederum andere sehen ihre ehemalige DDR-Staatsbürgerschaft als nach wie vor gültig an. Wenngleich Ähnlichkeiten mit Argumentationsmustern von Rechtsextremisten bestehen, ist bei Weitem nicht jeder REICHSBÜRGER oder SELBSTVERWALTER ein Rechtsextremist. Mit Blick auf den vorhandenen Geschichtsrevisionismus werden aber bestimmte szeneübergreifende Ideologiebestandteile sichtbar, wie Antisemitismus oder Nationalismus. Die Szene zeichnet sich mitunter auch durch eine hohe Waffenaffinität aus und trat in den vergangenen Jahren u. a. mit (gewalttätigen) Aktionen gegen Polizeibeamte und Gerichtsvollzieher in Erscheinung. 2.2 Strategie REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER suchen regelmäßig die Auseinandersetzung mit der öffentlichen Verwaltung und versuchen, das Verwaltungshandeln der Bundesrepublik, deren Existenz sie negieren, zu behindern. Dabei "fluten" sie Behörden und Gerichte mit umfangreichen Schreiben, die sie sich häufig aus dem Internet beschaffen. Im Falle der persönlichen Begegnung schrecken sie nicht vor Beleidigungen, Bedrohungen und Handgreiflichkeiten zurück. Folgende grundsätzlich übereinstimmende Argumentationsmuster und strategische Vorgehensweisen lassen sich identifizieren: 1. Sie gründen Fantasiestaaten und proklamieren ihre Selbstverwaltung. Mit der Abgabe des Personalausweises bringen sie zum Ausdruck, dass sie die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Vielmehr handele es sich dabei um eine "BRD-GmbH", und die Bevölkerung sei deren "Personal". 94 "Selbstverwalter" sind Personen, die sich als "staatenlos" definieren und auf dieser Grundlage die Zuständigkeit der staatlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland bestreiten. Oft gründen sie eigene Pseudo-Staaten, die sie dann als "souveräne" Subjekte des Völkerrechts darstellen, über welche sie "auf Augenhöhe" mit anderen Staaten, wie der Bundesrepublik Deutschland, in politische Beziehungen treten könnten. Seite 111 von 259 2. Häufig wird auf die angeblich rein privatrechtliche Beziehung zwischen Bürger und Behörde verwiesen. Daher sei eine einseitige "Kündigung" jederzeit möglich und legitim. 3. Die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises ("Gelber Schein") mit Verweis auf das Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (RuStAG) sowie auf die angebliche Abstammung aus einem ehemaligen Gliedstaat des Deutschen Reiches (Bundesstaat Sachsen, Königreich Preußen etc.) ist ein zentrales Anliegen vieler REICHSBÜRGER. Sie sind der Auffassung, dass alle Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht seit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1918 keinen Bestand hätten, da von diesem Zeitpunkt an kein rechtmäßiger Staat mehr existiert habe. Insoweit beruft man sich in Argumentationen immer noch auf die Reichsverfassung von 1871. 4. Andere stellen eine offizielle Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Abrede. So habe es lediglich eine Kapitulation der deutschen Wehrmacht, jedoch keine offizielle des Deutschen Reiches gegeben. Außerdem werden verschiedenste internationale Dokumente angeführt, die entweder gegen ihren eigentlichen Aussagesinn gedeutet oder in einen anderen, vollkommen sachfremden Zusammenhang gestellt werden. 5. Die deutsche Wiedervereinigung habe ebenfalls keine Gültigkeit, da das Grundgesetz nicht dem deutschen Volk zur Abstimmung vorgelegt worden sei. Der "Zwei plus Vier"Vertrag sei deswegen unrechtmäßig, so dass nach wie vor Besatzungsrecht gelte. 6. Häufig werden auch Ansprüche nach Artikel 55 der Haager Landkriegsordnung (HLKO) geltend gemacht. Zwischen 1907 und 1910 seien mit der HLKO letztmalig die Regeln des Krieges und der Besatzung durch souveräne Staaten festgelegt worden. Weil daraufhin aber immer mehr Staaten vom Staatsin das Handelsrecht gewechselt seien (REICHSBÜRGER bezeichnen deshalb die Bundesrepublik Deutschland gern als "BRDGmbH") und ein Frieden nur von souveränen Staaten ausgehandelt werden könne, gelte nach wie vor die HLKO. Mit dieser Begründung werden in der Regel unverhältnismäßig hohe finanzielle "Schadensersatzansprüche" geltend gemacht. 7. Gängig ist auch die Erklärung zur "Natürlichen Person", die nicht mehr Teil der "Staatskonstrukte" sei. Dies drückt sich beispielsweise in der Verwendung von Namenseinschüben, wie Gert "aus der Familie" Mustermann, aus. 2.3 Personenpotenzial Der sehr heterogenen Szene der REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER im Freistaat Sachsen wurden im Berichtsjahr 3.100 Personen zugerechnet. Das sind 100 Personen mehr als im Berichtsjahr 2023. Der Anteil der Rechtsextremisten innerhalb dieses Spektrums betrug 2,9 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben. Das LfV Sachsen hat im Jahr 2024 in 30 Fällen Erkenntnisse zu REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN an die Waffenbehörden übermittelt. Im Berichtszeitraum nahm die Zahl der Personen, die der Szene der REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER zugerechnet werden, erneut zu. Dieser erneute Anstieg ist eng mit der Ansiedlung bzw. der weiteren Ausbreitung des KÖNIGREICHS DEUTSCHLAND im Freistaat Sachsen verknüpft. Im Zuge der intensiven Zusammenarbeit zwischen dem LfV Sachsen und Behörden in den Kommunen sowie auf Landesund Bundesebene wird die Aufklärung der Szene fortwährend verbessert und das Dunkelfeld dadurch weiter erhellt. Seite 112 von 259 Die soziodemographische Struktur der Szene weist im Vergleich zu anderen extremistischen Phänomenbereichen Besonderheiten auf. So ist der Frauenanteil mit ca. 38 Prozent verhältnismäßig hoch und weiter zunehmend. Wegen des deutlich höheren Altersdurchschnitts von rund 50 Jahren wird bei REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN auch von einer "Radikalisierung in der zweiten Lebenshälfte" gesprochen. Die Beweggründe von Menschen, sich den REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN anzuschließen, sind sehr unterschiedlich. Für manche liegt die Ursache beispielsweise in Problemen mit den Behörden und daraus folgenden finanziellen Zwangssituationen. In der Folge negieren sie die Legitimität ihres Gegenübers und versuchen so, einer Zwangsvollstreckung oder anderen staatlichen Maßnahmen zu entgehen. Für andere geht es aber auch um das eigene Selbstbild. Viele REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER werten sich selbst durch fiktive Titel wie "König" oder "Reichskanzler" auf. Bei der Flutung von Behörden mit reichsbürgertypischen Schreiben, in denen behördliche Befugnisse - z. B. wegen vermeintlicher Nichtexistenz der Bundesrepublik - negiert werden, geht es oft nicht darum, sein Gegenüber mit Argumenten zu überzeugen, sondern um das starke Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Selbstidentifikation. Es handelt sich vorliegend also um ein sehr heterogenes Personenpotenzial, das sich aus unterschiedlichen Gründen vom Verfassungsstaat abwendet. 2.4 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Grundsätzlich sind REICHSBÜRGER weniger in Strukturen organisiert, sondern agieren als Einzelpersonen. Neben der Landeshauptstadt Dresden und dem Landkreis Bautzen entwickelte sich im Berichtsjahr auch der Erzgebirgskreis zu einem "REICHSBÜRGER-Hotspot". Ohnehin konzentriert sich die Szene vorrangig im ländlichen Raum. Lediglich in den Landkreisen Nordsachsen und Zwickau sowie in der kreisfreien Stadt Chemnitz sind REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER weniger verbreitet. Die nachfolgende Aufführung berücksichtigt die im Freistaat Sachsen im Berichtsjahr aktiv gewesenen Reichsbürgergruppierungen: KÖNIGREICH DEUTSCHLAND (KRD) Sitz / Verbreitung Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) aktuell behördlicherseits beschlagnahmt und versiegelt Kanzleilehngut Halsbrücke (Landkreis Mittelsachsen) Wolfsgrüner Schlösschen in Eibenstock OT Wolfsgrün (Erzgebirgskreis) - aktuell behördlicherseits beschlagnahmt und versiegelt Schloss Bärwalde in Boxberg OT Bärwalde (Landkreis Görlitz) - aktuell behördlicherseits beschlagnahmt und versiegelt Gründung Im Jahr 2009 gründete Peter FITZEK den Verein "NeuDeutschland". Er tritt seit 2012 als "König" des KÖNIGREICHS DEUTSCHLAND (KRD) in Erscheinung. In Sachsen ist das KRD seit April 2021 aktiv. Seite 113 von 259 Vorsitz Peter FITZEK Internetauftritte Internetseite des KÖNIGREICHS DEUTSCHLAND Social Media-Kanäle (YOUTUBE, TELEGRAM, eigener Kanal "KRDTUBE") Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung ca. 5.000 (Eigenangaben) In Sachsen ca. 300 In Sachsen ca. 150 bis Mitglieder 200 Mitglieder Kurzportrait / Ziele Gemeinsam mit seinen Anhängern leugnet Peter FITZEK die geltende Rechtsund Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Er bezeichnet diese Ordnung als "destruktiv". Das KRD will insbesondere mit seinen sog. "Gemeinwohldörfern" pseudo-legitimierte Parallelstrukturen zu den staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland aufbauen. So sollen sog. "GemeinwohlKassen" beispielsweise das Bankensystem ersetzen und sog. "GesundheitsKassen" als Krankenkassen in der Parallelwelt des KRD fungieren. Zugleich dienen diese "Institutionen" maßgeblich der Finanzierung des KRD. Ziel des KRD ist die Loslösung von dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Steuerund Finanzwesen bzw. dem sozialen Sicherungssystem sowie die Errichtung eines eigenen Staatsgebietes. Um seine Ziele zu erreichen, ist Peter FITZEK auf die Ersparnisse bzw. Finanzeinlagen der KRD-Mitglieder und/oder Bewohner der "Gemeinwohldörfer" angewiesen. Relevante Ereignisse und In einem Ermittlungsverfahren der StaatsEntwicklungen 2024 anwaltschaft Dresden fanden am 29. November 2023 in acht Objekten in Sachsen, SachsenAnhalt, Brandenburg und Hessen Exekutivmaßnahmen statt. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen eine Vielzahl von Beschuldigten. Ihnen wird vorgeworfen, eine Krankenkasse gegründet und seit mindestens 2021 betrieben zu haben, ohne über die dazu erforderliche aufsichtsrechtliche Genehmigung zu verfügen. Außerdem sollen sie unerlaubte Bankgeschäfte getätigt haben. In diesem Zusammenhang wurden u. a. die Schlösser des KRD im Freistaat Sachsen durchsucht. Seite 114 von 259 Im Ergebnis dessen wurden das Schloss Bärwalde in Boxberg OT Bärwalde (Landkreis Görlitz) sowie das Schloss Wolfsgrün in Eibenstock OT Wolfsgrün (Erzgebirgskreis) u. a. durch die BaFin beschlagnahmt und versiegelt und stehen dem KRD seitdem nicht mehr zur Verfügung. Am 14. September wurde der "Tag der offenen Tür" im Kanzleilehngut Halsbrücke durch die Gemeinde untersagt und mit Unterstützung der Polizei damit verhindert. Am 2. November fand der "Tag der offenen Tür" im Kanzleilehngut Halsbrücke dann statt. Im Juni Umzug der Teilorganisation "LeuchtTurm"-Team sowie der Kampfsportschule "Campus" nach Halsbrücke Mehrere "Leucht-Turm"Wanderungen Am 9. September wurde FITZEK in zweiter Instanz vom Landgericht Dessau-Roßlau (SachsenAnhalt) wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil war zu Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig. KÖNIGLICH SÄCHSISCHER GEMEINDEVERBAND (KSGV) Sitz Hainichen (Landkreis Mittelsachsen) Gründung 2017 (nach eigenen Aussagen: am 15. Oktober 2017) Vorsitz Person aus Hainichen Teil- / Nebenorganisationen 54 sog. königlich-sächsische Gemeinden, die dem Verband angehören (Eigenangaben) Internetauftritte / Internet: Homepage des KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN GEMEINDEVERBANDES Publikationen Soziale Medien: Telegram-Kanal Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung im einstelligen Bereich im einstelligen Bereich Kurzportrait / Ziele Der KSGV stellt die sächsische Vertretung der überregionalen Gruppierung FREIE W ÄHLERVEREINIGUNG dar. Als solche stellt sie die Staatseigenschaft der Bundesrepublik Deutschland und deren völkerrechtliche Souveränität in Abrede. Seite 115 von 259 Relevante Ereignisse und Durchführung von Mitgliederund Verbandsversammlungen Entwicklungen 2024 Veröffentlichung von Publikationen zur Entstehung des Gemeindeverbandes, Ahnenforschung sowie zum Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 in den sozialen Medien; außerdem Bereitstellung von Vordrucken zum Download (z. B. Mitgliedsanträge, Musterschreiben zur Ablehnung behördlicher Maßnahmen) VATERLÄNDISCHER HILFSDIENST (VHD) Gründung 2020 Vorsitz Person Person nicht bekannt aus Dresden aus Leipzig Teil- / ARMEEKORPSBEZIRK ARMEEKORPSBEZIRK ARMEEKORPSBEZIRK Nebenorganisationen (AKB) XII DRESDEN (AKB) XIX LEIPZIG (AKB) V POSEN Internetauftritte Homepage des VATERLÄNDISCHEN HILFSDIENSTES Personenpotenzial / 2024: ca. 115 2024: ca. 80 2024: ca. 5 Mitgliederentwicklung (2023: ca. 115) (2023: ca. 80) (2023: ca. 5) Kurzportrait / Ziele Der VHD ist eine überregionale Gruppierung und Teilorganisation des EWIGEN BUNDES95. Laut Darstellung auf der Webseite wurde der VHD "per Gesetz am 5. Dezember 1916 als zivile Institution gesetzlich eingerichtet. Mit der Hilfsdienstpflicht wurde eine zivile Ergänzung zur Wehrpflicht geschaffen. Alle deutschen Männer zwischen 17 und 59 Jahren sind für die Dauer des Krieges zum Hilfsdienst unter der Leitung des Kriegsamtes und damit unter dem Oberbefehl des deutschen Kaisers verpflichtet." Die Organisationsstruktur gliedert sich in 24 Armeekorpsbezirke des Deutschen Reiches. Im Bereich des jeweiligen Armeekorpsbezirks gibt es Leiter von Gebieten, Regionen und Verwaltungsbezirken. Den auf der Webseite eingestellten Bildern ist zu entnehmen, dass viele Armeekorpsbezirke tatsächlich aktiv sind und unterschiedlich große Personenpotenziale zu verzeichnen haben. Relevante Ereignisse AKB DRESDEN: AKB LEIPZIG: AKB POSEN: und Kontinuierliche Kontinuierliche Vor allem mitgliederinterne mitgliederinterne Teilnahme an 95 Im August 2018 gründete sich die Gruppierung BISMARCKS ERBEN, die auch unter den Namen EWIGER BUND oder PREUßISCHES INSTITUT firmiert. Seite 116 von 259 Entwicklungen 2024 Treffen, auch mit Treffen, auch mit Treffen anderer Mitgliedern anderer Mitgliedern anderer AKB AKB AKB REICHSVERBAND DEUTSCHER RECHT-KONSULENTEN Sitz Leisnig (Landkreis Mittelsachsen) Gründung Vermutlich 2009 Internetauftritte Homepage des REICHSVERBANDS DEUTSCHER RECHTKONSULENTEN Kurzportrait / Ziele Der REICHSVERBAND DEUTSCHER RECHT-KONSULENTEN gründete sich laut eigener Homepage am 27. September 2009. Seine Mitglieder bzw. Anhänger fordern die Wiedereinsetzung der deutschen Grenzen vom 31. Juli 1914, die Wiedereinführung der Reichsgesetze und der geltenden Reichsverfassung aus dem Jahre 1871. Der REICHSVERBAND DEUTSCHER RECHT-KONSULENTEN vertritt seine "Mandanten" in rechtlichen Angelegenheiten, indem er in Schreiben an politische Institutionen und Behörden auf die Legitimation der Reichsgesetze verweist sowie u. a. auch "Haftstrafen" gegen Behördenmitarbeiter verhängt. So soll der "Gerechtigkeit und Rechtspflege in Deutschland" Rechnung getragen werden. "Gerichtliche" Vertretung von Personen aus Sachsen, indem Vertreter der Gruppierung als sog. "Recht-Konsulenten" auftreten. Im Jahr 2021 errichtete diese Gruppierung "Volksbüros" in Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) und Riesa (Landkreis Meißen). Relevante Ereignisse und Zwei Personen aus Sachsen sind wegen versuchter Erpressung und Nötigung angeklagt. Entwicklungen 2024 Auslöser für die Ermittlungen waren eine Vielzahl von reichsbürgertypischen Schreiben an Behörden und Gerichte. INDIGENES VOLK GERMANITEN Sitz Stammsitz ist das Hotel "Ahornberg" in Seiffen (Erzgebirgskreis) Gründung 2010, in Sachsen seit Juni 2023 Seite 117 von 259 Internetauftritte Homepage des INDIGENEN VOLK GERMANITEN Personenpotenzial / Der bundesweit aktiven Gruppierung werden im Freistaat Mitgliederentwicklung Sachsen ca. 70 Personen zugeordnet. Kurzportrait / Ziele Die Gruppierung bezeichnet sich selbst als "Staat, der nach völkerrechtlichen Abkommen ordnungsgemäß und rechtssicher gegründet wurde und das Gebiet von Gesamtdeutschland in den Grenzen von 1937 für sich deklariert hat." Als ihre politischen Ziele bezeichnet die Organisation ein "Friedliches Zusammenleben und Miteinander der Völker aller Staaten" sowie die "Achtung und Förderung der Menschenrechte". Die "Einhaltung der Menschenrechte" stellt Eigenangaben zufolge das Hauptanliegen dar und sei von "elementarer Bedeutung". Auch verfüge die Organisation über "zahlreiche Instrumente, um die Menschenrechte zu stärken" und "den massiven Menschenrechtsverletzungen wirkungsvoll entgegenzutreten". Anhänger der Organisation bezeichnen sich als "Nachkommen der germanischen Völker/Stämme" bzw. als "autochthon-indigen". Relevante Ereignisse und Im Berichtsjahr fanden einzelne Vortragsveranstaltungen statt. Entwicklungen 2024 Am 2. Oktober sowie am 1. November fanden in Seiffen umfangreiche polizeiliche Exekutivmaßnahmen gegen Mitglieder der Gruppierung wegen des Verdachts der Kindswohlgefährdung statt. Die Gruppierung stellt auf ihrer Internetseite Musterschreiben beispielsweise zur Ablehnung behördlicher Maßnahmen bereit. BUNDESSTAAT PREUßEN / CELTIC NATION Sitz Landkreis Görlitz und Stadt Leipzig Gründung 2019 Internetauftritte Homepage des BUNDESSTAATES PREUßEN Personenpotenzial / Der Gruppierung werden Personen in mehreren Bundesländern zugerechnet, davon ca. 15 im Freistaat Mitgliederentwicklung Sachsen. Kurzportrait / Ziele Der BUNDESSTAAT PREUßEN vertritt die Ansicht, dass ein "Verweser" die BRD regiere. Unter dem Pseudonym "Ulrich Seite 118 von 259 der Erste" tritt eine Person in Erscheinung, die sich in diesem Zusammenhang selbst als "Verweser" bezeichnet. Die Gruppierung spricht in ihren Erlassen (darunter auch sog. "Briefe an die Besatzer" und "Kraftloserklärungen" zu behördlichen Entscheidungen) willkürlich verschiedenen Menschengruppen die Grundrechte ab und erklärt Entscheidungen von Behörden und Gerichten für nichtig. Einige Akteure bezeichnen sich auch als Anhänger der CELTIC NATION, die sich als "Celtisch Druidische Glaubensgemeinschaft" versteht. Die CELTIC NATION verfolgt das Ziel, einen selbstorganisierten Staat auf Basis einer als "Stammesregeln" bezeichneten Verfassung zu errichten. Diese beinhaltet u. a. eine Heimatund Stammeswehr, das Recht auf Waffenbesitz und die Erteilung von Waffenscheinen, die Ablehnung der Schulpflicht und ein Friedensgericht aus Stammesältesten als Gerichtsbarkeit. Relevante Ereignisse und Im Berichtsjahr sind im Freistaat Sachsen mehrere Personen in Erscheinung getreten, die dem BUNDESSTAAT PREUßEN Entwicklungen 2024 und/oder der CELTIC NATION zuzuordnen sind. Diese reagieren mit umfangreichen Schreiben im szenetypischen Stil auf behördliche Maßnahmen, verwenden krude Pseudonyme für ihren Namen und kennzeichnen ihre eigenen Grundstücke mitunter als sog. Diözesen der CELTIC NATION. Aktivitäten Durch die weiterhin verstärkten Aktivitäten von Personenzusammenschlüssen, wie dem INDIGENEN VOLK GERMANITEN, konnten im Berichtsjahr weitere Erkenntnisse über die heterogene Szene der REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER gewonnen werden. Die Betätigungsfelder könnten bei diesen Extremisten unterschiedlicher kaum sein. Sie alle eint allerdings das Ziel, den Staat Bundesrepublik Deutschland und seine Verfassungsordnung überwinden und beseitigen zu wollen. Den Schwerpunkt machten unverändert in einem szenetypischen Duktus verfasste Schreiben aus, die zumeist an Behörden gerichtet waren und z. B. die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugneten. Deren Anzahl stieg im Berichtszeitraum nochmal an. Darüber hinaus mischten sich erneut einzelne REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER unter das wöchentliche Protestgeschehen rund um die Themen Ukraine-Krieg, Energiekosten und Inflation sowie Migration. Einige Gruppierungen zeigten die für REICHSBÜRGER typischen Verhaltensweisen: Beispiele hierfür waren die pseudojuristische Vertretung von Mandanten gegenüber staatlichen Institutionen durch den REICHSVERBAND DEUTSCHER RECHT-KONSULENTEN und die Etablierung von Strukturen parallel zu realweltlichen staatlichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen. Exemplarisch sei hier das KÖNIGREICH DEUTSCHLAND genannt. Durch die im Berichtszeitraum durchgeführten Exekutivmaßnahmen und die Beschlagnahme der Immobilien in Eibenstock (Erzgebirgskreis) und Bärwalde (Landkreis Görlitz) sowie der Vermögensgegenstände wurden dem KRD von Seiten des Rechtsstaates deutliche Grenzen Seite 119 von 259 gesetzt und seine wirtschaftlichen Möglichkeiten erheblich eingeschränkt. Durch die intensive Zusammenarbeit des Expertennetzwerks Rechtsextremismus96, in das sich auch das LfV Sachsen aktiv einbringt, mit den Kommunen, Landkreisen und der Polizei sowie mit den zuständigen Bundesbehörden (z. B. der BaFin) konnten diese Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden. In Eibenstock verfügt das KRD jedoch noch über zwei weitere Immobilien, die von Mitgliedern erworben wurden. Auch das sog. "Leucht-Turm"-Team hatte dort seine "Regionalstelle Erzgebirge" angesiedelt. Die Initiative "Leucht-Turm" sieht sich als Ansprechpartner für Interessenten des KRD sowie als Vernetzungsplattform. Aktivitäten wie beispielsweise Wanderungen sollen das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des KRD stärken und neue "Staatsangehörige" akquirieren. Straftaten Typischerweise begingen REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER überwiegend die Straftat der Nötigung nach SS 240 StGB. Tätliche Angriffe auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach SS 114 Abs. 2 in Verbindung mit SS 113 StGB machten hingegen den Großteil der Gewaltdelikte aus. Von den in der Graphik aufgeführten 54 Straftaten waren 29 Straftaten extremistisch, die vier aufgeführten Gewalttaten hatten allesamt einen solchen Hintergrund. Reichsbürger und Selbstverwalter 120 111 100 90 80 69 60 54 54 40 20 8 8 6 3 4 0 2020 2021 2022 2023 2024 Straftaten Gewalttaten Fazit Das Personenpotenzial der REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER ist im Vergleich zum Vorjahr weiter angestiegen. Dies lag zum einen an der fortwährenden Aufklärung der Szene durch die Zusammenarbeit von Behörden auf Bundesund Landesebene sowie im kommunalen Bereich. Zum anderen erhalten die REICHSBÜRGER-Gruppierungen im Freistaat Sachsen Zulauf an Mitgliedern. In qualitativer Hinsicht ist innerhalb der Szene jedoch eine deutliche Ausdifferenzierung zwischen Mitläufern und ideologisch überzeugten Szeneangehörigen festzustellen. Wenngleich sie unterschiedliche Ziele verfolgen, war im Berichtsjahr eine weiter zunehmende, auch überregionale Vernetzung von REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN zu beobachten. 96 Das Expertennetzwerk Rechtsextremismus ist ein behördliches Kooperationsnetzwerk im Freistaat Sachsen, das Kommunen beim Umgang mit Rechtsextremismus - vor allem im Hinblick auf Immobiliennutzungen und besondere Veranstaltungslagen - berät und unterstützt. Die Geschäftsstelle des Netzwerks ist bei der Landesdirektion Sachsen angesiedelt. Seite 120 von 259 Mitunter gehen sie dabei sehr konspirative Verbindungen ein. Neben einer großen Zahl von Einzelpersonen sowie konkreten Organisationen mit mehr oder weniger gefestigten Strukturen sind auch Kleingruppen, die aus persönlichen Kennverhältnissen heraus entstehen, festzustellen. Gewaltbereite, waffenaffine REICHSBÜRGER stehen ebenso verstärkt im Fokus des LfV Sachsen wie die Frage nach ihrer Vernetzung mit Rechtsextremisten. Diese Entwicklungen zu analysieren, wird ein Arbeitsschwerpunkt der nachrichtendienstlichen Arbeit des LfV Sachsen bleiben. Außerdem wollen diese Extremisten Vorräte anlegen und "Rückzugsräume" (Immobilien) schaffen; sie proklamieren sich und ihren Privatbesitz als exterritorial. Im Hinblick auf diese Zielstellung sind weitere Aktivitäten des KÖNIGREICHS DEUTSCHLAND zu erwarten, da Peter FITZEK trotz erfolgreicher rechtsstaatlicher Maßnahmen gegen sein verfassungsfeindliches Agieren weiter an der Ausdehnung seines "Königreichs" im Freistaat Sachsen arbeitet. Seite 121 von 259 3. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates Insgesamt niedriges, aber konstantes dreistelliges Personenpotenzial im Freistaat Sachsen Andauerndes Protestgeschehen: Montagsdemonstrationen beispielsweise in Görlitz entwickelten sich zur festen Routine Fortschreitende inhaltliche Verfestigung und Radikalisierung durch die Erschließung neuer Themen und die Bezugnahme auf Verschwörungsnarrative Netzwerke von "Delegitimierern" mit Rechtsextremisten und REICHSBÜRGERN Musik gewann an Bedeutung: Szenemusiker begleiteten Veranstaltungen Seite 122 von 259 3. Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" (DEL) Begründung für die Einrichtung dieses Phänomenbereichs Die deutschen Verfassungsschutzbehörden haben die Aufgabe, Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder der Länder oder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gerichtet sind, aufzuklären und als "Frühwarnsystem" auch vor neuen Entwicklungen in diesem Zusammenhang zu warnen. Dementsprechend wurde im April 2021 der Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" mit dem zugeordneten Beobachtungsobjekt DEMOKRATIEFEINDLICHE UND / ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eingerichtet. Hintergrund dieses Schrittes war die Feststellung, dass eine Zuordnung von im Rahmen des Corona-Protestgeschehens neu aufgekommenen extremistischen Personenzusammenschlüssen oder Einzelpersonen zu bereits bestehenden Beobachtungsobjekten und Phänomenbereichen nicht immer möglich war. Es handelte sich insoweit um eine neue Ausprägung des politischen Extremismus, der während der damaligen Proteste erstmals auffiel. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es aber gerade nicht, alle Teilnehmer und Organisatoren von Protestveranstaltungen zu erfassen. Friedlicher Protest und freie Meinungsäußerungen sind vom Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes explizit nicht umfasst. Die Herausforderung für die Verfassungsschutzbehörden liegt demzufolge darin, den hohen verfassungsrechtlichen Rang der Meinungsfreiheit zu achten sowie gleichzeitig gezielt und restriktiv einzig und allein den Extremismus im Protestgeschehen zu detektieren und dementsprechende Bestrebungen in ihrer Rolle als "Frühwarnsystem" zu beobachten. Kriterien für eine Qualifizierung als Delegitimierung Kennzeichnend für das Sammel-Beobachtungsobjekt DEMOKRATIEFEINDLICHE UND/ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES ist der Rückgriff auf diverse Verschwörungserzählungen sowie die grundsätzliche Ablehnung von demokratischen Entscheidungsfindungsmechanismen. Exemplarisch wird u. a. Regierungsverantwortlichen und staatlichen Institutionen pauschal und diffamierend unterstellt, sie missbrauchten gesellschaftliche Rahmenbedingungen - wie die Corona-Pandemie -, um die Bürger zu entrechten und / oder eine Diktatur zu etablieren. Relevant im Sinne des Phänomenbereiches sind Agitationen, die den Staat massiv verächtlich machen mit dem Ziel, das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratische und rechtsstaatliche Verfasstheit des Staates von Grund auf zu erschüttern. In diesem Sinne beabsichtigen sog. "Delegitimierer" in ihrer Agitation eben keine kritische und sachliche Auseinandersetzung im Rahmen des demokratisch legitimierten Meinungsdiskurses. Stattdessen zielen sie ganz bewusst darauf ab, die Bevölkerung in Bezug auf politische Entscheidungen zu verunsichern und ihr Misstrauen in die Funktionsweise staatlicher Institutionen zu schüren. Die Abgrenzung gegenüber einer legitimen Meinungsäußerung ergibt sich bei sog. "Delegitimierern" demnach vor allem aus dem Ziel, das sie mit ihrer Agitation verfolgen. Ebenso verfassungsschutzrelevant ist aber auch die Rhetorik, die diese Extremisten beispielsweise in ihren Reden anwenden, um ihren verfassungsfeindlichen Zielen öffentlichkeitswirksam Nachdruck zu verleihen. Mit Blick auf den hohen Stellenwert der freien Meinungsäußerung in einer Demokratie ist dabei eine Verfassungsschutzrelevanz bei bloßer Schmähkritik nicht gegeben, da diese zumindest Seite 123 von 259 im Kern immer noch auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielt und von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Die Verächtlichmachung muss vielmehr so massiv sein, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insgesamt und nachhaltig erschüttert werden kann. Anknüpfungspunkte für eine solche Erheblichkeit können beispielsweise sein: Der Rekurs auf ein vermeintliches "Widerstandsrecht", mit dem bewusst die Hemmschwelle Dritter abgesenkt und tatsächlich nicht legitimierte Widerstandshandlungen dieser Dritten befördert werden sollen. Die Akteure gehen dabei irrig oder vorsätzlich davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG vorlägen. Dieses im Grundgesetz normierte Recht zum Widerstand greift aber nur dann, wenn die in Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG dargelegte Ordnung der parlamentarischen Demokratie sowie des sozialen und föderalen Rechtsstaates beseitigt würde. Der Aufruf zu Blockadeund Sabotageaktionen gegen staatliche Einrichtungen oder gegen lebenswichtige Infrastrukturund Versorgungseinrichtungen (z. B. Anschläge auf medizinische Versorgungseinrichtungen während der Corona-Pandemie). Gewaltandrohungen und der Aufruf zu Gewalt gegen Funktions-, Amtsund Mandatsträger. Der Rückgriff auf Verschwörungsnarrative ist ebenfalls ein gewichtiges Indiz für die Erheblichkeit der Verleumdung oder Delegitimierung. In Abgrenzung zu Rechtsextremisten oder REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN ist bei Akteuren der "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" grundsätzlich -kein ideologischer Hintergrund feststellbar, der den bisherigen etablierten Phänomenbereichen zugeschrieben werden kann. Ihre Agitation zielt einzig und allein auf die Überwindung der gegenwärtigen staatlichen Ordnung ab. Eine Fixierung auf die eigene ethnokulturelle Identität ist bei diesen Akteuren ebenfalls nicht schwerpunktmäßig festzustellen. Ideologie Im Berichtszeitraum konnte eine fortwährende Etablierung der Szene festgestellt werden. Bestimmte Akteure verfolgten ihre während der Corona-Pandemie begonnene Agitation gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung weiterhin. Sie suchten gezielt nach immer neuen Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial", um neue Mitstreiter zu mobilisieren, die in ihre Agitation gegen den Staat einstimmen. Sie äußern sich grundsätzlich ablehnend und lautstark gegenüber dem "System" eine, ohne jedoch selbst eine Systemalternative aufzuzeigen. Dabei benutzen sie gezielt gesellschaftspolitisch relevante Themen, um mit ihrer verfassungsfeindlichen Agenda möglichst weit in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen. Einfallstore für entsprechende Verschwörungsnarrative waren im Berichtsjahr neben Corona u. a. die Themen Migration, Energie, Inflation und der UkraineKrieg. In Ansätzen bemühten sich die "Delegitimierer" auch, die Bauernproteste zu Beginn des Jahres zu unterwandern. So versuchten sie, ihre Demonstrationen den Landwirten als Protestplattform anzubieten. Nach anfänglicher dahingehender Kooperation in Einzelfällen, gelang es den "Delegitimierern" letztlich aber nicht, nachhaltigen Einfluss auf die Bauernproteste im Freistaat Sachsen auszuüben. Diese waren in ihrer Gesamtheit nicht extremistisch. Mit ihrer Agitation zielen "Delegitimierer" bewusst darauf ab, ihre Anhänger davon zu überzeugen, dass der angebliche "Unrechtsstaat" selbst das Problem sei und seine politischen Entscheidungsträger gegen die eigene Bevölkerung handelten. Aufgrund der Tatsache, dass "Delegitimierer" und ihre Anhänger ihre Nachrichten vornehmlich aus alternativen Medien beziehen, entfaltete sich in den vergangenen Jahren eine aus ihrer Sicht notwendige "Widerstandsbewegung". Die ihr innewohnende Dynamik ließ sich im Berichtsjahr Woche für Woche auf den Straßen des Freistaates Sachsen und in den sozialen Medien beobachten. So soll sich bei den Bürgern die Annahme verfestigen, sie lebten in einem korrupten und Seite 124 von 259 destruktiven "System", gegen das Widerstand legitim und notwendig sei. Immer unverhohlener brachten "Delegitimierer" im Berichtsjahr ihre Forderungen nach der Abschaffung des "Systems" zum Ausdruck. Eine zentrale ideologische Gemeinsamkeit der "Delegitimierer" ist noch immer das Rekurrieren auf Verschwörungserzählungen als Zentrum ihrer inhaltlichen Ausrichtung. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Verschwörungstheorie des "Great Reset" zu erwähnen. Mit diesem Narrativ wird behauptet, dass eine "globale Elite" in Politik und Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie eine globalisierte Diktatur anstrebe. Ursprünglich stammt die Formulierung "Great Reset" von einer Initiative des Weltwirtschaftsforums, die insbesondere auf ökonomische Reformen für mehr Nachhaltigkeit und soziale Partizipation setzt. Daran knüpft die Verschwörungstheorie der "Plandemie" an, die wiederum die Corona-Impfungen mit dieser Verschwörungstheorie verbindet. Demnach sei die Corona-Pandemie eine von "globalen Eliten" geplante Inszenierung gewesen mit dem Ziel, die Bevölkerung durch die Nebenwirkungen der Corona-Impfungen vorsätzlich zu dezimieren. Aus diesem Grunde fordern "Delegitimierer" bis heute die politische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen sowie die strafrechtliche Verfolgung und "Bestrafung" der für diese Maßnahmen verantwortlichen politischen Entscheidungsträger. Abgesehen davon zeichnen sie sich durch eine thematische Heterogenität aus, mit der sie jeweils die Delegitimierung des Staates herleiten. "Delegitimierer" lassen keine geeinte positive Idee für einen ihrer Lesart zufolge "demokratischen Staat" erkennen. Ihr Ziel ist die Überwindung des gegenwärtigen Systems. Nur dann könne wieder Politik für "das Volk" gemacht werden und "Menschlichkeit", "echte Freiheit", "Frieden" und "Selbstbestimmung" wieder Einzug in die Gesellschaft halten. Jedoch unterlassen "Delegitimierer" es zumeist, diese Zielvorstellungen mit konkreten Inhalten auszufüllen. Im Berichtsjahr abermals auffällig war die zunehmende Annäherung und Netzwerkbildung von Akteuren der Phänomenbereiche Rechtsextremismus, REICHSBÜRGER und SELBSTVERWALTER und "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". So nutzten Rechtsextremisten im Berichtsjahr regelmäßig die Bühnen von "Delegitimierer"Veranstaltungen, wobei die eigene ideologische Ausrichtung zugunsten des gemeinsamen Ziels in den Hintergrund rückte, den Sturz des gegenwärtigen politischen Systems. Insofern verfestigte sich ein "Schulterschluss" verschiedener extremistischer Akteure im Protestgeschehen des Freistaates Sachsen, wobei der Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ein ganz entscheidendes Bindeglied darstellte. Anlässlich der Kommunalund Landtagswahlen konnte ein Engagement einzelner "Delegitimierer" für die Parteien ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD) - LANDESVERBAND SACHSEN und FREIE SACHSEN festgestellt werden. Dieser Unterstützung liegt die grundsätzliche Annahme zugrunde, dass nach Vorstellungen von "Delegitimierern" das Ziel des Systemsturzes am ehesten im Verbund mit derartigen extremistischen Parteien verwirklicht werden könne, obwohl sie selbst kein geschlossen rechtsextremistisches Weltbild vertreten. Insbesondere von den FREIEN SACHSEN97 - die sich als "Sammelbecken" systemkritischer Bestrebungen verstehen - wird die Verflechtung mit den "Delegitimierern" offen begrüßt und gefördert. Strategie Durch das Abklingen der Corona-Pandemie als alles überschattendes sowie einendes Thema waren die "Delegitimierer" gezwungen, sich neu zu orientieren, um die Dynamik ihres Protestgeschehens aufrechtzuhalten. In der Folge stellten sie sich vor allem inhaltlich breiter auf, um vom anhaltenden Protestgeschehen profitieren zu können. Sie argumentierten, dass 97 vgl. Beitrag II.1.3.3 FREIE SACHSEN Seite 125 von 259 Corona nur die ohnehin "faschistischen" und "korrupten" Strukturen des Staates offengelegt habe, diese offenkundige Tatsache sich auch bei allen anderen Themen widerspiegle und es deshalb unverändert erforderlich sei, gegen diesen Staat und seine Strukturen zu demonstrieren. Durch die Äußerung unkonkreter Ziele geben sich die Akteure nach außen hin oft ein zunächst unverfängliches Antlitz. Damit soll unzufriedenen Bürgern der Einstieg in die Szene so einfach wie möglich gemacht werden. Zudem soll den Unzufriedenen nach und nach bewusst gemacht werden, dass das ganze "System" der Fehler sei, wodurch einer weiteren Radikalisierung dieses Personenkreises Vorschub geleistet werden soll. Dies hat zudem den Effekt, dass sich die Protagonisten selbst als "Freiheitskämpfer" oder "Friedensbotschafter" darstellen können. Dahinter steht regelmäßig die These, als "Revolutionäre" ein angeblich "diktatorisches" und "korruptes" Regime stürzen zu wollen. Dabei werden oft Vergleiche zur Friedlichen Revolution von 1989 gezogen. Zudem wird an den "Freiheitsdrang" der Protestierenden appelliert, die mitunter bereits mithilfe von Montagsdemonstrationen in der Endphase der damaligen DDR eine Diktatur gestürzt hätten. Gegenwärtig sei eine weitere "Revolution" erforderlich, mit der man gemeinsam erneut zu etwas Historischem beitragen könne. Im Berichtsjahr zeigte sich insbesondere die verbindende Funktion, welche die "Delegitimierer" innerhalb der (rechts-)extremistischen Szene einzunehmen versuchen. So betonen führende Akteure stets, dass man nur "zusammen" und "geeint" das System stürzen könne, weshalb sich "Delegitimierer" bemühten, aktiv verschiedene extremistische Bestrebungen bei Demonstrationen zusammenzuführen und auf das gemeinsame Ziel einzuschwören. Diese Strategie soll den "Widerstand" öffentlich breiter aufstellen und Differenzen innerhalb der Protestszene überwinden. Aktivitäten Die Aktivitäten der "Delegitimierer" etablierten sich im Berichtszeitraum weiter und wurden zudem vielfältiger. Die klassischen, sich zur festen Routine entwickelten Montagsdemonstrationen bildeten dabei die Basis und entfalteten eine nicht zu unterschätzende Gruppendynamik. Im Berichtszeitraum wurden erneut Großveranstaltungen von Marcus FUCHS in Dresden fortgeführt. Diese fanden unter dem Motto "Tag für Frieden und Freiheit" am 8. Juni mit ca. 550 und am 26. Oktober mit ca. 350 Teilnehmern in Dresden statt. Mit diesen Großveranstaltungen gelang es FUCHS und seinen Unterstützern, die bundesweit vernetzte "Delegitimierer"-Szene wirkungsvoll an einem Ort zu vereinen. Zwar ging die Beteiligung gegenüber der Hochphase der Corona-Proteste stark zurück, jedoch konnten häufiger extremistische, immer drastischer ausfallende Äußerungen festgestellt werden. So äußerte sich ein bekannter "Delegitimierer" aus Berlin am 8. Juni u. a. wie folgt: "[...] dass wir gegen dieses verbrecherische, kriegstreiberische Regime auf die Straße gehen, das nur noch ein einziges Ziel hat: ein Krieg nach dem anderen; erst gegen die Bevölkerung, gegen Russland [...] zu erklären. Eine Krise nach der anderen zu machen; ein Verbrechen nach dem anderen zu begehen, weil sie ganz genau wissen, dass ihre Zeit vorbei ist! Dieses Regime ist am Ende! Dieses System ist am Ende! Jetzt kommen wir!" Darüber hinaus gewann für diesen Phänomenbereich im Berichtsjahr auch die Musik an Bedeutung. Während der Montagsproteste wurden beispielsweise regelmäßig Lieder einschlägiger Szenemusiker, wie etwa von Björn WINTER ("Björn Banane") gespielt - teilweise sogar live. Des Weiteren organisieren "Delegitimierer" auch abseits der Montagsdemonstrationen inzwischen weitere Treff-Formate. So konnten im Berichtsjahr beispielsweise Filmabende oder Vortragsveranstaltungen in einem Szeneobjekt in Herrnhut (Landkreis Görlitz) festgestellt Seite 126 von 259 werden. Derartige Szenetreffen sollen das Gemeinschaftsgefühl stärken und auf die verfassungsfeindliche Ideologie bzw. das gemeinsame Feindbild einschwören. Sächsische "Delegitimierer" wurden auch hinsichtlich der im Berichtsjahr abgehaltenen Wahlen aktiv. Ziel der Einzelpersonen war es, mit dem Antritt als Kandidaten politisch aktiv zu werden und ihre verfassungsfeindliche Haltung auch in die kommunalen Räte oder den Landtag einbringen zu können. So standen einzelne "Delegitimierer" auf den Wahllisten der rechtsextremistischen FREIEN SACHSEN. Dies war insbesondere darauf zurückzuführen, dass sich die Partei bewusst als Anlaufpunkt für die Szene anbot. Personenpotenzial Das LfV Sachsen analysiert im Hinblick auf diesen Phänomenbereich fortwährend jeden Einzelfall und prüft, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine DEMOKRATIEFEINDLICHE UND / ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES vorliegen. Gegenwärtig werden diesem Beobachtungsobjekt in Sachsen ca. 200 Personen zugeordnet. Dieser mittlerweile konstante Personenkreis ist entweder einem konkreten Personenzusammenschluss zuzuordnen, oder Einzelpersonen erfüllen die Kriterien für eine Zuordnung. Noch immer spielen Internetaktivitäten auf Messenger-Diensten, wie insbesondere auf Telegram, eine wichtige Rolle. So fallen beispielsweise Einzelpersonen in diesen Phänomenbereich, die auf diesen Plattformen offen zu Angriffen auf Politiker oder zum gewaltorientierten Systemsturz aufrufen. Wieder andere versuchen, Amtsund Mandatsträgern per Direktnachricht mit unmittelbarer Gewalt zu drohen und sie dadurch in Angst zu versetzen bzw. zu beeinträchtigen. Es haben sich bei Einzelpersonen demnach gewisse Fallgruppen gebildet, welche die verschiedenen Agitationsformen des Delegitimierungsextremismus in der Realwelt und auch in der virtuellen Welt widerspiegeln. Regionale Ausprägungen VOLKSSTIMME BÜRGERBÜNDNIS ZWICKAU (VBZ) Gründung April 2021, eigenständig seit September 2022 Teil- / Nebenorganisationen keine Publikationen / Internetauftritte Telegram-Kanal (ca. 230 Abonnenten) und TelegramGruppe Personenpotenzial ca. sechs Personen Finanzierung nicht bekannt In Zwickau (Landkreis Zwickau) hat sich die Kurzportrait VOLKSSTIMME BÜRGERBÜNDNIS ZWICKAU (VBZ) als lokaler Montagsprotestveranstalter etabliert. Dabei äußern sich Repräsentanten des Personenzusammenschlusses während der Kundgebungen verfassungsfeindlich. Zudem ist ein ausgeprägtes Miteinander mit den FREIEN SACHSEN festzustellen. Die Demonstrationen zielen darauf ab, das Vertrauen der Teilnehmer in den Staat von Grund auf zu erschüttern. Seite 127 von 259 Relevante Ereignisse und Etablierung der wöchentlichen Montagsveranstaltungen Entwicklungen 2024: mit jeweils ca. 100 Teilnehmern Ideologie Die VBZ zielt darauf ab, wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie das Demokratieund Rechtsstaatsprinzip, zu beseitigen. Darüber hinaus spricht sie politischen Entscheidungsträgern die Menschenwürde ab. Das Bürgerbündnis stilisiert die staatlichen Entscheidungsträger zum klaren Feindbild und überschreitet damit die in der politischen Auseinandersetzung zulässigen 'roten Linien', wodurch eine Verfassungsschutzrelevanz begründet ist. Im Verlauf des Berichtsjahres wandte sich die VBZ immer offensiver dem rechtsextremistischen Spektrum zu, so beispielsweise durch das Bekenntnis des Protestveranstalters zu den FREIEN SACHSEN. Dies war ein Novum unter den "Delegitimierer"-Protestveranstaltern, die bei ihren Veranstaltungen generell ihre parteipolitische Unabhängigkeit öffentlich betonen. Bei der VBZ hingegen ergaben sich tatsächliche Anhaltspunkte, die einen inzwischen schwerpunktmäßigen rechtsextremistischen Hintergrund des Montagsprotestveranstalters belegen.98 Während zum Zeitpunkt der Einstufung der VBZ im März 2023 der Schwerpunkt beim Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" lag, entwickelte sich der Protestveranstalter seither zu einem festen Unterstützer rechtsextremistischer Bestrebungen. So kennzeichneten die Veranstalter ihre Montagsdemonstrationen im Berichtsjahr auf ihrem Telegram-Kanal de facto als Wahlkampfveranstaltungen für die Parteien AfD und insbesondere die FREIEN SACHSEN. Aktivitäten Die VBZ fiel im April 2021 erstmals im Protestgeschehen auf. Zunächst führte sie gemeinsam mit anderen Akteuren Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen durch. Seit September 2022 organisiert sie selbst Montagsdemonstrationen in Zwickau (Landkreis Zwickau). Neben den Montagsdemonstrationen fiel die VBZ durch eine Veranstaltung zum "Tag der Arbeit" am 1. Mai auf, die Rechtsextremisten wie Andreas KALBITZ (Brandenburg) oder Wolfgang SCHMIDL eine Bühne bot. Weder das Auftreten der VBZ noch deren Einstufung als erwiesene extremistische Bestrebung durch das LfV Sachsen scheinen die Anhänger der VBZ abzuschrecken. Die Montagsproteste sind inzwischen fest etabliert und ziehen Woche für Woche etwa 100 Teilnehmer an. ORGANISATIONSTEAM DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ Gründung / Sitz Anfang 2020 / Görlitz (Landkreis Görlitz) Teil- / Nebenorganisationen keine 98 Aufgrund der Entwicklungen im Berichtsjahr kam es mit Wirkung ab dem 12. Juli 2024 zu einer Neubewertung der VOLKSSTIMME BÜRGERBÜNDNIS ZWICKAU. Es wurde evident, dass die Bestrebung inzwischen schwerpunktmäßig eine rechtsextremistische Grundausrichtung verfolgt. Folglich wurde sie dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet. Seite 128 von 259 Publikationen / Internetauftritte Verbreitung der Publikation "Aufgewacht!" der FREIEN SACHSEN / Aktivitäten in den sozialen Medien Personenpotenzial Vier Organisatoren, die regelmäßig die Montagsdemonstrationen anmelden Finanzierung nicht bekannt Kurzportrait In Görlitz finden seit dem Beginn der Corona-Proteste jede Woche Montagsdemonstrationen auf dem Postplatz statt. Im Laufe der vergangenen zwei Jahre verfestigte sich die Einschätzung, dass die Demonstrationen eine "delegitimierende" Grundausrichtung haben und verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Regelmäßig wird der freiheitliche demokratische Staat teils massiv verächtlich gemacht. Zudem treten weitere Extremisten regelmäßig bei den Montagsdemonstrationen als Redner auf. Die Demonstrationen sind in der Lage, das Vertrauen der Teilnehmer in den Staat grundlegend zu erschüttern. Relevante Ereignisse und Etablierung der wöchentlichen Montagsveranstaltungen Entwicklungen 2024: mit jeweils ca. 200-300 Teilnehmern Ideologie Die Gruppierung verfolgt das Ziel, die Protesthaltung in der Bevölkerung zu kanalisieren und Interessierten aus der Region regelmäßig montags eine Protestplattform zu bieten. Die staatlichen Entscheidungsträger werden über die in der politischen Auseinandersetzung übliche Kritik hinaus zum klaren Feindbild stilisiert; zugleich wird die grundlegende Ablehnung der gegenwärtigen politischen Entscheidungsfindung zum Ausdruck gebracht. Die Organisatoren des Protestes verbreiten bei ihren Montagsdemonstrationen entweder durch eigene Beiträge oder durch Gastredner Thesen und Narrative, die im Phänomenbereich der "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" beheimatet sind. Diese werden zum Anlass genommen, den demokratisch gewählten Regierungsmitgliedern ein grundlegendes Versagen zu attestieren und ihnen zudem "böse" Absichten zu unterstellen. Auch durch Gastredner werden bei den Montagsveranstaltungen in Görlitz zudem prorussische Positionen verbreitet, welche die NATO als klares Feindbild stilisieren. Dazu wird regelmäßig das Mittel der Desinformation eingesetzt. Der Hauptredner des Organisationsteams fordert nach wie vor Konsequenzen für die angeblichen "Corona-Verbrechen" sowie die juristische Verurteilung führender Politiker, insbesondere des Ministerpräsidenten. Dadurch entzieht das Organisationsteam den demokratisch legitimierten Regierungsmitgliedern und deren politischen Entscheidungen sämtliche Legitimität und richtet sich in der Konsequenz gegen das Demokratieprinzip. Aktivitäten Das ORGANISATIONSTEAM DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ organisierte auf dem Postplatz die lokalen Proteste. Diese wurden unter dem Motto "Wahrung unserer Grundrechte - gegen Politfaschismus!" angemeldet. Die Redner attestierten dem Staat und seinen Institutionen immer wieder eine faschistische Grundausrichtung, so beispielsweise während der 200. Montagskundgebung am 26. Februar: Seite 129 von 259 "Und es ist eigentlich vollkommen scheißegal, wo man hinguckt: Ob es die Kriegspolitik in der Ukraine ist, [...] ob es die Corona-Politik war, ob es die Rolle der Medien war; wir können hingucken wo wir wollen. Es ist überall die Scheiße am Dampfen, und es wird überall unehrlich, ich sag' sogar faschistisch gearbeitet. [...] Das ist Faschismus, und wir stehen hier gegen Faschismus. [...] Den gab es 1933 schon mal und wir wissen alle, wie böse das ins Auge gegangen ist." Ein weiteres Mitglied des ORGANISATIONSTEAMS DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ äußerte sich am 22. Juli folgendermaßen: "Man muss die Leute ja nicht gleich erschießen, wie in Amerika. Nur etwas ausbremsen, also Verbote und Enteignung. Eine hörige Justiz übernimmt den Rest. Das Geschehene [Anm.: das "Compact"-Verbot]: eine Blaupause zur Vernichtung aller regierungskritischen Strukturen; vom Gartenverein bis zur Montagsdemo. Stück für Stück werden freiheitliche Grundrechte abgeschafft, in diesem Fall die Pressefreiheit; und die staatliche Ordnung aggressiv-kämpferisch zersetzt. Und zwar durch den Staat und seine Institutionen selbst." Mit Aussagen wie diesen stellt sich die Gruppierung klar gegen das politische System und damit einhergehend gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Diese Haltung schlägt sich in diesem Zusammenhang auch in der Verachtung von Behörden nieder. Zudem zeichnet sich das ORGANISATIONSTEAM DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ durch eine ausgeprägte Vernetzung mit weiteren Extremisten - beispielsweise den FREIEN SACHSEN - aus. Regelmäßig traten im Berichtsjahr nachrichtendienstlich bekannte Akteure als Gastredner bei den Montagsdemonstrationen auf. Zudem traten dem Protestveranstalter zuzurechnende Personen auf der Liste des Wahlbündnisses der FREIEN SACHSEN für die Kommunalund Landtagswahlen an. Einem Akteur gelang der Einzug in den Görlitzer Stadtrat. Außerdem werden bei den Kundgebungen die jeweils neuesten Ausgaben der Zeitschrift "Aufgewacht" der FREIEN SACHSEN vorgestellt. Durchschnittlich waren wöchentlich ca. 200 bis 300 Teilnehmer bei den Montagsdemonstrationen festzustellen. Dadurch erreichte das Organisationsteam nachhaltig eine feste Stammklientel, welche auch nach dessen Einstufung durch das LfV Sachsen als gesichert extremistische Bestrebung am 13. Oktober 2023 erhalten blieb. Fazit Die Ausführungen zeigen, dass sich sowohl die VBZ in Zwickau als auch das ORGANISATIONSTEAM DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ trotz oder gerade wegen der vom LfV Sachsen vorgenommenen Einstufung zu erwiesenen extremistischen Bestrebungen fest etabliert haben. Es gelang den Organisatoren, eine feste Stammklientel an sich zu binden. Dadurch entwickelten sich die Demonstrationen zu Szeneveranstaltungen, die dazu geeignet sind, Protestteilnehmer erheblich zu radikalisieren. Schlussendlich handelt es sich um Bestrebungen, die offenkundig der Wirkungsweise der Demokratie in keinster Weise mehr vertrauen und für Argumente der Politik, der Wissenschaft oder der Medien nicht mehr zu erreichen sind. Durch verschiedene thematische Anknüpfungspunkte und eine entsprechende Rhetorik wird versucht, den Teilnehmern stetig bewusst zu machen, dass das gesamte "System" abzulehnen und Widerstand gegen eben dieses legitim sei. Aus diesem Grund sind diese Demonstrationen ein Multiplikator für extremistisches Gedankengut. Es kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass aus dieser "Widerstandsrhetorik" heraus unter Umständen auch einmal Taten entstehen. Seite 130 von 259 4. Linksextremismus Neue erwiesene extremistische Beobachtungsobjekte des LfV Sachsen: ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN KOLLEKTIV ZWICKAU KOMMUNISTISCHE ORGANISATION (KO) ROTER AUFBRUCH DRESDEN Stagnation des Personenpotenzials Rückgang der Aktivitäten der AUTONOMEN SZENE "Budapest-Komplex" als eindeutiger Beleg für klandestines, professionelles Vorgehen der AUTONOMEN SZENE wirkt nach: Solidaritätsbekundungen für inhaftierte und untergetauchte Tatverdächtige Vernetzung bei den ANARCHISTEN: "Anarchistische Tage" als Veranstaltungsformat etabliert Aktionsund Personenpotenzial der DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN stieg an; insbesondere junge und gewaltorientierte Szeneangehörige Nahostkonflikt als bestehende Kontroverse im sächsischen Linksextremismus Seite 131 von 259 4.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Linksextremisten streben die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. An deren Stelle wollen sie eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine "herrschaftsfreie" anarchistische Gesellschaft etablieren. Ihr politisches Handeln richten sie dementsprechend an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Vorstellungen aus. Damit treten sie entweder für eine Diktatur ein, die auch mit einer Entrechtung Andersdenkender einhergeht, oder für eine herrschaftsund gesetzlose Ordnung. Die von Linksextremisten häufig instrumentalisierten Begriffe "Gleichheit", "Freiheit" und "Gerechtigkeit" stellen sich bei genauer Betrachtung als Synonyme für die Abschaffung demokratischer Errungenschaften (z. B. der Gewaltenteilung) und die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte (z. B. die Beseitigung des Rechts auf Eigentum) dar. Auch wenn das Grundziel - die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie - alle linksextremistischen Bestrebungen eint, bestehen hinsichtlich der Vorstellungen zur letztlich angestrebten Ordnung, des dorthin führenden Weges und der anzuwendenden Mittel erhebliche Differenzen. Das Ziel AUTONOMER beispielsweise ist ein Gemeinwesen, das sich an anarchistischen und kommunistischen Ideologiefragmenten orientiert. Zu dessen Durchsetzung spielt die Anwendung von Gewalt eine zentrale Rolle. Orthodoxe Parteien streben die Errichtung eines zentralistisch geleiteten kommunistischen Staatswesens an. Ein solches soll durch Klassenkampf und die Diktatur des Proletariats erreicht werden. Im Unterschied zu den AUTONOMEN halten orthodoxe Linksextremisten die Anwendung von Gewalt erst in einer revolutionären Situation für legitim und unvermeidbar. Die verfassungsfeindlichen Zielsetzungen ergeben sich aus den folgenden ideologischen Hauptströmungen des Linksextremismus: Marxismus Die Lehren von Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895) sind die ideologische Grundlage für das Denken und Handeln vieler Linksextremisten. Die marxistische Lehre ist sowohl wissenschaftliche Theorie als auch praktisch-politische Handlungsanleitung für die Revolution. Ihr zufolge vollzieht sich die Menschheitsgeschichte in gesetzmäßigen Entwicklungsstufen. Dem Endziel der geschichtlichen Entwicklung, der kommunistischen klassenlosen Gesellschaft, geht die revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems voraus. Im Kapitalismus stehen sich die ausbeutende Klasse der bürgerlichen Kapitalisten - die Eigentümer an den Produktionsmitteln - und die ausgebeutete Klasse der Arbeiterschaft - die sog. Proletarier - gegenüber. Der durch die Arbeiterschaft geschaffene Mehrwert eines erstellten Produktes geht nach der marxistischen Lehre in den Besitz der Kapitalisten über und führt so zu Lohndruck, Verarmung und schließlich Verelendung des Proletariats. Die Folgen sind Klassenkämpfe, die in eine Revolution und schließlich in die Diktatur des Proletariats münden mit dem Endziel einer kommunistischen Gesellschaft. Das gesamte politische, geistige und kulturelle Leben einer Gesellschaft wird demnach durch die ökonomischen Strukturen und Verhältnisse bestimmt. Seite 132 von 259 Das Menschenbild des Marxismus ist ein grundsätzlich anderes als das freiheitlicher Demokratien. Im Mittelpunkt steht nicht das Individuum mit seinen garantierten Rechten, sondern die Arbeiterklasse. Nach dieser Sichtweise ist es zulässig, Grundund Menschenrechte zugunsten des sozialistischen Kollektivs und einer kommunistischen Zielsetzung zu relativieren oder gar außer Kraft zu setzen. Marxismus-Leninismus Der Marxismus-Leninismus war die offizielle Weltanschauung der früheren Sowjetunion. Er basiert auf den Lehren von Marx und Engels (Marxismus), die von Wladimir I. Lenin (1870 - 1924) zur Staatsdoktrin der Sowjetunion und für den von ihm propagierten internationalen Klassenkampf weiterentwickelt wurden. Auch nach marxistischleninistischer Auffassung muss der Kapitalismus bekämpft werden. Das höchste Stadium des Kapitalismus sah Lenin im sog. Imperialismus. Demnach trachte der Kapitalismus in ausbeuterischer Weise danach, seinen Machtund Einflussbereich auf andere Staaten auszudehnen, was zwangsläufig zu Kriegen führe. Um das zu ändern, müsse auf den Kapitalismus eine neue Gesellschaftsordnung folgen: der Sozialismus. Den Sozialismus sah Lenin wiederum als Vorstufe des Kommunismus. Der Marxismus-Leninismus führt zwangsläufig zu einer revolutionären Umwälzung. Allerdings verfügt die Arbeiterklasse Lenin zufolge nicht über das notwendige politischrevolutionäre Bewusstsein. Dieses müsse durch eine Kaderpartei aus Berufsrevolutionären (Avantgardeanspruch der kommunistischen Partei) vermittelt werden. In dieser Partei sind gemäß dem Grundsatz des "demokratischen Zentralismus" keine abweichenden Meinungen zu Parteibeschlüssen durch Fraktionen oder innerparteiliche Strömungen erlaubt. Stalinismus Stalinismus ist Josef W. Stalins (1878 - 1953) theoretische Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus zum diktatorisch-bürokratischen Herrschaftssystem der Sowjetunion. Entgegen der marxistischen Annahme, dass zum Sieg des Proletariats über das Bürgertum ("Bourgeoisie") eine gemeinsame Revolution der Proletarier aller Länder notwendig sei, ging Stalin davon aus, dass der Sozialismus unter der Führung der Sowjetunion vorbildhaft zuerst dort realisiert werden müsse. Mit dem von Stalin betriebenen Aufund Umbau der Sowjetunion zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wurden u. a. die "stalinistischen Säuberungen" legitimiert, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. Trotzkismus Trotzkismus ist eine auf den russischen Revolutionär Leo Trotzki (1879 - 1940) zurückgehende Ausprägung des Marxismus-Leninismus. Wesentlich ist die Idee einer weltweiten und "permanenten" sozialistischen Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Die charakteristische Strategie trotzkistischer Vereinigungen ist der Entrismus, d. h. der Versuch, gezielt in andere Organisationen einzudringen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. So findet die Ideologie der Trotzkisten Verbreitung über die unterwanderte Organisation. Maoismus Unter der Führung von Mao Tse-tung (1893 - 1976) wurde in China nach dem kommunistischen Sieg 1949 der Marxismus-Leninismus in einer von Sowjetrussland abweichenden Weise interpretiert und als kommunistische Ideologie weiterentwickelt. Der Maoismus sieht in China die ländliche Bevölkerung und nicht die städtische Arbeiterschaft Seite 133 von 259 als Träger des politischen Umsturzes. Die Weltrevolution sollte in einem Land der Dritten Welt durch einen Guerillakrieg bäuerlicher Partisanen ausgelöst werden. In einer Serie politischer Kampagnen ("Kulturrevolution") versuchte Mao Tse-tung, die chinesische Gesellschaft gemäß den revolutionären Zielen der Partei zu erziehen. Der ideologische Terror und die damit verbundenen "Säuberungsaktionen" forderten Millionen Tote. Die Ideen Maos waren Vorbild für große Teile der 1968er-Bewegung, vor allem der in Westeuropa entstandenen "Neuen Linken" (sog. K-Gruppen). Anarchismus Zum Anarchismus werden Ordnungsvorstellungen und Bestrebungen gerechnet, die auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Das Feindbild aller anarchistischen Strömungen ist der Staat. Er gilt nach anarchistischem Verständnis als repressive Zwangsinstanz, die zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufgelöst und zerschlagen werden müsse. Einer der bekanntesten Vordenker des Anarchismus ist der russische Revolutionär und Anarchist Michail Bakunin (1814 - 1876). Aus den Ideen Bakunins entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts der sog. "Anarcho-Syndikalismus", ein System, in dem Gewerkschaften die Arbeiterschaft unabhängig von Staat oder Industriellen dezentral organisieren. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges, der kommunistischen Revolution in Russland, dem Aufstieg des Faschismus in Italien und auch während des Zweiten Weltkrieges verlor der Anarchismus zunehmend an Bedeutung. Einen zwischenzeitlichen Aufschwung erlebte er dann wieder im Rahmen der "68er"-Studentenbewegung, die sich in ihrer Forderung nach totaler Freiheit auch auf den Anarchismus berief. 4.2 Personenpotenzial Linksextremistisches Personenpotenzial im Freistaat Sachsen im Jahr 2024 1000 905 890 900 850 800 800 600 400 200 0 2020 2021 2022 2023 2024 Seite 134 von 259 Anzahl der Linksextremisten im Freistaat Sachsen insgesamt: ca. 900 (bundesweit 2024: ) Nicht gewaltorientierte Gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Linksextremisten99 und sonstige Linksextremisten100 2024: ca. 660 2024: ca. 240 2023: ca. 665 2023: ca. 240 davon AUTONOME 2024: ca. 420 2023: ca. 450 ANARCHISTEN 2024: ca. 150 2023: ca. 150 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 2024: ca. 90 2023: ca. 65 In den Großstädten Leipzig und Dresden sind unverändert die weitaus meisten Linksextremisten aktiv. 4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Die von Linksextremisten besetzten Aktionsfelder hängen von den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen und aktuellen politischen Debatten ab. So waren im Berichtsjahr vor allem die Themenfelder "Antirepression" und "Antifaschismus" bestimmend. 4.3.1 Aktionsfelder "Antifaschismus" Für die linksextremistische Szene ist der "Antifaschismus" zentrales Dogma. Hier sieht man sich in der Traditionslinie mit den Gegnern des historischen Nationalsozialismus in Deutschland. Dass der Faschismus in der heutigen Gesellschaft fest verankert sei, verdeutliche sich nach Auffassung der Szene durch die Mordserie des rechtsterroristischen NSU sowie durch Proteste im Zusammenhang mit dem Thema Zuwanderung. Aus Sicht der linksextremistischen Szene hat in den vergangenen Jahren ein "Rechtsruck" in der Gesellschaft stattgefunden, der rechtsextremistische und rassistische Positionen in einem "ungeahnten Ausmaß" gesellschaftsfähig gemacht habe. Demnach fänden sich derartige 99 ohne Mehrfachmitgliedschaften 100 ohne Mehrfachmitgliedschaften Seite 135 von 259 Einstellungen nicht mehr allein bei Neonationalsozialisten, sondern vor allem auch bei der "Neuen Rechten". In diesem Kontext wurde insbesondere auch die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) als "faschistische" und "rassistische" Partei wahrgenommen. Linksextremisten beteiligten sich deshalb in den vergangenen Jahren regelmäßig an Protestaktionen gegen diese Partei und verübten Angriffe auf Parteibüros, Geschäftsstellen, Privatfahrzeuge und Wohnhäuser. Immer wieder kam es aber auch zu direkten Angriffen auf Mitglieder oder Sympathisanten der Partei. "Antirassismus / Asyl" Der von AUTONOMEN verwendete Begriff "Antirassismus" steht in engem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Themenfeld "Antifaschismus". Mit antirassistischen Positionen von Linksextremisten ist stets auch eine fundamentale Kritik am demokratischen Rechtsstaat und dessen Institutionen verbunden. Staatlichen Akteuren wird z. B. mit Blick auf die deutsche und europäische Asylpolitik, zu der auch Abschiebungen gehören, ein systemimmanenter "institutioneller Rassismus" unterstellt. "Antirepression" Der "Kampf gegen staatliche Repression" ist ein klassisches Aktionsfeld von Linksextremisten, mit dem der demokratische Rechtsstaat delegitimiert werden soll. Dieser Kampf wird als ein gerechtfertigtes Mittel verstanden, um die angeblich herrschende "Gewalt des Systems" aufzubrechen. Als Repressionsorgane werden alle Institutionen betrachtet, die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen und damit aus Sicht von Linksextremisten die Aufrechterhaltung des "herrschenden Systems" sicherstellen. Werden Szeneangehörige wegen Gesetzesverstößen reglementiert oder verurteilt, ist das somit die "repressive" Antwort des "gewalttätigen" Staates, welche bestätigt, dass AUTONOME das ihrer Ansicht nach "Richtige" getan und vom Staat geschützte Werte oder Güter angegriffen haben. "Kampf um Freiräume" und gegen "Gentrifizierung" Ein Themenfeld der bundesweiten linksextremistischen Szene ist zudem der Kampf um "selbstbestimmte Freiräume" und gegen soziale Verdrängungsprozesse in Städten. In "Freiräumen", wie etwa besetzten Häusern oder Jugendzentren, die dem staatlichen Zugriff entzogen und "selbstverwaltet" werden sollen, wollen die Akteure ihre Vorstellungen von einem "besseren" Leben umsetzen. Dort werden die für die politische Arbeit unerlässliche Infrastruktur bereitgestellt und der Informationsaustausch innerhalb der Szene unterstützt. Solche "Freiräume" stellen für sie einen ersten Schritt zur Etablierung der von ihnen angestrebten "herrschaftsfreien" Gesellschaft dar. Insofern werten sie Einschränkungen stets als Angriff gegen die Verwirklichung ihrer Zielsetzungen. Linksextremisten beanspruchen eine Hegemonie in "ihrem Viertel", welche häufig in eine Ausgrenzung von Personen mündet, deren Wertvorstellungen nicht mit ihren eigenen übereinstimmen. Auch auf behördliche Maßnahmen, die sich gegen ihre "Freiräume" richten, reagieren sie umgehend und mitunter aggressiv. Recherchetätigkeit und "Outing"-Aktivitäten Die AUTONOME SZENE strebt eine flächendeckende Aufklärung der Strukturen des politischen Gegners an. Zur personellen Identifikation wird gezielt Recherche, vornehmlich ausgehend von öffentlich zugänglichen Veranstaltungen unter Beteiligung vermeintlicher oder tatsächlicher Rechtsextremisten, betrieben. Die Datenerhebung kann sich anschließend auf Namen, Lichtbilder, Wohnorte und Gewohnheiten der vom "Outing" Betroffenen erstrecken. Mit der öffentlichen Verbreitung privater Informationen durch Linksextremisten sollen die Betroffenen sozial geächtet und in ihrer beruflichen Laufbahn beeinträchtigt werden. Seite 136 von 259 Gewaltbereiten Linksextremisten werden damit mögliche Zielobjekte vorgegeben, insbesondere, wenn das "Outing" mit eindeutigen Hinweisen oder Appellen verknüpft wird. Diese Aktionsform wird vornehmlich von der autonomen "Antifa" praktiziert, um Personen, die aus autonomer Sicht "rechts" sind, in ihrem Wohnund Arbeitsumfeld zu denunzieren, bloßzustellen und zu bekämpfen. Beim "Nazi-Outing" publizieren Mitglieder der Antifa private Informationen der betroffenen Personen. Dies geschieht entweder mittels Flugblättern, die in der privaten oder beruflichen Umgebung der Betroffenen verteilt werden, oder über die Verbreitung dieser Informationen auf Internetplattformen. Den Betroffenen werden elementare Persönlichkeitsrechte bereits aufgrund der ihnen unterstellten Gesinnung abgesprochen. Nach Auffassung AUTONOMER stellt "Faschismus" keine Meinung, sondern ein Verbrechen dar. Straftaten gegen die "geouteten" Personen - auch Gewalttaten - werden damit billigend in Kauf genommen. "Antikapitalismus" / "Antiglobalisierung" / "Antiimperialismus" Die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung stellt für Linksextremisten ein grundlegendes Ziel dar, das inhaltlich mit allen anderen Themenfeldern verknüpft werden kann. Die fundamentale Kritik am Kapitalismus ist für sich allein genommen jedoch nicht extremistisch. Der zentrale Unterschied zwischen einer radikalen und einer extremistischen Auffassung besteht nicht in der Ablehnung eines Wirtschaftssystems, sondern im Streben nach einer revolutionären Überwindung des demokratischen Rechtsstaates, der mit seinen "Repressionsorganen" als Garant kapitalistischer Eigentumsund Produktionsverhältnisse verstanden wird. Die Verknüpfung von kapitalistischem Wirtschaftssystem und politischer Ordnung beruht auf marxistischen Faschismustheorien. Demnach münde in ökonomischen Krisen das Zusammenspiel von Finanzkapital und Staatsapparat zwangsläufig in einen Faschismus, der als "radikalste Form bürgerlicher Klassenherrschaft" definiert wird. Abhängig von der jeweiligen linksextremistischen Ausrichtung bedingt sich das Aktionsfeld "Antikapitalismus" mit dem des "Antiimperialismus". Demnach würden sich "kapitalistische" Staaten mittels ihrer "imperialistischen" Politik neue Absatzmärkte notfalls auch gewaltsam aneignen. Der mitunter gewalttätige Kampf richtet sich folglich gleichermaßen gegen "Kapitalisten" und "Imperialisten". Umwelt und Klima Das Thema Klima ist für Linksextremisten strategisch wichtig, weil es eine hohe Anschlussfähigkeit an das nicht extremistische Spektrum bietet. So instrumentalisieren Linksextremisten den Protest gegen die Nutzung fossiler Brennstoffe für ihre eigenen Zwecke. Sie wollen als Bündnispartner wahrgenommen werden, um über die Umweltproblematik ihre eigenen extremistischen Ziele - die Überwindung von "Kapitalismus und bürgerlichem Staat" - einzubringen. Seite 137 von 259 4.3.2 Aktionsformen Öffentliche Aktionen von oder mit Beteiligung von Linksextremisten im Freistaat Sachsen Die Darstellung ihrer politischen Positionen in der 75 Öffentlichkeit hat für Linksextremisten große 67 Bedeutung. Deshalb bleibt auch die Beteiligung an bzw. die Durchführung von Demonstrationen, 50 44 Kundgebungen, Aufzügen oder Gegenprotesten für die linksextremistische Szene besonders wichtig. 25 Sächsische Linksextremisten nahmen im Berichtsjahr auch an überregionalen und bundesweiten Veranstaltungen teil. 0 1. Halbjahr 2024 2. Halbjahr 2024 Im Jahr 2024 wurden 111 öffentliche Aktionen von oder mit Beteiligung von Linksextremisten im Freistaat Sachsen registriert. Im Vorjahr war das Niveau mit 110 Aktionen auf gleichem Niveau. Unter Aktionen werden neben Demonstrationen und Kundgebungen auch Mobilisierungs-, Informationsoder Vortragsveranstaltungen des gesamten linksextremistischen Spektrums zusammengefasst. Bei öffentlichen Demonstrationen ist zwischen angemeldeten und nicht angemeldeten Demonstrationen zu unterscheiden. Angemeldete Demonstrationen werden in der Regel in strategischen Bündnissen mit Nichtextremisten geplant und durchgeführt. Sie dienen zugleich der Werbung von Sympathisanten. Meist ordnen sich Linksextremisten in diesen Aufzügen weitgehend in das friedliche Demonstrationsverhalten zivilgesellschaftlicher Akteure ein. Ob es im Rahmen angemeldeter Demonstrationen zu Ausschreitungen kommt, hängt vom Kräfteverhältnis zur Polizei ab, aber auch davon, inwieweit die Anwendung von Gewalt vom bürgerlichen Spektrum toleriert wird. Im Gegensatz hierzu zeigen nicht angemeldete Demonstrationen eine hohe Eigendynamik, die häufig zu gewalttätigen Ausschreitungen führt. Zu einer erhöhten Zahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten, die aus dem Demonstrationsgeschehen heraus begangen werden, kommt es vor allem dann, wenn gesellschaftlich relevante Themen, die den Kernbereich linksextremistischer Ideologie treffen, im Mittelpunkt stehen. Dies gilt auch, wenn der politische Gegner im öffentlichen Raum direkt angegriffen werden kann. Gewalttätige Aktionen Die Anwendung von Gewalt ist in Teilen der linksextremistischen Szene - vor allem bei den AUTONOMEN - allgemein akzeptierter Grundkonsens. Dies wird dabei im Wesentlichen zweifach legitimiert: Zum einen handele es sich um Gegengewalt, mit der man sich gegen die ungerechtfertigte Gewaltausübung des Staates wehre. Denn dieser übe seinerseits mittels seiner Institutionen und Machtverhältnisse eine "strukturelle" Gewalt gegenüber Menschen aus. Zum anderen gebe es politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt schon grundsätzlich rechtfertigten. Diese Gewalt richtet sich im Wesentlichen gegen Sachen, hat aber auch Personen, wie tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, Polizeibeamte und Repräsentanten beispielsweise von Parteien (vornehmlich der AfD), zum Ziel. Seite 138 von 259 Linksextremistisch motivierte Gewaltaktionen gehen vornehmlich von der AUTONOMEN SZENE aus. Autonome Militanz zeigte sich in Form gewalttätiger Proteste aus Demonstrationen heraus sowie in Form klandestiner101 und offen militanter Aktionen. Taktisch nutzen die Akteure bei klandestinen Aktionen das Überraschungsmoment und die Anonymität. Dadurch wird für sie gleichzeitig das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung minimiert. Klandestine Aktionen sind häufig mit einem hohen Sachschaden verbunden. Für Linksextremisten stellen sie deshalb eine geeignete Aktionsform dar, um dem Staat oder dem politischen Gegner erheblich zu schaden. Üblicherweise enthalten Tatbekenntnisse Angaben zur verfolgten Absicht der Täter, um auf diese Weise Aufmerksamkeit zu erreichen sowie politischen Einfluss auszuüben. Die Anzahl klandestiner Aktionen bewegte sich gegenüber dem Vorjahr auf einem geringfügig höheren Niveau. Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 40 31 30 26 20 10 0 2023 2024 Klandestine Aktionen richteten sich vorrangig gegen den "Repressionsapparat", gegen den politischen Gegner sowie gegen Firmen, die mit der Sanierung von Wohnhäusern oder dem Bau von Behördengebäuden, wie Polizeirevieren oder Justizvollzugsanstalten, beauftragt sind. Umfasst sind dabei auch tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Ziele sind aber ebenso Vertreter und Institutionen des demokratischen Rechtsstaates, wie Polizei, Gerichte, Justizvollzug sowie Einrichtungen politischer Parteien. Sie verkörpern für AUTONOME das staatliche Gewaltmonopol und gelten als Vertreter des ihnen verhassten Staates. Feindbilder werden dabei insgesamt sehr weit gefasst, was die breite Fächerung der Anschlagsziele zeigt. Schwerpunkt der klandestinen Aktionen war auch im Berichtsjahr eindeutig die Stadt Leipzig. 4.4 AUTONOME Struktur und politische Zielsetzung Die AUTONOME SZENE ist eine äußerst heterogene Strömung innerhalb des Linksextremismus, der es an einer Organisation mit klaren Strukturen sowie einer einheitlichen ideologischen 101 Klandestine Aktionen: Im Schutz der Anonymität und unter Wahrung eines hohen Konspirationsgrades führen Kleingruppen Aktionen zum Schaden des politischen Gegners bzw. gegen Einrichtungen des "Repressionsapparates" durch. Seite 139 von 259 Basis fehlt. Das Individuum und seine Selbstverwirklichung stehen im Zentrum autonomer Politik. Zersplittert in unzählige Kleingruppen, verfolgt diese Szene weltanschaulich-politisch keine dogmatische Linie, sondern versteht sich als Fundamentalopposition und Basisbewegung. Ihrem Selbstverständnis entsprechend orientieren sich AUTONOME an anarchistischen Ideologiefragmenten und wenden sich von diesem Ansatz ausgehend gegen jegliche Form von Herrschaft, Organisation und Hierarchie. Demzufolge lehnen sie die Gewaltenteilung und einen Staat ab, in dem eine demokratisch legitimierte Mehrheit regiert und Rechte des politischen Gegners (z. B. das Recht auf Versammlungsfreiheit) geachtet werden. Angestrebt wird die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. AUTONOME bekämpfen die von ihnen als "kapitalistisch" bezeichnete Gesellschaftsordnung. Ihnen geht es dabei nicht um eine fundamentale Kapitalismuskritik, sondern vielmehr um eine revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung. Ihr Weltbild und ihre Weltanschauung sind in erster Linie von einer destruktiven Anti-Haltung (antistaatlich, antiautoritär) geprägt. Jenseits von Forderungen nach "Selbstbestimmung" und "herrschaftsfreien Verhältnissen" verbindet die AUTONOMEN ihre Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols und das Bekenntnis zu "revolutionärer Gewalt", die überwiegend in Form von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen ausgeübt wird. Neben den "klassischen" AUTONOMEN etablierten sich sowohl bundesweit als auch in Sachsen sog. Postautonome. Diese präsentieren sich moderater und streben eine Zusammenarbeit in überregionalen Bündnissen an, denen sowohl andere linksextremistische Organisationen als auch Nichtextremisten angehören können. Solche Bündnisse sollen eine kontinuierlichere politische Arbeit mit dem Ziel der Schaffung einer breiten Massenbasis sicherstellen. Postautonome Gruppen sprechen sich für die Beibehaltung militanter Konzepte aus, legen allerdings Wert auf deren Vermittelbarkeit außerhalb der eigenen Klientel. Rolle der Gewalt Für AUTONOME ist Gewaltausübung zur Durchsetzung politischer Ziele und als Symbolhandeln zentral. Gewaltbereitschaft ist ein identitätsstiftender und prägender Bestandteil der AUTONOMEN SZENE. Straftaten werden in Strategiepapieren und Diskussionen gerechtfertigt. Durch ihre Gewaltgeneigtheit unterscheiden sich die AUTONOMEN von anderen Linksextremisten. AUTONOME sehen sich zum einen als Opfer von Gewalt sowohl von staatlicher Seite als auch von Seiten des politischen Gegners. Insofern halten sie ihre eigene Gewaltausübung gegen Sachen und Personen für legitim. Zum anderen gibt es aus ihrer Sicht bestimmte politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt generell rechtfertigen. Prägend für die AUTONOME SZENE sind unterschiedliche Auffassungen über die Bestimmung der Ziele und die Angemessenheit der gewaltsamen Mittel, die in wiederkehrenden "Militanzdebatten" sichtbar werden. Ereignisgeschehen im Hinblick auf die inhaftierten und untergetauchten Linksextremisten des "Budapest-Komplexes" Während des jährlich wiederkehrenden Treffens europäischer Rechtsextremisten in Budapest zum sog. "Tag der Ehre" kam es im Februar 2023 zu mehreren linksextremistisch motivierten Körperverletzungsdelikten zum Nachteil vermeintlicher Veranstaltungsteilnehmer. Bei einem Großteil der identifizierten Tatverdächtigen handelt es sich um deutsche Staatsangehörige, welche im Anschluss an ihre Taten für längere Zeit "untergetaucht" waren. Die linksextremistische Szene steht solidarisch hinter den Tatverdächtigen und ihren Handlungen. Im Sinne ihres militanten antifaschistischen Kampfes wird Straffreiheit für die Beschuldigten gefordert; die rechtsstaatlichen Ermittlungen werden als "Repression" diffamiert. Seite 140 von 259 Polizeiliche Ermittlungen führten schließlich schrittweise zur Festnahme mehrerer Tatverdächtiger. Am 11. Dezember 2023 wurde in Berlin ein Haftbefehl gegen eine Person vollstreckt und deren Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden angeordnet. Insbesondere die Gruppierungen ERMITTLUNGSAUSSCHUSS DRESDEN (EA DRESDEN)102 und ANARCHIST BLACK CROSS DRESDEN (ABC DRESDEN)103 organisierten monatliche Solidaritätskundgebungen für die tatverdächtige Person, die in der Szene den Namen "Maja" trägt. Der Slogan "Antifaschismus ist nicht kriminell, sondern legitim und notwendig" zierte mehrfach ihre Mobilisierungsaufrufe und vereinte für diesen Anlass die AUTONOME mit der ANARCHISTISCHEN SZENE. Auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls wurde der Tatverdächtigte am 28. Juni den ungarischen Sicherheitsbehörden überstellt. Die linksextremistische Szene in Dresden, initiiert durch EA DRESDEN und ABC DRESDEN, kündigte in diesem Zusammenhang eine "Tag X+1"Demonstration gegen die Auslieferung an. Im Mobilisierungsaufruf hieß es: "Hat das Berliner Gericht so entschieden um an Maja ein Exempel zu statuieren? [...] Um an einer*einem linken Antifaschist*in mal grundsätzlich zu zeigen, was es für Konsequenzen hat, sich gegen Nazis zu stellen? [...] Freiheit für Maja, Hanna, Ilaria, Tobi und alle anderen Antifaschist*innen! Alle zusammen gegen den Faschismus!".104 Die autonomen Gruppierungen ROTES DRESDEN und UNDOGMATISCHE RADIKALE ANTIFA DRESDEN (URA DRESDEN)105 schlossen sich in den sozialen Medien ebenfalls der Mobilisierung an. Die URA DRESDEN prangerte diesbezüglich die "anhaltende Repressionswelle gegen organisierte Antifaschist:innen"106 an. An dem durch die Dresdner Innenstadt verlaufenden linksextremistischen Demonstrationszug beteiligten sich schließlich ca. 300 Personen. Die Teilnehmer zeigten Transparente mit den Aufschriften "Free Maja - Keine Auslieferung nach Ungarn. Freiheit für alle Antifas", "Solidarisch wie noch nie - antiautoritäre Perspektiven erkämpfen" und "Wir bleiben dabei - Antifaschismus ist unsere Antwort gegen Staat, Nation und Volksgemeinschaft". Der Aufzug musste durch die polizeilichen Einsatzkräfte mehrfach wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot gestoppt werden. Auch in Leipzig wurden Aktionen durchgeführt, um gegen die Auslieferung zu protestieren. Für den 6. Juli kündigte die Szene eine Demonstration unter dem Motto "No Extradition - Free Maja" an. In Beiträgen auf der linksextremistischen Internetseite DE.INDYMEDIA.ORG wurde verdeutlicht, dass man "keinerlei Vertrauen in ein rechtsstaatliches Verfahren, nicht hier oder sonst wo" habe und somit die Forderung "Freiheit und Glück für alle Antifas" das zentrale Anliegen der Szene bleibe. Zudem erklärten die anonymen Verfasser, dass "Militanz ein legitimes und notwendiges Mittel" sei. Bereits in den Nachtstunden des 3. Juli zogen ca. 30 vermummte Linksextremisten durch Leipzig-Plagwitz, zündeten Pyrotechnik, warfen einen Pflasterstein gegen ein Straßenbahnhäuschen und trugen ein Transparent mit der Aufschrift "Free Maja". In einem Artikel auf DE.INDYMEDIA.ORG wurden Fotos dieser unangemeldeten Spontanversammlung veröffentlicht und auf die Demonstration am 6. Juli mit den Worten "Tod und Hass der Soko LinX!" verwiesen. Der Demonstrationszug am 6. Juli zählte ca. 550 Teilnehmer und war unterteilt in drei Blöcke mit den Namen "#NoExtradition - Bringt Maja zurück", "Queerfeministisch kämpfen" und "Antifa bleibt Handarbeit". In mehreren Redebeiträgen wurde die Rücküberstellung des Inhaftierten aus Ungarn und dessen Freilassung gefordert. Des Weiteren wurde die von der Szene wahrgenommene staatliche "Repression" gerügt. Die Demonstrationsteilnehmer skandierten u. a. die Parolen "Free Maja" und "Tod und Hass der Soko LinX". Zudem wurden eine Vielzahl von Transparenten beispielsweise mit den Slogans "Freiheit für Maja - Für eine sofortige Rücküberstellung", "Antifa in die Offensive", "Autonome Antifa gegen Repression - 102 vgl. II.4.4.2 AUTONOME in Dresden 103 vgl. Beitrag II.4.5 ANARCHISTISCHE GRUPPIERUNGEN 104 Schreibweise wie im Original 105 bzgl. beider Gruppierungen vgl. II.4.4.2 AUTONOME in Dresden 106 Schreibweise wie im Original Seite 141 von 259 Her zu uns", "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran! Gegen Nazis, Staat und Kapital - kämpfe mit in der autonomen Antifa", "Antifa bleibt Handarbeit", "Police partout - Justice Nulle Part - Solidarität gegen Repression" und "Freiheit & Glück allen Gefangenen & Untergetauchten - Militanter Antifaschismus bleibt legitim!" gezeigt. Die linksextremistische Gruppe PRISMA-IL LEIPZIG veröffentlichte in den sozialen Medien ein Foto ihres im Demonstrationszug mitgeführten Transparentes "Keine Zeit zu resignieren - für einen konsequenten Antifaschismus heute und morgen". Polizeiliche Einsatzkräfte mussten die Versammlung mehrfach wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot stoppen. Während der Demonstration zündeten mehrere Personen Pyrotechnik vom Dach eines Mehrfamilienhauses und zeigten ein Banner mit der Aufschrift "Deutsche Justiz überwinden - Free Maja - ACAB". In den Morgenstunden des 7. Juli warfen unbekannte Täter Steine gegen den Leipziger Polizeistandort Wiedebach-Passage und zündeten vor dessen Eingang mehrfach Pyrotechnik. An die Glasfront wurde zudem das Graffiti "Free Maja" gesprüht. Außerhalb der AUTONOMEN SZENE solidarisierten sich auch dogmatische Linksextremisten mit "Maja". So veröffentlichte beispielsweise das kommunistische KOLLEKTIV ZWICKAU107 ein Gruppenfoto, auf dem Personen Transparente mit einschlägigen Aufschriften, wie "Free [Hammer und Sichel-Zeichen] Maja" und "Freiheit für alle politischen Gefangenen", zeigten und Pyrotechnik zündeten. Die Ermittlungsverfahren gegen die inhaftierten und untergetauchten Linksextremisten beschäftigten die Szene zudem im Rahmen von Vortragsveranstaltungen. Dementsprechend wurde der Vortrag "Budapest Calling - Antifas in Haft und auf der Flucht", der die Geschehnisse rekapitulieren und aktuelle Handlungsanweisungen für die Szene geben sollte, anlässlich der "Anarchistischen Tage"108 im September in Dresden beworben. Wenige Tage später stand dieser Vortrag zudem auf dem Programm des "Antifaschistischen Jugendkongresses" (Juko)109 in Chemnitz. Für weitere Empörung in der AUTONOMEN SZENE sorgte am 8. November die Festnahme des langjährig untergetauchten Linksextremisten Johann G. in Thüringen. Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft in der JVA Dresden. Die ihm vorgeworfenen Straftaten (mehrere Fälle der Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen gemäß SS 129 Abs. 1 StGB, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzungen gemäß SS 224 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 StGB, etc.) beziehen sich sowohl auf das bereits erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht Dresden behandelte "Antifa Ost"-Verfahren gegen Lina E. und drei weitere Angeklagte110, sowie auf das Ermittlungsverfahren im "Budapest-Komplex". Der ROTE HILFE E.V.111 prangerte die Inhaftierung als Zeichen "staatlicher Verfolgungswut" an: "Mit immer neuen Verhaftungen gehen die Repressionsorgane gegen Antifaschist*innen vor, die in Thüringen und Sachsen gegen Nazis aktiv waren. [...] Die Verhaftungen reihen sich ein in einen staatlichen Frontalangriff gegen die antifaschistische Bewegung."112 Auf die Untergetauchten und ihre Handlungen für den militanten antifaschistischen Kampf wurde über das Jahr hinweg mehrfach in Tatbekenntnissen zu Brandstiftungen Bezug genommen.113 Dementsprechend endeten die Ausführungen eines am 13. Dezember veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreibens auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetseite "knack.news" wie folgt: "Wir grüßen alle Antifas, die trotz der Repression weiter aktiv sind und Nazis und Rechte überall konfrontieren - ob auf der Straße, in den Betrieben, 107 vgl. Beitrag II.4.6.1 Gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 108 vgl. Beitrag II.4.5 ANARCHISTISCHISCHE GRUPPIERUNGEN 109 vgl. Beitrag II.4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 110 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2023, Beitrag II.4.4 AUTONOME 111 vgl. Beitrag II.4.7 ROTE HILFE E.V. (RH) 112 Schreibweise wie im Original 113 vgl. Beitrag II.4.8 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund Seite 142 von 259 den Medien oder in der Familie. Antifa bleibt notwendig und Handarbeit. Besonders wärmende Grüße an Nanuk, Maja, Hannah, Johann und alle anderen hinter den Knastmauern und die, die im Untergrund Zuflucht finden mussten!".114 Unbekannte Täter hatten zuvor ein Fahrzeug in Leipzig in Brand gesetzt, dessen Nutzer mutmaßlich Verbindungen in die rechtsextremistische Szene unterhält. AUTONOME SZENEN im Freistaat Sachsen Die AUTONOME SZENE dominiert den Linksextremismus im Freistaat Sachsen. Ihr gehörten im Berichtsjahr ca. 420 Personen an (2023: ca. 450 Personen). Dies entspricht einem Anteil von etwa 50 Prozent an allen linksextremistischen Bestrebungen in Sachsen. Regional und bundesweit bleibt die AUTONOME SZENE LEIPZIG neben den Szenen in Berlin und Hamburg ein Schwerpunkt autonomer Aktivitäten. Die AUTONOME SZENE in Sachsen betrachtet auch weiterhin die Begehung schwerster Straftaten als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Wesentlich stärker als in der Vergangenheit beruft sie sich inzwischen auf anarchistische Wurzeln, ohne dabei grundlegende autonome Aktionsfelder aufzugeben. Die Grenzen zwischen autonomen und anarchistischen Strömungen verschwimmen zunehmend. Diese Tendenz machte sich vor allem bei Demonstrationen bemerkbar. Dort zeigten sich anstelle von "autonomen Blöcken" vermehrt "anarchistische Blöcke", die u. a. mit entsprechenden Transparenten auf sich aufmerksam machten. Durch diese breitere ideologische Basis soll das Fundament für weitreichende regionale, überregionale und internationale Vernetzungen gelegt werden. Fazit Die Unterstützung der untergetauchten Linksextremisten im "Budapest-Komplex" setzte sich sachsenweit fort. Die Solidarisierung mit den Tatverdächtigen stellt eine Kontinuität zum Prozess gegen Lina E. und weitere Angeklagte dar. Somit sah sich die AUTONOME SZENE weiterhin in den Themenfeldern "Antifaschismus" und "Antirepression" am stärksten bestätigt. Insgesamt konnte ein starker Rückgang der Aktivitäten von AUTONOMEN verzeichnet werden, einhergehend mit einem marginal geringeren Personenpotenzial ohne signifikante regionale Veränderungen. Diese Entwicklung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf andauernde polizeiliche Ermittlungsverfahren zurückzuführen, welche die Szene in ihrem gewalttätigen Handlungsspielraum einschränken. Dennoch übt die Szene weiterhin eine Anziehungskraft auf jüngere Menschen aus. Zugleich war im Berichtsjahr festzustellen, dass das dogmatische Spektrum einen höheren Zuwachs insbesondere an jungen Szeneangehörigen verzeichnete. Möglicherweise war deren konstantes Aktionsniveau gepaart mit einem strukturierten und kämpferischen Auftreten sowohl in den sozialen Medien als auch im Versammlungsgeschehen ausschlaggebend für diese Entwicklung.115 4.4.1 AUTONOME in Leipzig Personenpotenzial Die sächsische AUTONOME SZENE konzentriert sich nach wie vor in der Stadt Leipzig. Ihr werden dort ca. 250 Personen (2023: 290 Personen) zugerechnet. Die Messestadt blieb damit im Berichtsjahr zugleich auch Brennpunkt linksextremistischer Gewalt in Sachsen. Im 114 Schreibweise wie im Original 115 vgl. Beitrag II.4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Seite 143 von 259 bundesweiten Vergleich ist Leipzig nach Berlin und Hamburg zugleich ein Schwerpunkt der AUTONOMEN SZENE in Deutschland. Strukturen Nach eigenem Selbstverständnis lehnen AUTONOME jegliche Form einer dauerhaften Organisation ab. Der Verzicht auf Strukturen reduziert die Effizienz der AUTONOMEN SZENE Leipzig in entscheidendem Maße. Gerade bei Aktionen gegen den politischen Gegner, gegen Angehörige des von ihnen so verstandenen "Repressionsapparates" oder Wirtschaftsunternehmen ist ein Mindestmaß an Koordinierung erforderlich. Daher entwickelten AUTONOME das sog. "dezentrale Konzept". Dessen Ziel ist es, Veranstaltungen des politischen Gegners in Kleingruppen anzugreifen bzw. deren Teilnehmer an der Anoder Abreise zu hindern. Das abgeschottete und kampfsporterprobte Milieu der Kleingruppen wird zudem bei klandestinen Aktionen116 aktiv. In einer Kleingruppe finden sich in der Regel etwa fünf bis zehn miteinander vertraute Personen zusammen, um gemeinsam Aktionen gegen den politischen Gegner zu planen und durchzuführen. Aktivitäten Im Jahr 2024 wurde die Entwicklung in Leipzig durch folgende Faktoren geprägt: Leipzig ist zwar weiterhin attraktiv für linksextremistische Szeneangehörige aus anderen Bundesländern; auch Teilnehmer an Veranstaltungen konnten aus dem gesamten Bundesgebiet festgestellt werden, jedoch war das Aktionsniveau im Berichtsjahr stark rückläufig. Festnahmen und Inhaftierungen von Tatverdächtigen im "Budapest-Komplex" wurden in der Szene intensiv verfolgt.117 Abschottungstendenzen einzelner Kleingruppen der gewaltbereiten AUTONOMEN SZENE setzten sich fort. Die Themenfelder "Antirepression" und "Antifaschismus" waren im Berichtsjahr von größter Bedeutung. Dies zeigte sich insbesondere im Hinblick auf die Angriffsziele bei linksextremistisch motivierten Straftaten. Jüngere Szeneangehörige interessieren sich verstärkt für anarchistische Ideologiefragmente (Lebenshaltung einer permanenten Attacke gegen den Staat, kompromissloser Kampf für Freiräume) und entfernen sich ideologisch von vorwiegend antifaschistisch orientierten AUTONOMEN. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von AUTONOMEN in Leipzig Das öffentliche Aktionsniveau - die Qualität und Quantität von Aktionen - der Leipziger AUTONOMEN war im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer. 116 vgl. zu diesem Begriff: Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 117 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 144 von 259 80 74 60 60 53 45 40 20 13 0 2020 2021 2022 2023 2024 Der Rückgang im Vergleich zum Jahr 2023 ist auf die gesunkene Beteiligung AUTONOMER an nicht extremistischen Protesten und Veranstaltungen sowie auf eine wahrnehmbare Verringerung eigens initiierter Aktivitäten zurückzuführen. Ein weiterer Erklärungsansatz sind die wiederholten polizeilichen Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Leipziger AUTONOMEN SZENE, die zu einer anhaltenden Verunsicherung in Teilen dieser Szene geführt haben dürften. AUTONOME aus Leipzig waren, wie schon in den Vorjahren, überregional aktiv. Sie mobilisierten zu bundesweiten Veranstaltungen oder beteiligten sich an Demonstrationen und Kundgebungen in der Region. Beispielhaft dafür steht der nicht extremistische "Antifaschistische Jugendkongress" (Juko) in Chemnitz.118 Aktivitäten gegen den politischen Gegner Für die AUTONOME SZENE LEIPZIG ist der Kampf gegen den Faschismus und gegen Personen, die der linksextremistischen ideologischen Weltanschauung zufolge als "faschistisch" angesehen werden, untrennbarer Bestandteil ihres Selbstverständnisses. "Outings"119 setzten sich als Mittel der öffentlichen Einschüchterung des politischen Gegners unter Nennung von personenbezogenen Daten, wie Vorund Zunamen, Lichtbildern und Wohnadressen, fort. Beispielhaft zeigen dies folgende Ereignisse im Berichtsjahr: Am 7. März wurde in einer Veröffentlichung auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetseite "inventati.org" unter der Überschrift "Nazi in Leipzig-Connewitz unterwegs" über die Aktivitäten eines mutmaßlichen Rechtsextremisten informiert. Die über ihn verbreiteten Daten enthielten seinen vollständigen Namen, seinen Wohnort und mehrere Fotos. Am 12. April wurde in einer Veröffentlichung auf dem linksextremistischen Onlineportal DE.INDYMEDIA.ORG unter dem Titel "'Identitäre Bewegung' in Leipzig - wer steckt dahinter?" über das Leben mehrerer mutmaßlicher Anhänger und Sympathisanten berichtet. Zu sechs Personen wurden ausführliche Dossiers bereitgestellt, inklusive deren Vorund Zunamen, Geburtstage, politische Aktivitäten, besuchte Schulen, Ausbildungsorte sowie Namen von Familienangehörigen. Am 8. Juni wurde auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetseite "knack.news" eine Liste aller Kandidaten der rechtsextremistischen Partei FREIE 118 vgl. Beitrag II.4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 119 vgl. Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Seite 145 von 259 SACHSEN veröffentlicht, die zur Leipziger Kommunalwahl am darauffolgenden Tag antraten. Zu einer Vielzahl von Personen wurden personenbezogene Daten (Vorund Zunamen, Geburtstage) durch eine dezidierte Auflistung ihrer Aktivitäten in der rechten Szene ergänzt. Gewaltaktionen, vor allem klandestine Aktivitäten sowie Spontanaktionen Leipziger Linksextremisten setzten auch im Berichtsjahr wieder auf klandestine Aktionen.120 Diese Aktionsform bewegte sich mit 20 Aktivitäten (2023: 20) auf einem gleichbleibenden Niveau. Die hohen Zahlen von vor 2021 blieben erneut unerreicht und unterstreichen das insgesamt gesunkene Aktionsniveau der Leipziger AUTONOMEN SZENE. Dies ist mutmaßlich auf wiederholte polizeiliche Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Leipziger AUTONOMEN SZENE zurückzuführen. Anzahl klandestiner Aktionen in Leipzig 60 51 50 50 2020 40 2021 30 2022 20 20 2023 20 18 2024 10 0 Leipzig Aktionen im Themenfeld "Antifaschismus" Über das gesamte Berichtsjahr hinweg verübten Linksextremisten Straftaten im Themenfeld "Antifaschismus". Es wurde versucht, den politischen Gegner unter Anwendung physischer Gewalt, mitunter in seinem privaten Umfeld, einzuschüchtern. Folgende Aktionen verdeutlichen das Aggressionsniveau: Am 29. Februar warfen unbekannte Täter einen brennenden Gegenstand in ein Fahrzeug in Leipzig. Der PKW war vor einer Garage abgestellt, welche mit dem Schriftzug "Nazischwein wir kommen wieder. 161" beschmiert wurde. Beim geschädigten Nutzer des Fahrzeugs liegt eine familiäre Beziehung zu einem Stadtrat der Partei AfD vor. Am 19. März griff eine unbekannte Tätergruppierung aus sechs bis acht Menschen vier Personen körperlich an. Die Geschädigten erlitten Verletzungen durch Schläge ins Gesicht und das Besprühen mit Pfefferspray. Einer der Geschädigten trug eine Jacke der Marke "Thor Steinar". Diese Bekleidungsfirma wird von der linksextremistischen Szene regelmäßig der rechten Szene zugeordnet. 120 vgl. zur Erläuterung dieser Aktionsform: Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Seite 146 von 259 Am 11. September wurde durch unbekannte Täter die Schaufensterscheibe eines Nagelstudios in Leipzig eingeschlagen und in dessen Innerem eine schwarzbraune, stinkende Flüssigkeit auf Wänden, Boden und Inventar verteilt. Ein Selbstbezichtigungsschreiben auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetseite "knack.news" begründete die Straftat mit der AfD-Mitgliedschaft der Salonbetreiberin: "Die AfD wird immer stärker und wir versuchen mit dieser Aktion der bürgerlich-faschistischen Gefahr etwas entgegen zu setzen. Da sie [Geschädigte] sagt, sie hat jetzt Angst in Leipzig, hat das wohl auch funktioniert. Free all Antifas! Faschisten und Faschistinnen auf allen Ebenen mit allen Mitteln angreifen. Keine Gespräche, keine Kompromisse."121 Aktionen im Themenfeld "Antirepression" Aktionen von Linksextremisten richteten sich auch im Berichtsjahr gegen Angehörige und logistische Unterstützer des von ihnen so verstandenen "Repressionsapparates". Ziel war hauptsächlich die Polizei. Dies zeigen beispielhaft folgende Vorkommnisse: Am 30. April versammelten sich ca. 525 Personen zu einer nicht extremistischen Demonstration unter dem Motto "Queerfeminismus sichtbar machen!" im Leipziger Westen. Anonyme Verfasser hatten bereits im Vorfeld auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetseite "knack.news" mit den Worten "Kein Knast, kein Staat, kein Patriarchat!" für eine Teilnahme aufgerufen. Die Polizei musste den Aufzug wegen mehrerer Fälle von Vermummungen stoppen. Die Versammlungsteilnehmer zeigten ein Frontplakat mit der Aufschrift "Take back the night - Take back the streets" und nutzten schwarze Regenschirme. Zudem wurden mehrere Nebeltöpfe und andere Rauchkörper in Richtung der polizeilichen Einsatzkräfte geworfen. Während polizeilicher Maßnahmen wurde aus dem Aufzug heraus mehrfach "Tod und Hass der Soko LinX" skandiert. Angesichts des mobilisierten Personenpotenzials war die Demonstration als Erfolg für den militanten "Antirepressionskampf" der autonom-anarchistischen Szene in Leipzig zu sehen. Am 27. Mai setzten unbekannte Täter ein Fahrzeug der Bundespolizei auf einem umschlossenen Gelände in Leipzig in Brand. Ein Selbstbezichtigungsschreiben auf DE.INDYMEDIA.ORG rechtfertigte die Tat mit der Ablehnung von Befugnissen für die Polizei und einem Prozess gegen Szeneangehörige in Berlin, welche von der Bundespolizei festgenommen wurden: "die Idee, eine neue sächsische Spezialeinheit (BFEBeweissicherungsund Festnahmeeinheiten) der Bundespolizei ins Leben zu rufen, zeigt deutlich die immer weiter voranschreitende Militarisierung und Aufrüstung der Bullen. Um etwas gegen die autoritären Entwicklungen ausrichten zu können, braucht es mehr Kollektivität im Umgang mit Repression. [...] Wir wollten in der Nacht vorm Prozessauftakt ein Zeichen der Solidarität gegen die Vereinzelung setzen, indem wir ein Auto der Bundespolizei auf dem Gelände der Bundesnetzagentur in LeipzigGohlis in Brand steckten. Feuer und Flamme der Repression".122 4.4.2 AUTONOME in Dresden Personenpotenzial Das Personenpotenzial der AUTONOMEN SZENE DRESDEN wird auf etwa 75 Personen geschätzt (2023: 60).123 Die Dresdner Szene bildet den zweiten Schwerpunkt autonomer Aktionen im 121 Schreibweise wie im Original 122 Schreibweise wie im Original 123 Es handelt sich um keinen Zuwachs im Dresdner Linksextremismuspotenzial, sondern lediglich um eine Verschiebung der 15 Anhänger des ROTEN DRESDEN vom Personenpotenzial der DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN hin zu jenem der AUTONOMEN SZENE aufgrund ideologischer Veränderungen. Seite 147 von 259 Freistaat Sachsen, fällt in ihrer Bereitschaft zur Ausübung von Gewalt gegenüber der Leipziger Szene jedoch deutlich ab. Strukturen Die UNDOGMATISCHE RADIKALE ANTIFA DRESDEN (URA DRESDEN) gehört nach wie vor zu den aktivsten linksextremistischen Gruppierungen in Dresden. Sie ist Teil des bundesweiten linksextremistischen ... UMS GANZE - KOMMUNISTISCHES BÜNDNIS! (UG)124. Bei UG handelt es sich um einen Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der bundesweiten AUTONOMEN SZENE, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Lokal treten die Mitgliedsgruppen autark auf, während sie in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen unter dem Label UG fungieren. Des Weiteren agiert in Dresden die kommunistische Gruppierung ROTES DRESDEN, die sich im Berichtsjahr stärker an autonomen Ideologiefragmenten, Aktivitäten und Organisationen orientierte und sich - wie eigene Veröffentlichungen in den sozialen Medien zeigten - zunehmend von autoritären DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN, wie dem ROTEN AUFBRUCH DRESDEN125, abwandte. Darüber hinaus bedient der ERMITTLUNGSAUSSCHUSS DRESDEN (EA DRESDEN) als zentraler Akteur das Themenfeld "Antirepression". Mit ihren Informationsveranstaltungen und Kundgebungen vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden prägt die Gruppe maßgeblich die Solidaritätsarbeit für inhaftierte Linksextremisten.126 Außerdem ist das ANTIFA RECHERCHETEAM DRESDEN (ART DRESDEN) in der Landeshauptstadt aktiv. Es widmet sich seit jeher intensiv der "Recherchearbeit" vor allem über tatsächliche bzw. vermeintliche Rechtsextremisten und veröffentlicht in diesem Zusammenhang entsprechende Outings. Mit der öffentlichen Verbreitung privater Informationen beteiligt sich das ART DRESDEN aktiv an einer wesentlichen Aktionsform der AUTONOMEN SZENE. Outing-Aktionen dienen der linksextremistischen Szene als Mittel zur Bekämpfung politischer Gegner.127 Aktivitäten Die Strukturen der Dresdner AUTONOMEN SZENE führten im Berichtsjahr ihre intensive Öffentlichkeitsarbeit der vergangenen Jahre fort. Sie veröffentlichten zahlreiche Meldungen und Beiträge auf ihren Internetseiten und in den sozialen Medien. Dabei werden der demokratische Rechtsstaat delegitimiert und das staatliche Gewaltmonopol offen abgelehnt. Dementsprechend publizierte die URA DRESDEN einen Beitrag auf ihrer Internetseite mit dem Titel "Wer gegen Nazis kämpft, darf sich auf diese Demokratie nicht verlassen". Damit verdeutlichte die Gruppe, dass ihr Antifaschismuskampf nicht mit dem hiesigen demokratischen Rechtsstaat vereinbar sei: "Diese Demokratie und dieser Staat können im Kampf gegen den Faschismus niemals verlässliche Verbündete sein. Eine 'wehrhafte Demokratie' bedeutet am Ende lediglich schärfere Gesetze, mehr Kontrolle und einen weiteren Schritt nach vorne für eine autoritäre Formierung des Staates. Dies hilft uns weder als radikale Linke noch als progressiv denkende Menschen. Im Gegenteil - mit diesen Forderungen schafft man die Grundlage unserer Unterdrückung und legt der extremen Rechten, im Falle einer Regierungsbeteiligung, noch den Ball auf den Elfmeterpunkt. [...] Daher ist für uns klar, wir 124 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 2023, S. 195 125 vgl. Beitrag II.4.6.1 Gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 126 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME 127 vgl. Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Seite 148 von 259 können uns weder auf den Staat noch auf seine Vertreter:innen verlassen. Als Linke müssen wir den antifaschistischen Selbstschutz weiter aufbauen und organisieren."128 Im Verlauf des Jahres warb die URA DRESDEN außerdem auf ihren Social-Media-Kanälen für den Vertrieb ihres selbst kreierten Schals, welcher den Schriftzug "For a future to believe in - Kommunismus statt Deutschland" trägt. Wie schon in den Vorjahren war die URA DRESDEN auch im Berichtszeitraum in und außerhalb Sachsens aktiv. Dazu gehörte im September ihre Beteiligung an der Organisation und Durchführung des neunten "Antifaschistischen Jugendkongresses" (Juko) in Chemnitz.129 Ebenso war eine Referentin aus ihren Reihen für Vortragsveranstaltungen zur sächsischen "Antifa-Arbeit" in Köln (Nordrhein-Westfalen) und in Osnabrück (Niedersachsen) im Oktober angekündigt. Das Aktionsniveau des ART DRESDEN entsprach dem des Vorjahres. So berichtete die Gruppierung beispielsweise über Akteure und Strukturen der Dresdner bzw. regionalen rechtsextremistischen Szene und über überregionale Aktivitäten von Rechtsextremisten. Dabei veröffentlichte das ART DRESDEN im Internet abermals zahlreiche Fotos, Namen und weitere Angaben von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten aus der Region Dresden. Das ART DRESDEN und das ROTE DRESDEN beteiligten sich zudem an Aktionen gegen eine Versammlung von Rechtsextremisten am 13. Februar anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Analog zur Leipziger AUTONOMEN SZENE drückten die Gruppierungen URA DRESDEN, EA DRESDEN und ROTES DRESDEN ihre Unterstützung für die inhaftierten und untergetauchten Linksextremisten des "Budapest-Komplexes" aus. Die AUTONOME SZENE DRESDEN gestaltete in besonderem Maße die Solidaritätsarbeit für den in der JVA Dresden inhaftierten Tatverdächtigen "Maja".130 Ferner beteiligten sich Dresdner Linksextremisten am Wahlabend des 1. September an dem nicht extremistischen Aufzug "Wir bleiben unregierbar", um ihre Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Landtagswahl auszudrücken. Im Vorfeld hatten die URA DRESDEN, ROTES DRESDEN und EA DRESDEN in den sozialen Medien für die Veranstaltung mobilisiert. Im gemeinsamen Aufruf argumentierten die Gruppen: "Scheiße bleibt Scheiße! Egal ob nun die sächsisch-konservativen Senfeier der CDU oder die Neofaschist:innen der AfD die stärkste Kraft in Sachsen werden. Am Ende bedeutet der Ausgang der Wahlen lediglich ein 'Weiter so' mit den kapitalistischen und rassistischen Verhältnissen hier in Sachsen. [...] Was es jetzt braucht, ist eine organisierte und schlagfertige Linke. [...] Gegen Entrechtung, tägliche Ausbeutung, das Sterben an den Grenzen, Mauern und Gewalt! Wir gehen auf die Straße mit dem Wissen, dass uns keine Regierung aus diesen Verhältnissen befreien kann. Denn: Wir werden unregierbar bleiben!".131 Unter den ca. 750 Teilnehmern befanden sich etwa 200 Linksextremisten. Sowohl zu Beginn der Veranstaltung als auch in deren Verlauf wurden Nebeltöpfe und Leuchtfeuer gezündet. Personen an der Spitze des Aufzuges vermummten sich vollständig mit entsprechender Kleidung, Regenschirmen und unter Verwendung von Transparenten. Linksextremistische Gruppen präsentierten eigene Transparente, wie die URA DRESDEN mit der Aufschrift "Kein Viertel für Nazis" und ROTES DRESDEN mit dem Slogan "Krieg den deutschen Zuständen". ROTES DRESDEN hielt zudem einen Redebeitrag, welcher anschließend verschriftet publiziert wurde: "Auf dem Wahlzettel sind im Endeffekt verschiedene Programme zur Sicherung der kapitalistischen Akkumulation aufgelistet. Eine Entscheidung gegen die Herrschaft und gegen das Privateigentum steht nicht drauf. [...] Wer jedoch nicht Lösungen für die Probleme der Herrschaft, sondern für seine eigenen wählen möchte, der wird mit dem Wahlzettel erfolglos bleiben. Denn dafür ist er nicht da. Wir sagen: 128 Schreibweise wie im Original 129 vgl. Beitrag II.4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 130 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME 131 Schreibweise wie im Original Seite 149 von 259 Angreifen statt mitreden!".132 Auf der linksextremistischen Internetseite DE.INDYMEDIA.ORG erschien im Nachgang ein Beitrag mit dem Titel "Kraftvolle Demonstration in Dresden noch am Wahlabend", in welchem die Autoren die Durchführung der Versammlung und die hohe Teilnehmerzahl lobten. Im Berichtsjahr war feststellbar, dass sich in Dresden die Kooperation der AUTONOMEN SZENE mit dem anarchistischen Spektrum anlassbezogen fortsetzte. Somit konnten Kräfte für gemeinsame Themen effizienter gebündelt und den Veranstaltungen eine größere Reichweite bzw. Öffentlichkeitswirkung verliehen werden. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von AUTONOMEN in Dresden Die Anzahl der öffentlichen Aktionen im Berichtsjahr blieb auf dem Niveau des Vorjahres. Hervorzuheben ist, dass Dresdner AUTONOME mehrfach kämpferisch in geschlossenen schwarzen Blöcken auftraten. 60 45 40 34 33 27 23 20 0 2020 2021 2022 2023 2024 Ein Hauptaktionsfeld Dresdner AUTONOMER waren im Berichtszeitraum Solidarisierungsaktionen mit den inhaftierten und untergetauchten Linksextremisten im "Budapest-Komplex", begünstigt durch die Nähe zur JVA. Diesbezüglich wird auf die Darstellung im Beitrag AUTONOME133 verwiesen. Darüber hinaus beteiligten sich Dresdner AUTONOME an verschiedenen Aktionen gegen den politischen Gegner sowie anlässlich des "ACAB"-Tages ("All Cops Are Bastards") am 13. Dezember gegen die Polizei. Klandestine Aktionen Die Anzahl klandestiner Aktionen134 stieg im Berichtsjahr geringfügig an. Ungeachtet dieses marginalen Anstiegs ist die Zahl jedoch weiterhin nicht vergleichbar mit jener in Leipzig.135 Unabhängig von dieser Entwicklung zeigte sich, dass diese Protestform für die Dresdner AUTONOME SZENE nach wie vor eine Rolle in der politischen Auseinandersetzung spielt. 132 Schreibweise wie im Original 133 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME 134 vgl. zur Erläuterung dieser Aktionsform: Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 135 vgl. Beitrag II.4.4.1 AUTONOME in Leipzig Seite 150 von 259 Anzahl klandestiner Aktionen in Dresden 30 26 22 20 2020 2021 2022 10 2023 7 5 2024 1 0 Dresden 4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen Außerhalb der beiden Zentren der AUTONOMEN SZENE, Leipzig und Dresden, besteht in Sachsen nur ein geringes autonomes Personenpotenzial. Dementsprechend sind dort die Strukturen und Aktivitäten weit weniger ausgeprägt. Das öffentliche Aktionsniveau - sowohl Qualität als auch Quantität der Aktionen - lag auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von AUTONOMEN in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 30 20 15 11 10 10 8 7 0 2020 2021 2022 2023 2024 Auch die Anzahl der klandestinen Aktionen bewegte sich im Berichtsjahr auf dem niedrigen Niveau der Vorjahre. Dennoch spielt diese Aktionsform weiterhin eine wichtige Rolle in der politischen Auseinandersetzung. Seite 151 von 259 Anzahl klandestiner Aktionen in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 20 2020 12 2021 10 2022 2023 6 6 5 2024 3 0 andere Regionen Stadt Chemnitz Zentrales Themenfeld von autonomen Akteuren in Chemnitz bleibt der "Antifaschismus". Insbesondere deren Beteiligung an nicht extremistischen Protestversammlungen oder die Durchführung von Outing-Aktionen zum Nachteil des politischen Gegners waren auch in diesem Jahr Teil des Aktionsrepertoires der Chemnitzer Szene. Im Fokus standen dabei einerseits Personen und ihre Aktivitäten in rechtsextremistischen Gruppierungen oder Parteien, wie der IDENTITÄREN BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) / SACHSENGARDE oder den FREIEN SACHSEN. Andererseits nahmen Szeneangehörige Immobilien und Trefforte, die von mutmaßlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten genutzt werden, in den Blick. Dazu zählten beispielsweise folgende Aktivitäten: 23. Februar: Beteiligung am nicht extremistischen Protest gegen das identitäre Hausprojekt "Zentrum Chemnitz". Versammlungsteilnehmer trugen ein Transparent mit der Aufschrift "Kick them out! Der IB Grenzen aufzeigen". Zudem wurde die Parole "Nazis jagen ist nicht schwer, mit Hammer, Sichel und Gewehr" skandiert. Am 20. Oktober wurde die Immobilie erneut thematisch aufgegriffen, als im nicht extremistischen "Antifaschistischen Infoblatt" ein Artikel erschien, der ihre Betreiber und Sponsoren namentlich publik machte und deren mutmaßliche Einbindung in die rechte Szene darlegte. 9. März: Beteiligung am nicht extremistischen Protest gegen eine Veranstaltung der rechtsextremistischen Partei FREIE SACHSEN. Mindestens 15 Personen versuchten, die Aufzugsstrecke des politischen Gegners zu blockieren. 1. September: Namentliche Nennung inklusive der Veröffentlichung von Bildmaterial einer vermeintlichen Rechtsextremistin auf dem X-Kanal "@naziwatchemnitz": "Neonazi als Wahlhelferin: [Name ist genannt], langjährige Nazi-Aktivistin aus #Chemnitz, ist zur heutigen Landtagswahl im Chemnitzer Wahllokal [genannt] als Wahlhelferin tätig und hat Einsicht in persönliche Daten der Wählenden." Darüber hinaus zeigten Fotos die Betroffene bei mutmaßlich rechtsextremistischen Veranstaltungen. Seite 152 von 259 "Antifaschistischer Jugendkongress" Vom 20. bis 22. September fand der neunte nicht extremistische "Antifaschistische Jugendkongress" (Juko) unter dem Motto "Ost! Ost. Ostdeutschland? Geschichte und Gegenwart linker Politik im Osten" im "Alternativen Jugendzentrum Chemnitz" statt. Neben Nichtextremisten waren auch in diesem Jahr linksextremistische Gruppen in die Organisation und Durchführung der Veranstaltungen eingebunden. Die Organisatoren des "Juko" verbreiteten in Vorbereitung der Veranstaltungen ein Video, in welchem vermummte Personen Pyrotechnik (Bengalos) entzündeten und forderten, man solle aufgrund der andauernden "Kriminalisierung von Antifaschismus" und dem vermeintlichen Erstarken rechter Kräfte im Rahmen des "Juko" zusammenkommen. PRISMA - INTERVENTIONISTISCHE LINKE LEIPZIG (PRISMA) und UNDOGMATISCHE RADIKALE ANTIFA DRESDEN (URA DRESDEN)136 mobilisierten wie in den vergangenen Jahren für eine Teilnahme am Kongress. Während sich das Leipziger PRISMA an der Podiumsdiskussion "Die Qual der Wahl" beteiligt haben soll, organisierte die URA DRESDEN eine eigene Veranstaltung unter dem Motto "Was will ich? Was willst du? Das Verbot der CDU!". Thematisch orientierten sich diese Veranstaltungen an den zuvor stattgefundenen Landtagswahlen. Dahingegen bot der ROTE HILFE E.V. ORTSGRUPPE LEIPZIG137 zwei Veranstaltungen im Aktionsfeld "Antirepression" an. Das aktuelle "Repressionsthema" des "Budapest-Komplexes" sollte in einer separaten Veranstaltung behandelt werden.138 Im Nachgang der Veranstaltungen dankten die Veranstalter den Teilnehmern und Referenten in mehreren Social-Media-Beiträgen. Auf dem publizierten Bildmaterial sind neben einem Graffiti des "Juko" mit der "antifaschistischen" Doppelfahne zudem die Schriftzüge "Free Maja", "Free Hanna", "Free All Antifas" und "Halte durch Tobi" zu erkennen, womit Bezug auf die derzeit aufgrund des Budapest-Verfahrens inhaftierten Linksextremisten genommen wird. Die Veröffentlichung endete mit den Worten "Unsere Solidarität an alle von Repression betroffenen Antifas!". Der Kongress diente einerseits dem Erfahrungsaustausch und andererseits der Stärkung des Zusammenhalts linksextremistischer Gruppen untereinander sowie zwischen nicht extremistischen und linksextremistischen Akteuren. Ein wesentliches Ziel war zudem die Stärkung von Strukturen außerhalb der urbanen Zentren der AUTONOMEN SZENE. Erst durch derartige regelmäßige Treffen werden die hierfür notwendigen, mobilisierungsrelevanten Vernetzungen linksextremistischer Gruppen geschaffen. Insofern belegte auch diese Veranstaltung die anhaltende Bedeutung des "Juko" für die linksextremistische Szene und baute auf das Interesse der Teilnehmer aus den Vorjahren auf. AUTONOME in den sächsischen Landkreisen In den Landkreisen des Freistaates Sachsen waren auch im Berichtsjahr lediglich Einzelpersonen der linksextremistischen Szene zuzurechnen. Thematisch sind die sächsischen Landkreise für die AUTONOME SZENE von erhöhter Bedeutung, wenn der "faschistische" politische Gegner mittels spontaner Aktionen überrascht und enttarnt werden kann. Dabei müssen die autonomen Akteure nicht zwangsläufig aus der Region stammen, sondern können auch aus den Großstädten speziell dafür angereist sein. 136 vgl. Beitrag II.4.4.2 AUTONOME in Dresden 137 vgl. Beitrag II.4.7 ROTE HILFE E.V. (RH) 138 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 153 von 259 Am 8. Februar zog eine größtenteils schwarz gekleidete Gruppe bestehend aus 25 Personen unter Verwendung von bengalischem Feuer durch Heidenau (Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge). Dabei wurden die Parolen "Nazis raus / Nie wieder Deutschland" skandiert und Flugblätter verteilt, welche eine Person der rechten Szene mit ihren personenbezogenen Daten und einem Lichtbild outeten. Die nicht angezeigte Versammlung wurde in unmittelbarer Nähe von deren mutmaßlichem Wohnsitz durchgeführt. Als relevantes, gleichgelagertes Ereignis wurde außerdem eine "Antifaschistische Kaffeefahrt" am 7. September in Zittau (Landkreis Görlitz) bekannt. Im Rahmen einer nicht angezeigten Versammlung suchten 50 vermummte Personen u. a. eine Örtlichkeit auf, die der rechten Szene zugeordnet wird. Im Internet veröffentlichte Bilder zeigten die schwarz vermummte Personengruppe, während sie zahlreiche pyrotechnische Erzeugnisse einsetzte und Transparente mit den Aufschriften "Antifaschistische Kaffeefahrt durch Ostsachsen" und "Kein Vergeben, kein Vergessen - Nazis haben Namen und Adressen!" mitführte. 4.5 ANARCHISTISCHE GRUPPIERUNGEN Struktur und politische Zielsetzung Die ANARCHISTISCHEN GRUPPIERUNGEN in Sachsen fordern die Auflösung des demokratischen Rechtsstaates zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft. In ideologischer Hinsicht sind bei ihnen fließende Übergänge zu ähnlichen oder verwandten linksextremistischen Gruppierungen, wie den AUTONOMEN, feststellbar. Insbesondere der Anarchosyndikalismus weist jedoch im Gegensatz zu den AUTONOMEN einige spezielle Merkmale, wie einen höheren Organisationsgrad, auf. Allein schon dadurch können sich ANARCHISTISCHE GRUPPIERUNGEN deutlich von den AUTONOMEN unterscheiden. Organisationsgebundene und -ungebundene ANARCHISTEN sind im Freistaat Sachsen hauptsächlich in Dresden und Leipzig vertreten. Rolle der Gewalt ANARCHISTEN sehen sich analog zu AUTONOMEN als Opfer von staatlicher Gewalt, ausgeübt durch die sog. "Repressionsorgane" Polizei und Justiz. Eigene Gewaltausübung halten sie deshalb für ein legitimes Mittel der politischen Meinungsäußerung. Aus ihrer Sicht gibt es bestimmte politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt ausdrücklich rechtfertigen. Als Hommage an einen griechischen Anarchisten, der bei einer unbeabsichtigten Explosion eines selbst hergestellten Sprengsatzes getötet wurde, brachten ANARCHISTEN in Leipzig ein Banner mit der Aufschrift "Gefährte, ich werde dich in den brennenden Straßen sehen, wo du für immer leben wirst. Gesundheit und Freiheit für Marianna, Dimitra und die anderen verfolgten Anarchist:Innen des 31.10. in Athen. [Anarchie-Symbol]"139 an. Die Aktion wurde u.a. auf der linksextremistischen Online-Plattform DE.INDYMEDIA.ORG beworben: "Kyriakos wird von seinen Gefährt*innen als kämpferisch und freiheitsliebend beschrieben. Als ein Mensch, welcher sein Leben dem anarchistischen Kampf widmete und stets engagiert an der Seite seiner Verbündeten stand. Die Erinnerung an Kyriakos [...] wird von nun an immer Teil unseres Kampfes gegen Herrschaft, Staat und Unterdrückung sein. Du bleibst unvergessen und wirst für immer einen Platz in unseren flammenden Herzen der Freiheit haben! [...] Ein Tod in Aktion ist eine ewige Aufforderung zum Kampf!"140 Demgegenüber lassen organisationsgebundene ANARCHISTISCHE GRUPPIERUNGEN, wie die FREIE ARBEITER*INNEN-UNION (FAU) und das ANARCHISTISCHE NETZWERK DRESDEN (AND), die 139 Schreibweise wie im Original 140 Schreibweise wie im Original Seite 154 von 259 Frage nach der Anwendung von Gewalt als legitimem Mittel zur Erreichung ihrer politischen Ziele offen, ziehen jedoch Parallelen zwischen ihrem hiesigen "Kampf" und potenziell gewalttätigen Mitstreitern im Ausland. Die FAU DRESDEN bewarb beispielsweise im Oktober eine Vortragsveranstaltung mit "Genoss*innen" der besetzten Gemeinschaft Prosfygika in Athen, die sich als "Teil des klassenkämpferischen, sozialen und internationalistischen Kampfes gegen Staat und Kapital" sehen. Mit der Versammlung habe man "die Chance, aus der langen Geschichte des Widerstands der Gemeinschaft von Prosfygika für unsere Kämpfe zu lernen und lokale und internationale Kämpfe zu verbinden". Ein gleichgelagertes Anliegen verfolgte das AND bei der Ausrichtung der "Anarchistischen Tage" unter dem Motto "Unser Kampf um Freiheit kennt keinen Frieden!", wobei eine Vielzahl von anarchistischen Perspektiven zu internationalen Konflikten als Programmpunkte aufgeführt wurden. 4.5.1 FREIE ARBEITER*INNEN-UNION (FAU) Sitz Krefeld (Nordrhein-Westfalen) Geschäftskommission der FAU Gründung 1977 Hauptorganisation/ FREIE ARBEITER*INNEN-UNION (FAU) übergeordnete Gruppierung Teilorganisationen in Sachsen * ALLGEMEINES SYNDIKAT DRESDEN DER FAU (FAU DRESDEN) * FAU SEKTION ERZGEBIRGSKREIS (FAU ERZ, Teil der FAU DRESDEN) * FAU SEKTION FREIBERG (Teil der FAU DRESDEN) * FAU SEKTION CHEMNITZ (FAU CHEMNITZ, Teil der FAU DRESDEN) * ALLGEMEINES SYNDIKAT LEIPZIG DER FAU (FAU LEIPZIG) * SYNDIKAT FAU PLAUEN Internetauftritte Internetseiten sowie Profile der vorgenannten sächsischen Syndikate in den sozialen Medien Publikation "Direkte Aktion" (Onlinezeitung, unregelmäßig) Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung Sachsen ca. 80 ca. 80 bundesweit ca. 1.600 Finanzierung Mitgliedsbeiträge Kurzportrait / Ziele Die FAU versteht sich als ein Zusammenschluss von lokalen, unabhängigen, basisdemokratischen Gewerkschaften, den Syndikaten. Seite 155 von 259 Sie bezeichnet sich selbst als "klassenkämpferische Gewerkschaftsföderation". Die in der FAU vereinten Syndikate bilden die mitgliederstärkste anarchistische Organisation in Deutschland. In Sachsen ist sie spätestens seit Mitte der 1990er Jahre aktiv. Die FAU verfügt über eine feste theoretische und organisatorische Basis auf Grundlage des Anarchosyndikalismus. Ereignisse / Entwicklungen 2024 FAU LEIPZIG und FAU DRESDEN sind die aktivsten sächsischen Syndikate. Organisation eigener Versammlungen im Gewerkschaftsbereich und Beteiligung an Demonstrationen mit linksextremistischer Thematik. Lokale Kooperationen mit anderen ANARCHISTISCHEN GRUPPIERUNGEN, beispielsweise am 1. Mai oder zu den "Anarchistischen Tagen" in Leipzig und Dresden. Ideologie Das Ziel der FAU ist die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. In ihrer Zeitschrift "Direkte Aktion", die sich nach eigenen Angaben "auf die Grundlage des Klassenkampfes stützt", heißt es dazu unmissverständlich: "Wir Anarcho-SyndikalistInnen haben die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft zum Ziel. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus. [...] Zur Durchsetzung unserer Ziele und Forderungen dienen uns sämtliche Mittel der direkten Aktion, wie z. B. Besetzungen, Boykotts, Streiks etc. Im Gegensatz dazu lehnen wir die parlamentarische Tätigkeit in jeglicher Form ab." Mit diesem Selbstverständnis steht die FAU im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In ihrem Grundlagentext "Prinzipien und Grundlagen der Arbeit der FREIEN ARBEITER*INNENUNION (FAU)" wird das Ziel der "Überwindung des Kapitalismus" manifestiert, da dieser "auf der Ausbeutung durch diejenigen beruht, die über die Produktionsmittel verfügen". Außerdem zielt die FAU darauf ab, den Staat zu zerschlagen und an dessen Stelle eine "Föderation der Syndikate" (basisdemokratische Gewerkschaften) treten zu lassen. Das "Syndikat" wird als tragende Organisationseinheit des revolutionären Kampfes in einer anarchistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung angesehen, die im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. Strategie Vor allem im Rahmen öffentlicher Aktionen versuchen die Akteure, ihre extremistischen Zielsetzungen zu verbreiten und so neue Anhänger zu gewinnen. Indem sich die FAU Seite 156 von 259 vordergründig als gewerkschaftsähnliche Organisation darstellt, wird verschleiert, dass sie die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt. Außerdem nimmt das Themenfeld "Antirepression" bei Anarchisten der FAU einen hohen Stellenwert ein, indem beispielsweise das "Knastsystem" der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt wird. Struktur und Aktivitäten der Syndikate in Sachsen Die etablierten Strukturen bestanden im Berichtsjahr bei konstanten Mitgliederzahlen fort. Anarchosyndikalistische Gruppen treten im Freistaat Sachsen mit eigenen Aktionen öffentlich auf oder beteiligen sich an Demonstrationen mit linksextremistischer Thematik. Dabei zeigten sich im Berichtsjahr jedoch regionale Unterschiede zwischen den FAU-Akteuren, was sowohl den Umfang und die Intensität von Aktionen als auch die Wahl der Mittel betraf. Räumliche Schwerpunkte: Dresden Die Präsenz des mitgliederstarken ALLGEMEINEN SYNDIKATS DRESDEN DER FAU (FAU DRESDEN) spiegelte sich im Berichtsjahr erneut in den sozialen Medien wider. Um ihren Bekanntheitsgrad und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erhöhen, beteiligte sich die FAU DRESDEN vornehmlich an sozialkritischen, nicht extremistischen Protesten unter Einsatz ihrer schwarz-roten/schwarz-lila Fahnen sowie von Transparenten. Im jährlich wiederkehrenden Versammlungsgeschehen "Anarchistischer 1. Mai" war die FAU erneut mit eigenen Fahnen sowie nach der Demonstration mit einem Informationsstand vertreten. Im Anschluss eröffnete das Dresdner Syndikat zudem feierlich ein neues Gewerkschaftslokal in Dresden-Pieschen. Außerdem bot die FAU DRESDEN Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Konflikten an. Diese äußerte sich in regelmäßig stattfindenden Sprechstunden sowie in der Organisation juristischen Beistands für Betroffene bei Arbeitskämpfen und durch einschlägige Kundgebungen, wie beispielsweise am 6. Januar in Olbernhau (Erzgebirgskreis) anlässlich des Verfahrens eines FAU-Mitglieds gegen ein Stromversorgungsunternehmen. Leipzig Dieses Jahr zementierte die FAU LEIPZIG ihre Rolle in der ANARCHISTISCHEN SZENE in Leipzig durch die erstmalige Organisation einer eigenen anarchistischen 1. Mai-Demonstration unter dem Motto "Revolution ist Alltagssache! Die neue Gesellschaft in der Schale der Alten aufbauen". Es beteiligten sich in der Spitze ca. 1.500 Personen. Mehrere Teilnehmer trugen anarchistische Fahnen bzw. Fahnen der FAU. Angaben der FAU zufolge wurden mehrere Reden verlesen, darunter ein Beitrag der FAU SEKTION ERZGEBIRGSKREIS. Diese thematisierten die Arbeitskämpfe, welche man solidarisch unterstütze. Es wurden außerdem verschiedene Parolen angestimmt, wie "Amore, Anarchia, Autonomia" und "Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung, für mehr Staatszerlegung". Die FAU LEIPZIG zelebrierte die Aktion in den sozialen Medien als die "bisher größte Demonstration der FAU - bundesweit!".141 Im Berichtszeitraum führte die FAU LEIPZIG auch öffentlichkeitswirksame Aktionen für eigene Mitglieder durch. Wie in den Vorjahren unterstützte sie im Rahmen von Kundgebungen Arbeitskämpfe ihrer Mitglieder beispielsweise im Gastronomiegewerbe und berichtete zudem in den sozialen Medien ausführlich über anhängige bzw. abgeschlossene Verfahren bei Arbeitsgerichten. 141 Schreibweise wie im Original Seite 157 von 259 Um ihren Bekanntheitsgrad und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit weiter zu erhöhen, bietet die FAU LEIPZIG regelmäßige Beratungen in ihrem Büro an. Fazit Die FAU SYNDIKATE LEIPZIG und DRESDEN bleiben hinsichtlich ihres Aktionsund Mitgliederpotenzials einander ebenbürtig. Unverändert macht die FAU insbesondere durch die Unterstützung lokaler Arbeitskämpfe sowie die Mobilisierung für und Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen, wie am 1. Mai, auf sich aufmerksam. Im Berichtsjahr forcierten die Dresdner und Leipziger Syndikate strategische Kooperationen mit anderen lokalen ANARCHISTEN mit dem Ziel, die Anschlussfähigkeit der anarchistischen Bewegung weiter zu steigern. Ihr Aktionsradius konzentrierte sich weiter vorrangig auf die urbanen Zentren. Dort sind die Syndikate schwerpunktmäßig mit Beratungen und Versammlungen im Bereich prekärer Beschäftigungsverhältnisse aktiv, was ihrem Verständnis von anarchosyndikalistischer "Basisarbeit" entspricht. 4.5.2 ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN (AND) / ANARCHIST BLACK CROSS DRESDEN (ABC DRESDEN) Sitz Dresden Gründung / Bestehen seit 2014/2015 aktiv Hauptorganisation/ ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN übergeordnete (AND) Gruppierung Teilorganisationen Im Rahmen des AND sind "Gruppen und Einzelpersonen" aktiv, darunter auch das ANARCHIST BLACK CROSS DRESDEN (ABC DRESDEN) Internetauftritte/ Internetseite sowie Profile in den sozialen Publikationen Medien Personenpotenzial / ca. 10 Personen Mitgliederentwicklung Finanzierung u.a. Spenden Kurzportrait / Ziele Aus der Prinzipienerklärung des AND geht dessen Ideologie hervor: "Wir treten für eine freie und gleiche Gesellschaft auf der Grundlage des Anarchismus ein [...] Wir lehnen jegliche Form der ökonomischen, politischen und exekutiven Unterdrückung ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat, Individuen oder anderen Strukturen ausgeübt wird." Finales Ziel ist die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates: "Der Staat ist unser Feind und unsere tägliche politische Arbeit richtet sich voll und ganz gegen ihn", teilte das AND im Juni mit. Das ins AND eingebundene ABC DRESDEN versteht sich als ein Rechtshilfeund Gefangenenunterstützungskollektiv für "anarchistische und antiautoritäre Seite 158 von 259 Aktivist\*innen, deren Ideen anarchistische Grundsätze nicht wiedersprechen."142 Der Fokus ihrer Arbeit liegt verstärkt auf dem Themenfeld "Antirepression" und der damit einhergehenden Ablehnung des "Bestrafungsund Justizsystems". Ereignisse / Entwicklungen Öffentlichkeitswirksame Versammlungen, u. 2024 a. vor Justizvollzugsanstalten143, Spendensammlungen und dem gemeinschaftlichen Verfassen von Briefen an Gefangene dienende Treffen. Organisation der Demonstration "Anarchistischer 1. Mai" mit 200 Teilnehmern und der Veranstaltungswoche "Anarchistische Tage 2024" zur Festigung der anarchistischen Bewegung und ihres weiteren Aufbaus. Aktivitäten / Strategie Die öffentlichkeitswirksamste Veranstaltung der Dresdner ANARCHISTISCHEN SZENE stellte der "Anarchistische 1. Mai" dar. Wie bereits in den Vorjahren kooperierte das AND mit der DRESDNER FAU bei deren Organisation und Durchführung. Der Demonstrationszug zog zunächst mit 200 Teilnehmern durch die Dresdner Innenstadt und war aufgrund der mitgeführten Transparente und Banner eindeutig der linksextremistischen ANARCHISTISCHEN SZENE zuzuordnen. So trug das Frontbanner die Aufschrift "Gemeinsam für den Anarchismus", und auf weiteren Transparenten hieß es "Gegen Bullenstaat und Patriarchat", "Krise hat System! Als Klasse kämpfen - Kapitalismus überwinden" und "Zuhause, im Betrieb und auf der Straße - Wir werden kämpfen bis alle frei sind!". Außerdem war eine Vielzahl von für ANARCHISTEN typischen Fahnen zu sehen. Die Demonstration mündete schließlich in einer Kundgebung in der Dresdner Neustadt mit einem Aufgebot an Informationsständen dieser Szene. Eine Kontinuität ihrer Aktivitäten war außerdem beim Veranstaltungsformat "Anarchistische Tage" zu erkennen, welches vom AND zum nunmehr siebten Mal vom 16. bis 22. September organisiert wurde. Unter dem diesjährigen Motto "Unser Kampf um Freiheit kennt keinen Frieden!" fanden Vorträge und Workshops in Dresden statt. Außerdem gab es Informationsund Buchstände. Bereits in dem im Internet verbreiteten Aufruf schrieb die "Orga-Crew", man sei sich "sicher, durch die Anarchistischen Tage einen weiteren Beitrag zum Aufbau der anarchistischen Bewegung in der Region und auf internationaler Ebene" leisten zu können. Das Format richtete sich sowohl an etablierte ANARCHISTEN als auch an neue Szeneangehörige, die mithilfe von Veranstaltungen wie "Introduction to Anarchism" und "State & me? - for more anarchism in our lives!" an die verfassungsfeindliche Ideologie herangeführt werden konnten. Unter den angekündigten Programmpunkten befand sich außerdem der Vortrag "Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung - Der Weg aus Rechtsruck und Klimakatastrophe?" von der Dresdner FAU, welcher "eine Einführung in die theoretischen und organisatorischen Grundlagen der Bewegung" geben sollte. Mittels seiner zentralen Stellung in der ANARCHISTISCHEN SZENE Dresden konnte das AND somit eine Vielzahl regionaler, überregionaler und internationaler Themen in einer Veranstaltungswoche bündeln. 142 Schreibweise wie im Original 143 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 159 von 259 Diese Vernetzungskraft des AND wurde außerdem sichtbar durch seine Vortragsankündigungen zu den "Anarchistischen Tagen" im April in Göttingen (Niedersachsen) und im Mai in Leipzig. Für das AND ist die Durchführung solcher Theorieveranstaltungen erforderlich, um für die Notwendigkeit des Anarchismus im Lichte globaler Krisen argumentieren zu können. In mehreren Texten auf seiner Internetseite heißt es: "Doch die heutigen Unterdrückungssysteme lassen sich nicht durch Wahlen langsam abbauen und verändern. [...] Deshalb gehört zum Anarchismus auch eine Revolution, der Sturz der Obrigkeit, um eine freie Gesellschaft zu schaffen. [...] Wir geben unsere Macht nicht an Lobbyist*innen oder Politiker*innen ab, wir versuchen nicht, durch Petitionen oder die Gründung einer neuen Partei etwas zu verändern. Wir handeln selbst. Sei es durch Streiks, Sabotage, Selbstorganisation oder Besetzungen, was immer nötig ist, um eine sozialund klimagerechte Welt zu schaffen."144 Fazit Das AND und das mit ihm verbundene ABC DRESDEN stoßen mit ihren Aktionen auf eine Akzeptanz sowohl bei anderen ANARCHISTEN als auch bei der AUTONOMEN SZENE. So unterstützen sich diese Linksextremisten beispielsweise gegenseitig bei der Organisation von und der Mobilisierung für Versammlungen. Dies ist durch ihre Verknüpfung zum Aktionsfeld "Antirepression" mit einhergehender Ablehnung der "Repressionsorgane" Polizei und Justiz möglich.145 Die jährliche Wiederholung von Veranstaltungen wie dem "Anarchistischen 1. Mai" und den "Anarchistischen Tagen" bestätigt die Stellung der ANARCHISTEN innerhalb der linksextremistischen Szene sowie ihre beständige Anziehungskraft. Ein gleichbleibendes Aktionsund Mobilisierungsniveau auch im nächsten Jahr erscheint vor diesem Hintergrund realistisch. 4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Unter dem Oberbegriff DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN werden jene Bestrebungen zusammengefasst, die sich zu den Theorien von Marx, Engels und Lenin, der These vom Klassenkampf sowie zur Diktatur des Proletariats bekennen. Gemeinsamer weltanschaulichpolitischer Nenner dieser orthodox-kommunistischen Gruppierungen ist die Ablehnung der Grundlagen und Wertvorstellungen des demokratischen Verfassungsstaates. Ziel ist die Auflösung der Institutionen der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie. Dem Beobachtungsobjekt DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN werden demnach Personenzusammenschlüsse in Sachsen zugerechnet, die sich ideologisch zum Kommunismus bekennen. Darunter befinden sich sowohl gewaltorientierte als auch nicht gewaltorientierte Organisationen. Erstere schließen den Einsatz von Gewalt als strategisches Mittel zur Erreichung ihrer politischen Ziele explizit nicht aus. Nahostkonflikt als bestehende Kontroverse im sächsischen Linksextremismus Innerhalb der linksextremistischen Szene setzten sich im Jahr 2024 die Konfliktlinien zwischen antideutschen und antiimperialistischen Positionen fort. AUTONOME Linksextremisten vertreten dabei überwiegend proisraelische Positionen, antiimperialistische "Dogmatiker" dagegen propalästinensische. In Sachsen war im Berichtsjahr das antiimperialistische Spektrum zuweilen weitaus aktiver in diesem Bereich. Dabei erfolgt durch dieses Spektrum eine Umdeutung der gegen Israel oder 144 Schreibweise wie im Original 145 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 160 von 259 Juden gerichteten Terrorangriffe in "legitime Widerstandshandlungen" Palästinas gegen die vermeintliche "Apartheid" und "Besatzung" durch Israel. Die Kritik am Staat Israel ist dabei oft mit einer internationalistischen Kapitalismuskritik verbunden. Die Antiimperialisten gehen davon aus, dass "kapitalistische" Staaten in ihrem Streben nach Profitmaximierung stets auf der Suche nach neuen Rohstoffen und Absatzmärkten seien und sich diese notfalls auch gewaltsam aneigneten. Dieses Verhalten wiederum führe unweigerlich zu Kolonialismus und Kriegen. Die antiimperialistische Denkschule behauptet in diesem Zusammenhang die Existenz von um "Befreiung" kämpfenden und "kriegstreibenden, kapitalistischen" Völkern, sprich imperialistischen Staaten wie beispielsweise Israel. Antiimperialistisch eingestellte Personen sehen Israel daher weniger als jüdischen und mehr als "imperialistischen" und "kapitalistischen" Staat. Teilweise geht der Antiimperialismus jedoch auch mit einer Ablehnung des Zionismus als jüdische Nationalbewegung und in der Folge mit der Ablehnung des daraus hervorgegangenen Staates Israel einher. Insbesondere die Negierung des Existenzrechts Israels kann in diesem Zusammenhang als israelbezogener Antisemitismus gewertet werden. Demnach prangerten orthodoxe Parteien wie die MARXISTISCH-LENINISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (MLPD) und die DEUTSCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI (DKP), inklusive ihrer Nachwuchsorganisationen REBELL und SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND (SDAJ), sowie DOGMATISCHE Organisationen wie die trotzkistische REVOLUTION (REVO) und die marxistisch-leninistische KOMMUNISTISCHE ORGANISATION (KO) regelmäßig mittels Veröffentlichungen in den sozialen Medien oder anhand von Transparenten im Versammlungsgeschehen den aus ihrer Sicht durch Israel verübten "Genozid" in Gaza an. Gleiches erfolgte im gewaltorientierten DOGMATISCHEN Spektrum. Die ROTE W ENDE LEIPZIG und JUGEND IM KAMPF publizierten ihre gemeinsame Sicht zum Nahost-Konflikt im Internet und betonten darin, dieser sei ein "kolonialer Konflikt zwischen einem seit Jahrhunderten von imperialistischen Mächten unterdrückten Volk und seinem aktuellen Kolonisator, den Zionisten, die sich eigenmächtig zu Vertretern aller Jüd:innen erklärt haben, ohne die zahlreichen klassenbewussten, antizionistisch eingestellten Jüd:innen weltweit dabei zu berücksichtigen." Dem deutschen Staat wird in zweierlei Hinsicht eine Mitschuld am derzeitigen Zustand gegeben. Einerseits stehen deutsche Rüstungsexporte nach Israel zur Unterstützung des von ihnen so gesehenen "Vernichtungskrieges gegen das palästinensische Volk" im Fokus und andererseits der vermeintlich vorherrschende "Polizeiterror" gegen propalästinensische Aktivisten im öffentlichen Veranstaltungsgeschehen. Damit wirken sie auch strategisch im Themenfeld "Antirepression", wonach die Staatsgewalt unrechtmäßig widerständiges Gedankengut unterdrücken würde. Die Gruppen KOLLEKTIV ZWICKAU und ROTER AUFBRUCH DRESDEN bekennen sich als Teile der bundesweiten Kampagne "Rote Jugend Deutschland" zu deren diesbezüglicher Stellungnahme mit dem Titel "Wehrt euch gegen Imperialismus!": "Der Staatszweck Israels ist nicht der Schutz des jüdischen Lebens. Der Staatszweck Israels ist die Macht und den Reichtum der israelischen Bourgeoisie zu vermehren, indem man den westlichen Imperialisten als regionale Ordnungsmacht dient. Israel ist ein Vorposten des Imperialismus. Für die Aufrechterhaltung dieses Staates gehen die imperialistischen Staaten über Leichen. Deswegen müssen wir gegen den Imperialismus kämpfen. [...] wir müssen weitergehen und für die Revolution hier in Deutschland kämpfen!". Im Demonstrationsgeschehen kam die Überzeugung DOGMATISCHER LINKSEXTREMISTEN vom pro-palästinensischen Kampf bislang am deutlichsten im kommunistischen Aufzug "Zusammen als Klasse kämpfen! Alle auf die Straße des 1. Mai!" zur Geltung. An diesem beteiligten sich am 1. Mai in Leipzig ca. 1.300 Personen, darunter Vertreter der ROTEN W ENDE LEIPZIG, JUGEND IM KAMPF, KOLLEKTIV ZWICKAU, DKP, SDAJ, REBELL, REVO und KO. Die internationalistische Ausrichtung der Veranstaltung wurde bereits im Vorfeld kommuniziert und grenzte sich durch eine Vielzahl von palästinensischen Flaggen eindeutig von der AUTONOMANARCHISTISCHEN Szene ab. Diese wiesen wiederum in ihrer Parallelveranstaltung darauf hin, dass Nationalund Territorialflaggen unerwünscht seien. Eine derartige Umgehung des Konfliktpotenzials setzte sich das ganze Jahr über fort. Wahrnehmbare Auseinandersetzungen im Versammlungsgeschehen zwischen den oppositionellen Lagern wurden bislang nicht Seite 161 von 259 verzeichnet, obwohl sich die Spaltung in Einzelfällen zuspitzte. So wurden am Jahrestag des Hamas-Überfalls am 7. Oktober in Leipzig mehrere Objekte, die hauptsächlich vom DOGMATISCH-ORTHODOXEN Spektrum genutzt werden, großflächig u. a. mit israelischen Flaggen beschmiert. Daraufhin drückten Gleichgesinnte, wie die ROTE W ENDE LEIPZIG, in den sozialen Medien ihre "Solidarität" mit den Betroffenen aus. Die Szene verurteilte die "Angriffe", nichtsdestotrotz würde der "Befreiungskampf" für Palästina weitergehen. Die genannten Vertreter der antiimperialistisch-linksextremistischen Szene bestärken mit ihrem Verhalten Gruppierungen aus dem Islamismus sowie dem auslandsbezogenen Extremismus und leisten einen Beitrag dazu, israelbezogenen Antisemitismus in Sachsen weiter zu verbreiten. Insoweit bewirkt die Einstellung zum Staat Israel im Kontext des Nahostkonflikts eine empfindliche Spaltung der gesamten linksextremistischen Szene. 4.6.1 Gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 4.6.1.1 ROTE WENDE LEIPZIG / JUGEND IM KAMPF Sitz Leipzig Gründung / Bestehen 2016 Hauptorganisation / ROTE W ENDE LEIPZIG übergeordnete Gruppierung Teilorganisationen in Sachsen JUGEND IM KAMPF Finanzierung nicht bekannt Internetauftritte / Publikation Internetseite sowie Profile in den sozialen Medien Personenpotenzial / ca. 50 Personen Mitgliederentwicklung Kurzportrait / Ziele Die ROTE W ENDE LEIPZIG bezeichnet sich als kommunistische Gruppe. Politisches Ziel ist die Etablierung einer aus marxistischer Sicht klassenlosen Gesellschaft in Leipzig. Gewaltanwendung wird als legitimes Mittel zum Zweck betrachtet. Insbesondere die JUGEND IM KAMPF teilt diesen Werteund Aktionskonsens mit den Gruppen KOLLEKTIV ZWICKAU und ROTER AUFBRUCH DRESDEN, bestätigt durch ihre Einbindung in die bundesweit agierende Kampagne "Rote Jugend Deutschland". Ereignisse / Entwicklungen Ereignisgeschehen u. a. anlässlich der Aktionsschwerpunkte: 2024 Seite 162 von 259 "Antikapitalismus": "Unser Kampf gilt der Kapitalistenklasse und ihren Kriegsprofiteuren. Wir müssen uns entschieden gegen die stetige Militarisierung Deutschlands stellen und die Rüstungsproduktion und Kriegsmaschinerie sabotieren, wo wir nur können", "Antifaschismus": "Der Kapitalismus, der sich im Zweifel für eine Staatsform entscheidet, die mit ihm vereinbar ist, also den Faschismus, kann niemals unsere zweitbeste Option hinter dem Sozialismus sein. Nur der Sozialismus, als mit dem Faschismus unvereinbare Staatsform, nämlich der Diktatur des Proletariats, kann uns diese Sicherheit gewähren."146, "Antirepression": "Bereits seit Monaten werden gerade migrantische Protestierende durch die massive Polizeigewalt bei palästinasolidarischen Demos von der Teilnahme abgeschreckt. [...] Wir stellen uns ohnehin gegen die rassistische Abschiebepolitik, insbesondere aber, wenn sie dazu dienen soll, palästinasolidarische Stimmen in der BRD endgültig zum Verstummen zu bringen! Frieden und Freiheit für Palästina; Feuer und Flamme der Klassenjustiz und ihren Abschiebebehörden!"147, "Umwelt und Klima": "Klimaschutz geht nur revolutionär, er wird nicht mit der Kapitalistenklasse und ihren bürgerlichen Regierungen durchgesetzt, sondern gegen sie!" Ideologie Die ROTE W ENDE LEIPZIG versteht sich als "traditionell kommunistische" Gruppierung und lehnt die grundgesetzliche Ordnung ab. Ihr Selbstverständnis von der notwendigen Umwälzung der bestehenden Eigentumsund Produktionsverhältnisse, einhergehend mit der Abschaffung des bürgerlichen Staates, manifestiert die Gruppe regelmäßig in Beiträgen auf ihrer Internetseite sowie ihren Profilen in den sozialen Medien. Der bürgerliche Staat und seine politische Ordnung werden als Instrument des Kapitalismus zur Unterdrückung der Arbeiterklasse verstanden. Stattdessen propagiert die ROTE WENDE LEIPZIG eine "befreite, klassenlose Gesellschaft". 146 Schreibweise wie im Original 147 Schreibweise wie im Original Seite 163 von 259 Das Eintreten der ROTEN W ENDE LEIPZIG für einen gewalttätigen Antifaschismus und gegen Exekutivmaßnahmen der Polizei richtet sich zudem gegen das Gewaltmonopol des Staates und den demokratischen Rechtsstaat. In der Rekapitulation ihrer Beteiligung an der "revolutionären" Demonstration am 1. Mai betonte die Gruppe auf Instagram: "Der Hauptfeind, dem wir uns entgegenstellen müssen, steht im eigenen Land. Dieser ist der bürgerliche Klassenstaat mit seinen Kapitalisten. [...] Unsere Solidarität gegen ihre Repression! Kampf der Klassenjustiz! Bis zum Kommunismus!" Strategie Die Gruppe ist in den sozialen Medien präsent, baut regional und überregional Kontakte zu anderen linksextremistischen Gruppen und Bündnissen auf und zeigt sich regelmäßig bei öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen, Kundgebungen, Gedenkund Solidaritätsveranstaltungen. Die ROTE W ENDE LEIPZIG besetzt inhaltlich grundsätzlich anschlussfähige Themen wie Antikapitalismus, Antimilitarismus, Antirepression oder Klimaschutz. Ziel ist es, mit ihren Positionen Sympathisanten zu politisieren, zu organisieren und zu mobilisieren. Dabei wendet sie sich auch gezielt an Jugendliche und Heranwachsende. Aktivitäten Die ROTE W ENDE LEIPZIG und JUGEND IM KAMPF waren im Berichtsjahr regelmäßig im extremistischen und nicht extremistischen Versammlungsgeschehen aktiv. Öffentlichkeitswirkung entfalteten sie dabei durch ihr Auftreten mit eigenen Transparenten (u.a. "Kriminell ist das System!", "Für eine revolutionäre Jugendbewegung - Für eine Jugend im Kampf"), roten Stockfahnen und roten Schlauchschals in jeweils geschlossenen Blöcken. Exemplarisch dafür standen ihr eigener Block unter dem Motto "Den politischen Streik erkämpfen" am 1. Mai und die Ausrichtung einer "revolutionären Vorabenddemo zum Tag gegen Gewalt an Frauen" am 24. November mit 160 Teilnehmern in Leipzig. Bei Veranstaltungen wie diesen forcieren die die beiden Gruppierungen die Kooperation mit anderen sächsischen DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN, wie KOLLEKTIV ZWICKAU und ROTER AUFBRUCH DRESDEN, die regelmäßig in den sozialen Medien für die Aktivitäten der jeweils anderen Gruppen mobilisieren. Auch abseits von Demonstrationen und kommunistischen Gedenken finden sie sich zwecks gemeinsamer Freizeitaktivitäten, wie Wanderungen oder Fußballturnieren, zusammen. Ihre Gruppenzugehörigkeit offenbaren sie dabei durch das Tragen einschlägiger T-Shirts, Fahnen oder Transparente. Darüber hinaus waren ROTE W ENDE LEIPZIG und JUGEND IM KAMPF auch außerhalb von Sachsen im Versammlungsgeschehen aktiv. Ihren Internetpräsenzen zufolge beteiligten sie sich mit dogmatischen Gruppierungen aus dem gesamten Bundesgebiet am 17. Februar an Protesten gegen die "Münchner Sicherheitskonferenz" und Anfang September gegen das Rüstungsunternehmen "Rheinmetall" in Kiel. Beide Veranstaltungen verdeutlichen einprägsam den Stellenwert des Themas "Antimilitarismus" für diese Gruppierungen. Sie veröffentlichten im Anschluss an das "Rheinmetall entwaffnen"-Camp einen Beitrag auf ihrer Internetseite unter dem Motto "Rote Fahnen über Kiel - Sozialismus unser Ziel" und betonten: "Wir sind auf jeden Fall bereit und motiviert, auch unangekündigt über Wochen und Monate die Rüstungsproduktion zu behindern. Denn: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt! [...] Unsere Solidarität gegen ihre Kriege! Für eine befreite Gesellschaft!" Seite 164 von 259 4.6.1.2 KOLLEKTIV ZWICKAU Sitz Zwickau Gründung / Bestehen Internetpräsenz seit 2020 Hauptorganisation KOLLEKTIV ZWICKAU Finanzierung nicht bekannt Internetauftritte / Publikation soziale Medien Personenpotenzial / ca. 15 Personen Mitgliederentwicklung Kurzporträt / Ziele Das KOLLEKTIV ZWICKAU ist eine kommunistisch, marxistisch-leninistisch geprägte Gruppierung. Politisches Ziel und Leitmotiv ist der Aufbau einer kommunistischen Partei. Dazu wird der "Klassenkampf" gefordert, welcher die herrschende Ordnung überwinden soll. Gewaltanwendung wird als legitimes Mittel zum Zweck betrachtet. Das KOLLEKTIV ZWICKAU teilt seinen Werteund Aktionskonsens mit den Gruppen JUGEND IM KAMPF und ROTER AUFBRUCH DRESDEN, bestätigt durch ihre Einbindung in die bundesweit agierende Kampagne "Rote Jugend Deutschland". Ereignisse / Entwicklungen 2024 Teilnahme an kommunistisch designierten Blöcken mit eigenen Fahnen und Transparenten im Versammlungsgeschehen, u.a. in Zwickau und Leipzig. Aktionen anlässlich der klassisch kommunistischen Gedenktage (Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai in Zwickau, Todestag des Kommunisten Ernst Thälmann am 18. August in Weimar/Thüringen). Propalästinensische Ansichten akzentuiert durch die Kampagne "Jugend voran!" der "Roten Jugend Deutschland": "Proletarischer Internationalismus heißt, hier dafür zu kämpfen, den deutschen Imperialismus zu stürzen! Wehrt euch gegen Imperialismus! Freiheit für Palästina!" Ideologie Das KOLLEKTIV ZWICKAU bekennt sich regelmäßig anhand von Veröffentlichungen auf seinem "Instagram"-Profil und im Versammlungsgeschehen durch einschlägige Symbole - "Hammer und Sichel" in gekreuzter Form, rote Fahnen, der Gruß "Rotfront" und die geballte Faust des Seite 165 von 259 "Roten Frontkämpferbundes" (paramilitärischer Wehrverband der Kommunistischen Partei Deutschlands) - zum Kommunismus. Zu dessen Erreichung wird anstelle der parlamentarischen Demokratie der Aufbau einer revolutionären kommunistischen Einheitspartei propagiert: "Hin zur Einheit, hin zur kommunistischen Partei ROTFRONT"148 Strategie Die Gruppe KOLLEKTIV ZWICKAU ist in den sozialen Medien, im regionalen und überregionalen Versammlungsgeschehen mit anderen DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN öffentlichkeitswirksam aktiv und generiert somit eine Stellung in der Szene. Die Vereinigung richtet sich mit anschlussfähigen Themen (Antifaschismus, Antikapitalismus) und sportlichmilitantem Auftreten gezielt an Jugendliche und Heranwachsende. Aktivitäten Das KOLLEKTIV ZWICKAU war im Berichtsjahr regelmäßig im extremistischen und nicht extremistischen Versammlungsgeschehen aktiv. Öffentlichkeitswirksamkeit erreichte die Gruppe durch das Auftreten im geschlossenen Block mit eigenen Transparenten (u.a. "Rechte Strukturen aufdecken und zerschlagen!", "Jugend voran! Kämpft als Klasse!"), Fahnen mit ihrem Symbol (Roter Stern) und ihrem Schriftzug sowie roten Schlauchschals. Exemplarisch dafür stand ihre Teilnahme am kommunistischen Block "Den politischen Streik erkämpfen" der ROTEN W ENDE LEIPZIG/JUGEND IM KAMPF am 1. Mai in Leipzig und ihre Beteiligung an Protesten gegen eine AfD-Veranstaltung am 27. Juli in Saalfeld (Thüringen), welche von einer Vielzahl DOGMATISCHER Gruppierungen, darunter der JUGEND IM KAMPF, begleitet wurden. Anhand dieser Versammlungen wird die überregionale Vernetzung der Zwickauer verdeutlicht. Insbesondere für die Aktivitäten der Leipziger JUGEND IM KAMPF und des ROTEN AUFBRUCH DRESDEN mobilisiert das KOLLEKTIV ZWICKAU regelmäßig auf "Instagram". Abseits von Demonstrationslagen und kommunistischen Gedenken finden sich die Leipziger, Zwickauer und Dresdner zu Freizeitaktivitäten, wie Wanderungen oder Fußballturnieren, zusammen, bei denen sie mittels einschlägiger T-Shirts, Fahnen oder Transparente ihre Gruppenzugehörigkeit offenbaren. 4.6.1.3 ROTER AUFBRUCH DRESDEN Sitz Dresden Gründung / Bestehen 2023 Hauptorganisation ROTER AUFBRUCH DRESDEN Finanzierung nicht bekannt Internetauftritte / Publikation soziale Medien Personenpotenzial / ca. 10 Personen Mitgliederentwicklung 148 Schreibweise wie im Original Seite 166 von 259 Kurzporträt / Ziele Der ROTE AUFBRUCH DRESDEN ist eine kommunistisch, marxistisch-leninistisch geprägte Gruppierung. Politisches Ziel und Leitmotiv ist der Aufbau einer kommunistischen Partei. Dazu wird der "Klassenkampf" gefordert, welcher die herrschende Ordnung überwinden soll. Gewaltanwendung wird als legitimes Mittel zum Zweck betrachtet. Der ROTE AUFBRUCH DRESDEN teilt seinen Werteund Aktionskonsens mit den Gruppen KOLLEKTIV ZWICKAU und JUGEND IM KAMPF, was durch seine Einbindung in die bundesweit agierende Kampagne "Rote Jugend Deutschland" bestätigt wird. Ereignisse / Entwicklungen 2024 Teilnahme mit eigenen Fahnen und Transparenten an kommunistischen Blöcken im Versammlungsgeschehen in Dresden Aktionen anlässlich der klassisch kommunistischen Gedenktage (z. B. Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai in Dresden). Pro-palästinensische Ansichten: "Wir stehen an der Seite des palästinensischen Volkes, das gegen Besatzung und Unterdrückung, gegen den israelischen Siedlerkolonialismus kämpft. Es kann keinen Frieden mit den Besatzern geben! Freiheit für Palästina!" Ideologie Der ROTE AUFBRUCH DRESDEN bekennt sich regelmäßig im Rahmen von Veröffentlichungen auf seinem "Instagram"-Profil und durch das Zeigen einschlägiger Symbole bei Versammlungen - "Hammer und Sichel" in gekreuzter Form, rote Fahnen, der Gruß "Rotfront" und die geballte Faust des "Roten Frontkämpferbundes" (paramilitärischer Wehrverband der Kommunistischen Partei Deutschlands) - zum Kommunismus. Zu dessen Erreichung wird die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung propagiert: "Nur wenn wir uns in die Tradition der Kommunist*innen, die vor uns gelebt haben, stellen und auch wie sie konsequent für unsere Klasse kämpfen, wird eine bessere sozialistische Zukunft greifbar. In diesem Sinne: Rotfront!"149 Strategie Die Gruppe ROTER AUFBRUCH DRESDEN ist in den sozialen Medien und im regionalen Versammlungsgeschehen mit anderen DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN öffentlichkeitswirksam aktiv. Die Gruppierung richtet sich mit anschlussfähigen Themen (Antifaschismus, Antikapitalismus, Antimilitarismus) und sportlichmilitantem Auftreten gezielt an Jugendliche und Heranwachsende. 149 Schreibweise wie im Original Seite 167 von 259 Aktivitäten Der ROTE AUFBRUCH DRESDEN war im Berichtsjahr regelmäßig im extremistischen und nicht extremistischen Versammlungsgeschehen aktiv. Öffentlichkeitswirksamkeit erreichte die Gruppe durch das Auftreten im geschlossenen Block mit eigenen Transparenten ("Jugend voran! Kämpft als Klasse!"), Fahnen mit ihrem Symbol und ihrem Schriftzug sowie roten Schlauchschals. Exemplarisch dafür stand ihre Teilnahme am kommunistischen Block des 1. Mai und ihre Beteiligung an der linksextremistischen Demonstration "Nein zum Versammlungsgesetz" am 22. Juni in Dresden. Beide Veranstaltungen lobte der ROTE AUFBRUCH DRESDEN im Anschluss auf "Instagram" als "kämpferische Demonstrationen". Auch wenn die Gruppe hauptsächlich lokale Aktionen durchführt, mobilisiert sie regelmäßig auf "Instagram" auch für Aktivitäten der Leipziger JUGEND IM KAMPF und des KOLLEKTIV ZWICKAU. Kooperationen mit den Leipzigern und Zwickauern finden bei Demonstrationen, kommunistischen Gedenken sowie bei Freizeitaktivitäten (z. B. Wanderungen) statt. Dabei offenbaren Anhänger des ROTEN AUFBRUCHS DRESDEN mittels einschlägiger T-Shirts, Fahnen oder Transparente ihre Gruppenzugehörigkeit. 4.6.2 Nicht gewaltorientierte DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Zu den nicht gewaltorientierten orthodox-kommunistischen DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN zählen u.a. die KOMMUNISTISCHE PLATTFORM der Partei "Die Linke" (KPF), die KOMMUNISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (KPD), die DEUTSCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI (DKP) inklusive ihrer Nachwuchsorganisation SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND (SDAJ) und die MARXISTISCH-LENINISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (MLPD) inklusive ihrer Nachwuchsorganisation REBELL. Ideologie und Strategie Die DKP und die KPF bekennen sich zu den Lehren von Marx, Engels und Lenin. Die Errichtung des Sozialismus soll demnach auf revolutionärem Wege durch die Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgen. So heißt es im nach wie vor aktuellen Programm der DKP: "Der Sozialismus kann nicht auf dem Weg von Reformen, sondern nur durch tiefgreifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnisse erreicht werden." Die Präambel der MLPD weist in dieselbe Richtung: "Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. [...] Ihr grundlegendes Ziel ist der Sturz der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Deutschland als Teil der internationalen sozialistischen Revolution." Im Unterschied zu anderen orthodox-kommunistischen Gruppierungen, die sich kaum noch offen auf Josef Stalin oder Mao Tse-tung beziehen, ist bei der MLPD hingegen ein offensives Bekenntnis zu diesen Diktatoren festzustellen. Dies zeigt, dass die MLPD im Gegensatz zur DKP oder KPF nicht nur marxistisch-leninistisch, sondern auch stalinistisch und maoistisch ausgerichtet ist. Personenpotenzial / Aktivitäten Orthodoxe linksextremistische Gruppierungen verfügen im Freistaat Sachsen über ein Potenzial von ca. 90 Personen. Für herausragende Anlässe können hiesige Strukturen allerdings eine weitaus höhere Zahl an Personen mobilisieren. Beispielhaft dafür stand der "Tag der Begegnung" am 27. April in Torgau (Landkreis Nordsachsen), als die DKP einen Seite 168 von 259 linksextremistischen Demonstrationszug mit ca. 300 Teilnehmern zum Gedenken an die Begegnung der US-amerikanischen und sowjetischen Truppen Ende April 1945 in der nordsächsischen Stadt organisierte. Unabhängig von Aktivitäten an traditionell kommunistischen Gedenktagen realisierten DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN eigene Kundgebungen und Informationsstände bzw. beteiligten sich an nicht extremistischen Versammlungen. Fazit DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Das Aktionsund Personenpotenzial der orthodox-kommunistischen Bestrebungen in Sachsen erhöhte sich im Berichtsjahr stetig. Diese Entwicklung ging sowohl von den erst seit wenigen Jahren bestehenden gewaltorientierten Gruppierungen, wie JUGEND IM KAMPF, KOLLEKTIV ZWICKAU oder ROTER AUFBRUCH DRESDEN, als auch von nicht gewaltorientierten Nachwuchsorganisationen etablierter DOGMATISCHER PARTEIEN, wie der SDAJ (DKP), aus. Diese Gruppierungen werden durch junge Akteure geprägt, welche die sozialen Medien intensiv nutzen, bei der Verbreitung verfassungsfeindlicher Ziele eine hohe Reichweite erzielen und auf diese Weise neue Mitglieder rekrutieren. Im Zuge dieses Agierens sehen sie in der notwendigen Etablierung einer kommunistischen Ordnung die vermeintlich einfache Lösung für globale Krisen (u. a. Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg, Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit). Basierend auf der hohen Zahl an Aktivitäten und Gruppierungen, die mit einem Rückgang der Präsenz AUTONOMER im Versammlungsgeschehen150 einhergehen, wird das orthodoxe Spektrum weiterhin eine bedeutende Stellung in der linksextremistischen Szene im Freistaat Sachsen einnehmen. Im Phänomenbereich Linksextremismus waren es im Berichtsjahr vor allem die DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN, die einen verstärkten Zulauf an jungen Menschen für sich verbuchen konnten. 4.7 ROTE HILFE E.V. (RH) Sitz Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Gründung 1975 Hauptorganisation / ROTE HILFE E.V. übergeordnete Gruppierung Teilorganisationen in Sachsen RH ORTSGRUPPE LEIPZIG RH ORTSGRUPPE DRESDEN RH REGIONALGRUPPE SÜDWESTSACHSEN (ORTSGRUPPEN CHEMNITZ UND PLAUEN) Finanzierung Mitgliedsbeiträge anlassbezogene Spendenaktionen 150 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 169 von 259 Internetauftritte Internetseiten sowie Profile sächsischer Ortsund Regionalgruppen und der Bundesorganisation auf Twitter Publikation "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich und als OnlineMagazin) Personenpotenzial / 2024 2023 Mitgliederentwicklung 151 152 Sachsen ca. 575 ca. 575 bundesweit 13.700 Kurzportrait / Ziele Ziel des Vereins ist die juristische und finanzielle Unterstützung von Strafund Gewalttätern des "linken" Spektrums, z. B. bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten. Die Funktion des Vereins besteht darin, den inneren Zusammenhalt im Linksextremismus zu stärken und seine Strukturen aktionsfähig zu halten. Neben Linksextremisten gehören auch Nichtextremisten zu den Vereinsmitgliedern. Ereignisse / Entwicklungen 2024 konstante Mitgliederzahlen in Sachsen Aktionsschwerpunkt "Antirepressionsarbeit" Jubiläumsfeier zum 100-jährigen Bestehen Ideologie Die RH wird von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragen. Sie versteht sich laut ihrer Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die sich im "Kampf gegen die staatliche Repression" und "die politische Justiz" engagiert. Die RH versteht Maßnahmen der Polizei, der Justiz und des Strafvollzugs als Mittel der Machthaber zur Herrschaftssicherung und zielt damit auf eine Diskreditierung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Institutionen ab. Deren Handeln sei rein politisch motiviert, willkürlich sowie grundund menschenrechtswidrig. So deutet die RH z. B. die AntiTerror-Gesetze als "Feindstrafrecht, [...] das für Gegner*innen der bürgerlichen Ordnung geschaffen wurde, für die die Regeln einer 'normalen' Prozessführung und Ermittlung nicht mehr gelten" würden. Vordergründiges Anliegen der RH ist die finanzielle und politische Unterstützung von Strafund Gewalttätern des "linken" Spektrums, "die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden". Die RH unterstützt sie in Strafverfahren mit Geldbeträgen und sichert ihnen Solidarität zu. Außerdem betreut sie "politische Häftlinge", um 151 Schätzung des LfV Sachsen (mit Mehrfachmitgliedschaften, also Mitgliedschaft einer Person in mehreren extremistischen Gruppierungen/Organisationen gleichzeitig) 152 Schätzung des LfV Sachsen (mit Mehrfachmitgliedschaften) Seite 170 von 259 deren Bindung an die linksextremistische Szene während der Haft und darüber hinaus zu erhalten. Strategie Die RH unterstützt einen politisch motivierten Straftäter nur dann, wenn er auch weiterhin zu seiner Tat steht. Eine Zusammenarbeit mit Behörden, z. B. zur Verringerung des zu erwartenden Strafmaßes, wertet die RH als Preisgabe der politischen Positionen und als Verrat an der gemeinsamen Sache. So wird das Bestreiten eines Tatvorwurfes vom Bundesvorstand "[...] als Distanzierung von der politischen Aktion bewertet und die beantragte Unterstützung nicht bewilligt." Dies gilt auch für Fälle, bei denen die Tat "entpolitisiert" wird, indem diese beispielsweise verharmlosend als "Jugendsünde" dargestellt wird. Bereits bei Tätigung entsprechender Aussagen des Betroffenen vor Gericht kürzt die RH ihren Unterstützungssatz. Auch mittels öffentlichkeitswirksamer Informationsveranstaltungen oder veröffentlichter Stellungnahmen versucht die RH, den Rechtsstaat zu diskreditieren, der aus ihrer Sicht vor allem daran arbeite, "linken Protest zu kriminalisieren" bzw. "Widerstand" zu "diffamieren". Personenpotenzial Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Mitgliederzahl der RH in Sachsen konstant bei ca. 575 Personen. Die Mitgliederzahlen der RH wirken sich allerdings nicht auf die Gesamtzahl der sächsischen Linksextremisten aus, da die Mitglieder der RH häufig zugleich Mitglied in anderen linksextremistischen Bestrebungen sind und andererseits nicht alle Mitglieder des Vereins selbst verfassungsfeindliche Zielsetzungen verfolgen. Strukturen Örtlich gliedert sich die RH in selbstständig arbeitende Ortsbzw. Regionalgruppen. In Sachsen sind dies die ORTSGRUPPEN LEIPZIG, DRESDEN sowie die REGIONALGRUPPE SÜDWESTSACHSEN mit den ORTSGRUPPEN CHEMNITZ und PLAUEN. Organe sind die Bundesdelegiertenversammlung und der Bundesvorstand. Die vom Bundesvorstand gefassten Beschlüsse setzen die Ortsgruppen eigenverantwortlich um. Sie sind gegenüber dem Bundesvorstand rechenschaftspflichtig. Aktivitäten Aktionsschwerpunkt der RH ist die Antirepressionsarbeit. Sie stellt Broschüren und Flyer wie zum Beispiel "Rote Hilfe Info zu Strafbefehlen" und "Was tun wenn's brennt?!" oder die sog. "Aussageverweigerungsbroschüre" zur Verfügung. Weiterhin beschreibt sie die Arbeit der staatlichen Behörden und gibt Verhaltensrichtlinien gegen die von ihr empfundene staatliche "Repression" heraus, beispielsweise in einem im Internet veröffentlichten Beitrag namens "Anna und Arthur halten die Augen offen!". Die Unterstützung von Beschuldigten, denen sowohl im "Antifa Ost"-Verfahren als auch im sog. "Budapest-Komplex"153 Körperverletzungsdelikte zum Nachteil von Angehörigen der vermeintlich rechten Szene vorgeworfen werden, , stellte ein zentrales Betätigungsfeld im Berichtsjahr dar. Um ihre Solidarität mit den nach Ihrer Lesart "Betroffenen" auszudrücken, veröffentlichte die RH auch im Berichtsjahr anlassbezogen Beiträge in den sozialen Medien in Bezug auf Hausdurchsuchungen oder Prozessbegleitungen. Die LEIPZIGER ORTSGRUPPE DER 153 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 171 von 259 RH postete auf "X" im Verlauf einer Hausdurchsuchung beispielsweise Folgendes: "Die Cops wollen ganz undercover vorgehen. Das wollen wir ihnen nicht gönnen! Kommt zur oberen Wolfgang Heinze Straße und lasst mit uns di[e] Maßnahme nicht einfach geschehen." Zudem nannte die Gruppe den die Polizei unterstützenden Schlüsseldienst. In ihren Ortsgruppen führt die RH regelmäßig Rechtsberatungen zu Themen wie "Umgang mit Staatspost, Polizeiübergriffen und anderweitiger Repression" durch. Mit Hinweisen zum Schutz vor Strafverfolgung sowie dem Angebot politischer und materieller Hilfe mindert sie die abschreckende Wirkung strafrechtlicher Sanktionen. Die RH ORTSGRUPPE LEIPZIG organisierte zudem die Vortragsveranstaltungen "Demo 1x1" und "Was tun bei Hausdurchsuchungen?" im Rahmen des "Antifaschistischen Jugendkongresses" (JuKo)154 in Chemnitz, um über die Handlungsformen der "Repressionsbehörden" aufzuklären. Die RH flankiert die von ihr als besonders spektakulär empfundenen Fälle von "Repression" durch entsprechende Kampagnen, Presseerklärungen oder Solidaritätskundgebungen. So mobilisierte sie wegen der zu erwartenden Auslieferung des Tatverdächtigen "Maja" im Kontext des sog. "Budapest-Komplexes" zur "Tag X+1"-Demonstration nach Dresden.155 Darüber hinaus feierte die RH im Jahr 2024 ihr 100-jähriges Bestehen, wobei sich dieses Jubiläum zeitlich auf die Gründung der KPD-nahen RH ("Rote Hilfe Deutschlands") bezieht, die im Jahr 1933 verboten wurde. Die heutige RH wurde sodann im Jahr 1975 gegründet. Anlässlich des Jubiläums initiierten Ortsgruppen der RH bundesweit Informationsveranstaltungen und Ausstellungen, zu denen auch der von der RH eigens produzierte Dokumentarfilm "Solidarität verbindet - 100 Jahre Rote Hilfe" präsentiert wurde. In Sachsen wurde eine derartige Jubiläumsfeier am 28. September von der REGIONALGRUPPE SÜDWESTSACHSEN in Chemnitz ausgerichtet. Diese Veranstaltungsreihe bot der RH erneut eine Plattform, um den Rechtsstaat als "repressiven Willkürstaat" zu delegitimieren und politisch Gleichgesinnte gegen ihn aufzubringen. In einer Rekapitulation der Veranstaltung auf ihrer Internetseite würdigte die REGIONALGRUPPE SÜDWESTSACHSEN das politische Vermächtnis der RH als "wichtige[n] Teil des Widerstands gegen Unterdrückung" und betonte die Erforderlichkeit ihrer fortdauernden Arbeit. Die RH brachte im Berichtsjahr erneut zum Ausdruck, dass sie hinsichtlich der Bekämpfung des Faschismus kein Vertrauen in den Rechtsstaat habe. Dieser ist der Lesart von Linksextremisten zufolge ebenfalls von "Faschisten" durchsetzt, weshalb es notwendig sei, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Hinsichtlich ihres Aktionsniveaus galt die RH ORTSGRUPPE LEIPZIG im Berichtsjahr erneut als aktivste sächsische Ortsgruppe der RH. Fazit Die Antirepressionsarbeit bleibt das zentrale Aktionsfeld der RH. Während des Berichtszeitraums standen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Festnahmen und Inhaftierungen im sog. "Budapest-Komplex" im Vordergrund. Darüber hinaus fokussierten sich die sächsischen Strukturen der RH auch auf lokale, weniger öffentlichkeitsrelevante "Repressionsfälle". Die in diesem Zusammenhang erfolgten Aktivitäten ermöglichten der RH, für ihr "Leistungsportfolio" zu werben und durch dessen gezielte Anwendung Wirkung zu entfalten. Im Ergebnis konnte diese linksextremistische Gruppierung ihre Mitgliederzahl konstant halten. 154 vgl. Beitrag II.4.4.3 AUTONOME in Chemnitz und den sächsischen Landkreisen 155 vgl. Beitrag II.4.4 AUTONOME Seite 172 von 259 4.8 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund Im Freistaat Sachsen ist die Gesamtzahl der linksextremistischen Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent gestiegen. Parallel dazu sank die Anzahl der Gewaltdelikte156 im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent. Der Anteil der Gewalttaten am gesamten linksextremistischen Straftatenaufkommen lag im Berichtsjahr bei acht Prozent und erreichte damit im Vergleich zu den Vorjahren einen Tiefstand. Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 1500 1084 1099 1003 1000 804 linksextremistische Straftaten 742 insgesamt davon Gewalttaten 500 230 174 191 114 92 0 2020 2021 2022 2023 2024 Wie schon in den Vorjahren wurden die meisten linksextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten in den Städten Leipzig und Dresden - den Zentren der AUTONOMEN SZENE in Sachsen - verübt. Dabei ist festzustellen, dass sich in Leipzig die Anzahl der Straftaten insgesamt um 43 Prozent reduzierte. Die Zahl der Gewalttaten sank um 68 Prozent und lag damit deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Dresden steigerte sich in Bezug auf die Anzahl der Strafund Gewalttaten, Chemnitz verzeichnete hingegen einen Rückgang. In den Landkreisen bewegte sich das Straftatenaufkommen auf einem höheren Niveau als im Vorjahr, wobei die Landkreise Leipzig, Meißen, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Görlitz erhebliche Anstiege gegenüber den Vorjahren verzeichneten. Diese Entwicklung war zurückzuführen auf aktionsorientierte linksextremistische Einzelpersonen. In den drei Großstädten wurden etwa 56 Prozent aller linksextremistischen Straftaten begangen (2023: ca. 77 Prozent). Bei den Gewalttaten lag der Schwerpunkt ebenfalls deutlich in den Großstädten. So wurden 83 Prozent aller Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund in Leipzig, Dresden und Chemnitz registriert (2023: ca. 91 Prozent). Das Gewalttatenaufkommen entwickelte sich in den Großstädten dabei unterschiedlich. Während in Leipzig ein signifikanter 156 Politisch motivierte Gewaltkriminalität ist die Teilmenge der Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lässt. Sie umfasst u. a. Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandund Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch und Widerstandsdelikte; siehe hierzu auch www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKlinks/PMKlinks_node.html (Stand: 2. April 2025) Seite 173 von 259 Rückgang zu verzeichnen war, stieg die Zahl der Gewalttaten in Dresden. Chemnitz blieb auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Der Rückgang der Anzahl der Gewalttaten dürfte im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, dass die Sicherheitsbehörden in verstärktem Maße Ermittlungsverfahren und Exekutivmaßnahmen durchgeführt haben. Dennoch: Die Zahl der im Berichtsjahr begangenen Gewaltdelikte ist und bleibt ein Indiz dafür, dass die Anwendung von Gewalt für Linksextremisten unverändert ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist. Beispielgebend für diese Einschätzung sind vor allem folgende, mutmaßlich linksextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten: Am 13. Mai brachten unbekannte Täter mehrere Brandsätze an Elektrofahrzeugen der Firma "Tesla" an, woraufhin zwei Brandvorrichtungen umsetzten. In einem Selbstbezichtigungsschreiben auf DE.INDYMEDIA.ORG begründeten die Autoren die Tat wie folgt: "Wir verstehen diese Aktion als eine Möglichkeit, gegen den grünen Kapitalismus aktiv zu werden. [...] Ob in Grünheide, Leipzig, oder in den Ländern, in denen Rohstoffe für Elektroautos oder sonstigen smarten Bullshit abgebaut werden, stellen wir uns sowohl gegen die 'alte' fossile als auch gegen die 'neue' grüne Welt! Grüße in die widerständigen Wälder, Städte und Dörfer!"157 Am 8. August setzten unbekannte Täter ein Fahrzeug in Brand. In einem Tatbekenntnis auf DE.INDYMEDIA.ORG hieß es, man hätte das Fahrzeug ausgewählt, weil der Besitzer ein Landtagsabgeordneter der AfD sei: "Wir sehen uns allgemein konfrontiert mit einem Erstarken von faschistischen und anderweitig reaktionären Kräften. Dagegen heißt es aktiv zu werden - auf allen Ebenen. Die Zeit zum Füßestillhalten ist schon lange vorbei, falls es sie jemals gegeben hat. Grüße in den Knast und den Untergrund! Antifa heißt Angriff!" Am 31. August setzten unbekannte Täter ein Fahrzeug in Brand, das wegen eines Werbeaufdrucks einem Landtagswahlkandidaten der CDU zugeordnet werden konnte. Die mutmaßlichen Brandstifter schrieben in einem Selbstbezichtigungsschreiben auf DE.INDYMEDIA.ORG: "Die lustige Maske Demokratie, hinter der sie sich so gern verstecken, hat lang die hässliche autoritäre Fratze der Sachsen-CDU verdeckt. [...] Der Kampf gegen AfD, Nazis und Faschismus darf sich niemals auf den Parlamentarismus und seine Parteien stützen. Die CDU ist Steigbügelhalter, Wegbereiter des Neofaschismus in Deutschland und selbst durchsetzt mit autoritären Nationalisten. Den Kampf dagegen müssen wir von Unten aufbauen [...]. Grüße an alle, die sich der Gesamtscheiße entgegenstellen, auf der Straße, im Knast und im Untergrund! free all antifas!"158 157 Schreibweise wie im Original 158 Schreibweise wie im Original Seite 174 von 259 Aufteilung nach Landkreisen und kreisfreien Städten linksextremistische darunter Gewalttaten Straftaten 2022 2023 2024 2022 2023 2024 Leipzig (Stadt) 445 437 250 133 156 50 Dresden (Stadt) 135 148 332 26 17 26 Chemnitz (Stadt) 30 35 29 7 1 0 Vogtlandkreis 5 10 14 1 0 0 Lkr. Zwickau 16 41 43 2 3 6 Erzgebirgskreis 6 10 29 0 1 0 Lkr. Mittelsachsen 36 24 72 0 5 1 Lkr. Meißen 18 23 51 1 1 0 Lkr. Sächs. Schweiz15 13 49 1 0 0 Osterzgebirge Lkr. Bautzen 14 22 37 1 5 4 Lkr. Görlitz 5 20 120 0 1 1 Lkr. Leipzig 12 12 59 2 1 1 Lkr. Nordsachsen 5 9 14 0 0 3 Freistaat Sachsen 742 804 1.099 174 191 92 Seite 175 von 259 5. Islamismus Personenpotenzial bleibt im Bundesvergleich weiterhin auf niedrigem Niveau bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen Schwerpunkte salafistischer Strukturen in Leipzig; Neubau eines Moscheegebäudes der AL-RAHMAN-MOSCHEE Salafisten erzielen enorme Reichweite durch die Übertragung von Predigten und Vorträgen in den sozialen Medien und bei Messengerdiensten ("TikTokisierung"), junge Influencer als "Sprachrohre" für verfassungsfeindliche Ziele Legalistischer Islamismus mit "Wolf im Schafspelz"-Strategie konzentriert sich auf Dresden Fortwährend anti-israelische, antisemitische und den Angriff der HAMAS auf Israel relativierende Positionen Unverändert abstrakt hohe Gefahr von Terroranschlägen Seite 176 von 259 5.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Dem gesellschaftlichen Beobachtungsauftrag unterliegen jedoch islamisch-extremistische, d. h. religiös-politisch motivierte Organisationen und Einzelpersonen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Die Begriffe "Islam" und "Islamismus" sind deshalb deutlich voneinander zu unterscheiden. Islamismus beginnt dort, wo islamische Gebote und Normen für politische Handlungsanweisungen instrumentalisiert werden. Sämtliche Strömungen des Islamismus, so etwa der Salafismus, missbrauchen die Religion bewusst für ihre politischen Zielsetzungen. Dabei werden lediglich solche Teile der religiösen Überlieferungen zitiert und häufig auch passend umgedeutet, welche extremistische Narrative stützen. Islamisten sehen im Islam nicht nur eine Religion, sondern auch ein rechtliches Rahmenprogramm für die Gestaltung aller Lebensbereiche - angefangen von der Staatsorganisation über zwischenmenschliche Beziehungen bis hin zu Vorgaben für das Privatleben jedes Einzelnen. Die von ihnen propagierte Existenz einer von Gott gewollten und demzufolge "wahren" und absoluten Ordnung steht hiernach über den von Menschen gemachten Regeln und Gesetzen. Unter Berufung auf die Religion streben Islamisten somit die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an und wollen diese durch ein ausschließlich auf Koran, Sunna159 und Scharia160 basierendes Gesellschaftssystem ersetzen bzw. umgestalten. Damit stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. 5.2 Personenpotenzial Islamistisches Personenpotenzial im Freistaat Sachsen161 600 525 500 500 450 450 450 430 390 400 400 350 300 300 270 270 270 270 Islamismus gesamt 250 250 230 210 200 darunter Salafismus 190 200 170 130 100 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 159 Sunna ("gewohnte Handlung, eingeführter Brauch") bezeichnet im Islam die Tradition bzw. die Handlungsweisen des Propheten Muhammad, die in der islamischen Glaubensund Pflichtenlehre die zweite Quelle religiöser Normen nach dem Koran darstellen. 160 Als Scharia wird das gesamte islamische Rechtsund Wertesystem bezeichnet. 161 Das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen wird erst seit dem Jahr 2014 gesondert erhoben, so dass für die Jahre zuvor diesbezüglich keine Werte vorliegen. Seite 177 von 259 Wie in den Vorjahren bewegt sich das islamistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen im Bundesvergleich auf niedrigem Niveau (400 Personen). Dies gilt auch für das salafistische Personenpotenzial als Teilmenge des islamistischen Personenpotenzials, das im Freistaat Sachsen auch im Jahr 2024 etwa 250 Personen ausmachte. Es umfasst sowohl politische als auch jihadistische Salafisten. 5.3 Erscheinungsformen des Islamismus 5.3.1 Legalistischer Islamismus Definition Sog. legalistische islamistische Gruppierungen verfolgen ihre extremistischen Ziele mit politischen Mitteln innerhalb einer bestehenden Rechtsordnung. Sie bestehen auf einer strikten Auslegung des Korans, die nach ihrer Auffassung unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig sei. Eine unmittelbare Gefährdung geht von diesen Gruppierungen nicht aus, da sie nicht gewaltorientiert sind. Ideologie Ideologische Richtschnur für legalistische islamistische Gruppierungen sind die Weisungen der Scharia. Nach ihrer Auffassung darf die Scharia als islamische Rechtsund Lebensordnung nicht relativiert werden. Ein Großteil ihrer ideologischen Grundsätze ist jedoch unvereinbar mit den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates, der Religionsfreiheit und einer auf der Menschenwürde, der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Volkssouveränität basierenden politischen Ordnung. Ziel legalistischer Islamisten ist es, zunächst nur Teilbereiche der Gesellschaft zu manipulieren und zu ideologisieren, wie z. B. durch direkte Einflussnahme im Bildungswesen. Langfristig streben sie aber die Umformung des demokratischen Rechtsstaates in einen islamistischen Staat an. Strategie Legalistische Islamisten verfolgen eine Doppelstrategie ("Wolf im Schafspelz"): Sie sind bestrebt, mittels Lobbyarbeit ihre auf islamistischer Ideologie basierenden Vorstellungen zum gesellschaftlichen und individuellen Leben auf legalem Weg sowie unter Ausnutzung der Möglichkeiten des deutschen Rechtsstaates durchzusetzen. Repräsentanten dieser Organisationen geben sich in der Öffentlichkeit offen, tolerant und dialogbereit. Unter Vortäuschung demokratischer Absichten versuchen sie, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu erlangen. Nach innen bzw. in den Gemeinden sind sie jedoch bestrebt, insbesondere junge Muslime von ihren islamistischen Positionen für ein Scharia-konformes Leben zu überzeugen. Dabei werden auch solche Prinzipien und Werte vermittelt, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind und darüber hinaus die Entwicklung islamistisch geprägter Parallelgesellschaften unterstützen. In Deutschland und damit auch im Freistaat Sachsen werden legalistische Islamisten hauptsächlich in drei Bereichen aktiv: Einflussnahme auf die Politik, Mitgliedergewinnung und Bildungsarbeit. Dabei sind sie oftmals in übergeordneten muslimischen Verbänden organisiert. Mittels dieses "Sprachrohrs" versuchen sie, bestimmte gesellschaftliche Themen, wie die staatliche Imam-Ausbildung oder den islamischen Religionsunterricht, zu beeinflussen und sich dem Staat als Ansprechpartner für die Belange von Muslimen anzubieten. Zudem versuchen sie, für ihre jeweilige Organisation und im Sinne der Ideologieverbreitung neue Mitglieder zu Seite 178 von 259 werben. Hierzu unterhalten sie Moscheeund Kulturvereine oder organisieren Vorträge und andere Veranstaltungen. Auch die Jugendund Bildungsarbeit ist ein wichtiger Bereich, in dem sie aktiv sind. Es werden Koranund Sommerschulen sowie zielgruppenorientierte Schulungsund Freizeitaktivitäten in Deutschland organisiert. Die Jugendund Bildungsarbeit dient vor allem dem Zweck, die eigene Islaminterpretation zu verbreiten, um damit geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren.162 Strukturen o MUSLIMBRUDERSCHAFT (MB) Gründung: 1928 in Ägypten von Hassan AL-BANNA Leitung: Muhammad BADI Publikationen / Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) Personenpotenzial / 2024 2023 Sachsen 15 30 Mitgliederentwicklung: bundesweit 1.450 Kurzportrait / Ziele: weltweit älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten Ziele: - Errichtung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia - Keine Trennung zwischen Staat und Religion Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Ziel der MB ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage der Scharia. Eine Trennung von Religion und Staat ist nach ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie demnach nicht denkbar. Ein säkularer Staat wird gemäß dem Leitspruch "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser Wunsch" ausdrücklich abgelehnt. Diese Ideologie sowie die von der MB angestrebte islamistische Staatsform sind nicht mit demokratischen Grundprinzipien, wie dem Recht auf freie Wahlen, dem Recht auf Gleichbehandlung sowie der Meinungsund Religionsfreiheit, vereinbar. Zahlreiche islamistische, zum Teil auch terroristische Organisationen, wie die palästinensische HAMAS, sind aus der MB hervorgegangen. Seit den 1970er Jahren spricht sich die MB für den Verzicht auf Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele aus. Davon ausgenommen ist jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter vor allem Israel verstanden wird. Die "Wolf-im-Schafspelz"-Strategie legalistischer Islamisten wurde in Ägypten während des sog. "Arabischen Frühlings" besonders deutlich. So stellte die MB von 2011 bis 2013 nicht nur die stärkste Fraktion im Parlament, sondern mit Mohammed MURSI von 2012 bis 2013 erstmals auch den Staatspräsidenten. In dieser Zeit zeigte sich, dass sich die Muslimbrüder nicht als Teil eines demokratischen Systems verstehen, sondern dass sie demokratische Wahlen dazu 162 vgl. Broschüre "Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen", Bundesamt für Verfassungsschutz, September 2013, S. 21-23 Seite 179 von 259 instrumentalisieren, ihre Vorstellung von einem islamistisch geprägten politischen System durchzusetzen. Dies wurde zum Beispiel am ersten Entwurf für eine neue Verfassung, der ausschließlich von Muslimbrüdern und salafistischen Gruppierungen erarbeitet wurde, deutlich. Er sah neben einer massiven Beschneidung von Frauenrechten die Pflicht zur Überprüfung jedes neuen Gesetzes durch islamistische Gelehrte auf seine Islamkonformität vor.163 o DEUTSCHE MUSLIMISCHE GEMEINSCHAFT E. V. (DMG) Sitz: Berlin Gründung: 1958 Vorsitz: Khallad SWAID Mitglieder / Anhänger: siehe Personenpotenzial zur MB Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Die DMG ist die wichtigste und zentrale Organisation der Anhänger der MB in Deutschland. In Sachsen ist sie jedoch nicht offiziell vertreten. Bis September 2018 nannte sie sich ISLAMISCHE GEMEINSCHAFT IN DEUTSCHLAND. Die Umbenennung in DEUTSCHE MUSLIMISCHE GEMEINSCHAFT soll die Verbundenheit ihrer Mitglieder mit Deutschland suggerieren. Die DMG tritt gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als dialogbereiter Vertreter eines gemäßigten, weltoffenen Islam auf. Sie verfolgt eine gewaltfreie, an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich, vermeidet bei öffentlichen Auftritten bewusst verfassungsfeindliche Äußerungen und jedwedes Bekenntnis zur MB. Zahlreiche, nach außen hin verschleierte Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der DMG zum weltweiten MBNetzwerk.164 Mit dieser Taktik verfolgt die DMG das Ziel, mittelbis langfristig eine führende und im Sinne islamistischer Zielvorstellungen relevante Einflussgröße zu werden. Die DMG richtet sich somit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Aktivitäten Die DMG unterhält eigene Moscheen und Gemeindezentren und kooperiert darüber hinaus nach eigenen Angaben mit weiteren islamischen Gemeinden in ganz Deutschland.165 o MARWA ELSHERBINY KULTURUND BILDUNGSZENTRUM DRESDEN E. V. (MKBD) Sitz: Dresden Gründung: 2009 Vorsitz: Dr. Saad ELGAZAR Publikationen Homepage und Facebook-Seite des Vereins Internetauftritte: 163 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2020, S. 246 164 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 2023, S. 253 165 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 2023, S. 253 Seite 180 von 259 Finanzierung: Spenden Genutzte Immobilien: Der Verein ist Eigentümer der von ihr genutzten Immobilie in der Marschnerstraße in Dresden Kurzporträt / Ziele: Der Verein existiert seit 2009. Sein ursprünglicher Name lautete "Islamisches Kulturund Erziehungszentrum Dresden e. V." Der Name wurde kurze Zeit später in MARWA ELSHERBINY KULTURUND BILDUNGSZENTRUM DRESDEN E. V. geändert. Das MKBD gilt als Anlaufstelle und religiöses Zentrum für in Dresden und Umgebung lebende Angehörige des islamischen Glaubens. Der Vereinsvorsitzende steht der islamistischen MUSLIMBRUDERSCHAFT nahe. Neben den Freitagspredigten, welche zumeist von ELGAZAR als Imam geleitet werden, ist die Kinder - und Jugendarbeit ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Auslegung des Vereins. So organisiert er regelmäßig Koranunterrichte und Koranwettbewerbe. Relevante Ereignisse Öffentlichkeitswirksame Ereignisse waren vor allem das Fest und Entwicklungen zum Ende des Fastenmonats Ramadan (Zuckerfest) sowie 2024: das höchste islamische Fest, das Opferfest. Beide Feste, an denen eine Vielzahl von Gläubigen teilnahmen, wurden vom MKBD am Johannstädter Elbufer ausgerichtet. Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Vorstand und somit Entscheidungsträger des MKBD ist Dr. Saad ELGAZAR, welcher der MB zuzuordnen ist. Auch liegen Anhaltspunkte für Kontakte des MKBD zu den extremistischen Gruppierungen MB bzw. DMG vor. Der Verein MKBD zielt nach außen hin u. a. auf die Förderung der Kultur, der Religion und der Integration von Migranten in die hiesige Gesellschaft ab und betont dabei die Bedeutung des Gedankens der Völkerverständigung sowie der Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Getarnt unter diesem Deckmantel lässt ELGAZAR im MKBD immer wieder islamistisches Gedankengut in seine Predigten und Bittgebete einfließen und ist damit bestrebt, den hier lebenden Muslimen extremistisches Gedankengut nahe zu bringen. Struktur Der Verein wird seit seiner Gründung durch seinen Vorsitzenden Dr. Saad ELGAZAR geführt. Allein er lenkt und organisiert die Vereinstätigkeit. Strukturelle Veränderungen konnten über die Jahre nicht beobachtet werden. Es gibt keine dem MKBD überoder nachgeordneten Strukturen. Aktivitäten Über einen Zeitraum von einigen Jahren hat Dr. Saad ELGAZAR im Internet in öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken zahlreiche Beiträge veröffentlicht, mit denen er ein eindeutiges und offenes Bekenntnis zur extremistischen MB abgab, ihre Aktivitäten begrüßte und darüber hinaus auch eine antisemitische Weltanschauung erkennen ließ. So verbreitete ELGAZAR im Internet Beiträge von führenden und einflussreichen MB-Vertretern bzw. berichtete über diese, so auch über Yusuf AL-QARADAWI (inoffizielle Leitfigur und Chefideologe der MB), Hassan AL-BANNA (Gründer der MB), und Sayyid QUTB (einstiger Seite 181 von 259 Hauptideologe der MB). In seinen Äußerungen und Kommentaren unterstrich er die religiösen Leistungen dieser Personen für die MB und rief die Muslime dazu auf, den wahren Kern des Islam zu leben. Gemeint ist in diesem Zusammenhang das Islamverständnis der zitierten MBIdeologen. ELGAZAR verfasste darüber hinaus auch Artikel, z. B. unter der Überschrift "Die Lösung ist die Muslimbruderschaft", welche die MB als beste Lösung für alle Probleme in Ägypten präsentierten. Einige seiner Äußerungen in sozialen Netzwerken spiegelten zudem eine antisemitische Grundeinstellung wider: So teilte ELGAZAR im September 2016 ein Video, in welchem eine Landkarte Palästinas ohne Israel gezeigt wurde. Zudem wurde der Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete, Mahmud ABBAS, als Verräter bezeichnet. ELGAZAR kommentierte das Video wie folgt: "Es gab für uns ein Land mit dem Namen Palästina - und wird es (wieder) werden."166 Dieses Video steht im Einklang mit der Ideologie der MB und der HAMAS, dem palästinensischen Arm der MB. ELGAZAR stellte sich damit sowohl durch das Teilen des Beitrages als auch mit seinem Kommentar eindeutig auf die Seite dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Wie bereits im Jahr 2023, zeigte ELGAZAR auch im Berichtsjahr klar seine antisemitische und israelfeindliche Einstellung. Nachdem die HAMAS die Tötung ihres hochrangigen Kommandeurs Saleh al-AROURI in Beirut veröffentlichte, likte er am 3. Januar umgehend auf Facebook ein Video, in welchem der bis zu diesem Zeitpunkt hierarchisch an zweiter Stelle stehende Führer der HAMAS zu sehen war. In seinen Bittgebeten während des Fastenmonats Ramadan bekundete ELGAZAR seine Sympathie für die Kämpfer der HAMAS und äußerte sich antisemitisch: "O Allah, gewähre unseren hilflosen Brüdern in Gaza den Sieg (...) O Allah, schreibe unseren Brüdern einen mächtigen Sieg, eine klare Eroberung vor (...) O unser Herr, so wie du uns deine Sanftmut und deine Gnadenfrist gegenüber ihnen gezeigt hast, so zeige uns deine Folter und deine Qual gegen sie (...), O Allah richte dich gegen die usurpierenden Juden, die hasserfüllten Christen (...) O Allah lass ihre Pläne zu ihrer Zerstörung führen (...)". In diesem Kontext bezeichnete ELGAZAR die Juden mehrmals als "usurpierende Juden" und die Christen als "hasserfüllte Christen". Zudem verwendete er mehrfach die Worte "unsere Brüder in Gaza". Damit dürfte ELGAZAR die Kämpfer der HAMAS gemeint haben, womit er erneut seine positive Grundhaltung gegenüber dieser Terrororganisation zum Ausdruck brachte. Am 31. Juli wurde der HAMAS-Führer Ismail HANIYA in Teheran getötet. Im Rahmen des Freitagsgebetes am 2. August äußerte sich ELGAZAR dazu wie folgt: "Wir verrichten auch das Todesgebet in Abwesenheit für denjenigen, dem Allah den Tod schenkte. Sei es ein natürlicher oder künstlicher Tod, ihr wisst, was ich meine und was ich sage (...)". Zuvor likte ELGAZAR auf Facebook ein Foto des getöteten HAMAS-Führers zusammen mit dem Koranvers "Das ist die jenseitige Wohnstätte. Wir bestimmen sie für diejenigen, die weder Überheblichkeit auf der Erde noch Unheil begehren. Und das (gute) Ende gehört dem Gottesfürchtigen." Damit brachte ELGAZAR seine Sympathie für den durch Israel getöteten HANIYA zum Ausdruck. In seiner Freitagspredigt am 22. November thematisierte ELGAZAR u. a. die Folgen eines Diebstahls: "(...) Der Diebstahl hat diverse Facetten und Methoden, die laut der Scharia unserer Religion mit dem Abhacken der rechten bzw. der linken Hand oder des linken bzw. rechten Fußes (je nach Ausmaß des Diebstahls) geahndet werden. (...)". Obwohl ELGAZAR 166 Schreibweise wie im Original Seite 182 von 259 damit nicht explizit die schariarechtliche Ausführung der Körperstrafe forderte, suggerierte er seinen Zuhörern, dass diese fundamentalistische Auffassung die eigentlich legitime sei. Diese steht jedoch im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Regionale Ausprägung Auch wenn das MKBD überregional keine Rolle spielt, so ist es doch für die muslimische Gemeinde in Dresden und Umgebung ein wichtiges Zentrum für die Ausübung ihrer Religion. Fazit Die verfassungsfeindlichen Aussagen ELGAZARS im Berichtsjahr standen ebenfalls in klarem Widerspruch zu den Zielen des Vereins. In diesen wird vordergründig die Bedeutung des Gedankens der Völkerverständigung sowie der Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen herausgestellt. Dahingegen waren einige Bittgebete ELGAZARS während des Fastenmonats Ramadan beispielsweise geprägt von antisemitischen sowie anti-israelischen Aussagen und standen damit im Widerspruch zu den Vereinszielen. Zudem hegt ELGAZAR Sympathie für die HAMAS und äußert sich dementsprechend öffentlich. Solange das MKBD durch ELGAZAR geführt wird, ist davon auszugehen, dass seine Aktivitäten - verfassungskonform verschleiert - in Wahrheit solche der MB sind und er sich weiterhin anti-israelisch bzw. antisemitisch äußern wird. Exkurs zum Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 Sitz Palästinensische Autonomiegebiete, Gaza-Streifen Gründung Ende 1987 aus dem palästinensischen Zweig der MB Publikationen / Medien "al-Aqsa TV" (Fernsehen) Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet Ziel "Palästinas" und die Vernichtung des Staates Israel ca. 450, in Sachsen gibt es nur einzelne Anhänger und Anhänger bundesweit Sympathisanten Betätigungsverbot seit November 2023 In Sachsen entfaltet die Terrororganisation HAMAS keine Aktivitäten. Zu organisierten Strukturen und einer festen Anhängerschaft lagen dem LfV Sachsen im Berichtsjahr keine Erkenntnisse vor. Dennoch wirkte sich der auf den Angriff folgende Gaza-Krieg unmittelbar virtuell wie realweltlich auch auf die Sicherheitslage in Sachsen aus. So führten beispielsweise der Tod des HAMAS-Führers Ismail HANIYA sowie des Befehlshabers der Qassam-Brigaden, Mohammed DEIF, und später des HAMAS-Führers Yahya SINWAR hierzulande vor allem in den sozialen Medien zu einer Vielzahl an Reaktionen. Mehrere Internetnutzer posteten oder teilten beispielsweise Bilder der Getöteten, die sie als Märtyrer darstellen sollten. Weiterhin wurde vereinzelt auch das sog. "rote Dreieck" gepostet, das der HAMAS zugeordnet wird und im November 2023 durch die Bundesinnenministerin als Kennzeichen der islamistischen Terrororganisation verboten wurde. Seite 183 von 259 Bei Demonstrationen in Sachsen konnte festgestellt werden, dass sich Einzelpersonen mit Sympathien für die Terrororganisation HAMAS auch an anti-israelischen Versammlungen beteiligten.167 5.3.2 Politischer und jihadistischer Salafismus Einleitung Die Sicherheitsbehörden unterscheiden grundsätzlich zwischen politischem und jihadistischem Salafismus. Während beide Strömungen auf der gleichen ideologischen Grundlage beruhen, unterscheiden sie sich jedoch in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen. Dennoch besitzen beide Ausprägungen eine immanente Gewaltorientierung. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist und sich beide Richtungen mitunter nicht klar voneinander abgrenzen lassen. Vertreter des politischen Salafismus betonen den friedlichen Charakter des Islam und positionieren sich teilweise ausdrücklich gegen Terrorismus. Dennoch wird die Anwendung von Gewalt - ausgehend von einer subjektiv konstruierten Bedrohungslage - auch von Vertretern des politischen Salafismus in bestimmten Fällen für zulässig erklärt. Von jihadistischem Salafismus als einem Teilbereich des islamistischen Terrorismus sprechen die Sicherheitsbehörden dagegen, wenn die Anwendung terroristischer Gewalt von vornherein ideologisch legitimiert wird und der bewaffnete Kampf gegen "Ungläubige" als zentrales Mittel gesehen wird, um das eigene Islamverständnis zu "verteidigen" und zu verbreiten bzw. um politische Macht zu erlangen. Personenpotenzial Wie in den Vorjahren bewegt sich das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen, welches sowohl politische als auch jihadistische Salafisten umfasst, auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Es stagniert bei ca. 250 Personen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat sich dieses Potenzial jedoch nahezu verdoppelt. Im Jahr 2014 wurden den salafistischen Bestrebungen ca. 130 Personen zugerechnet. Ideologie Salafisten orientieren sich am Leben der ersten drei Generationen von Muslimen, welche auch als "Altvordere" (arab. as-salaf as-salih) bezeichnet werden und im 7./8. Jahrhundert lebten. Nach Ansicht der Salafisten führten nur diese Generationen ein gottgefälliges Leben, da sie es ausschließlich am Koran und dem Leben des Propheten Mohammed (Sunna) ausrichteten. Salafisten orientieren sich nicht nur inhaltlich an den Vorstellungen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit, sondern auch an der damaligen Werteordnung. Sie streben eine Rechtsordnung an, die ausschließlich auf Koran und Sunna basiert. Die Einführung einer solchen Ordnung wird auch für westliche Länder, in denen Muslime leben, angestrebt. Insofern liegt eine politische Bestimmtheit vor, die über eine reine Glaubensausübung hinausgeht. Aus der buchstabengetreuen Auslegung von Koran und Sunna leitet sich das zentrale salafistische Glaubensverständnis ab. Hierzu gehört die Überzeugung, dass Gott der einzige legitime Souverän und Gesetzgeber sei. Kennzeichnende Merkmale für die salafistische Ideologie sind die Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat, der absolute Geltungsanspruch der Scharia als allumfassende 167 vgl. Beitrag II.6.3 Strukturen Seite 184 von 259 Lebensordnung, die Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abgrenzungsmechanismen gegenüber anderen Religionen bzw. vermeintlich Ungläubigen. Salafisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab und sehen sich als die einzig "wahren" Muslime. o Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat Nach salafistischer Auslegung wird der Islam als allumfassender politischer Gegenentwurf zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung begriffen und öffentlich propagiert. So ist die Grundlage der staatlichen Herrschaftsordnung nach salafistischer Auffassung nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern der Wille Gottes. Demokratische Prozesse werden als Verletzung der Souveränität Gottes und deshalb als illegitim angesehen. In Anlehnung an die islamische Frühzeit wird die Schaffung einer vermeintlich idealen islamischen Gesellschaft, in welcher Staat und Religion eine Einheit bilden (d. h. eine Theokratie), angestrebt. Sämtliche religiöse Neuerungen oder gar eine Fortentwicklung der Religion im Sinne einer Anpassung an bestehende Verhältnisse werden dagegen strikt abgelehnt. Dementsprechend greifen Salafisten auf Regeln und Rechtsnormen zurück, die mit einem modernen demokratischen Rechtsstaat unvereinbar sind. o Absoluter Geltungsanspruch der salafistischen Rechtsordnung ("Scharia") Als Basis ihrer religiös begründeten rechtlichen, sozialen und politischen Ordnungsund Herrschaftsvorstellungen ziehen Salafisten die Scharia als Ausdruck des göttlichen Willens heran. Nach ihrem Verständnis bezeichnet der Begriff "Scharia" zusammengefasst sämtliche vom Koran und der Prophetenüberlieferung (Sunna) abgeleiteten religiösen und weltlichen Rechtsvorschriften. Jeder Muslim hat nach salafistischem Verständnis die Normen der Scharia als gottgewollt zu befolgen. Andere politische und rechtliche Modelle werden entweder als zweitrangig verstanden oder grundsätzlich abgelehnt. o Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau Salafisten weisen der Frau ein Rollenbild zu, das sie auf ihre häuslichen Aufgaben beschränkt und ihre öffentliche Betätigung (wie z. B. ein politisches Engagement) ausschließt. Der Ehemann besitzt nach salafistischer Auslegung des Korans ein Züchtigungsrecht zur Erziehung und Disziplinierung seiner Ehefrau. Die von Salafisten so verstandene gottgegebene Überordnung des Mannes im Verhältnis zur Frau verstößt gegen den in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes garantierten Grundsatz der Gleichberechtigung. o Feindbilder Die salafistische Ideologie ist insbesondere durch zahlreiche Abgrenzungsmechanismen geprägt. Die Verbreitung von Bildern muslimischer wie nicht muslimischer Feinde soll zur Stärkung einer eindeutigen salafistischen Identität beitragen. Andersdenkende werden selbst dann, wenn sie einer Religionsgemeinschaft angehören, mit diffamierenden Begriffen wie "Kuffar" ("Ungläubige") bezeichnet. Dementsprechend sollen Salafisten ausschließlich mit ihresgleichen verkehren und sämtliche Beziehungen zu "Ungläubigen", einschließlich nicht salafistischen Muslimen, unterlassen. Salafisten verstehen sich als "Opfer" in der nicht muslimischen Mehrheitsgesellschaft. Dazu werden Szenarien von Bedrohungen und Angriffen gegen den Islam und die Muslime gezeichnet, die weltpolitische Ereignisse, wie z. B. den palästinensisch-israelischen Konflikt, die Konflikte in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, aber auch eine vermeintliche Diskriminierung in westlichen Ländern verarbeiten. Derartige Szenarien sind elementar für die Rekrutierung von Anhängern und haben Einfluss auf das Mobilisierungspotenzial. Die Menschen sollen auf verschiedene Weise vom so verstandenen "richtigen" Islam überzeugt werden bzw. zum Islam konvertieren. Das entsprechend verbreitete Gedankengut Seite 185 von 259 ist geeignet, den ideologischen Nährboden für eine islamistische Radikalisierung zu bilden und steht damit einer Integration entgegen. Zudem leistet es der Herausbildung einer Parallelgesellschaft weiteren Auftrieb. Darüber hinaus stellt der Staat Israel für die Mehrheit der islamistischen Gruppierungen ein manifestes und populäres Feindbild dar, wobei kaum zwischen dem Staat Israel und "den Juden" differenziert wird. Im Rahmen ihrer Propagandaaktivitäten rufen Salafisten immer wieder subtil zur Vernichtung Israels auf. Im Islamismus ist Antisemitismus grundsätzlich ein weit verbreitetes Phänomen. Strategie Politische Salafisten verbreiten ihre islamistische, fundamentalistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten, die sog. "Missionierung" (Dawa). In der Vergangenheit fand diese z. B. mithilfe von Informationsständen in Innenstädten statt. Gegenwärtig wird dieses Instrument in Sachsen nur noch vereinzelt genutzt. Größtenteils findet diese propagandistische Arbeit inzwischen in den sozialen Medien statt. Ähnlich wie im jihadistischen Salafismus ist hierbei problematisch, dass neben in Deutschland erstellten und gehosteten Inhalten zum Teil noch radikalere Inhalte von Influencern und Predigern aus dem Ausland verbreitet werden. Die salafistische Ideologie wird außerdem im Rahmen von Vortragsveranstaltungen und "Islamseminaren" in salafistischen Moscheen verbreitet. Auch in Koranschulen, die an eine salafistische Moschee oder einen Verein angebunden sind, ist eine religiöse Erziehung der Schüler im Sinne der Ideologie möglich. Mit der Übertragung von Predigten und Vorträgen im Internet erzielen Salafisten nicht nur eine enorme Reichweite, sondern erreichen ebenso einen unüberschaubaren Personenkreis jeden Alters. Während politische Salafisten ihre Propagandaarbeit strategisch als "Missionierung" oder "Einladung zum Islam" bezeichnen, handelt es sich tatsächlich um eine systematische Indoktrinierung, nicht selten mit dem Ziel einer Radikalisierung. Der jihadistische Salafismus baut in vielen Fällen auf die bereits geleistete strategische und ideologische Vorarbeit des politischen Salafismus auf. Zusätzlich wird hier jedoch die einschlägige jihadistische Ideologie über persönliche Kontakte in der Realwelt oder in sozialen Medien und Kommunikationsplattformen verbreitet. Das Propagandamaterial wird hierbei z. B. aus den offiziellen bzw. halboffiziellen Medienportalen des ISLAMISCHEN STAATES, wie beispielsweise dem "Al-Hajat Media Center" und dem "Al-Furqan Institute for Media Production", bezogen und dann von IS-nahen Kanälen und Gruppierungen z. B. über Messenger-Dienste aufgegriffen, kommentiert und verbreitet. Ziel des jihadistischen Salafismus ist es, mit seiner Ideologie Personen zu beeinflussen und schließlich für die Unterstützung des weltweiten Jihads zu gewinnen. 5.3.2.1 Politischer Salafismus Strukturen im Freistaat Sachsen Die salafistische Szene in Deutschland ist meist nur lose organisiert. Feste und formale Organisationsstrukturen sind weitgehend nicht vorhanden. Eine Ausnahme bilden örtliche salafistische Vereine, die als Träger salafistisch geprägter Moscheen tätig sind. Seite 186 von 259 o ISLAMISCHE GEMEINDE IN SACHSEN - AL-RAHMAN MOSCHEE E.V. Sitz Leipzig Gründung 1995 Vorsitz Hassan DABBAGH Besucherzahlen ca. 1.000 (wobei die Mehrheit nicht dem salafistischen Spektrum angehört) Internetauftritt/Soziale Medien Internetseite, Facebook, Instagram, YouTube, TikTok Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Den Schwerpunkt salafistischer Strukturen im Freistaat Sachsen bildet seit Jahren der Verein ISLAMISCHE GEMEINDE IN SACHSEN - AL-RAHMAN MOSCHEE in Leipzig. Der Imam dieser Moschee, Hassan DABBAGH, ist ein überregional bekannter Multiplikator des politischen Salafismus in Deutschland. Trotz DABBAGHs Distanzierung von religiös motivierten Terrorakten sind seine Äußerungen geeignet, die Bildung von Parallelgesellschaften außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu fördern und mittelbar Hass und Gewalt zu schüren. Seine Freitagspredigten beinhalteten auch im Berichtsjahr die bereits bekannten Themen, wie z. B. Hetze gegen den deutschen Staat und Ungläubige, welche Muslime angeblich unterdrücken und den Islam vernichten wollen sowie die staatliche Beeinflussung der Medien. Außerdem glorifizierte er den Islam der Frühzeit. Seine Freitagspredigten enthielten weiterhin salafistische Glaubensauffassungen. Der Salafismus zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass der Koran und die Sunna des Propheten als einzige Richtschnur für die Rechtsund Gesellschaftsordnung angesehen, "weltliche" Gesetze demzufolge explizit oder indirekt abgelehnt werden. Laut DABBAGH könne eine "Einheit der Muslime" nur erreicht werden, wenn sie zum Islamverständnis der ersten Generationen des Islam zurückkehrten - eine eindeutig salafistische Auffassung. "(...) Deshalb (...) wenn jemand behauptet, ich will die Einheit der Muslime, dann soll man wissen, die Einheit der Umma, die Einheit der Muslime kann nur erlangt werden, indem wir auf dem Weg von Qur'an und Sunna sind. Mit dem Verständnis von Sahaba (Gefährten des Propheten) (...) und die Leute, die nach ihnen oder ihnen folgen bis zum letzten Tag. So werden wir die Einheit der Umma schaffen (...)". Die Salafisten fordern die Ausrichtung der Religionsund Rechtspraxis im Sinne eines als authentisch und autoritativ geltenden "Urislam" und eine Rückbesinnung darauf. Religiöse "Neuerungen", zu denen u. a. auch moderne muslimische Auslegungen des Korans oder der Sunna bzw. bestimmte muslimische Bräuche und Traditionen gehören, werden abgelehnt. DABBAGH sagte im Berichtsjahr Folgendes: "(...) Dazu die Sahaba (...) die Gefährten von unserem Propheten (...) würden niemals etwas zustimmen was Bid'a ist, was Neuerung ist. Weil jede Neuerung eine irrführende Sache ist. Und jede irrführende führt in die Hölle." "(...) Der damalige Islam ist der heutige Islam und das wird bleiben. Die Religion Allah (...) ist eine Offenbarung von über dem siebten Himmel. Allah hat das dem Propheten (...) offenbart. Der Prophet (...) hat das verkündigt. Die Sahaba (Gefährten) haben das übernommen. Die Tabi'un (Generation nach Sahaba) haben das von ihnen gelernt, und das wurde überliefert bis heute und das wird bleiben". Die Glorifizierung der Gefährten des Propheten und die extreme Fokussierung auf die überlieferten Aussprüche und Handlungsweisen des Propheten Muhammad, die im Sinne Seite 187 von 259 einer salafistischen Auslegung auch heutzutage möglichst wortgetreu umgesetzt werden sollten, findet sich auch weiterhin in den Predigten. "(...) Die Gefährten des Propheten (...) haben uns den Qur'an vermittelt. Und sie haben uns die Sunna vermittelt. Ohne diese Leute, ohne diese Leute könnten wir Qur'an und Sunna nicht bekommen. Und ohne diese Leute könnten wir den Islam nicht richtig verstehen und nicht richtig praktizieren. Wir lieben sie. (...) Und unsere Gelehrten sagen: 'Wenn man gegen die Sahaba (Gefährten des Propheten) was spricht oder sie beschimpft, dann ist diese Person (...). Und manche Gelehrten sagen, der ist kein Moslem. Derjenige, der gegen die Sahaba hetzt und die Sahaba beschimpft oder die Sahaba, das heißt die Gefährten vom Propheten (...), vom Islam ausschließt." Ein weiteres, gern bedientes Thema ist die Opferrolle der Muslime, die unter der Bedrohung durch "Nicht-Muslime" leiden würden. Folgender Auszug aus einer Predigt vom 29. März macht dies deutlich: "(...) Wir sind, wir sind klein und die Umma ist groß. Aber diese, dieser kleine Fleck ist ein Beispiel für eine große Umma (...) Wären die Kinder, wären die Kinder von Gaza, wären sie Katzen, Katzen oder Bäume oder vielleicht Steine, da hätten die Leute was gesagt. Aber nein. Diese Leute haben kein Recht. Nix sind sie. Man kann mit ihnen alles machen, weil sie Muslime sind (...)". Wie tief der Antisemitismus bei Hassan DABBAGH verwurzelt ist, zeigte sich auch im Berichtsjahr. In einer gestreamten Fragerunde am 12. April behauptete er auf Arabisch: "(...) Ihr Krieg gegen uns ist wegen der Religion, und wenn ihr diese Sache noch nicht versteht, müsst ihr euch Gaza ansehen, um das zu verstehen, (...)". Ohne "die Juden" oder Israel explizit zu erwähnen, machte DABBAGH in diesem Kontext deutlich, dass der Krieg gegen die Palästinenser in Gaza ein "Krieg gegen den Islam" sei. Da Israel diesen Krieg führt, ist Israel (und damit für den evtl. nicht differenzierenden Zuhörer "die Juden") - ein Feind des Islam. In einem anderen veröffentlichten Beitrag zum Religionsunterricht behauptete er am 17. Mai, dass die Handlungen der israelischen Armee im Gazastreifen nicht durch Nicht-Muslime, die deutsche Presse oder die Politik kritisiert werden dürften. Wenn man dies tue, würde man gleich als "Antisemit" bezeichnet. Dieses faktisch falsche Narrativ wird oft von Antisemiten verbreitet, einerseits um ihre Äußerungen als legitime Meinungsäußerung im Sinne der Meinungsfreiheit zu deklarieren. Andererseits soll den Zuhörern indirekt vermittelt werden, dass es eigentlich gar keine echte Meinungsfreiheit speziell zum Thema "Israel" gebe. Nicht selten beziehen sich Antisemiten dabei auf eine jüdische Weltverschwörung. In der Freitagspredigt am 17. Mai beschuldigte Hassan DABBAGH die westliche Presse und Politik, gegen den Islam zu hetzen. Nach seinen Worten würden einige Muslime versuchen, durch das Nichtpraktizieren des Islam das Wohlwollen der "Feinde des Islam" erlangen zu wollen. Wörtlich führte er dann aus: "Sei sicher, die werden dich niemals lieben (...) Und die werden mit dir niemals zufrieden sein. Allah sagt das, nicht ich (...): Die Juden, die Christen werden mit dir niemals zufrieden sein, bis du ihren Weg nimmst, bis du ihre Religion nimmst.' Das sagt Allah, nicht ich." Auch hier suggeriert DABBAGH, dass Juden (und Christen) von Beginn an Feinde der Muslime und des Islam gewesen seien und versuchen würden, diese Religion zu zerstören, indem sie Muslime vom "wahren Glauben" abbringen wollten. Aus der Freitagspredigt am 31. Mai ging hervor, dass DABBAGH seine Vorbehalte seine Feindbilder aus dem Koran bezieht. So schloss er das Freitagsgebet mit folgendem Bittgebet ab (arab.): "O Allah verleihe dem Islam den Sieg. Mache die Muslime mächtig. O Allah verleihe deinen Monotheisten-Dienern den Sieg. O Allah, lass uns standhaft sein nach deinem Buch und der Sunna deines Propheten. O Allah wende dich gegen deine Feinde, Feinde der Religion. Oh Allah, du bist nicht machtlos gegenüber ihnen: O Allah, reinige die muslimischen Seite 188 von 259 Länder von der Unreinheit - Herr der Welten - von den verdammten Unreinen, den Nachkommen von Affen und Schweinen, O Herr der Welten." Der Ausdruck "Nachkommen von Affen und Schweinen" stammt aus dem Koran Sure 5 Vers 60. Vor allem Islamisten benutzen diesen Ausdruck als Synonym für "Juden". Im Kontext seines obigen Bittgebets machte DABBAGH deutlich, dass er in den muslimischen Ländern deren Vernichtung oder Vertreibung durch Allah erbittet. Sie seien unrein und Feinde Allahs. Vor dem Hintergrund, dass in den meisten muslimischen Ländern keine Juden mehr leben, bezog er sich hier mutmaßlich auf Israel, das er grundsätzlich als muslimisches Land ansieht. Aktivitäten Propagandaaktivitäten sind in Sachsen, ebenso wie im übrigen Bundesgebiet, das Hauptaktionsfeld der politischen Salafisten. In seiner Funktion als Imam und Prediger verbreitete DABBAGH im Berichtsjahr abermals die salafistische Ideologie u. a. in seinen Freitagspredigten und während des täglich stattfindenden Koranunterrichts in den Räumlichkeiten der Moschee. Außerdem reiste er z. B. nach Erfurt und Duisburg, um dort Vorträge zu halten. Durch entsprechende Veröffentlichungen in den sozialen Medien erhöhte er auch im Berichtsjahr die Reichweite für seine verfassungsfeindlichen Aussagen und entfaltete eine stärkere Öffentlichkeitswirkung. Predigten anderer bekannter salafistischer Akteure in der AL-RAHMAN MOSCHEE konnten hingegen im Berichtsjahr nicht festgestellt werden. Das Mitte 2023 genehmigte und begonnene Bauprojekt "Ersatzneubau Kulturhaus an der Parthe" der ISLAMISCHEN GEMEINDE IN SACHSEN - AL-RAHMAN-MOSCHEE E. V., vertreten durch den Imam Hassan DABBAGH, wurde im Berichtsjahr nicht fertiggestellt. Es umfasst ein Kulturhaus als Versammlungsstätte zur Religionsausübung, ein Vereinshaus, eine Verkaufseinrichtung und ein Bürogebäude mit großer Inhaberwohnung. Beim geplanten "Kulturhaus" handelt es sich um das neue Moscheegebäude der AL-RAHMAN-MOSCHEE. Informationen des LfV Sachsen zufolge soll der Neubau die derzeit genutzte Moschee ablösen. Das "Kulturhaus"/Moschee hat eine geplante Grundfläche von 1.050 m2 mit drei Etagen und ist für ungefähr 2.000 Gläubige konzipiert. Das neue Gebäude wird demnach größer als die bisher genutzte Moschee. o AL-AMAL - INTERKULTURELLER VEREIN E. V. Sitz Dresden Gründung 2018 Soziale Medien Facebook Seite 189 von 259 Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Zentraler Bestandteil der Arbeit von AL-AMAL - INTERKULTURELLER VEREIN E. V. ist die Durchführung von Gebetsveranstaltungen in eigenen Räumen und im Freien. Die Inhalte der Predigten und der Online-Auftritte erscheinen auf den ersten Blick nicht spezifisch islamistisch. Es fällt jedoch auf, dass häufig saudi-arabische salafistisch-wahhabitische Islamgelehrte wiedergegeben werden. Hierbei geht es zumeist um Auszüge von Reden des Scheichs Abd al-Aziz ibn BAZ (1910 - 1999), der als Vordenker des modernen Salafismus gilt und eine streng konservative Lesart des Korans (Wahhabismus) sowie eine wortwörtliche Auslegung der Hadithe und des Korans vertrat. Als Hadithe werden die überlieferten Handlungen und Aussprüche des Propheten Mohammed bezeichnet. Auch Scheich Muhammad IBN ALUTHAYMIN (1925 - 2001) ist beispielsweise in mehreren Videos vertreten. Seine Schriften werden bis heute weltweit von Salafisten rezitiert und stehen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in vielen Teilen diametral entgegen. Darüber hinaus zeigt der Verein, wie die korrekte und möglichst wortgetreue Umsetzung eines Hadithes gelehrt wird. Eine wortgetreue Umsetzung der Sunna, der zweiten Quelle religiöser Normen des Islam, und des Korans ist für Salafisten von entscheidender Bedeutung. Der AL-AMAL - INTERKULTURELLE VEREIN E. V. bietet zudem über einen Telegram-Kanal Zugriff auf Schulungsunterlagen an, darunter das Buch bzw. die Schrift (dt.) "Die Vierzig des Nawawiya". Es handelt sich hierbei um eine Sammlung von Hadithen, darunter mehrere extremistische. Sie legitimieren beispielsweise die Anwendung von Gewalt gegen Ungläubige. Insgesamt bestehen aufgrund der verwendeten religiösen Termini in ihren Social-Media-Posts (u. a. bida/ kufr für Ungläubige), der Fokussierung auf die Vermittlung der "richtigen" Religionsausübung sowie der geposteten Videos Anhaltspunkte, die eine politischsalafistische Ausrichtung des Vereins nahelegen. Festzuhalten ist jedoch, dass primär der Vereinsvorstand salafistisch geprägt ist, dies hingegen aber nicht auf alle Besucher der Predigten und Veranstaltungen zutrifft. Aktivitäten Zweck des Vereins ist laut Satzung, "Migranten aus dem islamisch geprägten Kulturkreis" die Religionsausübung, einen Austausch sowie die Integration zu ermöglichen. Eine herausgehobene Aktivität scheint dabei die Veranstaltung von Koranund Hadithwettbewerben, die sich speziell an Kinder und Jugendliche richten, zu sein. Bei Mitveranstaltern konnten im Berichtsjahr Verknüpfungen zum verbotenen Verein DEUTSCHSPRACHIGE MUSLIMISCHE GEMEINSCHAFT BRAUNSCHWEIG festgestellt werden. Eine wichtige Veranstaltung des Vereins war zudem das Zuckerfest mit Gebet im Dresdner Alaunpark am 9. April. Dadurch gab sich der Verein einen bürgerlichen "Anstrich". Neben realweltlichen Veranstaltungen zeichnet sich der Verein durch seine Online-Präsenz aus. Auf den bekannten Plattformen wie X und Facebook werden professionell bearbeitete Videos und Fotos der Gebete und der ideologischen Ansichten verbreitet. Zweck ist hierbei unter anderem die Vermarktung und Selbstdarstellung des Vereins. Zum Zweck der religiösen Schulung gibt es dort zahlreiche Informationen. Außerdem verbreitet der Verein über die sozialen Medien Spendenaufrufe und hat Informationen zu seinen Spendenkonten hinterlegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Verein realweltlich auf Jugendarbeit und Erwachsenenbildung in Form von Predigten, Schulungen, Wettbewerben und Festen fokussiert. Eine positive Öffentlichkeitswirkung soll durch professionell bearbeitete Videos und ansprechende Werbeinhalte im Netz bezüglich der Hadith-Wettbewerbe und weiterer religiöser Veranstaltungen (z. B. zum Ramadan) erzielt werden. Seite 190 von 259 5.3.2.2 Jihadistischer Salafismus Außerhalb Europas Die wichtigste Organisation des jihadistischen Salafismus ist der sog. ISLAMISCHE STAAT (IS). Ursprünglich aus der Terrororganisation AL-QAIDA hervorgegangen, gelang es dem IS im Jahr 2014 unter seinem damaligen Anführer AL-BAGHDADI, weite Gebiete im Irak und Syrien zu erobern. Darüber hinaus wurden IS-Splittergruppen u. a. auf dem Sinai, in Pakistan und Afghanistan sowie in Libyen gegründet. Mit der Rückeroberung der irakischen Großstadt Mossul durch irakische Sicherheitskräfte im Juli 2017 verlor der IS schrittweise seine wichtigsten organisatorischen Zentren und Gebiete. Im März 2019 musste der IS das letzte von ihm kontrollierte Territorium aufgeben. Die Terrororganisation verfügt im Irak und in Syrien jedoch weiterhin über Stützpunkte im Untergrund sowie über Kämpfer, Unterstützer und Sympathisanten. Der IS bzw. dessen Ableger sind aber auch außerhalb Syriens bzw. des Iraks in der Lage, Anschläge auszuführen. Exkurs: Nach dem Sturz des ASSAD-Regimes in Syrien: Wer ist die HAI'AT TAHRIR AL-SHAM (HTS - dt. Komitee zur Befreiung Großsyriens)? Die HTS wurde am 28. Januar 2017 als Zusammenschluss von fünf regional in Syrien gegen das ASSAD-Regime kämpfenden jihadistischen Gruppierungen gegründet. Die stärkste hiervon war die Jabhat FATH AL-SHAM, die im Jahr 2016 aus der JABHAT AL-NUSRA hervorgegangen war. Diese wurde wiederum im Jahr 2011 als direkter Ableger der Terrororganisation AL-QAIDA (AQ) gegründet. Ihr Anführer war bereits damals der Syrer ALJAULANI. Im Gegensatz zum IS oder AQ war das ideologische Ziel der AL-NUSRA Front sowie der daraus entstandenen HTS ausschließlich, den "nahen Feind" und damit das ASSAD-Regime und dessen Verbündete durch den militanten Jihad zu stürzen und in "befreiten" syrischen Gebieten die Scharia einzuführen. Ideologisch bestanden keine Ambitionen, den Jihad zum Beispiel nach Europa zu tragen. Aufgrund der unterschiedlichen ideologischen Ausrichtung, der Fokussierung auf eine rein regionale Agenda sowie aus machtpolitischen Gründen kam es seit 2017 immer wieder zu Kämpfen der HTS gegen den IS sowie AQ und deren syrische Ableger. Der HTS und ihren Verbündeten gelang es bis 2020, ein Gebiet im Nordwesten Syriens um die Stadt Idlib zu erobern und zu halten. Nach heftigen Kämpfen kam es vom Jahr 2020 bis zum November 2024 zu einer Patt-Situation zwischen beiden Seiten. Am 27. November 2024 - evtl. auch bedingt durch die Schwächung des Irans und der HIZBOLLAH - startete die HTS mit ihren verbündeten Gruppierungen eine Großoffensive gegen das ASSAD-Regime. Dem Bündnis gelangen innerhalb kurzer Zeit erhebliche Raumgewinne. Am 8. Dezember wurde schließlich die syrische Hauptstadt Damaskus ohne große Gegenwehr eingenommen. Das ASSAD-Regime war gestürzt. AL-JAULANI gibt sich aktuell als "gemäßigter" und pragmatischer "Übergangspräsident" Syriens. Aufgrund der tiefverwurzelten islamistischen Ideologie der HTS erscheint es wahrscheinlich, dass diese das neue Staatswesen und die künftige Politik beeinflussen wird. Der ISLAMISCHE STAAT PROVINZ KHORASAN (ISPK) Für die Gefährdungslage im Berichtsjahr besonders relevant war der im Jahr 2014 gegründete und in Afghanistan beheimatete IS-Ableger ISLAMISCHER STAAT PROVINZ KHORASAN (ISPK). Seit dem Jahr 2016 gewinnt diese Gruppierung trotz ihrer Bekämpfung durch die Taliban sowie die damalige afghanische Regierung immer mehr an Bedeutung und konnte zwischenzeitlich ganze Ortschaften besetzen. Seit der Machtübernahme durch die Taliban im Sommer 2021 eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und dem ISPK aufgrund der bestehenden Seite 191 von 259 ideologischen wie machtpolitischen Differenzen erneut. Anschläge und Kämpfe führten seitdem zu einer Vielzahl von Toten, darunter viele Zivilisten. Beispielhaft hervorgehoben sei an dieser Stelle der Anschlag auf den Flughafen in Kabul am 26. August 2021, bei dem 183 Menschen getötet wurden. Die Taliban, die zu diesem Zeitpunkt für die Sicherheit des Umfeldes der Evakuierungsflüge verantwortlich waren, wurden hierbei durch den ISPK gedemütigt. Mithilfe seiner professionellen und wirkmächtigen Rekrutierungspropaganda sowie des Anschlusses anderer regionaler Terrorgruppen gelang es dem ISPK seither, sein Personenpotenzial weiter auszubauen. Es umfasst neben Afghanen und Pakistanern auch Zentralasiaten. Obwohl das Hauptziel des ISPK weiterhin ist, ein auf seiner Ideologie basierendes Kalifat in Zentralasien zu errichten, gab es bereits im Jahr 2017 erste Hinweise darauf, dass der ISPK zugleich daran interessiert war, sein Aktionsfeld zur Stärkung seiner Reputation innerhalb der jihadistischen Szene bis nach Europa auszuweiten. Dies geschah z. B. durch die Entsendung von rekrutierten Jihadisten aus Zentralasien nach Europa mit dem Ziel, hier Anschläge zu verüben. Am 11. März des Berichtsjahres drangen schließlich mindestens drei Terroristen in die "Crocus City Hall" in Krasnogorsk (Russland) ein, in der zu diesem Zeitpunkt ein Konzert stattfinden sollte. 144 Personen wurden bei dem Anschlag getötet, zu dem sich der ISPK im Nachhinein bekannte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist darauf, dass seit dem Jahr 2022 erhöhte Aktivitäten der sog. ISLAMISTISCHEN NORDKAUKASISCHEN SZENE (INS) auch in Deutschland festzustellen sind. Diese umfasst islamistische Aktivitäten von Angehörigen nordkaukasischer Ethnien wie zum Beispiel aus Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf das verstärkte Auftreten russischsprachiger zentralasiatischer Jihadisten mit Bezügen zum ISPK in Europa sowie den Nahostkonflikt seit Oktober 2023. Insbesondere von jüngeren Akteuren der INS geht eine hohe abstrakte Gefährdung aus. Jihadistische Terrororganisationen und die Ereignisse nach dem 7. Oktober 2023 Der Hass auf Juden und Israel ist ein fester Bestandteil der jihadistischen Ideologie und Propaganda. Obwohl der IS das Islamverständnis der HAMAS grundsätzlich als "unislamisch" ablehnt, wurde ab Ende Oktober 2023 der Gaza-Krieg verstärkt instrumentalisiert, um diesen Hass auf Israel zu verbreiten, Personen auf diese Weise zu radikalisieren und zur Begehung von Gewalttaten zu animieren. Die deutliche Zunahme antisemitischer Straftaten sowie der Widerhall von Hass und Hetze in den sozialen Medien sind das Ergebnis dieser Entwicklung. Der offensichtliche Antisemitismus wurde zum Beispiel in der am 16. November 2023 veröffentlichten 417. Ausgabe des "Al-Naba Magazins" des IS deutlich. In einem Artikel wurde behauptet, dass Juden andere Menschen verachten und Unwahrheiten verbreiten würden. Im Berichtsjahr wurde mit Bezug auf den Krieg in Gaza direkt durch ISoder IS-nahe Medienstellen zum Kampf gegen Juden aufgerufen. Am 28. März veröffentlichte die "AlFurqan-Medienstelle" z. B. eine Tonaufnahme des offiziellen Sprechers des IS. In dieser proklamierte dieser mit Bezug auf die Geschehnisse in Gaza, dass es sich um einen religiösen Krieg gegen die Juden handle. Des Weiteren rief er gezielt zu Einzeltäterangriffen auf Juden und Christen auf, speziell in Jerusalem und Israel. Auch in einem Artikel der 458. Ausgabe des "Al-Naba"-Magazins wurde die Bedeutung von Einzeltäteranschlägen hervorgehoben. In einem Sonderartikel mit dem Untertitel "Aus Rache für die Muslime in Palästina" wurde zudem Bezug auf den Messerangriff in Solingen am 23. August genommen. Deutlich wurde hier die Verknüpfung der jihadistischen Ideologie mit dem Nahostkonflikt. Europa Europa als Teil des "Westens" blieb im Berichtsjahr ebenfalls nicht von mutmaßlich jihadistisch motivierten Anschlagsvorhaben verschont. Auch diesen lagen fortlaufende Aufrufe des IS Seite 192 von 259 zugrunde. So glorifizierte er in der 450. Ausgabe seines Online-Magazins "Al-Naba" Einzeltäteranschläge als wichtigen Bestandteil seiner globalen Jihad-Strategie. Auf der dazugehörigen Titelbildkollage findet sich u. a. das Gesicht eines 15-Jährigen in der Schweiz eingebürgerten Tunesiers. Dieser verletzte am 2. März auf offener Straße in Zürich einen als orthodoxen Juden erkenntlichen Mann. Laut Medienberichten soll der Angreifer dabei "Allahu Akbar" und "Tod den Juden" gerufen haben. Eine mutmaßliche Verknüpfung mit dem Nahostkonflikt zeigte auch der Angriff eines zum Islam konvertierten Serben mit einer Armbrust auf einen Wachmann der israelischen Botschaft in Belgrad am 29. Juni. Der Wachmann überlebte, der Terrorist wurde erschossen. Auch dessen Bild findet sich im erwähnten Leitartikel des ISMagazins. Deutschland Wegen des verstärkten Agierens des ISPK in Europa sowie der hohen Emotionalisierungen infolge des Nahost-Konflikts war die Gefährdungslage in Deutschland auch im Berichtsjahr 2024 besonders angespannt. In einer Medieninformation vom 29. November 2023 warnte das BfV bereits vor einer "Sogwirkung der Hamas und des Gaza-Krieges" über die regionalen terroristischen Organisationen hinaus auf Einzelpersonen, welche der jihadistischen Ideologie nahestehen. Konkret manifestierte sich der Einfluss jihadistischer Propaganda u. a. am 31. Mai. An diesem Tag verletzte der aus Afghanistan stammende Sulaiman A. bei einer islamfeindlichen Kundgebung in Mannheim u. a. den Redner und tötete zudem mit seinem Messer einen Polizisten, der zum Schutz der Veranstaltung anwesend war. Im Rahmen von Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass sich Sulaiman A. seit ca. 2020 radikalisiert und Propagandamaterial des IS konsumiert hatte. Spätestens Anfang Mai 2024 soll er sich dann entschlossen haben, "Ungläubige" zu töten. Während die sportlichen Großereignisse Fußball-EM in Deutschland und Olympische Spiele in Paris (Frankreich) im Juni, Juli und August trotz Aufrufen zu Terroranschlägen und deshalb unter allerhöchsten Sicherheitsvorkehrungen friedlich stattfinden konnten, erschütterten im Spätsommer eine Reihe von Vorfällen die Bundesrepublik Deutschland. So stach der Syrer Issa AL. H. bei einem Stadtfest in Solingen am 23. August auf umstehende Personen ein und tötete drei Menschen, acht wurden zum Teil schwer verletzt. Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem Täter vor, die Ideologie des IS zu teilen und daraufhin den Entschluss gefasst zu haben, "Ungläubige" zu töten. Nur ein paar Tage später, am 5. September, erfolgte in München ein Schusswaffenangriff in der Nähe des israelischen Generalkonsulats. Der Täter wurde dabei von der Polizei erschossen, so dass weitere Tote oder Verletzte verhindert werden konnten. Nur einen Tag später versuchte ein mit einer Machete bewaffneter Albaner in eine Polizeiinspektion in Linz am Rhein (Rheinland-Pfalz) einzudringen. Er konnte von den Polizeikräften gestoppt werden. Laut BKA gab es seit dem Jahr 2000 bis zum Jahresende 2024 insgesamt 13 vollendete islamistisch motivierte Terroranschläge in Deutschland. Sachsen Wie in den Jahren zuvor, erhielt das LfV Sachsen auch im Berichtsjahr eine Vielzahl von Hinweisen mit Bezug zum jihadistischen Salafismus. Die Spannweite reichte hierbei von nicht plausiblen Beschuldigungen bis hin zu wertigen Sachverhalten. Die Bearbeitung der Hinweise erfolgte in engem Austausch mit dem Landeskriminalamt (LKA) Sachsen, dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie über das BfV mit internationalen Sicherheitsbehörden. Seite 193 von 259 In Sachsen ereigneten sich im Berichtsjahr keine islamistisch motivierten Anschläge. Am 13. November 2023 ließ jedoch die Bundesanwaltschaft den irakischen Staatsangehörigen Iyad A.-J. in Freiberg (Landkreis Mittelsachsen) durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) festnehmen. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden verurteilte ihn am 12. September zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Iyad A.-J. sich im Jahr 2013 dem IS angeschlossen hatte und für die Terrororganisation als Kämpfer aktiv gewesen sei. Jihadisten im Gefängnis Deutschlandweit, unter anderem im Freistaat Sachsen, befinden sich jihadistisch ideologisierte Personen in Haft. Hierbei handelt es sich z. B. um jihadistisch motivierte Personen, die in die IS-Gebiete ausgereist waren, dort aufgegriffen und nach Deutschland überstellt wurden, um hier Haftstrafen zu verbüßen. Eine weitere Gruppe sind Jihadisten, die sich in Deutschland radikalisierten und wegen Staatsschutzdelikten verurteilt wurden. Wie der Anschlag in Dresden am 4. Oktober 2020 zeigte, kann von diesen Personen auch nach ihrer Haftentlassung im Einzelfall eine hohe Gefahr für die Gesellschaft ausgehen. Rückkehrer nach Deutschland aus den Jihad-Gebieten in Syrien und dem Irak Nach dem Verlust des Herrschaftsgebietes des IS liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu aus Deutschland ausgereisten Personen vor, die sich aktuell in Syrien oder im Irak in Haft bzw. in Gewahrsam befinden. Zur Mehrheit dieser Personen wurde bekannt, dass sie beabsichtigen, nach Deutschland zurückzukehren. Rückkehrer aus den jihadistischen Kampfgebieten können ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Von besonderer Relevanz sind hierbei Personen, von denen bekannt ist, dass sie ideologisch indoktriniert sind, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult wurden und/oder Kampferfahrungen sammeln konnten. Grundsätzlich könnten diese Rückkehrer als "Veteranen des Kalifats" eine neue Dynamik in der salafistischen Szene in Deutschland auslösen. Einzelfallspezifisch werden von den beteiligten Behörden in Betracht kommende Maßnahmen erörtert und abgestimmt. Diese schließen eine strafrechtliche Verfolgung ebenso ein wie Maßnahmen zur Deradikalisierung und schließlich zur gesellschaftlichen Reintegration. Ziel ist insoweit ein ganzheitlicher Ansatz. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und der Polizei sowie beispielsweise mit den Jugend-, Sozial-, Schulund Gesundheitsbehörden von besonderer Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die heterogene Zusammensetzung der Rückkehrer, zu denen beispielsweise auch Minderjährige und Frauen gehören. Rückkehrer nach Sachsen Im Berichtsjahr kam es weder zu Rückführungen noch zu Rückreisen von Personen aus Sachsen, die mit dem IS sympathisierten, in Kriegsbzw. Kampfgebiete ausgereist waren und sich dem IS angeschlossen haben. Fazit Aus den dargelegten Berichten wird deutlich, dass Akteure des legalistischen Islamismus sowie des politischen Salafismus unverändert auch im Freistaat Sachsen aktiv sind. Zudem liegen dem LfV Hinweise zu Personen vor, die mit der jihadistischen Ideologie sympathisieren bzw. sympathisiert haben. Wie in den Vorjahren bewegt sich dabei das hiesige Seite 194 von 259 Personenpotenzial im bundesweiten Vergleich auf niedrigem Niveau. Gerade der politische Salafismus als dynamischste islamistische Bewegung bietet mit seiner Ideologie einen gefährlichen Nährboden, der unter Umständen zur Radikalisierung von Personen führen und damit auch als "Durchlauferhitzer" bzw. Katalysator bezüglich einer jihadistischen Islamauslegung dienen kann. Wegen der immer weiter zunehmenden und schwer eingrenzbaren Verbreitung salafistischer Inhalte in den sozialen Medien und Messengerdiensten (Stichwort "TikTokisierung") ist damit zu rechnen, dass die Anhängerzahl dieser verfassungsfeindlichen Ideologie deutschlandweit, und damit auch in Sachsen, mittelbis langfristig zunehmen kann. Zudem ist von einem entsprechenden "Dunkelfeld" auszugehen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der radikalisierende Einfluss salafistischer und jihadistischer Propaganda auf Jugendliche, die sich in einer Identitätsfindungsphase befinden und daher als besonders anfällig für salafistische Missionierungsund Indoktrinierungsversuche der oftmals charismatischen und redegewandten salafistischen Prediger sowie der jihadistischen Propaganda allgemein gelten. Auch im Islamismus lässt sich zweifelsohne feststellen, dass Indoktrinierung und Radikalisierung inzwischen oft in kleinen konspirativen Zirkeln sowie in den sozialen Medien stattfinden. Salafisten benötigen hierfür nicht mehr zwingend eine feste realweltliche Anlaufstelle. Junge Influencer gelten hierbei als bereitwillige Sprachrohre für die Verbreitung der salafistischen Propaganda. Das LfV Sachsen konnte im Berichtsjahr feststellen, dass auch jüngere Anhänger der sog. ISLAMISTISCHEN NORDKAUKASISCHEN SZENE für die salafistische Ideologie - sei es politisch oder jihadistischempfänglich sind. Die Aktionspotenziale im Bereich des jihadistischen Salafismus sind in Deutschland stark von globalen Aspekten beeinflusst und eng verknüpft mit der Handlungsfähigkeit des IS. Die Gefährdungslage war im Berichtsjahr aufgrund des Erstarkens des ISPK und dessen vermehrt überregionaler Agenda sowie wegen der starken Emotionalisierungen infolge des NahostKonflikts besonders angespannt. Wie verhinderte und durchgeführte Anschläge im Berichtsjahr zeigten, ging in Europa und Deutschland weiterhin vor allem von radikalisierten Einzeltätern eine hohe abstrakte Gefahr aus, die sich in Anschlägen bzw. diesbezüglichen Vorbereitungen konkretisiert hatten. Bei diesen Einzeltätern handelte es sich um Sympathisanten und Anhänger der jihadistischen Ideologie bzw. jihadistischer Terrororganisationen. Im Berichtsjahr konnten zudem Personen im Teenageralter aufgrund möglicher Anschlagsplanungen bundesweit festgenommen werden. Der mutmaßliche Täter, der am 5. September mehrfach auf das israelische Generalkonsulat in München geschossen hatte, war beispielsweise erst 18 Jahre alt. Diese aktuell abstrakt hohe Gefährdungslage besteht unverändert auch für das Jahr 2025 fort. Wie in den Vorjahren geht die größte Gefahr vor allem von durch den IS und AL-QAIDA inspirierten Einzeltätern aus, die versuchen, mit leicht zu beschaffenden Tatmitteln möglichst viele Menschen zu töten. Zudem entspricht die Durchführung von Seiten der Terrororganisationen selbst gesteuerten, komplexen und groß angelegten Anschlägen weiterhin ganz der jihadistischen Ideologie. Der Nahost-Konflikt dient darüber hinaus als Projektionsfläche, um antisemitische Propaganda zu verbreiten, ein muslimisches Opfernarrativ zu bedienen sowie Hass gegen Juden und deren "Unterstützer" zu erzeugen. Auch auf diesem "geistigen Fundament" sollen terroristische Attentate und Anschläge geplant und vorbereitet werden, um in der freiheitlichen Gesellschaft des Westens Angst und Schrecken zu verbreiten. Seite 195 von 259 6. Auslandsbezogener Extremismus Neues erwiesenes extremistisches Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen: HANDALA E. V. Hohes Mobilisierungspotenzial, auch im linksextremistischen Spektrum, für Demonstrationen und Kundgebungen Zunehmende strukturelle Vernetzung mit Linksextremisten insbesondere in Leipzig und Dresden Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt geprägt von YOUNG STRUGGLE LEIPZIG und HANDALA E. V. Schicksal des inhaftierten PKK-Führers ÖCALAN und Entwicklungen im türkischsyrischen Grenzgebiet waren Themenschwerpunkte von PKK-Versammlungen Weiterer Anstieg der Straftaten resultierend aus dem pro-palästinensischen Protestgeschehen Seite 196 von 259 6.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Die auslandsbezogenen extremistischen Bestrebungen richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden z. B. durch die Begehung von Straftaten und die fortwährende Bereitschaft zu aktionsorientiertem und gewaltbereitem Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Dabei handelt es sich um kein einheitliches Spektrum. Politik, Strategie und Aktionen der nicht islamistischen extremistischen Organisationen in Deutschland werden ganz entscheidend von den Entwicklungen - insbesondere Veränderungen der allgemeinen politischen Lage, aber auch durch bedeutsame Einzelereignisse in den jeweiligen Herkunftsländern - bestimmt. Linksextremistisch-separatistische Organisationen, wie die auch im Freistaat Sachsen aktive ARBEITERPARTEI KURDISTANS (PKK), streben die revolutionäre Beseitigung der jeweiligen Staatsordnung in ihren Herkunftsländern und die Errichtung eines sozialistischen bzw. kommunistischen Systems an. Die Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 und das darauffolgende militärische Vorgehen Israels gegen terroristische Strukturen im Gazastreifen wirkten sich auch auf die Sicherheitslage in Deutschland aus. Im Freistaat Sachsen nahmen vermehrt propalästinensische und auslandsbezogene extremistische Gruppierungen öffentlichkeitswirksam Raum ein, d. h. sie organisierten oder beteiligten sich an propalästinensischen Versammlungen bzw. mobilisierten über die sozialen Medien zu extremistischen wie nicht extremistischen Protesten und verbreiteten als ihr Bindeglied immer wieder israelfeindliche und zum Teil auch antisemitische Propaganda. Betroffen waren davon insbesondere die Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig, wobei die Messestadt mit der Universität eindeutig den Schwerpunkt des Protestgeschehens im Freistaat Sachsen bildete. Hauptakteure waren der einseitig pro-palästinensische HANDALA E. V. sowie die Gruppierung YOUNG STRUGGLE LEIPZIG. 6.2 Personenpotenzial In Sachsen beläuft sich das Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus auf rund 200 Personen. Der Anteil der Personen, die der kurdischen PKK zugerechnet werden, liegt dabei seit Jahren unverändert bei konstant ca. 160 Personen. Auch Mitglieder und Anhänger der Nachfolgeund Nebenorganisationen der PKK zählen darunter. Jedoch kann das Mobilisierungspotenzial der PKK, das insbesondere abhängig von den politischen Entwicklungen in der Türkei ist, die oben aufgeführte tatsächliche Anhängerzahl der PKK deutlich überschreiten. Zum Kreis der Mobilisierten zählen beispielsweise regelmäßig auch Personen aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum. Durch die Entwicklungen im Nahostkonflikt haben sich im Freistaat Sachsen mit YOUNG STRUGGLE LEIPZIG (YS LEIPZIG) und HANDALA E. V. zwei Gruppierungen etabliert, denen insgesamt ca. 35 Personen zugerechnet werden. Zudem entfalteten pro-palästinensische Versammlungen, auf denen auch extremistische Inhalte verbreitet wurden, regelmäßig ein Mobilisierungspotenzial im unteren dreistelligen Bereich. Seite 197 von 259 6.3 Strukturen ARBEITERPARTEI KURDISTANS (PKK) Sitz Nord-Irak (Kandil-Gebirge) Gründung 1978 Vorsitz Abdullah ÖCALAN Teil- / - KONGRESS DER KURDISCHEN DEMOKRATISCHEN Nebenorganisationen GESELLSCHAFT KURDISTANS IN EUROPA (KCDK-E) als PKKEuropaführung - KONFÖDERATION DER GEMEINSCHAFTEN KURDISTANS IN DEUTSCHLAND E. V. (KON-MED) als Dachverband der PKKnahen Vereine in Deutschland - Massenorganisationen wie TEVGERA CIWANEN SORESGER (TCS) als Dachverband jugendlicher PKK-Anhänger und der DACHVERBAND DER STUDIERENDEN AUS KURDISTAN (YXK) Publikationen "SERXWEBUN" (Unabhängigkeit), "YENI ÖZGÜR POLITIKA" (Neue Freie Politik) Personenpotenzial in Sachsen: konstant 160 Personen Finanzierung Spendensammlungen bei den Anhängern der PKK Eintrittsgelder bei Großveranstaltungen Kurzportrait / Ziele Die PKK strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen Nationalstaat an, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nordirak, Teile des westlichen Irans und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Im Jahr 1993 erließ das Bundesministerium des Innern ein Betätigungsverbot für die PKK und ihre Nebenorganisationen. Die PKK ist zudem auf der EU-Terrorliste verzeichnet. Die PKK hat Deutschland in Regionen und Gebiete eingeteilt. Für die Umsetzung zentraler Vorgaben nutzt sie überwiegend die örtlichen kurdischen Vereine, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Relevante Ereignisse Die Aktivitäten der PKK in Sachsen wurden auch im Jahr 2024 und Entwicklungen 2024 maßgeblich vom Schicksal ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und vom militärischen Vorgehen der Türkei in den kurdischen Siedlungsgebieten, zuletzt vor allem in Syrien, bestimmt. Außerdem wurde die Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen. Seite 198 von 259 Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltete die PKK in Dresden und Leipzig in Form von Kundgebungen und Demonstrationen, an denen sich auch deutsche Linksextremisten beteiligten. Geschichte der PKK Die ARBEITERPARTEI KURDISTANS (PKK) wurde im Jahr 1978 u. a. von Abdullah ÖCALAN gegründet. Ursprüngliches Ziel war die Schaffung eines autonomen, sozialistisch orientierten Kurdenstaates. Seine bis heute unangefochtene Führungsposition behielt er auch nach seiner Inhaftierung und Verurteilung im Jahr 1999. Zur Durchsetzung ihrer Ziele nahm die PKK im Jahr 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Sie entwickelte sich seitdem zur anhängerstärksten und militantesten Kurdenorganisation. Ihr militärischer Arm, die VOLKSVERTEIDIGUNGSKRÄFTE (HEZEN PARASTINA GEL-HPG), ist für tausende Todesopfer verantwortlich, auch unter Touristen und der Zivilbevölkerung. Seit dem Jahr 2002 sind die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen von der Europäischen Union als terroristische Organisationen gelistet.168 Nach dem Zerfall des ASSAD-Regimes Anfang Dezember besteht bei PKK-Anhängern die Sorge, dass die kurdische Guerilla in Syrien zunehmend sowohl von der türkischen Armee als auch von pro-türkischen Milizen attackiert werden könnte. Strukturen Folgende der in Sachsen ansässigen PKK-nahen Organisationen zeigten auch im Jahr 2024 mit der Durchführung von Kundgebungen, Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen Präsenz: DRESDNER VEREIN DEUTSCH KURDISCHER BEGEGNUNGEN E. V. und TEVGERA CIWANEN SORESGER DRESDEN (TCS) Ideologie Auf ihrem Gründungskongress im Jahr 1978 verabschiedeten ÖCALAN und weitere Funktionäre ein von marxistisch-leninistischen sowie nationalen Grundsätzen geprägtes Manifest. Darin präsentierte sich die PKK als revolutionäre Partei des Proletariats und der Bauern auf Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus. Bereits in diesem ersten Manifest rief die PKK dazu auf, "Kurdistan vom imperialistischen und kolonialistischen System zu befreien und in einem einheitlichen Kurdistan eine demokratische Volksdiktatur zu gründen". Damit war der sog. nationale Befreiungskampf für eine universale klassenlose Gesellschaft in einem unabhängigen, sozialistischen Kurdistan erklärtes Ziel der PKK. Hauptgegner ist der türkische Staat. Der militärische Arm der PKK begann im August 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg, um die Vision eines unabhängigen Kurdenstaates gewaltsam umzusetzen. Über zwei Jahrzehnte lang verübte die PKK terroristische Anschläge in der Türkei, auch gegen die Zivilbevölkerung und ausländische Touristen. 168 siehe u. a. hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1426&from=DE Seite 199 von 259 Nach seiner Verhaftung im Jahr 1999 nahm ÖCALAN unter dem Druck eines drohenden Todesurteils mit einem zweiten Manifest Abstand von der Bildung eines eigenständigen Kurdenstaates mithilfe des bewaffneten Kampfes. Im August 1999 erklärte er den bewaffneten Kampf der PKK schließlich für beendet. Daraufhin zogen sich die meisten PKKGuerillaeinheiten nach und nach aus der Türkei zurück. Sie halten sich seitdem überwiegend in von Kurden autonom verwalteten Gebieten im benachbarten Nordirak auf. Von dort dringen sie immer wieder in türkisches Staatsgebiet ein und provozieren dadurch bewaffnete Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee, obwohl die PKK im Jahr 2000 die Grundsätze ihres zweiten Manifests bestätigt hatte. Die Beschlüsse sahen eine "Demokratisierung" innerhalb der PKK und die Wandlung hin zu einer "legalen Organisation" vor. Strategie Die PKK verfolgt bei ihren Aktivitäten weiterhin eine Doppelstrategie. Während sie auf dem Gebiet der Türkei terroristische Anschläge durchführt und Anhänger für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat mobilisiert, nutzt sie Europa vorrangig als Rückzugs-, Finanzierungsund Rekrutierungsraum. Die PKK und ihr Unterstützerkreis in Deutschland stellen sich als in der Türkei zu Unrecht verfolgte Regimegegner dar und versuchen so, ihr Ansehen zu verbessern und ihren Einfluss zu erhöhen. Strategie und Aktionen der PKK zielen auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland ab und werden demzufolge entscheidend von der Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten und den dortigen zentralen Organisationseinheiten geprägt. Aktivitäten Im Jahr 2024 bestimmten folgende Faktoren maßgeblich die Aktivitäten der PKK in Deutschland und somit auch im Freistaat Sachsen: das Schicksal, insbesondere die Haftbedingungen ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und das militärische Vorgehen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten, zuletzt vor allem in Nordsyrien. Bei den Aktivitäten wird regelmäßig die Forderung nach Aufhebung des im Jahr 1993 für die PKK in Deutschland erlassenen Betätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen. Schwerpunkte der Aktivitäten in Deutschland und Europa waren dabei Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsstände. Der PKK gelang es regelmäßig, ihre Anhängerschaft auch im Freistaat Sachsen zu mobilisieren. Sie folgte den zentralen Aufrufen des KONGRESSES DER KURDISCHEN DEMOKRATISCHEN GESELLSCHAFT KURDISTANS IN EUROPA (KCDK-E), der KONFÖDERATION DER GEMEINSCHAFTEN KURDISTANS IN DEUTSCHLAND E. V. (KON-MED) und der KURDISCHEN FRAUENBEWEGUNG IN EUROPA (TJK-E). Unterstützt wurden die Aktivitäten durch deutsche Linksextremisten im Rahmen der "Kurdistansolidarität" mittels Hilfe bei der Mobilisierung für Veranstaltungen, der Teilnahme daran und der Berichterstattung im Internet. Vor allem in den Großstädten Dresden und Leipzig kann eine strukturelle Vernetzung der PKK mit deutschen Linksextremisten festgestellt werden. Beispielhaft werden die wesentlichen Veranstaltungen im Berichtsjahr aufgeführt: Europaweit wurde im Januar dreier am 9. Januar 2013 in Paris getöteter PKK-Mitglieder gedacht. In den Räumlichkeiten des DRESDNER VEREINS DEUTSCH KURDISCHER BEGEGNUNGEN E. V. fand diesbezüglich am 4. Januar eine Gedenkveranstaltung statt. Seite 200 von 259 Für den seit 25 Jahren in Haft befindlichen ÖCALAN fand der jährliche sog. "Lange Marsch" mit der Forderung nach Beendigung der Isolationshaft und seiner Freilassung statt. Seinen Anfang nahm das Demonstrationsgeschehen am 10. Februar in Basel (Schweiz). Für die Abschlusskundgebung am 17. Februar in Köln (Nordrhein-Westfalen) wurden Abfahrtsorte und Abfahrtszeiten auch aus Bautzen, Dresden und Leipzig bekannt. Ebenfalls mit Bussen reisten ca. 130 PKK-Anhänger aus Sachsen anlässlich der zentralen Newroz-Feier unter dem Motto "Newroz ist Freiheit, deine Freiheit ist unsere Freiheit" am 23. März nach Frankfurt am Main (Hessen). Das sog. "32. Internationale Kurdische Kulturund Kunstfestival" fand am 21. September ebenfalls in Frankfurt am Main statt. Über 20.000 Menschen aus ganz Europa sollen an der Veranstaltung teilgenommen und u. a. Fahnen der KURDISCHEN FRAUENBEWEGUNG IN EUROPA (TKJ-E) und der VOLKSVERTEIDIGUNGSEINHEITEN YPG mitgeführt haben. Kurdische Gemeinden, u. a. auch aus Sachsen, hatten auf dem Festgelände ihre Stände aufgebaut und boten u. a. Bücher, Plakate oder Flyer an. Am 23. Oktober wurde in der Ortschaft Kahramankazan (in der Nähe von Ankara) ein Anschlag auf den Rüstungskonzern "Turkish Aerospace Industries" (TUSAS) verübt, zu dem sich die PKK bekannte. Damit wollte sie gegen die Produktion von Waffen durch TUSAS protestieren, die laut PKK zahlreiche zivile Opfer in Kurdistan gefordert hätten. Das türkische Militär reagierte auf den Anschlag mit zahlreichen Luftangriffen gegen Ziele der kurdischen YPG in Nordsyrien und der PKK im Nordirak. Mit Demonstrationen wurde daraufhin in Europa gegen die Luftangriffe protestiert, so beispielsweise am 25. und 26. Oktober in Leipzig und Dresden. Dort protestierten im Dezember erneut PKK-Anhänger gegen die Angriffe des türkischen Militärs und pro-türkischer Milizen auf die autonomen kurdischen Gebiete in Nord-Syrien. Diskussionen um die Aufhebung des PKK-Verbots wurden auch im Berichtsjahr genutzt, um ein verzerrtes, verharmlosendes Bild einer "friedlichen PKK" zu zeichnen. Dabei wird verkannt, dass der Gewaltverzicht in Europa eine Vorgabe der PKK-Führung ist, die im Übrigen zur Durchsetzung ihrer Ziele aber auf den bewaffneten Kampf setzt. Mit dem regelmäßigen öffentlichen Zeigen der Fahnen der YPG sowie der YPJ wird auch in Sachsen Unterstützung und Sympathie für die bewaffneten kurdischen Milizen und deren Guerillakampf zum Ausdruck gebracht. Fazit Da die PKK hierzulande häufig auf aktuelle Ereignisse in der Türkei und Nordsyrien reagierte, muss ggf. situationsbedingt auch künftig mit extremistischen Aktivitäten und damit einhergehend mit der Mobilisierung größerer Personenpotenziale gerechnet werden. Dabei können wegen der Kooperation der PKK mit Linksextremisten weiterhin mitunter deutlich über dem PKK-Personenpotenzial von 160 Personen liegende Teilnehmerzahlen generiert werden. Somit wird die Unterstützung solcher Aktivitäten durch Linksextremisten, vor allem in Leipzig und Dresden, weiterhin eine bedeutende Rolle für die Szene spielen. Die weitere Entwicklung der PKK wird maßgeblich davon abhängen, inwiefern ihre Mitglieder dem Aufruf ÖCALANS folgen oder nicht. Dieser hatte die PKK Ende Februar 2025 dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Das Bundesinnenministerium hält trotz des offiziellen Gewaltverzichts der PKK an deren Einstufung als Terrororganisation fest. Aus Sicht der Bundesregierung bestand im März 2025 noch kein Anlass für eine Neubewertung der PKK. Seite 201 von 259 HANDALA E. V. Sitz Leipzig Gründung 2022 Internetauftritt Social-Media-Kanäle (Facebook, Instagram) sowie die eigene Webseite Personenpotenzial / 2024 Mitgliederentwicklung Sachsen ca. 20 Finanzierung Spendensammlungen bei Veranstaltungen und Mitgliedsbeiträge Kurzportrait / Ziele Beim HANDALA E. V. handelt es sich um einen eingetragenen Verein mit Sitz in Leipzig. Inhaltlicher Schwerpunkt des Vereins ist das Thema Palästina. Über seinen Social-Media-Auftritt erreicht der Verein mehrere Tausend Menschen auch über den Freistaat Sachsen hinaus. Der Verein will die öffentliche Wahrnehmung des Nahostkonfliktes aktiv zugunsten der Forderungen der Palästinenser mitgestalten und nimmt durch verschiedene Veranstaltungsformate öffentlichkeitswirksam Raum ein. Relevante Ereignisse HANDALA E. V. machte kurz nach dem Überfall der HAMAS auf und Entwicklungen Israel am 7. Oktober 2023 medial auf sich aufmerksam, da der 2024 Verein auf seinem Instagram-Account in Anspielung auf die HAMAS-Terrorkämpfer die Comicfigur Handala mit einem Fallschirm postete. Nach öffentlicher Kritik an dieser Darstellung wurde der entsprechende Beitrag gelöscht. Dieses Vorgehen ist charakteristisch für den Verein. So nutzte HANDALA E. V. die unterschiedliche gerichtliche Bewertung hinsichtlich der Strafbarkeit des Slogans "From the river to the sea, Palestine will be free" für sich aus, skandierte diesen regelmäßig auf seinen Demonstrationen (20. April, 27. Juli und 7. Oktober) und versuchte, unter diesem Motto am 27. Juli eine Demonstration durchzuführen. HANDALA E. V. testet mit seinem Vorgehen regelmäßig die Grenzen des Sagund Machbaren aus. Über das Berichtsjahr zeigte der Verein regelmäßig seine Sympathien gegenüber der HAMAS, Distanzierungen blieben aus. In einem Gastredebeitrag auf einer Demonstration am 13. Juli in Frankfurt am Main verhöhnte ein Mitglied des HANDALA E. V. die Opfer des HAMAS-Überfalls und sprach sich in aller Klarheit für den "palästinensischen Widerstand" aus, auch "wenn sie eine Waffe tragen". Seite 202 von 259 Mit seinen ideologischen Ansichten versucht der HANDALA E. V. nicht nur öffentlichen, sondern auch politischen Raum einzunehmen. So demonstrierte dieser am 18. Oktober vor dem Bundesparteitag von "Die Linke" und forderte vergeblich, einen Redebeitrag auf diesem halten zu dürfen. Geschichte Im Zuge einer Demonstration am 15. Mai 2021 anlässlich des Jahrestages der Nakba169 schlossen sich Palästinenser und palästina-solidarische Menschen in Leipzig zusammen. Am 15. März 2022 gründete sich daraus der HANDALA E. V. Nach dem Überfall der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 trat der Verein regelmäßig mit antisemitischen Äußerungen öffentlich auf. Strukturen Der HANDALA E. V. ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Leipzig. Darüber hinaus wurden dem LfV Sachsen im Berichtsjahr keine weiteren verfestigten Strukturen im Freistaat Sachsen bekannt. Ideologie Die einseitige Auseinandersetzung mit dem Thema Palästina und dem Nahostkonflikt prägt den HANDALA E. V. Der Verein stellt den Konflikt stark vereinfacht in einer Schwarz-Weiß-Denkweise dar. So werden Israel als weißer Kolonialstaat und die Palästinenser als nicht weiße Opfer stilisiert. HANDALA E. V. betrachtet sich selbst als eine antikoloniale Gruppe mit dem Ziel, das historische Palästina vom Staat Israel zu befreien. In den sozialen Medien und auf Demonstrationen werfen die Mitglieder des Vereins Israel vor, einen "Genozid" an den Palästinensern zu verüben. Dies lässt sich regelmäßig sowohl in Redebeiträgen als auch anhand der Veranstaltungsanlässe erkennen. Durch diesen Vorwurf soll der Staat Israel dämonisiert werden. Mehrfach solidarisierte sich HANDALA E. V. mit der islamistischen Terrororganisation HAMAS und damit auch mit deren Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 mit über 1.000 Todesopfern. Vereinsmitglieder sprechen in Redebeiträgen hingegen oft vom notwendigen palästinensischen Widerstand, in welchen sie die Taten der HAMAS einbeziehen. Außerdem wirft HANDALA E. V. Israel "Kolonialismus" vor und bezeichnet den Staat als "Siedlerkolonie" oder "Besatzung". Damit gehen eine Verleugnung der historischen jüdischen Verwurzelung in der Region sowie eine Negierung des Existenzrechtes des Staates Israels einher. Dem Nahostkonflikt wird durch HANDALA E. V. darüber hinaus die Schwarz-Weiß-Denkweise einiger marxistisch-leninistischer Theorien übergestülpt. So finden sich unter dem Themenfeld Antikolonialismus und Antiimperialismus auch Verbindungen von HANDALA E. V. zu Gruppierungen aus dem dogmatischen Linksextremismus170. 169 Nakba heißt wortwörtlich übersetzt "Katastrophe", bezieht sich auf die Staatsgründung Israels und des damit einhergegangenen Verlusts palästinensischer Gebiete bis in die Gegenwart. 170 vgl. Beitrag II.4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Seite 203 von 259 Strategie Der Verein versucht, mit regelmäßigen Kundgebungen öffentlichen Raum einzunehmen. In den Redebeiträgen auf den Demonstrationen des HANDALA E. V. wird regelmäßig die Grenze zum Antisemitismus überschritten. Daneben werden Personen oder Taten der HAMAS verherrlicht. Zudem organisiert der Verein Vorträge und Informationsveranstaltungen zum Thema Palästina. Weiter arbeitet HANDALA E. V. häufig mit einem Genozid-Vorwurf gegen den Staat Israel. Dies lässt sich nicht nur in Redebeiträgen, sondern auch an den gewählten Themen der Veranstaltungen erkennen. Dabei bezieht sich der Verein auf das von Südafrika am 29. Dezember 2023 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) eingeleitete Verfahren gegen Israel wegen dessen angeblichen Verstoßes gegen die Völkermordkonvention in Bezug auf sein Vorgehen im Gazastreifen. Der HANDALA E. V. versucht, Israel auf diese Weise in politischer Hinsicht als international isoliert darzustellen. Mit dem Ziel, Israel auch kulturell und wirtschaftlich zu isolieren, unterstützt der Verein aktiv das BDS-Movement171. Damit soll der Druck auf die Bundesregierung erhöht werden, die Israel fortwährend unterstützt. Aktivitäten Am 20. März störten einzelne Vereinsmitglieder die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse. Im Nachgang bekannte sich HANDALA E. V. in einem Statement auf Instagram zu dieser Aktion. Diese habe sich zum einen gegen das vorgestellte Buch "Israel - Eine Utopie" des deutsch-israelischen Autors Omri Boehm und zum anderen gegen die militärische Unterstützung Deutschlands für Israel gerichtet. Während der Demonstration "Zusammen als Klasse kämpfen!" am 1. Mai in Leipzig zitierte eine Rednerin vor einem Banner des HANDALA E.V. eine Liedstrophe, in der Gewalt gegen den Staat Israel legitimiert wird: "Solidarität erwächst aus der Erkenntnis, dass der Schuss auf die Kolonialherren auch die eigenen Unterdrücker trifft. Jeder Schuss auf den zionistischen Feind trifft die deutschen Herrscher." Außerdem riefen HANDALA-Mitglieder auf der Nakba-Demonstration am 15. Mai in Leipzig zur Gewalt gegen den Staat Israel auf und erkannten diesem das Existenzrecht ab: "(...) Wir fordern das Recht, in das historische Palästina zurückzukehren. Wir werden keinen Zentimeter von Palästina aufgeben. Unsere Forderungen beziehen sich nicht nur auf einen Waffenstillstand in Gaza. Nach all diesen Massakern und Zerstörungen ist unsere erste Forderung das historische Palästina. Und wir sagen: Freiheit für das arabische Palästina." In einem weiteren Redebeitrag während einer Demonstration am 21. September in Leipzig verharmloste und legitimierte HANDALA E.V. die Verbrechen der HAMAS: "Die Täter, die Kolonialherren werden wir wieder als Opfer präsentiert bekommen, und die eigentlichen Opfer, die werden nicht porträtiert." Fazit Der HANDALA E.V. fiel im Berichtsjahr durch zahlreiche Posts in den sozialen Medien sowie durch Redebeiträge bei pro-palästinensischen Versammlungen in Leipzig auf. Die verfassungsfeindlichen Narrative nährten sich im Berichtsjahr vorrangig aus der Umdeutung, Verharmlosung oder Legitimierung der Verbrechen der HAMAS gegen den Staat Israel. Dieser ist für HANDALA E. V. das erklärte Feindbild, der Einsatz von Gewalt gegen seine Bevölkerung deshalb gerechtfertigt. Ferner leugnet der Verein das Existenzrecht Israels und überschreitet 171 BDS-Movement steht für boycott, divestment and sanctions. Seite 204 von 259 mit entsprechenden Äußerungen regelmäßig die Grenze zum Antisemitismus. Diese immer wieder öffentlich dargestellte ungebrochene Solidarisierung mit der Terrororganisation HAMAS war im Berichtsjahr anschlussfähig auch für Teile der linksextremistischen Szene in der Stadt Leipzig. Auffällig ist hierbei die gute Vernetzung des Vereins in Studentenkreise. Dass propalästinensische Gruppierungen bei Studenten Gehör finden, ist allerdings kein "sächsisches Phänomen", sondern war seit dem 7. Oktober 2023 weltweit zu beobachten. So lange der Nahost-Konflikt anhält, ist davon auszugehen, dass das reichweitenstarke Mobilisierungsniveau des HANDALA E. V. über die sozialen Medien anhalten und es dieser verfassungsfeindlichen Gruppierung weiterhin gelingen wird, immer wieder eine Bühne mit Publikum für die Verbreitung ihrer antisemitischen Narrative zu finden. Insoweit ist der Nahostkonflikt auch auf den Straßen in Sachsen angekommen. YOUNG STRUGGLE LEIPZIG (YS LEIPZIG) Sitz Leipzig Gründung 2022 Internetauftritt Instagram-Account Personenpotenzial / Mitgliederentwicklung ca. 15 Personen Kurzportrait / Ziele Bei YS LEIPZIG handelt es sich um einen Personenzusammenschluss, der seit November 2022 in Leipzig agiert und dem Bundesverband YOUNG STRUGGLE (YS) zugehörig ist. YS LEIPZIG ist Bestandteil der Jugendorganisation der türkischen MARXISTISCHEN LENINISTISCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI (MLKP). Die Anhänger von YS LEIPZIG sehen sich selbst als revolutionäre Jugendliche in einer sozialistischen Jugendorganisation. Dabei bedienen sie spektrenübergreifend die Themen Antikolonialismus, Antiimperialismus, Antimilitarismus, Antifaschismus, Antikapitalismus sowie Palästinaund Kurdistan-Solidarität. YS LEIPZIG verfolgt das ideologische Ziel, das politische System überwinden und an dessen Stelle den Sozialismus implementieren zu wollen. Dabei soll eine revolutionäre Bewegung den Kapitalismus ablösen. Der Sozialismus als Übergangsphase in der marxistisch-leninistischen Ideologie soll letztlich in eine klassenlose, kommunistische Gesellschaft münden. Kapital der Gruppierung ist ihre Vernetzung mit linksextremistischen Gruppierungen, wie beispielsweise der KOMMUNISTISCHEN ORGANISATION (KO), der SOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERJUGEND (SDAJ) sowie der GRUPPE ARBEITERINNENMACHT (GAM). Seite 205 von 259 Relevante Ereignisse YS LEIPZIG wirkte zu Beginn des Jahres mehr wie ein und Entwicklungen Nebenakteur in der pro-palästinensischen 2024 Unterstützungsszene, dessen Veranstaltungen keinen großen Zulauf versprachen. Dieses Bild wandelte sich zur Demonstration anlässlich des 1. Mai in Leipzig. Es zeigte sich, dass YS LEIPZIG sich nicht nur in der Palästinaund Kurdensolidarität engagierte, sondern breiten Anschluss zu dogmatischen linksextremistischen Gruppierungen (z. B. KOMMUNISTISCHE ORGANISATION und SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND) suchte. Die erste öffentlichkeitswirksame Aktion von YS LEIPZIG ereignete sich wenig später: Am 7. Mai 2024 besetzte die Gruppe das Audimax der Universität Leipzig, um auch dort propalästinensische Narrative zu verbreiten und eine größtmögliche Öffentlichkeitswirkung zu entfalten. Im weiteren Verlauf des Jahres initiierte YS LEIPZIG verschiedene antiimperialistische Demonstrationen zum Thema Palästina und Kurdistan. Die Gruppierung trat zumeist friedlich auf, zugleich bezeichnet sie sich selbst als "kämpferisch". Die Agitation der Gruppierung bewegt sich dynamisch mit den öffentlichen Diskursen zum Nahostkonflikt, zu den Änderungen in der Prioritätensetzung in der deutschen Politik und im Hinblick auf die empfundene Repression gegenüber palästinasolidarischen Gruppierungen. Geschichte / Ideologie Für die MARXISTISCHE LENINISTISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI172 (MLKP) ist in Europa und Deutschland YOUNG STRUGGLE aktiv. Trotz des türkischen Ursprungs der "Mutterpartei", gelingt es YOUNG STRUGGLE, wegen der breiten thematischen Aufstellung junge Deutsche als Mitglieder zu gewinnen. Neben der traditionellen Kurdensolidarität bedient die Gruppierung schließlich auch gesellschaftlich anschlussfähige Themen wie Palästinasolidarität, Antikolonialismus, Antiimperialismus, Antifaschismus, Antimilitarismus und 173 Antikapitalismus. Diese Themen werden auch von Linksextremisten besetzt. Die Anhänger von YS LEIPZIG sehen sich selbst als revolutionäre Jugendliche in der sozialistischen Jugendorganisation der MLKP. Ziel ist letztendlich die Implementierung des Sozialismus als Herrschaftsform. Auch nicht extremistische Themenfelder, wie beispielsweise Sexismus, Umweltschutz und LGBTQ+-Feindlichkeit sind Teil der programmatischen Ausrichtung. Strukturen Die Ortsgruppe YS LEIPZIG ist regional in der Stadt Leipzig ansässig und untersteht dem Bundesdachverband YOUNG STRUGGLE. Sie ist damit Bestandteil der Jugendorganisation der 172 MARKSIST LENINIST KOMÜNIST PARTI (MLKP) 173 vgl. Beitrag II.4.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Seite 206 von 259 extremistischen türkischen MARXISTISCHEN LENINISTISCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI (MLKP). Strategie Im Mittelpunkt der Bemühungen von YS LEIPZIG steht die Mitgliederwerbung mit dem Ziel, eine höhere Reichweite zu generieren. So werden verschiedene Formate, wie Wanderungen, offene Treffs und Informationsveranstaltungen, angeboten, um potenziell interessierte Personen für die Belange der Gruppierung gewinnen zu können. Je schneller sie wächst, umso größere Wirkmacht in Bezug auf die Verbreitung ihrer verfassungsfeindlichen Agenda kann sie schließlich generieren. Aktivitäten Die ideologischen Ziele sollen durch eine "revolutionäre Kultur"174 erreicht werden. Diese soll in Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ortsgruppen von YOUNG STRUGGLE gebildet werden. YS LEIPZIG veranstaltete im Berichtsjahr in diesem Zusammenhang regelmäßig Aufzüge, Informationsveranstaltungen oder offene Treffs. Die eigenen Veranstaltungen sind in der Regel durch Fahnen der YPG/YPJ und MLKP gesäumt. Zudem wird dort regelmäßig Märtyrern, die bei Kampfhandlungen in Rojava starben, gedacht. Ebenso breit aufgestellt ist YS LEIPZIG bei der Teilnahme an Veranstaltungen anderer Akteure. So lief die Gruppierung anlässlich des Demonstrationsgeschehens am 1. Mai in Leipzig im internationalistischen Block mit. YS LEIPZIG übte somit den Schulterschluss zur KOMMUNISTISCHEN ORGANISATION (KO) und zur SOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERJUGEND (SDAJ).175 Auf einer Demonstration des HANDALA E. V. am 6. Januar in Leipzig solidarisierte sich YS LEIPZIG mit "Samidoun", dem verbotenen Unterstützernetzwerk der HAMAS. In einem Redebeitrag wurde "Samidoun" als eine demokratische und fortschrittliche Organisation beschrieben. Außerdem veröffentlichte die Gruppe über ihren Instagram-Account oder auf pro-palästinensischen Veranstaltungen Inhalte, die das Existenzrecht Israels negierten. In einem Flyer hieß es: "Lasst uns Gaza und ganz Palästina befreien, vom Fluss bis zum Meer! There is only one solution! Intifada Revolution!" Zudem bot YS LEIPZIG niedrigschwellige Aktionen, wie Lesekreise, Wandertage, Barbesuche oder gemeinsame Kochaktionen, an. Dabei stand zunächst nicht die Verbreitung der ideologischen Ansichten im Vordergrund, sondern stattdessen die Werbung neuer Mitglieder. Fazit Im Protestund Versammlungsgeschehen nach den HAMAS-Terrorangriffen gegen Israel und zum danach einsetzenden Gaza-Krieg zeigte sich YS LEIPZIG als aktiver extremistischer Akteur hinsichtlich der Mobilisierung zu, Organisation von und Teilnahme an propalästinensischen Versammlungen und spektrenübergreifenden Vernetzungstreffen. Die Gruppierung agierte im Übrigen regelmäßig gemeinsam mit DOGMATISCHEN LINKSEXTREMISTEN176. Durch die Vermischung von extremistischen und nicht-extremistischen Ansichten versucht YS LEIPZIG, seine Narrative zu legitimieren und gesellschaftlich anschlussfähig zu gestalten. Auch bei dieser Gruppierung ist angesichts des fortdauernden 174 Wie genau diese revolutionäre Kultur sich gestaltet, wird in der Selbstverständniserklärung von YOUNG STRUGGLE LEIPZIG nicht näher erläutert. 175 vgl. Beitrag II.4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN 176 vgl. Beitrag II.4.6 DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN Seite 207 von 259 Nahostkonflikts mit weiteren Mobilisierungen und Aktivitäten zu rechnen, zumal es sich bei ihren Mitgliedern um junge und aktionsorientierte Personen handelt. 6.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten ausländische Ideologie und religiöse Ideologie Der seit dem Jahr 2017 als "ausländische Ideologie"177 und "religiöse Ideologie"178 bezeichnete Teilbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) ist im Vergleich zu den Strafund Gewalttaten in den anderen extremistischen Phänomenbereichen im Freistaat Sachsen nur von marginaler Bedeutung. So machte er im Berichtsjahr etwas mehr als zwei Prozent des Gesamtaufkommens extremistischer Straftaten aus. Im Jahr 2024 stieg die Anzahl der Straftaten im Bereich ausländische und religiöse Ideologie um etwa ein Drittel auf 116 Straftaten an. Die darin enthaltene Zahl der Gewaltdelikte hat sich gegenüber dem Vorjahr von neun auf 23 mehr als verdoppelt. Die meisten Straftaten wurden in der Stadt Leipzig verübt. Verzeichnete die Messestadt 70 Delikte (darunter 19 Gewaltstraftaten), folgten mit großem Abstand Dresden mit 13 (darunter eine Gewaltstraftat) und Chemnitz mit sieben Straftaten (darunter keine Gewaltstraftat). Der deutliche Anstieg der Straftaten resultierte im Berichtsjahr aus dem pro-palästinensischen Protestund Demonstrationsgeschehen, das sich seit dem HAMAS-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 auch in Sachsen entwickelt und etabliert hat. Der Gaza-Krieg war auch ursächlich für den starken Anstieg der antisemitischen Straftaten mit Extremismusbezug von acht im Jahr 2022 auf 43 Straftaten im Jahr 2023. Im Berichtsjahr wurden 37 antisemitische Straftaten, darunter keine Gewalttaten, verzeichnet. 70 64 60 Straftaten ausl. Ideologie 50 darunter antisemitische Straftaten 42 ausl. Ideologie 40 Gewalttaten ausl. Ideologie 32 31 29 30 Straftaten relig. Ideologie 25 22 20 18 darunter antisemitische Straftaten relig. Ideologie Gewalttaten relig. Ideologie 10 6 6 3 1 0 2023 2024 177 Die Kategorie "PMK - ausländische Ideologie" bildet ab, inwieweit im Ausland begründete nicht religiöse Ideologien nach Deutschland hereingetragen werden und hier den Hintergrund für Straftaten bilden. Hiervon sind aus dem Ausland stammende, separatistische, rechte und linke Ideologien, also sämtliche ausländische nicht religiöse Ideologien, umfasst. Die Staatsangehörigkeit der Täter ist hierbei unerheblich (vgl. auch Internetseite des Bundeskriminalamtes: www.bka.de) 178 Der Kategorie "PMK - religiöse Ideologie" werden Straftaten zugerechnet, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war und die Religion zur Begründung der Tat instrumentalisiert wird (vgl. auch Internetseite des Bundeskriminalamtes: www.bka.de). Seite 208 von 259 III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Russische und chinesische Nachrichtendienste bleiben Hauptakteure im Freistaat Sachsen Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht sind insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ein wichtiges Tätigkeitsfeld des LfV Sachsen Russland führt einen hybriden "Informationskrieg" mithilfe professioneller Desinformationskampagnen gegen den "Westen" Ziel von Cyberangriffen ist zunehmend die Kritische Infrastruktur (KRITIS) der westlichen Welt Das LfV Sachsen informiert Interessenten und Multiplikatoren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft schnell und gezielt u. a. über elektronische Angriffskampagnen und bietet Unterstützung bei Abwehrmaßnahmen an Seite 209 von 259 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten Ein funktionierendes Staatswesen und eine funktionierende Wirtschaft sind eine wesentliche Grundlage für die innere Stabilität von Staat und Gesellschaft. Die Abwehr von hiergegen gerichteten Spionageund Sabotageaktivitäten ist deshalb ein wichtiges Aufgabenfeld der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht waren auch im Jahr 2024, insbesondere vor dem Hintergrund des fortdauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, ein wichtiges Bearbeitungsgebiet des Verfassungsschutzes. Die rechtliche Grundlage für das Tätigwerden des LfV Sachsen in diesem Bereich ist das Sächsische Verfassungsschutzgesetz (SächsVSG). Von zentraler Bedeutung war erneut die staatlich gelenkte Spionage, also die nachrichtendienstlich organisierte Beschaffung von Informationen. Die spionagerelevanten Aufklärungsinteressen gegnerischer Nachrichtendienste sind vielfältig und betreffen u. a. das politische Geschehen (Politikspionage) oder aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen in Wirtschaft und Wissenschaft (Wirtschaftsspionage). Als Spezialfall der Wirtschaftsspionage sind die nach wie vor festzustellenden Proliferationsbestrebungen fremder Mächte anzusehen. Dabei geht es neben der Aufklärung der entsprechenden Technologie auch um die vollständige oder partielle Beschaffung und Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen. Neben der Spionage erfordert die staatlich gelenkte Sabotage ein besonderes Augenmerk. Das sind vor allem elektronische Angriffe, die nicht mehr nur der Informationsgewinnung, sondern auch der Informationsbeeinträchtigung dienen und somit den drei primären Schutzzielen der Informationssicherheit (Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Informationen) entgegenwirken. Die Fälle von Cyberangriffen werden der Cyberspionage, Cybersabotage sowie cybergestützten Einflussnahmeaktionen zugeordnet. Dabei gibt es auch Überschneidungen mit der Cyberkriminalität, z. B. Ransomware-Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Behörden, die mit Geldforderungen verbunden sind. Ransomware-Angriffe können aber auch zur Verschleierung anderer Angriffsarten genutzt werden oder reinen Sabotagezwecken ohne finanzielle Forderungen dienen. Ziel dieser gegnerischen Cyberaktivitäten ist seit Beginn des Ukraine-Krieges anhaltend die Kritische Infrastruktur (KRITIS) der westlichen Welt. Politikspionage richtet sich in erster Linie gegen Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen sowie gegen Mandatsträger politischer Parteien und deren unmittelbare Mitarbeiter. Darüber hinaus können auch Mitglieder von Oppositionsbewegungen aus dem Ausland, die in Deutschland leben, von den Maßnahmen des jeweiligen Herkunftsstaates betroffen sein. Bei der Wirtschaftsspionage stehen vor allem Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen im Fokus. Staat und Verwaltung, insbesondere Universitäten und technische Hochschulen, können ebenfalls berührt sein. Die politische Bedeutung sowie die wirtschaftliche und wissenschaftliche Leistungsund Innovationskraft Deutschlands und somit auch des Freistaates Sachsen begründen ein intensives Aufklärungsund Beeinflussungsinteresse fremder Mächte. Deutschland ist zudem seit einigen Jahren verstärkt ein Ziel hybrider Bedrohungen, die insbesondere von Russland, China und der Türkei ausgehen. Hybride Bedrohungen bezeichnen verschiedene Formen illegitimer Einflussnahme auf Staaten durch fremde Mächte. Dabei versuchen fremde Staaten, durch den Einsatz verschiedener Instrumente ihre Ziele gegen deutsche Interessen und Werte durchzusetzen und bedienen sich dabei mitunter auch nicht staatlicher Akteure. Hierzu zählen Desinformation, elektronische Angriffe oder sonstige Sabotageaktivitäten. Illegitime Aktivitäten ausländischer Akteure zielen im Regelfall darauf ab, im Verborgenen oder unter Vortäuschung falscher Tatsachen Einfluss auf Entscheidungsund Funktionsträger in demokratischen Systemen auszuüben sowie den offenen politischen Seite 210 von 259 Meinungsund Willensbildungsprozess - insbesondere vor wichtigen Ereignissen wie Wahlen - zu beeinflussen oder zu manipulieren. Damit soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität und Integrität der Institutionen und Mechanismen der freiheitlichen Demokratie geschwächt, ihre Werte in Frage gestellt und bestehende gesellschaftliche Spannungen verstärkt werden. Insbesondere Russland ist bestrebt, im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine die öffentliche Meinung in Deutschland durch die Verbreitung von Desinformationen bzw. Propaganda und andere Formen der Einflussnahme zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Desinformationen werden u. a. durch digitale und analoge Kanäle, Medien und sonstige Formate weltweit verbreitet. Soziale Medien und Messenger-Plattformen wie Facebook, X, Instagram, TikTok und Telegram werden als wichtige Verbreitungskanäle genutzt. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung verbreiten sich Desinformationen heutzutage schneller, globaler und unkontrollierter. Zudem können Desinformationsaktivitäten auch mithilfe von künstlicher Intelligenz im Netz immer ausgefeilter, kostengünstiger und effektiver erstellt und an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden. Die in Folge von Wirtschaftsspionage eintretenden Schäden in der Volkswirtschaft sind schwerwiegend. Im Bereich von Wirtschaft und Wissenschaft besteht etwa die Gefahr empfindlicher Forschungsoder Auftragsverluste. Untersuchungen179 aus dem Jahr 2024 gehen davon aus, dass in Deutschland im Berichtsjahr 81 Prozent der Unternehmen von Datendiebstählen, Industriespionage oder Sabotage betroffen oder vermutlich betroffen waren. Dabei geht man im Untersuchungszeitraum von einem jährlichen Gesamtschaden in Höhe von 266 Milliarden Euro aus. 2. Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 2.1 Akteure und Schwerpunkte Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind zahlreiche ausländische Nachrichtendienste mit ganz unterschiedlichen Interessen aktiv. Hoch entwickelte Staaten wollen mithilfe ihrer Nachrichtendienste vor allem im politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb weiter Schritt halten und Wettbewerbsvorteile erzielen. Krisenländern geht es beim Einsatz ihrer Nachrichtendienste in politischer Hinsicht um die Aufklärung und Unterwanderung von Oppositionsgruppen, deren Mitglieder in Deutschland leben. In wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht entwickeln diese Länder vor allem proliferationsrelevante180 Aktivitäten. 2.1.1 Russische Föderation Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation waren im Jahr 2024 weiterhin von großer Bedeutung für die russische Staatsführung. Ihre Bemühungen erstreckten sich sowohl auf gesellschaftliche und politische als auch auf wirtschaftliche und wissenschaftliche Bereiche. Der fortdauernde Angriffskrieg gegen die Ukraine hat konkrete Auswirkungen auf die russischen Nachrichtendienste und deren Aufklärungsaktivitäten in Deutschland. Aufgrund des Informationsdefizits, das Russland im Rahmen der umfangreichen Sanktionen des Westens auf dem Gebiet der internationalen diplomatischen Beziehungen bzw. Präsenz 179 Vgl. Studie Wirtschaftsschutz 2024, www.bitkom.org 180 Die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABCWaffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Güter und Technologien sowie entsprechender Waffenträgersysteme (z. B. Raketen und Drohnen) einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows wird als Proliferation bezeichnet. Seite 211 von 259 entstanden ist, sehen sich die russischen Nachrichtendienste umso mehr einem hohen Aufklärungsdruck ausgesetzt. Seit April 2022 wurden 40 russische Diplomaten, welche einem russischen Nachrichtendienst zuzuordnen waren, aus Deutschland ausgewiesen. Außerdem wurde das Russische Generalkonsulat in Leipzig Ende Dezember 2023 geschlossen. Die russischen Nachrichtendienste können somit nur noch wenig bis gar nicht auf die vormals stark ausgeprägte geheimdienstliche Infrastruktur ihrer Legalresidenturen181 zurückgreifen. Seit Januar 2024 verfügt die Russische Föderation nur noch über zwei diplomatische Vertretungen in Deutschland - die Botschaft in Berlin sowie ein Generalkonsulat in Bonn. Die Entscheidung, welches der Konsulate erhalten bleibt, oblag dabei der russischen Staatsführung selbst. Sie entschied, das Generalkonsulat Bonn weiterhin als konsularische Einrichtung nutzen zu wollen. Die Liegenschaften in Frankfurt am Main, Hamburg, München und Leipzig wurden hingegen geschlossen, bleiben aber unter russischer Verwaltung. Es ist demzufolge davon auszugehen, dass russische Nachrichtendienste verstärkt auf altbewährte Methoden, wie z. B. Non Official Cover182, Reise-Agenten183 oder Illegale184 zurückgreifen. Um die durch die umfangreichen Sanktionen entstandenen Zugangsund Beschaffungshemmnisse zumindest teilweise und möglichst kurzfristig zu kompensieren, wichen die russischen Nachrichtendienste ebenso erfolgreich auf offensivere Spionageaktivitäten im IT-Bereich aus und weiteten die Instrumente der Hybriden Kriegsführung aus. In diesem Zusammenhang spielte auch die Verbreitung von Desinformationen insbesondere über die sozialen Medien eine entscheidende Rolle. Im Berichtsjahr waren wiederholt länderübergreifende Desinformationskampagnen des mutmaßlich russischen "Doppelgänger" - Netzwerkes, zuletzt im Umfeld der Europaund Landtagswahlen, zu verzeichnen. Dabei kopierten Akteure u. a. die Onlineauftritte von etablierten deutschen Leitmedien und errichteten authentische Social-Media-Accounts, um pro-russische Desinformationen zu verbreiten. Aktuelle Themen von "Doppelgänger" - Websites waren dabei die Unterstützung des Westens für die Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland. In Windeseile können Desinformationen über diese Kanäle verbreitet werden, eine hohe Reichweite erzielen und unter Umständen dazu beitragen, Gesellschaften in ihrer Meinungsfindung zu beeinflussen bzw. zu spalten. Schlussendlich zielen derartige Kampagnen mitteloder langfristig darauf ab, das politische System des "Westens" zu destabilisieren.185 Vor allem der russische zivile Auslandsnachrichtendienst SWR186, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU187 und der Inlandsnachrichtendienst FSB188 waren gegen Deutschland aktiv. Aufklärungsschwerpunkte sind dabei die deutsche Haltung zu Fragen der Außenund Sicherheitspolitik sowie der Finanzund Energiepolitik, aber auch die Rolle Deutschlands in der NATO. 181 Legalresidentur - Getarnter Stützpunkt eines ausländischen Nachrichtendienstes im Operationsgebiet, der sich in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (z. B. Botschaft, Konsulat, Handelsvertretung, staatliche Fluggesellschaft) befinden kann. 182 "Non Offical Cover" bedeutet, dass der Einsatz ohne offizielle Abdeckung des entsendenden Staates erfolgt. 183 Von "Reise-Agenten" spricht man, wenn der Einsatz mit gefälschter Identität und meist nur zur Erledigung eines bestimmten Auftrags erfolgt. 184 Von "Illegalen" spricht man, wenn die Person sich mit gefälschtem Lebenslauf einschließlich gefälschter Identität im Operationsgebiet aufhält. 185 Vgl. zum Thema "Desinformation" auch das umfangreiche Informationspapier des LfV Sachsen auf www.verfassungsschutz.sachsen.de sowie die übergreifende Betrachtung "Mission abstreiten, verzerren, ablenken und verunsichern - Russische Desinformationskampagnen im Kontext des Krieges in der Ukraine" im Verfassungsschutzbericht 2022 des Freistaates Sachsen, S. 22-29. 186 Dienst der Außenaufklärung der Russischen Föderation 187 Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation 188 Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation Seite 212 von 259 Im Fokus der Aufklärungsmaßnahmen standen neben sog. Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und Vereinen mit Bezügen zu Russland oder anderen osteuropäischen Staaten insbesondere politische Mandatsträger. Dies spiegelt sich in der anhaltenden Cyberangriffskampagne "Ghostwriter" wider, welche dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeschrieben wird. Die russische Wirtschaft trotz umfangreicher Sanktionen u. a. mit neuem Know-how zu versorgen, ist ein weiteres Betätigungsfeld russischer Nachrichtendienste oder mutmaßlich in deren Auftrag handelnder Akteure. Viele in Deutschland produzierte Hochtechnologieprodukte sind militärisch wie auch zivil nutzbar. Es handelt sich dabei um sog. Dual-Use-Güter, das heißt, hier kann ein militärischer Verwendungszweck nicht ausgeschlossen werden. Diesbezüglich gab es auch 2024 proliferationsrelevante Hinweise mit Bezug nach Sachsen im einstelligen Bereich, denen das LfV Sachsen auch in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz nachging. 2.1.2 Volksrepublik China Die Volksrepublik China betreibt ein umfassendes System des Know-howund Technologietransfers, mit dem die zivile und militärische Entwicklung des Landes vorangetrieben werden soll. Dabei verfolgt die politische Führung eine ganzheitliche und gesamtgesellschaftliche Strategie. Bis zum Jahr 2025 zielt der chinesische Staat darauf ab, China - mit allen Mitteln einer staatlich gelenkten Wirtschaft - in die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt zu transformieren. Um die ambitionierten Ziele, u. a. dargelegt in dem Masterplan "Made in China 2025" sowie in den Fünf-Jahres-Plänen, zu erreichen, setzt die Volksrepublik ihre Nachrichtendienste zur Informationsgewinnung in Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft ein. Mit der Beschaffung sensibler Informationen aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sollen bestehende Lücken geschlossen, strategische Vorteile gewonnen und eigene wirtschaftliche Interessen gefördert werden. Der Schwerpunkt chinesischer Interessen liegt auf den zehn Zukunftsbranchen, in denen China die globale Marktund Technologieführerschaft anstrebt: Meerestechnik und Schifffahrt, Schienenverkehrstechnik und Medizintechnik, elektrische Ausrüstung, Industrierobotik und Roboterbau, neue Informationstechnologien sowie Luftund Raumfahrttechnik. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung sind vor allem die Gebiete der Mikroelektronik, der Biotechnologie, der Umwelttechnologie und der erneuerbaren Energien von großer Bedeutung. Wenngleich die zehn Zukunftsbranchen im besonderen Fokus der Volksrepublik China stehen, ist aus chinesischer Sicht im Grunde genommen jede Information wichtig, die dem Land einen Vorteil bringt. Der "chinatalenttracker" des "Centers for Security and Emerging Technology" (CSET) der Universität von Georgetown (USA) zeigt die von der chinesischen Partei und dem Staat geförderten Initiativen, die darauf abzielen, den inländischen Talentpool Chinas zur Unterstützung der strategischen zivilen und militärischen Ziele Chinas fortzuentwickeln. Von Peking als entscheidend für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Chinas angesehen, zielen Talentprogramme darauf ab, grundsätzlich jeden vom Experten bis zum Studenten zu rekrutieren, der perspektivisch in Betracht kommt, wichtige Positionen in Regierung, Industrie, Verteidigung und Wissenschaft zu besetzen, um Innovationen sowie Wachstum des Landes voranzutreiben und damit dem Wohle des Staates zu dienen. Der Know-how-Bedarf ist nicht zuletzt durch die Sanktionen der USA gegenüber China gestiegen. Umso mehr stehen vor allem innovative deutsche - und somit auch sächsische - Unternehmen und Hochschuleinrichtungen mit ihren Spitzentechnologien im Blickfeld chinesischer Nachrichtendienste. Vor diesem Hintergrund bemüht sich China immer intensiver um Zugänge zu Unternehmen, Forschungsund Wissenschaftseinrichtungen. Chinesische Studenten, Doktoranden und (wissenschaftliche) Arbeitskräfte werden ganz gezielt mit Seite 213 von 259 Ausforschungsund Beschaffungsaufträgen betraut, um in Unternehmen und an Universitäten oder Forschungseinrichtungen im Ausland Wissen abzuschöpfen und dieses (illegal) nach China zu transferieren. Insbesondere Programme, wie der "Tausend-Talente-Plan", sorgen dafür, dass chinesische Wissenschaftler ihre Expertise im Sinne der Volksrepublik einsetzen und so dem Land zum Aufstieg zur globalen Wirtschaftsmacht verhelfen. China macht sich dabei die Offenheit der westlichen Länder zunutze und profitiert von Schwachstellen und Unkenntnis auf Seiten seiner Aufklärungsziele in Kommunen, Hochschulen und Industriebetrieben. Informationsdefizite, mangelnde China-Kompetenzen, das Konkurrieren um chinesische Investitionen, fehlendes Problembewusstsein und unzureichende soziale Kontrolle ermöglichen chinesischen Akteuren die Abschöpfung von Informationen oder gar den Erwerb von Industriebeteiligungen sowie die Übernahme von Unternehmen. Deutlich wird das Streben der chinesischen Staatsund Parteiführung nach Wissensbeschaffung zum Zwecke des Machtzuwachses auch in der Strategie der "zivilmilitärischen Fusion". Das Konzept sieht vor, nicht nur zivile Akteure im Sinne der Wissensbeschaffung einzusetzen, sondern parallel auch die militärische Komponente zur Absicherung der chinesischen Interessen zu stärken. Hierfür benötigt China modernste Technologien, die das Land kurzund mittelfristig nicht selbst entwickeln kann, sondern diesbezüglich auf die Beschaffung im Ausland angewiesen ist. Neben den chinesischen Nachrichtendiensten spielen parallel immer häufiger auch andere Akteure, wie z. B. Unternehmensvertreter im Ausland, in Deutschland tätige chinesische Auslandskorrespondenten oder chinesische Cybergruppierungen, eine wichtige Rolle. Diese Personen unterstützen die Nachrichtendienste bei ihren Ausforschungsund Beschaffungsbemühungen. Weiterhin investiert China in den Ausbau einer flächendeckenden Kommunikationsund Internetüberwachung. Für die erforderlichen Maßnahmen verfügen die chinesischen Nachrichtendienste über eine starke Personalausstattung und umfangreiche rechtliche Befugnisse. Die verschiedenen nachrichtendienstlichen Maßnahmen werden durch das Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security - MSS) organisiert. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind auch an den amtlichen chinesischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Legalresidenturen) abgetarnt tätig. Ein weiteres Betätigungsfeld chinesischer Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung in Deutschland lebender Oppositioneller, die aus Sicht der chinesischen Staatsund Parteiführung das Machtmonopol der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) infrage stellen und die "nationale Einheit" bedrohen. Dazu gehören neben nach Deutschland geflohenen Regimekritikern auch Angehörige der von chinesischen Behörden als "Fünf Gifte" bezeichneten Bewegungen. Zu den "Fünf Giften" zählen die nach Unabhängigkeit strebenden ethnischen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die regimekritische Falun-Gong-Bewegung, die Demokratiebewegung und die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit der Insel Taiwan. Seite 214 von 259 So werden in Deutschland ansässige Personen, die den "Fünf Giften" zugeordnet werden, von staatlichen chinesischen Akteuren verfolgt. Mit offenen und verdeckten Mitteln versucht China somit, Einfluss auf oppositionelle Aktivitäten zu nehmen und relevante Personen zu kontrollieren, zu diskreditieren, einzuschüchtern und zur Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Informationen zu bewegen. Innerstaatliche Konflikte mit Oppositionellen und nationalen Minderheiten in einigen Provinzen in China werden als wachsende Bedrohung der staatlichen Sicherheit wahrgenommen. Aufgrund des daraus folgenden hohen Aufklärungsbedarfs ist davon auszugehen, dass chinesische Nachrichtendienste entsprechende Aktivitäten auch gegen im Freistaat Sachsen lebende chinesische Oppositionelle entfalten. In den vergangenen Jahren hat die chinesische Führungsspitze auch ihre Bemühungen zur Beschaffung hochwertiger politischer Informationen sowie zur Beeinflussung von Entscheidungsprozessen im Ausland deutlich erhöht. Hierzu hat sich die KPCh ein weltweites Kontaktnetzwerk aufgebaut und ist stetig bestrebt, dieses zu erweitern. Eine zentrale Rolle spielt dabei das dem Zentralkomitee der KPCh untergeordnete International Department of the Central Commitee of the Communist Party of China (IDCPC). Das IDCPC unterhält zahlreiche Tarnposten innerhalb des Regierungsapparates und entsendet Mitarbeiter an diplomatische Vertretungen im Ausland. Ziel des IDCPC ist es, einflussreiche Personen zu Äußerungen und Handlungen im Sinne der Interessen der KPCh zu bewegen und ein Netzwerk zu knüpfen, das die politische Agenda der KPCh unterstützt und verbreitet. In Deutschland besteht die zentrale Aufgabe der IDCPC-Angehörigen im Aufbau und in der Pflege von Kontakten zu Parteien und Abgeordneten. Diese werben bei Parlamentariern aller Parteien um Verständnis für "chinesische Werte". Dazu werden z. B. deutsche amtierende oder ehemalige Abgeordnete, die gegenüber der chinesischen Regierung eine vergleichsweise unkritische Haltung vertreten, nach China eingeladen, um deren China-Bild im Sinne der Agenda der KPCh zu beeinflussen bzw. positiv zu verändern. Konkrete Beispiele für Einflussnahmebemühungen Chinas stellen zwei Exekutivmaßnahmen wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit im Freistaat Sachsen im Berichtsjahr dar. Am 22. April nahmen Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen in Dresden den deutschen Staatsangehörigen Jian G. vorläufig fest und durchsuchten seine Wohnung. Laut der Bundesanwaltschaft ist Jian G. Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes und soll im Januar 2024 wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seine nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben haben. Zudem spähte Jian G. für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland aus. Die zweite Exekutivmaßnahme fand am 30. September durch Beamte des Bundeskriminalamtes in Leipzig statt. Dabei wurde die chinesische Staatsangehörige Yaqi X. vorläufig festgenommen und ihre Wohnung durchsucht. Laut Bundesanwaltschaft arbeitete Yaqi X. für ein Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich Logistik unter anderem am Flughafen Leipzig / Halle erbringt. In der Zeit von Mitte August 2023 bis Mitte Februar 2024 übermittelte Yaqi X. einem Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes - namentlich dem gesondert verfolgten Jian G. - wiederholt Informationen über den Transport von Rüstungsgütern sowie über Personen mit Verbindungen zu einem deutschen Rüstungsunternehmen. Aufgrund dessen wird Yaqi X. der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen chinesischen Geheimdienst beschuldigt. Beide Beschuldigten, sowohl Jian G. als auch Yaqi X., befinden sich in Untersuchungshaft. Seite 215 von 259 2.1.3 Nachrichtendienste sonstiger Staaten Im Rahmen einer sog. "360deg-Bearbeitung" in der Spionageabwehr wird allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht nachgegangen. So ist für den türkischen Inund Auslandsnachrichtendienst Milli Istihbarat Teskilati (MIT) Deutschland eines der vorrangigen Ausforschungsziele außerhalb der Türkei. Ein erhebliches nachrichtendienstliches Interesse besteht an Organisationen, die in der Türkei als extremistisch oder terroristisch eingestuft sind, sowie an Vereinigungen und Einzelpersonen (z. B. türkische Einwanderer oder hier lebende Flüchtlinge), die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Die Türkei nutzt Instrumente, um die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland in ihrem Sinne zu beeinflussen. Dabei werden zentrale Narrative der türkischen Regierung über staatliche und staatsnahe Medien und Organisationen, wie die Union Internationaler Demokraten (UID), verbreitet. Themen sind neben verbalen Angriffen auf in Deutschland lebende und sich kritisch äußernde türkische Journalisten auch vermeintliche Islamfeindlichkeit189 und Xenophobie190, der Vorwurf westlicher Doppelmoral sowie die "Solidarität mit Palästina" nach dem Terrorangriff der HAMAS auf Israel im Jahr 2023 und dem infolgedessen einsetzenden GazaKrieg. Daher besteht der Verdacht, dass der türkische Nachrichtendienst auch im Freistaat Sachsen aktiv ist, wenngleich es im Berichtszeitraum keine konkreten Hinweise auf eine tatsächliche Betroffenheit gab. Einen Schwerpunkt der Aktivitäten iranischer Nachrichtendienste stellt die Beschaffung von Informationen und Produkten aus den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft dar. Im Rahmen der Proliferationsbekämpfung geht der Verfassungsschutzverbund entsprechenden Hinweisen nach, eine sächsische Betroffenheit war im Berichtszeitraum nicht zu verzeichnen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen und Akteure im Inund Ausland. Weitere Akteure im Zuge von elektronischen Angriffen aus Südostasien sind die Nachrichtendienste Nordkoreas. Im Zentrum der Angriffe aus Nordkorea steht die AngreiferGruppierung "Lazarus Group". Diese richtet ihre Angriffe weltweit gegen zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um so an sensible Daten zu gelangen. Sensibilisierungsmaßnahmen im Berichtszeitraum ergaben keine Betroffenheit sächsischer Einrichtungen. Weiterhin führen nordkoreanische Nachrichtendienste weltweit offensive Cyberoperationen insbesondere zur Devisenbeschaffung durch. Dabei setzen sie u.a. auf den Einsatz getarnter IT-Fachkräfte, sogenannte IT-Worker, die ihre Dienstleistungen in Form von Telearbeit Unternehmen weltweit anbieten und diese mit gefälschten Identitäten infiltrieren, um Devisen191 für das nordkoreanische Regime zu beschaffen. Von generellem IT-Support über die Programmierung von Apps und Spielen bis hin zur Smart-Contract192-Entwicklung decken 189 Islamfeindlichkeit steht für eine rigoros ablehnende Auffassung gegenüber dem Islam. Islamfeindliche Argumentationen zeichnen ein durchgängig negatives Bild vom Islam. Der Islam wird somit als Bedrohung dargestellt und als solche bekämpft werden muss. 190 Xenophobie oder Fremdenfeindlichkeit ist eine Einstellung, bei der Menschen aus einem anderen Kulturkreis, aus einem anderen Volk oder auch mit einer anderen Religion abgelehnt werden. Begründet wird die Ablehnung mit sozialen, religiösen, ökonomischen, kulturellen oder sprachlichen Unterschieden. In diesen Unterschieden wird eine Bedrohung gesehen. Aufgrund einer fremdenfeindlichen Einstellung kann es zu Ungleichbehandlung, Benachteiligung und Aggressivität gegenüber vermeintlichen "Fremden" kommen. 191 Bei Devisen handelt es sich um Guthaben in einer ausländischen Währung oder Wertpapiere, die den Wert in einer ausländischen Währung haben. 192 Smart Contracts sind einfach Programme, die in einer Blockchain gespeichert sind und ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Sie werden in der Regel verwendet, um die Seite 216 von 259 sie vielfältige Einsatzbereiche ab. Zudem sind sie in diversen Branchen aktiv, z. B. im Gesundheitswesen, in der Unterhaltungsindustrie oder im Finanzsektor. Nordkoreanische ITWorker verschleiern professionell ihre wahre Herkunft und verwenden sowohl frei erfundene als auch gestohlene Identitäten. Ein eventueller nordkoreanischer Standort wird gegenüber dem Auftraggeber durch die Nutzung von Virtual Private Networks (VPN) oder Proxy Accounts getarnt. Häufig wird mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Informatik und insbesondere in der Softwareentwicklung vorgetäuscht. Umfangreiche mitgelieferte Referenzen sollen regelmäßig die angeblich vorhandene Expertise und Erfahrung untermauern. In bestätigten Fällen wurde aufgedeckt, dass nordkoreanische IT-Worker sofort nach dem Erhalt der Arbeitsmittel begonnen haben, Schadsoftware im Unternehmensnetzwerk zu platzieren. Hinweisen auf eine Betroffenheit sächsischer Einrichtungen wurde seitens des LfV Sachsen nachgegangen. Die Ermittlungen dauern zum gegenwärtigen Zeitpunkt an. 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 2.2.1 Beschaffung von öffentlich zugänglichen Informationen Ausländische Nachrichtendienste können einen großen Teil ihrer Informationen bereits aus offen zugänglichen Quellen gewinnen, etwa beim Besuch öffentlicher Tagungen, Vortragsveranstaltungen oder Messen, aus den sozialen Medien, bei der Lektüre von Werbebroschüren oder Tageszeitungen sowie aus Radio und Fernsehen. Selbst brisante Informationen sind oft ohne Weiteres und legal zugänglich, etwa über Fachzeitschriften und - bücher, über Bachelor-, Masteroder Diplomarbeiten sowie über Dissertationsoder Habilitationsschriften, für die im Regelfall sogar eine Veröffentlichungspflicht besteht. Nicht zuletzt erweitert die rasante technische Entwicklung im Bereich der Digitalisierung das Spektrum frei zugänglicher Informationen in einem stetig wachsenden Ausmaß. Das reguläre Informationsangebot der digitalen Medien bietet fremden Nachrichtendiensten zahlreiche Informationen, die als Grundlage und Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten von erheblicher Bedeutung sein können. 2.2.2 Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen Die Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen gehört zu den grundlegenden Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste. Die konspirative Informationsbeschaffung erfolgt über den Einsatz menschlicher Quellen, durch technische Mittel oder durch eine Kombination beider Wege. Einsatz menschlicher Quellen Als menschliche Quelle kommt in Betracht, wer über nachrichtendienstlich relevante Informationen verfügt oder solche Informationen gewinnen kann. Der möglichen Bandbreite sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Sie reicht von einflussreichen Politikern oder Wirtschaftslenkern über Wissenschaftler, Großund Kleinunternehmer, leitende Beamte und Offiziere bis hin zu Angestellten, Studenten und Praktikanten. Jede "hierarchische" Position ist geeignet, Ausgangspunkt oder Ziel einer Ausspähung zu sein. Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass langjährige persönliche Kontakte in relevanten Bereichen zur Gewinnung menschlicher Quellen genutzt werden. Menschliche Schwächen spielen dabei rechtsgültige Ausfertigung eines Vertrags zu automatisieren, so dass alle Beteiligten sofort Gewissheit über das Ergebnis haben, ohne dass ein Vermittler eingeschaltet werden muss oder Zeit verloren geht. Sie können auch einen Workflow automatisieren und die nächste Aktion auslösen, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Seite 217 von 259 eine herausragende Rolle. Fremde Nachrichtendienste greifen dabei immer wieder gern auf die Möglichkeiten zwischenmenschlicher Beeinflussung zurück, um Informationen zu erhalten. Dabei werden menschliche Eigenschaften wie Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Habgier, Autoritätshörigkeit, Geltungssucht oder Unsicherheit ausgenutzt, um Zugang zu sensiblen Daten zu erhalten. Dieses Vorgehen ist auch als "Social Engineering" bekannt. Einsatz technischer Mittel, insbesondere elektronischer Angriffe Die Informationsbeschaffung ausländischer Nachrichtendienste durch den Einsatz technischer Mittel, insbesondere über moderne Kommunikationsmedien, gehört zum Alltag. Dies gilt umso mehr, als auch nicht öffentlich zugängliche Informationen in Zeiten zunehmender Digitalisierung oft leicht und ohne größere Risiken erreichbar sind. Vor allem elektronische Angriffe, also gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen, sind ein probates und wichtiges Mittel der Informationsgewinnung und -beeinträchtigung. Die Möglichkeiten reichen vom Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten (z. B. von Kundenlisten oder Strategiepapieren) über den Missbrauch von Identitäten bis hin zur Übernahme und Sabotage von Produktionsund Steuerungseinrichtungen. Das Risiko, von Cyberangriffen betroffen zu sein, betrifft generell neben dem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen auch den politischen Bereich als klassischem Betätigungsfeld von Nachrichtendiensten. Derartige technische Maßnahmen können zügig erfolgen, sind kostengünstig und weitgehend risikoarm, auch wenn eine Identifizierung der Urheber durchaus möglich ist. Neben der sogenannten Ransomware werden im Rahmen von Cyberangriffen u. a. klassische Trojaner-E-Mails193 oder Wasserloch-Angriffe194 mit Drive-By-Infektionen195 eingesetzt. Ausgangspunkt ist auch hier oft ein ausgefeiltes "Social Engineering". Insbesondere Phishingbzw. Spear-Phishing-Angriffe196 sind für die potenziellen Opfer nur schwer zu identifizieren und stellen einen der Hauptangriffsvektoren dar. Bekanntermaßen haben die Nachrichtendienste Russlands in den vergangenen Jahren zunehmend Möglichkeiten zur Überwachung und Beeinflussung des Internetverkehrs erhalten, etwa durch Zugriffsmöglichkeiten auf IPund E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Daten aus sozialen Netzwerken. Sie gelten als Initiatoren verbreiteter und berüchtigter 193 Als Trojaner-E-Mails gelten hier E-Mails, die zumeist im Anhang eine Schadsoftware enthalten. Diese als nützliche Datei getarnte Schadsoftware wird beim Öffnen der Datei aktiviert, um den betroffenen Rechner dann im Hintergrund zu manipulieren. 194 Bei Wasserloch-Angriffen (Watering-Hole-Attacks) manipuliert der Angreifer bestimmte Webseiten, bei denen er mit einem Aufruf durch das Opfer rechnen darf. Die Manipulation entfaltet im Regelfall erst dann ihre Wirkung, wenn das Opfer die Seite aufruft. 195 Eine Drive-By-Infektion ist die Infektion eines Rechners mit Schadsoftware allein durch das Aufrufen einer mit Schadsoftware manipulierten Webseite. Die Manipulation kann ohne Wissen und Wollen des Betreibers geschehen sein. Drive-By-Infektionen sollen nach Meinung von Experten in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen und die E-Mail als Hauptverbreitungsweg für Schadsoftware abgelöst haben. 196 Spear-Phishing (dt. Speerfischen) ist eine Variante des Phishings, die insbesondere bei APT's verwendet wird. Dabei wird die Phishing-Mail für einen kleinen Kreis von Empfängern oder sogar nur eine Einzelperson maßgeschneidert. Ziel dabei ist es, durch vorangegangene Recherche und Insiderwissen täuschend echte Phishing-Mails zu versenden, um an vertrauliche Daten zu gelangen oder ein bestimmtes Verhalten auszulösen. Der Empfänger oder die Empfängerin qualifiziert sich dabei in der Regel durch eine Schlüsselposition im Unternehmen oder in der Organisation, die das eigentliche Ziel der Angreifenden darstellen. Seite 218 von 259 Angriffskampagnen, wie Sofacy197, Sandworm198, Snake199 und Energetic Bear200. Solche hochkomplexen und mit hoher Professionalität geführten Kampagnen können über Jahre verborgen bleiben. Die Angreifer ändern immer wieder einzelne technische Komponenten, so dass sie die Kampagnen in abgewandelter Form auch weiterhin einsetzen können. Es zeigt sich deutlich, dass sich ein elektronischer Angriff keineswegs in einer einmaligen, punktuellen Maßnahme erschöpfen muss, sondern zu einer länger andauernden, komplexen, herausfordernden und mit großem Aufwand betriebenen Bedrohung heranwachsen kann (sog. Advanced Persistent Threat [APT]). Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beobachteten im Vorfeld der Europaund Landtagswahlen im Berichtszeitraum Phishing-Angriffe gegen deutsche Parteien. Dies entspricht dem erhöhten Aufklärungsinteresse fremder Mächte im Kontext bedeutender gesellschaftspolitischer Ereignisse. Demnach lagen dem Verfassungsschutzverbund Hinweise vor, wonach Ende Februar Phishing-Angriffe eines staatlichen Cyberakteurs u. a. gegen deutsche Parteien durchgeführt wurden. Dabei gaben sich die Angreifer als Vertreter der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) aus und verschickten Einladungen zu einem Abendessen im Namen der Partei. Tatsächlich wurden die E-Mails allerdings von vermutlich kompromittierten Konten ohne Bezug zur CDU versandt. Die vorgebliche Einladung enthielt Links zu vom Angreifer kontrollierten Webseiten, von denen Schadsoftware sowie ein weiteres Köderdokument heruntergeladen wird. Insgesamt zielte die Kampagne auf die Etablierung von langfristigen Zugängen zu den Netzwerken der Ziele ab, um Daten ausleiten zu können, um diese dann ggf. missbräuchlich zu veröffentlichen ("Hack and Leak"Operationen). Russische Cybergruppierungen haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich Daten von Mandatsträgern und sonstigen politischen Zielen erbeutet, die für Informationsoperationen genutzt werden könnten. Ein Sicherheitshinweis (inklusive technischer Indikatoren) wurde seitens des LfV Sachsen mit dem Ziel ausgesteuert, die relevanten Stellen im Freistaat Sachsen zu informieren. Es ist davon auszugehen, dass neben den bekannten Phishing-Kampagnen von APT29201 auch der Akteur "Ghostwriter"202 weiterhin aktiv ist. Dieser ist in Deutschland seit 2021 bekannt und richtet seine Aktivitäten vorrangig gegen Politiker. Grundsätzlich kann aber auch jeder Bürger dessen Opfer werden. Eine tatsächliche Betroffenheit des Freistaates Sachsen bestätigte sich bislang nicht. FBI, CISA, NSA sowie das BfV und weitere internationale Partner veröffentlichten am 5. September 2024 gemeinsam ein Joint Cybersecurity Advisory (JCSA) zur russischen GRUEinheit 29155. Diese wird für Cyberangriffe gegen Ziele weltweit verantwortlich gemacht. In dem Joint Cybersecurity Advisory wird ausdrücklich vor den großen Bedrohungsszenarien gewarnt, die von der russischen Gruppierung ausgehen. Deren Angriffsziele seien vornehmlich Schwachstellen in weit verbreiteter Software. Davon ausgehend sind sowohl 197 Auch bekannt als APT 28, Sofacy, Pawn Storm, Sednit, Group 74, Tsar Team, Fancy Bear oder Strontium. 198 Auch bekannt als Sandworm Team, TEMP.Noble, Electrum oder TeleBots. 199 Auch bekannt als Uroburos, Turla Group, Turla Team, Venomous Bear, Group 88, Waterbug oder Krypton. 200 Auch bekannt als Dragonfly, Crouching Yeti, Group 24, Koala Team, Berserk Bear oder Anger Bear. 201 Auch bekannt als Dukes, Group 100, Cozy Duke, EuroAPT, Cozy Bear 202 Der "Ghostwriter"-Komplex verbindet klassische Cyberspionageangriffe mit Informationsund Einflussnahmeoperationen, die sich bislang vor allem gegen Ziele in Litauen, Polen und der Ukraine sowie gegen die Anwesenheit von Truppenverbänden aus NATO-Staaten im Baltikum und in Polen richteten. Bereits im Rahmen der Bundestagswahl 2021 wurden Mandatsträger des Bundes und der Bundesländer Ziel umfangreicher Phishing-Angriffe seitens des Cyberakteurs "Ghostwriter". Seite 219 von 259 Institutionen jeglicher Art als auch Unternehmen durch die GRU-Einheit 29155 gefährdet. Sächsische Einrichtungen wurden seitens des LfV Sachsen entsprechend sensibilisiert. Darüber hinaus sind insbesondere Unternehmen der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) durch Cyberangriffe russischer APT's bedroht. Im Verfassungsschutzverbund wurden umgehend Maßnahmen ergriffen, um potenzielle Opfer zu kontaktieren und zu sensibilisieren. Im Verbund werden zudem kontinuierlich technische Indikatoren, sogenannte Indicators of Compromise (IoC), analysiert und an die entsprechenden Bedarfsträger, insbesondere Unternehmen der KRITIS, zur Stärkung ihrer Resilienz übermittelt. Im Rahmen einer weltweiten Operation gelang im Februar ein erfolgreicher Schlag gegen die dem russischen Militärnachrichtendienst GRU zugeordnete Gruppe APT28. Diese war seit mindestens 2004 weltweit aktiv gewesen und führte in der Vergangenheit auch Desinformationsund Propagandakampagnen durch. Sie zählte zu den aktivsten und gefährlichsten Cyberakteuren weltweit. Koordiniert durch Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) konnten die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern in Kooperation mit dem FBI in einer gemeinsamen Operation das von der russischen Cybergruppierung APT28 mitgenutzte Botnetz203 "Mootbot" in Deutschland zerschlagen. Die am 26. Januar gestartete Operation verlief in Deutschland äußerst erfolgreich und hindert russische Cyberakteure seither an einer weiteren Nutzung des Botnetzes. Im Freistaat Sachsen wurden kompromittierte Geräte im niedrigen einstelligen Bereich festgestellt. Deren Besitzer wurden durch das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen in Kenntnis gesetzt und zur Bereinigung der infizierten Geräte angehalten. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein schädigendes Ereignis im Zusammenhang mit russischen APT's liegen für den Freistaat Sachsen bislang nicht vor. Darüber hinaus geben auch zahlreiche Cyberangriffe auf das Sächsische Verwaltungsnetz204 Anlass zu größter Wachsamkeit. Das Sächsische Verwaltungsnetz ist nachweislich seit Jahren auf hohem Niveau Ziel von Cyberangriffen205, bei denen ein nachrichtendienstlicher Hintergrund nicht auszuschließen ist. Die Jahresberichte des Beauftragten für die Informationssicherheit des Freistaates Sachsen (zuletzt aus dem Jahr 2024) führen exemplarisch Angriffsmethoden und Angriffsmittel auf. Obwohl vergleichbare Erhebungen zu elektronischen Angriffen außerhalb der Verwaltung in Sachsen noch fehlen, besteht Grund zu der Annahme, dass Wirtschaft und Wissenschaft in vergleichbarem Ausmaß betroffen sein dürften. Auch chinesische Nachrichtendienste stehen weiterhin im Verdacht, elektronische Angriffe gegen Einrichtungen in Deutschland initiiert zu haben. Mit den Auslandsaktivitäten chinesischer Nachrichtendienste im Internet korrespondiert die Errichtung einer immer stärkeren elektronischen Mauer zur Abschottung des Internets in China. In einem weiteren, nicht zugeordneten Fall, wurde durch einen sehr wahrscheinlich staatlichen Cyberakteur eine kritische Sicherheitslücke in Check Point Security Gateways vor ihrer Schließung ausgenutzt. Dabei wurde auch mindestens ein Ziel aus dem politischen Raum in 203 Als Botnetz wird ein Verbund von Rechnern (Systemen) bezeichnet, die von einem fernsteuerbaren Schadprogramm (Bot) befallen sind. 204 Das Sächsische Verwaltungsnetz ist die Kommunikationsinfrastruktur des Freistaates Sachsen. Es versorgt die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen flächendeckend mit hochleistungsfähiger und sicherer Sprachund Datenkommunikation für ein modernes Verwaltungshandeln; siehe www.egovernment.sachsen.de 205 vgl. Jahresbericht Informationssicherheit 2024 des Beauftragten für Informationssicherheit des Freistaates Sachsen, www.egovernment.sachsen.de, Hrsg. Sächsische Staatskanzlei, Berichtszeitraum August 2023 - Juli 2024, S. 7 ff. Seite 220 von 259 Deutschland angegriffen. Durch die Ausnutzung der Sicherheitslücke erhielt der Angreifer Zugriff auf das gesamte lokale Dateisystem des verwundbaren Geräts. Sensibilisierungsmaßnahmen erbrachten keine Hinweise auf eine tatsächliche sächsische Betroffenheit. Besondere Brisanz erhalten elektronische Angriffe dadurch, dass sie selbst bei ausgeprägtem Sicherheitsbewusstsein der Betroffenen und trotz Nutzung aktueller Schutzprogramme gegen Schadsoftware oft über längere Zeit unbemerkt bleiben können. Deshalb wendet sich das LfV Sachsen regelmäßig mit Warnmeldungen an potenzielle Opfer, um diese zu sensibilisieren. 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte galten auch im Berichtsjahr der Beeinflussung gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in Deutschland. Bereits in der Vergangenheit war zu verzeichnen, dass Russland mit zunehmender Intensität versuchte, die politische und öffentliche Meinung in Deutschland u. a. durch die mediale Verbreitung von Propaganda und Desinformationen in seinem Sinne zu beeinflussen. Als Mittel zum Zweck dienen dabei neben den sozialen Medien die russischen Staatsmedien. So verbreiten weltweit sendende TV-, Radiound Internetkanäle gezielt Narrative im Sinne der russischen Führung. Einhergehend mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine setzt Russland seine Bemühungen fort, zentrale Narrative über seine Staatsmedien, sozialen Medien und Einflussakteure zu verbreiten. Das Portfolio eingesetzter Mittel ist vielfältig und kann von dem bereits aus der Vergangenheit bekannten Einsatz von Einflussagenten über den zielgerichteten Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Multiplikatoren in Politik und Wirtschaft, über regelrechte Propagandaoffensiven und dem damit verbundenen Versuch der Instrumentalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen bis hin zu Einflussnahmeaktivitäten in der Wirtschaft reichen. Die russischen Aktivitäten im Bereich der Propaganda und Desinformation bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Dazu können auch Telefonoder Videoanrufe der medial bekannten russischen "Prankster" Vladimir KUZNETSOV und Aleksey STOLYAROV, alias "Vovan und Lexus", gezählt werden. Beide rufen seit längerem unter falscher Identität Politikerinnen und Politiker sowie Personen des öffentlichen Lebens in westlichen Staaten an. Die "Pranks"206 werden anschließend im Internet veröffentlicht und propagandistisch genutzt. Ausweislich entsprechender Medienberichte waren in Deutschland bereits mehrere aktive und ehemalige Politikerinnen und Politiker von solchen Anrufen betroffen. Um das Risiko zu minimieren, selbst Opfer einer solchen Desinformations-/Einflussoperation zu werden, sensibilisierte das LfV Sachsen beispielsweise die Mitglieder des Sächsischen Landtages und der Staatsregierung sowie den Sächsischen Städteund Gemeindetag in einem Schreiben für folgende Maßnahmen im Kommunikationsverhalten sowie für Verabredungen zu Videooder Telefonanrufen: * Vergewissern Sie sich bezüglich der Identität des Kontakts durch Nutzung bereits bekannter Erreichbarkeiten und bekannter Kontakte. * Gleichen Sie die Kontaktdaten Ihres Kommunikationspartners genau mit bereits bekannten authentischen Erreichbarkeiten ab, um die Imitierung authentischer Erreichbarkeiten, etwa durch leicht abgewandelte E-Mail-Adressen, erkennen zu können. 206 Umgangssprachlich bedeutet dieses englische Wort "Streich". Geprankt werden bedeutet somit, auf einen Scherz oder Streich hereinfallen. Häufig wird von einem "Prank" gesprochen, wenn jemand durch falsche Aussagen in die Irre geführt wird. Seite 221 von 259 * Sofern bei Ihnen keine zur Verifizierung nutzbaren Kontakte vorliegen, binden Sie andere Stellen mit ein, die über solche Kontakte verfügen könnten. * Sehen Sie von der Durchführung von Videooder Telefongesprächen im Zweifelsfall ab, wenn sich die Authentizität des Gegenübers nicht verifizieren lässt. Chinesische Versuche der Einflussnahme zielen auf die deutsche Wirtschaft ab, insbesondere durch Direktinvestitionen. Gezielte chinesische Firmenbeteiligungen in ausgewählten Schlüsselbranchen im Ausland sind erklärter Bestandteil der Industriestrategie "Made in China 2025" und machen auch vor dem Freistaat Sachsen keinen Halt. 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft Eine effektive Prävention ist die wichtigste Abwehrmaßnahme gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte. Sowohl Staat und Verwaltung als auch Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgerufen, sich und ihre Umgebung bereits im Vorfeld vor solchen Tätigkeiten hinreichend zu schützen. Prävention heißt vor diesem Hintergrund, Sicherheit zur Chefsache zu machen, sich regelmäßig über Angriffsmethoden und -ziele fremder Nachrichtendienste zu informieren, die eigenen Einrichtungen und deren Umgebung auf spionagerelevante Schwachstellen systematisch zu analysieren, passgenaue Abwehrlösungen zu entwickeln, die Entwicklungen auf dem "Spionagemarkt" fortlaufend zu beobachten und Verdachtsfällen nachzugehen. Zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Herausforderungen sieht sich das LfV Sachsen als Sicherheitspartner für alle sächsischen Behörden, Verbände, Vereinigungen, Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das LfV Sachsen geht zu diesem Zweck aktiv auf potenziell gefährdete Institutionen zu. Bestandteil einer Sicherheitspartnerschaft können Vorträge, Individualberatungen, Onlineangebote und Broschüren sein. Darüber hinaus unterstützt das LfV Sachsen alle Interessenten bei der Analyse ihrer Einrichtungen auf spionagerelevante Schwachstellen, bei der Entwicklung individueller Abwehrlösungen und bei der Aufklärung von Verdachtsfällen. Die vertrauliche Behandlung der jeweiligen Sicherheitspartnerschaft und ihres Inhaltes ist dabei selbstverständlich. Bei alldem kann das LfV Sachsen auf starke Partner zurückgreifen. Dazu gehören das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die weiteren 15 Landesbehörden für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das Nationale Cyber-Abwehrzentrum, die Polizei und viele andere Sicherheitsbehörden. Unabhängig davon engagiert sich das LfV Sachsen gemeinsam mit der Sächsischen Polizei und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) Sachsen e. V. im Präventionsangebot "Sicheres Unternehmen", einem ebenfalls kostenlosen Beratungsangebot zum Schutz der äußeren und inneren Sicherheit von Unternehmen. Unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA), betreut das LfV Sachsen außerdem Unternehmen mit geheimhaltungsbedürftigen Aufträgen. Des Weiteren hat der Verfassungsschutzverbund gemeinsam mit anderen Behörden und Wirtschaftsverbänden die "Initiative Wirtschaftsschutz"207 weiterentwickelt. Ziel ist es, die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft 207 www.wirtschaftsschutz.info Seite 222 von 259 mittels eines umfassenden Schutzkonzeptes noch effektiver vor Spionageaktivitäten zu bewahren. Im Jahr 2024 führte das LfV Sachsen Individualberatungen durch. Daneben lag der Schwerpunkt der Arbeit darauf, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden in anlassbezogenen Rundschreiben Informationen über aktuelle elektronische Angriffskampagnen zukommen zu lassen, verbunden mit konkreten Handreichungen für Abwehrmaßnahmen. Die vielfältigen Präventionsmaßnahmen zeigen Wirkung: Auch im Berichtsjahr gab es mehrfach Hinweise auf mögliche spionagerelevante Sachverhalte, denen das LfV Sachsen nachging. Darüber hinaus konnte es zahlreiche potenzielle Adressaten auf die Möglichkeit elektronischer Angriffe hinweisen und sie so beim Schließen von Sicherheitslücken unterstützen. Landesamt für Verfassungsschutz Neuländer Str. 60 01129 Dresden Telefon: 0351/8585-0 und -5333 (Wirtschaftsschutz) Fax: 0351/8585-500 E-Mail: wirtschaftsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.wirtschaftsschutz.info Seite 223 von 259 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben Geheimschutz: Geheimhaltungsgrade von Verschlusssachen - STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Das LfV Sachsen nimmt neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr 85.964 Mitwirkungsanfragen im Jahr 2024 (2023: 88.015 Anfragen) Seite 224 von 259 Allgemein Der Geheimschutz gewährleistet, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen in Verschlusssachen geheim bleiben und nicht an Unbefugte gelangen. Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse. Die Einstufung als Verschlusssache ist unabhängig von der Form, in der die geheimhaltungsbedürftige Information vorliegt. Das Spektrum der Verschlusssachen reicht vom gesprochenen Wort über Schriftstücke und Zeichnungen bis zu elektronischen Datenträgern und technischen Einrichtungen. Sie werden je nach dem erforderlichen Schutz in die Geheimhaltungsgrade STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft. Ihre Bearbeitung wird als sicherheitsempfindliche Tätigkeit bezeichnet. Der Zugang zu Verschlusssachen und der Umgang mit ihnen sowie die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit sind im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SächsSÜG) vom 19. Februar 2004 und in der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung - VSA) vom 4. Januar 2008 geregelt. 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und Sabotageschutzüberprüfungen 1.1 Sicherheitsüberprüfungen Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben sollen, müssen sich zuvor einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Dabei wird ermittelt, ob bei der betreffenden Person ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das dem Zugang zu Verschlusssachen bzw. der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Nach der gesetzlichen Regelung (SS 5 Abs. 1 SächsSÜG) liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste oder 3. Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Ein derartiges Sicherheitsrisiko in Bezug auf die zu überprüfende Person kann sich auch ergeben, wenn entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte zu anderen Personen, insbesondere Ehegatten, Lebenspartnern oder Lebensgefährten, vorliegen. Werden bei einer Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse - z. B. Straftaten, Hinweise auf übermäßigen Alkoholgenuss, Überschuldung oder Hinweise auf eine Seite 225 von 259 Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - bekannt, wird geprüft, ob sich daraus ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. Zuständig für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung ist die Behörde, bei der die sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt wird. Auch für Personen in Wirtschaftsunternehmen, die im Rahmen von staatlichen Aufträgen sächsischer Behörden mit Verschlusssachen umgehen, werden Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. In diesen Fällen ist die Landesdirektion Sachsen zuständig. Die Sicherheitsüberprüfung wird erst nach schriftlicher Zustimmung der Betroffenen eingeleitet. Das LfV Sachsen wirkt im Auftrag der zuständigen Stelle bei der Sicherheitsüberprüfung mit. Es überprüft die Personen und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. In Abhängigkeit von der auszuübenden sicherheitsempfindlichen Tätigkeit gibt es verschiedene Stufen der Sicherheitsüberprüfung (Ü 1 bis Ü 3). 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen Der Sabotageschutz dient dem Schutz der für das Gemeinwesen lebenswichtigen Einrichtungen. In der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Feststellung lebenswichtiger Einrichtungen im Freistaat Sachsen (Sächsische Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung) vom 22. September 2010 (SächsGVBl. 2010 Nr. 12, S. 271) werden lebenswichtige Einrichtungen im Sinne des Sabotageschutzes benannt. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt werden, üben eine sog. sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach dem SächsSÜG aus und müssen sich daher einer einfachen Sicherheitsüberprüfung Ü1 unterziehen. 2. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen gegen die unbefugte Kenntnisnahme von Verschlusssachen und gewährleistet die Einhaltung der Bestimmungen der Verschlusssachenanweisung. Dazu zählen die rechtlichen Maßgaben zur Herstellung, Kennzeichnung und Vervielfältigung von Verschlusssachen sowie Regelungen zu Aufbewahrung, Verwaltung, Transport und Vernichtung von Verschlusssachen. Wird ein Geheimnisverrat bekannt, ist das LfV Sachsen zu beteiligen. Das LfV Sachsen berät und unterstützt die Behörden des Freistaates Sachsen in Fragen des materiellen Geheimschutzes, damit Verschlusssachen sicher erstellt, bearbeitet und aufbewahrt werden können. Bei Wirtschaftsunternehmen, die im Auftrag sächsischer Landesbehörden tätig sind und dabei Zugriff auf Verschlusssachen haben, führt die Landesdirektion Sachsen als zuständige Stelle unter Mitwirkung des LfV Sachsen ein Geheimschutzverfahren durch. Dabei werden Sicherheitsstandards geschaffen, um die Kenntnisnahme von Verschlusssachen durch Unbefugte zu verhindern. Im Rahmen dieses Verfahrens berät das LfV Sachsen die Unternehmen. Seite 226 von 259 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder Ausschlussgründen Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit des Bundes und der Länder nimmt der Verfassungsschutz neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr. Auf Anfrage der zuständigen Behörden wird geprüft, ob den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse zu den angefragten Personen vorliegen und ob diese gemäß den gesetzlichen Regelungen mitgeteilt werden dürfen. Im Jahr 2024 wurden vom LfV Sachsen 85.964 solcher Mitwirkungsanfragen bearbeitet. Im Einzelnen unterstützte das LfV Sachsen die Behörden im Berichtsjahr bei folgenden Überprüfungen: Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) für Personen, die zum sicherheitsempfindlichen Bereich des Luftverkehrs Zutritt haben sollen 7.446 Anfragen Beteiligung nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vor Erteilung oder bei Verlängerung von Aufenthaltstiteln 47.471 Anfragen Beteiligung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) bei Einbürgerungen 4.855 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe - Sprengstoffgesetz (SprengG) für Personen, die gewerbsmäßig, selbstständig im Rahmen eines wirtschaftlichen Unternehmens oder eines landoder forstwirtschaftlichen Betriebes oder bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen oder den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreiben wollen 369 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG) für Personen, die beim Umgang mit radioaktiven Stoffen oder bei der Beförderung von radioaktiven Stoffen oder bei der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen tätig sind 98 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Waffengesetz (WaffG) Die Waffenbehörden sind verpflichtet, im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen auch eine Auskunft der zuständigen Verfassungsschutzbehörde einzuholen (Regelanfrage). Damit soll erreicht werden, dass Extremisten von vornherein nicht in den Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis gelangen. Zudem müssen die Verfassungsschutzbehörden auch im Nachhinein bekannt gewordene Erkenntnisse übermitteln (Nachberichtspflicht). Aufgrund dieser Regelanfrage gingen beim LfV Sachsen insgesamt 20.548 Anfragen ein. Seite 227 von 259 Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach der Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit der Verordnung über das Bewachungsgewerbe - Bewachungsverordnung (BewachV) Die Gewerbebehörden sind verpflichtet, im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Wachpersonen, die mit Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Falle eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann, eine Stellungnahme der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz einzuholen (Regelanfrage). Dasselbe gilt im Falle von Wachpersonen, die mit der Bewachung von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende oder mit der Bewachung von zugangsgeschützten Großveranstaltungen beauftragt werden sollen. Weiterhin ist die zuständige Landesbehörde für Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Wachpersonen von Bedeutung sind und die ihr erst im Nachhinein bekannt werden, an die zuständige Behörde zu übermitteln (Nachberichtspflicht). Im Berichtsjahr gingen beim LfV Sachsen insgesamt 4.513 Anfragen ein. Überprüfung zur Feststellung der Verfassungstreue Mit Wirkung zum 1. Mai 2024 wurde das Sächsische Beamtengesetz dahingehend geändert, dass nunmehr vor der Einstellung in ein Beamtenverhältnis für die Fachrichtungen Polizei, Justiz mit Schwerpunkt Justizvollzug sowie Allgemeine Verwaltung mit Schwerpunkt Vollzugsdienst in Abschiebehaftund Ausreisegewahrsamseinrichtungen, eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) zu richten ist. Des Weiteren ist eine Anfrage in ausgewählten Beförderungsämtern gesetzlich vorgeschrieben. Aufgrund dieser neuen Mitwirkungsaufgabe gingen im LfV Sachsen vom 31. Mai bis 31. Dezember insgesamt 664 Anfragen zur Prüfung der Verfassungstreue ein. Seite 228 von 259 V. Anhang Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern bzw. durch die Innenministerien/-senate der Länder seit 1992 Glossar Abkürzungsverzeichnis Aussteigerprogramm Sachsen Seite 229 von 259 Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen im Jahr 2024208 Rechtsextremismus ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD) - LANDESVERBAND SACHSEN ALVA (Rapperin) ARYAN BROTHERHOOD EASTSIDE (ABE) ARYAN PEOPLE RESISTANCE BALACLAVA GRAPHICS BAUTZEN BENJAMIN GRUHN (Liedermacher) BLACK DEVILS BLUTZEUGEN (Band) BRIGADE 8 CHAPTER SCHLESIEN CHEMNITZ REVOLTE COMBAT 18 (Nachfolgebestrebungen des am 23.01.2020 vom BMI verbotenen deutschen Vereins) COMPACT-MAGAZIN GMBH DER DRITTE W EG (III. W EG) DER SCHELM (Verlag) DER TOD UND DIE LANDSKNECHTE (Band) DEUTSCHE JUGEND VORAN (DJV) DEUTSCHE STIMME VERLAGSGESELLSCHAFT MBH DIE HEIMAT DIVISION 45 EASTSIDE ROWDYS EINZELKÄMPFER (Liedermacher) EIN PROZENT E. V. ETHOS (Band) FEINDKONTAKT PRODUKTION (Vertrieb) FEINDNAH (Band) FREIE SACHSEN (einschließlich RATSFRAKTION PRO CHEMNITZ/FREIE SACHSEN) FREIE SÄCHSISCHE JUGEND FREILICHFREI (Liedermacher) FRONT776 (Band) FULL OF HATE (Band) GEFANGENENHILFE.INFO (GH) HEILIGE JUGEND (Band) HEILIGER KRIEG (Band) HILFSORGANISATION FÜR NATIONALE POLITISCHE GEFANGENE UND DEREN ANGEHÖRIGE E.V. (HNG) (Nachfolgebestrebungen des am 21. September 2011 verbotenen Vereins); einschließlich GEFANGENENHILFE.INFO (GH) HOPE FOR THE WEAK (BAND) IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND (IB) - SACHSENGARDE 208 Diese Liste führt der Vollständigkeit halber sämtliche dem LfV Sachsen bekannten erwiesenen extremistischen Bestrebungen gemäß SSSS 2 und 15 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes auf. Sie führt damit auch solche Beobachtungsobjekte auf, die im Berichtsjahr nicht oder nur sporadisch aktiv waren, so dass eine Erwähnung im Jahresbericht 2024 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt wäre. Im Hinblick auf den originär politikberatenden Ansatz des Verfassungsschutzberichtes beschränkt sich das LfV Sachsen auf die Darstellung der für das jeweilige Berichtsjahr politisch relevanten Ereignisse und Tendenzen in den einzelnen Phänomenbereichen. Es liegt im Ermessen des LfV Sachsen, hier entsprechende Prioritäten zu setzen und den Fokus auf die Beschreibung wesentlicher Beobachtungsobjekte zu richten. Seite 230 von 259 INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK (IFS, SELBSTAUFLÖSUNG UND GRÜNDUNG EINER NACHFOLGESTRUKTUR IM JAHR 2024) INTIFADA (BAND) JUGENDBLOCK BAUTZEN JUNGE ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (JA) - LANDESVERBAND SACHSEN JUNGE NATIONALISTEN (JN) JUNG UND STARK (JS) KAMERADSCHAFT TREUE EHRE (Band) KAVALIER (Liedermacher) KILLUMINATI (Band) KL-AUSLIEFERUNG / KL-MILITARIA VERSAND KOMMUNALPOLITISCHE VEREINIGUNG (KPV, siehe DIE HEIMAT) LARS (Liedermacher - auch SONDERKOMMANDO ELBE) LEICHENZUG (Band) LETZTE RETTUNG GERMANIA LOKIS TRUHE (Vertrieb) NATION UND W ISSEN (Verlag / Vertrieb) NATIONALER JUGENDBLOCK ZITTAU E. V.(NJB) NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND (NRJ) NDS RECORDS (Vertrieb) NEONATIONALSOZIALISTISCHE SZENE NEUBEGINN (Band) ODESSA (Band) OTWIN (Liedermacher) PC RECORDS (Vertrieb) PEGIDA PIONIER (Band) PROTO (vormals PROTOTYP, Rapper) RAC'N'ROLL-TEUFEL (Liedermacher, auch SCHRATT) RING NATIONALER FRAUEN (RNF, siehe DIE HEIMAT) RUNA (Musikerin) SACHSENGARDE SACHSONIA (Band) SCHLESISCHE JUNGS NIESKY SCHRATT (Liedermacher, auch RAC'N'ROLL-TEUFEL) SELBSTSTELLER (Band) SN SACHSEN SONDERKOMMANDO ELBE (Liedermacher, auch LARS) STAHLFRONT (Band) STAHLWERK (Band) STURMKRIEGER (Band) SUBKULTURELL GEPRÄGTE RECHTSEXTREMISTISCHE SZENE SYMPHONIE DES BLUTES (Band) THEMATIK 25 (Band) TRUE AGGRESSION (Band) ÜBERZEUGUNGSTÄTER VOGTLAND (Band) URBS TURRIUM VOLKSNAH (Band) VOLKSSTIMME BÜRGERBÜNDNIS ZWICKAU (VBZ)209 209 Diese Gruppierung wurde zunächst dem Beobachtungsobjekt DEMOKRATIEFEINDLICHE UND/ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES zugeordnet. Aufgrund seiner Entwicklung wurde das VBZ im Laufe des Jahres 2024 dann schließlich dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet. Seite 231 von 259 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER BUNDESSTAAT PREUßEN / CELTIC NATION GEEINTE DEUTSCHE VÖLKER UND STÄMME (NACHFOLGEORGANISATION) INDIGENES VOLK GERMANITEN (IVG) KÖNIGLICH SÄCHSISCHER GEMEINDEVERBAND (KSGV) mit W AHLKOMMISSION SACHSEN KÖNIGREICH DEUTSCHLAND (KRD) REICHSVERBAND DEUTSCHER RECHT-KONSULENTEN VATERLÄNDISCHER HILFSDIENST (VHD) mit ARMEEKORPSBEZIRKEN (AKB) V, XII UND XIX Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates DEMOKRATIEFEINDLICHE UND / ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES ORGANISATIONSTEAM DER MONTAGSDEMONSTRATIONEN IN GÖRLITZ Linksextremismus ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN (AND) mit der Teilorganisation ANARCHIST BLACK CROSS DRESDEN (ABC DRESDEN) ANARCHISTEN ANTIFA RECHERCHETEAM DRESDEN (ART DRESDEN) AUTONOME DE.INDYMEDIA.ORG DEUTSCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI (DKP) inklusive der Nachwuchsorganisation SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND (SDAJ) DOGMATISCHE LINKSEXTREMISTEN ERMITTLUNGSAUSSCHUSS DRESDEN (EA DRESDEN) FREIE ARBEITER*INNEN-UNION (FAU) INTERVENTIONISTISCHE LINKE (IL) KOLLEKTIV ZWICKAU KOMMUNISTISCHE ORGANISATION (KO) KOMMUNISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (KPD) KOMMUNISTISCHE PLATTFORM DER PARTEI "Die Linke" (KPF) MARXISTISCH-LENINISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (MLPD) inklusive der Nachwuchsorganisation REBELL PRISMA - INTERVENTIONISTISCHE LINKE LEIPZIG (PRISMA) REVOLUTION (REVO) ROTES DRESDEN ROTE HILFE e.V. (RH) ROTE W ENDE LEIPZIG inklusive der Teilorganisation JUGEND IM KAMPF ...UMS GANZE! ROTER AUFBRUCH DRESDEN ROTES DRESDEN UNDOGMATISCHE RADIKALE ANTIFA DRESDEN (URA DRESDEN) Islamismus Jihadistischer Terrorismus, insbesondere AL-QAIDA (AQ) und ISLAMISCHER STAAT (IS) inkl. Ableger ISLAMISCHER STAAT PROVINZ KHORASAN (ISPK) ISLAMISTISCHE NORDKAUKASISCHE SZENE (INS) MUSLIMBRUDERSCHAFT (MB) mit ihrer Deutschlandvertretung DEUTSCHE MUSLIMISCHE GEMEINSCHAFT E. V. (DMG), insbesondere: # MARWA ELSHERBINY KULTURUND BILDUNGSZENTRUM DRESDEN E. V. (MKBD) Seite 232 von 259 # SÄCHSISCHE BEGEGNUNGSSTÄTTE UND DIENSTLEISTUNGEN UNTERNEHMERGESELLSCHAFT (HAFTUNGSBESCHRÄNKT) (SBD) HAMAS HIZB ALLAH (HISBOLLAH) SALAFISTISCHE BESTREBUNGEN, insbesondere: # AL-AMAL - INTERKULTURELLER VEREIN E. V. in Dresden # ISLAMISCHE GEMEINDE IN SACHSEN - AL-RAHMAN-MOSCHEE E. V. in Leipzig # VOGTLÄNDISCHES ISLAMISCHES ZENTRUM AL-MUHADJIRIN E. V. in Plauen (ALMUHADJIRIN-MOSCHEE) Auslandsbezogener Extremismus ARBEITERPARTEI KURDISTANS (PKK) DRESDNER VEREIN DEUTSCH KURDISCHER BEGEGNUNGEN E. V. HANDALA E. V. JXK/YXK (STUDIERENDE FRAUEN AUS KURDISTAN / VERBAND DER STUDIERENDEN AUS KURDISTAN) KONFÖDERATION DER GEMEINSCHAFTEN KURDISTANS IN DEUTSCHLAND E. V. (KON-MED) KONGRESS DER KURDISCHEN DEMOKRATISCHEN GESELLSCHAFT KURDISTANS IN EUROPA (KCDK-E) KURDISCHE FRAUENBEWEGUNG IN EUROPA (TJK-E) MARXISTISCHE LENINISTISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI (MLKP) PARTEI DER DEMOKRATISCHEN UNION (PYD) TEVGERA CIWANEN SORESGER (TCS) (Jugendorganisation der PKK) TEVGERA CIWANEN SORESGER DRESDEN (TCS) VOLKSVERTEIDIGUNGSEINHEITEN (YPG) VOLKSVERTEIDIGUNGSEINHEITEN DER FRAUEN (YPJ) VOLKSVERTEIDIGUNGSKRÄFTE (HPG) YOUNG STRUGGLE LEIPZIG (YS LEIPZIG) Seite 233 von 259 Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern bzw. durch die Innenministerien/-senate der Länder seit 1992 Bereich Rechtsextremismus Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "Nationalistische Front" (NF) 27.11.1992 BMI "Deutsche Alternative" (DA) 10.12.1992 BMI "Deutscher Kameradschaftsbund Wilhelmshaven" 21.12.1992 NI (DKB) "Nationale Offensive" (NO) 22.12.1992 BMI "Nationaler Block" (NB) 11.06.1993 BY "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) 14.07.1993 BW "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) 02.09.1993 NW "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 BMI "Nationale Liste" (NL) 24.02.1995 HH "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 24.02.1995 BMI "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) 05.05.1995 BB "Skinheads Allgäu" 30.07.1996 BY "Kameradschaft Oberhavel" 15.08.1997 BB "Heide-Heim e.V." (Hamburg) mit "Heideheim 11.02.1998 NI e.V." (Buchholz) "Hamburger Sturm" 11.08.2000 HH "Blood & Honour Division Deutschland" mit 14.09.2000 BMI "White Youth" "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) 05.04.2001 SN "Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck" (BNS) 07.03.2003 SH "Fränkische Aktionsfront" (F.A.F.) 22.01.2004 BY "Berliner Alternative Süd-Ost" (BASO) 09.03.2005 BR "Kameradschaft Tor Berlin" (inkl. "Mädelgruppe") 09.03.2005 BR Kameradschaft "Hauptvolk" (inkl. "Sturm 27") 12.04.2005 BB "Alternative Nationale Strausberger Dart-, 14.07.2005 BB Piercingund Tattoo Offensive" (ANSDAPO) "Schutzbund Deutschland" 04.07.2006 BB "Sturm 34" 26.04.2007 SN "Collegium Humanum" (CH) mit "Bauernhilfe e.V." 07.05.2008 BMI Seite 234 von 259 Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens 07.05.2008 BMI des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) "Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum 31.03.2009 BMI Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) "Mecklenburgische Aktionsfront" (MAF) 28.05.2009 MV "Frontbann 24" 05.11.2009 BR "Freie Kräfte Teltow-Fläming" (FKTF) 11.04.2011 BB "Hilfsorganisation für nationale politische 21.09.2011 BMI Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) "Kameradschaft Walter Spangenberg" 10.05.2012 NW "Widerstandsbewegung in Südbrandenburg" 19.06.2012 BB "Kameradschaft Aachener Land" (KAL) 23.08.2012 NW "Nationaler Widerstand Dortmund" (NWDO) 23.08.2012 NW "Kameradschaft Hamm" (KS Hamm) 23.08.2012 NW "Besseres Hannover" 25.09.2012 NI "Nationale Sozialisten Döbeln" 18.02.2013 SN "Nationale Sozialisten Chemnitz" (NSC) 28.03.2014 SN "Freies Netz Süd" (FNS) 23.07.2014 BY "Autonome Nationalisten Göppingen" 18.12.2014 BW (AN Göppingen) "Sturm 18 e.V." 29.10.2015 HE "Altermedia Deutschland" 27.01.2016 BMI (Internet-Plattform) "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT) 16.03.2016 BMI "Phalanx 18" 20.11.2019 HB "Combat 18 Deutschland" 23.01.2020 BMI "Nordadler" 23.06.2020 BMI "Sturm-/Wolfsbrigade 44" 01.12.2020 BMI "Nationale Sozialisten Rostock" (NSR) 24.06.2021 MV einschließlich der Teilorganisation "Baltik Korps" "Hammerskins Deutschland" 19.09.2023 BMI "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens27.09.2023 BMI Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." Seite 235 von 259 Bereich Reichsbürger und Selbstverwalter Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) 19.03.2020 BMI Bereich Linksextremismus Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "linksunten.indymedia" 14.08.2017 BMI Bereich Auslandsbezogener Extremismus Organisation Verbot (Vollzug) Behörde am: "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)/"Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) und Teilorganisationen, "Föderation der patriotischen 22.11.1993 BMI Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (FEYKAKurdistan), "Kurdistan-Komitee e. V." "Kurdistan Informationsbüro" (KIB) alias "Kurdistan 20.02.1995 BMI Informationsbüro in Deutschland" "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 06.08.1998 BMI (DHKP-C) "Türkische Volksbefreiungspartei-Front" (THKP/-C) 06.08.1998 BMI "Mesopotamia Broadcast A/S", "Roj TV A/S" 13.06.2008 BMI "VIKO Fernseh Produktion GmbH" (Teilorganisation von Roj TV A/S) "Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH" 01.02.2019 BMI "MIR Multimedia GmbH" 01.02.2019 BMI "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity 02.11.2023 BMI Network" Bereich Islamismus "Kalifatsstaat" und 35 Teilorganisationen 08.12.2001 BMI 14.12.2001 13.05.2002 16.09.2002 "al-Aqsa e. V." 31.07.2002 BMI "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 BMI Seite 236 von 259 "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 BMI Verlegerin der Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Tageszeitung "Anadolu'da Vakit" "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 BMI "al-Manar TV" 29.10.2008 BMI "Internationale Humanitäre Hilfsorganisation 23.06.2010 BMI e. V." (IHH) "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 BMI "DawaFFM" einschl. der Teilorganisationen 25.02.2013 BMI "Internationaler Jugendverein - Dar al Schabab e. V." "an-Nussrah" 25.02.2013 BMI "DawaTeam Islamische Audios" 25.02.2013 BMI "Waisenkinderprojekt Libanon e. V." (WKP) 02.04.2014 BMI (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e. V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias "Islamischer Staat im 12.09.2014 BMI Irak" alias "Islamischer Staat im Irak und in GroßSyrien" "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 BMI "Die wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 BMI "Hizb Allah" 26.03.2020 BMI "Ansaar International e. V." und acht 05.05.2021 BMI Teilorganisationen "Deutsche Libanesische Familie e. V." 19.05.2021 BMI "Menschen für Menschen e. V." "Gib Frieden e. V."210 "HAMAS" 02.11.2023 BMI "Islamisches Zentrum Hamburg" (IZH) und fünf 24.07.2024 BMI Teilorganisationen Anmerkung: 1. "Bremer Hilfswerk e.V." - Selbstauflösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005. Das Bundesministerium des Innern hatte am 03.12.2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen den Verein eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. 210 Die Vereine waren Ersatzorganisationen des "Waisenkinderprojekt Libanon e. V." (WKP). Seite 237 von 259 Glossar Antifa Der "antifaschistische Kampf" ist ein Hauptagitationsfeld von AUTONOMEN. Aus ihrer Sicht ist es geboten, den Kampf gegen "Faschisten" und "Rassisten" in die eigenen Hände zu nehmen. In autonomen Publikationen und Stellungnahmen wird für Gegenveranstaltungen zu rechtsextremistischen Kundgebungen geworben. Die Agitation richtet sich auch gegen bestimmte staatliche Einrichtungen oder ihre Repräsentanten. Darüber hinaus werden Adressen und "Steckbriefe" von politischen Gegnern veröffentlicht, die nicht selten mit der Aufforderung verbunden sind, diese Personen auch anzugreifen. Im Rahmen der "antifaschistischen Selbsthilfe" werden auch militante Aktionen befürwortet, die sich in erster Linie gegen den politischen Gegner, insbesondere tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, richten. Dadurch kommt es regelmäßig zu hohen Sachschäden, teilweise aber auch zu Personenschäden. Anti-Antifa Unter dem Begriff "Anti-Antifa" verfolgen Neonationalsozialisten in Anlehnung an Terminologie und Vorgehensweise von Linksextremisten ein Konzept zur Erfassung und Veröffentlichung von Daten über politische Gegner. Mit der Begriffswahl wollen sie verdeutlichen, dass ihr Handeln eine Reaktion auf linksextremistische Aktivitäten darstellt, die auch militante Aktionsformen umfassen kann. Ihre Aktivitäten weisen bisher in der Regel einen propagandistischen Charakter auf und zielen vornehmlich auf die Verunsicherung des Gegners. Als Gegner werden dabei auch Angehörige der Sicherheitsbehörden angesehen. Antifaschismus Der Begriff "Antifaschismus" wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern immer auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Antisemitismus Antisemitismus im Rechtsextremismus Antisemitismus ist ein zentrales Ideologieelement des Rechtsextremismus und in all seinen Äußerungsformen virulent, seien sie publizistisch, parlamentarisch oder auch aktionistisch orientiert. Antisemitismus zielt auf die Diffamierung und Diskriminierung einer behaupteten Gesamtheit "der Juden" ab. Der rechtsextremistische Antisemitismus baut insbesondere auf dem rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus auf, der das Judentum als "nichtdeutsche, fremde Rasse" definierte und diesen "Feind der eigenen Rasse" "ausmerzen" wollte. Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Konsequenzen meiden Rechtsextremisten mittlerweile in ihrer Propaganda offenen, rassistisch motivierten Antisemitismus. Vielmehr weichen sie auf einen angedeuteten Antisemitismus aus, insbesondere durch die Behauptung eines übermäßigen politischen Einflusses von Juden (politischer Antisemitismus). Auch religiös begründeter Antisemitismus ist gelegentlich zu beobachten. Oftmals findet antisemitische Propaganda nur unterschwellig statt, u. a. durch subtil judenfeindlich gefärbte Zeitungsartikel oder Anspielungen. Rechtsextremisten nutzen die im politischen und gesellschaftlichen Alltag geäußerte Kritik an der Politik Israels, um das Existenzrecht des Staates Israel in Frage zu stellen. Die grundsätzliche Ablehnung Israels basiert auf der prinzipiellen Ablehnung des Judentums. Seite 238 von 259 Gleichsetzungen der israelischen Politik mit den Verbrechen an Juden im Nationalsozialismus sind ebenfalls ein gängiges Muster des antizionistischen Antisemitismus. Im Rahmen des sekundären Antisemitismus wird den Juden vorgeworfen, sie benutzten die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust als Mittel der Erpressung, um finanzielle und politische Forderungen durchzusetzen. Antisemitischen Verschwörungstheorien zufolge wird Deutschland im Rahmen einer planvollen Konspiration instrumentalisiert, um den "jüdischen Einfluss" zu vergrößern oder das Ziel der jüdischen Weltherrschaft zu erreichen. Häufig wird ein "jüdischer Einfluss" auf politische Entscheidungen der Regierungsverantwortlichen behauptet. Antisemitismus im Islamismus Zu den Feindbildern islamistischer Organisationen gehören prinzipiell der Staat Israel bzw. "die Zionisten", denen - je nach Standort im islamistischen Spektrum mehr oder weniger offen - die verschwörerische Manipulation westlicher Staaten, vor allem der USA, unterstellt wird. Die jüdische Einwanderung in Palästina, die Entstehung des Staates Israel und der seither ungelöste Nahost-Konflikt waren Auslöser für die Entstehung eines islamistischen Antizionismus. Dieser war und ist stark antijüdisch gefärbt, insofern als auch auf die prinzipielle, nach Auffassung von Islamisten im Koran belegte und durch die islamistische Geschichtsauffassung gestützte ewige Feindschaft "der Juden" gegen die Muslime/den Islam Bezug genommen wird. Im Rahmen ihrer antiisraelischen und antisemitischen Propaganda rufen vereinzelte islamistische Organisationen im Kontext des Nahost-Konflikts immer wieder zur Vernichtung Israels auf. Ein gängiger Slogan, der diese Absicht transportiert, lautet "From the river to the sea, Palestine will be free". Diese Formulierung bezieht sich auf das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer und spricht dem dort ebenfalls ansässigen Staat Israel folglich das Existenzrecht ab. Darstellungen des Gebietes, in denen das Staatsgebiet Israels entfernt und als palästinensisch markiert wurde, gehören ebenfalls zu dieser Art der Propaganda. Im Unterschied zum Antisemitismus deutscher Rechtsextremisten ist der islamistische Antisemitismus nicht rassistisch begründet. Auskunftsanspruch Jeder kann gemäß SS 20 Abs.1 SächsVSG (gültig bis einschließlich 15. August 2025: SS 9 Abs.1 SächsVSG) Auskunft über seine beim Landesamt für Verfassungsschutz zu seiner Person gespeicherten Daten erhalten. Der Auskunftsanspruch wird unter folgenden Voraussetzungen, die in SS 20 Abs. 5 SächsVSG (gültig bis einschließlich 15. August 2025: SS 9 Abs.2 SächsVSG)geregelt sind, eingeschränkt: Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, Gefährdung von Quellen, Ausforschung des Erkenntnisstandes bzw. der Arbeitsweise des LfV, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bzw. dem Wohl des Bundes oder eines Landes würden Nachteile bereitet, Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. Auslandsbezogener Extremismus Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die häufig durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Dabei handelt es sich um linksextremistische Organisationen, soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Seite 239 von 259 Derartige Organisationen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, indem sie z. B. versuchen, hier eine ihren Grundsätzen entsprechende Parallelgesellschaft zu errichten, sie ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder unterstützen und dadurch auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten gefährden und sich ihre Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, richten. Cyberangriff Mit dem Begriff "Cyberangriff" werden gezielt durchgeführte Maßnahmen mit und gegen Infrastrukturen der Informationstechnologie (IT) bezeichnet. Sie richten sich gegen staatliche Stellen oder die Privatwirtschaft und dienen entweder der Informationsbeschaffung oder sollen das angegriffene IT-System schädigen oder sabotieren. Datenschutz Zweck des Datenschutzes ist, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Der Verfassungsschutz hat daher bei seiner Aufgabenerfüllung grundsätzlich die besonderen datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Verfassungsschutzgesetze sowie - gegebenenfalls ergänzend - der allgemeinen Datenschutzgesetze zu beachten. Die Einhaltung dieser Be-stimmungen wird fortlaufend vom Bundesbzw. den Landesbeauftragten für den Datenschutz unabhängig geprüft. Hierzu erhalten die Beauftragten u. a. weitgehende Akteneinsicht. Mit regelmäßig erscheinenden Tätigkeitsberichten werden die parlamentarischen Vertreter und die Öffentlichkeit über das Ergebnis ihrer Überprüfungen informiert. Desinformation Desinformation ist die gezielte Verbreitung falscher bzw. irreführender Informationen in Form von Texten, Bildern oder Videos mit dem Ziel, Menschen zu manipulieren. Der Urheber erstellt und verbreitet in diesen Fällen also bewusst Nachrichten, die nach objektiven Maßstäben inhaltlich falsch oder sinnentstellend sind. Diese Täuschungsabsicht unterscheidet Desinformationen von sog. Fehlinformationen, also falschen bzw. irreführenden Informationen, die versehentlich oder irrtümlich verbreitet wurden. Seriös arbeitende Medien und Journalisten korrigieren solche Falschmeldungen in der Regel umgehend nach deren Feststellung transparent. Desinformationskampagnen sind ein Aufgabenfeld fremder Nachrichtendienste und anderer staatlicher und staatsnaher Akteure, deren Staaten ihre strategischen Ziele auch mit unzulässigen Mitteln verfolgen. Sie unterstützen so ihre Regierungen dabei, deren politische, wirtschaftliche oder strategische Machtposition auszubauen und die eigene Weltsicht über Staatsgrenzen hinaus zu verbreiten. Diese illegitime Einflussnahme befeuert Polarisierungsprozesse in offenen Gesellschaften und ist dazu geeignet, die politischen Meinungsund Willensbildungsprozesse in demokratischen Staaten nachhaltig zu beeinflussen. Seite 240 von 259 Ethnopluralismus Bei dem Begriff Ethnopluralismus handelt es sich um ein Ideologieelement der extremistischen "Neuen Rechten", dem kein einheitliches Konzept zugrunde liegt. Ethnopluralismus ist ein ausgrenzender "Nationalismus", ein "Rassismus ohne Rassen". Er setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort "ethnos" (Volk) und dem lateinischen Wort "pluralis" (Mehrzahl) und propagiert damit eine Völkervielfalt. Diese schlägt sich jedoch nach Lesart von Vertretern der "Neuen Rechten" in jeweils ethnisch weitestgehend homogenen Staaten nieder. Im Zentrum dieses Ideologieelementes steht somit die Forderung, dass keine "Durchmischung" der Bewohner verschiedener Kulturräume stattfinden darf, mit dem Ziel, ethnisch reine Gesellschaften zu schaffen und alles "Volksfremde" auszuweisen. Zuwanderung soll demnach vordergründig strikt nach ethnisch-kulturellen, aber im Ergebnis letztlich nach rassischbiologischen Kriterien gesteuert werden. Mit dieser Staatsund Gesellschaftskonzeption werden Menschen vom Staatsvolk ausgeschlossen, die nicht dessen ethnischen Voraussetzungen entsprechen. Folgerichtig ergeben sich auch aus dem Ethnopluralismus traditionelle rechtsextremistische Forderungen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus". Der Ethnopluralismus ist daher als Begründung für die Ungleichbehandlung Deutscher mit Migrationshintergrund ebenfalls nicht mit der Menschenwürdegarantie vereinbar. Extremismus Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen "Extremismus" und "Radikalismus" (s. dort). Als extremistisch werden Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Die Begriffe "extrem" (radikal) und "extremistisch" (verfassungsfeindlich) sind demnach keine Synonyme. Extremistisch beeinflusste Organisationen Extremistisch beeinflusste Organisationen sind Vereinigungen, die von Extremisten oder auf deren Initiative hin gegründet oder von Extremisten unterwandert und erheblich beeinflusst sind, wobei der Grad der Beeinflussung unterschiedlich ist. Sie verfolgen bestimmte politische Ziele, die mit denen der Kernorganisation ganz oder teilweise übereinstimmen. Sie unterstützen die Bestrebungen der Kernorganisation dadurch: dass sie bestimmte politische Ziele verfolgen, die mit denen der Kernorganisation ganz oder teilweise übereinstimmen, und dass sie dadurch die Bestrebungen der Kernorganisation unterstützen, dass ihre Funktionäre zu einem größeren oder kleineren Teil Mitglieder oder Anhänger der Kernorganisation sind, dass ihnen auch Personen angehören, die zwar keine Extremisten sind, aber Teilziele der Organisation verfolgen und dabei entweder den erheblichen extremistischen Einfluss nicht erkennen, oder ihn zwar erkennen, aber in Kauf nehmen, bzw. in Einzelfällen diesen Einfluss sogar zurückdrängen wollen. Extremistische Bestrebungen Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichtete Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Es ist zu unterscheiden zwischen Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes, Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und Seite 241 von 259 Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, einen der zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählenden Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder eines Landesverfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen. Fanzine Der Begriff setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen und bezeichnet in der Regel subkulturelle Publikationen. In der rechtsextremistischen Szene informieren diese Publikationen über Musikgruppen, Tonträger, Konzerte sowie sonstige Szeneveranstaltungen. Einzelpersonen und rechtsextremistische Gruppierungen erhalten in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres Gedankengutes. Das Medium verlor mit der Verlagerung der Kommunikation in das Internet sehr stark an Bedeutung. Zwar erscheinen weiterhin Fanzines, herausgegeben von zumeist langjährigen Szeneangehörigen, diese Publikationen haben jedoch eher traditionellen, nostalgischen Charakter, als dass sie der Information breiter Szenekreise dienen. Freiheitliche demokratische Grundordnung Damit ist nicht die Verfassung bzw. das Grundgesetz in seiner Gesamtheit gemeint, sondern die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie. Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien: das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und Seite 242 von 259 die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. In seinem Urteil zum Verfahren über das Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im Januar 2017 hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung weitgehend präzisiert. Im Zentrum stehen für das Gericht die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Fremdenfeindlichkeit Fremdenfeindlichkeit richtet sich gegen Menschen, die sich durch Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe von der als "normal" erachteten Umwelt unterscheiden. Die mit dieser Zuweisung typischerweise verbundenen vermeintlich minderwertigen Eigenschaften werden als Rechtfertigung für einschlägige Straftaten missbraucht. Insbesondere das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. G10-Maßnahme Nach dem "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (Artikel 10-Gesetz) ist dem LfV der Eingriff in das Grundrecht nur unter folgenden engen Voraussetzungen möglich: Die Überwachung ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Planung oder Begehung bestimmter, schwerwiegender Straftaten - z. B. Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit oder Bildung einer terroristischen Vereinigung - vorliegen. Ebenfalls zulässig ist eine Überwachung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Zudem muss die Überwachung erforderlich sein, d. h. die Erforschung des Sachverhalts muss auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. Die Überwachung wird nicht vom LfV angeordnet, sondern auf dessen Antrag durch den Staatsminister des Innern. Vor dem Vollzug der Anordnung muss die sog. G10-Kommission über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Maßnahme entscheiden. Geheimschutz Der Geheimschutz umfasst alle personellen und materiellen (organisatorischen, baulichen und technischen) Maßnahmen zum Schutz von im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Unterlagen, Maßnahmen und Objekten. Der Geheimschutz sorgt dafür, dass Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder eines seiner Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Personeller Geheimschutz Die Verfassungsschutzbehörden wirken mit bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben, weil sie Zugang zu Verschlusssachen (VS) haben. Die Sicherheitsüberprüfung soll solche Personen aus sensiblen Bereichen fernhalten, die Anlass zu Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit oder an ihrem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung geben oder für Ansprachen anderer Nachrichtendienste gefährdet erscheinen. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet organisatorische, bauliche, mechanische, elektrotechnische und informationstechnische Maßnahmen zum Schutz von Verschlusssachen (unabhängig von ihrer Darstellungsform) und von räumlichen Sicherheitsbereichen. Einer der Schwerpunkte ist die Sicherheit beim Umgang mit Informationen, die im staatlichen Interesse Unbefugten nicht zur Kenntnis gelangen dürfen. Dazu gehören insbesondere die richtige Einstufung von Dokumenten als Verschlusssachen Seite 243 von 259 (VS-Nur für den Dienstgebrauch, VS-Vertraulich, GEHEIM und Streng GEHEIM) sowie deren Herstellung, Aufbewahrung/Speicherung, Vervielfältigung, Weitergabe/Übermittlung und Aussonderung/Archivierung bzw. Vernichtung/Löschung. Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) Das GETZ wurde im November 2012 zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/-terrorismus, der Spionage sowie der Proliferation eingerichtet. Im Rahmen des Gremiums tauschen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern Informationen zu den genannten Phänomenbereichen aus. Dabei soll die Fachexpertise der Sicherheitsbehörden gebündelt und ein möglichst lückenloser Informationsfluss gewährleitet werden. Gemeinsames Internetzentrum (GIZ) Im GIZ beobachten seit 2007 sprachkundige Experten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder das Internet hinsichtlich islamistischer und islamistisch-terroristischer Inhalte. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das im Jahr 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in BerlinTreptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst (BAMAD), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird durch die dortige Zusammenarbeit erleichtert und beschleunigt. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des Grundgesetzes, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Islamistische Organisationen - mit Ausnahme islamistisch-terroristischer Organisationen - lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Organisationen, die in ihren Herkunftsländern die konsequente Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen nach ihrem Verständnis der islamischen Rechtsordnung (Scharia) anstreben. In Deutschland liegt ihr Schwerpunkt auf propagandistischen Aktivitäten sowie der Sammlung von Spendengeldern, um die Mutterorganisationen in den Herkunftsländern zu unterstützen. Andere islamistische Gruppierungen in Deutschland verfolgen eine umfassendere, auch politisch motivierte Strategie. Auch sie streben eine Änderung der Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Seite 244 von 259 Staatswesens an. Sie bemühen sich jedoch im Rahmen einer legalistischen Strategie, ihren Anhängern in Deutschland größere Freiräume für ein schariakonformes Leben zu schaffen. Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für islamistische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Unter "Homegrown"-Terrorismus sind islamistische Strukturen oder Strukturansätze zu verstehen, die sich aus radikalisierten Personen ab der zweiten Einwanderergeneration sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Die Personen sind zumeist in europäischen Ländern geboren und/oder aufgewachsen, stehen jedoch aufgrund religiöser, gesellschaftlicher, kultureller oder psychologischer Faktoren dem hiesigen Wertesystem ablehnend gegenüber und erachten die Errichtung einer islamistischen Gesellschaftsordnung für erstrebenswert. Lediglich ein sehr kleiner Teil zum Islam konvertierter Personen macht sich islamistisches Gedankengut zu eigen und engagiert sich für islamistische Ziele. Die Rolle von Konvertiten in islamistischen / islamistisch-terroristischen Strukturen erklärt sich u. a. aus der Motivation, sich gegenüber Glaubensbrüdern als besonders gute Muslime (hier: Islamisten) beweisen zu wollen. Sie weisen zudem aufgrund ihrer Kenntnis der westlichen Gegebenheiten strategische Vorteile auf. Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf / "heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. Klandestine Aktionen Diese Aktionsform findet unabhängig vom Demonstrationsgeschehen Anwendung. Es handelt sich um Aktionen, bei denen es entweder zum Einsatz von Gewalt kommt bzw. es sich um herausgehobene Zielobjekte des politischen Gegners bzw. Einrichtungen des "Repressionsapparates" handelt. Taktisch setzt man dabei auf das Überraschungsmoment und die Anonymität der Akteure. Dadurch wird für die Handelnden das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung minimiert. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kleiner, aber fester Personenkreis mit hohem Konspirationsgrad. Es sollen hierdurch politische Aufmerksamkeit erreicht und politischer Einfluss ausgeübt werden. Daher werden die Aktionen in der Regel auch durch Bekennerschreiben flankiert. Kontrolle der Verfassungsschutzbehörden Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte des Bürgers sind den Verfassungsschutzbehörden nur auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Damit der Bürger darauf vertrauen kann, dass die Verfassungsschutzbehörden sich an ihren gesetzlichen Auftrag und an die für die Tätigkeit geltenden Rechtsbestimmungen halten, unterliegen sie der Kontrolle auf mehreren Ebenen. s.a. Parlamentarische Kontrollgremien, Datenschutz Seite 245 von 259 Legende "Legende" bezeichnet im Sprachgebrauch der Nachrichtendienste die Verwendung ganz oder teilweise erfundener oder geänderter biographischer Daten, um den Auftrag der Nachrichtendienste zu erfüllen und für sie tätige Personen gegenüber Dritten zu schützen. Im Rahmen einer Legende werden Tarnmittel eingesetzt, insbesondere Tarnadressen, Tarnausweise und Kfz-Tarn-Kennzeichen. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao und andere, Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzende Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: Dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, AUTONOME, ANARCHISTEN und sonstige Sozialrevolutionäre: In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität an. Mujahidin Als Mujahidin (Plural für: "Kämpfer im Jihad") werden Islamisten bezeichnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich am "gewaltsamen Jihad" selbst beteiligen oder beteiligt haben oder für die Teilnahme am "gewaltsamen Jihad" ausbilden lassen oder bereits haben ausbilden lassen oder am "gewaltsamen Jihad" beteiligen werden, z. B. aufgrund entsprechender Äußerungen. Arabische Muslime verschiedener Nationalität stellen einen überproportional großen Teil der Mujahidin. Nachrichtendienste Nachrichtendienste sammeln Informationen über die die innere oder äußere Sicherheit eines Staates gefährdende Bestrebungen und werten sie aus. Hierbei können die Nachrichtendienste verdeckt arbeiten (vgl. nachrichtendienstliche Mittel). Die Ergebnisse der Analyse werden in Berichtsform zusammengefasst und den politischen Entscheidungsträgern sowie den Kontrollgremien zur Verfügung gestellt. Seite 246 von 259 Nachrichtendienste in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland existieren drei Nachrichtendienste: Inlandsnachrichtendienst (Verfassungsschutzbehörden: Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesämter für Verfassungsschutz) Auslandsnachrichtendienst (BND) Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist föderal organisiert. Dementsprechend existieren 17 Verfassungsschutzbehörden, ein Bundesamt (BfV) und 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV). Sie arbeiten gemäß dem Bundesverfassungsschutzgesetz bzw. den Landesverfassungsschutzgesetzen in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder können entweder als Abteilung unmittelbar im jeweiligen Innenministerium angesiedelt oder als eigenständige Landesoberbehörde dem jeweiligen Innenministerium nachgeordnet sein. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er hat die Aufgabe, im Ausland Informationen zu sammeln, die von außenoder sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Er wertet diese Informationen selbst aus. Neben den Kernaufgaben der Auslandsaufklärung übernimmt der BND auch Aufgaben in der Beobachtung der international operierenden Organisierten Kriminalität, insbesondere auf den Gebieten Waffenund Technologietransfer, Geldwäsche, Menschenhandel und Rauschgiftschmuggel. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), eine Dienststelle des Bundesverteidigungsministeriums, ist der Nachrichtendienst der Bundeswehr. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat er die Aufgabe, extremistische, sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Bestrebungen und Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr zu beobachten. Die Hauptaufgaben des BAMAD liegen dabei in der Abwehr von Spionageaktivitäten sowie im Aufspüren verfassungsfeindlicher Bestrebungen innerhalb der Truppe. Das BAMAD ist auch für die Sicherheit von Bundeswehrliegenschaften zuständig. Nachrichtendienste fremder Staaten In der Bundesrepublik Deutschland agieren Nachrichtendienste fremder Staaten, um Informationen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu gewinnen (politische, wirtschaftliche, militärische Entwicklungen und Entscheidungen). Hinsichtlich ihrer Organisation und ihrer Befugnisse sind diese Dienste in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgestaltet Nachrichtendienstliche Mittel Mit nachrichtendienstlichen Mitteln als Oberbegriff werden technische Mittel und Arbeitsmethoden der geheimen Nachrichtenbeschaffung bezeichnet. So darf das LfV nach SS 7 Abs. 1 und 2 SächsVSG (gültig bis einschließlich 15. August 2025: SS 5 Abs.1 SächsVSG) Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Dem LfV ist unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (nach SS 5 SächsVSG) die Erhebung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln insbesondere dann gestattet, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1 VSG oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder Seite 247 von 259 dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder eines Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. NADIS Das "Nachrichtendienstliche Informationssystem" (NADIS) ist ein Datenverbund des Bundesamtes und der Landesbehörden für Verfassungsschutz. NADIS ist eine Hinweisdatei, d.h. sie dient zur Identifizierung einer Person, Organisation oder eines Sachverhaltes und dem Auffinden von Aktenfundstellen. Eine Speicherung im NADIS darf nur aufgrund der in den Verfassungsschutzgesetzen definierten gesetzlichen Regelungen erfolgen. Neue Rechte Bei der "Neuen Rechten" handelt es sich um ein informelles Netzwerk verschiedener Organisationen und Gruppierungen, in welchem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken. Diese nehmen innerhalb dieses Geflechts unterschiedliche Funktionen wahr. Sie sind aktionsorientiert (IDENTITÄRE BEWEGUNG), unterstützen finanziell (EIN PROZENT E.V.), fördern die Theoriebildung (ehemaliges INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK), sind vorwiegend journalistisch tätig (COMPACT MAGAZIN GMBH) oder gehören dem Parteienspektrum an (ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AfD) - LANDESVERBAND SACHSEN, JUNGE ALTERNATIVE). Mittels unterschiedlicher Strategien sollen antidemokratische Positionen in Politik und Gesellschaft durchgesetzt werden. Das gemeinsame Ziel ist eine "Kulturrevolution von rechts". Opportunitätsprinzip / Legalitätsprinzip Während die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) nach der Strafprozessordnung grundsätzlich verpflichtet sind, bei Verdacht einer Straftat von Amts wegen einzuschreiten (Legalitätsprinzip), gilt für die Verfassungsschutzbehörden das Opportunitätsprinzip. Hiernach steht die Entscheidung, ob wegen einer Straftat eingeschritten werden soll, im Ermessen. So kann der Verfassungsschutz wegen einer zu erwartenden relevanten Erkenntnissteigerung auf ein unmittelbares Einschreiten verzichten. Das Opportunitätsprinzip ist Grundlage für (oftmals jahrelang) wachsende Vertrauensverhältnisse. Diese ermöglichen dem Verfassungsschutz einen exklusiven Zugang zu Informationsquellen, seien es V-Leute oder auch Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste. Damit dies so bleibt, müssen Nachrichtendienste einen besonderen Wert auf Quellenschutz legen. Hinweisgeber sind nicht selten Straftäter oder Opfer, die Sanktionen der Täter befürchten. Im Zweifel kann ein mögliches Strafverfolgungsinteresse dem Schutz der Quelle untergeordnet werden. Dadurch, dass der Verfassungsschutz vom Strafverfolgungszwang losgelöst ist, kann er weitergehend operieren, etwa, um eine extremistische bzw. terroristische Szene näher aufzuklären oder eine Gefahrensituation zu entschärfen, indem er versucht, einzelne Täter aus der Szene herauszulösen und als Informanten zu gewinnen. Auf diese Weise können unter Umständen auch die Strukturen der Bestrebung geschwächt werden. Ohne Strafverfolgungszwang hat der Verfassungsschutz Raum für umfassende Analysen und Methodik. Im Gegensatz zur Polizei kann er "flächendeckende" Strukturerkenntnisse sammeln. Personenbezogene Daten Hierunter versteht man alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, Seite 248 von 259 physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Das Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" wurde zum 1. Januar 2001 eingeführt. Erfasst werden alle Straftaten, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, sowie Straftaten, bei denen in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind. Die Daten werden im Polizeibereich erhoben und zentral durch das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter unter verschiedenen Gesichtspunkten differenziert dargestellt. Die Straftaten werden folgenden Bereichen zugeordnet: politisch motivierte Kriminalität - rechts, politisch motivierte Kriminalität - links, politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie / religiöse Ideologie211, sonstige politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dazu erforderlichen Knowhows. Quelle / Quellenschutz Im nachrichtendienstlichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Quelle" die Herkunft einer Information. Quellen können Personen (z. B. V-Leute), aber auch Medien (z. B. Internet, Druckerzeugnisse) oder andere Behörden sein. Unter "Quellenschutz" versteht man alle Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, eine nachrichtendienstliche Quelle vor einer Enttarnung und deren Folgen zu schützen. Radikalismus Dabei handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denkund Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits "von der Wurzel (lat. radix) her" anpacken will. Im Unterschied zum Extremismus (s. dort) sollen jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale bzw. "extreme" politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt. 211 Seit 2018 werden die Strafund Gewalttaten nach ausländischer (d. h. politischer) und religiöser Ideologie unterschieden. Vorher nannte sich die Rubrik "Politisch motivierte Ausländerkriminalität - Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund". Auch Straftaten aus dem Phänomenbereich "Islamismus" wurden darunter registriert. Seite 249 von 259 Rechtsextremismus Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder "Rasse" bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer "volksgemeinschaftlicher" Konstrukte zurück (Antipluralismus). Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus ist eine rechtsextremistisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die durch Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter im Rahmen längerfristiger Strategien das Ziel verfolgt, mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern oder das Ziel einer ethnisch und politisch homogenen Gesellschaft durchzusetzen. Revisionismus, rechtsextremistischer Der das Bestreben nach einer kritischen Überprüfung von Erkenntnissen beschreibende Begriff "Revisionismus" wird von Rechtsextremisten zur Umdeutung der Vergangenheit verwendet. Ihnen geht es dabei nicht um eine wissenschaftlich objektive Erforschung der Geschichte, sondern um die Manipulation des Geschichtsbildes, um insbesondere den Nationalsozialismus in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Man kann unterscheiden zwischen einem Revisionismus im engeren Sinn, der den Holocaust leugnet, und einem Revisionismus im weiteren Sinn, der etwa die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bestreitet. Der zeitgeschichtliche Revisionismus bedient sich unterschiedlicher Aussagen und Methoden. So beinhaltet die Leugnung des "Holocaust", das Ausmaß der Ermordung von Millionen europäischer Juden durch das NS-Regime zu verharmlosen oder sogar abzustreiten. Dabei werden vorhandene Dokumente auf unseriöse Weise fehlinterpretiert oder fadenscheinige Vorwände zur Leugnung der Ereignisse gesucht. Forschungsergebnisse seriöser Historiker, die eindeutig belegen, dass die "Endlösung der Judenfrage" unzweifelhaft stattgefunden hat, werden durch rechtsextremistische Revisionisten bewusst ignoriert. Sabotageschutz Unter den Begriff fallen alle Maßnahmen zur Abwehr von Sabotage. Als Sabotage bezeichnet man die Beeinträchtigung, Beschädigung oder Zerstörung lebensund verteidigungswichtiger Einrichtungen wie z. B. Kraftwerke, Verkehrsverbindungen oder Kommunikationsanlagen. Die absichtliche Störung eines wirtschaftlichen oder militärischen Ablaufs dient der Erreichung eines bestimmten, oft politischen, Ziels. Vergehen werden gemäß SSSS 87, 88 des Strafgesetzbuches (StGB) geahndet. Ziel des Sabotageschutzes ist es, Einrichtungen, deren Ausfall oder Zerstörung die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung erheblich bedrohen oder die für das Gemeinwesen unverzichtbar sind, vor möglichen Innentätern zu schützen. Unabhängig von der jeweiligen Organisationsform sollen daher besonders sicherheitsempfindliche Teile von Einrichtungen geschützt werden, die z. B. der Energieversorgung der Bevölkerung dienen oder für das Funktionieren des Gemeinwesens - z. B. Telekommunikation, Bahn, Post - Seite 250 von 259 notwendig sind. Das Gleiche gilt für Beeinträchtigungen von Einrichtungen, die der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte dienen. Salafismus Die salafistische Bewegung strebt eine Rückkehr zum Vorbild der "lauteren Vorfahren" (asSalaf as-salih) und damit zu einem fiktiven "Urislam" an. Zentrale Merkmale dieser Religionsinterpretation sind die strikte Konzentration auf Koran und Prophetentradition (Sunna) als handlungsweisende Texte, die Ablehnung aller Neuerungen, die als unvereinbar mit dem "wahren islamischen Geist" gelten, das unbedingte Bekenntnis zur Einheit Gottes (Tauhid), die Durchsetzung des religiösen Gesetzes (Scharia) sowie eine Vielzahl an Kleidungsund Verhaltensvorschriften. Viele der dabei vertretenen Ansichten sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Schwarzer Block Der sog. "Schwarze Block", vermummte Aktivisten in einheitlicher "Kampfausrüstung", ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der "Schwarze Block" ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder "Schwarze Block" beinhaltet jedoch ein einzelfallbezogenes, spezifisch bestimmendes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung dynamisch und auch kurzfristig noch verändern kann. Wenngleich der "Schwarze Block" überwiegend ein Ausdruck linksextremistischer Massenmilitanz (Straßenkrawalle im Rahmen von Demonstrationen) ist, schließt die Teilnahme eines "Schwarzen Blocks" an einer Demonstration keinesfalls einen friedlichen Demonstrationsverlauf aus. Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus. Hierdurch sollen Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste gewonnen werden. Die Spionageabwehr gehört von Gesetzes wegen zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Terrorismus Terrorismus ist nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS Seite 251 von 259 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Terrorismusbekämpfungsgesetze Durch die Anschläge des 11. September 2001 wurden neue Bekämpfungsansätze erforderlich. Mit einem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG)) wurden Anfang 2002 zahlreiche Sicherheitsgesetze der neuen Bedrohungslage angepasst. So erhielt der Verfassungsschutz das Recht, auch solche Bestrebungen zu beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, da diese Bestrebungen ein gefährlicher Nährboden für den wachsenden Terrorismus sind. Zur Erforschung von Geldströmen und Kontobewegungen von Organisationen und Personen, die extremistischer Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender Tätigkeiten verdächtigt werden, erhielt der Verfassungsschutz die Befugnis, bei Banken und Geldinstituten Informationen über Konten einzuholen. Ferner wurden Auskunftspflichten für Postdienstleister, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsund Teledienstleister vorgesehen. Mit der Neufassung und Ausweitung der Vereinsverbotsgründe durch Änderung des Vereinsgesetzes wurden die staatlichen Handlungsoptionen zur Bekämpfung extremistischer Vereinigungen mit Auslandsbezug ergänzt, so dass für Ausländervereine und ausländische Vereine z. B. verhindert werden kann, dass gewalttätige oder terroristische Organisationen von Ausländervereinen in Deutschland unterstützt werden. Mit einem Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (TBEG) von Anfang 2007 wurden weitere Verbesserungen bei der Terrorismusbekämpfung geschaffen. So wurden die Auskunftsbefugnisse des Verfassungsschutzes gegenüber Banken, Geldinstituten, Postdienstleistern, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsund Teledienstleistern praxisorientiert fortentwickelt und ergänzt. Die bewährten Befugnisse wurden erstreckt auf die Aufklärung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Inland, die die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt fördern. Die durch den Wegfall der Binnengrenzkontrollen eingeschränkte Möglichkeit der Grenzfahndung wird nunmehr kompensiert durch eine Ausschreibungsmöglichkeit im Schengener Informationssystem und eine damit notwendig verbundene Ausschreibung im nationalen polizeilichen Informationssystem INPOL, um den besonderen Gefahren internationaler extremistischer Bestrebungen und Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste zu begegnen. Des Weiteren erhielten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) die Möglichkeit, Auskünfte über Fahrzeugund Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) auch im automatisierten Abrufverfahren einzuholen. Trennungsgebot Durch das Trennungsgebot wird eine organisatorische und funktionelle Trennung von Verfassungsschutz und Polizei/Staatsschutz vorgegeben. Dies ist für das Landesamt für Verfassungsschutz in SS 1 Abs. 3 und SS 4 Abs. 2 SächsVSG (gültig bis einschließlich 15. August 2025: SS 1 Abs. 4 und SS 4 Abs.3 SächsVSG)geregelt. Eine solche Trennung gebietet zwar eine Beschränkung des Informationsautauschs zwischen Verfassungsschutz und Polizei, verbietet ihn jedoch nicht grundsätzlich. Dieser ist vielmehr notwendig, um trotz der Trennung effektiv arbeiten zu können. Nur durch eine Vernetzung von Nachrichtendiensten und Polizei ist es möglich, die in der jeweiligen Rechtssphäre gewonnenen Erkenntnisse auszutauschen und zu analysieren. Dem Verfassungsschutz selbst stehen lediglich reine Beobachtungsbefugnisse zu; wenn er jedoch ausreichende Erkenntnisse gewonnen hat, die den Eingriff einer Polizeibzw. Sicherheitsbehörde erfordern, darf er unterbestimmten Voraussetzungen Polizei oder Staatsanwaltschaft unterrichten. Seite 252 von 259 Verfassungsfeindlich Verfassungsfeindlich (= extremistisch) sind politische Aktivitäten, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind und darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. "Verfassungsfeindlichkeit" ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der "Verfassungswidrigkeit" (siehe unten). Verfassungsschutzbehörden Das Bundesverfassungsschutzgesetz verpflichtet Bund und Länder, eigene Verfassungsschutzbehörden aufzubauen. Der Bund kam dieser Pflicht durch Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 7. November 1950 nach. Die Länder folgten alsbald. Auch in den neuen Bundesländern wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands schrittweise Behörden für Verfassungsschutz aufgebaut, so dass es nun 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz in Deutschland gibt. Einige Länder errichteten eigenständige Verfassungsschutzbehörden, andere wiesen die Aufgabe des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes einer Abteilung ihres Innenministeriums/-senats zu. Hierfür gelten die jeweiligen Verfassungsschutzgesetze der Länder. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates Kennzeichnend für diese relativ neue Ausprägung des politischen Extremismus DEMOKRATIEFEINDLICHE UND/ODER SICHERHEITSGEFÄHRDENDE DELEGITIMIERUNG DES STAATES ist der Rückgriff auf diverse Verschwörungserzählungen sowie die grundsätzliche Ablehnung von demokratischen Entscheidungsfindungsmechanismen. "Delegitimierer" zielen ganz bewusst darauf ab, das Misstrauen der Bevölkerung in die Funktionsweise staatlicher Institutionen zu schüren. Zugleich versuchen sie ihre Anhänger davon zu überzeugen, in einer Diktatur zu leben, gegen die Widerstand legitim und notwendig sei. Dem Sammel-Beobachtungsobjekt werden Akteure zugeordnet, bei denen kein ideologischer Hintergrund feststellbar ist, der den bisherigen etablierten Phänomenbereichen (Rechtsextremisten oder REICHSBÜRGERN und SELBSTVERWALTERN) zugeschrieben werden kann. Angesichts des gemeinsamen Ziels, den Sturz des gegenwärtigen politischen Systems herbeiführen zu wollen, ist allerdings eine zunehmende Annäherung dieser Phänomenbereiche festzustellen. Verfassungswidrig Umgangssprachlich häufig synonym mit "verfassungsfeindlich" zu finden. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 GG; SSSS 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Parteien sind verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es genügt nicht, wenn die Partei die freiheitliche demokratische Ordnung nicht anerkennt, sie ablehnt oder ihr andere Prinzipien entgegenhält. Es muss vielmehr eine aktivkämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung hinzukommen. Die Organisation muss also planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen und im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen. Im Urteil zum NPD-Verbotsverfahren vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, forderte das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung der von einer Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen (so z. B. die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, oder die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu Seite 253 von 259 verschaffen) oder konkrete Anhaltspunkte von Gewicht für ein deutliches Überschreiten der Grenzen des zulässigen politischen Meinungskampfes. Verschwörungsnarrative Als Verschwörungsnarrative bzw. -theorien werden generell Gedankenmodelle bezeichnet, die davon ausgehen, dass sich eine Personengruppe im Geheimen zusammentut, um politische und kulturelle Ereignisse zu steuern oder gar zu erschaffen. Diese Verschwörungstheorien haben, so die Behauptung, gemein, dass sie den Interessen oder der Bereicherung der "Verschwörer" dienen und zu Lasten des Großteils der Bevölkerung gehen. Der Inhalt solcher "Theorien" ist keiner Wahrheitsprüfung zugänglich. Viele Experten lehnen den Begriff der Verschwörungstheorie deshalb ab, da eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne immer so aufgebaut werden muss, dass sie auch widerlegt werden kann. Stattdessen werden Begriffe wie Verschwörungserzählung empfohlen.212 Ein von der "Neuen Rechten" verbreitetes Verschwörungsnarrativ ist der sog. "Große Austausch". Dieses geht auf den französischen Begriff "Grand Remplacement zurück und unterstellt demokratischen Regierungen, einen geheimen Plan zum Austausch der Mehrheitsbevölkerung durch vorwiegend muslimische Einwanderer zu verfolgen. Oftmals werden Begriffe wie "Bevölkerungsaustausch" oder "Ersetzungsmigration" synonym verwendet, während die synonym verwendete Formulierung "Umvolkung" eine direkte Referenz auf den gleichlautenden nationalsozialistischen Terminus darstellt. V-Leute Vertrauensleute, sogenannte V-Leute, sind Personen, die planvoll und systematisch zur Gewinnung von Informationen über extremistische Bestrebungen eingesetzt werden. Sie sind keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Für ihre Informationen werden sie in der Regel entlohnt. Die Identität von Vertrauensleuten wird besonders geschützt (siehe auch Quellenschutz). Bei dem Einsatz von V-Leuten handelt sich um ein nachrichtendienstliches Mittel/Instrument. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Knowhow-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage beinhaltet die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 212 vgl. "Verschwörungstheorien - Verstehen und der richtige Umgang", Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Stand: 08.04.2024 (https://www.slpb.de/themen/gesellschaft/verschwoerungstheorien) Seite 254 von 259 Abkürzungsverzeichnis A ABC DRESDEN ANARCHIST BLACK CROSS DRESDEN ABE ARYAN BROTHERHOOD EASTSIDE AfD Alternative für Deutschland AKB ARMEEKORPSBEZIRK AND ANARCHISTISCHES NETZWERK DRESDEN AQ AL-QAIDA ART DRESDEN ANTIFA RECHERCHETEAM DRESDEN B BAMAD Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BKA Bundeskriminalamt BND Bundesnachrichtendienst BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BzKJ Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz D DJV DEUTSCHE JUGEND VORAN DKP DEUTSCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI DMG DEUTSCHE MUSLIMISCHE GEMEINSCHAFT E.V. E EA Dresden ERMITTLUNGSAUSSCHUSS DRESDEN F FAU FREIE ARBEITER*INNEN-UNION FKD FREIE KAMERADSCHAFT DRESDEN FKMO FREIE KRÄFTE MITTEL/OSTSACHSEN G G 10 Artikel 10-Gesetz GH GEFANGENENHILFE.INFO H HPG VOLKSVERTEIDIGUNGSKRÄFTE HNG HILFSORGANISATION FÜR NATIONALE POLITISCHE GEFANGENE UND DEREN ANGEHÖRIGE E.V. I IB IDENTITÄRE BEWEGUNG DEUTSCHLAND I FS INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK IL INTERVENTIONISTISCHE LINKE INS ISLAMISTISCHE NORDKAUKASISCHE SZENE IS ISLAMISCHER STAAT Seite 255 von 259 ISPK ISLAMISCHER STAAT PROVINZ KHORASAN IVG INDIGENES VOLK GERMANITEN J JA JUNGE ALTERNATIVE JN JUNGE NATIONALISTEN JS JUNG UND STARK Juko "Antifaschistischer Jugendkongress" JXK/YXK STUDIERENDE FRAUEN AUS KURDISTAN/VERBAND DER STUDIERENDEN AUS KURDISTAN K KCDK-E KONGRESS DER KURDISCHEN DEMOKRATISCHEN GESELLSCHAFT KURDISTANS IN EUROPA KdN Kampf der Nibelungen KO KOMMUNISTISCHE ORGANISATION KON-MED KONFÖDERATION DER GEMEINSCHAFTEN KURDISTANS IN DEUTSCHLAND E.V. KPD KOMMUNISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS KPF KOMMUNISTISCHE PLATTFORM DER PARTEI "Die Linke" KPV KOMMUNALPOLITISCHE VEREINIGUNG der Partei DIE HEIMAT KRD KÖNIGREICH DEUTSCHLAND KRITIS Kritische Infrastrukturen KSGV KÖNIGLICH SÄCHSISCHER GEMEINDEVERBAND L LfV Landesamt für Verfassungsschutz LKA Landeskriminalamt M MB MUSLIMBRUDERSCHAFT MKBD MARWA ELSHERBINY KULTURUND BILDUNGSZENTRUM DRESDEN E. V. MLKP MARXISTISCHE LENINISTISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI MLPD MARXISTISCH-LENINISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS N NDS Neuer Deutscher Standard NJB NATIONALER JUGENDBLOCK ZITTAU E. V. NPD NATIONALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS NRJ NATIONALREVOLUTIONÄRE JUGEND NS Nationalsozialismus (hist.) NSBM NS-Black Metal NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSU Nationalsozialistischer Untergrund P PKK ARBEITERPARTEI KURDISTANS PKK Parlamentarische Kontrollkommission PMK Politisch motivierte Kriminalität PYD PARTEI DER DEMOKRATISCHEN UNION Seite 256 von 259 R R.A.C. Rock Against Communism REVO REVOLUTION RH ROTE HILFE E.V. RNF RING NATIONALER FRAUEN S SächsVSG Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen SBD SÄCHSISCHE BEGEGNUNGSSTÄTTE UND DIENSTLEISTUNGEN UNTERNEHMERGESELLSCHAFT (HAFTUNGSBESCHRÄNKT) SDAJ SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND StGB Strafgesetzbuch T TCS TEVGERA CIWANEN SORESGER TJK-E KURDISCHE FRAUENBEWEGUNG IN EUROPA U URA DRESDEN UNDOGMATISCHE RADIKALE ANTIFA DRESDEN V V-Person Vertrauensperson VBZ VOLKSSTIMME BÜRGERBÜNDNIS ZWICKAU VHD VATERLÄNDISCHER HILFSDIENST VSG Verfassungsschutzgesetz Y YPG/YPJ VOLKSVERTEIDIGUNGSEINHEITEN YS YOUNG STRUGGLE Seite 257 von 259 Aussteigerprogramm Sachsen Das Aussteigerprogramm Sachsen unterstützt Personen, die sich im Einflussbereich extremistischer Gruppen oder Handlungszusammenhänge befinden, sich aus diesen lösen wollen und hierfür Unterstützung benötigen. Ziel ist es, Aussteigerinnen und Aussteigern einen Neustart in der Gesellschaft zu ermöglichen. Das Aussteigerprogramm Sachsen berät und begleitet darüber hinaus beispielsweise auch Familienangehörige, Freunde und Fachkräfte im Umgang mit Krisenund Konfliktsituationen. Das Aussteigerprogramm Sachsen arbeitet dabei phänomenübergreifend. Die Leistungen sind kostenfrei, anonym und vertraulich. Weitere Informationen und Kontakt: Aussteigerprogramm Sachsen Postfach 30 11 25 04251 Leipzig Tel.: 0173-9617643 E-Mail: kontakt@steig-aus.de Internet: www.steig-aus.de Seite 258 von 259 Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium des Innern und Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Redaktionsschluss: 21. Mai 2025 Bezug: Diese Druckschrift kann kostenfrei bezogen werden beim: Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60, 01129 Dresden Telefon: +49 351 85850 Telefax: +49 351 8585500 E-Mail: verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.verfassungsschutz.sachsen.de Verteilerhinweis: Diese Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung bei der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausgebers zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist jedoch den Parteien, diese Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Copyright Diese Veröffentlichung ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die des Nachdruckes von Auszügen und der fotomechanischen Wiedergabe, sind dem Herausgeber vorbehalten. Seite 259 von 259