Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2022 Die Würde des Menschen ist unantastbar Wehrhafte Demokratie zum Schutz der freiheitlichen Grundordnung VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, wehrhaft kann eine Demokratie nur dann sein, wenn sie ihre Feinde kennt. Unser Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist dafür unerlässlich. Es beobachtet extremistische Gruppierungen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung infrage stellen und bekämpfen wollen. Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse zusammen, die das LfV im (c) SMI | C. Reichelt Jahr 2022 zusammengetragen und ausgewertet hat. Eines wird dabei deutlich: Unsere Radarschirme sind unverändert voll - ob Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter, Linksextremisten, Islamisten oder extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug. Armin Schuster Sächsischer Staatsminister des Innern Die größte Herausforderung bleibt der Rechtsextremismus, auch wenn die Anzahl entsprechender Straftaten insgesamt rückläufig war. Etwa 4.350 Rechtsextremisten haben wir im vergangenen Jahr im Freistaat gezählt - eine unverändert hohe Zahl. Schon lange wissen wir, dass Rechtsrockkonzerte für Vernetzung und Finanzierung der Szene essenziell sind. Deswegen haben wir uns zum Ziel gesetzt, diesen Veranstaltungen in Sachsen konsequent entgegenzutreten - mit Erfolg. Im Torgauer Ortsteil Staupitz etwa wurde der Konzertbetrieb durch den Landkreis inzwischen verboten. Mit unserem erst jüngst gestärkten Expertennetzwerk, angesiedelt in der Landesdirektion, haben wir ein Instrument, welches unsere Kommunen und Landkreise mit Know-how insbesondere im Kampf gegen den Rechtsextremismus unterstützt. Auch die Szene um sog. Völkische Siedler sowie Reichsbürger und Selbstverwalter hat sich weiter in den Fokus gerückt. Gerade Reichsbürger und Selbstverwalter lehnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, unserer Institutionen und unseres Rechtssystems ab bzw. bestreiten sie. Folglich sprechen sie den Repräsentanten staatlicher und kommunaler Institutionen die Legitimation ab und negieren die geltende Rechtsordnung. Dieser Szene wurden im vergangenen Jahr rund 2.500 Personen zugerechnet. Das sind 600 Personen mehr als im Jahr 2021 - ein Anstieg, der seine Ursachen vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden massiven Verbreitung von Verschwörungstheorien hat. Umso wichtiger ist, dass die Staatsregierung 2021 ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus entwickelt hat, das im vergangenen Jahr fortgeschrieben wurde. Mit diesem wird die Zusammenarbeit der Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Polizei und Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus intensiviert. 3 VORWORT Da der Verfassungsschutz alle Phänomenbereiche gleichermaßen im Blick haben muss, ist auch die linksextremistische Szene im Blickfeld der Behörde. Im Berichtsjahr stieg das Personenpotenzial um 40 Personen auf 890 an. Die gewaltorientierten Linksextremisten stellten darunter mit 650 Personen unverändert die größte Gruppe dar. Um dieser Entwicklung wirksam entgegenzutreten, brauchen wir eine Strategie gegen Linksextremismus. Neben Linksund Rechtsextremismus ist der Islamismus, insbesondere der Salafismus, ein weiterer zentraler Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes im Freistaat. Obwohl sich das Personenpotenzial im bundesweiten Vergleich mit 450 Personen im unteren Bereich bewegt, bleibt auch bei uns die abstrakte Gefahr von islamistisch motivierten Terroranschlägen hoch. Zusätzlich beschäftigen sich die Nachrichtendienste von Bund und Ländern seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verstärkt mit den Tätigkeiten russischer Nachrichtendienste - also mit der Gefahr von "außen". Deutschland steht wegen seiner geopolitischen Lage, seiner Rolle in der EU und der NATO sowie seiner Bedeutung in Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie in besonderem Maße im Fokus. Intensität, Umfang und Komplexität der russischen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten haben mit Kriegsbeginn zugenommen. Insbesondere gilt es, unsere kritische Infrastruktur (KRITIS) vor Cyberangriffen zu schützen und unsere Gesellschaft über russische Desinformationskampagnen aufzuklären. Es ist vor diesem Hintergrund nur folgerichtig, dass das LfV diesem Thema einen eigenen Teil im aktuellen Verfassungsschutzbericht widmet. Das Szenario eines Cyberangriffs auf das Regierungshandeln werden wir auch im Rahmen der länderund ressortübergreifenden Krisenmanagementübung LÜKEX 2023 Ende September dieses Jahres üben. Insgesamt belegt der vorliegende Bericht: In einer starken Sicherheitsarchitektur braucht es nicht nur eine starke Polizei, sondern durch seine Frühwarnfunktion auch einen starken Verfassungsschutz. Unser LfV ist genau das. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten für den Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung einen immens wertvollen Beitrag. Ihre Expertise und ihre Arbeit sind ein entscheidender Baustein im Fundament unserer Demokratie. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich! Bei alledem müssen wir uns aber darüber bewusst sein, dass eine wehrhafte Demokratie ohne eine starke Zivilgesellschaft, die sich Vereinnahmungsoder Umarmungsversuchen der Extremisten widersetzt und sich von diesen klar abgrenzt, nicht bestehen kann. Deshalb sind wir alle gefragt, Tag für Tag für Demokratie und Meinungsvielfalt einzustehen. Armin Schuster Sächsischer Staatsminister des Innern 4 VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier brachte es in seiner Weihnachtsansprache im Jahr 2019 auf den Punkt: "Wir brauchen die Demokratie - aber ich glaube: Derzeit braucht die Demokratie vor allem uns!" (c) Staatsministerium des Innern (SMI) Der vorliegende Verfassungsschutzbericht 2022 belegt, dass dieser Satz aktueller ist denn je. Verfassungsfeinde aus allen extremistischen Phänomenbereichen waren im Freistaat Sachsen auch im Berichtsjahr eine enorme Herausforderung - für unser Landesamt für Dirk-Martin Christian Verfassungsschutz, für die Polizei, für die Gesellschaft und Präsident des Landesamtes für vor allem für unsere Demokratie! Verfassungsschutz Sachsen Rechtsextremisten und Populisten sind nach wie vor die Profiteure der weit verbreiteten Krisenstimmung. So verschieden die Protestthemen (Corona-Maßnahmen, Ukraine-Krieg, Energiewende, Inflation und Asylpolitik) auch sein mögen. Eines ist ihnen gemein: Sie tangieren die Achillesferse der Menschen, weil sie emotionalisieren und jeden Einzelnen persönlich treffen. Ziel rechtsextremistischer und populistischer Parteien ist es daher, diese Menschen zu erreichen, indem sie immer tiefer in die gesellschaftliche Mitte vordringen. Der "Marsch durch die Institutionen" beginnt bei gemeinsamen Demonstrationen auf der Straße, er setzt sich in der Wahlkabine fort und findet sein vorläufiges Ende in den Parlamenten und Gemeindevertretungen, in die diese Parteien gewählt worden sind. Rechtsextremisten stellten auch im Jahr 2022 unverändert die quantitativ und qualitativ größte Bedrohung für unsere Verfassungsordnung und unseren Wertekonsens dar. Aber auch Linksextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter, Islamisten und sog. Delegitimierer arbeiten zielstrebig daran, unser demokratisches Gemeinwesen mit gefährlichen Ideologien anzugreifen und auszuhöhlen. Ihnen geht es darum, Misstrauen gegen den Staat und seine Institutionen zu säen, die Gesellschaft zu spalten und die Bevölkerung gegen "die da oben" aufzubringen. Dabei bedienen sie sich nicht nur realweltlicher Proteste auf den Straßen, sondern immer intensiver der Wirkmacht der sozialen Medien. Für Linksextremisten ist überdies die Anwendung von Gewalt im Kampf gegen den politischen Gegner und gegen den Staat ein legitimes Mittel. Das brutale Vorgehen der Gruppe um die Linksextremistin Lina E. hat deutlich gemacht, dass inzwischen sogar der Tod der Opfer billigend in Kauf genommen wird. Reichsbürger wie der selbsternannte "König" Peter FITZEK werben vordergründig für ein Leben in den sogenannten Gemeinwohldörfern des "Königreichs Deutschland". Letztlich geht es auch dieser Gruppierung um die Abschaffung unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Die bisherigen 5 VORWORT Ermittlungen gegen die Reichsbürgergruppierung um den Prinzen Reuß zeigen, wohin die Ideologie der Reichsbürger führen kann. Das "Königreich Deutschland" beweist mit seinen Immobilienkäufen in Sachsen und andernorts, wie wichtig feste, sichere Rückzugsräume für das Ausleben extremistischer Ideologien sind. Die "eigenen vier Wände" dienen nicht nur als geschützter Veranstaltungsort, sondern auch als Kapitalanlage, in der zusätzlich Gewinne generiert werden können, wie dies z. B. bei rechtsextremistischen Konzerten der Fall ist. Immobilien dienen damit allgemein der Refinanzierung der jeweiligen extremistischen Szene. Eine weitere Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und damit auch des Freistaates Sachsen geht auf die vielfältigen Spionageaktivitäten und Cyberangriffe fremder - insbesondere russischer und chinesischer - Nachrichtendienste zurück. Deutschland ist für sie wegen seiner offenen, freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaftsordnung seit jeher ein attraktives Ziel. Mit Beginn des Ukraine-Krieges haben die gegen Deutschland gerichteten russischen Aktivitäten noch einmal stark zugenommen. So wirkt Russland beispielsweise mit gezielten Desinformationskampagnen auf hiesige politische Meinungsbildungsprozesse ein. Im Zuge der Realisierung des ambitionierten industriepolitischen Programms "Made in China 2025" stehen hierzulande vor allem Wirtschaft und Wissenschaft im Fokus chinesischer Aufklärung. Meine Damen und Herren, die Bedrohung der Demokratie von innen wie von außen ist im Berichtsjahr noch einmal größer geworden. Umso mehr sind wir alle gemeinsam zu ihrer Verteidigung aufgerufen. Dies ist ein Verfassungsauftrag, der gleichermaßen an jeden Einzelnen von uns gerichtet ist. Oder wie es der Bundespräsident formulierte: "Die Demokratie braucht vor allem uns!" Dirk-Martin Christian Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen 6 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis I. Verfassungsschutz in Sachsen 10 1. Gesetzlicher Auftrag 11 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes 11 1.2 Informationsgewinnung 13 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz 14 2. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention 15 3. Kontrolle des Verfassungsschutzes 17 II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen 20 1. Übergreifende Betrachtung 22 2. Rechtsextremismus 30 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 31 2.2 Personenpotenzial 34 2.3 Rechtsextremistische Parteien 36 2.3.1 Partei Der Dritte Weg (III. Weg) 36 2.3.2 NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) 43 2.3.3 Partei Freie sachseN 50 2.3.4 Neue stärke Partei (NSP) 58 2.4 Parteiungebundene Strukturen 60 2.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen 60 2.4.2 iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND (iB) - regioNalgruPPe sachseN 66 2.4.3 PegiDa 73 2.4.4 Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 79 2.4.5 Rechtsextremistische Musik 85 2.4.6 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 93 2.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus 100 2.6 Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien 101 2.7 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 105 3. ReichsbüRgeR und selbstveRwalteR 108 3.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 109 3.2 Strategie 109 3.3 Personenpotenzial 111 3.4 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen 112 7 INHALTSVERZEICHNIS 4. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 121 5. Linksextremismus 128 5.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 129 5.2 Personenpotenzial 132 5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 133 5.3.1 Aktionsfelder 133 5.3.2 Aktionsformen 137 5.4 autoNome 139 5.4.1 autoNome in Leipzig 141 5.4.2 autoNome in Dresden 147 5.4.3 autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 151 5.5 Anarchistische Gruppierungen 153 5.6 rote hilFe e. V. (RH) 156 5.7 rote WeNDe leiPzig 159 5.8 Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen 163 5.9 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 164 6. Islamismus 167 6.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 168 6.2 Personenpotenzial 169 6.3 Erscheinungsformen des Islamismus 170 6.3.1 Legalistischer Islamismus 170 6.3.2 Politischer und jihadistischer Salafismus 175 6.3.2.1 Politischer Salafismus 179 6.3.2.2 Jihadistischer Salafismus 180 7. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug 185 7.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 186 7.2 Personenpotenzial 186 7.3 Strukturen 187 7.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten ausländische Ideologie und religiöse Ideologie 192 III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 193 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten 194 2. Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 195 2.1 Akteure und Schwerpunkte 195 2.1.1 Russische Föderation 195 8 INHALTSVERZEICHNIS 2.1.2 Volksrepublik China 196 2.1.3 Nachrichtendienste sonstiger Staaten 198 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 198 2.2.1 Beschaffung von öffentlich zugänglichen Informationen 198 2.2.2 Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen 199 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen 202 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft 203 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben 205 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und Sabotageschutzüberprüfungen 206 1.1 Sicherheitsüberprüfungen 206 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen 207 2. Materieller Geheimschutz 207 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder Ausschlussgründen 208 V. Anhang 210 Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen im Jahr 2022 211 Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern bzw. durch die Innenministerien/-senate der Länder seit 1992 216 Glossar 220 Abkürzungsverzeichnis 241 Aussteigerprogramm Sachsen 243 Register 244 9 I. Verfassungsschutz in Sachsen Aufgaben und Befugnisse des LfV Sachsen sind gesetzlich geregelt. Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Gewinnung von Erkenntnissen zu extremistischen Bestrebungen sowie zu Terrorismus, Spionage und Cyberabwehr Informationsgewinnung durch offene Quellen und den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz: Trennungsgebot, aber kein Kooperationsverbot Das LfV informiert die Öffentlichkeit über erwiesene extremistische Bestrebungen ("Frühwarnsystem"). Kontrolle der Arbeit des LfV Sachsen u. a. durch das Sächsische Staatsministerium des Innern und die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Gesetzlicher Auftrag Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geht vom Grundgedanken einer streitbaren, wehrhaften Demokratie aus. Sie sieht vor, dass Angriffe von Extremisten auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv abgewehrt werden können. So können Parteien vom Bundesverfassungsgericht verboten oder von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden (Artikel 21 Absatz 2 bis 4 GG). Auch Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, können verboten werden (Artikel 9 Absatz 2 GG). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Staat entsprechende Bestrebungen oder Aktivitäten - sie werden als extremistisch oder verfassungsfeindlich bezeichnet - rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes als "Frühwarnsystem" zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Die über die extremistischen, verfassungsfeindlichen Bestrebungen gewonnenen Erkenntnisse werden in den Berichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen vor allem in Form von Analysen zu extremistischen Organisationen und Gruppierungen dokumentiert. Nur diese werden in der Berichterstattung durch die Schriftart "kaPitälcheN" dargestellt. 1. Gesetzlicher Auftrag 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen sowie zu Terrorismus und Spionage schon weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu gewinnen. Ziel seiner Tätigkeit ist es, rechtzeitig auf Gefahren hinzuweisen, die dem freiheitlichen Rechtsstaat aus Verfassungsschutz in Deutschland diesen Bereichen drohen. Dazu erstellt er LaIn der Bundesrepublik Deutschland gibt es gebilder und Analysen, die es den Regierungen Inlandsnachrichtendienste sowohl auf Bunvon Bund und Ländern ermöglichen, rechtzeitig desebene (Bundesamt für Verfassungsschutz) Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die als auch auf Ebene der Länder (Landesverfasfreiheitliche demokratische Grundordnung und sungsschutzbehörden). Die Behörden arbeidie innere Sicherheit einzuleiten. Dem Verfassungsschutz selbst stehen keine polizeilichen ten jeweils selbstständig, sind jedoch gesetzBefugnisse zu. Jedoch übermittelt er unter belich zur Zusammenarbeit verpflichtet. stimmten Voraussetzungen seine Erkenntnisse Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsan Polizei und Staatsanwaltschaft, um deren schutzes sind gesetzlich genau festgelegt. Vollzugsmaßnahmen zu unterstützen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in diesem Bereich regelt das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG). Zudem gibt es für jedes Land ein eigenes Verfassungsschutzgesetz, das die Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Landesverfassungsschutzbehörde regelt. Die Rechtsgrundlage 11 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes des Verfassungsschutzes in Sachsen ist das "Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen" (SächsVSG)1. Für das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wurden im Haushaltsplan 2022 insgesamt 220 Stellen für Beamte, Tarifbeschäftigte sowie Anwärter bzw. Auszubildende im öffentlichen Dienst ausgewiesen. Das Haushaltsvolumen 2022 betrug rund 20,4 Millionen Euro. Dem LfV Sachsen obliegt die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht im Geltungsbereich des Grundgesetzes, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Aufgabe der Spionageabwehr umfasst Extremistische Phänomenbereiche in Sachsen: die Abwehr der Spionage von NachrichRechtsextremismus tendiensten fremder Staaten gegen die ReichsbüRgeR und selbstveRwalteR Bundesrepublik Deutschland. Wesentliche Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung Angriffsziele sind die Bereiche Politik, Mides Staates litär, Forschung und Wissenschaft sowie Linksextremismus Wirtschaft. Das LfV Sachsen beobachtet Islamismus im Bereich Wirtschaftsschutz die AktivitäSicherheitsgefährdende und extremistische Be ten ausländischer Nachrichtendienste, um strebungen von Gruppierungen mit Auslands deutsche Unternehmen und Einrichtungen bezug vor unberechtigtem Know-howund Informationsabfluss zu schützen. Daneben nimmt das LfV Sachsen auch sog. Mitwirkungsaufgaben wahr, bei denen es als Fachberater bei Sachentscheidungen einer anderen Behörde hinzugezogen wird. Hierzu gehören der Geheimund der Sabotageschutz. So ist das LfV Sachsen u. a. beteiligt an: 1 Das SächsVSG ist unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. 12 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Informationsgewinnung Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, der Durchführung von technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen. Ebenso bringt das LfV Sachsen seine Erkenntnisse im Rahmen weiterer Beteiligungsaufgaben ein. So wird es durch andere öffentliche Stellen beteiligt bei der Überprüfung von Personen, die sich um die Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wenn der Verdacht besteht, dass sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, gesetzlich vorgesehenen Überprüfungen von Personen, z. B. nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Staatsangehörigkeitsgesetz, dem Atomgesetz, dem Sprengstoffgesetz, dem Waffengesetz, dem Luftsicherheitsgesetz sowie der Gewerbeordnung in Verbindung mit der Bewachungsverordnung. Die Informationen, die der Verfassungsschutz aufgrund seines gesetzlichen Auftrages sammelt, werden analysiert, d. h. sie werden gesichtet, geprüft und bewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen z. B. zur Einschätzung der Sicherheitslage, zur Vorbereitung von Vereinsund Parteiverboten oder zur Verhinderung bzw. Verfolgung von durch Extremisten, Terroristen und Spione begangene Straftaten. Diese Analysen sind auch Grundlage für die Berichterstattung des LfV Sachsen gegenüber dem Staatsministerium des Innern, anderen Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), der die Aufgaben des Verfassungsschutzes auf dem Gebiet der Bundeswehr wahrnimmt, dem Bundesnachrichtendienst (BND), der Auslandsaufklärung betreibt, Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Polizei), Behörden, welche die Informationen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung benötigen (z. B. für Versammlungsverbote) und der Öffentlichkeit (z. B. durch eine entsprechende Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Vortragsveranstaltungen oder die Veröffentlichung des jährlichen Verfassungsschutzberichtes sowie von Broschüren). 1.2 Informationsgewinnung Der Verfassungsschutz sammelt einen erheblichen Dabei wird zwischen offenen Quellen und Teil seiner Informationen aus allgemein zugänglinachrichtendienstlichen Mitteln unterchen Quellen. So werden u. a. Parteiprogramme, Satschieden. Vorrang bei der Informationsbezungen, Publikationen, Flugblätter, Internetseiten, schaffung hat immer das mildeste Mittel. soziale Medien oder auch Reden von Funktionären ausgewertet. 13 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz Extremisten, Terroristen und fremde Nachrichtendienste arbeiten jedoch häufig sehr konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Dementsprechend ist der Verfassungsschutz gesetzlich ermächtigt, auch sog. nachrichtendienstliche Mittel bei der Informationsgewinnung einzusetzen. Dabei ist er jedoch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, d. h. von den geeigneten und erforderlichen Mitteln ist jeweils das mildeste Mittel zu wählen. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen u. a.: der Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen), d. h. Personen, die dem LfV Sachsen selbst nicht angehören, aber aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Beobachtungsobjekt "SzeneErkenntnisse" gegen Bezahlung liefern, ohne ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zu erkennen zu geben, das verdeckte Beobachten von Personen (Observation), verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen, die Nutzung von Tarnmitteln, mit denen die Tätigkeit des Verfassungsschutzes verborgen werden soll (z. B. Tarnkennzeichen), die Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs sowie die Wohnraumüberwachung. Die Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs ist besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie ist in einem gesonderten Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" (G 10)2 genannt wird. Demnach dürfen u. a. der Telekommunikationsverkehr abgehört und aufgezeichnet sowie Briefe geöffnet und gelesen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass bestimmte schwere Straftaten geplant oder begangen werden bzw. wurden. Die Behördenleitung des LfV Sachsen muss hierfür einen entsprechenden Antrag beim Staatsministerium des Innern stellen, über den der Staatsminister des Innern entscheidet. Umgesetzt werden dürfen die Maßnahmen erst, wenn die vom Sächsischen Landtag gewählte G 10-Kommission deren Zulässigkeit und Notwendigkeit bestätigt hat. 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz Polizei und Verfassungsschutz arbeiten beim Schutz von Staat und Verfassung eng zusammen. Sie sind jedoch getrennt voneinander organisiert und mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet. Dieses Trennungsgebot ist in Artikel 83 Absatz 3 Satz 1 der Sächsischen Verfassung wie auch im SS 1 Absatz 4 SächsVSG verankert. Es besagt insbesondere, dass der Verfassungsschutz keiner Polizeibehörde angegliedert werden darf. Zudem gibt es untereinander keinen unbeschränkten Informationsaustausch. Auch stehen dem Verfassungsschutz Zwangsbefugnisse, wie sie der Polizei eingeräumt werden, nicht zu. Er darf also weder Personen festnehmen, durchsuchen, vorladen oder vernehmen 2 Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sowie das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Freistaat Sachsen sind unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. 14 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention noch Wohnungen durchsuchen oder Gegenstände beschlagnahmen. Er ist auch nicht befugt, Verbote oder Auflagen auszusprechen. Der Verfassungsschutz hat vielmehr lediglich reine Beobachtungsbefugnisse. Hat der Verfassungsschutz jedoch ausreichende Erkenntnisse gewonnen, die ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich machen, unterrichtet er Polizei oder Staatsanwaltschaft, sofern die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dort wird dann selbstständig entschieden, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 2. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Gesamtgesellschaftliche Der sächsische Verfassungsschutz ist kein "geheimer Dienst", Sicherheitsvorsorge sondern ein Informationsdienstleister für die Öffentlichkeit. Nachrichtendienste Er informiert demnach nicht nur Politik und Verwaltung, Polizei sondern beispielsweise auch Kommunen, Bundeswehrangehörige, Wissenschaftler sowie die Medien und Bürger zu Bundeswehr Erkenntnissen über extremistische Bestrebungen. nicht staatliche Akteure Zivilgesellschaft Das Informationsangebot stellt einen wichtigen Präventionsbeitrag dar und soll die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Extremismus fördern. Denn nur informierte Bürgerinnen und Bürger können sich aktiv für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Unsere Angebote: Vorträge und Informationsveranstaltungen zu folgenden Themen: Extremismus allgemein Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Lagebilder zu den einzelnen Phänomenbereichen Rechtsextremismus, reichsBürger und selBstVerWalter, Linksextremismus und Islamismus sowie Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates islamistische Radikalisierung Propaganda und Agitation von Extremisten im Internet Gefahren der Wirtschaftsspionage und Proliferation Beratung kommunaler Entscheidungsträger In Beratungsgesprächen informiert das LfV Sachsen kommunale Entscheidungsträger über regionale extremistische Bestrebungen und Aktivitäten, damit vor Ort Gegenstrategien entwickelt werden können. Hierzu wirkt es auch bei diversen "KommunalDialogen" mit. Darüber hinaus bringt sich das LfV Sachsen aktiv in die Arbeit des Demokratie-Zentrums Sachsen sowie die Koordinierungsund Beratungsstelle Radikalisierungsprävention (KORA) ein. 15 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention FORUM STARKE DEMOKRATIE Ziel des organisatorisch beim LfV Sachsen angesiedelten Forums ist die Unterstützung vor allem örtlicher staatlicher und kommunaler Entscheidungsträger bei der Bekämpfung des Extremismus. Diese sollen in die Lage versetzt werden, extremistische Bestrebungen frühzeitig und möglichst sicher erkennen zu können und diesen mit den gebotenen, rechtlich zulässigen Maßnahmen zu begegnen. Zudem fördert das Forum die engere Zusammenarbeit von staatlichen bzw. kommunalen und nichtstaatlichen Trägern der Extremismusprävention. Wirtschaftsschutz3 Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-how-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Information der Medienvertreter Die Information der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen erfolgt zudem über die Medien. Hierzu veröffentlicht das LfV Sachsen u. a. Medieninformationen, beantwortet Anfragen von Journalisten und informiert in Pressegesprächen und Pressekonferenzen über seine Arbeit bzw. seine Erkenntnisse in den jeweiligen extremistischen Phänomenbereichen. Internetpräsentation Das Informationsangebot des LfV Sachsen unter der Adresse www.verfassungsschutz.sachsen.de stellt zum einen Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes vor. Zum anderen werden dort auch die Entwicklungen in den einzelnen extremistischen Phänomenbereichen aufgeführt. Der Internetauftritt beinhaltet darüber hinaus Informationen zu aktuellen Lageentwicklungen. Querverweise ermöglichen die Verbindung zu Internetpräsenzen anderer Verfassungsschutzbehörden. Außerdem können vom LfV Sachsen herausgegebene Berichte und Broschüren heruntergeladen werden. Auf der Internetseite befinden sich auch die Kontaktmöglichkeiten zum LfV per Telefon oder Mail. Sächsischer Verfassungsschutzbericht Der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht informiert die Öffentlichkeit über Ideologien, Personenpotenziale, Erscheinungsformen und aktuelle Entwicklungen des Extremismus, über Akteure, Aufklärungsschwerpunkte und Methoden der Spionage sowie über extremistisch motivierte Straftaten und die Funktion des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem. Der Bericht ist als Druckausgabe erhältlich und kann auch im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. Herausgabe von Broschüren Die präventive Aufklärung der Öffentlichkeit über den Extremismus erfolgt auch durch die Herausgabe entsprechender Publikationen, die teilweise in Zusammenarbeit mit Verfassungsschutz- 3 vgl. Abschnitt III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 16 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Kontrolle des Verfassungsschutzes behörden anderer Länder erstellt und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie können als Broschüre bestellt oder im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. Alle Angebote sind kostenfrei. Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60 | 01129 Dresden Tel.: +49 351 8585-0 | Fax: +49 351 8585-500 verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.verfassungsschutz.sachsen.de 3. Kontrolle des Verfassungsschutzes Das Staatsministerium des Innern (SMI) kontrolliert als Fachaufsichtsbehörde die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch das LfV Sachsen. Als Dienstaufsichtsbehörde wacht es zudem über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb. Sächsischer Parlam. G10-Kommission Landtag Kontrollkommission (PKK) Kontrolle Staatsministerium Kontrolle des Innern Fachaufsicht Landesamt für Verfassungsschutz Kontrolle Kontrolle Kontrolle Sächsischer Gerichte Öffentlichkeit Datenschutzbeauftragter 17 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Kontrolle des Verfassungsschutzes Außerdem finden Kontrollen statt durch: die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages Sie kontrolliert die Tätigkeit des LfV Sachsen. Auch die Wahrnehmung der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern über das LfV Sachsen unterliegt der Kontrolle durch die PKK. die Kommission nach SS 3 des Sächsischen Artikel 10-Gesetz-Ausführungsgesetzes (SächsAG G 10) des Sächsischen Landtages (G 10-Kommission) Diese Kommission prüft die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10), d. h. von Maßnahmen der Brief-, Postund Telekommunikationsüberwachung. Auch Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsersuchen gegenüber auskunftsverpflichteten Unternehmen nach SS 11a Absatz 2 bis 5 sowie SS 11b SächsVSG unterliegen der Kontrolle der Kommission. die Sächsische Datenschutzbeauftragte Kontrolliert wird die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz. Dabei wird geprüft, ob personenbezogene Daten durch das LfV Sachsen rechtmäßig verarbeitet wurden. Jede betroffene Person kann sich an den Datenschutzbeauftragten bzw. die Datenschutzbeauftragte wenden, wenn sie der Ansicht ist, das LfV Sachsen habe sie bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in ihren Rechten verletzt. den Sächsischen Rechnungshof Er kontrolliert die Verwendung der Haushaltsmittel des LfV Sachsen. die Gerichte Jede betroffene Person hat das Recht, gegen sie belastende Maßnahmen des LfV Sachsen das Verwaltungsgericht anzurufen. Außerdem prüft ein Gericht bereits im Vorfeld die Zulässigkeit von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen. die Öffentlichkeit Durch die Medienberichterstattung wird die Tätigkeit des LfV Sachsen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erfährt damit auch auf diese Weise eine Kontrolle. interne Prüfungen Im LfV Sachsen finden auch interne Kontrollen statt, so z. B. durch die Innenrevision, den behördlichen Datenschutzbeauftragten, den G 10-Aufsichtsbeamten sowie den behördlichen Beauftragten für den Haushalt. 18 VERFASSUNGSSCHUTZ IN SACHSEN - Kontrolle des Verfassungsschutzes Organigramm des LfV Sachsen4 Das LfV Sachsen mit Sitz in Dresden gehört dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMI) an. Presseund Öffentlichkeitsarbeit Präsident Innenrevision Dirk-Martin Christian Patricia Vernhold Zentralstelle Abteilung 3 Abteilung 2 Auswertung Abteilung 4 Abteilung 1 Beschaffung, Linksextremismus, Auswertung Zentralabteilung Observation AusländerextreRechtsextremismus mismus, Islamismus Referat 41 Referat 21 Grundsatz, KoordiReferat 11 Beschaffung, InternetReferat 31 nierung referatsüberInformationstechnik aufklärung, G 10, Linksextremismus greifender Themen, Grundsatzfragen Rechtsextremismus Referat 32 Referat 42 Referat 12 Referat 22 Ausländerextremismus, Parteiungebundener Personal, Haushalt Forschung und Islamismus, GewaltRechtsextremismus, Werbung bereiter Salafismus Rechtsterrorismus Referat 23 Referat 43 Referat 13 Referat 33 Observation, Parteigebundener Recht, Mitwirkung, Geheimschutz, Nachrichtendienstliche Rechtsextremismus, G 10-Aufsicht Spionageabwehr Technik Neue Rechte Referat 14 Referat 24 Organisation, Operative Logistik Innerer Dienst Controlling 4 Stand: 15. März 2023 19 AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IN DEN EXTREMISMUSBEREICHEN II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen 1. Übergreifende Betrachtung: "Mission abstreiten, verzerren, ablenken und verunsichern - Russische Desinformationskampagnen im Kontext des Krieges in der Ukraine" Russland führt einen hybriden "Informationskrieg" mithilfe professioneller Desinformationskampagnen - er ist gerichtet gegen die Ukraine, den "Westen", gegen die EU, die NATO und damit auch gegen Deutschland. gezielte Verbreitung von Desinformationen, um die öffentliche Meinung im "Westen" zugunsten Russlands zu beeinflussen und die Politik im eigenen Land zu rechtfertigen Ein Netz aus sozialen Medien, russischen Staatsmedien, Influencern und Bloggern verbreitet Desinformationen. Russische Desinformationskampagnen spielen auch Extremisten im Freistaat Sachsen in die Hände. 2. Rechtsextremismus neue stäRKe PaRtei als neues Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Personenpotenzial weiterhin auf einem Höchststand Rechtsextremisten fanden nach Corona neue Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial". Im Zuge des Protestgeschehens: weiteres "Einsickern" rechtsextremistischer Ideologieelemente in nicht extremistische Milieus Zunahme der Vernetzungsbestrebungen insbesondere bei der neuen Rechten hohe Reaktionsund Mobilisierungsgeschwindigkeit über die sozialen Medien 3. ReichsbüRgeR und selbstveRwalteR Ausdehnung der ReichsbüRgeR-Gruppierung KönigReich DeutschlanD in Sachsen mit dem Ziel, sog. "Gemeinwohldörfer" zu errichten erneut starker Anstieg des Personenpotenzials Dresden entwickelt sich zum ReichsbüRgeR-Hotspot; im Übrigen konzentriert sich die Szene vorrangig im ländlichen Raum. Anteil der Rechtsextremisten weiterhin rückläufig weiterhin erhöhtes Gefährdungspotenzial durch einzelne, verschwörungstheoretisch geprägte ReichsbüRgeR hohe Waffenaffinität dieser heterogenen Szene 20 AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IN DEN EXTREMISMUSBEREICHEN 4. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates erwiesenes extremistisches Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen: büRgeRbeWegung l eiPzig 2021 insgesamt niedriges dreistelliges Personenpotenzial im Freistaat Sachsen fortdauernde Instrumentalisierung des Protestgeschehens: Verächtlichmachung des Staates und seiner politischen Entscheidungsträger in der Realwelt sowie in den sozialen Medien Das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat soll grundlegend erschüttert werden. zunehmende "Vermischung" und Netzwerkbildung der rechtsextremistischen Szene mit bekannten Delegitimierern 5. Linksextremismus Rote WenDe leiPzig als neues Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes erneut leichter Anstieg des Personenpotenzials Leipzig bleibt eine bundesweite Schwerpunktregion der autonomen szene und ein Brennpunkt linksextremistischer Gewalt. Im Freistaat Sachsen gelten rund 73 % der Linksextremisten als gewaltorientiert. Konzentration auf die Themenfelder "Antirepression", "Antifaschismus" und "Antigentrifizierung" Solidaritätsbekundungen im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Lina E. 6. Islamismus Personenpotenzial bleibt im Bundesvergleich weiterhin auf niedrigem Niveau bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen Schwerpunkte salafistischer Strukturen in Leipzig Legalisitischer Islamismus mit "Wolf im Schafspelz"-Strategie konzentriert sich auf Dresden. abstrakte Gefahr von Terroranschlägen 7. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug in Sachsen ausschließlich Bestrebungen aus dem Bereich der kurdischen PKK feststellbar Personenpotenzial bei konstant ca. 160 Personen hohes Mobilisierungspotenzial auch im linksextremistischen Spektrum für Demonstrationen und Kundgebungen strukturelle Vernetzung mit Linksextremisten insbesondere in Leipzig und Dresden Aktivitäten der PKK maßgeblich vom Schicksal des inhaftierten PKK-Führers ÖCALAN und den Entwicklungen im türkisch-syrischen Grenzgebiet bestimmt 21 1. Übergreifende Betrachtung Russland führt einen hybriden "Informationskrieg" mithilfe professioneller Desinformationskampagnen - er ist gerichtet gegen die Ukraine, den "Westen", gegen die EU, die NATO und damit auch gegen Deutschland. gezielte Verbreitung von Desinformationen, um die öffentliche Meinung im "Westen" zugunsten Russlands zu beeinflussen und die Politik im eigenen Land zu rechtfertigen Ein Netz aus sozialen Medien, russischen Staatsmedien, Influencern und Bloggern verbreitet Desinformationen. Russische Desinformationskampagnen spielen auch Extremisten im Freistaat Sachsen in die Hände. ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN 1. Übergreifende Betrachtung: "Mission abstreiten, verzerren, ablenken und verunsichern - Russische Desinformationskampagnen im Kontext des Krieges in der Ukraine" "Dies ist die größte und komplexeste Operation russischer Herkunft, die wir seit Beginn des UkraineKrieges ausgehoben haben." Es könnte der Eindruck entstehen, es handele sich bei dieser Erkenntnis um eine entlarvte militärische Aktion Russlands gegen die Ukraine in Zeiten des seit über einem Jahr andauernden Krieges mitten in Europa. Hier angesprochen wurde indes nicht diese Art von Krieg, der mit Waffen ausgetragen wird, unfassbares Leid und Zerstörung bringt und Zivilisten und Soldaten in den Tod reißt. Gemeint war vielmehr eine Kriegsführung mittels Worten und Bildern, ein hybrider "Informationskrieg". Einen solchen führt Russland mit immer professioneller werdenden Desinformationskampagnen gegen die Ukraine, den "Westen", gegen die EU, die NATO und damit auch gegen Deutschland. Mit dem zitierten Eingangssatz ging "Meta", das Unternehmen hinter den sozialen Netzwerken "Facebook" und "Instagram", am 27. September 2022 an die Öffentlichkeit und gab bekannt, eine groß angelegte Kampagne zur Verbreitung russischer Desinformation in Europa gestoppt zu haben. An diesem Beispiel soll die Wirkkraft von Desinformation nachfolgend dargestellt werden. Welches Ziel verfolgen staatlich gesteuerte Desinformationskampagnen Russlands? Mit Kampagnen wie dieser versucht die russische Regierung, die öffentliche Meinung in Deutschland und anderen Staaten zu ihren Gunsten zu beeinflussen, Ängste in der Bevölkerung vor den Auswirkungen der Russland-Sanktionen und der Energiekrise zu schüren, ukrainische Flüchtlinge in ein schlechtes Licht zu rücken und zugleich im Westen lebende Russen als "Mobbing-Opfer" darzustellen. Außerdem werden Angstszenarien im Hinblick auf den weiteren Kriegsverlauf im Lichte "westlicher" Waffenlieferungen an die Ukraine geschürt. Im Ergebnis sollen westliche Gesellschaften misstrauisch gegen die Entscheidungen ihrer Regierung gestimmt und gespalten werden. Desinformation befeuert nicht nur Polarisierungsprozesse in offenen Gesellschaften, sondern ist geeignet, nachhaltig die politischen Meinungsund Willensbildungsprozesse in demokratischen Staaten zu beeinflussen. Russland zielt mit seinen Kampagnen auch auf eine Diskreditierung des Westens und eine Aufweichung der Geschlossenheit der EUund NATO-Mitgliedsstaaten ab. Zugleich richtet sich Russland mit seiner Propaganda an die eigene Bevölkerung, um den Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen und westliche Staaten als schwach und hilflos zu präsentieren. Dadurch sollen hohe Zustimmungswerte in der russischen Bevölkerung zum Vorgehen Russlands in der Ukraine generiert werden. 23 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN Nach welchem Schema werden Inhalte von Desinformationskampagnen generiert? Mithilfe von vier Methoden zielt die russische Regierung darauf ab, die Deutungshoheit über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erlangen, Reaktionen der Staatengemeinschaft darauf sowie eine von der Öffentlichkeit getragene Solidarität mit der Ukraine zu erschweren oder ganz zu verhindern: Mit der Methode des "Abstreitens" werden für Russland nachteilige objektive Informationen mit fadenscheinigen Begründungen abgetan. Die Vertrauenswürdigkeit der Quelle soll beschädigt und Unsicherheit erzeugt werden. "So streitet die russische Regierung jegliche Verantwortung für die militärische Eskalation ab und behauptet vielmehr, dass sie zum Krieg gezwungen worden sei. Russland versucht hierbei, Täter und Opfer zu vertauschen und Gründe für einen russischen Angriff zu konstruieren, die nicht existieren und/oder widerlegt sind." 5 Das vom Kreml gestreute Narrativ, die Ukraine arbeite mit Unterstützung des Westens an der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, ist hierfür ein Beispiel. Mit der Methode des "Verzerrens" versucht die russische Regierung mittels ihrer Staatsmedien und den von ihr gelenkten nichtstaatlichen Akteuren Informationen umzudeuten. So ist der Begriff "Krieg" im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Ukraine verboten. Der Krieg wird stattdessen als "Spezialoperation" dargestellt. Für Russland nachteilige Informationen im Kontext des Krieges werden durch falsche Informationen verdrängt und somit aus dem Fokus der Öffentlichkeit genommen. Mit dieser Methode des "Ablenkens" stellt die russische Regierung beispielsweise die Ukraine als vermeintlichen Aggressor oder "neonazistisches" Unrechtsregime dar. Der Kreml will auf diese Weise von der Tatsache ablenken, dass Russland einen demokratischen Staat mit einem Präsidenten jüdischer Herkunft völkerrechtswidrig angegriffen hat.6 Die Methode des "Verunsicherns" soll ein Bedrohungsszenario konstruieren und in den jeweiligen Zielstaaten ein Klima von Ablehnung, Skepsis oder Misstrauen verursachen oder anfachen. Auf diese Weise kann dann die öffentliche Meinung derart gelenkt werden, dass dies wiederum auf politische Entscheidungen und Handlungsspielräume rückwirkt. So können den politisch Handelnden Kommunikation und Entscheidungen erschwert werden.7 Dazu gehört das Narrativ einer atomaren Eskalation ebenso wie die Behauptung der russischen Regierung, dass die westlichen Gesellschaften "russophob" geworden und daher russischstämmige Menschen hier nicht mehr sicher seien. Die Narrative, dem Westen drohe wegen ausbleibender Gaslieferungen aus 5 vgl. hierzu "FAQ - Desinformation im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine", Bundesministerium des Innern und für Heimat, Stand: Mai 2022, S. 6 (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/ukraine/faq-download.pdf?__blob=publicationFile&v=5) 6 ebd., S. 7. 7 ebd., S. 7. 24 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN Russland ein kalter Winter fiel im Berichtsjahr ebenso darunter wie Desinformationen im Zuge der Asylkrise in den Jahren 2014 bis 2016. Entsprechend dieser Methoden sollten "prorussische" und "contrawestliche" Narrative auch im Beispielsfall u. a. über ein ausgedehntes Netzwerk von über 60 Webseiten vor allem Menschen in Deutschland, Frankreich, Italien, der Ukraine und im Vereinigten Königreich erreichen. Seit Mai wurden auf täuschend echt wirkenden Nachrichtenseiten, die beispielsweise jene von "Spiegel", "Bild", "t-online" sowie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und des "Neuen Deutschland" nachahmten, sowie in Videos Desinformationen unter anderem über ukrainische Flüchtlinge ("Undankbare Menschen, die sich über ihr Leben in Deutschland beschweren") und die Auswirkungen der RusslandSanktionen auf Deutschland ("Sanktionen gegen Russland schaden nur Deutschland", "Ein Teenager wird in Berlin wegen Einsparungen bei der Straßenbeleuchtung getötet") auf professionelle Art und Weise verbreitet. Aber damit nicht genug: Diese Fake-Artikel und Videos wurden mithilfe von ebenfalls gefälschten Nutzerkonten in Windeseile über reichweitenstarke Social-Media-Kanäle wie "Facebook", "Instagram", "Telegram" und "Twitter" in verschiedenen Sprachen gezielt weiterverbreitet und kommentiert. In Reaktion auf diese Kampagne löschte "Meta" bei "Facebook" 1.633 Nutzerkonten, 703 Seiten mit rund 4.000 Followern sowie eine Gruppe mit weniger als zehn Mitgliedern; bei "Instagram" waren es 29 Nutzerkonten mit rund 1.500 Followern. In einigen Fällen seien die Inhalte des Netzwerks auch über die Facebook-Seiten russischer Botschaften in Europa und Asien weiterverbreitet worden, schreibt "Meta" in seinem Analysebericht.8 Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums schlussfolgerte, dass mit der Verbreitung erfundener Nachrichten und gefälschter Videos das Ziel verfolgt werde, Vertrauen in Politik, Gesellschaft und staatliche Institutionen zu untergraben. Die Berichterstattung über die aufgedeckte Kampagne zeige exemplarisch das Ausmaß prorussischer Propaganda und Desinformation in Deutschland. Ein von der "East Stratcom Taskforce" des Europäischen Auswärtigen Dienstes Anfang März 2021 in Brüssel veröffentlichter Bericht kam zu dem Ergebnis, dass kein anderer EU-Mitgliedsstaat heftiger angegriffen werde als Deutschland. Während zu Frankreich seit Ende 2015 gut 300 Fälle, zu Italien etwa 170 und zu Spanien 40 Fälle gesammelt wurden, war Deutschland mehr als 700 Mal Zielscheibe von Angriffen russischer Medien. Wie wird Desinformation verbreitet? Um Desinformationen gezielt, gleichzeitig, koordiniert und möglichst in großer Anzahl zu verbreiten, nutzen staatliche Akteure Äußerungen offizieller Stellen, Veröffentlichungen von Staatsmedien oder Einzelbeiträge von Personen in den sozialen Medien. Diese werden von wiederum staatlich gesteuerten Akteuren aufgegriffen und über deren eigene Kanäle gestreut. So werden beispielswei- 8 siehe https://about.fb.com/news/2022/09/removing-coordinated-inauthentic-behavior-from-china-and-russia/ 25 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN se russische Staatsmedien wie "Russia Today" (RT) oder "Sputnik" für Desinformationsaktivitäten genutzt. Daneben gibt es bekannte deutsch-russische Influencer oder Blogger, die über bekannte Kanäle prorussische Narrative verbreiten und suggerieren, sie seien "Experten" mit entsprechender Reputation. Außerdem ist das Hacken von Computersystemen, von Konten in sozialen Medien, von legitimen Nachrichtenportalen oder Blogs von Journalisten oder Politikern mittels cybergestützter Angriffstechniken ein gleichfalls bedeutendes Instrument. Akteure von Cyberangriffen zielen darauf ab, entsprechend gewichtige Informationen zu erlangen und diese dekontextualisiert oder gefälscht weiterzuverbreiten. "Eine besondere Funktion als Kanäle und Multiplikatoren von Desinformation haben soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram und TikTok sowie die Internetplattform Telegram. Sie kann dort in Sekundenschnelle weitergeleitet, geliked und kommentiert werden. So kann rasch eine große Aufmerksamkeit erzeugt werden", schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf seiner Internetseite.9 Ein Angriff dieses "Social Media-Netzes" richtete sich gegen die Sächsische Landesbibliothek - Staatsund Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) im September 2022. "Auf verschiedenen Plattformen, u. a. Telegram, TikTok, Facebook und Twitter, wurde das Foto eines gefälschten Schreibens mit Logo der SLUB, Absender der Bibliotheksverwaltung und Kontakt der SLUB-Generaldirektorin verbreitet, welches den Eindruck erwecken soll, die SLUB hätte dieses Schreiben erstellt", stellte die SLUB in ihrer damaligen Pressemitteilung umgehend öffentlich klar.10 Inhaltlich erweckte das Schreiben den Eindruck, die Generaldirektorin bitte um die Spende von Büchern russischer Autoren, um diese für Heizzwecke in der Bibliothek verwenden zu können. Das Schreiben, das ausschließlich in der virtuellen Welt kursierte, schloss mit der Bemerkung "Auf diese Weise können Sie auch dann noch gute Bücher lesen, wenn Putin die Gaszufuhr unterbricht." Die SLUB reagierte richtig, indem sie sich umgehend an die Öffentlichkeit wandte, die Kampagne damit entlarvte und Strafanzeige erstattete. Den bisherigen Ermittlungen zufolge erfolgte die erste Veröffentlichung des Fake-Schreibens über einen russischen Telegram-Kanal. Digitale Vernetzung unterstützt den Kreml Die weltweite digitale Vernetzung offener Gesellschaften erleichtert es fremden Staaten wie Russland, Desinformation und Propaganda zu verbreiten. Aus den oben dargestellten politischen Motiven werden Informationen manipuliert oder aus dem Kontext gerissen, um beispielsweise öffentliche De- 9 vgl. hierzu den Beitrag "Desinformation als Mittel gezielter Einflussnahme fremder Staaten", www.verfassungsschutz.de (Stand 25. Februar 2023) 10 siehe Pressemitteilung "Sächsische Landesbibliothek - Staatsund Universitätsbibliothek Dresden geht entschieden gegen gezielte Desinformation vor" vom 3. September 2022 (www.slub-dresden.de) 26 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN batten in Deutschland zu beeinflussen. "Gerade aufgrund von Algorithmen in sozialen Netzwerken können sich falsche und irreführende Informationen schnell weiterverbreiten, in Sekundenschnelle sehr viele Menschen erreichen und sich in der Folge auf den politischen und gesellschaftlichen Diskurs auswirken." 11 Dieses in der umfangreichen Digitalisierung und Vernetzung der Gesellschaft sowie der breiten medialen Erreichbarkeit einzelner Personen und Zielgruppen liegende Potenzial der gezielten, ressourcenarmen Einflussnahme hat Russland für sich erkannt und nutzt es für seine Ziele massiv aus. Zu diesem Zweck arbeiten oftmals unterschiedliche Stellen, Nachrichtendienste und staatlich gesteuerte Einrichtungen zusammen. Mit Desinformationskampagnen unterstützen diese Stellen die Politik ihrer Staaten, "wenn diese ihre Einflussund Machtpositionen oder ihre Reputation international ausbauen oder ihre Weltsicht durchsetzen wollen." 12 Nicht nur das Erkennen von Desinformation ist eine Herausforderung, sondern auch die Zuordnung der Aktivitäten zu einem bestimmten Urheber. Einerseits sei dies der Vielzahl an zugänglichen Informationen geschuldet, die ein sofortiges Erkennen einer Desinformation erschwere. Andererseits versuchten die Urheber, ihre Herkunft zu verschleiern, weswegen unterschiedliche Akteure im Sinne des Urhebers auftreten, beschreibt das BfV die Herausforderungen bei nachrichtendienstlichen Ermittlungen in diesem Zusammenhang.13 Extremisten nutzen die Narrative Russlands für ihre eigene verfassungsfeindliche Agenda Ein Teil der Desinformationen richtet sich gezielt an politische Ränder der Gesellschaft. Rechtsextremisten und sog. "Delegitimierer"14, die grundsätzlich empfänglich für Verschwörungsideologien sind, greifen solche Informationen insbesondere in ihren Social Media-Kanälen dankbar auf und instrumentalisieren sie für die Verbreitung ihrer eigenen verfassungsfeindlichen Agenda bis in die gesellschaftliche Mitte hinein. Immerhin gleichen die von der russischen Regierung verbreiteten Narrative über die "böse NATO", die ebenfalls "böse EU" sowie eine insgesamt "russophobe", sich gegen Russland verschworene westliche Staatengemeinschaft den Feindbildern hiesiger Extremisten. Desinformationskampagnen, welche die Auswirkungen der westlichen Sanktionspolitik gegen Russland für die deutsche Bevölkerung in übertriebenem Maße darstellen, waren und sind geeignet, Existenzängste zu schüren und 11 vgl. hierzu "FAQ - Desinformation im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine", Bundesministerium des Innern und für Heimat, Stand: Mai 2022, S. 4 (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/ukraine/faq-download.pdf?__blob=publicationFile&v=5) 12 siehe hierzu den Beitrag des BfV "Desinformation als Mittel gezielter Einflussnahme fremder Staaten", www.verfassungsschutz.de (Stand 25. Februar 2023) 13 ebd. 14 siehe Kapitel II 4. Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates"(DEL) 27 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN breite Teile der Gesellschaft gegen politische Entscheidungsträger aufzubringen. Extremisten nutzen entsprechende Szenarien nicht nur, um Politiker zu diffamieren, sondern um das Narrativ von den gegen das eigene Volk arbeitenden politischen Eliten unablässig zu wiederholen. Gezielt verbreitete Fake-Informationen über angeblich undankbare Ukraine-Flüchtlinge, die zwar unser Sozialsystem ausnutzen, sich aber trotzdem über die hiesigen Umstände beklagen würden, tragen ihr Übriges dazu bei. Extremisten verfolgen mit der Weiterverbreitung von Desinformationen folglich das gleiche Ziel wie der Kreml: Die deutsche Bevölkerung soll an der Richtigkeit politischer Entscheidungen des Westens zweifeln, ihr Vertrauen in die Demokratie soll nachhaltig erschüttert und zugleich der Irrglaube genährt werden, dass in autokratischen Systemen wie Russland "die Welt in Ordnung sei". Kurzum: Westliche Gesellschaften und demokratische Verfassungsstaaten sollen gespalten bzw. destabilisiert werden und dadurch scheitern. Extremisten als Handlanger des Kremls? "Menschen sind anfällig dafür, wenn es in der eigenen Lebenswelt Anknüpfungspunkte für bestimmte Informationen gibt oder sie die persönlichen Erfahrungen und innere Überzeugung bestätigen. Außerdem wirkt Putins Propaganda besonders bei denen, die regelmäßig nur einseitige Informationen konsumieren und sich gegenüber anderen Meinungen verschließen", sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik.15 Das LfV Sachsen stellt fest, dass Themen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg die oben dargestellten Entwicklungen beschleunigt haben, nicht wenige Menschen das Vertrauen in Politiker und Medien offenkundig verloren haben. Diese Menschen tummeln sich zuhauf in den unmoderierten Blasen der sozialen Medien, nehmen tagtäglich unreflektiert eine Masse auch an falschen Informationen auf und bestärken sich durch entsprechende Kommentare untereinander in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Verfassungsstaat. In dieser Grundhaltung verharrend, sind sie die 'idealen' Empfänger und Verbreiter von Desinformationen. Mit ihrem Verhalten spielen sie gewollt oder ungewollt dem Kreml in die Hände und stärken zugleich extremistische Positionen mitten in unserer Gesellschaft. Damit wird dem 'digitalen Extremismus' unaufhaltsam Vorschub geleistet. Menschen, die bei Versammlungen Russlandfahnen schwingen oder Plakate mit der Aufschrift "Putin - hilf uns!" zeigen, sind Belege dafür, dass russische Desinformationskampagnen seit Beginn der Asylkrise im Jahr 2014 ihre Wirkung auch bei realweltlichen Protesten entfalten. 15 siehe Beitrag "Wir müssen die Widerstandsfähigkeit gegen Desinformation stärken", www.bundesregierung.de/ breg-de/themen/umgang-mit-desinformation/interview-natalie-pawlik-2068764 (Stand: 7. Februar 2023) 28 ÜBERGREIFENDE BETRACHTUNGEN Wie ungehindert russische Desinformation in unsere Gesellschaft einsickern kann, hängt ganz entscheidend vom Verhalten jedes Einzelnen ab. Umfangreiche Informationskampagnen u. a. der Bundesregierung, des Verfassungsschutzes und der EU sowie Faktenchecks des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung können dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung gegen Desinformation zu stärken. Der Freistaat Sachsen hat diese Herausforderung erkannt und setzt bereits in den Schulen an. Dort werden Schülerinnen und Schüler im fächerübergreifenden Unterricht für einen kritischen und verantwortungsbewussten Umgang mit den sozialen Medien sensibilisiert. Wenn die Nutzer auf sie einprasselnde Informationen kritisch hinterfragen statt sie einfach nur weiterzuleiten bzw. Quellen und Absender von Nachrichten prüfen und bei Unsicherheit auf entsprechende Faktenchecks zurückgreifen, wäre viel erreicht - für eine starke Demokratie und für Desinformationskampagnen, die ins Leere laufen. Weiterführende Informationen unter folgenden Links: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/umgang-mit-desinformation https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/hintergruende/DE/spionage-und-proliferationsabwehr/desinformation.html https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/desinformation/ Aktuelle Desinformation zum Krieg in der Ukraine deckt der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) in englischer Sprache auf: https://euvsdisinfo.eu/ukraine/ Faktenchecks zum Thema u. a. bei den Faktenfindern von ARD und ZDF: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ https://www.zdf.de/nachrichten/thema/zdfheutecheck-faktencheck-recherche-100.html Blog des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus: https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2019/09/30/fakt-oder-fake-warum-nachrichtenkompetenz-so-wichtig-ist/ 29 2. Rechtsextremismus neue stäRKe PaRtei als neues Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Personenpotenzial weiterhin auf einem Höchststand Rechtsextremisten fanden nach Corona neue Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial". Im Zuge des Protestgeschehens: weiteres "Einsickern" rechtsextremistischer Ideologieelemente in nicht extremistische Milieus Zunahme der Vernetzungsbestrebungen insbesondere bei der neuen Rechten hohe Reaktionsund Mobilisierungsgeschwindigkeit über die sozialen Medien RECHTSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Rechtsextremisten bekämpfen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Ziel, diese zu beseitigen. Auch wenn es innerhalb des Rechtsextremismus verschiedene ideologische Strömungen und Erscheinungsformen gibt, die nicht selten sogar zueinander in Widerspruch stehen, stimmen sie in folgenden Positionen grundsätzlich überein: Rassisch definierte "Volksgemeinschaft" bzw. homogene "Kultur" als ein dem Einzelnen übergeordnetes Kollektiv Rechtsextremisten streben einen Staat an, der entweder organisatorischer Ausdruck einer ethnischrassisch homogenen "Volksgemeinschaft" ist oder als Wahrer und Verteidiger einer ebenso homogen gedachten "Kultur" innerhalb des Staatsgebietes fungiert. Auf dieser Grundlage wird ein vermeintlich einheitlicher "Volkswille" angenommen, der von staatlichen "Führern" verkörpert und in reale Politik umgesetzt werden soll ("Völkischer Kollektivismus"). In einem solchen Staat würden wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie die Menschenrechte und das Rechtsstaatsprinzip, und damit letztlich auch eine funktionierende demokratische Ordnung fehlen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit In der rechtsextremistischen Szene bestehen zwei Grundmuster einer rassistischen Argumentation: Die eine Argumentationslinie bezieht sich auf den historischen Nationalsozialismus. Danach soll das deutsche Volk vor der Integration "rassisch minderwertiger Ausländer" (davon umfasst sind auch deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund) und vor einer "Völkervermischung" bzw. einem "Völkeraustausch" bewahrt werden. Es wird befürchtet, dass das deutsche Volk infolge einer "Durchmischung mit fremdem Blut" untergehe. Ein zweites Argumentationsmuster soll der Verschleierung der eigenen rassistischen Überzeugungen dienen. Man grenzt sich hier teilweise entschieden vom historischen Nationalsozialismus ab und äußert Ablehnung in Bezug auf fremde, angeblich rückständige Kulturen. Eine "eigene Identität" sei demnach zu bewahren. Die historischen, rassisch definierten Begrifflichkeiten werden dabei ersetzt durch Worte wie "Identität", "Heimat", "Kultur" etc. Eine solche kulturrassistische Zielrichtung verfolgt insbesondere der von der iDeNtitäreN BeWeguNg16 vertretene "Ethnopluralismus". Auch dieser führt in letzter Konsequenz zu Abwertung, Ausgrenzung und Entrechtung von Menschen. 16 vgl. Beitrag II.2.4.2 iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND - Regionalgruppe Sachsen 31 RECHTSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Diese Auffassungen sind mit der verfassungsrechtlich verbürgten Unantastbarkeit der Menschenwürde unvereinbar. Diese gilt bedingungsund voraussetzungslos für jeden Menschen. Rechtsextremisten machen dieses Recht indes von einer biologistisch-genetisch definierten Zugehörigkeit zur "Volksgemeinschaft" oder einer bestimmten kulturellen Herkunft abhängig. Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit Antisemitismus ist ein Merkmal nahezu aller rechtsextremistischen Strömungen. Seine Erscheinungsformen können religiöser, kultureller sowie rassistischer Ausprägung sein. Auch in der rechtsextremistischen Szene werden Verschwörungstheorien verbreitet, wonach z. B. Umwälzungen im internationalen Finanzsektor oder Einreisen von Migranten im Hintergrund von jüdischen "Strippenziehern" gelenkt würden. Obwohl diese Theorien jeder Faktengrundlage entbehren, tragen sie dazu bei, antisemitische Vorurteile zu schüren. Für Rechtsterroristen sind sie Anlass, jüdische Mitbürger als mit allen Mitteln zu bekämpfende Feinde zu sehen. Vielen Rechtsextremisten ist auch eine explizite Muslimfeindlichkeit eigen. Muslime werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als per se "gewalttätig" und "kriminell" diffamiert. Eine Daseinsberechtigung in Deutschland wird ihnen deswegen abgesprochen. Revisionismus und Holocaustleugnung Unter rechtsextremistischem Geschichtsrevisionismus versteht man die Leugnung oder Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen und der deutschen Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Holocaust und andere NS-Verbrechen werden durch ihre Gleichsetzung mit Handlungen der Kriegsgegner Deutschlands relativiert. Die Leugnung des an den Juden begangenen Völkermordes erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung (SS 130 StGB). Von extremistisch motiviertem Gebietsrevisionismus spricht man, wenn Rechtsextremisten die deutschen Gebietsverluste als Folge der Weltkriege nicht anerkennen oder sogar - entgegen vertraglicher Verpflichtungen, die Deutschland nach den Weltkriegen eingegangen war - weitere Gebiete für Deutschland beanspruchen. Revisionistische Positionen bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen den verschiedenen rechtsextremistischen Bestrebungen. Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus Rechtsextremisten nehmen gegenüber dem historischen Nationalsozialismus häufig verherrlichende Positionen ein. Die Handlungen der Nationalsozialisten werden positiv hervorgehoben und ihre Verbrechen verharmlost. NS-Funktionsträger, wie z. B. Hitlers damaliger Stellvertreter Rudolf Heß, 32 RECHTSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen werden als Vorbilder dargestellt, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime hingegen diffamiert. Auch in Sprache, Symbolik und Programmatik lehnen sich Rechtsextremisten zum Teil eng an die Zeit von 1933 bis 1945 an. Neuere Strömungen im Rechtsextremismus wenden sich hingegen entschieden vom historischen Nationalsozialismus ab. Hier beruft man sich stattdessen auf die Vordenker des italienischen Faschismus und die Anhänger der "Konservativen Revolution" in der Weimarer Republik. Gleichzeitig relativiert man die NS-Zeit und negiert die Verantwortung, die sich hieraus auch für kommende Generationen in Deutschland ableitet. Verächtlichmachung von Verantwortungsträgern und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates (Amtsund Mandatsträger, Medien, Wissenschaft etc.) Unter Rechtsextremisten kommt es vielfach zu herabsetzenden Verunglimpfungen des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Repräsentanten. Sie verfolgen dabei das Ziel, den staatlichen Institutionen und deren Repräsentanten ihre Legitimität abzusprechen. Politiker werden dabei nicht selten als unfähige und korrupte Handlanger ausländischer, insbesondere US-amerikanischer bzw. jüdischer Interessen, diffamiert. Rechtsextremisten stellen sich selbst als alleinige Wahrer der Interessen des deutschen Volkes dar und diskreditieren den politischen Gegner als "Verräter". Mit Begriffen wie "Lügenpresse" und "Volksverräter" werden Amtsund Mandatsträger bzw. Journalisten pauschal herabgewürdigt und diffamiert. Diese Wortwahl entlehnen Rechtsextremisten bewusst den Begrifflichkeiten des Nationalsozialismus. Ebenso leugnen sie wissenschaftliche Fakten, die ihre Auffassungen nicht stützen. Rechtsextremistischer Antiamerikanismus In der antiliberalen und antipluralistischen Weltsicht der Rechtsextremisten verkörpern die USA ein besonderes Feindbild. Die amerikanische Nation, die - einem "Schmelztiegel" ähnlich - viele Volksgruppen umfasst, steht für Rechtsextremisten in offenem Widerspruch zu ihrem Ideal einer homogenen, "rassisch" definierten "Volksgemeinschaft" bzw. einer homogen gedachten "Kultur". 33 RECHTSEXTREMISMUS - Personenpotenzial 2.2 Personenpotenzial Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Sachsen belief sich im Jahr 2022 erneut auf insgesamt 4.350 Personen. Anzahl der Rechtsextremisten im Freistaat Sachsen 5.000 4.800 4.500 4.350 4.350 4.000 3.500 3.400 3.000 2.700 2.700 2.800 2.600 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 bundesweit 2022: 38.80017 Das rechtsextremistische Personenpotenzial wird bundesweit nach seinem jeweiligen Organisationsgrad erfasst. Dieses Kategoriensystem untergliedert sich dementsprechend in die Bereiche: 1. parteigebundener Rechtsextremismus, 2. parteiungebundene rechtsextremistische Strukturen und 3. unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Anzahl der Rechtsextremisten im Freistaat Sachsen nach Organisationsgrad gegliedert 2.500 2.000 2.050 2.000 1.420 1.370 1.500 n 2021 930 930 n 2022 1.000 500 0 Parteigebundener Parteiungebundene Unstrukturiertes Rechtsextremismus rechtsextr. Strukturen rechtsextr. Personenpotenzial 17 Die angegebenen Werte sind teilweise geschätzt und gerundet. Den Verfassungsschutzbehörden liegen nicht zu allen in den Zahlenangaben erfassten Personen Einzelerkenntnisse vor. Die Gesamtzahl ergibt sich rechnerisch unter Abzug von hier bekannten Doppelmitgliedschaften. 34 RECHTSEXTREMISMUS - Personenpotenzial Entwicklung der Gewaltorientierung Von den rund 4.350 Rechtsextremisten werden in Sachsen ca. 1.500 als gewaltorientiert eingestuft (2021: 1.550; 2020: 1.700). Zu den gewaltorientierten Rechtsextremisten zählen Personen, die Gewalt befürworten, die Anwendung von Gewalt unterstützen oder gewaltbereit bzw. als Gewalttäter in Erscheinung getreten sind. Hintergrund für den Rückgang ist die im langfristigen Vergleich weiterhin sinkende Zahl der von Rechtsextremisten in Sachsen verübten Gewalttaten. Infolge der Aufhebung der Corona-Maßnahmen konnten im Jahr 2022 Versammlungen wieder ohne pandemiebedingte Einschränkungen stattfinden. Der noch im Vorjahr zu verzeichnende, teilweise gewalttätige Widerstand von Rechtsextremisten beispielsweise gegen Einsatzkräfte der Polizei entfiel damit.Es bleibt also beim langfristigen, seit dem Jahr 2015 festzustellenden Trend, wonach die Entwicklung der von Rechtsextremisten in Sachsen verübten Gewalttaten in der Tendenz rückläufig ist (2022: 58, 2021: 81, 2020: 73; 2019: 67; 2018: 138; 2017: 95; 2016: 145; 2015: 201). Rechtsextremistisches Personenpotenzial in den Landkreisen und kreisfreien Städten in absoluten Zahlen18 n mehr als 300 n 250 - 300 n 200 - 250 n 150 - 200 n 100 - 150 n 50 - 100 18 Ohne Anhänger der Partei Freie sachseN; eine Zuordnung der Anhänger dieser Gruppierung zu den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten ist strukturell nicht darstellbar. 35 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Parteien Rechtsextremistische Parteien19 Parteiungebundene rechtsexUnstrukturiertes rechtsextremistische Strukturen20 tremistisches Personenpotenzial21 2022: ca. 1.370 2022: ca. 930 2022: ca. 2.050 2021: ca. 1.420 2021: ca. 930 2021: ca. 2.000 NatioNaldemokRatische PaRtei NeoNatioNalsozialisteN deutschlaNds (NPD) 2022: ca. 600 | 2021: ca. 600 2022: ca. 180 | 2021: ca. 240 JuNge NatioNalisteN (JN) subkultuRellgePRägte Rechts2022: ca. 40 | 2021: ca. 40 (in Strukturen) extRemisteN 2022: ca. 260 | 2021: ca. 260 deR dRitte weg ideNtitäRe beweguNg 2022: ca. 140 | 2021: ca. 140 2022: ca. 50 | 2021: ca. 50 FReie sachseN Pegida 2022: ca. 1.000 | 2021: ca. 1.000 2022: ca. 20 | 2021: ca. 20 Neue stäRke PaRtei 2022: ca. 10 2.3 Rechtsextremistische Parteien 2.3.1 Partei DeR DRitte weg (III. weg) Sitz: Weidenthal (Rheinland-Pfalz) Gründung: 28. September 2013 Vorsitz: Matthias FISCHER Teil-/ In Sachsen: Nebenorganisationen: lanDesveRbanD sachsen, stützPunKte vogtlanD, Westsachsen, mittellanD, mittelsachsen; nationalRevolutionäRe JugenD vogtlanD, West-sachsen unD mittellanD (NRJ) 19 Die Partei Die rechte verfügt über keine Strukturen im Freistaat Sachsen; Mehrfachmitgliedschaften sind möglich. 20 Mehrfachmitgliedschaften sind möglich. 21 Dem weitgehend unstrukturierten Personenpotenzial werden Rechtsextremisten zugeordnet, die keiner Partei oder Organisation zugerechnet werden können, wie beispielsweise rechtsextremistische Strafund Gewalttäter. 36 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg Publikationen: Neuerscheinung "National, Revolutionär, Sozialistisch" "Der Nationalrevolutionär" "Rebellische Herzen" "Wie weiter?" "Theorie & Aktion" #1 "Fußball & Nationalismus" "Der dritte Blickwinkel" Internetauftritte: Homepage der Partei und Telegram-Kanäle Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 140 ca. 140 bundesweit ca. 700 ca. 650 Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Spenden, Materialvertrieb Stützpunkte verfügen über eine eigene "Handkasse". Kurzporträt/Ziele: neonationalsozialistische Grundausrichtung agiert ausländerfeindlich und revisionistisch Abschaffung der Demokratie zugunsten einer "kollektiven Volksgemeinschaft" Relevante Ereignisse Eine der bestimmenden Größen der parteigebundenen, rechtsextremistiund Entwicklungen schen Szene in Sachsen 2022: Kampagne "Nationalisten helfen Nationalisten" Demonstration in Zwickau zum 1. Mai Landesparteitag mit Neuwahl des Vorsitzenden zentral organisierte Demonstration am 2. Oktober in Plauen im Rahmen der Kampagne "Die wahre Krise ist das System" Gründung der nationalRevolutionäRen JugenD Westsachsen Ideologie Ideologisch orientiert sich die Partei am historischen Nationalsozialismus. Die Parteiprogramme der Partei Der Dritte Weg und der NSDAP verbindet der biologistische Volksbegriff. Nach dem NSDAPProgramm konnte nur derjenige "Volksgenosse" sein, der "deutschen Blutes" war. Entsprechend fordert die Partei Der Dritte Weg in ihrem Programm "die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" sowie die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes", die es vor Überfremdung zu schützen gelte. Eine solche ethnisch-homogene Volksgemeinschaft ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Die Partei nimmt in ihren Äußerungen immer wieder Bezug auf den Nationalsozialismus. In ihrer Veröffentlichung "Der Nationalrevolutionär - Handbuch für Aktivisten unserer Bewegung" (2019) werden die ideologischen Grundzüge dargelegt und Handlungsanweisungen zum Umgang mit der politischen Arbeit sowie zum Engagement der jeweiligen Parteimitglieder formuliert. Betont wird in diesem Zusammenhang auch das demokratiefeindliche Selbstverständnis der Partei. So heißt es: "Daher muss unsere nationalrevolutionäre Bewegung vom ersten bis zum letzten Tag stets eine Bewegung von radikalen, politischen Revolutionären sein. Wir erkämpfen unsere Revolution nicht 37 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg mit dem Bürgertum, sondern auf den Trümmern der morschen Welt und Moralvorstellungen desselben." 22 Weiter heißt es: "Unsere Bewegung will Deutschland nationalrevolutionär verändern." Ziel der Partei ist der "fortschrittlich sozialistische und völkische Staat". Man wolle eine "völkisch geprägte Gegenkultur" aufbauen. Dazu soll die Partei nach und nach wachsen, um dann, "wenn die Masse für einen Moment den Glauben an das System [Anm.: d. h. die demokratische Verfasstheit des derzeitigen Staates] verliert, gewappnet zu sein für die Übernahme dieser Menge". Sich selbst gesteht die Partei eine gewisse Gewaltbereitschaft zu: "Wir streben also einen gewaltlosen politisch kulturellen Wechsel an. Allerdings lehnen wir nicht das uns als Vorwurf entgegengebrachte Attribut 'gewaltbereit' ab. Jeder Mensch ist ab einem gewissen Grade 'gewaltbereit', spätestens wenn es um die Verteidigung seiner selbst oder seiner Familie in einer Notwehrsituation geht, muss man bereit sein, Gewalt aus Gründen des Selbstschutzes anzuwenden." Die Partei arbeitet auf den "Tag X" hin und will diesen nicht nur abwarten, sondern aktiv erkämpfen. In den Aussagen zum Selbstverständnis eines Parteimitgliedes finden sich folgende Aussagen: "Deshalb sind wir bewusst politische Soldaten" oder "Daher lautet das Gebot jedes Nationalrevolutionärs: Kämpfe!" Ihre geschichtsrevisionistische Orientierung belegt die Partei u. a. mit Gedenkveranstaltungen für die deutschen Bombenopfer, welche sie zur Verharmlosung der nationalsozialistischen Angriffskriege und Verbrechen instrumentalisiert. Strategie Die Partei versteht sich als "nationale Bewegung" mit "ganzheitlicher Organisation". Sie verfolgt die drei Tätigkeitsfelder "Politischer Kampf", "Kultureller Kampf" sowie "Gemeinschaft". Zum "politischen Kampf" gehören u. a. der Aufbau von Strukturen, die Durchführung von Demonstrationen und Kundgebungen, die Verteilung von Flyern und Informationsmaterial auch zu aktuellen Themen sowie der "Antritt als wahlpolitische Initiative". Um die formalen Voraussetzungen für eine Teilnahme an Landtagsund Bundestagswahlen zu erfüllen, gründete die Partei im Jahr 2020 einen Landesverband Sachsen. Der "kulturelle Kampf" bezieht sich auf die Brauchtumspflege. Der "Kampf um die Gemeinschaft" beinhaltet die Aspekte "gelebte Gemeinschaft", "Nachbarschaftshilfe", "gemeinsame Freizeitgestaltung" und "sportliche Zusammenkünfte". Gleichzeitig ist die Partei bestrebt, durch attraktiv erscheinende Angebote vor allem auf sozialem Gebiet auch Menschen außerhalb der rechtsextremistischen Szene zu erreichen und so in die gesellschaftliche Mitte hineinzuwirken: "Wir kommen unmittelbar an den Bürger heran und können unsere Botschaften direkt und ungefiltert transportieren. Wir machen auf uns aufmerksam (...) und nach innen verstärken wir das Gefühl der Stärke und Geschlossenheit", ist dementsprechend im Handbuch der Partei zu lesen. 22 Schreibweise wie im Original 38 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg Demselben Ziel dient auch die Instrumentalisierung des Themas "Umweltschutz". So sieht die Partei in einer umweltfreundlichen Politik eine Notwendigkeit zur Erhaltung der "Substanz" des Volkes. Wesentlicher Teil der Strategie der Partei Der Dritte Weg ist der Erwerb und der Ausbau von Immobilien. Mit dem Parteiund Bürgerbüro - dem bundesweiten "Vorzeigeobjekt" - auf der Pausaer Str. 130 in Plauen wurde dieses Ziel umgesetzt. Seit der Eröffnung am 1. Mai 2019 fanden dort interne und öffentliche Veranstaltungen der Partei statt. Weitere Büros wurden inzwischen in Ohrdruf (Thüringen), Hilchenbach (Nordrhein-Westfalen) und Schweinfurt (Bayern) etabliert. Die Partei baut damit ihre Aktionsmöglichkeiten auch überregional weiter aus. Struktur Es gelang der Partei auch, ihre Strukturen bundesweit auszubauen. Mit nunmehr 22 Stützpunkten verfügen die drei Landesverbände Sachsen, Bayern und West über zwei Stützpunkte mehr als im Vorjahr. Dem laNDesVerBaND sachseN gehören weiterhin die vier sächsischen stützPuNkte VogtlaND, WestsachseN, mittellaND und mittelsachseN an. Eigenen Angaben zufolge erstreckt sich der stützPuNkt VogtlaND auch auf Teile Bayerns und Thüringens. Der stützPuNkt mittellaND umfasst die Städte Leipzig, Halle, Merseburg und das Umland. Der stützPuNkt WestsachseN als Aktionsraum schließt das Gebiet Erzgebirge sowie die Städte Zwickau, Chemnitz und deren Umland ein. Der stützPuNkt mittelsachseN umfasst im Wesentlichen die Städte Mittweida, Döbeln und Freiberg sowie deren Umland. Die Zahl der Parteimitglieder hat sich im Freistaat Sachsen nicht verändert, während sie sich bundesweit nur geringfügig erhöhte. Aktivitäten Öffentliche Aktivitäten des Bundesund/oder Landesverbandes Seit Dezember 2021 nutzen alle Stützpunkte der Partei eigene Kanäle auf "Telegram". Dort gab die Partei im Berichtsjahr - analog zur Partei Freie sachseN23 - eine Vielzahl von Terminen für Montagsproteste gegen die sog. "Corona-Zwangsmaßnahmen" bekannt. Bis März beteiligten sich Mitglieder der sächsischen Stützpunkte in diesem Zusammenhang vereinzelt auch an nicht extremistischen Versammlungen. Die vom Bundesvorstand der Partei angemeldete Demonstration in Zwickau anlässlich des 1. Mai stand unter dem Motto "Ein Volk will Zukunft! - Heimat bewahren! Überfremdung stoppen! Kapitalismus zerschlagen!". Der Dritte Weg wollte mit dieser Veranstaltung öffentlichkeitswirksam für sich und seine verfassungsfeindlichen Ziele werben, um neue Anhänger bzw. Mitglieder insbesondere aus 23 Vgl. Kapitel II.2.3.3 Partei Freie sachseN 39 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg der gesellschaftlichen Mitte zu gewinnen. Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Das Teilnehmerpotenzial von ca. 250 Personen blieb weit hinter den selbst definierten Erwartungen zurück. Teil der bundesweiten Kampagne "Die wahre Krise ist das System" war die vom Bundesvorstand angemeldete Demonstration am 2. Oktober in Plauen mit ca. 230 Teilnehmern. Wie zuvor bereits am 1. Mai in Zwickau gelang es der Partei auch mit dieser Demonstration nicht, die gesellschaftliche Mitte erfolgreich anzusprechen. Darüber hinaus fanden weitere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen statt. Sie dienten vor allem der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls der Mitglieder und Anhänger. Dabei legte die Partei stets Wert darauf, dass ihre Mitglieder in entsprechender "Parteikleidung" auftraten, ein korrektes äußeres Erscheinungsbild abgaben und Informationstische ansprechend gestaltet waren. Außerdem sollte die Partei bekannter gemacht und ihre Ideologie verbreitet werden. Mitglieder der Partei beteiligten sich an der von Rechtsextremisten durchgeführten "Gedenkveranstaltung" in Dresden anlässlich der Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 solidarisiert sich die Partei mit der Ukraine und unterstützt die dort kämpfenden Nationalisten - allen voran das "Asow-Bataillon". Im Zuge dessen rief die Partei die Kampagne "Nationalisten helfen Nationalisten" ins Leben. In deren Rahmen wurde in Chatgruppen zu Geldund Sachspenden aufgerufen. Nach Angaben der Partei seien zwei Spendentransporte bei den an der Front kämpfenden ukrainischen Nationalisten angekommen. Auch Mitglieder sächsischer Stützpunkte unterstützten diese Aktionen. Das jährliche "Heldengedenken" zum Volkstrauertag ist für die Partei ein wichtiger Termin, der vor allem der Verbreitung ihres revisionistischen und kriegsverherrlichenden Verständnisses der deutschen Geschichte dient. So fanden am Volkstrauertag 2022 unter dem Motto "Tot sind nur jene, die vergessen werden!" Aktionen der einzelnen Stützpunkte, wie Kranzniederlegungen und die Pflege von Gräbern, statt. Nicht öffentliche Veranstaltungen Anlass für den zweiten Landesparteitag am 21. Mai war die Neuwahl des Landesvorstandes. Tony GENTSCH übergab den Vorsitz an das seit Jahren aktive Parteimitglied Udo SIGHARDT. Die Partei organisierte darüber hinaus interne Veranstaltungen. Sie dienten der Festigung der "inneren Gemeinschaft", aber auch der Propagierung der parteieigenen Ideologie. So richtete die Partei regelmäßig Mitgliederversammlungen sowie Schulungsveranstaltungen für Mitglieder und Führungspersonen aus. Weiterhin bot die schon seit 2018 bestehende Arbeitsgruppe "Körper & Geist" Selbstverteidigungskurse für Parteimitglieder, aber auch für "externe" Kinder, Jugendliche und Frauen an. Um gezielt Jugendliche für die Partei zu gewinnen, wurden in den stützPuNkteN VogtlaND, mittellaND uND WestsachseN entsprechende Jugendgruppen gegründet. Diese zielen darauf ab, mit einem spe40 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg ziell zugeschnittenen Programm interessierte Jugendliche möglichst früh und auf zunächst unterschwellige Art und Weise in die Parteiarbeit einzubinden und ideologisch zu indoktrinieren. Die Spannweite der Veranstaltungen reicht dabei von Wanderungen über sog. "Waldund Wiesentage", Ausflüge und sportliche Aktivitäten bis hin zu Selbstverteidigungskursen, Nachhilfeunterricht und Schulungsveranstaltungen. Regionale Ausprägung stützPuNkt vogtlaNd Der stützPuNkt VogtlaND, gegründet im April 2015, ist im sachsenweiten Vergleich weiterhin der aktivste und mitgliederstärkste Stützpunkt. Das LfV Sachsen geht von ca. 80 Mitgliedern aus (2021: ca. 90 Mitglieder). Mit dem Parteiund Bürgerbüro auf der Pausaer Str. 130 in Plauen wurde die sog. "Parteizentrale" im Mai 2019 installiert. Dort trafen sich seitdem regelmäßig Parteimitglieder und Sympathisanten zu Mitgliederversammlungen, sog. "Aktionstagen", Zeitzeugenvorträgen, Schulungswochenenden, Parteitagen sowie für gemeinsame Aktivitäten mit Jugendlichen, Kindern und Familien. Die Führungsperson der Partei, Tony GENTSCH, vertritt die Partei seit 2019 im Stadtrat in Plauen sowie im Kreistag. Seine Aufgabe sei es, so das Wahlprogramm der Partei, "(...) im regionalen Parlament Stimme und Ohr für unser Volk zu sein" mit dem Ziel "Erst unser Volk, dann all die Anderen". Im Januar fand in der Parteizentrale ein sog. "Strategietreffen" von Mitgliedern der NatioNalreVolutioNäreN JugeND (NRJ) VogtlaND statt. In dessen Rahmen wurden Schulungsthemen, Aktivitäten, Termine und der Ausbau weiterer NRJ-Strukturen in Sachsen besprochen. Die Mitglieder des Stützpunktes beteiligten sich an den Demonstrationen am 1. Mai in Zwickau und am 2. Oktober in Plauen. stützPuNkt westsachseN Der stützPuNkt WestsachseN, gegründet im März 2017, ist mit seinen ca. 20 aktiven Mitgliedern fast ausschließlich in Zwickau aktiv. Dieser Stützpunkt trat mehrfach mit Aktivitäten öffentlich in Erscheinung: bei der Demonstration am 1. Mai in Zwickau sowie bei Gedenkveranstaltungen, FlyerVerteilaktionen, beim Herbstfest, der Sonnenwendfeier, der sog. "Winterhilfe" und beim jährlich stattfindenden "Tag der Gemeinschaft mit Fußball und Politik". Am 17. Dezember wurde die NatioNalreVolutioNäre JugeND WestsachseN gegründet. Auf der Internetseite der Partei wurde dieser Schritt folgendermaßen begründet: Dies "ist zugleich auch Verpflichtung für die jungen Nationalrevolutionäre, ihrer Verantwortung gewissenhaft nachzukommen und auf dem vor ihnen liegenden Weg zu wachsen. Im Jahr 2023 wird es in Zwickau und Westsachsen heißen: Nationalrevolutionäre Jugend voran!" 41 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Der Dritte Weg stützPuNkt mittellaNd Der im April 2015 gegründete stützPuNkt mittellaND führte im Berichtsjahr keine nennenswerten öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in Sachsen durch. Diese fanden eher in Sachsen-Anhalt statt. Neben den Mitgliederversammlungen standen interne gemeinschaftliche Aktivitäten im Vordergrund. Die im Juli 2021 gegründete Gruppe NatioNalreVolutioNäre JugeND (NRJ) mittellaND führte ebenfalls keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten durch. stützPuNkt mittelsachseN Im Dezember 2015 wurde der stützPuNkt mittelsachseN gegründet. Es sind im Berichtsjahr dort keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen bekannt geworden. Fazit Die Mitgliederzahlen der Partei stagnieren, und der geplante Stützpunkt Dresden/Sächsische Schweiz wurde nach wie vor nicht gegründet. Die Strukturen ihrer bereits existierenden Stützpunkte konnte die Partei im Berichtsjahr hingegen konsolidieren. Zur Gewinnung neuer Mitglieder - vor allem Jugendlicher - wird in der Parteizentrale und den stützPuNkteN WestsachseN und mittellaND verstärkt ein auf Jugendliche zugeschnittenes Programm angeboten. Eine Zusammenarbeit des DritteN Weges mit anderen Parteien des rechtsextremistischen Spektrums fand auch im Berichtsjahr nicht statt. Dafür tritt die Partei offenbar zu elitär auf, was wiederum auch zu einer geringen Anschlussfähigkeit in der gesellschaftlichen Mitte führt. Für die Entwicklung der Bundespartei und des laNDesVerBaNDes sachseN spielt das Vorhandensein der sog. "Parteizentrale" in Plauen weiterhin eine entscheidende Rolle. Seit der Eröffnung konzentriert sich das Veranstaltungsgeschehen insbesondere auf dieses Objekt. Es ist damit zu rechnen, dass dort auch zukünftig interne und öffentliche Veranstaltungen - u. a. mit bundesweiter Beteiligung von Parteimitgliedern - stattfinden werden. Der stützPuNkt VogtlaND wird wahrscheinlich weiterhin der aktivste Stützpunkt in Sachsen bleiben. Im September 2023 wird die Partei ihr zehnjähriges Jubiläum feiern. In diesem Zusammenhang ist bundesweit mit einer Vielzahl an öffentlichkeitswirksamen Parteiveranstaltungen zu rechnen. 42 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) 2.3.2 NatioNalDemokRatische PaRtei DeutschlaNDs (NPD) Gründung/Sitz: 1964/Berlin Vorsitz Bund: Frank FRANZ Vorsitz Sachsen: Peter SCHREIBER Teil-/ Junge nationalisten (JN) Nebenorganisationen: Ring nationaleR FRauen (RNF) KommunalPolitische veReinigung DeR NPD (KPV) lanDesveRbanD sachsen nPD-KReisveRbänDe bautzen-göRlitz-nieDeRschlesien chemnitz-mittelsachsen DResDen eRzgebiRge leiPzig staDt unD lanD meissen noRDsachsen sächsische schWeiz-osteRzgebiRge zWicKau-vogtlanD Publikationen/ Deutsche stimme Internetauftritte: Homepage des lanDesveRbanDes Youtube-Kanäle des lanDesveRbanDes ("Blickpunkt Sachsen TV") und einzelner KReisveRbänDe Facebook-Seite des lanDesveRbanDes Facebook-Seiten der KReisveRbänDe Instagram und Twitter Accounts des lanDesveRbanDes und einzelner KReisveRbänDe Telegram-Kanal des lanDesveRbanDes und einzelner KReisveRbänDe Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 180 ca. 240 bundesweit ca. 3.000 ca. 3.000 Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Spenden Kurzporträt/Ziele: Die NPD ist die älteste aktive rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie will den demokratischen Verfassungsstaat beseitigen und einen Nationalstaat errichten, in dem von ihr so verstandene ethnisch Nichtdeutsche von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind. Eine solche ethnisch definierte "Volksgemeinschaft" verletzt die Menschenwürde. Auch ihre rassistische, revisionistische, antisemitische und fremdenfeindliche Grundhaltung weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. 43 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) Relevante Ereignisse Wiederaufnahme von Parteiaktivitäten im Zuge der Aufhebung der staatliund Entwicklungen chen Corona-Maßnahmen 2022: Landesparteitag im März 2022 Bundesparteitag im Mai 2022 Umsetzung des "Erneuerungskonzeptes" der Bundespartei auch im Landesverband Sachsen; Vernetzungsbemühungen mit anderen extremistischen Gruppierungen Sommerfest der NPD in Riesa im Juli 2022 Kundgebung der JN gegen "Ausländerkriminalität" in Wurzen im Juli 2022 Gegenprotest der JN anlässlich des "Christopher Street Days" in Döbeln im September 2022 Neue NPD-Kampagne "Atomkraft statt Atomkrieg - Frieden statt Eskalation" Ideologie Das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung über den Antrag eines Parteiverbots vom 17. Januar 2017 die Verfassungsfeindlichkeit der NPD fest. Danach verletzt der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde, indem er den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person negiert und zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle führt, die nicht der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Migranten, religiöse und sonstige Minderheiten) gerichtet. Auch missachtet die NPD das Demokratieprinzip. In einem durch die "Einheit von Volk und Staat" geprägten Nationalstaat in ihrem Sinne ist für eine Beteiligung so verstandener ethnisch Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Die NPD tritt für die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am ehemaligen Deutschen Reich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten orientierten Staat ein. Die Partei weist durch ihr Konzept der "Volksgemeinschaft", ihre antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Hinzu kommen ihr Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der Partei mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. Strategie Die NPD befindet sich in einem bundesweit seit Jahren anhaltenden Abwärtstrend, der sich durch die schlechten Wahlergebnisse der vergangenen Jahre - zuletzt bei der Bundestagswahl 2021 - 44 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) noch beschleunigt hat. Die innerparteilichen Probleme spiegeln sich wider in einer mangelnden Handlungsund Kampagnenfähigkeit sowie anhaltend rückläufigen personellen und finanziellen Ressourcen. Zudem steht der Partei eine verstärkte Konkurrenz, z. B. durch die Partei Der Dritte Weg, gegenüber. Der innerparteiliche Unmut über den desolaten Zustand und die Perspektivlosigkeit der Partei hat einen noch andauernden Diskussionsprozess über Zukunftsstrategien bei den Mitgliedern ausgelöst. Die NPD sah sich Ende 2019 gezwungen, auf einem Bundesparteitag in Riesa eine Entscheidung über ihre weitere strategische und thematische Ausrichtung herbeizuführen. Der Bundesvorstand wurde beauftragt, ein Konzept für die strategische Neuausrichtung der Partei zu erarbeiten. Bislang wurden daraus lediglich die angekündigten Neuerungen zum medialen Erscheinungsbild der Partei umgesetzt. So erscheint die Parteizeitung Deutsche stimme (DS) seit April 2020 als Magazin, und im Jahr 2021 wurde ein Studio von DS-TV eingerichtet. Dort werden nach eigener Aussage "deutlich professioneller bestimmte Formate wie moderierte Reportagen sowie Interviewund Diskussionssendungen" produziert. Außerdem wurde das mediale Angebot der NPD um einen Podcast erweitert. Im Juli führte die Jugendorganisation der NPD, die JuNgeN NatioNalisteN (JN), den Podcast "Der Appell - neuer Bildungspodcast für die völkische Jugend" als neues Medienformat ein. Der Konflikt zwischen "Traditionalisten" und dem "Modernisierungslager" erreichte auf dem Bundesparteitag im Mai seinen Höhepunkt. An diesem Bundesparteitag nahmen auch Funktionäre und Mitglieder der NPD aus Sachsen teil. Der Antrag des Bundesvorstandes über eine Neuausrichtung und Umbennung der Partei scheiterte mit drei Stimmen an der notwendigen Zweidrittelmehrheit. Aus diesem Ergebnis leitete der wiedergewählte Bundesvorsitzende Frank FRANZ jedoch einen neuen Auftrag ab mit der Begründung, "dass vor allem die Bundestagswahl gezeigt habe, dass die NPD als Wahlpartei bei überregionalen Wahlen aktuell keine Chancen auf positive Ergebnisse habe." Demzufolge wolle sich die NPD künftig auf den Antritt bei Kommunalwahlen konzentrieren. Die wichtigste Aufgabe sehe die Partei in der "Unterstützung der Bürgerproteste gegen die verfehlte Politik der etablierten Partei[en]." Weiter hieß es dazu: "Dies macht eine stärkere Regionalisierung und eine Unsichtbarmachung der NPD als Partei, gewissermaßen als 'Antiparteien-Partei', notwendig. In der Vernetzung der vielfältigen systemkritischen Strömungen könnten sich die Nationaldemokraten als erfahrene Dienstleister anbieten". Inzwischen zielt die NPD offenbar tatsächlich darauf ab, ihren Status als Wahlpartei in den Hintergrund zu rücken und stattdessen verstärkt auf außerparlamentarische Kooperationen mit regional verankerten und öffentlichkeitswirksam agierenden Protestakteuren zu setzen. Die Zusammenarbeit verschiedener sächsischer NPD-Akteure mit den FreieN sachseN ist im Berichtsjahr als ein solches Kooperationsbeispiel zu werten. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit gewannen die entsprechenden NPD-Akteure tatsächlich wieder an Bedeutung und erzielten Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Mitte. 45 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) Aktivitäten Landesparteitag der NPD Sachsen Am 20. März fand in Riesa der NPD-Landesparteitag statt, auf dem Peter SCHREIBER als Landesvorsitzender wiedergewählt wurde. Seine Bedingungen für seine erneute Arbeit in dieser Funktion waren einerseits die Zustimmung der Parteimitglieder zur Umsetzung des "Erneuerungskonzeptes" der Bundespartei und andererseits die Zustimmung zu seinen zusätzlichen Aktivitäten für die Partei Freie sachseN. In einem Artikel in der NPD-Publikation Deutsche stimme veröffentlichte SCHREIBER einen Artikel, in welchem er sich zu dem Konzept äußert: "..., so eröffnet das offene Konzept der 'Freien Sachsen' als Netzwerkplattform und Bürgerbewegung auf der Straße doch auch erhebliche Mitwirkungsund infolgedessen ebenso Einflussmöglichkeiten für uns Nationaldemokraten." Die Parteimitglieder sowie der alte und neue Landesvorsitzende Peter SCHREIBER verdeutlichten auf dem Landesparteitag damit unmissverständlich, dass sie eine Erneuerung der NPD und eine verstärkte Kooperation mit den FreieN sachseN ausdrücklich unterstützen. Die im Berichtsjahr zu beobachtende verstärkte Zusammenarbeit beider rechtsextremistischer Parteien verwundert insofern nicht. Die Partei Freie sachseN wird seitens der NPD insbesondere aufgrund der zahlreichen personellen Überschneidungen weniger als Konkurrenz, sondern vielmehr als Bündnispartner verstanden. Aktivitäten von NPD-Akteuren bei den FreieN sachseN Folgende Akteure haben sich im Berichtsjahr neben ihrer Funktion bei der NPD zugleich für die FreieN sachseN engagiert: Name Aktivitäten bei der NPD/JN Aktivitäten bei den FReieN sachseN Stefan HARTUNG NPD-Kreisvorsitzender im ErzgeStellvertretender Vorsitzender der birgskreis und im Vorstand der FReien sachsen sächsischen NPD Max SCHREIBER NPD-Kreisvorsitzender im Anmelder von zahlreichen VerLandkreis Sächsische Schweizsammlungen der FReien sachsen in Osterzgebirge Heidenau und Dresden-Sporbitz Peter SCHREIBER Landesvorsitzender der NPD Bürgermeisterkandidat der FReien sachsen in Strehla und Beisitzer im Vorstand der FReien sachsen seit September 2022 Stefan TRAUTMANN NPDund JN-Funktionär Mehrfach Anmelder von Versammlungen der FReien sachsen 46 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) Sommerfest der NPD Sachsen Das alljährliche Sommerfest der NPD fand am 9. Juli in Riesa mit ca. 200 Teilnehmern auf dem Gelände der DeutscheN stimme Verlags gmBh statt. Im Vorfeld hatte der NPD-Landesverband Sachsen in den sozialen Medien mit einem Flyer für die Veranstaltung geworben. Bei der Gestaltung des Flyers wurde im Gegensatz zu den Vorjahren auf das NPD-Logo und die NPD-typischen Farben verzichtet. Stattdessen erschien der Flyer in den Farben der Partei Freie sachseN sowie mit dem Schriftzug "HEIMAT! Sachsen". Damit bekräftigte der sächsische Landesverband der NPD einerseits seine Intention, ein gemeinsames Netzwerk mit den FreieN sachseN bilden zu wollen. Auf der anderen Seite signalisierte er seine Unterstützung für eine mögliche Umbenennung der NPD in "Die Heimat", für die es auf dem vergangenen Bundesparteitag nicht die erforderliche Mehrheit gab. Der Organisator des Sommerfestes und Geschäftsführer des DS-Verlages, Peter SCHREIBER, präsentierte sich am Stand des Verlages mit einem seiner Wahlplakate für die Bürgermeisterwahl, bei der er für die FreieN sachseN antrat. Kampagnen Im Dezember 2021 rief der Deutsche stimme Verlag eine Kampagne unter der Überschrift "Nein zur Impfpflicht! Finger weg von unseren Kindern!" ins Leben. Diese Kampagne umfasste einen Spendenaufruf, eine Online-Petition sowie Flyer, Aufkleber und Transparente, die im Rahmen von Demonstrationen mitgeführt wurden. Die Transparente der Kampagne konnten auf den ersten Blick nicht der NPD zugeordnet werden und wurden im Berichtsjahr bei Corona-Protesten in Sachsen mitgeführt. Im Oktober 2022 informierte der Deutsche stimme Verlag über eine neue Kampagne unter dem Motto "Atomkraft statt Atomkrieg - Frieden statt Eskalation". In deren Rahmen wurden nicht nur Plakate, Flyer, Aufkleber und Banner erstellt, sondern darüber hinaus eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet. Diese hatte zum Inhalt, den Krieg in der Ukraine zu beenden, Waffenexporte sowie Sanktionen gegen Russland zu stoppen und Atomkraftwerke langfristig weiter zu betreiben. Der Bezug zur NPD bzw. zum Deutsche stimme Verlag war auch bei dieser Kampagne nicht offenkundig. In einem Beitrag auf der Homepage sowie in den sozialen Medien forderte das Parteipräsidium den "sofortigen Abzug amerikanischer Soldaten aus Europa und die Einstellung aller Kampfhandlungen". Jugendorganisation der NPD: JuNge NatioNalisteN (JN) Die Jugendorganisation der NPD gliedert sich in den Bundesverband, in Landesverbände und in einigen Bundesländern überdies in regional und lokal agierende sogenannte Stützpunkte. Die Bundesgeschäftsstelle der JN befindet sich seit dem Jahr 2018 wieder in Riesa (Landkreis Meißen)24. Im 24 Die Bundesgeschäftsstelle der JN war im Jahr 2014 zeitweise nach Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) verlegt worden. 47 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) Freistaat Sachsen werden den JN ca. 40 Personen zugerechnet (2021: ca. 40). Beim Bundeskongress der JN in Thüringen stellte sich der bisherige Bundesvorsitzende Paul RZEHACZEK aus Sachsen nicht zur Wiederwahl. Seit August 2021 existiert mit dem geBietsVerBaND mitte eine zusätzliche länderübergreifende JNStruktur. Diese umfasst die Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg. Beim Landeskongress dieses Verbandes im Oktober in Brandenburg wurden auch sächsische JNFunktionäre in den Vorstand gewählt. Im Dezember 2021 wurde der Onlineversand "Der Frontdienst" der JN wieder aktiviert. Dieser war seit 2020 nicht mehr erreichbar. Über diesen Versand können Materialien der JN, wie Aufkleber, Banner, Broschüren und Plakate, bezogen werden. Die JN sind bestrebt, eigene Akzente zu setzen sowie entsprechende Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Aktionen für die Zielgruppe der Jugendlichen und Erstwähler zu initiieren. Darüber hinaus soll der "Nachwuchs" durch ideologisch geprägte Schulungen gefestigt werden. Während sich die "Mutterpartei" NPD als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, sehen sich die JN gemäß ihres Selbstverständnisses eher im "vorpolitischen Raum". Neue Mitglieder rekrutieren die JN insbesondere durch vordergründig unpolitische Aktivitäten (z. B. Sportfeste, Fußballturniere, Wanderungen, Sonnenwendfeiern oder sog. "Leistungsmärsche"). Mit der Kampagne "Jugend packt an" führten die JN Spendenaktionen durch, mit denen sie sich unter dem Motto "Wir helfen, wo der Staat versagt" als "Kümmerer" vor Ort darstellen wollen. Mit ihrem sozialen Engagement wollen sie nicht extremistische Personenkreise erreichen. Auffällig ist auch hier die Unverfänglichkeit der Themen, mit denen Jugendliche angesprochen werden: Kinder, Familien, saubere Städte, Tiersowie Klimaschutz. Regionale Ausprägungen Landkreise Bautzen und Görlitz Der NPD-kreisVerBaND BautzeN-görlitz-NieDerschlesieN beteiligte sich mehrfach mit einem eigenen Transparent an Protestveranstaltungen in Bautzen. Der Kreisverband führte im Berichtsjahr außerdem erstmals in Eigenregie die in den Vorjahren durch NeoNatioNalsozialisteN organisierte Gedenkveranstaltung am 22. April in Niederkaina durch. An dieser nahmen ca. 50 Personen teil. Bei der Veranstaltung gedenken die Rechtsextremisten regelmäßig der Soldaten einer Volkssturmkompanie, die am 22. April 1945 als Kriegsgefangene in einer brennenden Scheune umgekommen waren. 48 RECHTSEXTREMISMUS - NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) Landkreis Mittelsachsen Im Landkreis Mittelsachsen führte der dortige JN-stützPuNkt im September eine Gegenveranstaltung mit etwa 40 Personen zum parallel stattgefundenen Aufzug anlässlich des "Christopher Street Days" in Döbeln durch. Weiterhin erfolgte durch den JN-Stützpunkt in Döbeln im November eine FlyerVerteilaktion vor einer Berufsschule. Sie zielte darauf ab, neue Mitglieder zu werben und auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages aufmerksam zu machen. Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Der NPD-kreisVerBaND sächsische schWeiz-osterzgeBirge nahm mit Beendigung der Corona-Maßnahmen seine Aktivitäten wieder auf. So fand in seinem Treffobjekt "Klub 451" in Pirna im Juli ein Liederabend statt. Landkreis Leipzig Im Landkreis Leipzig nahm der dortige JN-stützPuNkt ein Tötungsdelikt vom 19. Juni an einem 15-jährigen Mädchen in Salzgitter zum Anlass, am 23. Juli in Wurzen gegen das Thema "Ausländerkriminalität" zu demonstrieren. An der Demonstration nahmen ca. 20 Personen teil, es wurden Fahnen der JN und der NPD sowie ein Banner mit der Aufschrift "Migration tötet!" gezeigt. Landkreis Meißen Der NPD-kreisVerBaND meisseN hat - wie auch der laNDesVerBaND der NPD sachseN - seinen Sitz auf dem Gelände des Deutsche stimme Verlages in Riesa. Der Kreisverband unterhält unter dem Motto "Deutsche helfen Deutschen" dort einen sog. "Sozialladen". Dieser sammelt Sachund Geldspenden im Rahmen der Kampagne "Jugend packt an". Im Juli fand in den Räumlichkeiten ein sog. "Vernetzungstreffen" der JN statt. Landeshauptstadt Dresden Der NPD-kreisVerBaND DresDeN veranstaltete im Februar einen Liederabend. Außerdem fanden in Dresden mehrere Gedenkveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen, wie z. B. zum 13. Februar anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Landeshauptstadt sowie zum Volkstrauertag statt, an denen sich auch Mitglieder der NPD und JN Dresden beteiligten. Fazit Die NPD durchläuft nach wie vor eine Talsohle, da sowohl Wahlerfolge ausbleiben als auch ihre Mitgliederzahlen rückläufig sind. Als Reaktion darauf versucht die Partei, sich ein Erneuerungskonzept aufzuerlegen, das auf eine strategische Neuausrichtung und mehr Bürgernähe abzielt. 49 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Der sächsische NPD-Landesverband unterstützt die Reformbemühungen des Bundesvorsitzenden. In Sachsen war im Berichtsjahr zu beobachten, dass sich eine Reihe von NPDund JN-Funktionären inzwischen parallel auch in anderen Strukturen, insbesondere bei den FreieN sachseN, engagieren. Die Idee dahinter ist einfach: Da die FreieN sachseN insbesondere bei den Themenfeldern "Anti-Asyl" und "Anti-Migration" ähnliche Positionen vertreten und darüber hinaus auch noch deutlich anschlussfähiger sind als die NPD, versuchen NPDund JN-Funktionäre niedrigschwellig (z. B. durch die Anmeldung von Kundgebungen sowie die Betreuung von Informationsständen für die FreieN sachseN, Aufstellung von Kandidaten für Bürgermeisterwahlen) eigene Positionen unter einem anderen Label zu verbreiten. Diese Entwicklung wird sich zumindest mittelfristig fortsetzen, da sie bislang einigermaßen erfolgversprechend war. Ob damit das Erneuerungskonzept der reformwilligen NPD-Mitglieder vorangetrieben oder der Niedergang der Gesamtpartei beschleunigt wird, ist bislang nicht absehbar. 2.3.3 Partei FReie sachseN Gründung/Sitz: Die Partei FReie sachsen gründete sich am 26. Februar 2021. Chemnitz, Brauhausstraße 6 Vorsitz: Martin KOHLMANN (Vorsitzender), Stefan HARTUNG (stv. Vorsitzender), Andreas HOFMANN (stv. Vorsitzender) Teil-/ Ratsfraktion PRo chemnitz/FReie sachsen (Stadtratsfraktion Chemnitz)25 Nebenorganisationen: KReisveRbanD chemnitz KReisveRbanD eRzgebiRge KReisveRbanD sächsische schWeiz-osteRzgebiRge mit zwei regionalen Ortsverbänden KReisveRbanD mittelsachsen Publikationen/ Flugblätter/Infoblätter, Internetauftritte: Publikation "Aufgewacht - Das Politikmagazin für Sachsen" (erscheint zweimonatlich), E-Mail-Rundbrief, Internetseite, Facebook-Seite, ein Telegram-Hauptkanal mit über 151.000 Followern und folgende regionale "Telegram-Ableger": PRo chemnitz/FReie sachsen, FReie sachsen zWicKau, FReie sachsen DResDen, FReie sachsen eRzgebiRge, FReie sachsen meissen, FReie sachsen leiPzig, FReie sachsen lanDKReis leiPzig, FReie sachsen mittelsachsen, FReie sachsen noRDsachsen, FReie sachsen ostsachsen, FReie sachsen sächsische schWeiz-osteRzgebiRge, FReie sachsen vogtlanD Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: ca. 1.000 (Eigenangaben) ca. 1.000 (Eigenangaben) 25 Die Ratsfraktion benannte sich im Jahr 2021 in Pro chemNitz/Freie sachseN um. Dieser vorausgegangen war die BürgerBeWeguNg Pro chemNitz, die sich bereits im Jahr 2009 gegründet hatte und 2018 vom LfV Sachsen als rechtsextremistisch eingestuft worden war. 50 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Finanzierung: u. a. Spenden, Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus eigenem Versandshop Kurzporträt/Ziele: Die FReien sachsen sind eine als Partei organisierte Gruppierung von neonationalsozialisten, NPD-Funktionären und weiteren Szeneangehörigen oder -sympathisanten, die sich unter der Ägide von Martin KOHLMANN, Robert ANDRES (beide ehemals PRo chemnitz) sowie Stefan HARTUNG (NPD) gegründet hat. Die Partei wurde vom Bundeswahlleiter formell in das Verzeichnis der Parteien und politischen Vereinigungen aufgenommen. Die FReien sachsen verstehen sich als Sammlungsbewegung, unter deren Dach verschiedene extremistische und nicht extremistische Akteure zusammenwirken sollen. Die Gruppierung richtet eigene Veranstaltungen aus. Über ihre Wirkkraft in den sozialen Medien wirbt sie aber auch für die Teilnahme an Protestveranstaltungen anderer Akteure und fungiert über ihre Telegram-Plattformen als "Mobilisierungsmaschine" und "Dienstleister" (neben Werbung für Veranstaltungen auch Veröffentlichung von Bildern und Videos zum Protestgeschehen). Relevante Ereignisse Im ersten Halbjahr standen der Aufund Ausbau der Strukturen sowie die und Entwicklungen Beteiligung an den Kommunalwahlen im Mittelpunkt der Aktivitäten. 2022: Gründung von vier Kreisverbänden der Partei FReie sachsen Gründung der Jugendorganisation FReie JugenD sachsen Stammtische eigene Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Protestgeschehen im Freistaat Ideologie Die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der Kleinstpartei Freie sachseN richten sich gegen den Bestand des Bundes. Nach ihrem Parteiprogramm strebt sie mehr Autonomie für den Freistaat Sachsen bzw. sogar den sog. "Säxit" an ("Mehr Autonomie und notfalls der Säxit"). Was dies für die FreieN sachseN bedeutet, präzisierte der stellvertretende Parteivorsitzende Stefan HARTUNG wie folgt: "Mit jedem Tag mehr in diesem Regenbogen-Irrenhaus werde ich größerer Anhänger des 'Säxit'. Wir müssen uns als Sachsen so weit wie möglich von diesen Wahnsinnigen in Berlin und Brüssel abnabeln. Ich möchte nicht in diesem Moloch - von Russland-Sanktionen über Corona-Wahnsinn bis hin zu Multikulti - verenden. Ich will in einem freien und klugen Sachsen leben, das die Natur achtet und die Wirtschaft gedeihen lässt, anstatt Geschlechter zu negieren und Selbstmord-Sanktionen gegen Putin zu praktizieren." Die nach ihrer Lesart vermeintliche Überflüssigkeit der Demokratie und die Vorzugswürdigkeit diktatorischer Staatsformen verdeutlichten die FreieN sachseN in ihrem Informationsblatt über die CoronaPolitik der Republik Belarus. Darin heißt es, dass es dort "ohne Lockdown ganz wunderbar geht" und "Wenn ein 'Diktator' seinem Volk die Freiheit bewahrt, während uns die 'Demokraten' einsperren - wozu brauchen wir dann solche 'Demokraten'?" 51 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Strategie Im Berichtsjahr verfolgten die FreieN sachseN das Ziel, den Aufund Ausbau regionaler Strukturen im gesamten Freistaat voranzutreiben. So gründeten sie vier Kreisverbände sowie die Jugendorganisation Freie JugeND sachseN. Diese "realweltliche" Vernetzung ist wichtig, bedeutender ist aber die Vernetzung in den sozialen Medien, wo die Partei regelmäßig dazu aufruft, sich bei ihr einzubringen, "... um noch effektiver politisch zu wirken". Hierfür verfügt sie inzwischen über eine Reihe von "Kanälen" - sowohl für die Gesamtpartei als auch speziell für einzelne Regionen in Sachsen. Insbesondere über Telegram riefen die FreieN sachseN auch im Berichtsjahr regelmäßig zur Teilnahme an den sachsenweit stattfindenden Protesten auf. Damit haben sie sich strategisch als effektive "Mobilisierungsmaschine" für extremistische und nicht extremistische Proteste fest etabliert. Dabei scheinen die Themen für die FreieN sachseN in hohem Maße austauschbar zu sein. Sowohl die CoronaPandemie als auch der Ukraine-Krieg mit seinen befürchteten Folgen für die Bevölkerung hierzulande (u. a. steigende Energieund Lebenshaltungskosten, wirtschaftliche Folgen, soziale Abstiegsängste) und die jüngst wieder in den Fokus rückende Flüchtlingsthematik sind für die FreieN sachseN geeignete Themen mit Empörungspotenzial, um das vorhandene Protestmilieu zu aktivieren und möglichst ununterbrochen für realweltliche Proteste zu mobilisieren. Mit diesem Agieren offenbaren die FreieN sachseN ihre wahre Strategie: Ihnen geht es nicht um eine Lösung für die konkreten Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort, sondern einzig darum, diese für ihre eigene verfassungsfeindliche Agenda zu instrumentalisieren und mit dieser auf subtile Art und Weise in immer weitere Teile der gesellschaftlichen Mitte einzusickern. Die FreieN sachseN hatten innerhalb der virtuellen und auch der realweltlichen Protestszene bis in die zweite Jahreshälfte hinein ein gewisses Maß an Deutungshoheit über die aktuellen Themen in Bezug auf den Ukraine-Krieg inne. Dies änderte sich jedoch im vierten Quartal, als eine Reihe von Bürgermeistern, Kommunalpolitikern, Handwerkern und Unternehmern als Redner bei entsprechenden Protestveranstaltungen auftraten oder diese selbst organisierten. Im Gegensatz zu den in hohem Maße von den FreieN sachseN gekaperten Corona-Protesten eröffneten sich bezüglich der Energie-Proteste für Bürger nun alternative Versammlungsformate - nicht selten ohne erkennbare Beteiligung von Rechtsextremisten. Die FreieN sachseN sprachen in der Folge provokativ von "gesteuerter Opposition", um den Gegensatz zu verdeutlichen zwischen der eigenen Partei und anderen Akteuren, die sich eindeutig von den rechtsextremistischen FreieN sachseN abgrenzten, gleichwohl aber Kritik an der Energieund Wirtschaftspolitik vorbrachten. Der aus Nordrhein-Westfalen zugezogene Rechtsextremist und Anhänger der FreieN sachseN, Michael BRÜCK26, äußerte sich dementsprechend über eine Protestveranstaltung in Annaberg-Buchholz, an der sich insbesondere zahlreiche lokale Handwerker und Unternehmer sowie der Oberbürgermeister 26 Ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender der Partei Die rechte in Nordrhein-Westfalen 52 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN beteiligten: "Übrigens: Der Annaberger Oberbürgermeister [...] und seine lokalen Unternehmer saßen eine Woche später als Bittsteller bei Ministerpräsident Michael Kretschmer am Tisch, der ihnen vollste Unterstützung versicherte. Jener Michael Kretschmer, der mit den Grünen zusammen regiert und die Energiepolitik in diesem Land mit zu verantworten hat. Noch deutlicher kann die gesteuerte Opposition wohl kaum verbildlicht werden." 27 Wenn Hilfsangebote für Handwerker und Unternehmer aus Sicht der FreieN sachseN von der verhassten Landesoder Bundesregierung aus dem Boden "gestampft" und von den Bürgern angenommen werden, wird dies von Rechtsextremisten als Komplott ("gesteuerte Opposition") gewertet. Für die FreieN sachseN wären regierende Politiker jedweder Partei niemals ein adäquater Gesprächsoder Verhandlungspartner, da man diesen etablierten Parteien schließlich die Schuld für die gegenwärtigen Probleme gibt. Ein weiterer Grund für diesen Abwehrreflex dürfte die Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit über die "Empörungsthemen" sein. Schließlich sehen sich die FreieN sachseN nach wie vor als Protest-Platzhirsch Nummer Eins, der diese "Pole-Position" nicht mit anderen Akteuren teilen oder gar an diese abgeben will. Da diese Rechnung bei den Energie-Protesten wegen stagnierender bzw. rückläufiger Mobilisierung nicht aufging, stellten sich die FreieN sachseN im letzten Quartal des Berichtsjahres thematisch wieder breiter auf. So heizten sie beispielsweise in Naunhof (Landkreis Meißen) und in Chemnitz-Einsiedel erste lokale Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen über die sozialen Medien an oder organisierten diese - wie beispielsweise in Dresden-Sporbitz - selbst. Damit kehrten die FreieN sachseN zu einem rechtsextremistischen Kernthema zurück. Auch hierbei geht es ihnen ausschließlich darum, möglichst wieder viele Menschen über die Wirkkraft der sozialen Medien aufzustacheln und auf die Straße zu bringen, die Deutungshoheit über dieses rechtsextremistische Kernthema nicht zu verlieren und das Protestgeschehen zu diesem Thema zu orchestrieren. Die Strategie ist erneut: Politiker sollen wegen ihrer Asylpolitik als unfähig und abgehoben dargestellt werden, Flüchtlinge werden verächtlich und pauschal als Kriminelle bezeichnet. Diese rechtsextremistische Agitation verstößt mithin gegen die grundgesetzlich verbriefte Garantie der Menschenwürde. Struktur Die FreieN sachseN sind eine als Mini-Partei organisierte Gruppierung von NeoNatioNalsozialisteN, NPDFunktionären und weiteren Szeneangehörigen oder -sympathisanten. Nach ihrer Auffassung sei es aber gerade nicht ihr Ziel, "eine weitere politische Organisation als Konkurrenz zu bereits Bestehenden zu sein, sondern allen bestehenden Gruppen und auch einzelnen Aktivisten ein gemeinsames Dach zu bieten, unter dem die Kräfte wirkungsvoll gebündelt und Aktivitäten (z. B. Demonstrationen, Netzund Öffentlichkeitsarbeit) koordiniert werden, ohne dass die Einzelnen sich einer fixen Doktrin unterwerfen müssen." 27 Michael BRÜCK, in: Aufgewacht. Das Politikmagazin für Sachsen, Nov./Dez. 2022, S. 25. 53 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Doppelmitgliedschaften sind für die Partei offensichtlich kein Problem: "Aber: Wer sich anmeldet, kann natürlich besser am langfristigen Strukturaufbau mitwirken, Und der ist gerade in solch bewegten Zeiten dringender denn je. Und: Durch Doppelmitgliedschaften spricht natürlich auch nichts dagegen, sich bei der Sammlungsbewegung anzumelden und noch parallel woanders aktiv zu sein. Im Gegenteil!" Die FreieN sachseN weiteten ihren Aktionsradius im Berichtsjahr weiter aus. Neben der Neugründung von vier Kreisverbänden wurden in anderen Regionen sog. "Stammtische" durchgeführt, u. a in den Landkreisen Meißen, Nordsachsen und Zwickau. Es ist damit offensichtlich, dass Martin KOHLMANN unter dem neuen Label Freie sachseN seine bislang auf den Chemnitzer Raum begrenzten Aktivitäten auf den gesamten Freistaat ausdehnen will. Der Partei kommt dabei zugute, dass sich insbesondere die NPD in einem desolaten Zustand befindet. Einzelne - auch hochrangige - NPD-Mitglieder haben sich inzwischen unter dem Dach der FreieN sachseN zusammengefunden und bringen ihr personelles und organisatorisches Wissen nunmehr in deren Parteiarbeit ein. Aktivitäten Gründung von Kreisverbänden und Wahl des Parteivorstandes Die FreieN sachseN gründeten am 4. Februar ihren ersten Kreisverband im Erzgebirge. Bereits eine Woche später, am 11. Februar, erfolgte die Gründung des zweiten Kreisverbandes in Chemnitz. Beim Kreisverband im Erzgebirge übernahm Stefan HARTUNG den Vorsitz. Die regionale "Verteilung" dieser ersten beiden Kreisverbände ist ein Beleg dafür, dass der Großraum Chemnitz und der Erzgebirgskreis Hochburgen der Partei sind. Dies ist wenig überraschend, da insbesondere die bereits langjährigen Mitglieder der Bürgerbewegung Pro chemNitz sowie die Führungspersonen der FreieN sachseN hier politisch aktiv waren und nach wie vor gut vernetzt sind. Der Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wurde am 25. Februar und jener in Mittelsachsen Anfang September gegründet. Am 11. September erfolgte die Wahl eines neuen Parteivorstandes. Mit der einstimmigen Wiederwahl von Martin KOHLMANN zum Vorsitzenden signalisierten die Mitglieder, dass sie hinter ihm und seiner Arbeit stehen. Der Vorstand setzt sich erneut auch aus weiteren bekannten Rechtsextremisten zusammen. Neben Stefan HARTUNG ist mit Peter SCHREIBER nun auch der NPD-Landesvorsitzende im Vorstand aktiv. Die verbliebenen Beisitzerposten wurden regional breit gestreut. Hintergrund dürfte der angestrebte Ausbau regionaler Strukturen sein. Die Mitgliederversammlung wurde abschließend von den FreieN sachseN als "Signal der Einigkeit" deklariert, man werde "mit allen Bündnispartnern durchstarten!". Gründung der Jugendorganisation Freie JugeND sachseN Mitte 2022 hat sich eine Jugendorganisation der FreieN sachseN gegründet. Die Freie JugeND sachseN verfügt über regionale Ableger im Raum Freital und Leipzig. Medial aktiv ist die Jugendorganisation insbesondere bei Telegram. Dort informiert sie ihre Anhängerschaft öffentlich auf einem Hauptkanal 54 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN und zwei regionalen Kanälen (Regionen Leipzig und Sächsische Schweiz Osterzgebirge) über ihre Aktivitäten. Die Jugendorgansiation arbeitet ebenfalls daran, ihre Strukturen weiter auszubauen. Bei einer Großdemonstration am 29. Oktober in Dresden war die Freie JugeND sachseN gemeinsam mit den FreieN sachseN mit zwei Informationsständen vertreten. An einer Kundgebung der Jugendorgansiation am 5. November in Freital unter dem Motto "Schüler stehen auf!" nahmen lediglich 20 Personen teil. An der Kundgebung der FreieN sachseN am 28. Dezember gegen die Errichtung eines Asylbewerberheims in Dresden-Sporbitz nahmen Mitglieder der FreieN JugeND sachseN aus dem Raum Freital teil. Öffentliche Kundgebungen und Aktionen Schwerpunkt der Aktivitäten der FreieN sachseN bildeten im ersten Halbjahr die sog. "Anti-CoronaProteste". So meldete der NPD-Funktionär Max SCHREIBER für die FreieN sachseN ab Februar wöchentliche Kundgebungen in Heidenau an. Diese standen unter dem Motto "Coronamaßnahmen beenden - Kretschmer verhaften". Lag die Beteiligung an den ersten Veranstaltungen noch im niedrigen dreistelligen Bereich, konnte später lediglich eine mittlere zweistellige Teilnehmerzahl mobilisiert werden. Am 18. Januar veranstalteten die FreieN sachseN anlässlich des Besuchs des sächsischen Ministerpräsidenten in Frankenberg eine Kundgebung unter dem Motto "Kretschmer muss weg!". Trotz einer kurzen Vorlaufzeit gelang es ihnen, hierfür ca. 200 Personen zu mobilisieren. Im August rückte der Bundeswirtschaftsminister in ihren Fokus. Unter dem Motto "Regierungsrücktritt - jetzt!" wurde für den 8. August in Heidenau eine Versammlung angemeldet. Diese sollte auch die Aufführung einer "Abschlussinszenierung" auf dem Marktplatz beinhalten. Darin sollte dem Bundeswirtschaftsminister "der Prozess gemacht" und er in der Folge an den Pranger gestellt werden. Bereits im Vorfeld wurden Sequenzen dieser Inszenierung, u. a. die "Entführung" des Ministers, in den sozialen Medien geteilt. Der "symbolische", öffentliche Prozess gegen den Bundeswirtschaftsminister stach im Berichtsjahr zwar hinsichtlich der drastischen Aktionsform hervor, inhaltlich reihte er sich jedoch in die Kette kontinuierlicher scharf verhöhnender Kritik an Politikern ein. Das Verwaltungsgericht Dresden bestätigte schließlich eine von der Versammlungsbehörde verfügte Untersagung der geplanten "Inszenierung" sowohl am 8. August als auch bei einer Folgeveranstaltung. Unter dem Motto "Während andere reden, packen wir an" organisierten die FreieN sachseN Ende Juli Hilfstransporte für die Brandhelfer in der von schweren Waldbränden betroffenen Region in der Sächsischen Schweiz. Die Lieferung umfasste Eigenangaben in den sozialen Medien zufolge u. a. "Zwei Dixi-Toiletten, ein Kühlanhänger ... sowie Zigaretten, Schokoriegel und Süßgetränke ... Insgesamt haben die Waren einen Gesamtwert von 2.200 Euro..." 28. Mittels dieser Aktion und deren Motto wollten sich die FreieN sachseN als "Kümmerer" präsentieren, die Probleme zügig angehen und lösen. Daraus leiteten sie wiederum das Recht ab, den Staat und die politischen Entscheidungsträger als handlungsunfähig darzustellen. Ihr Ziel war es, sich bei den 28 Schreibweise wie im Original 55 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Brandhelfern "einen Namen" zu machen, Zuspruch aus der Bevölkerung zu erhalten und potenzielle neue Mitglieder zu gewinnen. Finanzierung auch über einen eigenen Online-Shop Seit Ende Juni 2021 betreiben die FreieN sachseN einen eigenen Online-Shop. Wurden anfänglich neben Bannern und Plakaten für Versammlungen auch Schals und Tassen angeboten, erweiterte sich das Angebot im Berichtsjahr. So wurden das Bekleidungssortiment breiter aufgestellt und eine Vielzahl an Kleinprodukten (wie Feuerzeuge, Zollstöcke, Kugelschreiber und Stoffbeutel) neu ins Sortiment aufgenommen. Neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden dürfte dieser Online-Shop inzwischen als wichtige Einnahmequelle der FreieN sachseN fungieren. Darüber hinaus bitten die FreieN sachseN auf ihren Telegramkanälen regelmäßig um finanzielle Unterstützung für die "Konstante der Bürgeropposition in Sachsen" und "einen stetigen Professionalisierungsprozess". Teilnahme an Kommunalwahlen Am 12. Juni fanden in neun sächsischen Landkreisen jeweils Landratswahlen statt. Im Vorfeld der Kommunalwahlen führten die FreieN sachseN zahlreiche Kundgebungen, u. a. in Aue-Bad Schlema, Strehla, Dohna, Oschatz, Schwarzenberg (Erzgebirgskreis), Heidenau, Annaberg-Buchholz, Johanngeorgenstadt, Delitzsch und Mügeln durch. Die Abschlusskundgebung der FreieN sachseN fand am 11. Juni in Schwarzenberg unter dem Motto "erzgebirgischer Heimatabend für Freiheit und Selbstbestimmung" statt. Dabei traten Martin KOHLMANN, Stefan HARTUNG und Mario LÖFFLER als Redner auf. Letztgenannter ist stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Sachsen und sitzt im Kreistag des Erzgebirgskreises. Die FreieN sachseN beteiligten sich an den Landratswahlen mit eigenen Kandidaten in den drei Landkreisen Erzgebirgskreis, Nordsachsen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Während die Partei im Erzgebirgskreis und im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge knapp zehn Prozent der Stimmen erringen konnte, erreichte ihre Kandidatin in Nordsachsen ein Ergebnis von 20 Prozent und damit den zweiten Platz. Darüber hinaus beteiligte sich die Partei in vier Gemeinden und Städten an den dortigen Bürgermeisterwahlen. Hervorzuheben ist hier das Wahlergebnis in Dohna (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), bei der die Kandidatin der FreieN sachseN 30,1 Prozent der Stimmen und damit ebenfalls den zweiten von insgesamt nur zwei Plätzen erreichen konnte. Stammtischtreffen Im Berichtsjahr führten die FreieN sachseN in verschiedenen Regionen Stammtischtreffen durch, u. a. in den Landkreisen Mittelsachsen, Meißen, Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Zwickau. Diese Stammtische dienen der gezielten regionalen Vernetzung und der Gewinnung neuer Anhänger aus dem extremistischen und nicht extremistischen Spektrum. So sollen dort "Einzelaktivisten oder andere Bürgerbewegungen" zusammengebracht werden. Bei der Durchführung dieser Treffen wurden die FreieN sachseN teilweise auch von Anhängern und Funktionären der NPD unterstützt. 56 RECHTSEXTREMISMUS - Partei Freie sachseN Zusammenarbeit mit anderen Rechtsextremisten Im Rahmen einer Lesung stellte der Chefredakteur und Herausgeber des comPact-magaziNs, Jürgen ELSÄSSER, am 5. Mai in Hartmannsdorf bei Chemnitz sein Buch "Ich bin Deutscher - Wie ein Linker zum Patrioten wurde" vor. Martin KOHLMANN hielt zu Beginn der Veranstaltung eine Rede. Abschließend resümierten die FreieN sachseN, dass der Veranstaltungssaal "bis auf den letzten Platz gefüllt" war. Sie sprachen von einer "gelungenen Veranstaltung von comPact und den FreieN sachseN!". So hätten sie einen "großen Andrang" beobachtet und betrachteten die Veranstaltung als vollen Erfolg. Im Internet veröffentlichte Bilder zeigten ELSÄSSER vor einem Aufsteller der FreieN sachseN. Protestgeschehen im Zusammenhang mit der Asylthematik Seit Mitte Oktober ist festzustellen, dass sich die Partei verstärkt auf die Themen "Migration" und "Asyl" fokussiert. So richtete sich u. a. die von ihr regelmäßig mittwochs initiierte Versammlung in Dresden explizit nicht mehr gegen die Energieund Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, sondern gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Sporbitz. In der entsprechenden Ankündigung hieß es dazu: "Einsiedel hat begonnen, Naunhof gestern vierstellig nachgelegt: Immer mehr sächsische Orte und Stadtteile wehren sich gegen die Pläne, Asylheime zu errichten. Die Botschaft ist klar: Wir Bürger wollen kein zweites 2015 erleben. [...] Lassen wir die Anwohner nicht allein und protestieren wir mit ihnen gegen das Asylchaos!". In der zweiten Jahreshälfte heizten die FreieN sachseN über die sozialen Medien erste lokale Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen an, so beispielsweise in Naunhof im Landkreis Meißen und in Chemnitz-Einsiedel. Die Proteste in Dresden-Sporbitz wurden hingegen von der Partei selbst organisiert. Ihre derzeitigen Führungsfunktionäre Robert ANDRES und Martin KOHLMANN hatten dieses Thema bereits anlässlich der Asylkrise in den Jahren 2014 und 2015 besetzt. Mit Blick auf die Teilnahme und Mobilisierung im Rahmen von Protesten gegen die Unterbringung von Flüchtlingen versuchen die FreieN sachseN einerseits, den Anschluss an nicht extremistische Protestmilieus herzustellen. Zum anderen werden sie mit der Besetzung dieses Themas der Erwartungshaltung ihrer rechtsextremistischen Mitglieder und Sympathisanten gerecht. Fazit Die FreieN sachseN zeichneten sich im Berichtsjahr abermals durch ein hohes Aktionsniveau aus. So führten sie eine Vielzahl von eigenen Veranstaltungen durch oder beteiligten sich an Protestveranstaltungen anderer Organisatoren. Die rechtsextremistische Kleinstpartei versteht es nach wie vor, insbesondere über ihre zahlreichen Telegram-Kanäle zur Teilnahme an den sachsenweit stattfindenden Protesten aufzurufen. Damit hat sie sich strategisch als effektive "Mobilisierungsmaschine" für extremistische und nicht extremistische Proteste fest etabliert. Allerdings scheinen die Mobilisierungsthemen in hohem Maße austauschbar zu sein, um das vorhandene Protestmilieu dauerhaft zu "empören" und möglichst ununterbrochen für realweltliche Proteste zu mobilisieren. Der Kleinstpartei ist es im Berichtsjahr gelungen, ihre Strukturen weiter auszubauen. Ziel der Partei ist es 57 RECHTSEXTREMISMUS - Neue stärke Partei demnach weiterhin, sich regional noch breiter aufzustellen. Im Jahr 2023 wird sich zeigen, ob erste Vorbereitungen getroffen und Kooperationsbzw. Unterstützungsnetzwerke aufbzw. ausgebaut werden, um sich für den Landtagswahlkampf im Jahr 2024 aufzustellen. 2.3.4 Neue stäRke PaRtei (NSP) Sitz: Erfurt (Thüringen) Gründung: 14. Mai 2021 Vorsitz: Sara STORCH (Bundesvorsitzende) Christoph THEWS (Bundesvorsitzender) Teil-/ In Sachsen: Nebenorganisationen: Abteilung neue stäRKe sachsen Publikationen: "Revolutionäres Manifest" Internetauftritte: Homepage der Partei Twitter-Kanal Telegram-Kanal YouTube-Kanal Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen 10 - Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Spenden, Einnahmen aus Merchandise-Verkäufen Kurzporträt/Ziele: neonationalsozialistische Grundausrichtung agiert ausländerfeindlich und revisionistisch Abschaffung der Demokratie zugunsten einer "kollektiven Volksgemeinschaft" Relevante Ereignisse Mitglieder nahmen bundesweit an Veranstaltungen der Partei teil und Entwicklungen Teilnahme an der Gedenkveranstaltung der rechtsextremistischen Szene, 2022: die anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurde Kampagne "Kampfkultur" Ideologie Ideologisch orientiert sich die Neue stärke Partei am historischen Nationalsozialismus. Kernelement des unter dem Motto "Sportlich, aktivistisch, gemeinschaftlich" stehenden Parteiprogramms ist das Ziel der Errichtung einer deutschen "völkischen Gemeinschaft". Dementsprechend heißt es auf der Internetseite der Partei: "Das deutsche Volk und damit Deutschland befindet sich in einer sehr heiklen Phase seiner Existenz. Unser aller Leben wird massiv bedroht durch Überfremdung und kommunistische Umerziehung der 58 RECHTSEXTREMISMUS - N eue s tärke P artei deutschen Volksseele. Die breite Masse unseres Volkes wird zusätzlich vom kapitalistischen Markt grausam ausgebeutet (...) Die meisten unserer Volksgenossen wissen heute schon, dass es so nicht weitergehen kann! Daher bedarf es einer neuen Stärke für unsere Nation, für unsere Heimat und für unsere Kinder! (...) Das Ziel ist ein freies, souveränes, sicheres und damit zukunftsfähiges Deutschland. Daher sehen wir die Gründung unserer Partei als notwendig an. Deutschland muss zusammenstehen, wenn wir den Missständen unserer Zeit und seinen organisierten Verursachern, den Feinden unseres Volkes effektiv begegnen wollen! Ohne die gebündelte Kraft deutschrevolutionärer Kräfte wird unser stolzes Volk untergehen. Daher gilt für unsere Partei die Parole: Organisationsübergreifend Widerstand leisten!" Personenpotenzial/Struktur In Sachsen verfügt die Neue stärke Partei über ein Personenpotenzial von ca. zehn Personen aus der NeoNatioNalsozialistischeN und suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe. Diese sind in der Abteilung Neue stärke sachseN organisiert, die ihren Aktionsschwerpunkt im Raum Leipzig hat. Aktivitäten Eine der wenigen, öffentlichkeitswirksamen Kampagnen der Partei firmierte unter dem Namen "Kampfkultur". Damit wollte die NSP der aus ihrer Sicht stattfindenden Ausbeutung des deutschen Volkes sowie dem ihrer Lesart zufolge zunehmenden Verfall von Werten und Tugenden in der Gesellschaft begegnen. Im Rahmen dieser Kampagne fanden bundesweite Demonstrationen statt, wobei deren räumlicher Schwerpunkt nicht in Sachsen lag. Darüber hinaus wurden entsprechende Flyer verteilt. Abschließend wurde auf der Internetseite der Partei über diese Aktivitäten berichtet. Dort kann man Folgendes über die Motivation, eine solche Kampagne ins Leben zu rufen, lesen: "In unseren Adern fließt noch heute das Blut unserer Ahnen! In unseren Köpfen ist noch immer die Treue zum Vaterland verankert, und in unseren Herzen brennt weiterhin der Wille zum Kampf für die gerechte Sache. Wir nehmen als politische Soldaten der Kampfkultur das Erbe unserer Vorfahren an und werden das deutsche Volk wieder vereinen. Das Ziel unserer Kampagne ist es, unsere Strukturen auszubauen und unsere Bereitschaft für den notwendigen Kampf mit legalen Mitteln um unsere Heimat dem deutschen Volk zu signalisieren. Die Deutschen müssen dazu animiert werden, an diesem Ringen teilzunehmen! Der Einzelne mag es noch nicht wahrhaben wollen, aber das deutsche Volk geht uns alle an! Wird der Untergang unseres Volkes nicht gestoppt, dann wird auch die einzelne Existenz eines jeden Deutschen zerstört sein. Unser Wille sowie die Erkenntnis, dass Stillstand den Tod für unsere Bewegung bedeuten würde, ist hierbei der Garant des Sieges für unser Deutschland." Die sonstigen Aktivitäten der Partei erstreckten sich über das ganze Bundesgebiet. So nahmen Anhänger und Sympathisanten der NSP im Februar in Dresden an der jährlich stattfindenden Versammlung der rechtsextremistischen Szene anlässlich der Erinnerung an die Bombardierung der Landeshauptstadt am 13. Februar 1945 teil. 59 RECHTSEXTREMISMUS - Parteiungebundene Strukturen Am 5. November 2022 fand der zweite Bundesparteitag der "Neuen Stärke Partei" in Erfurt statt, auf dem bereits der zweite Vorstand gewählt wurde. Die neu gewählten Bundesvorsitzenden gehörten dem Vorstand zuvor nicht an. Im Dezember war schließlich auf der Internetseite der Partei zu lesen, dass die "Abteilung Sachsen" ihre Aktivitäten einstellen wird. Dementsprechend konnten zum Ende des Berichtsjahres keine Aktivitäten der Partei mehr festgestellt werden. Fazit Die noch sehr junge Partei konnte sich im ersten Jahr ihres Bestehens nicht konsolidieren. Nach dem Rücktritt des Bundesvorsitzenden im September 2022 schienen interne Streitigkeiten die Partei zu lähmen, was letztlich offenbar auch zur Auflösung der "Abteilung Sachsen" führte. Es ist davon auszugehen, dass damit auch das Ziel der bundesweiten Kampagne "Kampfkultur" ihre Wirkung in Sachsen verfehlte. Zudem mangelt es der NeueN stärke sachseN an eigenen Standorten bzw. Immobilien, um ein aktives Parteileben organisieren zu können. 2.4 Parteiungebundene Strukturen 2.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen Die NeoNatioNalsozialistische szeNe ist gekennzeichnet durch eine auf dem historischen Nationalsozialismus fußende Weltanschauung. Sie unterscheidet sich vom parteigebundenen Rechtsextremismus in der Organisationsform. Abgrenzungskriterien zum subkulturell geprägten Rechtsextremismus sind der bei NeoNatioNalsozialisteN stärker ausgeprägte Wille zur politischen Arbeit sowie eine intensivere Auseinandersetzung mit inhaltlichen Aspekten des Weltbildes der NeoNatioNalsozialisteN. Sitz: sachsenweit; Schwerpunkte in den Regionen Dresden und Bautzen sowie in den Landkreisen um Chemnitz Gründung/ bundesweit: 1970er-Jahre Bestehen seit: Publikationen: bundesweit: u. a. N.S. heute, noRDische zeitung Sachsen: keine Internetauftritte: wechselnde Internetseiten, Blogs, Profile in sozialen Netzwerken und MessengerDiensten 60 RECHTSEXTREMISMUS - Neonationalsozialistische Gruppierungen Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 600 ca. 600 bundesweit29 k. A. k. A. Finanzierung: Beiträge der Anhänger, Spenden, Unkostenbeiträge bei Vortragsveranstaltungen, Vermarktung und Verkauf rechtsextremistischer Devotionalien wie T-Shirts o. ä. Kurzporträt/Ziele: neonationalsozialisten sind vor allem durch eine positive Bezugnahme auf das sog. "Dritte Reich" gekennzeichnet. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene sind sie am stärksten ideologisch geprägt. Organisatorisch sammeln sie sich in "Kameradschaften" oder informellen Gruppen. Die strukturelle Bindung ist jedoch in den vergangenen Jahren zugunsten digitaler Vernetzungen schwächer geworden. Relevante Ereignisse Öffentlichkeitswirksame Aktionen waren durch die Corona-Maßnahmen nur und Entwicklungen begrenzt möglich. Die einzige Demonstration der neonationalsozialistischen szene 2022: im Freistaat Sachsen mit einer hohen Teilnehmerzahl fand am 13. Februar in Dresden statt. neonationalsozialisten beteiligten sich zudem gemeinsam mit Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien an verschiedenen Protestversammlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Ideologie NeoNatioNalsozialisteN stellen mit ihrer Orientierung am historischen Nationalsozialismus den ideologisch entschiedensten Teil der Szene dar und zählen damit zu den überzeugtesten Gegnern des demokratischen Rechtstaates innerhalb des Rechtsextremismus. Kern neonationalsozialistischer Überzeugungen sind Geschichtsrevisionismus bis hin zur Holocaustleugnung, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Antipluralismus. Diese Ideologieelemente stehen im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Für NeoNatioNalsozialisteN ist die Demokratie "die Herrschaft der Minderwertigen". Der Staat solle nach ihren Vorstellungen stattdessen autoritär nach dem "Führerprinzip" regiert werden. Die "Volksgemeinschaft" zeichne sich durch die Überlegenheit von "Weißen" - der "arischen Rasse" - aus. Zuwanderung und Integration werden als Angriff auf die "biologische Substanz des deutschen Volkes" gewertet. Gewalt wird als ein legitimes und gebotenes Mittel der politischen Auseinandersetzung angesehen. Strategie Nach den Verboten der NatioNaleN sozialisteN DöBelN im Jahr 2013 und den NatioNaleN sozialisteN chemNitz(NSC) im Jahr 2014 haben neonationalsozialistische Gruppierungen auch aufgrund einer weiter fortschreitenden Digitalisierung ihre bestehenden Organisationsstrukturen weitgehend aufgegeben. Statt hierarchisch strukturierter Kameradschaften oder Gruppen des "Nationalen Widerstands" do29 Für den Bund wird das Personenpotenzial der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe seit dem Jahr 2018 nicht mehr gesondert ausgewiesen. 61 RECHTSEXTREMISMUS - Neonationalsozialistische Gruppierungen minieren jetzt virtuelle Kennverhältnisse vor Ort. Nur in Einzelfällen gibt man sich nach außen hin noch ein Label - und dies häufig auch nur aus propagandistischen Gründen. Stattdessen strukturiert sich die Szene beispielsweise über Kampagnen und Szeneveranstaltungen. So kann sie die eigene Flexibilität erhöhen und sich gleichzeitig staatlichen Exekutivmaßnahmen leichter entziehen. Einzelne NeoNatioNalsozialisteN versuchen darüber hinaus, szeneintern neue Impulse zu setzen und bedienen sich moderner Medien, wie z. B. YouTube, Twitter, Telegram und Instagram. In den Videos und Podcasts unter Namen wie "Der Dritte Blickwinkel" oder "Avantura" wird die rechtsextremistische Ausrichtung der Beiträge unter dem Deckmantel intellektueller Aufarbeitung - oft nur unterschwellig - vermittelt. Dennoch greift die Szene weiterhin auch auf klassische Medien zurück. Die Zeitschrift N.S. heute des Dortmunder Neonationalsozialisten Sascha KROLZIG präsentiert sich diesbezüglich als weltanschaulicher Wegweiser der Szene. Die NeoNatioNalsozialistische szeNe konzentriert sich inzwischen auf Aktivitäten im "vorpolitischen und nicht zwingend extremistischen Raum": "Wenn wir nicht anfangen, alle nur denkbaren Bereiche von Sportvereinen, Schützenvereinen, Boxund Kampfsportschulen, staatlichen Strukturen, gegnerischen Strukturen etc. zielgerichtet zu unterwandern, [...] werden wir auch weiterhin marginalisiert bleiben und nichts verändern können." Dementsprechend fokussiert man sich darauf, "Alltagssorgen" der Menschen sowie die öffentliche Diskussion bestimmende Debatten aufzugreifen und für die eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu instrumentalisieren. Mit den genannten Strategien versuchen NeoNatioNalsozialisteN sowohl auf versteckte als auch auf offenkundige Art und Weise innerhalb und außerhalb der rechtsextremistischen Szene ein positives Bild über das sog. "Dritte Reich" zu vermitteln. Sie wollen damit die Geschichte umdeuten bzw. die Verbrechen des NS-Regimes relativieren oder gänzlich leugnen und auch für nicht extremistische Kreise anschlussfähig sein. Strukturen Der oben beschriebene Trend der Verringerung fester Strukturen in der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe hält weiter an. Gleichzeitig entschieden sich in den vergangenen Jahren vor allem Führungspersonen der Szene häufig für den Eintritt in eine rechtsextremistische Partei, wie in die NPD bzw. in deren Jugendorganisation JN oder in die Partei Der Dritte Weg, um im Schutze des im Grundgesetz festgeschriebenen Parteienprivilegs (Art. 21 GG) die eigenen Aktivitäten fortzuführen. Infolge des Auflösens der festen Szenestrukturen gewinnen schnell einzurichtende offene und geschlossene Gruppen oder Foren auf Messenger-Diensten und in sozialen Medien weiter an Bedeutung. Die virtuellen Vernetzungsmöglichkeiten der Szene ergänzen das Gemeinschaftsgefühl und die Gruppenzugehörigkeit. Weiterhin etabliert sich das Internet in der Szene zunehmend als zentrales Medium, um auch in kurzer Zeit eine große Anzahl von Anhängern zu erreichen und zu mobilisieren. 62 RECHTSEXTREMISMUS - Neonationalsozialistische Gruppierungen Durch die gezielte gemeinsame Ansiedlung von Rechtsextremisten im ländlichen Raum wird auch die Bildung rechtsextremistischer, realweltlicher Netzwerke mit Bezügen u. a. zur NeoNatioNalsozialistischeN szeNe unterstützt. Die in der medialen Berichterstattung als "Völkische Siedler" bezeichneten Rechtsextremisten pflegen eine naturorientierte ländliche Lebensweise auf der Basis einer völkischnationalistischen Ideologie. In Sachsen ist insbesondere eine Ansiedlung von einzelnen untereinander eng verbundenen Rechtsextremisten mit ihren Familien im Landkreis Mittelsachsen bekannt. Seit Februar 2020 werben Rechtsextremisten auch unter dem Label "Initiative Zusammenrücken" für weitere Ansiedlungen im mitteldeutschen Raum. Innerhalb dieses völkisch-rassistischen Milieus erhebt die seit 1951 bestehende artgemeiNschaFt - germaNische glauBeNsgemeiNschaFt WeseNsgemässer leBeNsgestaltuNg e. V. (Sitz: Berlin) einen Führungsanspruch. Kennzeichnend für die artgemeiNschaFt ist die Anerkennung des Führerprinzips, die Forderung nach Unterordnung des Einzelnen unter die Gemeinschaft wie auch die Verpflichtung zur Reinheit der Rasse bzw. Art. An den in Ilfeld (Thüringen) stattfindenden "Gemeinschaftstagungen" der Organisation nehmen regelmäßig auch Personen aus Sachsen teil. Mit ihren Schriften und Veranstaltungen bietet die artgemeiNschaFt den nötigen Raum, um NeoNatioNalsozialisteN und deren Familien an die Szene zu binden und rassistische Überzeugungen weiterzugeben. Für die Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten trat im Jahr nach dem 2011 vollzogenen Verbot der hilFsorgaNisatioN Für NatioNale uND Politische geFaNgeNe uND DereN aNgehörige e. V. (HNG) die geFaNgeNeNhilFe (GH) in Erscheinung. Die GH ist ein in Schweden eingetragener Verein, dessen Hauptanliegen die finanzielle Unterstützung der Inhaftierten und ihrer Familien ist ("Gemeinschaft statt Isolation"). Durch diese "Gefangenenbetreuung" sollen die Inhaftierten weiterhin an die rechtsextremistische Szene gebunden werden. Die Hilfsorganisation informiert in Internetkanälen über Gefangene und bietet ein Postfach in Schweden an, über das man an Gefangene oder Anwälte anonym Briefe versenden kann. In Sachsen werben Mitglieder der Organisation insbesondere bei szeneinternen Veranstaltungen um Spenden. Aktivitäten Die politische Betätigung spielt für Angehörige der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe eine wichtige Rolle. Aufgrund der nicht mehr - wie in früheren Jahren - vorhandenen organisatorischen Festigkeit der Szene sind Veranstaltungen als "Sammlungspunkte" wichtig, um über die sozialen Medien hinaus weiterhin miteinander verbunden und handlungsfähig zu bleiben. Demonstrationen Demonstrationen waren für die NeoNatioNalsozialistische szeNe lange Zeit das wichtigste Mittel, um ihr ideologisches Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen und sich gleichzeitig als Bewegung zu präsentieren. Allerdings war auch im Berichtsjahr festzustellen, dass die Anzahl der Demonstrationen der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe in den vergangenen Jahren, u. a. bedingt durch die CoronaMaßnahmen, stark zurückging. 63 RECHTSEXTREMISMUS - Neonationalsozialistische Gruppierungen NeoNatioNalsozialisteN fielen in der Öffentlichkeit jedoch auch im Berichtsjahr durch ihre Beteiligung an diversen, in ihrer Gesamtheit nicht extremistischen Corona-Protestveranstaltungen in verschiedenen sächsischen Orten auf. Dies wurde beispielsweise bei den Veranstaltungen am 5. Februar in Schwarzenberg, am 5. März in Dresden (dort aber überwiegend Partei-Anhänger) sowie am 7. März und 21. März in Zwönitz deutlich. NeoNatioNalsozialisteN beteiligten sich gemeinsam mit einzelnen Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien darüber hinaus an verschiedenen Versammlungen im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Asylpolitik sowie gegen die Folgen des Ukraine-Krieges (steigende Energieund Lebenshaltungskosten). "Sonnenwendfeiern" Die Sonnenwendfeiern am 21. Juni und 21. Dezember sind feste Termine in den Kalendern von NeoNatioNalsozialisteN. Im Rahmen der Sonnenwendfeiern versuchen sie, verfassungsfeindliche Ideologieelemente mit der "Lagerfeuerromantik" dieser Feier zu verbinden. Sonnenwendfeiern" wurden zu Zeiten des Nationalsozialismus als offizieller Feiertag eingeführt. Ziel war es, mit heidnischem Brauchtum christlichen oder anderen religiösen Feiertagen Konkurrenz zu machen. Gegenwärtig dienen die Feiern der Bewahrung dieses "historischen Erbes" und der Pflege des Gemeinschaftsgefühls. "Heldengedenken" Oft kleiner angelegt sind traditionell die "Heldengedenken". Dabei werden die in den Weltkriegen Gefallenen als "Helden" und "Kämpfer" im Sinne der rechtsextremistischen Ideologie propagandistisch vereinnahmt. Diese Gedenkveranstaltungen finden vor allem um den "Volkstrauertag" im November statt. Im Berichtsjahr wurden sachsenweit verschiedene kleinere "Gedenkaktionen" auch von NeoNatioNalsozialisteN ausgerichtet. Sie werden regelmäßig genutzt, um die Verbrechen des NSRegimes auszublenden und stattdessen ausschließlich die "Kriegsund Nachkriegsverbrechen der Alliierten" in den Mittelpunkt zu rücken. "Zeitzeugenvorträge" "Zeitzeugenvorträge", bei denen Personen auftreten, die in der Zeit des historischen Nationalsozialismus sozialisiert wurden und ihre Lebenserinnerungen schildern, sind ein wichtiges Instrument, um die rechtsextremistische Ideologie und Agitation historisch zu legitimieren. In Sachsen fanden in den vergangenen Jahren einige "Zeitzeugenvorträge" statt. Im Berichtsjahr wurden derartige Veranstaltungen im Raum Mittelsachsen und im Erzgebirgskreis bekannt. Obwohl die Vorträge weitgehend nur szeneintern beworben werden, ziehen sie Besucherzahlen im unteren dreistelligen Bereich an. Da aus der sog. "Erlebnisgeneration" der NS-Zeit heute nur noch wenige "Zeitzeugen" als Vortragende bei rechtsextremistischen Veranstaltungen aktiv sind, treten inzwischen auch deutschlandweit bekannte Rechtsextremisten aus der "ersten Generation" der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe mit teils erheblicher militanter Vergangenheit als Vortragende auf. 64 RECHTSEXTREMISMUS - Neonationalsozialistische Gruppierungen "Kampfsportveranstaltungen" Das Interesse von NeoNatioNalsozialisteN am Kampfsport ist unverändert hoch, auch wenn im Berichtsjahr keine rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen durchgeführt wurden. Kampfsport dient im Rahmen entsprechender Events jedoch nicht nur dem wettbewerbsmäßigen Kräftemessen sowie der engen Vernetzung und der Kontaktpflege innerhalb der Szene, sondern vor allem dem Training der körperlichen Ertüchtigung für den Kampf gegen den politischen Gegner. Regionale Ausprägung Landeshauptstadt Dresden Seit Jahren stellt der 13. Februar als Gedenktag für die Bombardierung der Stadt Dresden im Jahr 1945 landesund bundesweit das Hauptereignis im Rahmen des "historischen Gedenkens" der rechtsextremistischen - vor allem aber der NeoNatioNalsozialistischeN szeNe - dar. Das Narrativ eines "Bombenholocausts" wird dabei seit Jahren hochgehalten und dient der Relativierung des Holocausts sowie einer Täter-Opfer-Umkehr. Trotz der Planungsunsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie und einer im Vergleich zu den beiden Vorjahren geringeren Mobilisierung nahmen im Berichtsjahr ca. 750 Teilnehmer (2020: 1.300, 2021: 790) an der Veranstaltung am 13. Februar teil, darunter auch zahlreiche NeoNatioNalsozialisteN. Der Aufzug war im Berichtsjahr erstmals von dem 2018 nach Leisnig zugezogenen Rechtsextremisten Lutz GIESEN angemeldet worden und stand unter dem Motto "Vergesst niemals Dresden! Gedenken zu Ehren der Dresdner Luftkriegstoten des 13. Februar 1945". GIESEN ist seit vielen Jahren in der deutschen NeoNaziszeNe aktiv und kann den sog. "völkischen Siedlern" im Raum Leisnig zugeordnet werden. Landkreis Bautzen Die NeoNatioNalsozialisitische szeNe im Landkreis Bautzen verfügt über Strukturen in Bautzen. Maßgeblich beeinflusst wird sie durch einen bekannten Rechtsextremisten, der seit mehreren Jahren Online-Plattformen u. a. für die Mobilisierung für Versammlungen zur Verfügung stellt. Zunächst unter der Bezeichnung "Stream BZ", später unter "Balaclava Graphics" wurde auch im Berichtsjahr in den sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram, YouTube) für Veranstaltungen geworben und über diese berichtet. Die Szene nutzt die Plattformen für entsprechende Kommentare. Weiterhin bietet der Rechtsextremist überregional die grafische Gestaltung von Werbe-Flyern und Covern an, die u. a. von rechtsextremistischen Bands genutzt werden. Im Berichtsjahr teilte "Balaclava Graphics" über den eigenen Telegramkanal den Aufruf für den alljährlichen "Trauermarsch" am 13. Februar in Dresden. Auch für die 2022 regelmäßig durchgeführten 65 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND Protestveranstaltungen in Bautzen wurde im Vorfeld über diese Plattform mobilisiert und anschließend über das Veranstaltungsgeschehen mit Bildund Videomaterial berichtet. Die NeoNatioNalsozialistische szeNe führte auch im Berichtsjahr eine sog. "Gedenkveranstaltung" im Landkreis Bautzen durch: Anlässlich des Volkstrauertages am 15. November gedachten auf dem Soldatenfriedhof in Göda ca. 100 Personen der deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Zudem beteiligte sie sich an einer erstmals durch den NPD-kreisVerBaND BautzeN-görlitz-NieDerschlesieN angemeldeten "Gedenkveranstaltung" am 22. April in Niederkaina mit ca. 50 Teilnehmern anlässlich der im Zweiten Weltkrieg getöteten Soldaten des "Volkssturms". Über diese Veranstaltungen wurde auf den Social-Media-Kanälen von "Balaclava Graphics" berichtet. Landkreis Mittelsachsen In Leisnig veranstalteten Rechtsextremisten am 1. Oktober eine Versammlung unter dem Motto "Wir wollen leben! Kundgebung gegen den politischen Irrsinn in Dresden und Berlin". Versammlungsleiter Lutz GIESEN und der ebenfalls zugezogene Rechtsextremist Karl Mario MATTHES hielten Reden. Bereits im Frühjahr 2021 führten diese Personen regelmäßig montags Veranstaltungen unter selbigem Motto durch. Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten versuchten die Rechtsextremisten um GIESEN im Berichtsjahr, auch dieses Thema für ihre verfassungsfeindliche Agenda zu nutzen und die Politik insbesondere in Internet-Interviews als "volksfeindlich" zu diffamieren. 2.4.2 iDeNtitäRe beweguNg DeutschlaND (ib) - RegioNalgRuPPe sachseN Sitz: Salzkotten (Nordrhein-Westfalen) Gründung: Oktober 2012, seit 2014 eingetragener Verein Leitung/Vorsitz: Philip THALER (Sachsen-Anhalt) Teil-/ NebenorganisatiRegionalgRuPPe sachsen mit den oRtsgRuPPen bautzen, chemnitz, DResDen, göRlitz und onen in Sachsen: leiPzig Publikationen: IB-Rundbrief Internetauftritte u. a.: Internetseite der iDentitäRen beWegung DeutschlanD, wechselnde Profile in den sozialen Medien Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 50 ca. 50 bundesweit ca. 500 ca. 500 Über diese aktiven Mitglieder hinaus verfügt die IB über zahlreiche Unterstützer, insbesondere in den sozialen Medien. Finanzierung: Mitgliedsbeiträge, Spenden 66 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND Kurzporträt/Ziele: Die iDentitäRe beWegung DeutschlanD (IB) trat erstmals im Oktober 2012 virtuell in Erscheinung. Seit 2014 ist sie ein eingetragener Verein in Deutschland. Sie sieht sich selbst als "außerparlamentarische patriotische Jugendbewegung". Im Zentrum ihrer Ideologie steht die Vorstellung von einer "ethnokulturellen Identität" der europäischen Völker, die durch eine Masseneinwanderung kulturfremder Einwanderer bedroht sei. Ein maßgeblicher Indikator des behaupteten "Großen Austauschs" sei die "Islamisierung Europas". Die IB ist daher bestrebt, ein Netzwerk des modernisierten Rechtsextremismus zu schaffen, um mit islamund fremdenfeindlichen Aktionen öffentliche Räume bzw. Debatten zu besetzen. Relevante Ereignisse ganzjährige Beteiligung an verschiedenen Protest-Veranstaltungen in und Entwicklungen Sachsen 2022: Banneraktion am 8. Januar in Chemnitz; Motto: "Neues Jahr neues Glück, hol dir jetzt dein Land zurück" Banneraktion am 9. Januar in Leipzig; Motto: "Freiheit ist nicht verhandelbar" Teilnahme sächsischer Aktivisten an einer Aktion der IB DeutschlanD am 12. Februar im Reinhardswald (Hessen) Teilnahme sächsischer IB-Anhänger an einer Veranstaltung der IB Österreich am 23. April in Steyregg (Österreich) Banneraktion am 5. Mai in Leipzig zum Thema "Great Reset" Banneraktion am 10. Juni in Dresden anlässlich der Oberbürgermeisterwahl IB-Aktionswochenende vom 24. bis 26. Juni in der Sächsischen Schweiz Teilnahme sächsischer IB-Aktivisten am Bundeslager "Orden und Staat" der IB DeutschlanD im August 2022 Banneraktion am 10. Oktober in Chemnitz; Motto: "Nordstream - Aufklären Reparieren Aufdrehen" Ideologie Gemäß ihrer Satzung verfolgt die iDeNtitäre BeWeguNg (IB) das Ziel, "die Identität des deutschen Volkes als eine eigenständige unter den Identitäten der anderen Völker der Welt zu erhalten und zu fördern". Dieses Konzept des "Ethnopluralismus" ist eine moderne Variante völkischer Ideologie und steht im Zentrum ihrer Propaganda. Hier ist allerdings kein ethnischer Pluralismus innerhalb eines Staates gemeint, sondern eine strikte Trennung der Ethnien in jeweils unterschiedlichen Nationalstaaten. Eine Zuwanderung von "Fremden" wird grundsätzlich abgelehnt. Die von der IB behauptete unkontrollierte Massenzuwanderung führe hingegen zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft. 67 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND Fremdenfeindliche Themen, wie der Verlust der eigenen "ethnokulturellen Identität", die Verschwörungstheorie des "Großen Austausches" 30 sowie Forderungen nach "Remigration" 31 und "Reconquista" 32 sollen die Ideen der IB gesellschaftsfähig machen. Die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer kulturellen Wurzeln ist ein bekanntes Merkmal rechtsextremistischer Ideologie, das mit der Achtung der Menschenwürde - einem wesentlichen Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - nicht vereinbar ist. Strategie Zur Durchsetzung ihrer Ziele beschreitet die IB den Weg einer außerparlamentarischen Opposition, d. h., sie will die Meinungsbildung durch öffentliche und öffentlichkeitswirksame Aktionen beeinflussen. Diese Strategie bezeichnet sie als "Metapolitik"33. Auf der Internetseite der IB heißt es dazu: "(...) politische Macht stützt sich nicht nur auf Gesetze und Institutionen, sondern maßgeblich auf gesellschaftliche ,Normalität' (...). Unser Ziel ist die Schaffung einer patriotischen Zivilgesellschaft (...) Wir schaffen Berührungsflächen und gegenkulturelle Angebote für patriotische Jugendliche, die sich für ihr Land und ihre Heimat engagieren wollen. (...)" Zentrales Element dieser Aufgabe ist die Kampagnenarbeit. Mittels konkreter Aktionen will die IB bestimmte Themen in ihrem Sinne besetzen und ein entsprechendes gesellschaftliches Bewusstsein schaffen: "Durch mutigen, kreativen und frechen Aktivismus wollen wir auf gesellschaftliche Misstände hinweisen und die linksliberale Hegemonie in Frage stellen. Es geht um die Präsenz von patriotischen Positionen im öffentlichen Raum und in den gesellschaftlichen Debatten." Die mediale Aufbereitung ihrer Aktionen spielt für die IB eine wesentliche Rolle: "Wir befinden uns in einem medialen Informationskrieg, in dem wir die Sicht der patriotischen Jugend repräsentieren wollen. Dabei setzen wir auf eigene Kanäle und Informationsplattformen, durch die wir schrittweise eine identitäre Gegenöffentlichkeit aufbauen (...)." Aktivitäten der IB RegioNalgRuPPe sachseN Das Auftreten der IB in der Öffentlichkeit ist sehr vielfältig. Sie führt Versammlungen, Flugblattverteilungen, Sprüh-, Klebeund Plakataktionen durch, zeigt Transparente an Brücken und öffentlichen Gebäuden, teilweise auch unter Einsatz von Farbund Raucheffekten. Ihre Anhänger treten dabei häufig einheitlich mit hohem Wiedererkennungswert (z.B. IB-Fahnen, Banner mit IB-Logo) 30 Das Verschwörungsnarrativ des "Großen Austausches" geht auf den französischen Begriff "Grand Remplacement" zurück und wird von Gruppierungen der Neuen Rechten benutzt. Sie unterstellen demokratischen Regierungen, einen geheimen Plan zum Austausch der Mehrheitsbevölkerungen durch vorwiegend muslimische Einwanderer zu verfolgen. 31 "Remigration" meint die Rückführung von Asylbewerbern und auch von Deutschen mit Migrationshintergrund in die Herkunftsländer. 32 Als "Reconquista" (Wiedereroberung) wird in der Neuzeit die militärische Ausdehnung der christlichen Reiche in Spanien und Portugal gegen die muslimischen Herrschaften vom 8. bis 15. Jahrhundert bezeichnet. 33 Der Begriff der "Metapolitik" bezeichnet eine politische Zielrichtung, die darauf ausgerichtet ist, gesellschaftliche Debatten im vorpolitischen Raum zu beeinflussen. 68 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND und maskiert auf, um Outings durch den politischen Gegner und Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren. Mit ihren darüber hinausgehenden Aktionen und Auftritten in den sozialen Medien knüpft die IB bewusst an die Lebenswelt junger Menschen an. Da sie nicht die herkömmlichen rechtsextremistischen Slogans und Symbole einsetzt, ist die verfassungsfeindliche ideologische Ausrichtung für Außenstehende nicht immer gleich erkennbar. So ist es möglich, dass sich auch gesellschaftliche Milieus angesprochen fühlen, die von traditionellen Rechtsextremisten bislang nicht erreicht werden konnten. Darüber hinaus legt die IB großen Wert auf interne Schulungen und die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Mit den Worten "Neues Jahr neues Glück hol dir jetzt dein Land zurück" nahm die regioNalgruPPe sachseN bei einer Banneraktion am 8. Januar in der Chemnitzer Innenstadt Bezug zu ihrem zentralen Thema. Am Tag darauf setzten etwa 20 IB-Mitglieder aus den verschiedenen sächsischen Ortsgruppen am Leipziger Völkerschlachtdenkmal mit einem übergroßen Banner mit der Aufschrift "Freiheit ist nicht verhandelbar" ein politisches Statement, um Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen zu üben. Im Zusammenhang mit der Kommunalwahl in Dresden rief die regioNalgruPPe sachseN mit einem Banner auf dem Dach eines Hochhauses in der Dresdner Innenstadt zur Wahl jenes Oberbürgermeisterkandidaten auf, der sich aus ihrer Sicht "(...) für den Erhalt unseres Volkes und unserer Identität einsetzt.""Diese Chance könnte ein Meilenstein im Widerstand gegen den Bevölkerungsaustausch werden. (...)", hieß es im Nachgang auf verschiedenen Telegram-Kanälen der IB. Ganz im "Zeichen der Gemeinschaft, Bildung und Reflexion" stand ein IB-Gemeinschaftswochenende Ende Juni in der Sächsischen Schweiz, an dem sich neben den sächsischen Ortsgruppen auch Teilnehmer aus Hessen und Bayern beteiligten. Die regioNalgruPPe sachseN nahm darüber hinaus mehrfach an verschiedenen Protestveranstaltungen in Sachsen teil. Sie versuchte dabei, ihre eigene Verschwörungstheorie des "Großen Austausches" mit der Initiative "Great Reset" 34 des Weltwirtschaftsforums (WEF) zu verschmelzen. So waren beispielsweise bei den Veranstaltungen am 1. Januar in Zwönitz (Erzgebirgskreis) und am 28. März in Leipzig Banner mit der Aufschrift "Großer Austausch, Great Reset - Stoppt den Globalistendreck" zu sehen. In der zweiten Jahreshälfte thematisierte die IB die Energie-, Sanktionsund Migrationspolitik der Bundesregierung mit Slogans wie "Nordstream - Aufklären, Reparieren, Aufdrehen", "Heißer Herbst statt kalte Zimmer" oder "Grenzen hoch, Preise runter". 34 Der "Great Reset" ("Der große Neustart" oder "Der große Umbruch") ist eine Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF) aus dem Jahr 2020. Sie sah die Corona-Pandemie als Anlass zur Neugestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. In der Protestszene, welche die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen kritisiert, existieren hierzu verschiedene verschwörungstheoretische Interpretationen. So wird die Corona-Pandemie als Teil eines Plans zur Zerstörung traditioneller Strukturen dargestellt. Der Vorsitzende des WEF wird als Feindbild angesehen. 69 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND Die regioNalgruPPe sachseN beteiligte sich am 12. Februar an einer Spontanversammlung der iDeNBeWeguNg DeutschlaND (IBD) unter dem Motto "Märchenwald bleibt, kein Profit mit unserer titäreN Heimat" im Reinhardswald in Hessen, um gegen den Bau von Windkrafträdern zu protestieren. Auch am IB-Bundeslager "Orden und Staat" Ende August nahm die regioNalgruPPe sachseN teil. In einem im Nachgang veröffentlichten Video hieß es dazu: "Unser Lager ist kein Feriencamp oder Wochenendausflug. Es ist eine Prüfung, die jeden Teilnehmer an seine Grenzen bringt (...) Wer in Vorträgen und Seminaren genau hinhört, um seinen Geist zu schärfen und dafür sorgt, dass bei den Aktionsübungen jeder Handgriff sitzt, den rufen wir in unsere Reihen. (...) Wir kommen jetzt in eine Zeit, in der jeder selbst entscheiden muss, ob er lieber in seiner kalten Wohnung friert oder den Funken des Widerstands in seiner Brust zum Leuchtfeuer macht. Wir haben unseren Entschluss gefasst: Wir lassen den Sommerurlaub sausen, um uns gemeinsam für einen heißen Herbst und einen kalten Winter zu wappnen. (...)" Sächsische IB-Mitglieder reisten am 23. April zur Veranstaltung "Neo Cultura" der IB Österreich, die im IB-Hausprojekt "Castell Aurora" in Steyregg stattfand. "(...) Es hat sehr viel Spaß gemacht, so viele inspirierende Menschen zu treffen, die abseits von antideutscher Popkultur pro-weiße Filme, Musik, Games, Comics und Kunst machen", wurde anschließend auf den Social Media-Kanälen der IB resümiert. Regionale Ausprägung Die IB regioNalgruPPe sachseN unterhält kleinere Ortsgruppen in Bautzen, Chemnitz, Dresden, Görlitz und Leipzig, die mit entsprechenden Social Media-Kanälen im Internet präsent sind. Die Aktivitäten dieser Gruppen sind jedoch nicht strikt an die jeweilige Region gebunden, ihre Mitglieder agieren folglich auch sachsen-, bundesund teilweise europaweit. Landkreis Bautzen Eigene öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der IB-ortsgruPPe BautzeN blieben im Berichtsjahr aus. Deren Mitglieder beteiligten sich lediglich an verschiedenen überregionalen IB-Aktionen. Landkreis Görlitz "Du hast keine Lust auf Multi-Kulti und linke wannabe Rebellen? Dann melde dich und werde aktiv!", rief die IB-ortsgruPPe görlitz (greNzsteiNig görlitz) im März über die sozialen Medien auf. Dieser Werbung vorangestellt war ein Bericht über angebliche "Messerangriffe und andere Gewaltattacken von nah-östlichen Migranten", die sich in Polen unter die ukrainischen Flüchtlinge mischen würden. Im ersten Quartal des Berichtsjahres beteiligten sich Mitglieder an einigen Corona-Protestveranstaltungen in Görlitz. 70 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND In den sozialen Medien warb die Ortsgruppe vorwiegend für Aktionen anderer IB-Gruppen oder teilte deren Beiträge. Insgesamt war das Aktionsniveau dieser Ortsgruppe im Berichtsjahr eher verhalten. Chemnitz Die IB-ortsgruPPe chemNitz war über das gesamte Berichtsjahr mit Klebe-, Plakatund Flyerverteilaktionen, die sie selbst als "Basisaktivismus" bezeichnet, öffentlich präsent. Darüber hinaus beteiligten sich Mitglieder der Ortsgruppe regelmäßig am Protestgeschehen in der Region sowie an Aktionen der IB regioNalgruPPe sachseN und der IB DeutschlaND. Über ihre verschiedenen Social Media-Kanäle kritisierte die IB chemNitz die Politik der Bundesregierung, propagierte die Verschwörungstheorie des "Großen Austauschs" und schürte Ängste und Vorurteile gegenüber Migranten. Landeshauptstadt Dresden Die IB-ortsgruPPe recoNquista DresDeN war nur zu Jahresbeginn an einzelnen Aktivitäten der IB regioNalgruPPe sachseN beteiligt bzw. teilte Beiträge zu anderen IB-Aktionen in den sozialen Medien. Seit Februar waren keine Aktionen mehr wahrnehmbar; die entsprechenden Social Media-Kanäle sind inaktiv. Auf einer Ende Februar auf Telegram veröffentlichten Übersicht zu den in Sachsen bestehenden IB-Ortsgruppen war diese nicht mehr aufgeführt. Die Gruppierung Werra elBFloreNz nimmt eine Sonderstellung ein. Auch wenn sie nicht mehr als offizielle IB-ortsgruPPe DresDeN der IB regioNalgruPPe sachseN geführt wird und ihre Mitglieder sich nicht an überregionalen IB-Aktionen beteiligen, greift sie weiterhin typische Narrative, Symbolik und Aktionsformen der IB auf. "Form a gang - Werde Werrianer" - mit diesem Slogan warb die Gruppe im Sommer offiziell um neue Mitglieder, um die aus ihrer Sicht "linke Maschinerie zum Stillstand" zu bringen. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten standen auch im Berichtsjahr Wanderungen, Gemeinschaftsund Schulungswochenenden, Gedenkveranstaltungen sowie verschiedene politische Aktionen in der Region. "Wir als Werra Elbflorenz treten für ein wehrhaftes Europa ein, ohne amerikanische Bevormundung, ohne russische Angriffe und ohne ausländische Migrationsflut", hieß es bei Telegram nach einer Plakatierungsaktion Ende April im Stadtgebiet. Ende September wurde in der Dresdner Innenstadt eine Banner-Aktion unter dem Motto "Knipst ihr die Lichter aus, entzünden wir die Fackeln" durchgeführt. In einer eigenen Publikation mit dem Namen "Elbflorenz Blatt" wurde u. a. die Verschwörungstheorie des "Great Reset" aufgegriffen. 71 RECHTSEXTREMISMUS - iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND Leipzig "Steht auf. Geht raus", appellierte die IB-ortsgruPPe leiPzig gleich zu Jahresbeginn auf ihrem SocialMedia Kanal. "Mit Stickern allein könnt ihr Deutschland nicht retten - aber zeigen, wem die Straße und die Zukunft gehört." Mit verschiedenen Aktionen erreichte sie mediale Aufmerksamkeit. Insbesondere die Themen "Linksextremismus" und "Great Reset" wurden dabei immer wieder aufgegriffen. Während einer Demonstration des politischen Gegners am 14. Feburar hissten IB-Anhänger von einem Dach in der Leipziger Innenstadt ein Banner mit der Aufschrift "Pharmazeutische Aktion - Pro Capitalista" und einem veränderten "Antifa-Symbol". "Die Antifas geben sich gerade in Leipzig als (...) die großen Systemgegner. Umso peinlicher ist ihre offene Zusammenarbeit mit der staatlichen Impfagenda. (...) Impft euch mal Verstand ein, ihr Möchtegern-Rebellen. Alerta, Alerta, Pro Capitalista!", hieß es im Nachgang dazu in einem TelegramBeitrag. Am 5. Mai führten IB-Mitglieder in der Universität Leipzig eine Banneraktion durch, um die Verschwörungstheorie des "Great Reset" zu propagieren. Auch die Proteste von Landwirten im Sommer wurden unterstützt und für die eigene Propaganda genutzt. Bei einer Versammlung von Landwirten auf einer Autobahnbrücke in der Region Borna am 10. Juli zeigten Anhänger das bekannte IB-Banner mit der Aufschrift "Großer Austausch, Great Reset - Stoppt den Globalistendreck". Darüber hinaus beteiligten sich Mitglieder der Ortsgruppe ganzjährig am Protestgeschehen in der Innenstadt sowie an Aktionen der IB regioNalgruPPe sachseN und der IB DeutschlaND. Fazit Ende des Jahres 2021 zeichnete sich innerhalb der IB eine taktische Neuausrichtung ab. Um Outings durch den politischen Gegner und Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren sowie die "Bewegung" für Interessenten attraktiver zu machen, treten ihre Anhänger bei öffentlichen Aktionen nunmehr oft vermummt, aber mit hohem Wiedererkennungswert in einheitlicher Aufmachung auf. Auch in Sachsen setzte sich dieser Trend im Berichtsjahr fort. Es ist zu erwarten, dass sich die IB auch weiterhin verstärkt am Protestgeschehen in Sachsen beteiligen und mit ihren Bannern die Energie-, Sanktionsund Migrationspolitik der Bundesregierung kritisieren wird. Insbesondere über das Themenfeld "Anti-Migration" wird die IB versuchen, Anschluss an breitere Kreise der Bevölkerung zu finden. Darüber hinaus wird der Ausbau der Vernetzung mit anderen rechtsextremistischen Akteuren eine wichtige Rolle spielen. 72 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa 2.4.3 PegiDa Gründung/Sitz: Bei der Gruppierung PegiDa ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes"), die im Oktober 2014 in Dresden gegründet wurde, muss zwischen dem extremistischen Organisationsteam und dem an den Veranstaltungen teilnehmenden extremistischen bzw. nicht extremistischen Personenkreis unterschieden werden. Insbesondere Funktionäre des Organisationsteams, welche zum Teil Vorstandsmitglieder im "PegiDa Förderverein e. V." sind, nehmen maßgeblich Einfluss auf den Willensbildungsprozess und das Aktivitätsniveau des nachrichtendienstlichen Beobachtungsobjektes PegiDa. PegiDa hat seit Mai 2020 einen Ableger in Zittau. Der "PegiDa Förderverein e. V." wurde im März 2015 gegründet und hat seinen Sitz in Dresden. Vorsitz Sachsen: Lutz BACHMANN, Siegfried DÄBRITZ (beide Vorstand im "PegiDa Förderverein e. V.") Teil-/Nebenorganisationen "FReunDe von PegiDa" Sachsen: (kein eingetragener Verein) in Zittau Publikationen/ Eine Internetseite sowie zwei Telegram-Kanäle; diverse Seiten der Internetauftritte: Hauptprotagonisten bei Twitter, vk.com, GETTR und Kanäle bei BitChute und YouTube Personenpotenzial/ vier Hauptakteure, Mitgliederentwicklung: 15-20 Personen im Organisationsteam (u.a. auch Ordner), Das Mobilisierungspotenzial für PegiDa-Versammlungen in Dresden liegt im mittleren dreistelligen Bereich. Niedrige vierstellige Teilnehmerzahlen erreicht PegiDa inzwischen nur noch bei herausgehobenen Veranstaltungen mit überregional bekannten Rednern. Veranstaltungen in Zittau können bis zu 20 Personen mobilisieren, im Regelfall sind es jedoch unter 15 Teilnehmer. Finanzierung: Spenden bei Veranstaltungen bzw. über das Bankkonto des "PegiDa Förderverein e. V." Online-Verkauf von Werbeartikeln Kurzporträt/Ziele: PegiDa sieht sich als patriotische Bewegung, welche sich gegen eine vermeintliche Islamisierung Europas stark macht. Es werden in Dresden und Zittau Veranstaltungen durchgeführt. Dabei ist PegiDa auch für andere Rechtsextremisten (zuKunFt heimat aus Cottbus, PegiDa nüRnbeRg, iDentitäRe beWegung35) und Einzelakteure aus der neurechten Szene eine wichtige Bühne für die Verbreitung ihrer eigenen verfassungsfeindlichen Ziele. PegiDa unterhält überdies auch Kontakte zu Rechtsextremisten im Ausland. In der Gesamtschau ist die Bewegung vor allem eine Vernetzungsplattform für die rechtsextremistische Szene in Sachsen. 35 vgl. Beitrag II.2.4.2 iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND - regioNalgruPPe sachseN 73 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa Relevante Ereignisse und Das Veranstaltungsaufkommen ist stark zurückgegangen. Auch Entwicklungen 2022: gab es mehrfach längere Pausen zwischen den Veranstaltungen. Ein ähnliches Bild zeigte das Veranstaltungsgeschehen in Zittau. Versammlung am 22. März in Dresden mit Gastredner Dr. HansChristoph BERNDT Versammlung am 10. April in Dresden mit Gastredner Michael STÜRZENBERGER Veranstaltung am 24. Oktober in Dresden anlässlich des achten Jahrestages der Gründung von PegiDa in Dresden weiter sinkende Teilnehmerzahlen im Jahresverlauf Am 19. März 2015 wurde der Verein "PegiDa Förderverein e. V." beim Amtsgericht Dresden eingetragen. Er wird vertreten durch den Vorstand, dessen Mitglieder u. a. Lutz BACHMANN und Siegfried DÄBRITZ sind. Zu PegiDa wird über BACHMANN und DÄBRITZ hinaus unter anderen auch Wolfgang TAUFKIRCH gezählt, der für den Personenzusammenschluss agiert und ihn damit nachdrücklich unterstützt. Hinzu kommt Thomas WALDE, der bei Veranstaltungen in Dresden seit Ende August 2020 mitunter Versammlungsleiter bzw. stellvertretender Versammlungsleiter ist und durch die Veranstaltungen führt. Des Weiteren organisiert er auch die Veranstaltungen in Zittau. PegiDa wurde im Mai 2021 durch das LfV Sachsen als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Ideologie Der Personenzusammenschluss PegiDa hat sich im Verlauf seines Bestehens eine immer stärkere rechtsextremistische Ausrichtung gegeben. In aller Öffentlichkeit werden unverhohlen Positionen propagiert, die mit dem Wertekanon des Grundgesetzes unvereinbar sind. Dazu gehört, dass der Parlamentarismus permanent verächtlich gemacht und das Rechtsstaatsprinzip abgelehnt werden. Außerdem finden sich in den Redebeiträgen regelmäßig minderheitenfeindliche und muslimfeindliche Äußerungen. Neben einer fremdenund insbesondere islamfeindlichen Ideologie, die z. B. durch die pauschalisierende Kriminalisierung von Personen mit Migrationshintergrund deutlich wird, werden Beiträge verbreitet, die an die antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorie zum "Great Reset" bzw. "Großen Austausch"36 angelehnt sind. Insbesondere in diesem Zusammenhang zeigen sich Verstöße gegen die grundgesetzlich verbriefte Garantie der Menschenwürde. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zeigten sich in diversen Reden auf Veranstaltungen, so etwa in einem Redebeitrag von Wolfgang TAUFKIRCH am 24. Oktober in Dresden: "... aber heute spaziert jeder Südund Morgenländer fröhlich, pfeifend und ungehindert in unser Land. Es wird weiter gemessert und vergewaltigt und der Muezzin plärrt mittlerweile über die Dächer von Köln." Die pauschalisierende Kriminalisierung und Herabsetzung von Flüchtlingen sowie die Diffamierung von 36 vgl. zu diesen Begriffen den Beitrag II.2.4.2 iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND (IB) - Regionalgruppe Sachsen 74 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft sind unvereinbar mit dem grundgesetzlich verankerten Schutz der Menschenwürde (Artikel 1 GG) und der Religionsfreiheit (Artikel 4 Absatz 1 GG). Die Ablehnung der Corona-Maßnahmen und damit verbundener Grundrechtseinschränkungen stand zu Beginn des Berichtsjahres thematisch im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang unterstellte PegiDa wiederholt, dass sich Deutschland zu einer Diktatur entwickelt habe. Beispielhaft hierfür steht ein Redebeitrag von Wolfgang TAUFKIRCH auf der Versammlung am 22. März: "... ich könnte auch sagen, der Faschismus ist in den Bundestag zurückgekehrt, rot, grün und gelb ergibt braun." Sowohl auf Versammlungen als auch in den sozialen Medien wurde versucht, demokratische Institutionen und politische Entscheidungsträger wiederholt verächtlich zu machen. So wurden auf der gleichen Versammlung die Bundesaußenministerin als "spätpubertierende Göre ohne Anstand" und der Vizekanzler am 24. Oktober als "Araber-Bückling" bezeichnet. Es handelt sich hierbei nicht um demokratisch legitime, scharfe Kritik am Regierungshandeln, sondern vielmehr um die Verächtlichmachung politischer Institutionen und Entscheidungsträger. Thomas WALDE verwendete im Berichtsjahr in seinen Reden in Zittau neben rassistischen Inhalten auch Formulierungen, welche die politischen Entscheidungsträger der Bundesrepublik Deutschland in eine Reihe mit jenen des Nationalsozialismus stellte. Deutlich wurde dies etwa in seinem Redebeitrag am 30. April: "In der Zeit, als die herrschten, welche man heute beim Asow-Bataillon als Vorbild verehrt, wurde das Volk wenigstens gefragt, ob es den totalen Krieg will, das durch die Nazimedien verblödete Volk hat erwartungsgemäß ja gebrüllt. [...] Heute werden wir noch nicht mal gefragt, ob Deutschland sich am Krieg beteiligen soll. Die heute Herrschenden hoffen, dass die Verblödung durch die Systemmedien genau noch so funktioniert. Es wird Zeit, dass wir die Kriegstreiber zum Teufel jagen, ehe es wieder so endet wie damals." Grundtenor bei den PegiDa-Rednern sind diffamierende Aussagen über politisch Verantwortliche. PegiDa-Funktionsträger zweifeln dabei das Rechtsstaatsund Demokratieprinzip an und setzen die Bundesrepublik Deutschland mit den Diktaturen der NS-Zeit oder der DDR gleich. Durch ständige Wiederholungen sind solche Gleichstellungen inzwischen zum festen Narrativ von PegiDa avanciert. Diffamierungen bzw. Kriminalisierungen politisch Andersdenkender sind Grundbausteine in PegiDaReden. So bezeichnete Lutz BACHMANN am 4. November auf Telegram die Gruppierung "Letzte Generation" als "Terroristen" und "Mörder". Strategie PegiDa verfolgt zielgerichtet die Strategie, mit extremistischer Programmatik immer tiefer in die Mitte der Gesellschaft einzudringen und einen ideologischen Schulterschluss zwischen dem rechtsextremistischen Klientel und den politisch indifferenten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen. Dabei orientierten sich die maßgeblichen PegiDa-Akteure in der Vergangenheit an einem bewährten Verhaltensmuster: Politische Ereignisse mit Empörungspotenzial dienten als Initialzündung für Großveranstaltungen, mit denen vor allem Personen aus der Mitte der Gesellschaft erreicht werden sollten. 75 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa Durch das Bereitstellen der PegiDa-Bühne für rechtsextremistische (Gast-)Redner fungiert PegiDa wie ein "Scharnier" zwischen Extremisten und Nichtextemisten. Einer weiteren Entgrenzung des Rechtsextremismus und einem Übergreifen verfassungsfeindlicher Positionen auf die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft wird dadurch Vorschub geleistet. Eine wichtige Rolle spielt PegiDa bei der Vernetzung der neurechten Szene. Durch die Bereitstellung ihrer Bühne für bundesweit bekannte Redner aus Politik und Gesellschaft wird die wechselseitige Unterstützung aktiv signalisiert. Diese Vernetzung wurde z. B. durch die Auftritte entsprechender Redner bei Veranstaltungen von PegiDa und der Bewegung zukuNFt heimat in Cottbus37 deutlich. So konnte sich PegiDa zu einem wesentlichen Akteur des Netzwerkes der Neuen Rechten etablieren. Insbesondere durch die Übertragung der PegiDa-Veranstaltungen im Livestream und die spätere Bereitstellung der Videos auf verschiedenen Online-Plattformen wird eine bundesweite Reichweite angestrebt und auch erzielt. Videos von PegiDa erreichen mitunter 30.000 Aufrufe. Aktivitäten Die zunehmend rückläufigen Teilnehmerzahlen, die vermutlich auch das Resultat zahlreicher Konkurrenzveranstaltungen waren, führten zu einem Strategiewechsel. PegiDa änderte den über Jahre etablierten Veranstaltungstermin mit den Worten "PegiDa macht aus dem Dienstag einen Montag". PegiDa-Veranstaltungen wurden im Zuge dieses Strategiewechsels nicht mehr nur montags, sondern auch dienstags und an Wochenenden durchgeführt - gewiss mit dem Ziel, möglichst viele Teilnehmer hierfür gewinnen zu können. Der Strategiewechsel gelang in dieser Hinsicht allerdings nicht: sowohl in Bezug auf die Regelmäßigkeit der Veranstaltungen als auch auf die mobilisierten Teilnehmer blieb PegiDa im Verlauf des Berichtsjahres weit hinter dem Niveau der Vorjahre zurück. Im Ergebnis folgten immer größere Veranstaltungspausen. In Dresden fand nach fünfmonatiger Versammlungspause am 22. März 2022 die erste PegiDa-Veranstaltung im Berichtsjahr statt, eine Weitere folgte im April. Erst nach einer weiteren längeren Pause führte PegiDa im Oktober abermals eine Veranstaltung durch. Die Veranstaltungen in Dresden wurden durch den "PegiDa-Förderverein e. V." angemeldet. Über sie wurde per Livestream berichtet; die Videos stellte PegiDa anschließend im Internet (u. a. YouTube, Twitter, Telegram) frei zugänglich zur Verfügung. Ein ähnliches Bild zeigte das Versammlungsgeschehen in Zittau. Waren zu Beginn des Berichtsjahres wiederkehrende Veranstaltungen festzustellen, folgten zunehmend größere Pausen. In der Regel setzten sich PegiDa-Veranstaltungen sowohl in Dresden als auch in Zittau aus Redebeiträgen und einer als "Spaziergang" bezeichneten Demonstration zusammen. Im Berichtszeitraum fanden in Dresden drei und in Zittau vier Veranstaltungen statt. 37 Der Vorsitzende von zukuNFt heimat, Dr. Hans-Christoph BERNDT, trat am 22. März 2022 bei PegiDa in Dresden auf. 76 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa Einzelereignisse im Berichtsjahr: Datum Ort Teilnehmerzahl Aktivitäten 03.01.2022 Zittau ca. 10 Mahnwache FReunDe von PegiDa Redner: Thomas WALDE 22.03.2022 Dresden ca. 700 240. PegiDa-Versammlung Redner: Lutz BACHMANN, Wolfgang TAUFKIRCH, Siegfried DÄBRITZ, Dr. Hans-Christoph BERNDT (Brandenburg) 10.04.2022 Dresden ca. 500 241. PegiDa-Versammlung Redner: Lutz BACHMANN, Wolfgang TAUFKIRCH, Siegfried DÄBRITZ, Michael STÜRZENBERGER (Bayern) 30.04.2022 Zittau ca. 40 FReunDe von PegiDa Jubiläum "Zwei Jahre FReunDe von PegiDa " Redner: Thomas WALDE, Wolfgang TAUFKIRCH, Siegfried DÄBRITZ, Hans-Christoph BERNDT 17.06.2022 Zittau ca. 20 FReunDe von PegiDa Gedenkveranstaltung zum 17. Juni 1953 Redner: Thomas WALDE 24.10.2022 Dresden ca. 600 242. PegiDa-Versammlung Redner: Lutz BACHMANN, Wolfgang TAUFKIRCH, Siegfried DÄBRITZ 24.12.2022 Zittau ca. 15 Kundgebung FReunDe von PegiDa Redner: Thomas WALDE Am 24. Oktober erwarteten die Organisatoren der PegiDa-Versammlung wegen des angekündigten Redners etwa 1.500 Teilnehmer in Dresden. Die tatsächlich erzielte Zahl von etwa 600 Teilnehmern dürfte die Erwartungen der Veranstalter deshalb keinesfalls erfüllt haben. Es fanden seitdem keine weiteren PegiDa-Veranstaltungen in Dresden statt. PegiDa-Anhänger wurden aufgefordert, sich stattdessen am allgemeinen Protestgeschehen rund um die Folgen des Ukraine-Krieges (steigende Energiekosten, Inflation) zu beteiligen. Wie auch schon im Vorjahr berichtete PegiDa in den sozialen Medien verstärkt über verschiedene Protestaktionen. Abgesehen von den Live-Übertragungen von PegiDa-Veranstaltungen auf YouTube und ähnlichen Portalen teilte PegiDa in sozialen Netzwerken (vorrangig Telegram und GETTR) Meldungen über eine angebliche Bedrohung durch den Islam, die wiederholt zum Anlass genommen wurden, um politische Institutionen und Entscheidungsträger, die man für die in ihren Augen gescheiterte Asylpolitik verantwortlich machte, zu diffamieren und letztlich verächtlich zu machen. 77 RECHTSEXTREMISMUS - PegiDa Fazit PegiDa ist weiterhin ein zentraler Akteur im Bereich der Neuen Rechten. Thematisch fokussiert sich PegiDa insbesondere auf die Asylund Migrationspolitik in Deutschland und Europa sowie auf die Folgen des Russland-Ukraine-Krieges. Vor allem durch die permanente Verbreitung von Meldungen über Straftaten von Personen mit Migrationshintergrund wird beständig eine feindliche Stimmung gegen diese Personengruppe erzeugt. Außerdem werden politische Institutionen und Entscheidungsträger diffamiert und verächtlich gemacht. Während bei PegiDa-Veranstaltungen in den ersten Jahren hohe vierstellige Teilnehmerzahlen unter Beteiligung der gesellschaftlichen Mitte erzielt werden konnten, waren die Teilnehmerzahlen mit Beginn der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen rückläufig. Hintergrund dürften zum einen zunehmende konkurrierende Parallelveranstaltungen sowie zum anderen die stärkere verbale Radikalisierung der PegiDa-Akteure gewesen sein. Die Veranstaltungen der FreuNDe VoN PegiDa in Zittau werden vom Hauptakteur Thomas WALDE und einer weiteren Protagonistin initiiert. Der Fokus dort liegt unverändert auf den Themen Migrationsoder Asylpolitik. Aber auch aktuelle Themen, wie die Energiekriese und der Ukraine-Krieg wurden aufgegriffen. Trotz allem gelang es den Initiatoren der Gruppierung FreuNDe VoN PegiDa in Zittau nicht, an die früheren Erfolge im Protestgeschehen anzuknüpfen. Der Veranstaltungsrhythmus im Berichtsjahr war auch in Zittau durch größere Pausen gekennzeichnet. Das Mobilisierungspotenzial in der ostsächsischen Stadt ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig und liegt inzwischen im unteren zweistelligen Bereich. PegiDa ist nach wie vor eine Plattform für überregional aktive Rechtsextremisten, die über diese Bühne in weite Teile der Gesellschaft hineinzuwirken versuchen. Für die Verbreitung der verfassungsfeindlichen Positionen werden neben Veranstaltungen vor Ort bewusst auch reichweitenstarke Social Media-Plattformen genutzt. PegiDa erfüllt damit eine wichtige Netzwerkfunktion insbesondere in der neurechten Szene. Es bestehen enge Beziehungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen, wie der iDeNtitäreN BeWeguNg und zukuNFt heimat aus Cottbus. Diese wurden im Zuge entsprechender Gastauftritte bei Veranstaltungen sichtbar. Das Ziel einer überregionalen Vernetzung der neurechten Szene wurde insbesondere bei der Veranstaltung "Deutschland Zuerst" am 12. November in Erfurt deutlich. Dort nutzten u. a. PegiDa, Freie sachseN sowie der Rechtsextremist Jürgen ELSÄSSER (comPact-Magazin) die sich ihnen gebotene Bühne. Der Ausbau dieses überregionalen Beziehungsgeflechts wird auch zukünftig von Relevanz sein, nicht zuletzt um weiterhin die eigene Bedeutung innerhalb des deutlich gestiegenen Angebots an Protestakteuren bzw. Protestveranstaltungen zu bewahren. 78 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 2.4.4 Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial umfasste im Berichtsjahr etwa 2.310 Personen (2021: 2.260 Personen), wobei etwa 2.050 Personen (2021: ca. 2.000) dem weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial zugeordnet werden. Damit ist ein erheblicher Teil der dem LfV Sachsen bekannten Rechtsextremisten in Sachsen nicht in Parteien oder anderweitigen Strukturen eingebunden, sondern agiert trotz seiner rechtsextremistischen Gesinnung losgelöst von festen Szenegruppierungen. Ideologie Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial teilt die ideologischen Überzeugungen von NeoNatioNalsozialisteN.38 Es verfügt über ein ähnliches von Chauvinismus, Antisemitismus, Fremdenhass sowie Rassismus geprägtes Weltbild. Dennoch unterscheidet es sich von NeoNatioNalsozialisteN durch die Schwerpunktsetzung auf erlebnisorientierte Veranstaltungen, bei denen nicht die ideologische Propaganda oder die strategische Verfolgung politischer Ziele im Vordergrund stehen, sondern die Erfahrung von gelebter "Gemeinschaft" unter Gleichgesinnten. Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial stellt sich dabei als Mischszene dar und dient den NeoNatioNalsozialisteN als "Rekrutierungsmasse" zur Verbreitung ihrer Ideologieelemente. Strategie Da diese Personen nicht an ideologischer Vertiefung interessiert sind, beteiligen sie sich weder an politischen Strategiedebatten noch an der Erarbeitung entsprechender Konzepte oder der Verbreitung ausgearbeiteter Stellungnahmen. Anders als NeoNatioNalsozialisteN streben sie keine Wirkung außerhalb der rechtsextremistischen Szene an. Im Vordergrund steht das tägliche, eher unreflektierte Erleben und Ausleben ihrer Gesinnung. Dieser Teil der rechtsextremistischen Szene bildet nicht nur die unverzichtbare "Mobilisierungsmasse" für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer, auch strukturierter Gruppierungen bzw. rechtsextremistischer Kampagnen, sondern dient auch als Nährboden für die Bildung neuer Gruppierungen. Die Personen handeln impulsiv, situativ bedingt und spontan. So gingen bei den größeren Ereignissen der vergangenen Jahre die Konfrontationen und Gewalttaten beispielsweise gegen Polizisten oder den politischen Gegner zumeist von diesem Personenpotenzial aus. 38 vgl. Beitrag II.2.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen 79 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Personenpotenzial Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial weist deutliche Bezüge zur rechtsextremistischen, gewaltorientierten Fußballund Kampfsportszene auf. Es eint eine hohe Mobilisierungskraft vor allem im Zusammenhang mit (über-)regionalen Musik-, Kampfsportoder sonstigen für die Szene relevanten Veranstaltungen. Für diese Personen ist der Kampfsport von zentraler Bedeutung. Abseits von größeren Veranstaltungen nutzen Rechtsextremisten lokale, oft nicht der Szene zugehörige "Gyms" (Sportstudios), um sich verschiedene Kampfsporttechniken anzueignen. Kampfsportveranstaltungen und "Gyms" bieten rechtsextremistischen Parteien und vor allem NeoNatioNalsozialisteN auf unkomplizierte Art und Weise die Möglichkeit, Kontakt mit rechtsextremistischen Personen aufzunehmen und diese für ihre eigenen extremistischen Aktivitäten zu begeistern. Der suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe werden auch rechtsextremistische Fußballanhänger zugeordnet. Sie sind vor allem in den Großstädten, aber auch in den Landkreisen Bautzen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Leipzig, Nordsachsen, Zwickau und im Erzgebirgskreis ansässig. Die Bildung und Auflösung von rechtsextremistischen Fußballanhängergruppierungen verläuft dem Grundcharakter der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene entsprechend sehr dynamisch: Zahlreiche, in der Vergangenheit aktive Gruppierungen, wie beispielsweise kaotic chemNitz und Black DeVils, traten im Jahr 2022 kaum bzw. nicht mehr in Erscheinung. Zumeist blieb jedoch das hinter den Gruppierungen stehende Personenpotenzial erhalten und agierte auch weiter gemeinsam. Daneben bilden rockerähnliche Strukturen, die vor allem in Ostsachsen beheimatet sind, eine weitere relevante Unterart der suBkulturell gePrägteN rechtsextremisteN. In Bruderschaften ahmen Rechtsextremisten den klassischen Rocker-Lifestyle nach. Mitglieder tragen bei Szeneveranstaltungen Lederwesten mit entsprechenden Symbolen und Schriftzügen ("Kutten"). Häufig werden die hierarchischen Strukturen der Rocker-Clubs übernommen. Gemeinsam ist allen rechtsextremistischen Bruderschaften, dass sie gemeinschaftliche, öffentliche Auftritte eher meiden. Kutten und sonstige Erkennungsmerkmale werden insbesondere bei internen Veranstaltungen und Konzerten getragen. Auf öffentliche Machtdemonstrationen wird für gewöhnlich verzichtet. Dies mag zum einen daran liegen, dass es den Gruppierungen in Sachsen schlichtweg an "Masse" mangelt. Zum anderen treibt die rechtsextremistischen Bruderschaften die Sorge um, durch ihre Uniformierung zu leicht als "Verein" identifiziert und damit Gegenstand vereinsrechtlicher Exekutivmaßnahmen zu werden. Herausragende Vertreter sind das Chapter der BrigaDe 8 in Mücka (Landkreis Görlitz) und die aryaN BrotherhooD eastsiDe (ABE) aus Bautzen (Landkreis Bautzen). Darüber hinaus ist das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial hinsichtlich seiner Größe und der damit verbundenen Kaufkraft ein wichtiger Abnehmer für die rechtsextremistische Konzertund Vertriebsszene. Es bildet das Gros der Konzertteilnehmer und Konsumenten rechtsextremistischer Merchandising-Artikel und lenkt durch sein Nachfragever80 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial halten auch die Ausrichtung des Angebotes rechtsextremistischer Vertriebe.39 Damit leistet die Szene selbst einen essentiellen Beitrag zur Finanzierung ihrer Strukturen. Strukturen subkultuRell gePRägte RechtsextRemisteN Sitz: sachsenweit; Schwerpunkte in der Region Chemnitz und in den Landkreisen Bautzen und Görlitz (u. a. bRigaDe 8 chaPteR schlesien, schlesische Jungs niesKy, nationaleR JugenDblocK e. v. zittau, Division 45 sowie rechtsextremistische Fußballanhänger) Gründung/Bestehen: Die Szene ging aus der Ende der 1960er-Jahre in Großbritannien entstandenen Skinheadszene hervor und breitete sich in den 1970er Jahren bundesweit auch in Deutschland aus. Publikationen: bundesweit: sog. Fanzines mit Artikeln zur überwiegend subkulturell geprägten rechtsextremistischen Musikszene sowie mit Interviews und Konzertberichten Internetauftritte: Wechselnde Internetseiten, Blogs, Profile in sozialen Netzwerken und Kurznachrichtendiensten; dort u. a. Bekanntmachungen von Konzerten sowie Veröffentlichungen von Videos Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 2.310 ca. 2.260 bundesweit40 k. A. k. A. Finanzierung: Finanzielle Beiträge der Anhänger, Eintrittsgelder bei Musikveranstaltungen, Vermarktung und Verkauf rechtsextremistischer Devotionalien wie T-Shirts o. Ä. Kurzporträt/Ziele: Eine strategisch ausgerichtete, ideologisch-politische Arbeit wird von subKultuRell gePRägten RechtsextRemistischen gRuPPieRungen nicht betrieben. Gewaltbereitschaft, Kurzschlussreaktionen und impulsgesteuertes Handeln sind für diese Szene hingegen charakteristisch. Relevante Ereignisse Aufgrund der Corona-Maßnahmen waren die Aktivitäten subKultuRell gePRägteR und Entwicklungen gRuPPieRungen insbesondere bis zum Ende des ersten QuarRechtsextRemistischeR 2022: tals 2022 weiterhin eingeschränkt und rückläufig. Im Zusammenhang mit dem Abklingen der Pandemie und damit einhergehender Lockerungen der CoronaMaßnahmen konnte im Berichtsjahr jedoch u. a. eine rasche Zunahme rechtsextremistischer Musikveranstaltungen festgestellt werden. Subkulturell geprägte Strukturen sind sehr wandelbar und können unter Umständen auch sehr schnell entstehen. Dabei kommt es nicht zwangsläufig zu festen Strukturen, wie Kameradschaften und ähnlichen Verbänden. Zumeist handelt es sich um sich verfestigende konkrete Personenkreise, die wegen der Nutzung sozialer Medien kaum ein Bedürfnis nach weiterer Organisation empfinden. 39 vgl. Beitrag II.2.4.6 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 40 Für den Bund wird das Personenpotenzial der suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe seit dem Jahr 2018 nicht mehr gesondert ausgewiesen. 81 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Daher verlaufen die Strukturbildungsprozesse sehr unterschiedlich: Ergibt sich die Notwendigkeit, unter einem klaren "Label" aufzutreten, strukturiert sich die Szene etwas fester, besteht hierfür kein dringender Bedarf mehr, verfallen die gebildeten Strukturen wieder in Inaktivität. Eine wichtige Rolle spielen neben bestehenden Kennverhältnissen das Vorhandensein geeigneten Führungspersonals, einer Treffgelegenheit sowie regelmäßig wiederkehrende Ereignisse, die die beteiligten Personen immer wieder zusammenführen. Im Freistaat Sachsen waren in diesem Zusammenhang folgende extremistische Bestrebungen im Berichtsjahr aktiv: BrigaDe 8 chaPter schlesieN DiVisioN 45 NatioNaler JugeNDBlock e. V. zittau schlesische JuNgs Niesky Aktivitäten Aufgrund der coronabedingten Ausgangsund Kontaktbeschränkungen fanden seit 2020 deutlich weniger für diesen Personenkreis interessante Ereignisse statt, weshalb eine Vielzahl von Aktivitäten ins Internet verlagert wurde. Die Corona-Thematik war für dieses Personenspektrum bestens geeignet, Verschwörungstheorien im Internet und in den sozialen Medien zu verbreiten und damit rechtsextremistische Ideologie-Narrative zu bedienen. Diese Personen sind damit auch mitverantwortlich für das vermehrte Einsickern extremistischer Ansichten in die Mitte der Gesellschaft. Die Corona-Thematik begünstigte die Bildung sog. "Mischszenen" aus ganz unterschiedlich motivierten und sozialisierten Menschen - vom Impfgegner über den Esoteriker bis hin zum gewaltorientierten Rechtsextremisten. Angehörige der suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe bzw. des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials beteiligten sich im Berichtsjahr am sachsenweiten Protestgeschehen gegen die Corona-Maßnahmen und zuletzt auch gegen die steigenden Energiebzw. Lebenshaltungskosten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Der seit 2018 bestehende Trend zu Großkonzerten und sog. Mischveranstaltungen41 konnte, wie bereits 2020 und 2021, auch im Berichtszeitraum aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht fortgesetzt werden. Das aus diesem Grund immer wieder verschobene "Schild und Schwert"-Festival - ein wichtiges Ereignis für die suBkulturell gePrägte rechtsextremistische szeNe - konnte auch im Herbst 2022 nicht nachgeholt werden. 41 Der Begriff "Mischveranstaltung" bezeichnet ein Veranstaltungsformat, bei dem verschiedene Veranstaltungsbestandteile ausgerichtet werden, die sonst nur in Einzelformaten bedient würden (z. B. Musik und Kampfsport im Rahmen derselben Veranstaltung). 82 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial suBkulturell gePrägteN rechtsextremisteN bzw. dem unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial fehlte ohne diese Großbzw. Mischveranstaltungen folglich erneut ein entscheidendes Podium für die öffentliche Präsenz und Provokation. Der Szene blieb damit fast ausschließlich der Besuch von Konzerten oder Fußballspielen. Rechtsextremistische Fußballfans fielen im Berichtszeitraum vereinzelt durch strafbares Verhalten auf. So reisten einige von ihnen am 27. September zum Länderspiel England gegen Deutschland nach London. In dessen Vorfeld überfielen ca. 100 deutsche Hooligans einen von England-Fans besuchten Pub nahe des Wembley-Stadions. An diesem Überfall waren auch rechtsextremistische Fußballfans aus Sachsen beteiligt. Zudem fielen rechtsextremistische Fußballfans im Zusammenhang mit Fußballspielen durch Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf, so zum Beispiel am 7. Mai in Leipzig. Dort skandierte eine Gruppe rechtsextremistischer Fußballfans des 1. FC Lokomotive Leipzig auf dem Heimweg lautstark verschiedene antisemitische Äußerungen. Diese Vorfälle verdeutlichen, dass Rechtsextremisten nach wie vor in der sächsischen Fußballfanszene vertreten sind und ihre Gesinnung offensiv bzw. selbstbewusst nach außen tragen. Zudem belegt dies, dass sie durchaus willens und in der Lage sind, sich eventbezogen zu organisieren und die Öffentlichkeit mit ihrem Auftreten zu provozieren. Die Fußballvereine werden dabei von Rechtsextremisten als Vehikel genutzt, das Fußballstadion als Treffbzw. Demonstrationsort missbraucht und das Treiben vor und nach den Spielen für die öffentlichkeitswirksame Zurschaustellung der verfassungsfeindlichen Ideologie genutzt. Das grundsätzliche gemeinsame Interesse am Fußballsport ist das verbindende Element innerhalb der Szeneangehörigen, welches sie immer wieder zusammenkommen lässt. Regionale Ausprägung Landkreis Görlitz Beim Ableger der rockerähnlichen bRigade 8 in Mücka handelt es sich um eines von mehreren "Chaptern" dieser 2012 gegründeten bundesweit bestehenden Gruppierung. Ihre Mitglieder sind gut vernetzt und verfügen über Verbindungen in die bundesweite rechtsextremistische - vor allem NeoNatioNalsozialistische - Szene. Die BrigaDe 8 unterhielt im Landkreis das zwischenzeitlich aufgelöste chaPter ostDeutschlaND, das sich auch chaPter WeissWasser bzw. chaPter eastsiDe nannte. Die Gruppierung entwickelte sich in Bezug auf die Durchführung von Szeneveranstaltungen im Landkreis Görlitz über die Jahre hinweg zu einer festen, überregional aktiven Größe. In der Folge agierte sie zunehmend selbstbewusster. Dies zeigte sich auch in unverhohlen demonstrierten Sympathien für die inzwischen verbotene Gruppierung comBat 1842 sowie auch im offen erkennbaren Auftreten während des "Schild und Schwert"-Festivals in Ostritz 2019. 42 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2019, S. 132 83 RECHTSEXTREMISMUS - Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Das im Jahr 2021 von früheren Mitgliedern des chaPter ostDeutschlaND neu gegründete chaPter schlesieN konnte nach den internen BrigaDe 8-Auseinandersetzungen im Vorjahr43 seine Aktivitäten in Mücka wieder stabilisieren und festigen. Es führte im Berichtsjahr mehrere Veranstaltungen durch, bei denen rechtsextremistische Liedermacher und Bands auftraten. So beteiligten sich beispielsweise an einer Gedenkfeier für ein verstorbenes Mitglied im Objekt in Mücka ca. 50 Personen. Zudem trat im Rahmen dieser Veranstaltung der Liedermacher reichstruNkeNBolD aus Hessen auf. Mit dem Objekt in Mücka existiert weiterhin ein festes Anlaufund Veranstaltungsobjekt der rechtextremistischen Szene in Sachsen. Die Mitglieder des chaPter schlesieN nahmen außerdem regelmäßig an Veranstaltungen anderer BrigaDe 8 chaPter in Sachsen-Anhalt und Brandenburg teil. Mit der Gruppierung schlesische JuNgs Niesky gehört im Landkreis Görlitz eine weitere Gruppierung zur suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe. Sie nahm am 13. Februar an der Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Landeshauptstadt am 13. Februar 1945 teil. In der Vergangenheit beteiligte sie sich auch an bekannten Szene-Veranstaltungen, wie dem "Schild und Schwert"-Festival in Ostritz. Ebenfalls zur suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe im Landkreis Görlitz zählt der Verein NatioNaleR JugeNdblock e. v. zittau (NJB). Der NJB verfügt seit mehreren Jahren über ein Vereinshaus in Zittau, welches für Treffen und Veranstaltungen genutzt wird. Nachdem im Vorjahr dort keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten zu verzeichnen waren, fand dort 2022 ein Konzert mit der rechtsextremistischen Band thematik 25 aus Leipzig statt. In einem im März veröffentlichten Internet-Interview informierte ein Mitglied des NJB darüber, dass es Ziel des Vereins sei, jährlich zehn Konzertveranstaltungen im Vereinshaus in Zittau durchzuführen. Als "Vorbild" wurde diesbezüglich das Objekt in "Staupitz" benannt, in welchem aufgrund behördlicher Genehmigung bisher ebenfalls zehn Konzertveranstaltungen im Jahr durchgeführt werden durften. Bisher sei man in Zittau jedoch an den behördlichen Genehmigungen gescheitert. Zudem wurde im Interview auf den TelegramKanal "Aktionsgruppe Zittau" verwiesen, auf welchem jugendliche Vereinsmitglieder ihre Beiträge veröffentlichen - wie beispielsweise über ein "Heldengedenken" im November in Zittau oder einen Mobilisierungsaufruf für die Demonstration der Partei Der Dritte Weg am 1. Mai in Zwickau. Im Juni beteiligten sich Angehörige des NJB an einer als Geburtstagsfeier angemeldeten Musikveranstaltung mit Auftritt eines Liedermachers in Bahretal OT Gersdorf (Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge). Mehrere Angehörige des NJB trugen dort Shirts mit der Aufschrift "NJB Z". 43 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2021, S. 92 84 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik Landkreis Bautzen Im Landkreis Bautzen ist mit der divisioN 45 eine Gruppierung der suBkulturell gePrägteN rechtsextremistischeN szeNe aktiv, die beispielsweise auch in Niedersachsen Strukturen aufweist. Im Februar 2022 beteiligten sich Angehörige der DiVisioN 45 am jährlich in Budapest stattfindenden sog. "Tag der Ehre". Mit dieser Veranstaltung wollen ungarische Rechtsexremisten gemeinsam mit internationalen Gesinnungsgenossen an die Schlacht um Budapest im Zweiten Weltkrieg erinnern. Die Angehörigen der DiVisioN 45 trugen dabei einheitliche Jacken, die ihre Gruppenzugehörigkeit veranschaulichten. Für den 10. Dezember planten Angehörige der DiVisioN 45 in Weißenberg OT Nostitz (Landkreis Bautzen) die Durchführung eines rechtsextremistischen Konzertes. Gegenüber dem Eigentümer des dafür vorgesehenen Objekts gaben sie allerdings an, einen Geburtstag feiern zu wollen. Angekündigt waren neben der sächsischen rechtsextremistischen Band FroNt776 auch die rechtsextremistischen Bands eskalatioN aus Bayern, eNDstuFe aus Bremen und Baltic storm aus Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem die Gemeinde, der Landkreis und der Eigentümer des Objektes durch das LfV Sachsen, die Polizeidirektion Görlitz und die Landesdirektion Sachsen vor den wahren Absichten des rechtsextremistischen Veranstalters gewarnt worden waren, wurde der Mietvertrag für das ursprünglich geplante Veranstaltungsobjekt in Nostitz vom Eigentümer gekündigt. Somit konnte das Konzert dort nicht stattfinden. Die Rechtsextremisten fanden für die Durchführung des Konzertes allerdings einen Ausweichort in Sachsen-Anhalt. 2.4.5 Rechtsextremistische Musik Die Musik sowie die Szenekonzerte sind unverändert wichtige Instrumente für die Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie und damit eine zentrale, identitätsstiftende Basis für die Szene. Gemeinsame Konzertbesuche stärken das Gemeinschaftsgefühl und tragen dazu bei, dass Kontakte zwischen den verschiedenen regionalen Szenen geknüpft und aufrechterhalten werden. Szenemitglieder haben bei Konzerten darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Ideologie in der "geschlossenen Konzertgemeinschaft" auszuleben. So sind dort mitunter gemeinschaftlich begangene strafbare Handlungen, wie der Hitlergruß oder "Sieg Heil-Rufe", festzustellen. Die Szene selbst spricht hier von "abhitlern". Rechtsextremisten vermitteln ihre verfassungsfeindliche Ideologie über die Texte ihrer Musikdarbietungen, wobei dazu passende Melodien und Rhythmen einen wesentlich verstärkenden Faktor im emotionalen Empfinden des Empfängers auslösen. Insofern ist die Musik vor allem für Jugendliche ein Einfallstor in die rechtsextremistische Szene. Darüber hinaus spielen kommerzielle Gesichtspunkte bei der Veranstaltung von Konzerten und vor allem bei den Szenevertrieben eine herausragende Rolle. Beides sind unverzichtbare finanzielle Einnahmequellen für die rechtsextremistische Szene. 85 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik Die suBkulturell gePrägte rechtsextremistische szeNe bevorzugt Musikstilrichtungen wie "R.A.C."44 und "Hardcore"45 bzw. "Hatecore"46. Dieser "Rechtsrock" ist geprägt von aggressiven Texten und zumeist hämmernden Rhythmen. In den Liedern werden Rassismus und Gewalt propagiert, das NS-Regime verherrlicht und der Kampf gegen das verhasste demokratische System thematisiert. In den Texten wird zum Teil auch einem Germanenund Wikingerkult gehuldigt. Politische Inhalte werden zudem auch im Balladenstil vorgetragen. Eine in der Szene beliebte Musikstilrichtung ist der sog. "NSBM"47. Diese von der Black-Metal-Musik abgeleitete Stilrichtung bezieht sich in ihrer Ausrichtung auf den historischen Nationalsozialismus. Mit der Gründung der Firma NDS recorDs uNterNehmeNsgesellschaFt48 etablierte sich im Freistaat Sachsen im Berichtsjahr zudem ein Musiklabel, dessen Musiker vor allem die Stilrichtungen "Rap" und "Hip Hop" vertreten. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen im Jahr 2022 in Sachsen Die Entwicklung der rechtsextremistischen Musikszene im Freistaat Sachsen zeigte im Berichtsjahr nach Ende der Corona-Maßnahmen wieder eine leicht steigende Tendenz. Allerdings konnte das Niveau der Zeit vor der Pandemie nicht erreicht werden. Der Anstieg der Konzerte im Berichtsjahr ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nach Auslaufen der Corona-Maßnahmen die bisher behördlicherseits zehn genehmigten Konzerte pro Jahr im Szeneobjekt in Torgau OT Staupitz wieder stattgefunden haben. Darüber hinaus konnten einzelne konspirativ organisierte Konzerte sowie Liederabende festgestellt werden. Im Berichtsjahr wurden in Sachsen insgesamt 12 rechtsextremistische Konzerte (2021: 9) und 24 Liederabende bzw. sonstige Musikveranstaltungen (2021: 16) bekannt. Durchgeführte rechtsextremistische Konzerte in Sachsen 30 24 25 24 25 20 17 14 14 15 12 9 10 5 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 44 "Rock against Communism" - Rock gegen Kommunismus 45 US-amerikanische Weiterentwicklung der "Punk"-Musik - im Stil schnell und hart 46 wie "Hardcore", jedoch mit härteren, hasserfüllten Texten. Der Begriff "Hatecore" war ursprünglich nicht rechtsextremistisch ausgerichtet, wird aber mittlerweile in erster Linie von rechtsextremistischen Bands besetzt. 47 "NSBM" steht für NS-Black Metal und bezeichnet den Teil der Metal-Szene, der sich in seiner Musik und seiner Ausrichtung auf den historischen Nationalsozialismus bezieht. 48 vergl. Beitrag II.2.4.6 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 86 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik Die nachfolgenden Tabellen informieren über rechtsextremistische Konzertveranstaltungen, Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen, welche für das Berichtsjahr öffentlich genannt werden können. Konzertveranstaltungen Datum Ort Konzertbesucher (ca.) 1 15. April Zittau (Lkr. Görlitz) 30 2 16. April Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 230 3 10. Juni Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 235 4 11. Juni Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 195 5 17. Juni Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 200 6 2. Juli Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 230 7 30. September Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 200-250 8 1. Oktober Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 237 9 21. Oktober Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 170 10 22. Oktober Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 230 11 22. Oktober Sachsen unbekannt 12 26. November Torgau OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen) 250 Liederabende und sonstige Musikveranstaltungen Datum Ort Veranstaltung 1 19. Februar Dresden NPD/JN-Liederabend mit Auftritt des Liedermachers Benjamin GRUHN49 2 5. Juni Bahretal OT Gerdorf Geburtstagsfeier mit Auftritt eines Lieder(Lkr. Sächsische machers Schweiz-Osterzgebirge) 3 28. Juni Lunzenau Liederabend mit Auftritt von (Lkr. Mittelsachsen) luniKoFF 50 4 9. Juli Meißen (Lkr. Meißen) Sommerfest der NPD mit Auftritt der Liedermacher Benjamin GRUHN und eiDstReu51 49 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2020, Seite 78 50 Broschüre "Rechtsextremistische Musik", Berlin, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz, 2016, S. 7, 21 - 25; Verfassungsschutzbericht Berlin 2018, S. 115 - 116 51 Antwort der Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema "Neonazistische Musikszene und Konzerte", Drs. 7/7315, Anlage 1, Seite 3 vom 24. Februar 2021 87 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik 5 9. Juli Pirna (Lkr. Sächsische NPD-Liederabend Schweiz-Osterzgebirge) 6 16. Juli Mücka (Lkr. Görlitz) Liederabend mit laRs, auch bekannt als sonDeRKommanDo elbe52 7 28. August Altenberg Auftritt des Liedermachers KavalieR (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) 8 3. September Steinigtwolmsdorf OT Auftritt von KavalieR bei einem UnterstützerWeifa (Lkr. Bautzen) treffen von NDS RecoRDs 9 10. September Sachsen Auftritt von FReilichFRei53 und baRny54 bei einem Liederabend 10 17. September Neukirch (Lkr. Bautzen) Party von NDS RecoRDs u. a. mit Auftritten von PRototyP, Runa und KavalieR 11 1. Oktober Plauen (Vogtlandkreis) Auftritt von luniKoFF bei einer Veranstaltung der Partei DeR DRitte Weg 12 12. November Lunzenau OT Cossen Auftritt des Rac'n'Roll teuFel55 sowie ehema(Lkr. Mittelsachsen) lige Musiker der Band blitzKRieg56 bei einer Geburtstagsfeier 13 17. Dezember Zwickau (Lkr. Zwickau) Auftritt des Liedermachers heRmunDuRen57 bei einer Veranstaltung der Partei DeR DRitte Weg Konzertgeschehen in "Staupitz" Im wohl wichtigsten Konzertobjekt der sächsischen rechtsextremistischen Szene, dem ehemaligen Gasthof in Torgau OT Staupitz (Landkreis Nordsachsen), konnten Rechtsextremisten nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen erstmals wieder zehn Konzerte veranstalten. Damit schöpften sie die behördlich genehmigte jährliche Anzahl voll aus. Um die Attraktivität der Veranstaltungen zu erhöhen und eine hohe Besucherzahl zu generieren, engagierten die Veranstalter neben renommierten deutschen rechtsextremistischen Bands auch ausländische Musikgruppen. So organisierten sie z. B. im September unter dem Motto "40 Jahre Live und Laut" ein zweitägiges Konzert u. a. mit der Band eNDstuFe58. Die aus Spanien stammende Band "Thumbscrew" postete nach der Veranstaltung, dass sie "das Vergnügen hatte, zum 40. Jubiläum von 'ESE'59 zu spielen". Mit jeweils rund 230 Besuchern war das Objekt an beiden Tagen ausgebucht. 52 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 89 53 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 78 54 Verfassungsschutzbericht Thüringen 2020, Seite 42, 124 55 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 85, 86 56 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2018, Seite 79 57 Verfassungsschutzbericht Thüringen 2020, Seite 42 58 Verfassungsschutzbericht Bremen 2021, Seite 39 59 ESE steht für "ESE-Sound", das Musiklabel von eNDstuFe 88 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik Im Oktober organisierten Rechtsextremisten in "Staupitz" unter dem Motto "Der Osten rockt gegen Kommunismus" erneut ein zweitägiges Konzert. Geplant war u. a. der Auftritt der Band "Preserve White Aryans" (P.W.A.) aus Estland. Die Musiker konnten jedoch nicht auftreten, da ihnen die Einreise nach Deutschland verweigert worden war. Für den 26. November 2022 war ursprünglich ein Auftritt der finnischen Band "Sniper" in "Staupitz" geplant. Als bekannt wurde, dass einzelne Bandmitglieder trotz eines Einreiseverbots vor rund 250 Teilnehmern in Staupitz auftraten, wurde gegen die anwesenden Bandmitglieder eine Anzeige wegen Verstoßes gegen SS 95 Aufenthaltsgesetz erstattet. Diese Konzerte belegen, dass die Veranstalter über gute internationale Beziehungen verfügen und "Staupitz" sich über die Jahre offenkundig in der internationalen rechtsextremistischen Szene "einen Namen" gemacht hat. So wurden in der Vergangenheit im Objekt bereits Bands aus Finnland, Italien, Großbritannien, Estland, Schweden, Spanien, Frankreich, Belgien, Japan sowie aus den USA, Tschechien und der Ukraine festgestellt. Konzertgeschehen außerhalb von "Staupitz" Die aus der Region Bautzen stammende rechtsextremistische Gruppierung DiVisioN 4560 wollte am 10. Dezember in Weißenberg OT Nostitz (Landkreis Bautzen) eine Konzertveranstaltung organisieren und "tarnte" diese nach außen hin als Geburtstagsfeier. Auch dort sollte neben der sächsischen Band FroNt77661 wieder die Gruppe eNDstuFe auftreten. Der Vermieter des Objekts konnte jedoch von den (Sicherheits-)Behörden davon überzeugt werden, dass es sich bei der geplanten Veranstaltung in Wahrheit um ein Konzert der rechtsextremistischen Szene handelte. Die Veranstaltung in Nostitz wurde daraufhin abgesagt. Der ehemalige Frontmann der verbotenen Musikgruppe laNDser, der unter der Bezeichnung luNikoFFsolo oder mit seiner Band Die luNikoFF VerschWöruNg in der Szene aktiv ist, trat am 28. Juni in Lunzenau (Landkreis Mittelsachsen) bei einem "Balladenabend" vor ca. 80 Personen auf. Der sächsische rechtsextremistische Liedermacher Benjamin GRUHN, der offenbar an der Veranstaltung teilnahm, postete anschließend: "Ein riesengroßes Dankeschön an den 'schlimmen Finger' aus Berlin für diesen grandiosen Abend". Die Rapper um das Musiklabel NDS recorDs wollten ursprünglich am 14. Mai ein erstes Konzert in Naumburg (Sachsen-Anhalt) durchführen. Sie gerieten jedoch wegen der Lokalität - ein bekannter rechtsextremistischer Szenetreff - untereinander in Streit und sagten deshalb das Ereignis kurzerhand ab. Im Ergebnis trennten sich zwei Musiker vom Label. PrototyP gab vor, ein anderes Verständ60 vergl. Beitrag II.2.4.4 Subkulturell geprägtes und unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 61 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2020, Seite 76 89 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik nis von Extremismus zu haben als sein ehemaliger Partner Primus62, übernahm das Geschäft und sammelte neue Gleichgesinnte um sich. Mit einem Grillabend am 3. September am Sitz des Labels in Steinigtwolmsdorf OT Weifa (Landkreis Bautzen) und einer "NDS-Party" am 17. September in Neukirch/Lausitz (Landkreis Bautzen) mit ca. 60 Teilnehmern organisierte das Unternehmen zwei Veranstaltungen, um neue Anhänger zu finden. Rechtsextremistische Musikgruppen bzw. Bandprojekte und Liedermacher Im Berichtsjahr konnten Aktivitäten von insgesamt 26 rechtsextremistischen Musikgruppen, Liedermachern bzw. Einzelinterpreten mit Bezug zu Sachsen festgestellt werden. Im Vorjahr lag diese Zahl bei 29. Die Musiker beteiligten sich an rechtsextremistischen Konzerten bzw. Liederabenden, traten bei Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen auf oder arbeiteten an neuen Tonträgern bzw. gaben diese heraus. Sie beteiligten sich mit Liedbeiträgen an fünf Samplern und gaben elf Alben heraus. Darüber hinaus wirkten Mitglieder sächsischer Bands an drei Tonträgern im Rahmen von Musikprojekten mit. Einige Musikgruppen gaben lediglich über ihre Internetpräsenzen "Lebenszeichen" von sich. Nachfolgend werden die im Freistaat Sachsen im Jahr 2022 auffälligsten Entwicklungen im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Musikern und Musikgruppen beschrieben: Band blutzeugeN Bei der Band BlutzeugeN63 handelt es sich um eine Musikgruppe, die oft für Konzertveranstaltungen im Ausland engagiert wird. So beteiligte sich die Band am 23. April beispielsweise an einem Konzert in Budapest. Nach einem Auftritt am 2. Juli in "Staupitz" wollten die Musiker am 8. Oktober zusammen mit der Band heiliger krieg64 in Sofia (Bulgarien) auftreten. Aufgrund von Ausreisebeschränkungen konnten die Auftritte dieser Bands jedoch nicht stattfinden. Daraufhin veränderte die Szene ihre Werbetaktik: Am 19. November fand in Mailand (Italien) ein Konzert statt. Im Vorfeld warben die Veranstalter mit Flyern, auf denen die deutschen Bands explizit nicht genannt wurden. Erst am Veranstaltungstag tauchten Flyer im Internet auf, auf welchen u. a. auch BlutzeugeN angekündigt wurde. BlutzeugeN ist eine Musikgruppe, die sich öffentlich unverhohlen dazu bekennt, Anhänger der nationalsozialistischen Weltanschauung zu sein. In einem Interview antwortete ein Bandmitglied bei62 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2020, Seite 79, 80; Primus verließ das Unternehmen und verlegte seinen Wohnsitz in ein anderes Bundesland 63 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 75, 76 64 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 79, 80 90 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik spielsweise auf die Frage nach der Motivation, für die Gestaltung der Cover ihrer Produktionen die Werke von Arno Breker65 zu verwenden: "Wir sehen Blutzeugen nicht nur als eine reine Musikgruppe, wir vermitteln unsere Weltanschauung und Werte mit den Texten und der Präsentation unserer Tonträger, Textilien usw. Arno Brekers Werke präsentieren perfekt den Menschenschlag, welchen wir wieder zu seinem verdienten Platz in der Rangordnung verhelfen wollen." Auch das im Jahr 2022 erschienene Album "Opferbereitschaft" weist Bezüge zum Nationalsozialismus auf. Das Booklet endet mit dem Spruch "Ohne Blut kein Leben, ohne Opfer keine Freiheit!". Dieser Spruch wurde dem von der "Reichspropagandaleitung" herausgegebenen "Wochenspruch der NSDAP, Folge 6/2. bis 8. Februar 1941" entnommen. Ebenso hat der Titel "Wiedergänger" aus diesem Album einen Bezug zum Nationalsozialismus. Er enthält mit Musik untermalte, zusammengefügte Auszüge einer in Königsberg gehaltenen Rede des Hitler-Stellvertreters Rudolf HEß vom 8. Juli 1934. Im Booklet wurde zu diesem Lied ein Spruch abgedruckt, der aus dem Buch "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" des ehemaligen führenden Ideologen der NSDAP, Alfred Rosenberg, stammte. Bands odessa, volksNah und thematik 2566 Die drei aus Leipzig stammenden Bands zeigten sich im Berichtsjahr aktiv. oDessa67 trat am 16. April zusammen mit VolksNah68 in "Staupitz" auf. Es folgte ein weiterer Auftritt von oDessa in "Staupitz" beim Konzert "Der Osten rockt gegen Kommunismus" am 21. Oktober. Darüber hinaus berichtete oDessa am 4. Dezember auf ihrem Telegram-Kanal, dass alle drei Bands bei einer Veranstaltung in "Glatzen-Anhalt" 69 (Sachsen-Anhalt) aufgetreten seien. Die Band oDessa veröffentlichte im Berichtsjahr zudem die Alben "Kämpfer" und "Eiserner Wille & Stolzes Herz - Eine Zeitreise". Band sachsoNia Um die seit 1999 existierende und früher sehr aktive sächsische Band sachsoNia70 aus Dresden ist es ruhig geworden. Die letzten Erkenntnisse zu einem Auftritt liegen schon fast zwei Jahre zurück. Im Berichtsjahr wurde allerdings bekannt, dass zwei Bandmitglieder in einem deutsch-russischen 65 Arno Breker war ein deutscher Bildhauer und Architekt, der sich in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem unmittelbar von Adolf Hitler protegierten prominenten Künstler dieses Regimes entwickelte. 66 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 90, 91 67 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2021, Seite 96, 97 68 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 93, 94 69 Schreibweise wie im Original 70 Verfassungsschutzbericht Sachsen 2019, Seite 87 91 RECHTSEXTREMISMUS - Rechtsextremistische Musik Bandprojekt mitwirken. Unter der Bezeichnung "AS // BS" (Antisystem Sachsonia Bruderschaft) erschien der Tonträger "How do you do Moskau". Im Booklet wird zum Bandprojekt erklärt, dass die Formation aus zwei Deutschen und drei Russen bestünde, schon seit 2012 existiere und Liveauftritte in verschiedenen europäischen Ländern absolviert habe. Die Musiker von NDS RecoRds71 Im Video zum Lied "Whiteboysummer" zeigten die Protagonisten von NDS recorDs im Berichtsjahr nicht nur eine rassistisch geprägte Grundhaltung, sondern auch eine Affinität zu Waffen. Im Video posiert u. a. der Rapper PrototyP mit einer Waffe. Der "white boy" steht im Lied sinngemäß als Synonym für eine "überlegene weiße Rasse", die das Land verändern werde. Dies belegen Textpassagen wie: "Meine Gang ist weiß blond und einsprachig [...] Wir sind white boys, wir brauchen den Lichtschutzfaktor [...] Macht euch bereit für den Whiteboysummer, die Zeit ist reif für den Whiteboysummer, weiße Jungs, die mal wieder keine Grenzen kennen. Komm mit uns sei ein Krieger, lass die Ketten sprengen. Weiße Haut, breit gebaut, und der Scheitel sitzt, deine Braut weiß es auch, dass wir nicht Scheiße sind. Von Bautzen bis nach Österreich, hier scheißt man auf dein Döner-Fleisch. [...] ja wir wehren uns fanatisch unsere Herkunft germanisch [...] Deutschland wird zum Boxring, Männer im Kampf wird zum Whiteboysummer, wir verändern das Land." Die Sängerin ruNa - die Ehefrau von PrototyP - wirkte im Berichtsjahr ebenfalls beim Label mit. In einem Interview mit dem rechtsextremistischen comPact magaziN gab sie an, ihren Weg "zum Widerstand" über ihren Mann gefunden zu haben. So beteiligte sie sich in den vergangenen zwei Jahren an verschiedenen Protestveranstaltungen gegen die Politik der Bundesregierung, hielt in deren Rahmen Reden und trat musikalisch auf. Auf einer Veranstaltung am 4. Oktober 2021 in Görlitz sagte sie, sie sei "fest entschlossen, diesem Irrenhaus von Regierung zu zeigen, dass das deutsche Volk noch Rückgrat besitzt" und sprach in diesem Zusammenhang von Willkür und totalitären Maßnahmen, die seitens der Regierung ergriffen würden. Sie rief dazu auf, "zum Sand im Getriebe des kranken Systems zu werden, friedlich und gewaltfrei zu demonstrieren, aber sich trotzdem zur Wehr zu setzen und sich nicht einschüchtern zu lassen, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen". Zusammen mit der rechtsextremistischen Band Flak72 und PrototyP trat ruNa im von NDS recorDs produzierten Musikvideo zum Lied "Spazier mit mir" auf, welches ebenfalls das Protestgeschehen thematisierte. Das Lied fordert dazu auf, "im Straßenkampf" eine Wende zu bewirken: "Wir erobern die Straßen. Wir sind bereit, für die Freiheit zu kämpfen. (...) Wir haben die Kraft, diesen Scheiß zu beenden. Denn man wird gemessen an Taten, stell keine Fragen, zerreiß deine Grenze. Ja, 71 vgl. Kapitel II.2.4.6 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte 72 Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2019, Seite 83 92 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte der Einsatz ist hoch - na und - doch der Preis ist die Wende. Lass dich nicht spalten, wir halten unsereins zusammen. Keine Diktatur, wir wollen Freiheit oder Untergang. Zerreiß die Fesseln dieses Staates und durchschau' das Spiel. Wir sind da draußen, während du zuhause liegst. Für Deutschland und ein freies Europa - geht auf die Straße." Der ebenfalls zu NDS recorDs gehörende Liedermacher kaValier trat am 10. Dezember bei einem sog. "Netzwerktag" der NPD in Brandenburg auf. Fazit Nach zweijährigem, durch die Corona-Pandemie eingeschränktem Veranstaltungsgeschehen zogen die Aktivitäten von Konzertveranstaltern und rechtsextremistischen Bands im Berichtsjahr wieder an. An das quantitative Niveau vor Ausbruch der Pandemie konnten sie aber noch nicht anknüpfen. Neben aktiven Musikgruppen, die jährlich auftreten bzw. an neuen Tonträgern arbeiten, existieren im Freistaat Sachsen auch Bands, die nur gelegentlich ein "Lebenszeichen" von sich geben. Das Level der Musikproduktionen und der aktiven Bands war im Berichtsjahr in etwa mit dem des Vorjahres vergleichbar. Die Organisation und Durchführung von Konzertveranstaltungen ist und bleibt für rechtsextremistische Labels aber unverändert ein wichtiges Mittel für kommerzielle Erfolge. Zum einen fließen den Veranstaltern bzw. den bei den Konzerten vertretenen Labels Einnahmen aus dem Kartenverkauf bzw. dem Verkauf von Tonträgern und Merchandise-Artikeln zu. Zum anderen dienen die Veranstaltungen auch der Werbung für Produktionen der auftretenden Bands. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Einnahmen aus Konzerten auch zur Querfinanzierung z. B. anderer szenerelevanter Veranstaltungen genutzt werden. Es ist deshalb zu erwarten, dass die rechtsextremistische Musikszene ihre Aktivitäten insgesamt weiter steigern wird. 2.4.6 Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Die rechtsextremistische Vertriebsszene hat ihren Ursprung in der Skinheadszene, die als Jugendsubkultur in den 1980er und 1990er Jahren u. a. eine starke Nachfrage nach eigenen Musikstilen aufwies, welche damals im kommerziellen Handel nicht erhältlich waren. Die entstandenen Unternehmen richteten ihr Sortiment daher an den Bedürfnissen dieser Subkultur aus. So wurden und werden Textilien mit szenetypischen Aufdrucken (z. B. "I HTLR", "Adolf war der Beste"), Tonträger rechtsextremistischer Bands bzw. Liedermacher sowie andere szenerelevante Utensilien, wie z. B. Anstecker, Fahnen, Aufkleber und Plakate angeboten. Diese werden häufig mit rechtsextremistischen Symbolen gestaltet.73 73 Das LfV Sachsen hat hierzu eine Broschüre herausgegeben (Titel: "Rechtsextremistische Symbole: Augen auf! Sehen - Erkennen - Handeln"). Sie kann über die Internetseite www.verfassungsschutz.sachsen.de heruntergeladen werden. 93 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Im Unterschied zu Vertrieben, deren Angebote überwiegend auf die Interessen der subkulturellen rechtsextremistischen Szene ausgerichtet sind, spricht das Sortiment einiger Unternehmen ausdrücklich die neonationalistische Szene an. Das Produktangebot dieser Vertriebe beinhaltet demnach größtenteils Publikationen bzw. Artikel mit explizit positivem Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. Um den kommerziellen Erfolg ihrer Tonträger nicht zu gefährden, sind die Produzenten in Bezug auf Liedtexte und CD-Gestaltung bestrebt, nicht gegen strafund jugendschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. So lassen sie Tonträger vor der Veröffentlichung juristisch prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Jedoch entschied der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit im Falle eines damals bedeutenden Produzenten rechtsextremistischer Musik, dass von szenenahen Anwälten erstellte "Gefälligkeitsgutachten" keinen Freibrief darstellen und nicht vor strafrechtlicher Verfolgung schützen. In den indizierten Tonträgern sind gewaltbefürwortende und fremdenfeindlich/rassistisch geprägte Aussagen zu finden. Darüber hinaus enthalten Textpassagen oft einen positiven Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. So werden darin beispielsweise Institutionen und Funktionsträger dieser Zeit glorifiziert. Seit 2004 - damals existierten noch 22 Unternehmen - konnte ein permanenter Rückgang rechtsextremistischer Vertriebsunternehmen im Freistaat Sachsen festgestellt werden. Auch im Jahr 2022 wurde die Verlagerung eines Vertriebes aus Sachsen heraus bekannt: Der ehemals in Leipzig ansässige HermaNNslaND-VersaND präsentierte gegen Ende des Berichtszeitraumes nach langer inaktiver Zeit wieder ein Warenangebot. Im Impressum des Shops ist nunmehr allerdings eine Adresse in Thüringen angegeben. Dagegen etablierte sich in Zwickau mit dem KL-militaria VertrieB ein Versandunternehmen, dessen Angebot sich an die neonationalistische Szene richtet. Neben den bekannten Musiklabels FeiNDkoNtakt-ProDuktioN und PC-recorDs hat sich in Ostsachsen mit NDS recorDs eine dritte rechtsextremistische Vertriebsorganisation in Sachsen etabliert, die selbst Tonträger produziert. Während die beiden zuerst genannten Labels auf die suBkulturell gePrägte rechtsextremistische szeNe ausgerichtet sind, dürfte das Zielpublikum von NDS recorDs eher im Spektrum der "Neuen Rechten" zu finden sein und bis in die gesellschaftliche Mitte hineinreichen. NDS recorDs spricht vom sog. "patriotischen Lager" als Zielgruppe. Dazu zählt unter anderem die Protestszene, die sich mit Beginn der Asylkrise im Jahr 2015 im Freistaat Sachsen etabliert und im Zuge der Corona-Pandemie ausgeweitet hat. Akteure von NDS recorDs weisen zudem Bezüge zur iDeNtitäreN BeWeguNg (IB)74 auf. Im Berichtsjahr zeigten insgesamt acht rechtsextremistische Vertriebe und zwei Verlage eine erkennbare Handelstätigkeit. 74 vgl. Kapitel II.2.4.2 iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND (IB) - Regionalgruppe Sachsen 94 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen im Freistaat Sachsen Die aktivsten Versandhändler für rechtsextremistische bzw. szenetypische Produkte im Freistaat Sachsen Name: PC-RecoRds Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Ladengeschäft, Online-Versand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft: Chemnitz aktiv seit: 2000 Sortiment: mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger, mit rechtsextremistischen Symbolen oder Losungen bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien 95 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Der Vertrieb PC-recorDs, der aus einem Ladengeschäft, einem Internet-Versand und einem Tonträger-Label besteht, ist in Sachsen der bedeutendste Produzent für rechtsextremistische Musikgruppen. Durchschnittlich stellt dieses Unternehmen etwa 20 neue Tonträger sowie Re-Editionen pro Jahr. Für das Berichtsjahr konnten 22 neue Produktionen festgestellt werden. Mehr als 360 Tonträger produzierte dieses Unternehmen bisher. Von diesen Produktionen hat die Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz (BzKJ) 92 indiziert. Das von PC-recorDs produzierte Sortiment umfasst neben Tonträgern von Bands aus Sachsen sowie anderen Bundesländern auch Produktionen renommierter rechtsextremistischer Musikgruppen aus dem Ausland. So produzierte der Vertrieb im Jahr 2022 ein Album der finnischen Band "Mistreat". Neben dem Internetshop für frei verkäufliche Tonträger werden von PC-recorDs auf einer separaten Internetseite unter der Bezeichnung "Hits vom Index" auch indizierte Produktionen angeboten. Nicht nur durch die Produktion neuer Tonträger unterstützt PC-recorDs aktiv die rechtsextremistische Szene. Auch durch die Förderung und Organisation beispielsweise von Konzerten leistet dieser Vertrieb einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer aktiven rechtsextremistischen Szene im Freistaat Sachsen. Am 5. November 2022 organisierte der Vertrieb einen "Lagerverkauf", an dem sich auch die rechtsextremistischen Bekleidungslabels "Black Legion" und "Resistent" sowie das der Szene zurechenbare Kampfsportlabel "Kampf der Nibelungen" (KdN) beteiligten. In einem Telegram-Post bedankte sich PC-recorDs bei diesen Labels für die Beteiligung am "Lagerverkauf". In "lockerer Atmosphäre" habe man neue Kontakte knüpfen und bestehende intensivieren können, hieß es in besagtem Post. Name: FeiNdkoNtakt PRoduktioN Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit OnlineVersand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft/Inhaber: Plauen (Vogtlandkreis) aktiv seit: 2015 Sortiment: mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger eigener und fremder Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für rechtsextremistische Bands sowie weitere szenetypische Materialien Das in Plauen ansässige und im Gegensatz zu PC-recorDs ausschließlich regional bedeutende Vertriebsunternehmen FeiNDkoNtakt ProDuktioN produziert Tonträger für die rechtsextremistische Szene. Das Onlineangebot des Unternehmens umfasst ein dementsprechendes Angebot. Im Berichtsjahr erschienen sieben Tonträger. 96 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Name: Nds RecoRds Typ: gewerbliches Vertriebsunternehmen mit OnlineVersand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft/Inhaber: Steinigtwolmsdorf OT Weifa (Landkreis Bautzen) aktiv seit: 2021 Sortiment: Tonträger eigener Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für das eigene Label Mit dem Umzug des Rappers PrototyP nach Sachsen etablierte sich hierzulande ein Musikstil, der innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Freistaat bisher nicht festgestellt werden konnte und der insbesondere auch junge Menschen anspricht.75 Abweichend von der klassischen rechtsextremistischen Musikszene, die seit Jahren auf die Produktion und den Vertrieb von Tonträgern wie CDs, Schallplatten oder (seltener) Kassetten setzt, sind die Musiker von NDS recorDs überwiegend online aktiv. Auf Telegram-, Facebook-, YouTubeund Instagram-Kanälen werben die Musiker für ihre Produktionen. Sie produzieren begleitend zu ihren Alben Musikvideos, die über besagte Portale abrufbar sind, und bieten ihre Musik auch bei namhaften Online-Musikanbietern zum kostenpflichtigen Download an. Dadurch erzielen sie eine größtmögliche Reichweite. Zu NDS recorDs gehören mindestens sechs Personen. Im Berichtsjahr stieß der Liedermacher kaValier zum Label. In einem Video sagte er, dass er PrototyP "bei einer Veranstaltung einer schwarz-gelben Bewegung" kennengelernt habe, "die er auf YouTube nicht erwähnen darf". Er meinte damit die iDeNtitäre BeWeguNg (IB). kaValier selbst ist politisch in der IB-Gruppierung Werra elBFloreNz aktiv, wirkte in verschiedenen Musikvideos von NDS recorDs mit und trat im Berichtsjahr bei Veranstaltungen des Labels auf. NDS recorDs produzierte bisher vier Tonträger und veröffentlichte mehrere Musikvideos auf YouTube. Dabei arbeitete das Unternehmen auch mit anderen rechtsextremistischen Musikern bzw. Bands zusammen. 75 vgl. Kapitel II.2.4.5 Rechtsextremistische Musik 97 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte Name: NatioN uNd wisseN Typ: Verlag mit angeschlossenem Vertrieb Sitz bzw. Herkunft/Inhaber: Riesa aktiv seit: 2011 Sortiment: umfangreiches Büchersortiment, insbesondere mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus; Tonträger auch von rechtsextremistischen Musikgruppen Mit dem der NPD zuzurechnenden Deutsche stimme Verlag76 und dem Verlag NatioN uND WisseN existieren im Freistaat Sachsen zwei rechtsextremistische Verlage. Während sich der Deutsche stimme Verlag überwiegend mit der Erstellung des NPD-Parteiorgans Deutsche stimme befasst, produziert der Verlag NatioN uND WisseN u. a. zahlreiche Bücher, die inhaltliche Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges aufweisen. Diese Bücher werden über den angeschlossenen Online-Vertrieb zum Kauf angeboten. Name: lokis tRuhe Typ: Gewerblicher Online-Versand Sitz bzw. Herkunft: Leipzig aktiv seit: 2017 Sortiment: mit rechtsextremistischen Symbolen oder Losungen bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien Der von einem ehemaligen NPD-Funktionär betriebene Online-Versand lokis truhe ist weiterhin Bestandteil der rechtsextremistischen Vertriebsszene im Freistaat Sachsen. Sein Sortiment ist ausschließlich auf die rechtsextremistische Szene ausgerichtet und beinhaltet Artikel mit Bezügen zur germanischen bzw. nordischen Mythologie sowie zur Zeit des Nationalsozialismus. Im Berichtsjahr geriet der Betreiber dieses Online-Versands ins Visier der Generalbundesanwaltschaft. Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer 76 vgl. Beitrag II.2.3.2 NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs 98 RECHTSEXTREMISMUS - Vertrieb rechtsextremistischer Produkte kriminellen Vereinigung gegen den Inhaber und Mitarbeiter des Verlages Der schelm77 wurde auch der Inhaber von lokis truhe inhaftiert. Er soll für die Lagerung und den Versand von Schriften verantwortlich gewesen sein. Name: kl-auslieFeRuNg/kl-militaRia veRsaNd Typ: Gewerblicher Online-Versand Sitz bzw. Herkunft: Zwickau aktiv seit: 2022 Sortiment: umfangreiches Büchersortiment insbesondere mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus; Angebot von antiquarischen Schriften aus der Zeit des "Dritten Reiches" Im August 2022 meldete ein bekannter Rechtsextremist in Zwickau ein Gewerbe mit der Bezeichnung KL-auslieFeruNg an. Der Vertrieb bietet im Internet u. a. unter der Bezeichnung KL-militaria auf zwei Shop-Seiten Bücher und Schriften, die überwiegend einen Bezug zum Nationalsozialismus haben, sowie vereinzelt Hiebund Stichwaffen an. Dabei werden strafrechtlich relevante Symbole (wie Hakenkreuze) auf den Angebotsbildern verdeckt. Neben den zwei Shop-Seiten werden die Waren auch über verschiedene Telegram-Accounts angeboten. Die Gesamtschau verdeutlicht, dass sich das Angebot an die NeoNatioNalsozialistische szeNe richtet. Die Beteuerung des Vertriebes, dass die angebotenen Waren aus der Zeit des Nationalsozialismus "nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger und verfassungsfeindlicher Bestrebungen sowie zur wissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung" ausgeliefert würden, dürfte angesichts des rechtsextremistischen Hintergrunds des Betreibers wohl vielmehr dessen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung dienen. 77 Der Verlag Der schelm stammt ursprünglich aus Leipzig. Als Sitz wird derzeit im Impressum eine Adresse in Thailand angegeben. Auch der Verlagsinhaber hält sich im Ausland auf und entzieht sich damit den Strafverfolgungsbehörden. Der Verlag bietet in erheblichem Ausmaß Nachdrucke von antisemitischen Machwerken aus der Zeit des Nationalsozialismus an. Durch den Verkauf der Bücher haben die Beschuldigten nach Angaben der Bundesanwaltschaft eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie verbreitet und Volksverhetzungsdelikte begangen. 99 RECHTSEXTREMISMUS - Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus 2.5 Militanter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus Im Berichtsjahr sind rechtsextremistisch motivierte Anschläge ausgeblieben. Dennoch ist die abstrakte Gefährdungslage weiterhin als signifikant zu bewerten. Im Vergleich zu den Vorjahren rückte die Corona-Problematik zunehmend in den Hintergrund, während rechtsextremistische Narrative im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Debatten Einzug in die Szene hielten. Rechtsextremistische Ideologieelemente, darunter Verschwörungstheorien und Vernichtungsfantasien in Bezug auf andere Ethnien, spielen auch bei Akteuren im Freistaat Sachsen eine wichtige Rolle und können unter Umständen einen Nährboden für Gewalt und Terror bilden. Rechtsextremisten finden dabei im Internet verschiedene Aspekte, die sie unreflektiert zu ihrer eigenen verfassungsfeindlichen Agenda zusammensetzen können. Als Quintessenz steht oft das proklamierte Recht auf Widerstand und der Anspruch, stellvertretend für einen großen, ungehörten Teil der Bevölkerung zu handeln. Im Berichtsjahr gewann die Auseinandersetzung mit den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges auch im militanten Rechtsextremismus zunehmend an Bedeutung. Diesbezüglich konnten zudem grundsätzlich interne Meinungsverschiedenheiten bzgl. einer pro-russischen und einer pro-ukrainischen Positionierung innerhalb der rechtsextremistischen Szene beobachtet werden. Insbesondere in den sozialen Netzwerken wurden Sympathiebekundungen für den bewaffneten Kampf bis hin zu Ausreiseabsichten geäußert. Dem LfV Sachsen wurden einzelne Ausreisen von Rechtsextremisten in das Kriegsgebiet bekannt. Des Weiteren wird Militanz gegen den vermeintlichen politischen Gegner innerhalb der rechtsextremistischen Szene nach wie vor als legitimes Mittel zur Durchsetzung der politischen Ziele propagiert. So griffen Rechtsextremisten am 1. Mai auf den Bahnhöfen in Chemnitz und Glauchau Personen verbal und körperlich an, die mit dem Zug nach Zwickau reisten, um dort an Gegendemonstrationen zu einer rechtsextremistischen Versammlung teilzunehmen. Eine große Rolle spielen in Deutschland öffentlichkeitswirksame Kampfsportveranstaltungen, wie der "Kampf der Nibelungen" und "tiWaz - Kampf der freien Männer". Der "Kampf der Nibelungen" ist eine seit 2013 jährlich stattfindende Kampfsportveranstaltung mit herausragender Bedeutung für die nationale und internationale rechtsextremistische Kampfsportszene. Die Organisatoren dieser Veranstaltung sind in Nordrhein-Westfalen ansässig. Zuletzt war im Freistaat Sachsen ein solches Event von einem Rechtsextremisten für den 12. Oktober 2019 angemeldet worden. Diese sowie jegliche Ersatzveranstaltungen im Gemeindegebiet wurden mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 von der Stadt Ostritz zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verboten. Eine Klage hiergegen wurde vom Verwaltungsgericht Dresden am 7. September 2022 mit der Begründung abgewiesen, dass die angestrebte Kampfertüchtigung dem Einstieg in den physischen politischen Kampf diene, um auf diese Weise politische Ziele gewaltsam 100 RECHTSEXTREMISMUS - Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien durchsetzen zu können. Eine Gefährdung habe vorgelegen, weil die Veranstaltung darauf abgezielt habe, dem Besucherkreis Gewaltkompetenzen zur Überwindung des politischen Systems zu vermitteln. Ein weiteres rechtsextremistisches Kampfsportereignis war "tiWaz - Kampf der freien Männer". Dieses wurde 2018 und 2019 von der aus Sachsen stammenden tiWaz-gemeiNschaFt geplant und in Grünhain-Beierfeld (Erzgebirgskreis) bzw. in Zwickau veranstaltet. In den vergangenen drei Jahren wurden keine Kampfsportveranstaltungen dieser Art durchgeführt. Gründe hierfür dürften sowohl einschlägige Corona-Maßnahmen als auch das nunmehr gerichtlich bestätigte behördliche Einschreiten gewesen sein. Nach der gerichtlichen Niederlage ist aktuell nicht zu erwarten, dass große rechtsextremistische Kampfsportveranstaltungen - insbesondere unter dem bekannten Label "Kampf der Nibelungen" - weiterhin in Deutschland geplant und durchgeführt werden. Da die rechtsextremistische Kampfsportszene international gut vernetzt ist, besteht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass Veranstaltungen dieser Art und Größe künftig in das Ausland verlagert werden, wie dies bereits bei großen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen der Fall ist. Bis dahin wird die rechtsextremistische Kampfsportszene möglicherweise auf klandestin organisierte Kleinveranstaltungen ausweichen. 2.6 Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien78 Immobilien haben eine essentielle Bedeutung für die rechtsextremistische Szene. Entweder stehen die Objekte im Eigentum von Rechtsextremisten, oder aber sie schließen Mietverträge für eine langfristige Nutzung von Immobilien ab. In den "eigenen vier Wänden" leben sie ihre verfassungsfeindliche Ideologie ungestört aus, können auf unkomplizierte Weise regelmäßig zusammenkommen und Veranstaltungen, wie beispielsweise Konzerte, ausrichten. Immobilien sind somit "Rückzugsorte" für Rechtsextremisten, können aber auch offensiv genutzt werden. So dienen zentral gelegene Büros rechtsextremistischer Parteien dazu, im öffentlichen Raum auf die Partei aufmerksam zu machen und eine feste Anlaufstelle für Mitglieder und Interessenten zu sein. Für die Partei Der Dritte Weg ist es z. B. wichtig, mittels ihres Parteiund Bürgerbüros im Zentrum von Plauen Interessenten anzulocken und für ihre verfassungsfeindliche Agenda zu werben. Außerdem bietet die komfortable Lage in der Innenstadt die Möglichkeit, das Image des "netten Kümmerers" einer breiten Öffentlichkeit publik zu machen. 78 Entsprechend einer bundesweit im Verfassungsschutzverbund abgestimmten verbindlichen Definition gelten diejenigen Immobilien als "rechtsextremistisch genutzte Immobilien", bei denen eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit durch Eigentumsoder Besitzverhältnis oder durch ein Kennund Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen besteht. Voraussetzung ist zudem eine politisch zielund zweckgerichtete wiederkehrende Nutzung. 101 RECHTSEXTREMISMUS - Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien Grundsätzlich sind Rechtsextremisten aber bestrebt, Immobilien nach Möglichkeit außerhalb urbaner Zentren zu erwerben. Vor allem in Ostdeutschland und demzufolge auch im Freistaat Sachsen finden sie nicht selten langjährig leerstehende Gebäude in ländlicher Abgeschiedenheit, die sie unter Umständen über Strohmänner von privater Hand preiswert erwerben, herrichten und dann entsprechend ihrer verfassungsfeindlichen Agenda nutzen. Da in den meisten Mietund Kaufobjekten diverse interne oder externe Veranstaltungen stattfinden, dienen Immobilien insbesondere der Finanzierung der Szene. Der Immobilienbesitz ist nicht nur ein Statussymbol, sondern auch ein fester Bestandteil eines szeneinternen Finanzund Wirtschaftskreislaufs, ohne den Rechtsextremisten entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt in die Gesellschaft hineinwirken könnten. Durch interne Veranstaltungen binden Rechtsextremisten Mitglieder und Anhänger, die Beiträge oder ggf. Spenden entrichten, an sich. Damit ist langfristig für regelmäßige Einnahmen gesorgt. Bei externen Veranstaltungen - beispielsweise Konzerten - müssen Besucher nicht nur Eintrittsgelder entrichten. Zumeist werden in den Objekten Tonträger und Merchandising-Artikel verkauft. Die erzielten Einnahmen sorgen ebenfalls für einen beständigen Geldfluss innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Landkreis/ Anzahl79 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte Kreisfreie Stadt dort vorhandeim Jahr 2022 nen Objekte80 Landkreis Bautzen 3 Bautzen: Clubhaus der dauerhafte Nutzung aRyan bRotheRhooD eastsiDe (ABE) Hoyerswerda: Objekt der dauerhafte Nutzung blacK Devils Steinigtwolmsdorf, dauerhafte Nutzung, Privatobjekt OT Weifa: Sitz von NDS mit Tonstudio RecoRDs 79 Aus Gründen des Geheimschutzes dürfen nicht alle dem LfV Sachsen einschlägig bekannt gewordenen Immobilien öffentlich konkret benannt werden. Die in der entsprechenden Spalte genannte Gesamtzahl der Immobilien eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt kann daher von der nebenstehenden Spalte "Sitz der Objekte" abweichen. In Einzelfällen wird aus demselben Grund auf die Nennung des konkreten Ortes einer Immobilie oder der Details zur Nutzung verzichtet. 80 Darüber hinaus nutzten Rechtsextremisten anlassbezogen öffentliche Gaststätten für Treffen und Vortragsveranstaltungen. 102 RECHTSEXTREMISMUS - Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien Landkreis/ Anzahl79 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte Kreisfreie Stadt dort vorhandeim Jahr 2022 nen Objekte80 Landkreis Görlitz 4 Zittau: Vereinshaus des dauerhafte Nutzung, Nutzung für nationalen JugenDblocKs e. v. Musikveranstaltung in 2022 Ostritz: Liegenschaft anlassbezogene Nutzung durch des ehemaligen Hotels parteigebundene und parteiunge"Neißeblick'" bundene Rechtsextremisten; keine Nutzung für Großveranstaltungen in 2022 Mücka: Objekt der dauerhafte Nutzung für Liederabende, bRigaDe 8 Partys und Treffen Niesky: Objekt der schlesidauerhafte Nutzung schen Jungs Landkreis Meißen 1 Riesa: Sitz der Deutsche dauerhafte Nutzung, u. a. Sommerstimme veRlagsgesellschaFt fest der NPD mit Auftritt Liedermbh, der NPD-Landesgemacher schäftsstelle, der JN-Bundesgeschäftsstelle und der JN-Landesgeschäftsstelle Landkreis Mittel- 2 Döbeln: Büroräume der dauerhafte Nutzung, Tauschbörse, sachsen Jungen nationalisten (JN) Stammtische der Partei FReie sachsen Hartmannsdorf anlassbezogene Nutzung eines Objekts für Veranstaltungen Landkreis Säch- 2 Pirna: "Haus Montag" dauerhafte Nutzung der NPD/JN für sische Schweiz/ Treffen und Parteiveranstaltungen Osterzgebirge Pirna: "Klub 451" dauerhafte Nutzung durch die NPD/JN; Juli 2022 Durchführung eines Liederabends trotz Veranstaltungsverbots für das Objekt Erzgebirgskreis 2 Oelsnitz/Erzgeb. Objekt wird anlassbezogen durch parteiungebundene Rechtsextremisten für Vortragsveranstaltungen genutzt Schwarzenberg/Erzgeb. anlassbezogene Nutzung eines OT Bermsgrün Objekts für Veranstaltungen 103 RECHTSEXTREMISMUS - Durch Rechtsextremisten genutzte Immobilien Landkreis/ Anzahl79 der Sitz der Objekte Nutzung der Objekte Kreisfreie Stadt dort vorhandeim Jahr 2022 nen Objekte80 Landkreis Leipzig 2 Grimma, OT Roda anlassbezogene Nutzung eines Objekts durch parteiungebundene Rechtsextremisten für Musikveranstaltungen; 2022 wurde keine Nutzung dieses Objekts für Veranstaltungen festgestellt Landkreis Nord- 1 Torgau, OT Staupitz Objekt wird durch parteiungebundene sachsen Rechtsextremisten für Musikveranstaltungen genutzt Vogtlandkreis 1 Plauen: dauerhafte Nutzung u. a. für VorBüro der Partei DeR DRitte tragsveranstaltungen und Treffen Weg Landkreis Zwickau 1 Zwickau: dauerhafte Nutzung Objekt der Partei DeR DRitte Weg Stadt Chemnitz 3 Sitz eines Vertriebsunterdauerhafte Nutzung u. a. für Vornehmens mit Szeneladen tragsveranstaltungen und Treffen Bürgerbüro von dauerhafte Nutzung PRo chemnitz/Sitz der Partei FReie sachsen Wohnund Treffobjekt dauerhafte Nutzung durch parteiungebundene Rechtsextremisten Stadt Dresden 4 Wohnund Veranstalanlassbezogene Nutzung durch die tungsobjekt iDentitäRe beWegung Wohnund Treffobjekt dauerhafte Nutzung durch parteiungebundene Rechtsextremisten Stadt Leipzig 2 Veranstaltungsobjekt/ Nutzung u. a. durch parteiungebunGewerbeobjekt dene Rechtsextremisten 104 RECHTSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" 2.7 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Rechtsextremistische Straftaten insgesamt 2.500 2.199 2.198 2.070 2.000 1.959 1.816 1.709 1.500 1.000 571 500 442 464 445 n Straftaten, davon: 396 394 214 252 n gegen den 139 117 124 97 politischen Gegner 0 n fremdenfeindlich 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund war im Berichtsjahr weiterhin rückläufig. So sank die Zahl der Straftaten gegen den politischen Gegner erstmals seit langem auf einen zweistelligen Wert. Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten war 2022 nahezu konstant im Vergleich zum Vorjahr und blieb damit erneut unter der Marke von 400. Propagandadelikte, wie beispielsweise das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, und Volksverhetzungsdelikte machten mit 86 % (1.472 Straftaten) wie in den Vorjahren den weit überwiegenden Teil der rechtsextremistischen Straftaten aus (2021: 69 %). Im Berichtsjahr waren als besonders schwerwiegend zwei mutmaßlich politisch motivierte Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte in Bautzen und Leipzig zu verzeichnen. Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. 105 RECHTSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" Rechtsextremistische Gewalttaten81 als Teilmenge der Straftaten 160 138 140 120 95 96 100 81 80 70 73 66 58 60 49 40 29 33 33 23 21 n Gewalttaten, davon: 16 18 n gegen den 20 14 11 politischen Gegner 0 n fremdenfeindlich 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten ist im Vergleich zum Vorjahr um etwa 28 % gesunken. Der prozentuale Anteil der Gewalttaten am Gesamtaufkommen der rechtsextremistischen Straftaten belief sich auf 3,4 % und hat sich wieder leicht verringert (2020: 3,5 %, 2021: 4,5 %). Da die Asylthematik für Rechtsextremisten unverändert eine hohe Bedeutung hat und im Berichtsjahr wegen der steigenden Asylbewerberzahlen eine zentrale Rolle in der Szene spielte, stieg der Anteil der fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten auf ca. 57 % aller Gewaltstraftaten (2021: 41 %), die absolute Zahl blieb mit 33 fremdenfeindlichen Gewaltstraftaten im Vergleich zum Vorjahr allerdings konstant. Rechtsextremistische Aggression entlädt sich primär durch körperliche Gewalt gegen andere Menschen. 81 Politisch motivierte Gewaltkriminalität ist die Teilmenge der Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lässt. Sie umfasst u. a. Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandund Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch und Widerstandsdelikte; siehe hierzu auch unter www.bka.de/ DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKrechts/PMKrechts.html (Stand: 7. Juni 2021) 106 RECHTSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" Aufteilung nach Landkreisen und kreisfreien Städten rechtsextremistische Straftaten darunter Gewalttaten 2020 2021 2022 2020 2021 2022 Leipzig (Stadt) 277 246 228 18 15 12 Dresden (Stadt) 294 237 245 19 11 14 Chemnitz (Stadt) 150 154 116 6 3 5 Vogtlandkreis 90 84 97 1 3 1 Lkr. Zwickau 163 169 164 6 7 4 Erzgebirgskreis 148 125 118 2 11 0 Lkr. Mittelsachsen 100 114 100 2 3 1 Lkr. Meißen 89 55 81 0 2 2 Lkr. Sächs. Schweiz131 72 111 7 4 2 Osterzgebirge Lkr. Bautzen 165 129 139 2 3 10 Lkr. Görlitz 165 122 88 4 0 1 Lkr. Leipzig 185 206 120 4 12 1 Lkr. Nordsachsen 113 103 102 2 7 5 Freistaat Sachsen 2.070 1.816 1.709 73 81 58 107 3. ReichsbüRgeR und selbstveRwalteR Ausdehnung der ReichsbüRgeR-Gruppierung KönigReich DeutschlanD in Sachsen mit dem Ziel, sog. "Gemeinwohldörfer" zu errichten erneut starker Anstieg des Personenpotenzials Dresden entwickelt sich zum ReichsbüRgeR-Hotspot; im Übrigen konzentriert sich die Szene vorrangig im ländlichen Raum. Anteil der Rechtsextremisten weiterhin rückläufig weiterhin erhöhtes Gefährdungspotenzial durch einzelne, verschwörungstheoretisch geprägte ReichsbüRgeR hohe Waffenaffinität dieser heterogenen Szene REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 3.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen reichsBürger und selBstVerWalter82 lehnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Institutionen und ihres Rechtssystems ab. Folglich sprechen sie den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder negieren die geltende Rechtsordnung. Neben den sog. reichsBürgerN, die sich dem "Deutschen Reich" zugehörig fühlen, gibt es auch Personen, die sich als selBstVerWalter bezeichnen und aus anderen Gründen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen. Typisch für sie sind z. B. selbst erklärte "Austritte" aus der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit der Erklärung der administrativen und rechtlichen Autonomie. So definieren selBstVerWalter z. B. ihr Grundstück oder ihr Haus als souveränes Staatsgebiet und markieren es durch eine (Grenz-)Linie. Die ausgesprochen heterogene Szene der reichsBürger und selBstVerWalter handelt aus sehr unterschiedlicher Motivation. Dementsprechend variieren auch die jeweiligen Rechtfertigungsmuster. Teile der Szene berufen sich auf das historische Deutsche Reich, andere hängen Verschwörungstheorien an oder machen ein selbst definiertes Naturrecht geltend. Wiederum andere sehen ihre ehemalige DDR-Staatsbürgerschaft als nach wie vor gültig an. Die reichsBürger und selBstVerWalter sind seit dem 1. Dezember 2016 ein Beobachtungsobjekt auch des LfV Sachsen. Wenngleich Ähnlichkeiten mit Argumentationsmustern von Rechtsextremisten bestehen, ist bei Weitem nicht jeder reichsBürger oder selBstVerWalter ein Rechtsextremist. Mit Blick auf den vorhandenen Geschichtsrevisionismus werden aber bestimmte szeneübergreifende Ideologiebestandteile sichtbar, wie Antisemitismus, Antiamerikanismus oder Nationalismus. Die Szene zeichnet sich mitunter auch durch eine hohe Waffenaffinität aus. Sie trat in den vergangenen Jahren vor allem mit (gewalttätigen) Aktionen gegen Polizeibeamte und Gerichtsvollzieher in Erscheinung. 3.2 Strategie reichsBürger und selBstVerWalter suchen regelmäßig die Auseinandersetzung mit der öffentlichen Verwaltung und versuchen, das Verwaltungshandeln der Bundesrepublik, deren Existenz sie negieren, zu behindern. Dabei "fluten" sie Behörden und Gerichte mit umfangreichen Schreiben, die sie sich 82 "Selbstverwalter" sind Personen, die sich als "staatenlos" definieren und auf dieser Grundlage die Zuständigkeit der staatlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland bestreiten. Oft gründen sie eigene Pseudo-Staaten, die sie dann als "souveräne" Subjekte des Völkerrechts darstellen, über welche sie "auf Augenhöhe" mit anderen Staaten, wie der Bundesrepublik Deutschland, in politische Beziehungen treten könnten. 109 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Strategie häufig aus dem Internet beschaffen. Im Falle der persönlichen Begegnung schrecken sie nicht vor Beleidigungen, Bedrohungen und Handgreiflichkeiten zurück. Folgende grundsätzlich übereinstimmende Argumentationsmuster und strategische Vorgehensweisen lassen sich identifizieren: 1. Sie gründen Fantasiestaaten und proklamieren ihre Selbstverwaltung. Mit der Abgabe des Personalausweises bringen sie zum Ausdruck, dass sie die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Vielmehr handele es sich dabei um eine "BRD-GmbH", und die Bevölkerung sei deren "Personal". 2. Häufig wird auf die angeblich rein privatrechtliche Beziehung zwischen Bürger und Behörde verwiesen. Daher sei eine einseitige "Kündigung" jederzeit möglich und legitim. 3. Die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises ("Gelber Schein") mit Verweis auf das Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (RuStAG) sowie auf die angebliche Abstammung aus einem ehemaligen Gliedstaat des Deutschen Reiches (Bundesstaat Sachsen, Königreich Preußen etc.) ist ein zentrales Anliegen vieler reichsBürger. Sie sind der Auffassung, dass alle Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht seit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1918 keinen Bestand hätten, da von diesem Zeitpunkt an kein rechtmäßiger Staat mehr existiert habe. Insoweit beruft man sich in Argumentationen immer noch auf die Reichsverfassung von 1871. 4. Andere stellen eine offizielle Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Abrede. So habe es lediglich eine Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, jedoch keine offizielle des Deutschen Reiches gegeben. Außerdem werden verschiedenste internationale Dokumente angeführt, die entweder gegen ihren eigentlichen Aussagesinn gedeutet oder in einen anderen, vollkommen sachfremden Zusammenhang gestellt werden. 5. Die deutsche Wiedervereinigung habe ebenfalls keine Gültigkeit, da das Grundgesetz nicht dem deutschen Volk zur Abstimmung vorgelegt worden sei. Der "Zwei plus Vier"-Vertrag sei deswegen unrechtmäßig, sodass nach wie vor Besatzungsrecht gelte. 6. Häufig werden auch Ansprüche nach Artikel 55 der Haager Landkriegsordnung (HLKO) geltend gemacht. Zwischen 1907 und 1910 seien mit der HLKO letztmalig die Regeln des Krieges und der Besatzung durch souveräne Staaten festgelegt worden. Weil daraufhin aber immer mehr Staaten vom Staatsin das Handelsrecht (im Falle Deutschlands nach 1945 angeblich vertreten durch die "BRD-GmbH") gewechselt seien und ein Frieden nur von souveränen Staaten ausgehandelt werden könne, gelte nach wie vor die HLKO. Mit dieser Begründung werden in der Regel unverhältnismäßig hohe finanzielle "Schadensersatzansprüche" geltend gemacht. 110 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Personenpotenzial 7. Gängig ist auch die Erklärung zur "Natürlichen Person", die nicht mehr Teil der "Staatskonstrukte" sei. Dies drückt sich beispielsweise in der Verwendung von Namenseinschüben, wie Gert "aus der Familie" Mustermann, aus. 3.3 Personenpotenzial Der sehr heterogenen Szene der reichsBürger und selBstVerWalter im Freistaat Sachsen wurden im Berichtsjahr 2.500 Personen zugerechnet (bundesweit 23.000). Das sind 600 Personen mehr als im Berichtsjahr 2021. Der Anteil der Rechtsextremisten innerhalb dieses Spektrums betrug 2,8 Prozent und ist damit weiterhin rückläufig (2021: fünf Prozent). Das LfV Sachsen hat im Jahr 2022 in 33 Fällen Erkenntnisse zu Reichsbürgern und Selbstverwaltern an die Waffenbehörden übermittelt. Im Berichtszeitraum nahm die Zahl der Personen, die der Szene der reichsBürger und selBstVerWalter zugerechnet werden, erneut stark zu. Dieser Anstieg ist zum einen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu sehen. Zum anderen ist diese Entwicklung eng mit der Ansiedlung des köNigreichs DeutschlaND im Freistaat Sachsen verknüpft. Außerdem wird die Aufklärung der Szene durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Landesund Bundesbehörden fortwährend verbessert und das Dunkelfeld dadurch zunehmend erhellt. Die soziodemographische Struktur der Szene weist im Vergleich zu anderen extremistischen Phänomenbereichen Besonderheiten auf. So ist der Frauenanteil mit ca. 37 Prozent verhältnismäßig hoch. Wegen des deutlich höheren Altersdurchschnitts von rund 50 Jahren wird bei reichsBürgerN und selBstVerWalterN auch von einer "Radikalisierung in der zweiten Lebenshälfte" gesprochen. Die Beweggründe von Menschen, sich den reichsBürgerN und selBstVerWalterN anzuschließen, sind sehr unterschiedlich. Für manche liegt die Ursache beispielsweise in Problemen mit den Behörden und daraus folgenden finanziellen Zwangssituationen. In der Folge negieren sie die Legitimität ihres Gegenübers und versuchen so, einer Zwangsvollstreckung oder anderen staatlichen Maßnahmen zu entgehen. Für andere geht es aber auch um das eigene Selbstbild. Viele reichsBürger und selBstVerWalter werten sich selbst durch fiktive Titel wie "König" oder "Reichskanzler" auf. Bei der Flutung von Behörden mit reichsbürgertypischen Schreiben, in denen behördliche Befugnisse - z. B. wegen vermeintlicher Nichtexistenz der Bundesrepublik - negiert werden, geht es oft nicht darum, sein Gegenüber mit Argumenten zu überzeugen, sondern um das starke Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Selbstidentifikation. Es handelt sich vorliegend also um ein sehr heterogenes Personenpotenzial, das sich aus unterschiedlichen Gründen vom Verfassungsstaat abwendet. 111 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Verteilung nach Landkreisen und kreisfreien Städten83 n ab 141 n 121 - 140 n 101 - 120 n 81 - 100 n 50 - 80 3.4 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Grundsätzlich sind reichsBürger weniger in Strukturen organisiert, sondern agieren vielmehr als Einzelpersonen. Während sich unter den kreisfreien Städten die Landeshauptstadt Dresden im Berichtsjahr zu einem "reichsBürger-Hotspot" entwickelt hat, konzentriert sich die Szene ansonsten vorrangig im ländlichen Raum. Lediglich die Landkreise Leipzig und Nordsachsen sind von diesem Phänomen eher weniger betroffen. Die nachfolgende Aufführung berücksichtigt die im Freistaat Sachsen im Berichtsjahr aktiven gewesenen Reichsbürgergruppierungen: 83 Diese Graphik beinhaltet nicht das Personenpotenzial von reichsBürgerN und selBstVerWalterN, welches sich ausschließlich in überregionalen Chatgruppen in den sozialen Medien darstellt. 112 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen köNigReich deutschlaNd (kRd) Sitz/Verbreitung: Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) Eibenstock OT Wolfsgrün (Erzgebirgskreis im Freistaat Sachsen) Schloss Bärwalde in Boxberg OT Bärwalde (Landkreis Görlitz) Gründung: Im Jahr 2009 gründete Peter FITZEK den Verein "NeuDeutschland". Er tritt seit 2012 als "König" des KönigReichs DeutschlanD (KRD) in Erscheinung. In Sachsen ist das KRD seit April 2021 aktiv. Vorsitz: Peter FITZEK Internetauftritte: inteRnetseite Des KönigReichs DeutschlanD social-meDia-Kanäle (Youtube, Telegram, Eigener Kanal "KRDtube") Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: ca. 4.000 (Eigenangaben) nicht bekannt Kurzporträt/Ziele: Gemeinsam mit seinen Anhängern leugnet Peter FITZEK die geltende Rechtsund Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Er bezeichnet diese Relevante Ereignisse Ordnung als "destruktiv". und Entwicklungen Das KRD will insbesondere mit seinen sog. "Gemeinwohldörfern" pseudolegi2022: timierte Parallelstrukturen zu real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen aufbauen. So sollen sog. "GemeinwohlKassen" beispielsweise das rechtskonforme deutsche Bankensystem ersetzen, sog. "GesundheitsKassen" als Krankenkassen in der Parallelwelt des KRD fungieren. Zugleich dienen sie maßgeblich der Finanzierung des KRD. Ziel des KRD ist die Loslösung vom in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Steuerund Finanzwesen bzw. dem sozialen Sicherungssystem sowie die Errichtung eines eigenen Staatsgebietes. Um seine Ziele zu erreichen, ist Peter FITZEK auf die Ersparnisse bzw. Finanzeinlagen der KRD-Mitglieder und/oder Bewohner der "Gemeinwohldörfer" angewiesen. Die im April 2021 in einer Bäckereifiliale gegründete gemeinWohlKasse DResDen betreibt ihre unerlaubten Geschäfte in der Landeshauptstadt weiterhin, will "freiheitsbewegten Menschen" zur "wirtschaftlichen und finanziellen Unabhängigkeit" verhelfen. Im Februar 2022 erwarb das KRD das "Wolfsgrüner Schlösschen" in Eibenstock (Erzgebirgskreis). FITZEK und seine Anhänger wollen es mithilfe der finanziellen Unterstützung von Mitgliedern und Anhängern zu einem esoterisch anmutenden Schulungsund Gesundheitszentrum ausbauen. Im Schloss fanden im Berichtsjahr auch bereits mehrere Seminare u. a. zu den Themenbereichen Systemausstieg, Gesundheit, Entgiftung und zur Geisterwelt Gottes statt, an denen mitunter Personen aus ganz Deutschland teilnahmen. Diese entrichteten hohe Teilnahmegebühren. Seit Februar 2022 nutzt das KRD außerdem das Schloss Bärwalde in Boxberg OT Bärwalde (Landkreis Görlitz). Nach Aussagen von FITZEK soll dort das erste sog. "Gemeinwohldorf" des KRD errichtet werden. 113 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Im Berichtsjahr fanden umfangreiche Arbeitseinsätze im Schloss sowie in dessen Außenbereich statt. Hierzu reisten pro Einsatz in der Regel ca. 100 Personen aus dem Bundesgebiet an. Einige Personen sollen sich inzwischen ins KRD "eingekauft" haben und sich im "Gemeinwohldorf" niedergelassen haben. Mehrere Unternehmen gehören eigenen Angaben zufolge inzwischen ebenfalls dem KRD an. In einem auf "KRDTube" veröffentlichten Video teilte FITZEK am 19. Dezember mit, dass das "Staatsgebiet" des KRD um das "Gemeinwohldorf" im Schloss Bärwalde erweitert worden sei. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 58.000 Euro habe er in bar gezahlt. buNdesstaat sachseN Sitz: Dresden Gründung: 2016 Vorsitz: Katrin ACKERMANN, Claus-Dieter CLAUßNITZER u. a. Internetauftritte: Homepage des bunDesstaates sachsen Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: ca. 67 ca. 67 Kurzporträt/Ziele: Mitglieder des bunDesstaates sachsen wenden sich mit öffentlichen Schreiben in Form von Relevante Ereignisse offenen Briefen, und Entwicklungen "Anordnungen", 2022: "öffentlichen Bekanntmachungen" oder "Amtsblättern" an die Öffentlichkeit bzw. gezielt an Behörden des Freistaates Sachsen oder an sächsische Kommunen. Darin vertreten sie die Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht existiere und fordern die Wiederherstellung des angeblich seit 1871 existierenden Staatenbundes Deutsches Reich innerhalb der Reichsgrenzen von 1914. Das "Deutsche Reich" habe den Zusammenbruch von 1945 überdauert und sei weder durch Kapitulation noch durch die von Alliierten in Deutschland ausgeübte fremde Staatsgewalt untergegangen. Die Gliedstaaten, u. a. der bunDesstaat sachsen, befänden sich bereits in Reorganisation, um Menschen ihre tatsächliche Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Bodenund Menschenrechte zurückzugeben. Im Berichtszeitraum war diese Gruppierung inaktiv. Jedoch traten einzelne Mitglieder in anderen ReichsbüRgeR-Zusammenhängen auf. 114 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen köNiglich sächsischeR gemeiNdeveRbuNd (KSGV) Sitz: Hainichen (Landkreis Mittelsachsen) Gründung: 2017 (nach eigenen Aussagen: am 15. Oktober 2017) Vorsitz: Person aus Hainichen Teil-/ 54 Gemeinden, die dem Gemeindeverband "KS-Gemeinden" angehören Nebenorganisationen: Internetauftritte/ Internet: Homepage des Königlich sächsischen gemeinDeveRbanDes Publikationen: Soziale Medien: Telegram-Kanal Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: im einstelligen Bereich im einstelligen Bereich Kurzporträt/Ziele: Der KSGV stellt die sächsische Vertretung der überregionalen Gruppierung FReie WähleRveReinigung dar. Als solche stellt sie die Staatseigenschaft der Bundesrepublik Deutschland und deren völkerrechtliche Souveränität in Abrede. Relevante Ereignisse Februar 2022: Bekanntmachung über die Gemeindebzw. Siegelrechte und und Entwicklungen die Verweserwahl 2022 in Sachsen; Missbrauch öffentlicher Anschlagsta2022: feln in zahlreichen sächsischen Gemeinden für diese Bekanntmachungen; Plakatierung der Bekanntmachung "Eröffnung der Wahllisten" in zahlreichen Landkreisen sowie in den kreisfreien Städten des Freistaates Sachsen 19. bis 28. September: Wahlen zum Verweser 08. November: Proklamation zu den Wahlen 18. November: Änderung der Postanschrift 20. November: Erste Verbandsversammlung mit "Gemeindevertretern" und "Stadtverordneten" vateRläNdischeR hilFsdieNst (VHD) Gründung: 2020 Vorsitz: Person aus Dresden Person aus Leipzig Person aus Kreba (Landkreis Görlitz) Teil-/ aRmeeKoRPsbeziRK XII aRmeeKoRPsbeziRK XIX aRmeeKoRPsbeziRK (AKB) V Nebenorganisationen: DResDen leiPzig Posen Internetauftritte: Homepage des vateRlänDischen hilFsDienstes Personenpotenzial/ 2022: ca. 115 2022: ca. 60 2022: ca. 15 Mitgliederentwicklung: Kurzporträt/Ziele: Der VHD ist eine überregionale Gruppierung und Teilorganisation des eWigen bunDes84. Laut Darstellung auf der Webseite wurde der VHD "per Gesetz am 5. Dezember 1916 als zivile Institution gesetzlich eingerichtet. 84 Im August 2018 gründete sich die Gruppierung "Bismarcks Erben", die auch unter dem Namen "Ewiger Bund" oder "Preußisches Institut" firmiert. 115 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Mit der Hilfsdienstpflicht wurde eine zivile Ergänzung zur Wehrpflicht geschaffen. Alle deutschen Männer zwischen 17 und 59 Jahren sind für die Dauer des Krieges zum Hilfsdienst unter der Leitung des Kriegsamtes und damit unter dem Oberbefehl des deutschen Kaisers verpflichtet." Die Organisationsstruktur gliedert sich in 24 Armeekorpsbezirke des Deutschen Reiches. Im Bereich des jeweiligen Armeekorpsbezirks gibt es Leiter von Gebieten, Regionen und Verwaltungsbezirken. Den auf der Webseite eingestellten Bildern ist zu entnehmen, dass viele Armeekorpsbezirke tatsächlich aktiv sind und unterschiedlich große Personenpotenziale zu verzeichnen haben. Relevante Ereignisse AKB DResDen: AKB leiPzig: AKB Posen: und Entwicklungen Kontinuierliche mitglieKontinuierliche mitglieSporadische mitglieder2022: derinterne Treffen, auch derinterne Treffen, auch interne Treffen, auch mit mit Mitgliedern anderer mit Mitgliedern anderer Mitgliedern anderer AKB AKB AKB gemeiNwohllobby sachseN Sitz: Vermutlich 2021 Gründung: Personen aus Dresden, Bautzen und Görlitz Internetauftritte: Soziale Medien: Telegram-Kanal Personenpotenzial/ ca. 80 Mitgliederentwicklung: Kurzporträt/Ziele: Das Ziel der gemeinWohllobby sachsen ist die Einrichtung und Durchsetzung einer sog. "Verfassunggebenden Versammlung". In einem Schreiben vom März Relevante Ereignisse 2021 teilte die Gruppierung dem Präsidenten des Sächsischen Landtages und Entwicklungen mit, dass Deutschland seit dem 24. November 2020 eine verfassunggebende 2022: Versammlung habe und dadurch "nach dem Völkerrecht alle bestehenden und vorherigen Rechtssysteme sowie Staatsgebilde erloschen" seien. Seit diesem Tag bestünde deshalb für die aktuellen Staatsorgane keine Berechtigung mehr für die Ausübung ihrer Tätigkeiten. In diesem Schreiben wurde die Gültigkeit des Grundgesetzes negiert. Die Bundesrepublik Deutschland wird außerdem als nicht rechtmäßig verfasst betrachtet, das Handeln von politischen Entscheidungsträgern sowie von Behörden in der Folge nicht akzeptiert. Anfang 2022 verbreiteten diese ReichsbüRgeR über ihren Telegram-Kanal die These, dass insbesondere die Aufsichtsfunktion der Gerichte und des Rechtswesens nicht mehr bestehe, die meisten Urteile nicht auf der Grundlage von Fakten gesprochen, sondern stattdessen den von Politikern und Medien aufgestellten Behauptungen folgen würden. Insgesamt ging das Aktivitätenniveau der gemeinWohllobby sachsen im Berichtsjahr merklich zurück. 116 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen ReichsveRbaNd deutscheR Recht-koNsuleNteN Sitz: Leisnig Gründung: Vermutlich 2009 Internetauftritte: Homepage des ReichsveRbanDs DeutscheR Recht-Konsulenten Kurzporträt/Ziele: Der ReichsveRbanD DeutscheR Recht-Konsulenten gründete sich laut eigener Homepage am 27. September 2009. Seine Mitglieder bzw. Anhänger fordern die Wiedereinsetzung der deutschen Grenzen vom 31. Juli 1914, die Wiedereinführung der Reichsgesetze und der geltenden Reichsverfassung aus dem Jahre 1871. Der ReichsveRbanD DeutscheR Recht-Konsulenten vertritt seine "Mandanten" in rechtlichen Angelegenheiten, indem er in Schreiben an politische Institutionen und Behörden auf die Legitimation der Reichsgesetze verweist sowie u. a. auch "Haftstrafen" gegen Behördenmitarbeiter verhängt. So soll der "Gerechtigkeit und Rechtspflege in Deutschland" Rechnung getragen werden. "Gerichtliche" Vertretung von Personen aus Sachsen, indem Vertreter der Gruppierung als sog. "Recht-Konsulenten" auftreten. Im Jahr 2021 errichtete diese Gruppierung "Volksbüros" in Freital und Riesa. Relevante Ereignisse Im November durchsuchten Polizisten die Wohnung einer Führungsperson und Entwicklungen dieser Gruppierung in Riesa. Der Beschuldigten wird vorgeworfen, bundesweit 2022: sog. Urteile des sog. "Deutschen Reichsgerichtes" an Richter, Staatsanwälte und andere Adressaten im Öffentlichen Dienst verschickt zu haben. Wegen der Vielzahl der Schreiben wurde durch die Staatsanwaltschaft Dresden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aktivitäten Durch die verstärkten Aktivitäten von Personenzusammenschlüssen, wie beispielsweise dem köNigreich DeutschlaND (KRD) in Sachsen, konnten im Berichtsjahr weitere Erkenntnisse über die heterogene Szene der reichsBürger und selBstVerWalter gewonnen werden. Die Betätigungsfelder konnten bei diesen Extremisten unterschiedlicher kaum sein: Den Schwerpunkt machten nach wie vor reichsbürgertypische Schreiben aus, die zumeist an Behörden gerichtet waren und z. B. die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugneten. Deren Anzahl stieg im Berichtszeitraum nochmal deutlich an. Darüber hinaus mischten sich einzelne reichsBürger und selBstVerWalter auch im Berichtsjahr unter das Protestgeschehen rund um die Themen Corona, Ukraine-Krieg, Energiekosten und Inflation. Einige Gruppierungen zeigten die für Reichsbürger typischen Verhaltensweisen. Beispiele hierfür waren die pseudojuristische Vertretung von Mandanten gegenüber staatlichen Institutionen durch den reichsVerBaND Deutscher recht-koNsuleNteN und die Etablierung von Strukturen parallel zu real existierenden staatlichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen. Exemplarisch sei hier das köNigreich DeutschlaND genannt. Es gelang dem selbsternannten "König" Peter FITZEK, ortsprägende Immobi117 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen lien in ländlicher Abgeschiedenheit zu kaufen bzw. zu nutzen, sie gemeinsam mit Anhängern aus Sachsen und dem gesamten Bundesgebiet zu sanieren, "Staatskonstrukte" parallel zur geltenden Verfassungsund Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen und sich in der Folge mit seinen verfassungsfeindlichen, sektenähnlichen Aktivitäten im Freistaat Sachsen weiter auszudehnen. Grundsätzlich war im Berichtsjahr eine zunehmende Vernetzung von reichsBürgerN und selBstVerWalterN festzustellen. Dies galt vorrangig für Chatgruppen im virtuellen Raum, in denen sich reichsBürger austauschten und auch Verschwörungserzählungen teilten. Aber auch in der Realwelt vernetzen sich reichsBürger zunehmend auch überregional und gehen mitunter sehr konspirative, gefährliche Verbindungen ein. Dass Reichsbürger und Selbstverwalter keinesfalls nur harmlos sind und sich darauf beschränken, Behörden mit einschlägigen Schreiben zu fluten, zeigten zum Ende des Berichtsjahres zwei Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes, die auch polizeiliche Exekutivmaßnahmen und Verhaftungen in Sachsen nach sich zogen. So wurde am 13. Oktober die deutsche Staatsangehörige Elisabeth R. im Landkreis Mittel-sachsen festgenommen. Sie ist verdächtig, sich als Rädelsführerin an einer terroristischen Vereinigung nach SS 129a StGB beteiligt zu haben. Daneben wird der reichsBürgeriN der Verdacht der mittäterschaftlichen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund nach SS 83 StGB zur Last gelegt. Zu diesem Zweck soll sie sich einer Gruppierung angeschlossen haben, die "in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeiführen wollte. Hierzu war geplant, einen bundesweiten 'Black Out' durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen." 85 Überdies habe Gesundheitsminister Karl Lauterbach ggf. unter Tötung seiner Personenschützer gewaltsam entführt werden sollen. Außerdem soll Elisabeth R. in Bemühungen weiterer Beschuldigter eingebunden gewesen sein, Waffen und Sprengstoff für die Vereinigung zu beschaffen. Nur wenige Wochen später - am 7. Dezember - wurden durch den Generalbundesanwalt 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer weiteren terroristischen Vereinigung festgenommen. Darüber hinaus fanden Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 52 Beschuldigten statt. Im Freistaat Sachsen wurden zwei Personen festgenommen und mehrere Wohnungen durchsucht. Die mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder Heinrich XIII P. R. und Rüdiger v. P. sollen als Rädelsführer dieser verfassungsfeindlichen reichsBürger-Vereinigung agiert haben. Die festgenommenen Beschuldigten gehörten einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung an, die spätestens Ende November 2021 gegründet wurde und darauf abgezielt haben soll, "die bestehende staatliche 85 Medieninformation "Festnahme eines mutmaßlichen Mitglieds einer terroristischen Vereinigung" des Generalbundesanwaltes vom 13. Oktober 2022 (www.generalbundesanwalt.de) 118 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen (...). Die Beschuldigten verbinde eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluss habe wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in konkrete Vorbereitungshandlungen einzutreten."86 Den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten hätten sie dabei fest einkalkuliert. In reichsbürgertypischer Manier hingen die Mitglieder der Gruppierung zahlreichen Verschwörungstheorien an, u. a. waren sie davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sog. "Deep State" regiert werde. Befreiung versprach nach Lesart der Gruppierung das Einschreiten der "Allianz", eines Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich Russlands und der USA. Gewaltbereite, waffenaffine reichsBürger stehen ebenso verstärkt im Fokus des LfV Sachsen wie die Frage nach ihrer zunehmenden Vernetzung mit Rechtsextremisten. Diese Entwicklungen zu analysieren, wird ein Arbeitsschwerpunkt der nachrichtendienstlichen Arbeit des LfV Sachsen bleiben. Straftaten Typischerweise begingen reichsBürger und selBstVerWalter überwiegend die Straftat der Nötigung nach SS 240 StGB. Tätliche Angriffe auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach SS 114 Abs. 2 in Verbindung mit SS 113 StGB machten hingegen den Großteil der Gewaltdelikte aus. 120 100 100 90 80 65 69 60 60 54 40 20 n Straftaten 7 8 8 insgesamt 6 1 6 n darunter 0 Gewalttaten 2017 2018 2019 2020 2021 2022 86 Medieninformation "Festnahmen von 25 mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer terroristischen Vereinigung sowie Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 52 Beschuldigten" des Generalbundesanwaltes vom 7. Dezember 2022 (www.generalbundesanwalt.de) 119 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Fazit Das Personenpotenzial der reichsBürger und selBstVerWalter ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen. Da insbesondere Verschwörungstheorien weiterhin Hochkonjunktur haben, ist auch künftig mit einer weiter ansteigenden Anzahl von "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" zu rechnen. In qualitativer Hinsicht ist innerhalb der Szene auch aufgrund behördlicher Maßnahmen jedoch eine deutliche Ausdifferenzierung zwischen Mitläufern und ideologisch überzeugten Szeneangehörigen festzustellen. reichsBürger und selBstVerWalter verfolgen grundsätzlich unterschiedliche Ziele. Jedoch wird zunehmend ersichtlich, dass es zu Vernetzungsbestrebungen innerhalb der Szene kommt. Außerdem wollen diese Personen Vorräte anlegen und "Rückzugsräume" (Immobilien) schaffen. Diese Weiterentwicklung ist vor allem mit Blick auf das köNigreich DeutschlaND (KRD) zu erwarten, da Peter FITZEK selbst von einer Ausdehnung seines "Königreichs" spricht. 120 4. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates erwiesenes extremistisches Beobachtungsobjekt des LfV Sachsen: büRgeRbeWegung leiPzig 2021 insgesamt niedriges dreistelliges Personenpotenzial im Freistaat Sachsen fortdauernde Instrumentalisierung des Protestgeschehens: Verächtlichmachung des Staates und seiner politischen Entscheidungsträger in der Realwelt sowie in den sozialen Medien Das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat soll grundlegend erschüttert werden. zunehmende "Vermischung" und Netzwerkbildung der rechtsextremistischen Szene mit bekannten Delegitimierern VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES 4. Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" (DEL) Begründung für die Einrichtung dieses Phänomenbereichs Die deutschen Verfassungsschutzbehörden haben die Aufgabe, Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder der Länder oder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gerichtet sind, aufzuklären und als "Frühwarnsystem" auch vor neuen Entwicklungen in diesem Zusammenhang zu warnen. Dementsprechend wurde bereits im April 2021 der Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" mit dem zugeordneten Beobachtungsobjekt DemokratieFeiNDliche uND/oDer sicherheitsgeFährDeNDe DelegitimieruNg Des staates durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eingerichtet. Hintergrund dieses Schrittes war die Feststellung, dass eine Zuordnung von durch das Corona-Protestgeschehen neu aufgekommenen extremistischen Personenzusammenschlüssen oder Einzelpersonen zu bereits bestehenden Beobachtungsobjekten und Phänomenbereichen nicht immer möglich war. Es handelte sich insoweit um eine neue Art des politischen Extremismus. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es aber gerade nicht, alle Teilnehmer und Organisatoren von Protestveranstaltungen zu erfassen. Friedlicher Protest und freie Meinungsäußerungen sind vom Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes explizit nicht umfasst. Die Herausforderung für die Verfassungsschutzbehörden liegt demzufolge darin, den hohen verfassungsrechtlichen Rang der Meinungsfreiheit zu achten sowie gleichzeitig gezielt und restriktiv einzig und allein den Extremismus im Protestgeschehen zu detektieren und dementsprechende Bestrebungen in ihrer Rolle als "Frühwarnsystem" zu beobachten. Die Corona-Pandemie und die von Seiten des Staates ergriffenen Schutzmaßnahmen stellten auch den Freistaat Sachsen seit Anfang des Jahres 2020 vor enorme Herausforderungen. Extremisten griffen Maßnahmen auf (z. B. Kontaktbeschränkungen, Lockdown), die den Alltag der Menschen beeinflussten und interpretierten diese im Sinne ihrer verfassungsfeindlichen Agenda. Dabei nahmen sie häufig Bezug auf Verschwörungstheorien. Im Zuge des Aufkommens der Corona-Proteste wurden demokratische Entscheidungsfindungsprozesse und Institutionen bzw. Repräsentanten der Legislative, Exekutive und Judikative zielgerichet massiv verächtlich gemacht. Den Protestteilnehmern ging es nicht um eine sachliche Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen, sondern um deren Delegitimierung. Diese Aktionsform ist Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Einstellung, weil sie dem Ziel dient, das Vertrauen der Bürger in die bestehende verfassungsmäßige Ordnung nachhaltig zu erschüttern und diese damit zu beseitigen. Auch im Berichtsjahr nutzten verfassungsfeindliche Bestrebungen insbesondere in der ersten Jahreshälfte die CoronaMaßnahmen als argumentative Grundlage aus, um ihre Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Mitte auszubauen. Im weiteren Verlauf des Jahres diversifizierte sich jedoch die thematische 122 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Ausrichtung der Extremisten, die diesem neuen Phänomenbereich zuzuordnen waren. Im Verlauf der Corona-Proteste wurde deutlich, wie bestimmte Einzelpersonen, die dem Verfassungsschutz zuvor in keinster Weise aus extremistischen Zusammenhängen bekannt waren, immer deutlicher eine extremistische Grundhaltung einnahmen. Mit ihren Äußerungen delegitimierten sie politische Entscheidungsträger zunehmend grundsätzlich und themenunabhängig im Sinne des Phänomenbereichs, machten sie dadurch verächtlich und riefen beispielsweise zu schweren Straftaten gegen Politiker auf. Personen, die diesem Phänomenbereich zugerechnet werden, stießen mit ihren teils subtil vorgetragenen verfassungsfeindlichen Äußerungen nicht nur im Rahmen des realweltlichen Protestgeschehens auf Resonanz, sondern auch in den sozialen Medien. Als Beispiel sei an dieser Stelle der Rekurs auf ein vermeintliches Widerstandsrecht genannt. "Delegitimierer" verweisen in diesem Zusammenhang oft auf Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz, rufen in der Konsequenz jedoch nur selten dazu auf, z. B. konkret zu Waffen zu greifen. Diese Akteure machten sich in dieser Szene quasi "einen Namen" und drifteten auf diese Weise immer tiefer in extremistische Ideologiezusammenhänge ab. Dadurch ergab sich ein neues Personenpotenzial, welches auch nach Abklingen der Pandemie an ihrer verfassungsfeindlichen Agenda festhielt. Dies äußerte sich dadurch, dass Einzelpersonen, die erstmals durch ihre Agitation im Zusammenhang mit den Corona-Protesten extremistisch in Erscheinung getreten waren, nunmehr weitere, die Gesellschaft polarisierende Entwicklungen instrumentalisierten, um ihrer extremistischen "staatsdelegitimerenden" Agitation nachhaltig Ausdruck zu verleihen. Dies traf im Berichtsjahr in besonderem Maße auf den Ukraine-Krieg zu, der ebenfalls von Extremisten dieses Phänombereichs ausgenutzt wurde, um u. a. Politiker als "Kriegstreiber" zu deklarieren und sie darüber hinaus grundlegend zu diffamieren bzw. zu delegitimieren. In diesem Zusammenhang war die Verbreitung von Desinformationen87 ein probates Mittel für Extremisten, um ihre Wirkung auf die gesellschaftliche Mitte zu erhöhen. Ergänzend dazu schürten Extremisten die mit dem Krieg einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Ängste innerhalb der Bevölkerung, um sie für das Protestgeschehen zu gewinnen. Diskussionen im politischen Bereich über Fragen nach einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung und Maßnahmen gegen die Inflation bescherten Extremisten dieses Phänomenbereichs folglich ein weiteres Thema mit entsprechend hohem Empörungspotenzial. Ein Beispiel für eine Protestveranstaltung im Sinne des neu eingerichteten Phänomenbereichs war die sog. "Freedom Day"-Demonstration am 19. Februar in Dresden. An der Veranstaltung nahmen mehrere überregional aktive Extremisten der Querdenken-Bewegung als Redner teil. Diese Personen sind durch den Verfassungsschutzverbund dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" zugeordnet. Diese Veranstaltung entfaltete in der Gesamtschau eine extremistische Außenwirkung und wurde deshalb durch das LfV Sachsen dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" (DEL) zugerechnet. Ausschlaggebend 87 vgl. Kapitel II.1. Übergreifende Betrachtung: "Mission abstreiten, verzerren, ablenken und verunsichern - Russische Desinformationskampagnen im Kontext des Krieges in der Ukraine" 123 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES hierfür waren Aussagen von Rednern während der Veranstaltung, die dazu geeignet waren, das Vertrauen der Menschen in den Staat von Grund auf zu erschüttern und ihn in diesem Kontext verächtlich zu machen. Weiterhin verfestigte sich im Berichtsjahr die Einschätzung, dass eine aktionsorientierte Schnittmenge zwischen sog. Delegitimierern und Rechtsextremisten besteht. Der Staat und seine politischen Repräsentanten waren das gemeinsame Feindbild, das zu einer zunehmenden Annäherung zwischen Akteuren beider Phänomenbereiche führte. Über diese konkrete Veranstaltung hinaus wird durch das LfV Sachsen inzwischen eine zunehmende "Vermischung" und Netzwerkbildung der rechtsextremistischen Szene mit bekannten Delegitimierern festgestellt. Kriterien für eine Qualifizierung als Delegitimierung Relevant im Sinne des "neuen" Phänomenbereiches sind alle Handlungen im Sinne einer massiven Verächtlichmachung des Staates und einer fortwährenden Agitation gegen diesen. Mit Blick auf den hohen Stellenwert der freien Meinungsäußerung in einer Demokratie ist dabei eine Verfassungsschutzrelevanz bei bloßer Schmähkritik nicht gegeben, da diese zumindest im Kern immer noch auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielt und von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Aber auch unsachliche Schmähungen, Falschbehauptungen und Desinformationen sind nur dann verfassungsschutzrelevant, wenn sie mit dem Ziel verbreitet werden, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat von Grund auf zu erschüttern und/oder diesen in seiner Funktionsweise zu beeinträchtigen. Die Verächtlichmachung muss zudem so massiv sein, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insgesamt und nachhaltig erschüttert werden kann. Anknüpfungspunkte für eine solche Erheblichkeit können beispielsweise sein: Der Rekurs auf ein vermeintliches "Widerstandsrecht", mit dem bewusst die Hemmschwelle Dritter abgesenkt und tatsächlich nicht legitimierte Widerstandshandlungen dieser Dritten befördert werden sollen Der Aufruf zu Blockadeund Sabotageaktionen gegen staatliche Einrichtungen sowie gegen lebenswichtige, staatliche Infrastrukturund Versorgungseinrichtungen (z. B. Anschläge auf Impfzentren während der Corona-Pandemie) Gewaltandrohungen und der Aufruf zu Gewalt gegen Funktions-, Amtsund Mandatsträger des Staates Der Rückgriff auf Verschwörungsnarrative ist ebenfalls ein gewichtiges Indiz für die Erheblichkeit der Verleumdung oder Delegitimierung. In Abgrenzung zu Rechtsextremisten oder reichsBürgerN und selBstVerWalterN ist bei Akteuren der "Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" grundsätzlich kein ideologischer Hintergrund und keine ausgrenzende Fixierung auf die eigene ethnokulturelle Identität festzustellen. 124 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Personenpotenzial Das LfV Sachsen analysiert im Hinblick auf diesen neuen Phänomenbereich fortwährend jeden Einzelfall und prüft, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine DemokratieFeiNDliche uND/oDer sicherheitsgeFährDeNDe DelegitimieruNg Des staates vorliegen. Da eine Zuordnung nur unter restriktiver Anwendung der oben genannten Kriterien zulässig ist, konnte diesem Phänomenbereich mit Stand 31. Dezember 2022 insgesamt eine niedrige dreistellige Anzahl von Personen zugeordnet werden. Es ist jedoch von einem fortbestehenden "Dunkelfeld" auszugehen, welches durch das LfV Sachsen weiterhin sukzessive zu erhellen sein wird. Dabei spielen insbesondere Internetaktivitäten auf Messenger-Diensten, wie insbesondere auf Telegram, eine wichtige Rolle. So fallen beispielsweise Einzelpersonen in diesen Phänomenbereich, die auf diesen Plattformen beispielsweise zu Angriffen auf Politiker aufrufen. Wieder andere versuchen, Amtsund Mandatsträgern per Direktnachricht mit unmittelbarer Gewalt zu drohen und dadurch in Angst zu versetzen bzw. zu beeinträchtigen. Während des Berichtsjahres haben sich bei Einzelpersonen demnach gewisse Fallgruppen gebildet, welche die verschiedenen Agitationsformen des Delegitimierungsextremismus in der Realwelt und auch in der virtuellen Welt widerspiegeln. Regionale Ausprägungen Am 2. Dezember 2021 wurde die Gruppierung BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 dem Beobachtungsobjekt DemokratieFeiNDliche uND/oDer sicherheitsgeFährDeNDe DelegitimieruNg Des staates zugeordnet, nachdem dieser Personenzusammenschluss aufgrund erster Hinweise zunächst dem Beobachtungsobjekt reichsBürger und selBstVerWalter zugerechnet worden war. büRgeRbeweguNg leiPzig 2021 Gründung/Sitz: April 2021 Vorsitz Sachsen: nicht bekannt bzw. keine offizielle Hierarchie Teil-/ keine Nebenorganisationen: Publikationen/ Telegram-Kanal mit ca. 1.750 Nutzern Internetauftritte: (2021: 2.000 Nutzer) Personenpotenzial: Ehemals mindestens drei aktive Hauptakteure, wovon zwei inzwischen jedoch dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet werden Finanzierung: nicht bekannt Kurzporträt/Ziele: Die Gruppierung rief im Jahr 2021 auf ihrem Telegram-Kanal zu einem "Systemumsturz" auf, ohne jedoch selbst eine Systemalternative aufzuzeigen. Sie bediente sich dabei einer menschenverachtenden Sprache und einer zum Teil reichsbürgertypischen Argumentation. Außerdem bezog sie sich dabei regelmäßig auf Verschwörungstheorien. Im Jahr 2022 trat der Personenzusammenschluss in der "Realwelt" nur noch im ersten Halbjahr und sehr selten auf. 125 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Relevante Ereignisse Abgesehen von Posts auf ihrem Telegram-Kanal entfaltete die Gruppierung und Entwicklungen keine eigenen Aktivitäten. 2022: Ideologie Extremisten des neuen Phänomenbereichs "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ist zu eigen, dass deren Aktivitäten darauf abzielen, das Vertrauen der Bevölkerung in den demokratischen Rechtsstaat zu erschüttern, indem sie sich auf ein vermeintliches Widerstandsrecht berufen, mit dem bewusst die Hemmschwelle Dritter abgesenkt und tatsächlich nicht legitimierte Widerstandshandlungen dieser Dritten befördert werden sollen, sie Amtsund Mandatsträgern zumindest indirekt Gewalt androhen, sich auf Verschwörungstheorien berufen, sie den Sturz des Systems herbeiführen wollen und sich dabei nicht eindeutig einem anderen Phänomenbereich zuordnen lassen. Dies traf auch auf die im April 2021 gegründete Gruppierung BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 zu. Auch wenn die BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 auf ihrem Telegram-Kanal gelegentlich reichsbürgertypische Argumentationsmuster - wonach etwa nach wie vor Kriegsrecht herrsche oder Deutschland immer noch besetzt sei - sowie verschwörungsideologische Chiffren verwendete, verfolgte sie jedoch kein gefestigtes ideologisches Ziel. Inhaltlich handelte es sich dabei insbesondere um impfkritische und pro-russische Inhalte. Strategie Insbesondere im Rahmen ihres Online-Auftritts nutzt die Gruppierung das Stilmittel der Emotionalisierung. Durch die Verbreitung von Desinformationen zur Corona-Pandemie sowie zum UkraineKrieg instrumentalisiert und schürt die BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 die Ängste und Verunsicherung der Menschen, um ihr Ziel zu erreichen, die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Institutionen des Staates verächtlich zu machen und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in den demokratischen Rechtsstaat von Grund auf zu erschüttern. Mit ihrer Strategie beabsichtigt die BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 zum Einen, das Protestgeschehen anzuheizen. Zum Anderen reiht sie sich in die Endlosschleife vielfältiger Falschmeldungen, Verleumdungen und Beleidigungen ein, die zahlreiche User im Berichtsjahr im Internet erzeugten. Aktivitäten Das Publikationsorgan der Gruppierung stellt der zu ihr gehörende Telegram-Kanal mit seinen ca. 1.750 Abonnenten (Stand: Dezember 2022, Tendenz sinkend) dar. Auf diesem werden täglich mit126 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES unter dutzende Nachrichten abgesetzt oder Veröffentlichungen anderer Plattformen weitergeleitet. Neben ihren sehr vereinzelten und unscheinbaren realweltlichen Auftritten handelte es sich bei den Veröffentlichungen auf dem Telegram-Kanal um das einzige Aktionsfeld der BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 im Berichtsjahr. Auf ihrem Telegram-Kanal verbreitet die Gruppierung nach wie vor Desinformation und ideologische Narrative aus der Szene der reichsBürger und selBstVerWalter. Von April 2021 bis Mitte November 2021 führte die Gruppierung regelmäßig montägliche Demonstrationen mit bis zu 100 Teilnehmern in Leipzig durch. Ab Mitte November 2021 nahm sie jedoch davon Abstand und mischte sich nur noch sehr vereinzelt unter die Leipziger Protestszene. Einzelpersonen, die zuvor im Zusammenhang mit der BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 auffielen, traten demzufolge nicht mehr im Kontext zu diesem Personenzusammenschluss öffentlich in Erscheinung. Darüber hinaus verbreitet die Gruppierung auch regelmäßig Veröffentlichungen der rechtsextremistischen Partei Freie sachseN88. Fazit Für das Jahr 2022 kann geschlussfolgert werden, dass sich die BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 zu einem reinen Internetphänomen zurückentwickelt hat. Bis zur Einstellung ihrer Demonstrationen Mitte November 2021 schaffte sie es konstant, realweltliche Aktivitäten zu entfalten und ein Stammklientel an sich zu binden. Seitdem ist das Label kein Faktor mehr im Leipziger Protestgeschehen. Die Agitation von etwaigen Einzelpersonen werden - ebenso wie die BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 an sich - auch weiterhin durch das LfV Sachsen in puncto Verfassungsfeindlichkeit sorgfältig bewertet. 88 vgl. Beitrag II.2.3.3 Freie sachseN 127 5. Linksextremismus Rote WenDe leiPzig als neues Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes erneut leichter Anstieg des Personenpotenzials Leipzig bleibt eine bundesweite Schwerpunktregion der autonomen szene und ein Brennpunkt linksextremistischer Gewalt. Im Freistaat Sachsen gelten rund 73 % der Linksextremisten als gewaltorientiert. Konzentration auf die Themenfelder "Antirepression", "Antifaschismus" und "Antigentrifizierung" Solidaritätsbekundungen im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Lina E. LINKSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 5.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Linksextremisten streben die Beseitigung der Linksextremisten freiheitlichen demokratischen Grundordnung Ziel: Anarchie oder Diktatur des Proletariats an. Stattdessen wollen sie eine sozialistische Ablehnung von Staat und Gesellschaft bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine anarchistische und kommunistische Ideo"herrschaftsfreie" anarchistische Gesellschaft logiefragmente etablieren. Ihr politisches Handeln richten sie Gewalt als mögliches Mittel dementsprechend an revolutionär-marxistimeist keine Strukturen und Hierarchien schen oder anarchistischen Vorstellungen aus. Damit treten sie entweder für eine Diktatur ein, die auch mit einer Entrechtung Andersdenkender einhergeht, oder für eine herrschaftsund gesetzlose Ordnung. Die von Linksextremisten häufig instrumentalisierten Begriffe "Gleichheit", "Freiheit" und "Gerechtigkeit" stellen sich bei genauer Betrachtung als Synonyme für die Abschaffung demokratischer Errungenschaften (z. B. der Gewaltenteilung) und die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte (z. B. die Beseitigung des Rechts auf Eigentum) dar. Auch wenn das Grundziel - die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie - alle linksextremistischen Bestrebungen eint, bestehen hinsichtlich der Vorstellungen zur letztlich angestrebten Ordnung, des dorthin führenden Weges und der anzuwendenden Mittel erhebliche Differenzen. Das Ziel autoNomer beispielsweise ist ein Gemeinwesen, das sich an anarchistischen und kommunistischen Ideologiefragmenten orientiert. Zu dessen Durchsetzung spielt die Anwendung von Gewalt eine zentrale Rolle. Im Gegensatz hierzu streben orthodoxe Parteien die Errichtung eines zentralistisch geleiteten kommunistischen Staatswesens an. Ein solches soll durch Klassenkampf und die Diktatur des Proletariats erreicht werden. Im Unterschied zu den autoNomeN halten orthodoxe Linksextremisten die Anwendung von Gewalt erst in einer revolutionären Situation für legitim und unvermeidbar. Die verfassungsfeindlichen Zielsetzungen ergeben sich aus den folgenden ideologischen Hauptströmungen des Linksextremismus: Marxismus Die Lehren von Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895) sind die ideologische Grundlage für das Denken und Handeln vieler Linksextremisten. Die marxistische Lehre ist sowohl wissenschaftliche Theorie als auch praktisch-politische Handlungsanleitung für die Revolution. Ihr zufolge vollzieht sich die Menschheitsgeschichte in gesetzmäßigen Entwicklungsstufen. Dem Endziel der geschichtlichen Entwicklung, der kommunistischen klassenlosen Gesellschaft, geht die revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems voraus. Im Kapitalismus stehen sich die 129 LINKSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen ausbeutende Klasse der bürgerlichen Kapitalisten - die Eigentümer an den Produktionsmitteln - und die ausgebeutete Klasse der Arbeiterschaft - die sog. Proletarier - gegenüber. Der durch die Arbeiterschaft geschaffene Mehrwert eines erstellten Produktes geht nach der marxistischen Lehre in den Besitz der Kapitalisten über und führt so zu Lohndruck, Verarmung und schließlich Verelendung des Proletariats. Die Folgen sind Klassenkämpfe, die in eine Revolution und schließlich in die Diktatur des Proletariats münden mit dem Endziel einer kommunistischen Gesellschaft. Das gesamte politische, geistige und kulturelle Leben einer Gesellschaft wird demnach durch die ökonomischen Strukturen und Verhältnisse bestimmt. Das Menschenbild des Marxismus ist ein grundsätzlich anderes als das freiheitlicher Demokratien. Im Mittelpunkt steht nicht das Individuum mit seinen garantierten Rechten, sondern die Arbeiterklasse. Nach dieser Sichtweise ist es zulässig, Grundund Menschenrechte zugunsten des sozialistischen Kollektivs und einer kommunistischen Zielsetzung zu relativieren oder gar außer Kraft zu setzen. Marxismus-Leninismus Der Marxismus-Leninismus war die offizielle Weltanschauung der früheren Sowjetunion. Er basiert auf den Lehren von Marx und Engels (Marxismus), die von Wladimir I. Lenin (1870 - 1924) zur Staatsdoktrin der Sowjetunion und für den von ihm propagierten internationalen Klassenkampf weiterentwickelt wurden. Auch nach marxistisch-leninistischer Auffassung muss der Kapitalismus bekämpft werden. Das höchste Stadium des Kapitalismus sah Lenin im sog. Imperialismus. Demnach trachte der Kapitalismus in ausbeuterischer Weise danach, seinen Machtund Einflussbereich auf andere Staaten auszudehnen, was zwangsläufig zu Kriegen führe. Auf den Kapitalismus müsse also eine neue Gesellschaftsordnung folgen: der Sozialismus. Den Sozialismus sah Lenin wiederum als Vorstufe des Kommunismus. Der Marxismus-Leninismus führt zwangsläufig zu einer revolutionären Umwälzung. Allerdings verfügt die Arbeiterklasse Lenin zufolge nicht über das notwendige politisch-revolutionäre Bewusstsein. Dieses müsse durch eine Kaderpartei aus Berufsrevolutionären (Avantgardeanspruch der kommunistischen Partei) vermittelt werden. In dieser Partei sind gemäß dem Grundsatz des "demokratischen Zentralismus" keine abweichenden Meinungen zu Parteibeschlüssen durch Fraktionen oder innerparteiliche Strömungen erlaubt. Stalinismus Stalinismus ist Josef W. Stalins (1878 - 1953) theoretische Weiterentwicklung des MarxismusLeninismus zum diktatorisch-bürokratischen Herrschaftssystem der Sowjetunion. Entgegen der marxistischen Annahme, dass zum Sieg des Proletariats über das Bürgertum ("Bourgeoisie") eine gemeinsame Revolution der Proletarier aller Länder notwendig sei, ging Stalin davon aus, dass der Sozialismus unter der Führung der Sowjetunion vorbildhaft zuerst dort realisiert werden müsse. Mit dem von Stalin betriebenen Aufund Umbau der Sowjetunion zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wurden u. a. die "stalinistischen Säuberungen" legitimiert, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. 130 LINKSEXTREMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Trotzkismus Trotzkismus ist eine auf den russischen Revolutionär Leo Trotzki (1879 - 1940) zurückgehende Ausprägung des Marxismus-Leninismus. Wesentlich ist die Idee einer weltweiten und "permanenten" sozialistischen Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Die charakteristische Strategie trotzkistischer Vereinigungen ist der Entrismus, d. h. der Versuch, gezielt in andere Organisationen einzudringen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. So findet die Ideologie der Trotzkisten Verbreitung über die unterwanderte Organisation. Maoismus Unter der Führung von Mao Tse-tung (1893 - 1976) wurde in China nach dem kommunistischen Sieg 1949 der Marxismus-Leninismus in einer von Sowjetrussland abweichenden Weise interpretiert und als kommunistische Ideologie weiterentwickelt. Der Maoismus sieht in China die ländliche Bevölkerung und nicht die städtische Arbeiterschaft als Träger des politischen Umsturzes. Die Weltrevolution sollte in einem Land der Dritten Welt durch einen Guerillakrieg bäuerlicher Partisanen ausgelöst werden. In einer Serie politischer Kampagnen ("Kulturrevolution") versuchte Mao Tse-tung, die chinesische Gesellschaft gemäß den revolutionären Zielen der Partei zu erziehen. Der ideologische Terror und die damit verbundenen "Säuberungsaktionen" forderten Millionen Tote. Die Ideen Maos waren Vorbild für große Teile der 1968er-Bewegung, vor allem der in Westeuropa entstandenen "Neuen Linken" (sog. K-Gruppen). Anarchismus Zum Anarchismus werden Ordnungsvorstellungen und Bestrebungen gerechnet, die auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Das Feindbild aller anarchistischen Strömungen ist der Staat. Er gilt nach anarchistischem Verständnis als repressive Zwangsinstanz, die zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufgelöst und zerschlagen werden müsse. Einer der bekanntesten Vordenker des Anarchismus ist der russische Revolutionär und Anarchist Michail Bakunin (1814 - 1876). Aus den Ideen Bakunins entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts der sog. "Anarcho-Syndikalismus", ein System, in dem Gewerkschaften die Arbeiterschaft unabhängig von Staat oder Industriellen dezentral organisieren. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges, der kommunistischen Revolution in Russland, dem Aufstieg des Faschismus in Italien und auch während des Zweiten Weltkriegs verlor der Anarchismus zunehmend an Bedeutung. Einen zwischenzeitlichen Aufschwung erlebte er dann wieder im Rahmen der "68er"-Studentenbewegung, die sich in ihrer Forderung nach totaler Freiheit auch auf den Anarchismus berief. 131 LINKSEXTREMISMUS - Personenpotenzial 5.2 Personenpotenzial Linksextremisten im Freistaat Sachsen im Jahr 2022 1.000 890 850 785 800 760 800 600 400 200 0 2018 2019 2020 2021 2022 Anzahl der Linksextremisten im Freistaat Sachsen89 insgesamt: ca. 890 (bundesweit 2022: ca. 36.50090) Gewaltorientierte Nicht gewaltorientierte Linksextremisten91 dogmatische Linksextremisten und sonstige Linksextremisten92 2022: ca. 650 2022: ca. 240 davon autoNome 2022: ca. 520 Anarchisten 2022: ca. 80 Gewaltbereite dogmatische Linksextremisten 2022: ca. 50 In den Großstädten Leipzig und Dresden sind nach wie vor die weitaus meisten Linksextremisten aktiv. 89 Aufgrund eines Wechsels in der systematischen Darstellung des linksextremistischen Personenpotenzials, die sich u.a. wegen einer besseren Vergleichbarkeit künftig an jener des BfV orientiert, kann in diesem Berichtsjahr kein Vergleich zu den Zahlen des Vorjahres erfolgen. Ein adäquater Vergleich kann erst im nächsten Berichtsjahr vorgenommen werden. 90 ohne Mehrfachmitgliedschaften (Mehrfachmitgliedschaften: Eine Person ist in mehreren extremistischen Gruppierungen/Organisationen gleichzeitig Mitglied) 91 ohne Mehrfachmitgliedschaften 92 ohne Mehrfachmitgliedschaften 132 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsfelder und Aktionsformen Linksextremistisches Personenpotenzial in den Landkreisen und kreisfreien Städten in absoluten Zahlen n 400 - 450 n 150 - 200 n 50 - 100 n 30 - 50 n < 30 5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen Die von Linksextremisten besetzten Aktionsfelder hängen von den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen und aktuellen politischen Debatten ab. So waren auch im Berichtsjahr vor allem die Themenfelder "Antirepression", "Antifaschismus" und der Kampf gegen "Gentrifizierung" und damit einhergehend um "Freiräume" bestimmend. 5.3.1 Aktionsfelder "Antifaschismus" Für die linksextremistische Szene ist der "Antifaschismus" zentrales Dogma. Hier sieht man sich in der Traditionslinie mit den Gegnern des historischen Nationalsozialismus in Deutschland. Dass der Faschismus in der heutigen Gesellschaft fest verankert sei, verdeutliche sich nach Auffassung der Szene durch die Mordserie des rechtsterroristischen NSU sowie durch Proteste im Zusammenhang mit dem Thema Zuwanderung in den Jahren 2015 und 2016. Die Anschläge in Halle (Sachsen133 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsfelder Anhalt, 2019)93, das Attentat eines hessischen Rechtsextremisten auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019 sowie der von einem Rassisten in Hanau (Hessen) im Februar 2020 verübte Mord an neun Personen mit Migrationshintergrund bestätigten diese Wahrnehmung zusätzlich. Aus Sicht der linksextremistischen Szene hat in den vergangenen Jahren ein "Rechtsruck" in der Gesellschaft stattgefunden, der rechtsextremistische und rassistische Positionen in einem "ungeahnten Ausmaß" gesellschaftsfähig gemacht habe. Demnach fänden sich derartige Einstellungen nicht mehr allein bei NeoNatioNalsozialisteN, sondern vor allem auch bei der Neuen Rechten. In diesem Kontext wurde insbesondere auch die Partei Alternative für Deutschland (AfD) als "faschistische" und "rassistische" Partei wahrgenommen. Linksextremisten beteiligten sich deshalb in den vergangenen Jahren regelmäßig an Protestaktionen gegen diese Partei und verübten Angriffe auf Parteibüros, Geschäftsstellen, Privatfahrzeuge und Wohnhäuser. Immer wieder kam es aber auch zu unmittelbaren Angriffen auf Mitglieder oder Sympathisanten der Partei. "Antirassismus/Asyl" Der von autoNomeN verwendete Begriff "Antirassismus" steht in engem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Themenfeld "Antifaschismus". Mit antirassistischen Positionen von Linksextremisten ist stets auch eine fundamentale Kritik am demokratischen Rechtsstaat und dessen Institutionen verbunden. Staatlichen Akteuren wird z. B. mit Blick auf die deutsche und europäische Asylpolitik, zu der auch Abschiebungen gehören, ein systemimmanenter "institutioneller Rassismus" unterstellt. "Antirepression" Der "Kampf gegen staatliche Repression" ist ein klassisches Aktionsfeld von Linksextremisten, mit dem der demokratische Rechtsstaat delegitimiert werden soll. Dieser Kampf wird als ein gerechtfertigtes Mittel verstanden, um die angeblich herrschende "Gewalt des Systems" aufzubrechen. Als Repressionsorgane werden alle Institutionen betrachtet, die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen und damit aus Sicht von Linksextremisten die Aufrechterhaltung des "herrschenden Systems" sicherstellen. Im Berichtsjahr hatte in diesem Aktionsfeld der Prozess gegen Lina E. für die bundesweite linksextremistische Szene eine herausragende Bedeutung. Das Strafverfahren gegen die vier Angeklagten, denen mitgliedschaftliche Beteiligung an einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung sowie die damit verbundene Begehung mehrerer gefährlicher Körperverletzungen und weiterer Straftaten zur Last gelegt wird, wurde als Zeichen einer sich verstärkenden Repression des Staates ("Verfol93 Im Oktober 2019 versuchte der Rechtsextremist Stephan B. in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt schwer bewaffnet in eine Synagoge einzudringen. Am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur wollte er dort offenbar ein Massaker anrichten, scheiterte jedoch an der verriegelten Eingangstür. Daraufhin tötete er außerhalb der Synagoge zwei Menschen und verletzte bei seiner Flucht zwei weitere. 134 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsfelder gungswelle") gegen linke Strukturen wahrgenommen. Polizei und Justiz verfolgten demnach eine politische Agenda und würden mit ihren Ermittlungen das Narrativ einer "gefährlichen Linken" bzw. eines "linken Terrorismus" heraufbeschwören. Im Zusammenhang mit dem Prozess bildeten sich in der linksextremistischen Szene Solidaritätsstrukturen. Darüber hinaus fanden in diesem Kontext zahlreiche Demonstrationen, Solidaritätsaktionen und politisch motivierte Straftaten statt. "Kampf um Freiräume" und gegen "Gentrifizierung" Im Berichtsjahr war der Kampf um "selbstbestimmte Freiräume" und gegen soziale Verdrängungsprozesse in Städten ebenfalls ein Themenfeld der linksextremistischen Szene. In "Freiräumen", wie etwa besetzten Häusern oder Jugendzentren, die dem staatlichen Zugriff entzogen und "selbstverwaltet" werden sollen, wollen die Akteure ihre Vorstellungen von einem "besseren" Leben umsetzen. Dort werden die für die politische Arbeit unerlässliche Infrastruktur bereitgestellt und der Informationsaustausch innerhalb der Szene unterstützt. Solche "Freiräume" stellen für sie einen ersten Schritt zur Etablierung der von ihnen angestrebten "herrschaftsfreien" Gesellschaft dar. Insofern werten sie Einschränkungen stets als Angriff gegen die Verwirklichung ihrer Zielsetzungen. Linksextremisten beanspruchen eine Hegemonie in "ihrem Viertel", welche häufig in eine Ausgrenzung von Personen mündet, deren Wertvorstellungen nicht mit ihren eigenen übereinstimmen. Auch auf behördliche Maßnahmen, die sich gegen ihre "Freiräume" richten, reagieren sie umgehend und aggressiv. Corona-Pandemie Linksextremisten befanden sich im Berichtszeitraum erneut in einer schwierigen Situation hinsichtlich der Corona-Pandemie. Es gelang ihnen erkennbar nicht, anschlussfähige eigene Positionen gegen die geltenden Corona-Maßnahmen zu entwickeln. Mit Blick auf die zahlreichen, unter Beteiligung von Linksextremisten organisierten Proteste gegen "Corona-Leugner" und "Querdenker" haben sich deren szenetypischen Agitationsfelder und Aktionsformen sowie Angriffsziele nicht wesentlich geändert. Mit der Corona-Pandemie ergab sich lediglich ein weiterer Begründungszusammenhang, mit welchem Straftaten gegen den politischen Gegner und die Polizei gerechtfertigt und Forderungen untermauert werden sollten. In diesem Kontext stand auch die Mobilisierung gewaltorientierter Linksextremisten, welche gezielt im Umfeld oder im Nachgang zu den Anti-Corona-Demonstrationen die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, der Polizei oder tatsächlichen wie vermuteten Rechtsextremisten suchten. Das Aktionspotenzial in diesem Themenfeld nahm im Vergleich zum Vorjahr stetig ab. Recherchetätigkeit und "Outing"-Aktivitäten Die autoNome szeNe strebt eine flächendeckende Aufklärung der Strukturen des politischen Gegners an. Zur personellen Identifikation wird gezielt Recherche, vornehmlich ausgehend von öffentlich zugänglichen Veranstaltungen unter Beteiligung vermeintlicher oder tatsächlicher Rechtsextremis135 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsfelder ten, betrieben. Die Datenerhebung kann sich anschließend auf Namen, Lichtbilder, Wohnorte und Gewohnheiten der vom "Outing" Betroffenen erstrecken. Mit der öffentlichen Verbreitung privater Informationen durch Linksextremisten sollen die Betroffenen sozial geächtet und in ihrer beruflichen Laufbahn beeinträchtigt werden. Gewaltbereiten Linksextremisten werden damit mögliche Zielobjekte vorgegeben, insbesondere, wenn das "Outing" mit eindeutigen Hinweisen oder Appellen verknüpft wird. Diese Aktionsform wird vornehmlich von der autonomen "Antifa" praktiziert, um Personen, die aus autonomer Sicht "rechts" sind, in ihrem Wohnund Arbeitsumfeld zu denunzieren, bloßzustellen und zu bekämpfen. Beim "Nazi-Outing" publizieren Mitglieder der Antifa private Informationen der betroffenen Personen. Dies geschieht entweder mittels Flugblättern, die in der privaten oder beruflichen Umgebung der Betroffenen verteilt werden, oder über die Verbreitung dieser Informationen auf Internetplattformen. Den Betroffenen werden elementare Persönlichkeitsrechte bereits aufgrund der ihnen unterstellten Gesinnung abgesprochen, da nach Auffassung autoNomer "Faschismus" keine Meinung, sondern ein Verbrechen darstelle. Straftaten gegen die "geouteten" Personen - auch Gewalttaten - werden billigend in Kauf genommen. "Antikapitalismus"/"Antiglobalisierung" Die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung stellt für Linksextremisten ein grundlegendes Ziel dar, das inhaltlich mit allen anderen Themenfeldern verknüpft werden kann. Die fundamentale Kritik am Kapitalismus ist für sich allein jedoch nicht extremistisch. Der zentrale Unterschied zwischen einer radikalen und einer extremistischen Auffassung besteht nicht in der Ablehnung eines Wirtschaftssystems, sondern im Streben nach einer revolutionären Überwindung des demokratischen Rechtsstaates, der mit seinen "Repressionsorganen" als Garant kapitalistischer Eigentumsund Produktionsverhältnisse verstanden wird. Die Verknüpfung von kapitalistischem Wirtschaftssystem und politischer Ordnung beruht auf marxistischen Faschismustheorien. Demnach münde in ökonomischen Krisen das Zusammenspiel von Finanzkapital und Staatsapparat zwangsläufig in einen Faschismus, der als "radikalste Form bürgerlicher Klassenherrschaft" definiert wird. Umwelt und Klima Das Thema Klima ist für Linksextremisten strategisch wichtig, weil es eine hohe Anschlussfähigkeit an das nicht extremistische Spektrum bietet. So instrumentalisieren Linksextremisten den Protest gegen die Nutzung fossiler Brennstoffe für ihre eigenen Zwecke. Sie wollen als Bündnispartner wahrgenommen werden, um über die Umweltproblematik ihre eigenen extremistischen Ziele - die Überwindung von "Kapitalismus und bürgerlichem Staat" - einzubringen. 136 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsformen 5.3.2 Aktionsformen Öffentliche Aktionen von oder mit Beteiligung von Linksextremisten im Freistaat Sachsen 60 Die Darstellung ihrer politischen Positionen in 51 45 der Öffentlichkeit hat für Linksextremisten große Bedeutung. Deshalb bleibt auch die Beteiligung 40 an bzw. die Durchführung von Demonstrationen, Kundgebungen, Aufzügen oder Gegenprotes20 ten für die linksextremistische Szene besonders wichtig. Sächsische Linksextremisten nahmen im Berichtsjahr auch an überregionalen und bun- 0 desweiten Veranstaltungen teil. 1. Halbjahr 2022 2. Halbjahr 2022 Im Jahr 2022 wurden 96 öffentliche Aktionen von oder mit Beteiligung von Linksextremisten im Freistaat Sachsen registriert. Im Vorjahr waren es noch 127 Aktionen. Damit lag das Aktionsniveau weiterhin deutlich unter dem Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie. Unter Aktionen werden neben Demonstrationen und Kundgebungen auch Mobilisierungs-, Informationsoder Vortragsveranstaltungen des gesamten linksextremistischen Spektrums zusammengefasst. Bei öffentlichen Demonstrationen ist zwischen angemeldeten und nicht angemeldeten Demonstrationen zu unterscheiden. Angemeldete Demonstrationen werden in der Regel in strategischen Bündnissen mit Nichtextremisten geplant und durchgeführt. Sie dienen zugleich der Werbung von Sympathisanten. Meist ordnen sich Linksextremisten in diesen Aufzügen weitgehend in das friedliche Demonstrationsverhalten zivilgesellschaftlicher Akteure ein. Ob es im Rahmen angemeldeter Demonstrationen zu Ausschreitungen kommt, hängt vom Kräfteverhältnis zur Polizei ab, aber auch davon, inwieweit die Anwendung von Gewalt vom bürgerlichen Spektrum toleriert wird. Im Gegensatz hierzu zeigen nicht angemeldete Demonstrationen eine hohe Eigendynamik, die häufig zu gewalttätigen Ausschreitungen führt. Zu einer erhöhten Zahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten, die aus dem Demonstrationsgeschehen heraus begangen werden, kommt es vor allem dann, wenn gesellschaftlich relevante Themen, die den Kernbereich linksextremistischer Ideologie treffen, im Mittelpunkt stehen. Dies gilt auch, wenn der politische Gegner im öffentlichen Raum direkt angegriffen werden kann. Gewalttätige Aktionen Die Anwendung von Gewalt ist in Teilen der linksextremistischen Szene - vor allem bei den autoNomeN - allgemein akzeptierter Grundkonsens. Dies wird dabei im Wesentlichen zweifach legitimiert: 137 LINKSEXTREMISMUS - Aktionsformen Zum einen handele es sich um Gegengewalt, mit der man sich gegen die ungerechtfertigte Gewaltausübung des Staates wehre. Denn dieser übe seinerseits mittels seiner Institutionen und Machtverhältnisse eine "strukturelle" Gewalt gegenüber Menschen aus. Zum anderen gebe es politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt schon grundsätzlich rechtfertigten. Diese Gewalt richtet sich im Wesentlichen gegen Sachen, kann aber zunehmend auch Personen, wie tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, Polizeibeamte und Repräsentanten beispielsweise von Parteien (vornehmlich der AfD), zum Ziel haben. Linksextremistisch motivierte Gewaltaktionen gehen vornehmlich von der autoNomeN szeNe aus. Autonome Militanz zeigte sich in Form gewalttätiger Proteste aus Demonstrationen heraus sowie in Form klandestiner94 und offen militanter Aktionen. Taktisch nutzen die Akteure bei klandestinen Aktionen das Überraschungsmoment und die Anonymität. Dadurch wird für sie gleichzeitig das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung minimiert. Klandestine Aktionen sind häufig mit einem hohen Sachschaden verbunden. Für Linksextremisten stellen sie deshalb eine geeignete Aktionsform dar, um dem Staat oder dem politischen Gegner erheblich zu schaden. Üblicherweise enthalten Tatbekenntnisse Angaben zur verfolgten Absicht der Täter, um auf diese Weise Aufmerksamkeit zu erreichen sowie politischen Einfluss auszuüben. Die Anzahl klandestiner Aktionen reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr signifikant. Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 100 Klandestine Aktionen richteten sich vorrangig gegen 85 82 den "Repressionsapparat", gegen den politischen 80 Gegner sowie gegen Firmen, die mit der Sanierung von Wohnhäusern oder dem Bau von Behördenge60 bäuden, wie Polizeirevieren oder Justizvollzugsanstalten, beauftragt sind. Umfasst sind dabei auch 40 28 tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Ziele sind aber ebenso Vertreter und Institutionen 20 des demokratischen Rechtsstaates, wie Polizei, Ge- 0 richte, Justizvollzug sowie Einrichtungen politischer 2020 2021 2022 Parteien. Sie verkörpern für autoNome das staatliche 94 Klandestine Aktionen: Im Schutz der Anonymität und unter Wahrung eines hohen Konspirationsgrades führen Kleingruppen Aktionen zum Schaden des politischen Gegners bzw. gegen Einrichtungen des "Repressionsapparates" durch. 138 LINKSEXTREMISMUS - autoNome Gewaltmonopol und gelten als Vertreter des ihnen verhassten Staates. Feindbilder werden dabei insgesamt sehr weit gefasst, was die breite Fächerung der Anschlagsziele zeigt. Schwerpunkt der klandestinen Aktionen war auch im Berichtsjahr eindeutig die Stadt Leipzig. 5.4 autoNome Struktur und politische Zielsetzung Die autoNome szeNe ist eine äußerst heterogene Strömung innerhalb des Linksextremismus, der es an einer Organisation mit klaren Strukturen sowie einer einheitlichen ideologischen Basis fehlt. Zersplittert in unzählige Kleingruppen steht das Individuum und seine Selbstverwirklichung im Zentrum autonomer Politik. Weltanschaulich-politisch verfolgt diese Szene keine dogmatische Linie, sondern versteht sich als Fundamentalopposition und Basisbewegung. Ihrem Selbstverständnis entsprechend orientieren sich autoNome an anarchistischen Ideologiefragmenten und wenden sich von diesem Ansatz ausgehend gegen jegliche Form von Herrschaft, Organisation und Hierarchie. Demzufolge lehnen sie die Gewaltenteilung und einen Staat ab, in dem eine demokratisch legitimierte Mehrheit regiert und Rechte auch des politischen Gegners (z. B. das Recht auf Versammlungsfreiheit) geachtet werden. Angestrebt wird die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. autoNome bekämpfen auch die von ihnen als "kapitalistisch" bezeichnete Gesellschaftsordnung. Ihnen geht es dabei nicht um eine fundamentale Kapitalismuskritik, sondern vielmehr um eine revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung. Ihr Weltbild und ihre Weltanschauung sind in erster Linie von einer destruktiven Anti-Haltung (antistaatlich, antiautoritär) geprägt. Jenseits von Forderungen nach "Selbstbestimmung" und "herrschaftsfreien Verhältnissen" verbindet die autoNomeN ihre Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols und das Bekenntnis zu "revolutionärer Gewalt", die überwiegend in Form von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen ausgeübt wird. Neben den "klassischen" autoNomeN etablierten sich sowohl bundesweit als auch in Sachsen sog. Postautonome. Diese präsentieren sich moderater und streben eine Zusammenarbeit in überregionalen Bündnissen an, denen sowohl andere linksextremistische Organisationen als auch Nichtextremisten angehören können. Bündnisse sollen eine kontinuierlichere politische Arbeit mit dem Ziel der Schaffung einer breiten Massenbasis sicherstellen. Postautonome Gruppen sprechen sich für die Beibehaltung militanter Konzepte aus, legen allerdings Wert auf deren Vermittelbarkeit außerhalb der eigenen Klientel. 139 LINKSEXTREMISMUS - autoNome Rolle der Gewalt Für autoNome ist Gewaltausübung zur Durchsetzung politischer Ziele und als Symbolhandeln zentral. Gewaltbereitschaft ist ein identitätsstiftender und prägender Bestandteil der autoNomeN szeNe. Straftaten werden in Strategiepapieren und Diskussionen gerechtfertigt. Durch ihre Gewaltgeneigtheit unterscheiden sich die autoNomeN von anderen Linksextremisten. autoNome sehen sich zum einen als Opfer von Gewalt sowohl von staatlicher Seite als auch von Seiten des politischen Gegners. Insofern halten sie ihre eigene Gewaltausübung für legitim. Zum anderen gibt es aus ihrer Sicht bestimmte politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt generell rechtfertigen. Prägend für die autoNome szeNe sind unterschiedliche Auffassungen über die Bestimmung der Ziele und die Angemessenheit der gewaltsamen Mittel, die in wiederkehrenden "Militanzdebatten" sichtbar werden. autoNome szeNeN im Freistaat Sachsen Die autoNome szeNe dominiert den Linksextremismus im Freistaat Sachsen deutlich. Ihr gehörten im Berichtsjahr ca. 520 Personen an (2021: ca. 520 Personen). Dies entspricht einem Anteil von etwa 60 Prozent an allen linksextremistischen Bestrebungen in Sachsen. Regional und bundesweit bleibt die autoNome szeNe leiPzig neben den Szenen in den Städten Berlin und Hamburg ein Schwerpunkt autonomer Aktivitäten. Fazit Insgesamt stagniert die Anzahl autoNomer im Freistaat Sachsen mit geringen Zuwächsen in Chemnitz und leichten Rückgängen in den Landkreisen. Die sächsische autoNome szeNe konnte im Berichtsjahr erneut nicht an das Aktionsniveau der Jahre 2019 und 2020 anknüpfen. Uneinigkeit innerhalb der Szene, Unsicherheit angesichts zahlreicher Exekutivmaßnahmen und nachwirkende Folgen der Corona-Maßnahmen führten zu einem Rückzug oder zur Auflösung von Strukturen, Kampagnen und Bündnissen. Zu beobachten waren zugleich Versuche, neue Beziehungen und Vernetzungen aufzubauen, die sich auffällig häufig als anarchistisch geprägt beschrieben. Das Berichtsjahr verdeutlichte jedoch abermals, dass die autoNome szeNe in Sachsen grundsätzlich eine hohe Bereitschaft zeigt, im Rahmen ihrer Aktionsfelder Sachbeschädigungen und schwere Straftaten zu begehen. Etwaige Personenschäden werden dabei billigend in Kauf genommen.95 95 vgl. die Kapitel II.5.4.1 autoNome in Leipzig, II.5.4.2 autoNome in Dresden und II.5.4.3 autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 140 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig 5.4.1 autoNome in Leipzig Personenpotenzial Die sächsische autoNome szeNe konzentriert sich nach wie vor eindeutig in der Stadt Leipzig. Ihr werden dort ca. 350 Personen (2021: 350 Personen) zugerechnet. Die Messestadt blieb damit im Berichtsjahr zugleich auch der Brennpunkt linksextremistischer Gewalt in Sachsen. Im bundesweiten Vergleich ist Leipzig nach Berlin und Hamburg zugleich ein Schwerpunkt der autoNomeN szeNe in Deutschland. Strukturen der Leipziger autoNomeN szeNe Nach dem eigenen Selbstverständnis lehnen autoNome jegliche Form einer dauerhaften Organisation ab. Ganz ohne Strukturen kommt aber auch die autoNome szeNe Leipzig nicht aus. Gerade bei Aktionen gegen den politischen Gegner, gegen Angehörige des von ihnen so verstandenen "Repressionsapparates" oder Wirtschaftsunternehmen ist ein Mindestmaß an Koordinierung erforderlich. Daher entwickelten autoNome das sog. "dezentrale Konzept". Dessen Ziel ist es, Veranstaltungen des politischen Gegners in Kleingruppen anzugreifen bzw. deren Teilnehmer an der Anoder Abreise zu hindern. Das abgeschottete und kampfsporterprobte Milieu der Kleingruppen wird zudem bei klandestinen Aktionen96 aktiv. In einer Kleingruppe finden sich in der Regel etwa fünf bis zehn miteinander vertraute Personen zusammen, um gemeinsam Aktionen gegen den politischen Gegner zu planen und durchzuführen. autoNome szeNe in Leipzig Im Jahr 2022 wurde die Entwicklung in Leipzig durch folgende Faktoren geprägt: Leipzig ist nicht nur als Wohnort weiter attraktiv für linksextremistische Szeneangehörige aus anderen Bundesländern; auch Teilnehmer an Veranstaltungen konnten aus dem gesamten Bundesgebiet festgestellt werden. Der Prozess gegen Lina E.97 und weitere Angeklagte wird in der Szene intensiv verfolgt. Es gibt bereits Mobilisierungsaufrufe für eine zentrale Großdemonstration in Leipzig am sog. "Tag X", der auf den Samstag nach der Urteilsverkündung folgen soll. Abschottungstendenzen einzelner Kleingruppen der gewaltbereiten autoNomeN szeNe setzten sich fort. Ehemals akzeptierte Führungspersonen verlieren Einfluss auf diese Gruppen, die sich kaum noch politisch einbinden lassen und taktische Erwägungen in der Militanzfrage ablehnen. 96 vgl. zu diesem Begriff: Beitrag II.5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 97 zum Prozess gegen Lina E.: vgl. unten zu "Antirepressionsdemonstrationen" 141 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig Der Kampf um selbstverwaltete Freiräume und gegen Gentrifizierung war weiter von Bedeutung. Jüngere Szeneangehörige interessieren sich verstärkt für anarchistische Ideologiefragmente (Lebenshaltung einer permanenten Attacke gegen den Staat, kompromissloser Kampf für Freiräume) und entfernen sich ideologisch von älteren, vorwiegend antifaschistisch orientierten autoNomeN. Öffentliche Aktionen Das öffentliche Aktionsniveau - die Qualität und Quantität von Aktionen - der Leipziger autoNomeN sank im Berichtsjahr deutlich. Damit setzte sich der ansteigende Trend der Vorjahre nicht weiter fort. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von autoNomeN in Leipzig 80 74 70 60 60 50 47 45 40 40 30 20 10 0 2018 2019 2020 2021 2022 Der Rückgang ist auf die gesunkene Beteiligung autoNomer an Protesten gegen sog. "Querdenker"Demonstrationen zurückzuführen. An den zumeist von nicht extremistischen Kampagnen und Bündnissen regelmäßig angemeldeten Protesten beteiligten sich nur vereinzelt autoNome. Ein weiterer Erklärungsansatz sind die wiederholten polizeilichen Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Leipziger autoNomeN szeNe, die zu einer anhaltenden Verunsicherung in Teilen dieser Szene geführt haben dürften. autoNome aus Leipzig waren, wie schon in den Vorjahren, überregional aktiv. Sie mobilisierten zu bundesweiten Veranstaltungen oder beteiligten sich an Demonstrationen und Kundgebungen in der Region. Am 22. Oktober beteiligten sie sich beispielsweise an einer "antifaschistischen Kaffeefahrt" mit verschiedenen Stationen in den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig, die sich gegen Strukturen und Aktivitäten von Rechtsextremisten richtete. Die Themenfelder "Antirepression" und "Antifaschismus" waren im Berichtsjahr von herausragender Bedeutung. Insbesondere Proteste gegen vermeintliche staatliche Repression zogen sich erneut wie ein roter Faden durch das ganze Jahr. 142 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig Antirepressionsdemonstrationen Seit dem 8. September 2021 läuft am Oberlandesgericht (OLG) Dresden der Prozess gegen vier Angeklagte, darunter Lina E., wegen des Verdachts der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB). Die Vereinigung wird verdächtigt, Angriffe gegen Personen durchgeführt zu haben, die der "rechten Szene" angehören. Der Prozess und weitere staatliche Maßnahmen gegen Angehörige der linksextremistischen Szene in Leipzig wurden in der autoNomeN szeNe als Zeichen einer sich verstärkenden Repression des Staates wahrgenommen. Die Szene reagierte auf Exekutivmaßnahmen des LKA Sachsen am 26. Januar und am 14. September mit "lautstarken" und "kämpferischen" Demonstrationen. Wie in den Vorjahren nahmen autoNome auch den 13. Dezember erneut zum Anlass, um die Polizei zu diffamieren. Die Datumszahlen des Tages "13.12." stehen dabei für die polizeifeindliche Buchstabenkombination "A.C.A.B." (All Cops Are Bastards). Zu der Demonstration "Verdächtig rechte Cops" am 13. Dezember formierten sich etwa 450 Menschen, darunter ca. 250 autoNome, in drei Blöcken. Diese Blöcke wurden betitelt als "FLINTA"98, "Antiautoritärer" und "Internationaler" Block. Die Teilnehmer riefen aggressive, polizeifeindliche Parolen, wie beispielsweise "Gib dem Bullen was er braucht, 9mm in den Bauch". Die Teilnehmer zündeten Pyrotechnik und Nebeltöpfe. Aus der Versammlung heraus warfen Teilnehmer mehrere mit Farbe gefüllte Eier gegen das Gebäude der Polizeidirektion Leipzig. Im Nachgang wurden Brände an Mülltonnen festgestellt. Aktivitäten gegen den politischen Gegner Für die autoNome szeNe leiPzig ist der Kampf gegen den Faschismus untrennbarer Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Anlässlich des Jahrestages der Inhaftierung von Lina E. veröffentlichten Leipziger autoNome auf dem linksextremistischen Onlineportal De.iNDymeDia.org einen Beitrag, in welchem sie erklärten: "Mit Nazis kann man nicht diskutieren und auch nicht verhandeln. Man bekämpft sie, immer, überall und mit allen Mitteln!". Bei Aktionen im Themenfeld "Antifaschismus" setzen autoNome nicht nur auf den Einsatz friedlicher Mittel, sondern auch auf militante Aktionsformen, die als legitim und notwendig verteidigt werden. Um ihren Ruf als "linke" Hochburg zu verteidigen, war zum Beispiel im Vorfeld der für den 26. November seitens der rechtsextremistischen comPact-magaziN gmBh angemeldeten Demonstration "Ami go home - Frieden, Freiheit, Souveränität" in den sozialen Medien mit teilweise aggressiven Aufrufen für die Beteiligung an Gegenprotesten geworben worden. So hieß es in einem an die militante überregionale Szene gerichteten Aufruf: "Lasst uns dafür sorgen, dass auch dieser Tag für sie mit Beine in den Bauch stehen oder Krankenhausaufenthalten endet. Wir haben nicht vor, sie an diesem Tag nur mit einem blauen Auge davonkommen zu lassen! Also packt die Hämmer ein und auf nach 98 Queer-feministischer Block 143 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig Leipzig." Die anonymen Autoren zeigten mit dem Verweis auf mitzubringende "Hämmer", dass die Aktivitäten der Gruppe um Lina E., die öffentlich teilweise auch als "Hammerbande" bezeichnet wird, nicht nur gebilligt, sondern als nachahmenswert empfunden werden. An den Gegenprotesten mit einer Teilnehmerzahl im unteren vierstelligen Bereich beteiligten sich auch autoNome. Der Demonstrationszug des politischen Gegners wurde nach kurzer Zeit durch eine Sitzblockade gestoppt. Militante Aktivitäten, wie etwa die Anwendung des oben dargestellten "dezentralen Konzeptes", wurden im Vorfeld offen beworben und während des Versammlungsgeschehens durch Kleingruppen auch angewendet. Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Themenfeld "Freiräume" Die Schaffung eigener "Freiräume" ist für autoNome in Leipzig nach wie vor ein wichtiges Thema. Dabei geht es zum einen um Hausbesetzungen und zum anderen um Widerstand gegen als "Gentrifizierung" bezeichnete soziale Umstrukturierungsprozesse in Wohngegenden. Im Berichtsjahr kam es zu einer Hausbesetzung, die jedoch mit dem Aktionsniveau im Zusammenhang mit früheren Hausbesetzungen nicht zu vergleichen ist. So wurde am 4. März ein Haus im Stadtteil Anger-Crottendorf von einer "autonomen queer - feministischen Gruppe" besetzt und in "Antischocke" umbenannt. Nach der Räumung des Gebäudes durch die Polizei bekannten sich anonyme Verfasser in einem Selbstbezichtigungsschreiben dazu, Steine auf eine Immobilienagentur geworfen zu haben. Weiter wurde gedroht: "Wenn die Polizei jetzt vorhat, alle gemeinsamen Momente im Ansatz zu verhindern, werden wir uns halt die Nacht zurückholen müssen, denn die gehört uns und nicht den Schweinen." Sonstige Aktivitäten autoNome beteiligten sich im Berichtsjahr auch an öffentlichen Aktivitäten zum Thema "Soziale Kämpfe" sowie an anarchistisch geprägten Veranstaltungen. Das zeigte ein im Vergleich mit den Vorjahren breiter gefächertes Aktionsspektrum. Beispielhaft hierfür waren folgende Veranstaltungen in Leipzig: 25. April bis 1. Mai: Anarchistische Woche mit Workshops, Vorträgen und abschließender Demonstration unter dem Motto "Heraus zum anarchistischen 1. Mai", 15. Oktober: Beteiligung an der nicht extremistischen Bündnisdemonstration "Jetzt reichts! - Wir frieren nicht für Profite" im Rahmen der Proteste gegen steigende Energiepreise. Gewaltaktionen, vor allem klandestine Aktivitäten sowie Spontanaktionen Leipziger Linksextremisten setzten auch im Berichtsjahr wieder auf klandestine Aktionen. Allerdings bewegte sich diese Aktionsform mit 18 Aktivitäten (2021: 50) deutlich unter dem Vorjahresniveau und unterstrich damit das insgesamt gesunkene Aktionsniveau der autoNomeN szeNe. 144 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig Anzahl klandestiner Aktionen in Leipzig 60 51 50 50 40 30 18 20 10 n 2020 n 2021 0 n 2022 Leipzig Es ist aufgrund wiederholter polizeilicher Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Leipziger autoNomeN szeNe von einem nachlassenden Aktionsniveau klandestiner Kleingruppen auszugehen, was jedoch nicht mit einem Rückgang des entsprechenden Personenpotenzials oder gar dessen grundsätzlicher Gewaltbereitschaft einhergeht. Die Angriffsziele bei linksextremistisch motivierten Straftaten zeigen, dass die Themenfelder "Antifaschismus", "Antirepression" und "Anti-Gentrifizierung" auch im Berichtsjahr von anhaltend großer Bedeutung für die autoNome szeNe Leipzig waren. Aktionen im Themenfeld "Antifaschismus" Über das gesamte Berichtsjahr hinweg verübten Linksextremisten Straftaten im Themenfeld "Antifaschismus". Es wurde versucht, den politischen Gegner einzuschüchtern. Folgende Aktionen verdeutlichen das Aggressionsniveau: Am 12. Juni schlug eine Gruppe von etwa zehn vermummten Personen einen Mann mit Schlagstöcken zu Boden und besprühte ihn mit Pfefferspray. Der Geschädigte gehört der Organisation "Vereinigte Nationalisten Leipzig" an. Am 19. November schlug eine Person mehrfach mit einer Holzlatte auf ihre zwei Opfer ein und bezeichnete sie als "Nazis" und "Faschos". Aktionen im Themenfeld "Antirepression" Aktionen von Linksextremisten richteten sich regelmäßig gegen Angehörige des von ihnen so verstandenen "Repressionsapparates". Dies zeigen beispielhaft folgende Vorkommnisse: Am 27. Juni setzten unbekannte Täter ein Fahrzeug der "LVZ Logistik GmbH" in Brand. Dem Tatbekenntnis nach handelte es sich um eine "Antwort auf die letzte Hausdurchsuchung in 145 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Leipzig Connewitz". Hinsichtlich der "Leipziger Volkszeitung" (LVZ) als Ziel wird dazu ausgeführt: "Es gibt 'nen Haufen anderer Möglichkeiten, die Repressionsmaschinerie zu sabotieren. Die LVZ zum Beispiel arbeitet eng mit den Bullen zusammen (bei der letzten Durchsuchung erst wurden ihr Infos gesteckt, die dann ungeprüft abgedruckt werden)." 99 Gemeint war die Durchsuchung am 16. Juni im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwaltes gegen Lina E. und weitere Angeklagte wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gem. SS 129 Abs. 1 StGB. Am 1. November wurden jeweils ein Transporter der Firmen "Spie" und "Miele" in Brand gesetzt. Dem auf De.iNDymeDia.org veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben zufolge wurden diese Firmen angegriffen, weil "Spie" "seit Jahren als Knastprofiteur" bekannt sei und "Miele" "stellvertretend für den deutschen Imperialismus in Griechenland" 100 stehe. Die Autoren schlossen die Rechtfertigung der Brandstiftung mit den Worten "Für die Anarchie!". Aktionen im Themenfeld "Anti-Gentrifizierung" Linksextremisten sehen sich durch soziale Aufwertungsund Verdrängungsprozesse zunehmend in ihren Freiräumen bedroht. Straftaten in diesem Sachzusammenhang richteten sich dabei auch im Berichtsjahr gegen aus ihrer Sicht verantwortliche Immobilienunternehmen sowie beauftragte Baufirmen und verursachten hohe Sachschäden: Am 4. November setzten unbekannte Täter zwei Bagger des Unternehmens "Hentschke Bau GmbH" in Leipzig in Brand. Am 8. November wurden in Leipzig elf Fahrzeuge der Immobilienfirma "Vonovia" in Brand gesetzt. Die Fahrzeuge waren auf einem umfriedeten Grundstück abgestellt. Die geschädigten Unternehmen waren in der Vergangenheit schon mehrfach das Ziel mutmaßlich linksextremistisch motivierter Straftaten. 99 Schreibweise wie im Original 100 Diese Straftat kann als Solidaritätsaktion mit inhaftierten griechischen und italienischen Anarchisten verstanden werden. 146 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Dresden 5.4.2 autoNome in Dresden Personenpotenzial Das Personenpotenzial der autoNomeN szeNe DresDeN stagniert seit 2014 bei etwa 70 Personen. Ihr Aktionsniveau und ihre Bedeutung fallen gegenüber der Leipziger Szene deutlich ab. Strukturen der Dresdner autoNomeN szeNe Die uNDogmatische raDikale aNtiFa DresDeN (URA DresDeN) ist nach wie vor die aktivste linksextremistische Gruppe in Dresden. Sie ist Teil des bundesweiten linksextremistischen "... ums gaNze - kommuNistisches BüNDNis!" (UG)101. Bei UG handelt es sich um einen Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der bundesweiten autoNomeN szeNe, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Lokal treten die Mitgliedsgruppen autark auf, während sie in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen unter dem Label UG fungieren. Außerdem ist das aNtiFa rechercheteam DresDeN (ART DresDeN) in der Landeshauptstadt aktiv. Das ART DresDeN widmet sich seit jeher intensiv der "Recherchearbeit" vor allem über tatsächliche bzw. vermeintliche Rechtsextremisten und veröffentlicht in diesem Zusammenhang entsprechende Outings. Mit der öffentlichen Verbreitung privater Informationen beteiligt sich das ART DresDeN aktiv an einer wesentlichen Aktionsform der autoNomeN szeNe. Outing-Aktionen dienen der linksextremistischen Szene als Mittel zur Bekämpfung politischer Gegner.102 Aktivitäten der URA dResdeN und des ART dResdeN Die URA DresDeN führte im Berichtsjahr ihre intensive Öffentlichkeitsarbeit der vergangenen Jahre fort. Sie veröffentlichte im Berichtsjahr zahlreiche Meldungen und Beiträge auf ihrer Internetseite und in den sozialen Medien. Dabei verbreitete die URA DresDeN in den sozialen Medien regelmäßig Hassbotschaften. So bezeichnete sie auf ihrem Twitter-Account Polizisten abermals als "DrecksCops" und "Bullenschweine". Mit Beiträgen wie diesen delegitimiert die URA DresDeN den demokratischen Rechtsstaat und verdeutlicht, dass sie das staatliche Gewaltmonopol ablehnt. Folgende Beispiele belegen zudem, dass die URA DresDeN die Anwendung von Gewalt als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung für legitim hält: Am 1. Mai beteiligte sich die URA DresDeN an den Protestaktionen gegen eine Demonstration der rechtsextremistischen Partei Der Dritte Weg in Zwickau. Sächsische Linksextremisten reisten 101 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat 2021, S. 159 102 vgl. Beitrag II.5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 147 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Dresden mehrheitlich mit Zügen aus Leipzig, Dresden und Chemnitz nach Zwickau. Dabei kam es zu einigen unfriedlich verlaufenen Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten im Vorfeld und im Nachgang des Versammlungsgeschehens außerhalb der Stadt. Als der mit ca. 200 Gegendemonstranten (u. a. Angehörige der URA DresDeN) besetzte Zug aus Dresden im Bahnhof von Glauchau hielt und diese Personengruppe wartende Anhänger der rechtsextremistischen Partei Der Dritte Weg auf dem Bahnsteig erblickte, wurden diese zuerst aus dem Zug heraus mit Flaschen beworfen. Die Rechtsextremisten warfen daraufhin ebenfalls Flaschen und Steine auf den Zug. Nach polizeilichen Erkenntnissen soll sich im Zug eine Person verletzt haben. Zudem wurde der Zug stark beschädigt. In der Öffentlichkeit dominierten die Bilder der Angriffe von Rechtsextremisten auf Personen in der Regionalbahn von Dresden nach Zwickau. Zuginsassen veröffentlichten im Internet Videoaufnahmen der Angreifer, und durch Linksextremisten wurden schließlich bekannte Rechtsextremisten unter den Tätern geoutet. Die URA DresDeN verwies in den sozialen Medien darauf, dass mit "antifaschistischem Selbstschutz und Platzverweisen" Angriffe des politischen Gegners abgewehrt werden konnten. In einem später auf ihrer Internetseite veröffentlichten Resümee der Geschehnisse äußerte sie sich zufrieden: "Alles in allem müssen wir am Ende sagen, dass, so unschön die Situationen waren, wir die Angriffe nicht nur solidarisch und erfolgreich abgewehrt haben, sondern die Faschos klar in die Schranken verwiesen wurden." Sie schrieb außerdem von "(...) absolut berechtigte[m] Bullenhass (...)", warnte vor der Auswertung von Videobildern aus der Regionalbahn durch die Polizei und rief zur Aussageverweigerung auf. Die im Vorjahr103 begonnenen Outing-Kampagnen setzte die URA DresDeN im Berichtszeitraum fort. Sie richteten sich zum einen gegen ein Restaurant in Dresden-Neustadt. Das Restaurant und deren Inhaberin wurden auf den Social Media-Kanälen der URA DresDeN sowie des ART DresDeN bereits mehrfach thematisiert und als ein "(...) rechter Drecksladen & Schnittstelle regionaler völkischer Siedlungsprojekte & der Anastasia-Bewegung" bezeichnet. Zum anderen wurde auch die Kampagne gegen ein rechtsextremistisches Paar in Dresden-Löbtau fortgesetzt. In diesem Zusammenhang hatte sich bereits im Vorjahr erneut bestätigt, dass gewaltbereiten Linksextremisten mit Outings durchaus gewollt mögliche Zielobjekte vorgegeben werden, insbesondere wenn das Outing mit eindeutigen Hinweisen oder Appellen verknüpft wird. So wurde das Paar bzw. deren Umfeld infolge eines Outings der URA DresDeN auf ihrer Internetseite mit dem Aufruf "Schlagt die Faschist:innen, wo ihr sie trefft" Opfer mehrerer Straftaten. Wie schon in den Vorjahren war die URA DresDeN auch im Berichtszeitraum in und außerhalb Sachsens aktiv. So beteiligte sie sich im August u. a. an den teilweise unfriedlich verlaufenen "Massenaktionen" der nicht extremistischen Gruppierung "Ende Gelände" in Hamburg sowie an der Organisation und Durchführung des siebten "Antifaschistischen Jugendkongresses" (Juko) in Chemnitz.104 103 vgl. Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2021, S. 153 104 vgl. Beitrag II.5.4.3 autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 148 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Dresden Das Aktionsniveau des ART DresDeN entsprach dem des Vorjahres. So berichtete die Gruppierung beispielsweise über Akteure und Strukturen der Dresdner bzw. regionalen rechtsextremistischen Szene und über überregionale Aktivitäten von Rechtsextremisten. Dabei veröffentlichte das ART DresDeN im Internet abermals zahlreiche Fotos, Namen und weitere Angaben von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten aus der Region Dresden. Die Gruppe beteiligte sich zudem an Aktionen gegen eine Versammlung von Rechtsextremisten am 13. Februar anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Entwicklung des Aktionsniveaus105 Die Anzahl der öffentlichen Aktionen im Berichtsjahr ging weiter zurück und bewegte sich auf einem insgesamt niedrigen Niveau. Sowohl die Intensität der Aktionen als auch die Zahl der daran beteiligten Linksextremisten blieben zumeist gering. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von autoNomeN in Dresden 70 60 50 45 40 33 35 34 33 30 20 10 0 2018 2019 2020 2021 2022 Ein Hauptaktionsfeld Dresdner autoNomer waren im Berichtszeitraum wiederum Solidarisierungsaktionen aus Anlass der laufenden Hauptverhandlung gegen Lina E. und weitere Angeklagte vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß SS 129 StGB. Am 7. März stellten Polizisten in der Dresdner Neustadt ca. 30 Personen fest, die einen unangemeldeten Aufzug durchführten. Die Personen sollen laut Zeugenangaben ein Plakat mit der Aufschrift "Free Lina" gezeigt haben. Sie zündeten Pyrotechnik, setzten zwei Mülltonnen in Brand und bewarfen ein Polizeifahrzeug mit einer Flasche. Im näheren Umfeld wurden weitere Mülltonnen festgestellt, die angezündet wurden. Im Jahresverlauf wurden u.a. bei Versammlungen und Aktionen zudem mehrfach Solidaritätstransparente für Lina E. gezeigt und gelegentlich Soli-Graffiti gesprüht. 105 Das Aktionsniveau beschreibt die Qualität und Quantität von Aktionen. 149 LINKSEXTREMISMUS - autoNome in Dresden Trotz der herausragenden Bedeutung des Prozesses und des Themenfeldes "Antirepression" zeigte sich erneut, dass es der DresDNer autoNomeN szeNe nur in geringem Maße gelingt, überregional nach Dresden zu mobilisieren und eigene Anliegen einem breiteren Teilnehmerkreis zu vermitteln. Für das vergleichsweise geringe linksextremistische Personenpotenzial in Dresden ist es eine große Herausforderung, die erforderlichen Solidaritätsstrukturen für die Angeklagten im sog. "Antifa-OstVerfahren" aufzubauen und über die Dauer des Prozesses hinweg aufrecht zu erhalten. Auffällig für die autoNome szeNe in Dresden waren Ausschreitungen in der Silvesternacht 2021/22. Kurz nach Mitternacht wurden aus einer Gruppe von rund 50 bis 100 Personen heraus auf der Fahrbahn der Rudolfstraße Barrikaden errichtet. Eintreffende Polizeikräfte wurden von den Dächern aus mit diversen Gegenständen beworfen. In der weiteren Folge wurden ein Einsatzfahrzeug beschädigt, Mülltonnen in Brand gesetzt und weitere Barrikaden errichtet. Durch Hinzuziehen weiterer Einsatzkräfte konnten die Lage beruhigt und die Barrikaden entfernt werden. Szeneangehörige versuchten zudem, durch ihre Beteiligung an einer "Kiez-Demonstration" in Dresden-Löbtau am 23. Juli zu verdeutlichen, dass sie neben der Neustadt auch Löbtau als "linkes Szeneviertel" betrachten und dort "rechtsextreme Umtriebe" nicht dulden. Die Beteiligung überwiegend jüngerer Personen unter teils auch neuen Gruppenbezeichnungen zeigte, dass sich eine jüngere Generation darum bemüht, auch in Dresden öffentlichkeitswirksame Zeichen im Aktionsfeld "Antifaschismus" zu setzen. Klandestine Aktionen Die Anzahl klandestiner Aktionen106 sank im Berichtsjahr. Unabhängig von dieser Entwicklung spielt diese Protestform für die Dresdner autoNome szeNe aber nach wie vor eine Rolle in der politischen Auseinandersetzung. Anzahl klandestiner Aktionen in Dresden 30 26 22 20 12 10 7 n 2019 n 2020 n 2021 0 n 2022 Dresden 106 vgl. zur Erläuterung dieser Aktionsform: Beitrag II.5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 150 LINKSEXTREMISMUS - autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden Beispiele für klandestine Aktionen: Am 20. Januar setzten unbekannte Täter in Dresden einen Bagger in Brand, sodass dessen Fahrerkabine vollständig ausbrannte. Er befand sich in unmittelbarer Nähe zur Baustelle Dresdner "Hafencity", wo der Neubau von Wohnungen voranschreitet. Am 10. Februar setzten unbekannte Täter einen gesichert abgestellten Pkw des Unternehmens "Hentschke Bau GmbH" in Brand. Ein politisch motivierter Hintergrund ist auch hier nicht auszuschließen, da das Unternehmen bereits mehrfach Ziel solcher Angriffe war. 5.4.3 autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden Außerhalb der beiden Zentren der autoNomeN szeNe, Leipzig und Dresden, besteht in Sachsen nur ein geringes autonomes Personenpotenzial. Dementsprechend sind dort die Strukturen und Aktivitäten weit weniger ausgeprägt. Das öffentliche Aktionsniveau - sowohl Qualität als auch Quantität der Aktionen - ging im Vergleich zum Vorjahr zurück. Öffentliche Aktionen von bzw. mit Beteiligung von autoNomeN außerhalb von Leipzig und Dresden 30 24 20 17 15 11 10 7 0 2018 2019 2020 2021 2022 Auch die Anzahl der klandestinen Aktionen sank im Berichtsjahr weiter. Dennoch spielt diese Aktionsform weiterhin eine wichtige Rolle in der politischen Auseinandersetzung. Anzahl klandestiner Aktionen außerhalb von Leipzig und Dresden 20 13 12 10 6 n 2019 3 n 2020 n 2021 0 n 2022 andere Regionen 151 LINKSEXTREMISMUS - autoNome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden Exemplarisch sei auf folgende, mutmaßlich von Linksextremisten verübten Straftaten mit Bezug zum Themenfeld "Antifaschismus" verwiesen: Am 1. Mai griffen mehrere vermummte unbekannte Tatverdächtige eine aus fünf politischen Gegnern bestehende Gruppe auf dem Bahnhof Crimmitschau (Landkreis Zwickau) mit Hammer, Totschläger und Pfefferspray an. Die Geschädigten befanden sich auf der Rückreise vom Aufzug der rechtsextremistischen Partei Der Dritte Weg in Zwickau. Am 26. Mai überfiel eine vermummte Personengruppe aus etwa sechs bis zehn Tätern koordiniert zwei Menschen in Plauen (Vogtlandkreis). Die Geschädigten wurden mit Schlagwerkzeugen und Pfefferspray angegriffen. Der Modus Operandi könnte aufgrund des ähnlichen Vorgehens bei zurückliegenden linksextremistisch motivierten Gewalttaten für eine Täterschaft von Linksextremisten auch in diesen beiden Fällen sprechen. Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass die Täter für die Durchführung dieser Delikte aus anderen Landkreisen anreisten. Stadt Chemnitz Infolge der in der JVA Chemnitz inhaftierten Linksextremistin Lina E., mit der sich die linksextremistische Szene besonders solidarisiert, fanden im Berichtsjahr auch in Chemnitz im unmittelbaren Umfeld der JVA öffentlichkeitswirksame nicht extremistische Aktionen zum Themenfeld "Antirepression" mit Beteiligung von Linksextremisten statt. Dazu zählen exemplarisch folgende Veranstaltungen, für die allerdings nur eine geringe Teilnehmerzahl mobilisiert werden konnte: 20. Februar: Kundgebung für die inhaftierte Lina E., 6. März: jährlich stattfindende Kundgebung anlässlich des "Internationalen Frauentages", die sich nach Ansicht der Akteure gegen das "Knastsystem" richtete und für die symbolische Unterstützung Inhaftierter stand. Outing-Aktionen zum Nachteil des politischen Gegners waren ebenfalls Teil des Aktionsrepertoires der Chemnitzer Szene. Im Fokus standen dabei Personen und ihre Aktivitäten u. a. in den Bereichen Kampfsport und Sicherheitsgewerbe. "Antifaschistischer Jugendkongress" Vom 15. bis 17. Juli fand der siebte "Antifaschistische Jugendkongress" (Juko) unter dem Motto "Smash the Cis-tem! Destroy borders!" im "Alternativen Jugendzentrum Chemnitz" statt. Neben Nichtextremisten waren auch in diesem Jahr linksextremistische Gruppen in die Organisation und Durchführung der Veranstaltungen eingebunden. Themen waren dabei zum Beispiel "Kämpfe gegen Patriarchat und Antifeminismus" und "Antimilitarismus". Des Weiteren inkludierten praxisorientiertere Abschnitte ein Aktionsund Demotraining. Der Kongress diente dem Erfahrungsaustausch und der Stärkung der Zusammenarbeit linksextremistischer Gruppen untereinander sowie zwischen 152 LINKSEXTREMISMUS - Anarchistische Gruppierungen nicht extremistischen und linksextremistischen Akteuren. Ein wesentliches Ziel ist zudem die Stärkung von Strukturen außerhalb der urbanen Zentren der autoNomeN szeNe. Zu den Referenten im Berichtsjahr zählten Mitglieder der sächsischen linksextremistischen Gruppe uNDogmatische raDikale aNtiFa DresDeN (URA DresDeN) sowie der linksextremistischen Gruppierung reDical [M] aus Göttingen. Beide Gruppierungen sind Teil des linksextremistischen ... ums gaNze! - kommuNistisches BüNDNis. Die linksextremistische rote hilFe süDWestsachseN betrieb während des Kongresses einen Informationsstand. In Schwarzenberg/Erzgeb. beteiligten sich am 27. August autoNome an einer Demonstration unter dem Motto "Rebellische Strukturen erhalten - Linke Freiräume verteidigen". Damit reagierten sie auf polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen am 27. April in Schwarzenberg/Erzgeb. Linksextremistische Gruppen aus Leipzig und Dresden hatten sich mit den Betroffenen der "Repressionsmaßnahme" solidarisiert und für die Versammlung mobilisiert. Region Chemnitz Die Region Chemnitz umfasst die Stadt Chemnitz, den Vogtlandkreis, den Landkreis Zwickau, den Erzgebirgskreis und den Landkreis Mittelsachsen. Das Personenpotenzial in dieser Region konzentriert sich im Wesentlichen auf die Stadt Chemnitz und umfasst wenige Personen. In den Landkreisen Bautzen, Görlitz, Leipzig, Meißen, Nordsachsen sowie Sächsische Schweiz-Osterzgebirge waren im Berichtsjahr lediglich Einzelpersonen der linksextremistischen Szene zuzurechnen. Relevante Aktivitäten wurden nicht bekannt. 5.5 Anarchistische Gruppierungen Die anarchistischen Gruppierungen in Sachsen vertreten u. a. Positionen des Anarchosyndikalismus. Dabei sind fließende Übergänge zu ähnlichen oder verwandten Bewegungen oder Gruppen - wie den autoNomeN - feststellbar. Dennoch weist der Anarchosyndikalismus einige spezielle Merkmale, wie einen höheren Organisationsgrad, auf. Dadurch unterscheiden sich entsprechende Gruppen auch deutlich von den autoNomeN. FReie aRbeiteRiNNeNuNd aRbeiteR-uNioN (FAU) Sitz: Berlin Gründung: 1977 Hauptorganisation/ übergeordnete FReie aRbeiteRinnenunD aRbeiteR-union (FAU) Gruppierung: 153 LINKSEXTREMISMUS - Anarchistische Gruppierungen Teilorganisationen in allgemeines synDiKat DResDen DeR Fau (Fau DResDen) Sachsen: Fau seKtion chemnitz (Fau chemnitz) Fau seKtion eRzgebiRgsKReis (Fau eRz, Teil der FAU DResDen) allgemeines synDiKat leiPzig DeR Fau (Fau leiPzig) Fau Plauen (organisatorisch der Fau Jena angeschlossen) Internetauftritte: Internetseiten sowie Profile der vorgenannten sächsischen Syndikate auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram Publikation: "Direkte Aktion" (Onlinezeitung, unregelmäßig) Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 80 ca. 80 bundesweit ca. 1.400 ca. 1.200 Finanzierung: Mitgliedsbeiträge Kurzporträt/Ziele: Die FAU versteht sich als ein Zusammenschluss von lokalen, unabhängigen, basisdemokratischen Gewerkschaften, den Syndikaten. Sie bezeichnet sich selbst als "klassenkämpferische Gewerkschaftsföderation". Die in der FAU vereinten Syndikate bilden die mitgliederstärkste anarchistische Organisation in Deutschland. In Sachsen ist sie spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre aktiv. Im Unterschied zum Anarchismusverständnis autonomeR, die eine herrschaftsund gesetzlose Ordnung favorisieren, verfügt die FAU über eine feste theoretische und organisatorische Basis. Ereignisse/ konstante Mitgliederzahlen Entwicklungen 2022: FAU leiPzig löste die FAU DResDen als aktivstes sächsisches Syndikat ab Organisation eigener Kundgebungen und Beteiligung an Demonstrationen mit linksextremistischer Thematik Ideologie Das Ziel der FAU ist die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. In ihrer Zeitschrift "Direkte Aktion", die sich nach eigenen Angaben "auf die Grundlage des Klassenkampfes stützt", heißt es dazu unmissverständlich: "Wir Anarcho-SyndikalistInnen haben die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft zum Ziel. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus. [...] Zur Durchsetzung unserer Ziele und Forderungen dienen uns sämtliche Mittel der direkten Aktion, wie z. B. Besetzungen, Boykotts, Streiks etc. Im Gegensatz dazu lehnen wir die parlamentarische Tätigkeit in jeglicher Form ab." Mit diesem Selbstverständnis steht die FAU im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In ihrem Grundlagentext "Prinzipien und Grundlagen der Arbeit der FreieN arBeiteriNNeNuND arBeiteruNioN (FAU)" wird das Ziel der "Überwindung des Kapitalismus" manifestiert, da dieser "auf der Ausbeutung durch diejenigen beruht, die über die Produktionsmittel verfügen". 154 LINKSEXTREMISMUS - Anarchistische Gruppierungen Außerdem zielt die FAU darauf ab, den Staat zu zerschlagen und an dessen Stelle eine "Föderation der Syndikate" (basisdemokratische Gewerkschaften) treten zu lassen. Das "Syndikat" wird als tragende Organisationseinheit des revolutionären Kampfes in einer anarchistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung angesehen, die im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. Strategie Vor allem im Rahmen öffentlicher Aktionen versuchen die Akteure, ihre extremistischen Zielsetzungen zu verbreiten und so neue Anhänger zu gewinnen. Indem sich die FAU vordergründig als gewerkschaftsähnliche Organisation darstellt, wird verschleiert, dass sie die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt. Außerdem nimmt das Themenfeld "staatliche Antirepression" bei Anarchisten der FAU einen hohen Stellenwert ein, indem beispielsweise das "Knastsystem" der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt wird. Potenzial, Struktur und Aktivitäten der Syndikate in Sachsen Wie bereits in den Jahren zuvor, traten anarchosyndikalistische Gruppen im Freistaat Sachsen mit eigenen Aktionen öffentlich auf oder beteiligten sich an Demonstrationen mit linksextremistischer Thematik. Dabei zeigten sich jedoch Unterschiede zwischen den in Dresden, Leipzig und im Erzgebirgskreis ansässigen FAU-Akteuren, was sowohl den Umfang und die Intensität von Aktionen als auch die Wahl der Mittel betraf. Die 2020 hinzugekommene FAU sektioN erzgeBirgskreis (FAU erz) gehört weiterhin organisatorisch dem Dresdner Syndikat an. Die 2021 neu hinzugekommene FAU PlaueN, die organisatorisch der FAU JeNa angeschlossen ist, entwickelte im Berichtsjahr im Vergleich mit den Syndikaten in Dresden und Leipzig keine nennenswerten Aktivitäten. Räumliche Schwerpunkte: Dresden Einen Schwerpunkt der FAU in Sachsen bildet das mitgliederstarke allgemeiNe syNDikat DresDeN Der FAU (FAU DresDeN). Dessen Präsenz in den sozialen Medien war im Berichtsjahr allerdings rückläufig. Um ihren Bekanntheitsgrad und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erhöhen, beteiligte sich die FAU DresDeN an sozialkritischen, nicht extremistischen Protesten unter Einsatz ihrer schwarz-roten Fahnen sowie von Transparenten. Beispielhaft dafür standen die Aktivitäten der FAU DresDeN am 8. März. Anlässlich des Internationalen Frauentages präsentierte sie sich mit einem Informationsstand am Königsufer und beteiligte sich an der Demonstration "8. März - Kämpferisch! Solidarisch! Vereint im Kampf um Befreiung!". Außerdem bot sie Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Konflikten an. Diese äußerte sich in regelmäßig stattfindenden Sprechstunden sowie in der Organisation ju155 LINKSEXTREMISMUS - rote hilFe e. V. ristischen Beistands für Betroffene bei "Arbeitskämpfen". Die FAU DresDeN brachte sich zudem aktiv im Themenfeld "Antirepression" ein. Beispielhaft dafür stand ihre Teilnahme an der "anarchistischen feministischen Anti-Knast-Kundgebung" am 6. März vor der JVA Chemnitz. Leipzig Im Berichtszeitraum führte die FAU leiPzig öffentlichkeitswirksame Aktionen für eigene Mitglieder durch. Wie in den Vorjahren unterstützte sie im Rahmen von Kundgebungen Arbeitskämpfe ihrer Mitglieder im Gastronomiegewerbe und berichtete zudem in den sozialen Medien ausführlich über anhängige bzw. abgeschlossene Verfahren bei Arbeitsgerichten. Um ihren Bekanntheitsgrad und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit weiter zu erhöhen, setzt die FAU leiPzig bewusst auf die Nutzung verschiedener Kanäle in den sozialen Medien und bietet regelmäßige Beratungen in ihrem Büro an. Fazit Unverändert macht die FAU insbesondere durch die Unterstützung lokaler Arbeitskämpfe sowie die Mobilisierung für und Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen, wie am 8. März ("Feministischer Kampftag") oder am 1. Mai, auf sich aufmerksam. Ihr Personenpotenzial ist stabil, konzentriert sich aber weiter vorrangig in den urbanen Zentren. Dort sind die Syndikate schwerpunktmäßig mit Beratungen und Versammlungen im Bereich prekärer Beschäftigungsverhältnisse bei Lieferund Kurierdiensten beschäftigt, was ihrem Verständnis von anarchosyndikalistischer "Basisarbeit" entspricht. 5.6 Rote hilFe e. v. (RH) Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Gründung: 1975 Hauptorganisation/ übergeordnete Rote hilFe e. v. Gruppierung: Teilorganisationen in RH oRtsgRuPPe leiPzig Sachsen: RH oRtsgRuPPe DResDen RH RegionalgRuPPe süDWestsachsen (oRtsgRuPPen chemnitz unD Plauen) Finanzierung: Mitgliedsbeiträge anlassbezogene Spendenaktionen Internetauftritte: Internetseiten sowie Profile sächsischer Ortsund Regionalgruppen und der Bundesorganisation auf Twitter Publikation: "Die Rote Hilfe" (vierteljährlich und als Onlinemagazin) 156 LINKSEXTREMISMUS - rote hilFe e. V. Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 550107 ca. 550108 bundesweit 13.100 12.100109 Kurzporträt/Ziele: Ziel des Vereins ist die juristische und finanzielle Unterstützung von Strafund Gewalttätern des "linken" Spektrums, z. B. bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten. Die Funktion des Vereins besteht darin, den inneren Zusammenhalt im Linksextremismus zu stärken und seine Strukturen aktionsfähig zu halten Neben Linksextremisten gehören auch Nichtextremisten zu den Vereinsmitgliedern. Ereignisse/ konstante Mitgliederzahlen in Sachsen Entwicklungen 2022: Aktionsschwerpunkt "Antirepressionsarbeit" Ideologie Die RH wird von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragen. Sie versteht sich laut ihrer Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation", die sich im "Kampf gegen die staatliche Repression" und "die politische Justiz" engagiert. Die RH versteht Maßnahmen der Polizei, der Justiz und des Strafvollzugs als Mittel der Machthaber zur Herrschaftssicherung und zielt damit auf eine Diskreditierung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Institutionen ab. Deren Handeln sei rein politisch motiviert, willkürlich sowie grundund menschenrechtswidrig. So deutet die RH z. B. die Anti-Terror-Gesetze als "Feindstrafrecht, [...] das für Gegner*innen der bürgerlichen Ordnung geschaffen wurde, für die die Regeln einer 'normalen' Prozessführung und Ermittlung nicht mehr gelten" würden. Vordergründiges Anliegen der RH ist die finanzielle und politische Unterstützung von Strafund Gewalttätern des "linken" Spektrums, "die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden". Die RH unterstützt sie in Strafverfahren mit Geldbeträgen und sichert ihnen Solidarität zu. Außerdem betreut sie "politische Häftlinge", um deren Bindung an die linksextremistische Szene während der Haft und darüber hinaus zu erhalten. Strategie Die RH unterstützt einen politisch motivierten Straftäter nur dann, wenn er auch weiterhin zu seiner Tat steht. Eine Zusammenarbeit mit Behörden, z. B. zur Verringerung des zu erwartenden Straf107 Schätzung des LfV Sachsen (mit Mehrfachmitgliedschaften, also Mitgliedschaft einer Person in mehreren extremistischen Gruppierungen/Organisationen gleichzeitig) 108 Schätzung des LfV Sachsen (mit Mehrfachmitgliedschaften) 109 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2021, S. 156 157 LINKSEXTREMISMUS - rote hilFe e. V. maßes, wertet die RH als Preisgabe der politischen Positionen und als Verrat an der gemeinsamen Sache. So wird das Bestreiten eines Tatvorwurfes vom Bundesvorstand "[...] als Distanzierung von der politischen Aktion bewertet und die beantragte Unterstützung nicht bewilligt." Dies gilt auch für Fälle, bei denen die Tat "entpolitisiert" wird, indem diese beispielsweise verharmlosend als "Jugendsünde" dargestellt wird. Bereits bei Tätigung entsprechender Aussagen des Betroffenen vor Gericht kürzt die RH ihren Unterstützungssatz. Auch mittels öffentlichkeitswirksamer Informationsveranstaltungen oder veröffentlichter Stellungnahmen versucht die RH, den Rechtsstaat zu diskreditieren, der aus ihrer Sicht vor allem daran arbeite, "linken Protest zu kriminalisieren" bzw. "Widerstand" zu "diffamieren". Personenpotenzial Gegenüber dem Vorjahr ist die Mitgliederzahl der RH in Sachsen mit ca. 550 Personen konstant geblieben. Die Mitgliederzahlen der RH wirken sich nicht auf die Gesamtzahl der sächsischen Linksextremisten aus, da die Mitglieder der RH häufig zugleich Mitglied in anderen linksextremistischen Bestrebungen sind und andererseits nicht alle Mitglieder des Vereins selbst verfassungsfeindliche Zielsetzungen verfolgen. Strukturen Örtlich gliedert sich die RH in selbstständig arbeitende Ortsbzw. Regionalgruppen. In Sachsen sind dies die Ortsgruppen Leipzig, Dresden sowie die Regionalgruppe Südwestsachsen mit den Ortsgruppen Chemnitz und Plauen. Organe sind die Bundesdelegiertenversammlung und der Bundesvorstand. Die vom Bundesvorstand gefassten Beschlüsse setzen die Ortsgruppen eigenverantwortlich um. Sie sind gegenüber dem Bundesvorstand rechenschaftspflichtig. Aktivitäten Aktionsschwerpunkt der RH ist die Antirepressionsarbeit. Sie stellt Broschüren und Flyer wie zum Beispiel "Rote Hilfe Info zu Strafbefehlen" und "Was tun wenn's brennt?!" oder die sog. "Aussageverweigerungsbroschüre" zur Verfügung. Weiterhin unterstützt sie gegenwärtig die Angeklagten im Prozess gegen Lina E. und drei weitere Personen vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden. Der Generalbundesanwalt (GBA) legt den Angeklagten die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gem. SS 129 Abs. 1 StGB sowie die damit verbundene Begehung mehrerer gefährlicher Körperverletzungen und anderer begleitender Straftaten zur Last. In ihren Ortsgruppen führt die RH regelmäßig Rechtsberatungen zu Themen wie "Umgang mit Staatspost, Polizeiübergriffen und anderweitiger Repression" durch. Mit Hinweisen zum Schutz vor Strafverfolgung sowie dem Angebot politischer und materieller Hilfe mindert sie die abschreckende Wirkung strafrechtlicher Sanktionen. Sie flankiert die von ihr als besonders spektakulär empfunde158 LINKSEXTREMISMUS - r ote W eNDe l eiPzig nen Fälle von "Repression" durch entsprechende Kampagnen, Presseerklärungen oder Solidaritätskundgebungen. Die RH ortsgruPPe leiPzig war auch im Berichtsjahr die aktivste sächsische Ortsgruppe der RH. Exemplarisch für die von ihr angebotenen Veranstaltungen stehen folgende Aktivitäten: 12. Mai: Workshop "Grundlagen im Umgang mit Repressionen" in Chemnitz, 16./17. Juli: Aussteller im Rahmen der Anarchistischen Buchmesse "Radical Bookfair" in Leipzig. Fazit Die Antirepressionsarbeit ist das zentrale Aktionsfeld der RH. Während des Berichtszeitraums standen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Lina E. und drei weitere Angeklagte allerdings nicht mehr so deutlich in ihrem Fokus wie noch im Jahr 2021. Mit Näherrücken des für das 1. Halbjahr 2023 zu erwartenden Urteils in diesem Verfahren dürften sich jedoch wieder verstärkte Aktivitäten im Zusammenhang mit diesem für die gesamte RH herausragenden "Repressions"-Fall abzeichnen. Zusätzlich gilt es für die RH, weitere Verfahren gegen Linksextremisten zu begleiten, die sich aus diesem bundesweit beachteten "Antifa Ost Prozess" ergeben haben. 5.7 Rote weNDe leiPzig Sitz: Leipzig Gründung: 2016; im Jahr 2022 vom LfV als erwiesene linksextremistische Bestrebung eingestuft Hauptorganisation/ übergeordnete Rote WenDe leiPzig Gruppierung: Teilorganisationen in RevolutionäRe FRauen leiPzig Sachsen: JugenD im KamPF Finanzierung: nicht bekannt Internetauftritte: Internetseite sowie Profile auf Twitter, Instagram und Facebook Publikation: nicht bekannt Personenpotenzial/ 2022 Mitgliederentwicklung: Sachsen ca. 50 159 LINKSEXTREMISMUS - r ote W eNDe l eiPzig Kurzporträt/Ziele: Die Rote WenDe leiPzig bezeichnet sich als kommunistische Gruppe. Politisches Ziel ist die Etablierung einer aus marxistischer Sicht klassenlosen Gesellschaft in Leipzig. Ereignisse/ Aktionsschwerpunkte "Antikapitalismus" und "Antifaschismus" Entwicklungen 2022: Gewaltanwendung wird als legitimes Mittel zum Zweck betrachtet Ideologie Das Bekenntnis der roteN WeNDe leiPzig als "traditionell kommunistische" Gruppierung ist als eine klare Ablehnung der grundgesetzlichen Ordnung zu verstehen. Dieses Selbstverständnis manifestiert die Gruppe regelmäßig in Beiträgen auf ihrer Internetseite sowie ihren Profilen in den sozialen Medien. Aus ihrer Sicht braucht es eine grundlegende Umwälzung der Eigentumsund Produktionsverhältnisse, einhergehend mit der Abschaffung des bürgerlichen Staates. Der bürgerliche Staat und seine politische Ordnung, wie sie im Grundgesetz niedergelegt ist, werden als Instrument des Kapitalismus zur Unterdrückung der Arbeiterklasse verstanden. Stattdessen propagiert die rote WeNDe leiPzig eine "befreite, klassenlose Gesellschaft". Das Ziel ist die Errichtung des Kommunismus unter der Herrschaft einer führenden Partei, was mit den Grundsätzen der Volkssouveränität nicht vereinbar ist. Revolutionärer Klassenkampf und Diktatur des Proletariats, die zur angestrebten kommunistischen Idealgesellschaft führen, schließen demnach eine Beteiligung des ganzen Volkes an allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen aus. Eine Einparteienherrschaft ist zudem mit den Prinzipien der Parteienvielfalt und der Ausübung von Opposition nicht zu vereinbaren. In einer Diktatur des Proletariats wären weder die Meinungsfreiheit noch die Chancengleichheit anderer politischer Parteien gewahrt. Der kommunistischen Ideologie sind rechtsstaatliche Erwägungen fremd. Diese sind nach Lesart der Gruppierung stattdessen Ausdruck der bürgerlichen Gesellschaft mitsamt ihrer als "Klassenjustiz" delegitimierten Justizund Sicherheitsbehörden. Recht und Gesetz haben keinen Selbstzweck, sondern eine der Ideologie dienende Funktion. Dieser Aspekt der kommunistischen Ideologie lehnt die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung ebenso wie die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht vollständig ab. Das Eintreten der roteN WeNDe leiPzig für einen gewalttätigen Antifaschismus und gegen Exekutivmaßnahmen der Polizei - wie zum Beispiel mittels Solidaritätsaktivitäten für die Betroffenen von Wohnungsdurchsuchungen in Leipzig oder für inhaftierte Linksextremisten wie Lina E. - ist zudem dazu geeignet, das Gewaltmonopol des Staates und das Recht auf körperliche Unversehrtheit einer jeden Person in Frage zu stellen. So äußerte sich die Gruppierung am 3. August 2022 in einem Beitrag auf ihrem Instagram-Account wie folgt: 160 LINKSEXTREMISMUS - r ote W eNDe l eiPzig "Denn die Aufgabe der Justiz und der Polizei ist einzig auf die Erhaltung des Status Quo ausgerichtet. Jede aufrührerische Handlung gegen die rechtsoffenen Bullen oder den alltäglichen Wahnsinn wird verpuffen, wenn nicht an den Grundpfeilern der Gesellschaft gerüttelt wird." Strategie Die Gruppe ist in den sozialen Medien präsent, baut regional und überregional Kontakte zu anderen linksextremistischen Gruppen und Bündnissen auf und zeigt sich regelmäßig bei öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen, Kundgebungen, Gedenkund Solidaritätsveranstaltungen. Die rote WeNDe leiPzig besetzt inhaltlich grundsätzlich anschlussfähige Themen wie Antikapitalismus, Antimilitarismus, Antirepression oder Klimaschutz. Ziel ist es, mit ihren Positionen Sympathisanten zu politisieren, zu organisieren und zu mobilisieren. Dabei wendet sie sich auch gezielt an Jugendliche und Heranwachsende. Personenpotenzial Im Berichtsjahr waren bei Demonstrationen etwa 50 Personen der roteN WeNDe leiPzig zuzurechnen. Nach Eigenangaben bewegt sich ihre Mitgliederzahl angeblich jedoch im hohen zweistelligen Bereich. Auf ihren Social Media-Kanälen (Instagram) bezeichnen sich auch die Gruppen JugeND im kamPF und reVolutioNäre FraueN leiPzig als zur roteN WeNDe leiPzig zugehörig. Aktivitäten Die rote WeNDe leiPzig ist eine aktionsorientierte Gruppierung, die im Berichtszeitraum durch die öffentlichkeitswirksame Durchführung eigener Demonstrationen sowie die aktive Beteiligung an Veranstaltungen anderer Gruppierungen in Erscheinung trat. Ihre Aktivitäten konzentrierten sich dabei schwerpunktmäßig auf Leipzig. Aufgrund ihrer Nähe zu anderen Gruppierungen im linksextremistischen Bündnis PersPektiVe kommuNismus gibt es aber auch Kennverhältnisse mit gewaltbereiten Gruppen im gesamten Bundesgebiet. Die Gruppierung ist im Gegensatz zu anderen autoritär kommunistischen Strukturen innerhalb der Leipziger linksextremistischen Szene nicht isoliert, sondern konnte sich wiederholt mit ihren Transparenten in spektrenübergreifende Demonstrationen von Linksextremisten in Leipzig einreihen. So organisierte die rote WeNDe leiPzig nach einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme am 27. Januar eine Antirepressionsdemonstration unter dem Motto "Solidarität ist eine Waffe! Zusammen gegen Staatsterrorismus", an der sich auch autoNome beteiligten. Die rote WeNDe leiPzig äußerte im Berichtszeitraum im Rahmen von Versammlungen mehrfach öffentlich ihre Positionen. So griff sie beispielsweise am 5. September in Leipzig während der Versammlung "Wir zahlen nicht für eure Krise! Kein Fußbreit den Faschisten" aktuelle politische Themen wie Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg auf. Die Ursache all dieser Probleme sei demnach der Kapitalismus und die Lösung in der logischen Folge der Kommunismus. Durch einen Klassenkampf 161 LINKSEXTREMISMUS - r ote W eNDe l eiPzig sei diese Lösung zu erreichen. Verbunden wird dieses zentrale Thema der roteN WeNDe leiPzig mit den klassischen Aktionsfeldern von Linksextremisten, wie beispielsweise Antifaschismus, Antirepression und Antimilitarismus. Bei den Demonstrationen agiert die rote WeNDe leiPzig oftmals als geschlossener Block mit eigenem Fronttransparent, die Mitglieder führen rote Stockfahnen und rote Schlauchschals zur Vermummung mit - teils mit "Hammer und Sichel"-Symbol. Die Personen treten dabei mitunter aggressiv gegen angebliche politische Gegner aber auch vermeintlich "störende" Unbeteiligte auf. Auch in ihren Äußerungen zeigt sich, dass die Gruppierung den Einsatz von Gewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele nicht ablehnt. "Militanter Antifaschismus" oder eine "kämpferische Praxis" gegen "Faschisten" seien demnach legitim, und "Bullenpräsenz in ihrem Viertel" werde man nicht "unbeantwortet" lassen. Darüber hinaus müsse der "antifaschistische Selbstschutz im Kampf gegen Faschisten in der sächsischen Polizei und Justiz" organisiert werden. Die Aktionsund Gewaltorientierung - verbal geäußert oder ausgeübt durch einzelne Mitglieder bei Versammlungen - unterscheidet die Gruppe von orthodox-kommunistischen Parteien. Fazit Die rote WeNDe leiPzig hat im Berichtszeitraum zahlreiche Aktivitäten entwickelt, sich nach eigener Aussage strukturell und personell stabilisiert und Mitglieder gewonnen. Die Gruppe hat sich offensichtlich in Leipzig etabliert und kann als akzeptierter Teil der linksextremistischen Szene betrachtet werden. Die Gruppierung beteiligte sich an zahlreichen - auch überregionalen - Demonstrationen und organisierte teils auch eigene Versammlungen. Das Aktionsniveau kann insgesamt als ansteigend beschrieben werden. Die rote WeNDe leiPzig bietet als kommunistische Organisation vor dem Hintergrund der Zuspitzung verschiedener Krisen (u. a. Energiepreise, Inflation, Ukraine-Krieg, Klimawandel) eine eindeutige (radikale) Position an und kann diese konsequent vertreten. Hinzu kommt eine propagierte und schon teilweise ausgeübte Straßen-Militanz, welche insbesondere bei jüngerem und aktionsorientiertem Milieu Anklang findet. Kompromissloses Auftreten und klare Botschaften sorgen offenbar für Anziehungskraft und eine insgesamt dynamische Entwicklung kommunistischer Gruppierungen jenseits der verkrusteten Strukturen orthodox-kommunistischer Parteien. 162 LINKSEXTREMISMUS - Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen 5.8 Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen Unter diesem Oberbegriff werden jene Bestrebungen zusammengefasst, die sich zu den Theorien von Marx, Engels und Lenin, der These vom Klassenkampf sowie zur Diktatur des Proletariats bekennen. Gemeinsamer weltanschaulich-politischer Nenner dieser orthodox-kommunistischen Gruppierungen ist die Ablehnung der Grundlagen und Wertvorstellungen des demokratischen Verfassungsstaates. Ziel ist die Auflösung der Institutionen der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie. Zu den orthodoxen Gruppierungen zählen die kommuNistische PlattForm der Partei "Die Linke" (KPF), die Deutsche kommuNistische Partei (DKP) und die marxistisch-leNiNistische Partei DeutschlaNDs (MLPD). Ideologie und Strategie Die DKP und die KPF bekennen sich zu den Lehren von Marx, Engels und Lenin. Die Errichtung des Sozialismus soll demnach auf revolutionärem Wege durch die Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgen. So heißt es im nach wie vor aktuellen Programm der DKP: "Der Sozialismus kann nicht auf dem Weg von Reformen, sondern nur durch tiefgreifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnisse erreicht werden." Die Präambel der MLPD weist in dieselbe Richtung: "Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr grundlegendes Ziel ist der Sturz der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Deutschland als Teil der internationalen sozialistischen Revolution." Im Unterschied zu anderen orthodox-kommunistischen Gruppierungen, die sich kaum noch offen auf Stalin oder Mao Tse-tung beziehen, ist bei der MLPD hingegen ein offensives Bekenntnis zu diesen Diktatoren festzustellen. Dies zeigt, dass die MLPD im Gegensatz zur DKP oder KPF nicht nur marxistisch-leninistisch, sondern auch stalinistisch und maoistisch ausgerichtet ist. Mit ihrem ausgeprägten ideologischen Dogmatismus und dem exklusiven Anspruch auf den "wahren Sozialismus" stößt die MLPD jedoch ebenso wie die eng am orthodoxen Marxismus orientierten Gruppierungen DKP und KPF selbst im orthodox-kommunistischen Spektrum auf geringe Akzeptanz. Sie ist auch deswegen weitgehend isoliert. Personenpotenzial Orthodoxe linksextremistische Gruppierungen verfügen im Freistaat Sachsen über ein Potenzial von ca. 80 Personen. Diese haben allerdings nur einen marginalen Einfluss auf den Linksextremismus in Sachsen. 163 LINKSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "links" Aktivitäten Aufgrund ihres insgesamt geringen Personenpotenzials, aber auch wegen ihrer strukturellen Schwächen, beschränken sich Aktionen dieser Gruppierungen überwiegend auf interne Treffen, Vortragsveranstaltungen und Veröffentlichungen im Internet. Gelegentlich treten orthodoxe linksextremistische Organisationen mit eigenen Kundgebungen oder Informationsständen öffentlich auf oder beteiligen sich an nicht extremistischen Versammlungen. Fazit Orthodox-kommunistische Parteien oder Gruppierungen sind aufgrund ihres inhaltlichen Dogmatismus sowie ihrer autoritär-zentralistischen Strukturen innerhalb der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert. Aufgrund des überwiegend hohen Alters ihrer Mitglieder sind sie auch nicht im Bereich des aktionsorientierten Linksextremismus vertreten. Mit ihren Aktivitäten erreichen sie nur wenige Personen. 5.9 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund Im Freistaat Sachsen ist die Gesamtzahl der linksextremistischen Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um ca. 26 % und damit deutlich zurückgegangen. Demgegenüber stieg die Anzahl der Gewaltdelikte im Vergleich zum Vorjahr um ca. 53 %. Der Anteil der Gewalttaten am gesamten linksextremistischen Straftatenaufkommen lag im Berichtsjahr bei ca. 23 % und erreichte damit im Vergleich zu den Vorjahren einen neuen Höchststand. Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 1.500 1.286 1.084 1.003 1.000 742 628 500 230 117 174 n linksextrmistische 115 114 Straftaten insgesamt 0 n davon Gewalttaten 2018 2019 2020 2021 2022 164 LINKSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "links" Wie schon in den Vorjahren wurden die meisten linksextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten in den Städten Leipzig und Dresden - den Zentren der autoNomeN szeNe in Sachsen - verübt. Dabei ist festzustellen, dass nur in Leipzig die Strafund Gewalttaten deutlich über dem Niveau des Vorjahres lagen. Dresden und Chemnitz hingegen folgten dem sachsenweiten Trend: Dort war gegenüber dem Vorjahr ein deutlicher Rückgang der Straftaten zu verzeichnen. In den Landkreisen lag das Straftatenaufkommen weiterhin auf niedrigem Niveau. In den drei Großstädten wurden etwa 82 % aller linksextremistischen Straftaten begangen (2021: ca. 76 %). Bei den Gewalttaten ist die unterschiedliche Verteilung zwischen Großstädten und dem ländlichen Raum noch deutlicher. Ca. 95 % aller Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund wurden in Leipzig, Dresden und Chemnitz registriert (2021: ca. 92 %). Das Gewalttatenaufkommen entwickelte sich in den Großstädten dabei unterschiedlich. Während in Leipzig ein signifikanter Anstieg um ca. 66 % zu verzeichnen war, blieben die Gewalttaten in Dresden und Chemnitz hingegen auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Verantwortlich für die rückläufige Entwicklung der Gesamtzahl dürften einerseits die Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gewesen sein. Andererseits geht das LfV Sachsen davon aus, dass aufgrund von Ermittlungstätigkeiten und Exekutivmaßnahmen der Sicherheitsbehörden Teile der linksextremistischen Szene verunsichert waren und demzufolge zurückhaltender agierten. Das trifft allerdings nicht auf die Szene in Leipzig zu. Gemessen am Straftatenaufkommen zeigten sich die dort ansässigen Linksextremisten unbeeindruckt von den Exekutivmaßnahmen bzw. nahmen diese sogar zum Anlass für die Begehung von Straftaten. Der deutliche Anstieg der Gewaltdelikte im Berichtsjahr ist ein Indiz dafür, dass für Linksextremisten die Anwendung von Gewalt weiterhin ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist, mit dem Ziel, den politischen Willensbildungsprozess in ihrem Sinne zu beeinflussen. Beispielgebend für diese Einschätzung sind vor allem folgende, mutmaßlich linksextremistisch motivierte Gewalttaten: Am 25. Januar setzten unbekannte Täter fünf Elektro-Fahrzeuge des Ordnungsamtes Leipzig in Brand. Dem Tatbekenntnis zufolge wollten die Akteure "der durch die pandemische Lage stattfindenden Aufrüstung der Kontrollund Repressionsorgane (...) etwas entgegensetzen." Am 25. Juli beleidigten etwa zehn unbekannte Täter in Leipzig den Geschädigten und schlugen anschließend auf ihn ein. Der Geschädigte nahm zuvor an einer coronakritischen Demonstration teil und wurde dem "Lager" des politischen Gegners zugerechnet. Am 3. November wurde in Leipzig ein PKW auf dem Gelände der Firma WISAG in Brand gesetzt. Das Fahrzeug brannte vollständig aus. Im Tatbekenntnis wurden der Jahrestag der Verhaftung von Lina E.110 und die "aktuelle Repressionswelle gegen Antiautoritäre und Linke in der BRD" 110 vgl. Kapitel II 5.3 Aktionsfelder und Aktionsformen 165 LINKSEXTREMISMUS - Politisch motivierte Kriminalität "links" als Anlass für die Aktion angegeben. Die Firma WISAG sei ausgewählt worden, weil sie "in der Sicherheitsund Reinigungsbranche schmutzige Geschäfte" mache und sich "an Krieg, der Klimakatastrophe, Verdrängung und Einsperrung sowie der Ausbeutung von Menschen" beteilige. Aufteilung nach Landkreisen und kreisfreien Städten linksextremistische Straftaten darunter Gewalttaten 2020 2021 2022 2020 2021 2022 Leipzig (Stadt) 472 327 445 165 80 133 Dresden (Stadt) 335 386 135 53 24 26 Chemnitz (Stadt) 78 45 30 2 1 7 Vogtlandkreis 12 21 5 0 0 1 Lkr. Zwickau 32 32 16 0 0 2 Erzgebirgskreis 14 36 6 0 0 0 Lkr. Mittelsachsen 30 41 36 1 2 0 Lkr. Meißen 16 14 18 0 0 1 Lkr. Sächs.Schweiz- 4 20 15 0 0 1 Osterzgebirge Lkr. Bautzen 29 13 14 1 1 1 Lkr. Görlitz 20 25 5 1 0 0 Lkr. Leipzig 30 28 12 6 2 2 Lkr. Nordsachsen 12 15 5 1 4 0 Freistaat Sachsen 1084 1003 742 230 114 174 166 6. Islamismus Personenpotenzial bleibt im Bundesvergleich weiterhin auf niedrigem Niveau bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen Schwerpunkte salafistischer Strukturen in Leipzig Legalistischer Islamismus mit "Wolf im Schafspelz"Strategie konzentriert sich auf Dresden. abstrakte Gefahr von Terroranschlägen ISLAMISMUS - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 6.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Der Islam als Religion und seine Ausübung werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Dem gesellschaftlichen Beobachtungsauftrag unterliegen jedoch islamisch-extremistische, d. h. religiöspolitisch motivierte Organisationen und Einzelpersonen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Die Begriffe "Islam" und "Islamismus" sind deshalb deutlich voneinander zu unterscheiden. Islamismus beginnt dort, wo islamische Gebote und Normen für politische Handlungsanweisungen instrumentalisiert werden. Sämtliche Strömungen des Islamismus, so etwa der Salafismus, missbrauchen die Religion bewusst für ihre politischen Zielsetzungen. Dabei werden lediglich solche Teile der religiösen Überlieferungen zitiert und häufig auch passend umgedeutet, welche extremistische Narrative stützen. Islamisten sehen im Islam nicht nur eine Religion, sondern auch ein rechtliches Rahmenprogramm für die Gestaltung aller Lebensbereiche - angefangen von der Staatsorganisation über zwischenmenschliche Beziehungen bis hin zu Vorgaben für das Privatleben jedes Einzelnen. Die von ihnen propagierte Existenz einer von Gott gewollten und demzufolge "wahren" und absoluten Ordnung steht hiernach über den von Menschen gemachten Regeln und Gesetzen. Unter Berufung auf die Religion streben Islamisten somit die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an und wollen diese durch ein ausschließlich auf Koran, Sunna111 und Scharia112 basierendes Gesellschaftssystem ersetzen bzw. umgestalten. Damit stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. 111 Sunna ("gewohnte Handlung, eingeführter Brauch") bezeichnet im Islam die Tradition bzw. die Handlungsweisen des Propheten Muhammad, die in der islamischen Glaubensund Pflichtenlehre die zweite Quelle religiöser Normen nach dem Koran darstellen. 112 Als Scharia wird das gesamte islamische Rechtsund Wertesystem bezeichnet. 168 ISLAMISMUS - Personenpotenzial 6.2 Personenpotenzial Anzahl der Islamisten im Freistaat Sachsen113 600 525 n Islamismus 500 gesamt 500 450 450 n darunter 430 Salafisten 400 390 350 300 300 270 270 270 270 230 210 190 200 200 190 170 130 100 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Wie in den Vorjahren bewegt sich das islamistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen im Bundesvergleich auf niedrigem Niveau (450 Personen). Dies gilt auch für das salafistische Personenpotenzial als Teilmenge des islamistischen Personenpotenzials, das im Freistaat Sachsen seit einigen Jahren, so auch im Jahr 2022, etwa 270 Personen ausmacht. Es umfasst sowohl politische als auch jihadistische Salafisten. Im Berichtsjahr gingen im LfV Sachsen weiterhin zahlreiche Hinweise auf salafistische Sachverhalte ein. Die Spannweite reichte hierbei von Verleumdungen bis hin zu wertigen und relevanten Informationen. Die hohe Anzahl dieser Meldungen ist u. a. auf die stärkere Sensibilisierung deutscher Behörden wie auch der Gesellschaft im Allgemeinen zurückzuführen. 113 Das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen wird erst seit dem Jahr 2014 gesondert erhoben, sodass für die Jahre zuvor diesbezüglich keine Werte vorliegen. 169 ISLAMISMUS - Erscheinungsformen des Islamismus 6.3 Erscheinungsformen des Islamismus 6.3.1 Legalistischer Islamismus Definition Sog. legalistische islamistische Gruppierungen verfolgen ihre extremistischen Ziele mit politischen Mitteln innerhalb einer bestehenden Rechtsordnung. Sie bestehen auf einer strikten Auslegung des Korans, die nach ihrer Auffassung unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig sei. Eine unmittelbare Gefährdung geht von diesen Gruppierungen nicht aus, da sie nicht gewaltorientiert sind. Ideologie Ideologische Richtschnur für legalistische islamistische Gruppierungen sind die Weisungen der Scharia. Nach ihrer Auffassung darf die Scharia als islamische Rechtsund Lebensordnung nicht relativiert werden. Ein Großteil ihrer ideologischen Grundsätze ist jedoch unvereinbar mit den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates, der Religionsfreiheit und einer auf der Menschenwürde, der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Volkssouveränität basierenden politischen Ordnung. Ziel legalistischer Islamisten ist es, zunächst nur Teilbereiche der Gesellschaft zu manipulieren und zu ideologisieren, wie z. B. durch direkte Einflussnahme im Bildungswesen. Langfristig streben sie aber die Umformung des demokratischen Rechtsstaates in einen islamistischen Staat an. Strategie Legalistische Islamisten verfolgen eine Doppelstrategie ("Wolf im Schafspelz"): Sie sind bestrebt, mittels Lobbyarbeit ihre auf islamistischer Ideologie basierenden Vorstellungen zum gesellschaftlichen und individuellen Leben auf legalem Weg sowie unter Ausnutzung der Möglichkeiten des deutschen Rechtsstaates durchzusetzen. Repräsentanten dieser Organisationen geben sich in der Öffentlichkeit offen, tolerant und dialogbereit. Unter Vortäuschung demokratischer Absichten versuchen sie, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu erlangen. Nach innen bzw. in den Gemeinden sind sie jedoch bestrebt, insbesondere junge Muslime von ihren islamistischen Positionen für ein Scharia-konformes Leben zu überzeugen. Dabei werden auch solche Prinzipien und Werte vermittelt, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind und darüber hinaus die Entwicklung islamistisch geprägter Parallelgesellschaften unterstützen. In Deutschland und damit auch im Freistaat Sachsen werden legalistische Islamisten hauptsächlich in drei Bereichen aktiv: Einflussnahme auf die Politik, Mitgliedergewinnung und Bildungsarbeit. Dabei sind sie oftmals in übergeordneten muslimischen Verbänden organisiert. Mittels dieses "Sprachrohrs" versuchen sie, bestimmte gesellschaftliche Themen, wie die staatliche Imam-Ausbildung oder den islamischen Religionsunterricht, zu beeinflussen und sich dem Staat als Ansprechpartner für 170 ISLAMISMUS - Legalistischer Islamismus die Belange von Muslimen anzubieten. Zudem versuchen sie, für ihre jeweilige Organisation und im Sinne der Ideologieverbreitung neue Mitglieder zu werben. Hierzu unterhalten sie Moscheeund Kulturvereine oder organisieren Vorträge und andere Veranstaltungen. Auch die Jugendund Bildungsarbeit ist ein wichtiger Bereich, in dem sie aktiv sind. Es werden Koranund Sommerschulen sowie zielgruppenorientierte Schulungsund Freizeitaktivitäten in Deutschland organisiert. Die Jugendund Bildungsarbeit dient vor allem dem Zweck, die eigene Islaminterpretation zu verbreiten, um damit geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren.114 Strukturen muslimbRudeRschaFt (MB) Gründung: 1928 in Ägypten von Hassan AL-BANNA Leitung: Muhammad BADI Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) Personenpotenzial/ 2022 2021 Mitgliederentwicklung: Sachsen 30 30 Bundesweit 1.450 1.450 Kurzporträt/Ziele: weltweit älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten Ziele: Errichtung eines islamischen Staates auf Grundlage der Scharia Keine Trennung zwischen Staat und Religion Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Ziel der MB ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage der Scharia. Eine Trennung von Religion und Staat ist nach ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie demnach nicht denkbar. Ein säkularer Staat wird gemäß dem Leitspruch "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser Wunsch" ausdrücklich abgelehnt. Diese Ideologie sowie die von der MB angestrebte islamistische Staatsform sind nicht mit demokratischen Grundprinzipien, wie dem Recht auf freie Wahlen, dem Recht auf Gleichbehandlung sowie der Meinungsund Religionsfreiheit, vereinbar. Zahlreiche islamistische, zum Teil auch terroristische Organisationen, wie die palästinensische hamas, sind aus der MB hervorgegangen. Seit den 1970er-Jahren spricht sich die MB für den Verzicht 114 vgl. Broschüre "Islamismus: Entstehung und Erscheinungsformen", Bundesamt für Verfassungsschutz, September 2013, S. 21-23 171 ISLAMISMUS - Legalistischer Islamismus auf Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele aus. Davon ausgenommen ist jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter vor allem Israel verstanden wird. Die "Wolf im Schafspelz"-Strategie legalistischer Islamisten wurde in Ägypten während des sog. Arabischen Frühlings besonders deutlich. So stellte die MB von 2011 bis 2013 nicht nur die stärkste Fraktion im Parlament, sondern mit Mohammed MURSI von 2012 bis 2013 auch den Staatspräsidenten. In dieser Zeit zeigte sich, dass die Muslimbrüder nicht Teil eines demokratischen Systems sind, sondern dass sie demokratische Wahlen als Sprungbrett nutzen wollten, um ihre Vorstellung von einem islamistisch geprägten politischen System durchzusetzen. Dies wurde zum Beispiel am ersten Entwurf für eine neue Verfassung, der ausschließlich von Muslimbrüdern und salafistischen Gruppierungen erarbeitet wurde, deutlich. Er sah neben einer massiven Beschneidung von Frauenrechten die Pflicht zur Überprüfung jedes neuen Gesetzes durch islamistische Gelehrte auf seine Islamkonformität vor.115 Nach der Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter Präsident Abdel FATTAH-AL-SISI im Juli 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. Aktivitäten In Deutschland tritt die MB zwar nicht offen in Erscheinung, wird aber von Organisationen wie der DeutscheN muslimischeN gemeiNschaFt (DMG) als Teil einer weltweiten "islamischen Bewegung" angesehen. Eine weitere Organisation aus dem Spektrum der MB ist der marWa elsherBiNy kulturuND BilDuNgszeNtrum DresDeN e. V. (MKBD) im Freistaat Sachsen. Auch in Europa ist die MB mit einer Vielzahl von Organisationen vertreten, wie z. B. der "FöDeratioN Der islamischeN orgaNisatioNeN iN euroPa" (FIOE) mit Sitz in Brüssel und dem "euroPäischeN FatWa-rat" (ECFR) mit Sitz in Dublin. deutsche muslimische gemeiNschaFt e. v. (DMG) Sitz: Berlin (vormals Köln) Gründung: 1960 Vorsitz: Khallad SWAID (seit 2017) Mitglieder/Anhänger: siehe Personenpotenzial zur MB Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Die DMG ist die wichtigste und zentrale Organisation der Anhänger der MB in Deutschland. In Sachsen ist sie jedoch nicht offiziell vertreten. Bis September 2018 nannte sie sich islamische gemeiNschaFt 115 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2020, S. 246 172 ISLAMISMUS - Legalistischer Islamismus iNDeutschlaND. Die Umbenennung in Deutsche muslimische gemeiNschaFt soll die Verbundenheit ihrer Mitglieder mit Deutschland suggerieren. Die DMG tritt gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als dialogbereiter Vertreter eines gemäßigten, weltoffenen Islam auf. Sie verfolgt eine gewaltfreie, an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich, vermeidet bei öffentlichen Auftritten bewusst verfassungsfeindliche Äußerungen und jedwedes Bekenntnis zur MB. Zahlreiche, nach außen hin verschleierte Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der DMG zum weltweiten MB-Netzwerk.116 Mit dieser Taktik verfolgt die DMG das Ziel, mittelbis langfristig eine führende und im Sinne islamistischer Zielvorstellungen relevante Einflussgröße zu werden. Die DMG richtet sich somit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Aktivitäten Die DMG unterhält eigene Moscheen und Gemeindezentren und koordiniert darüber hinaus nach eigenen Angaben ihre Aktivitäten mit über 100 weiteren islamischen Gemeinden in ganz Deutschland.117 maRwa elsheRbiNy kultuRuNd bilduNgszeNtRum dResdeN e. v. (mkbd) Sitz: Dresden Gründung: 2009 Vorsitz: Dr. Saad ELGAZAR Internetauftritt: Internetseite, Facebook Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Vorstand und somit Entscheidungsträger des MKBD ist Dr. Saad ELGAZAR, welcher der MB zuzuordnen ist. Auch liegen Anhaltspunkte für Kontakte des MKBD zu den extremistischen Gruppierungen MB bzw. DMG vor. Der Verein MKBD zielt nach außen hin u. a. auf die Förderung der Kultur, der Religion und der Integration von Migranten in die hiesige Gesellschaft ab und betont dabei die Bedeutung des Gedankens der Völkerverständigung sowie der Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Getarnt unter diesem Deckmantel ist das MKBD jedoch vielmehr bestrebt, den hier lebenden Muslimen die extremistische Ideologie der MB bzw. der DMG nahe zu bringen und zu verbreiten. 116 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2020, S. 247 117 vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2020, S. 247 173 ISLAMISMUS - Legalistischer Islamismus Aktivitäten Über einen Zeitraum von einigen Jahren hat Dr. Saad ELGAZAR im Internet in öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken zahlreiche Beiträge veröffentlicht, mit denen er ein eindeutiges und offenes Bekenntnis zur extremistischen MB abgab, ihre Aktivitäten begrüßte und darüber hinaus auch eine antisemitische Weltanschauung erkennen ließ. So verbreitete ELGAZAR im Internet Beiträge von führenden und einflussreichen MB-Vertretern bzw. berichtete über diese, so auch über Yusuf AL-QARADAWI (inoffizielle Leitfigur und Chefideologe der MB), Hassan AL-BANNA (Gründer der MB), und Sayyid QUTB (einstiger Hauptideologe der MB). In seinen Äußerungen und Kommentaren unterstrich er die religiösen Leistungen dieser Personen für die MB und rief die Muslime dazu auf, den wahren Kern des Islam zu leben. Gemeint ist in diesem Zusammenhang das Islamverständnis der zitierten MB-Ideologen. ELGAZAR verfasste darüber hinaus auch Artikel, z. B. unter der Überschrift "Die Lösung ist die Muslimbruderschaft", welche die MB als beste Lösung für alle aktuellen Probleme in Ägypten präsentieren. Einige seiner Äußerungen in sozialen Netzwerken spiegelten zudem eine antisemitische Grundeinstellung wider: So teilte ELGAZAR im September 2016 ein Video, in welchem eine Landkarte Palästinas ohne Israel gezeigt wurde. Zudem wurde der Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete, Mahmud ABBAS, als Verräter bezeichnet. ELGAZAR kommentierte das Video wie folgt: "Es gab für uns ein Land mit dem Namen Palästina - und wird es (wieder) werden." 118 Dieses Video steht im Einklang mit der Ideologie der MB und der HAMAS, dem palästinensischen Arm der MB. ELGAZAR stellte sich damit sowohl durch das Teilen des Beitrages als auch mit seinem Kommentar eindeutig auf die Seite dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Seine Nähe zur MB stellte ELGAZAR auch im Jahr 2022 unter Beweis. Anlässlich des Todes des religiösen Führers der muslimBruDerschaFt, Yusuf AL-QARADAWI, am 26. September widmete ELGAZAR ihm eine Freitagspredigt. Dabei würdigte er ihn als einen besonderen Muslim. Seine außergewöhnliche Wertschätzung für den MB-Chefideologen kam auch in einem Trauergebet und zahlreichen, von ihm veröffentlichten Facebook-Beiträgen zum Ausdruck. So postete ELGAZAR auf seinem FacebookAccount diesbezüglich insgesamt 14 Beiträge, darunter auch verschiedene Videos und einen Link zur Internetseite des verstorbenen Scheichs. ELGAZAR selbst verfasste acht Kommentare zu seinen eigenen Beiträgen. Er betitelte AL-QARADAWI darin folgendermaßen: "der reformierende Rechtsgelehrte", "der erziehende Mujahed" 119, "der Imam seiner Zeit", "ein fleißiger Rechtsgelehrter", "ein aufgeklärter Denker" usw. In der Abschiedsrede des Scheichs war für ELGAZAR eine "göttliche, wohltätige und zukünftige Vision für die Nation" erkennbar. Laut ELGAZAR habe AL-QARADAWI eine "rationale, moderate Sichtweise" 118 Schreibweise wie im Original 119 Der Ausdruck Mujahed ist gleichzusetzen mit der Bezeichnung Mudschahid. Das Wort wird im Zusammenhang mit dem Islam verwendet und bezeichnet in der Regel islamistische Kämpfer oder islamistische Guerilla-Gruppierungen. Islamistische Widerstandskämpfer und Terrorgruppen nennen sich selbst Mudschahidin. 174 ISLAMISMUS - Politischer und jihadistischer Salafismus gehabt. Mit dieser Aussage billigte ELGAZAR das vom Scheich geprägte Konzept der "Wasatiyya"120, bei welchem es sich trotz der Bezeichnung nicht um ein gemäßigtes, sondern stattdessen um ein mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarendes Islamverständnis handelt. Schließlich wurde die Schaffung eines weltweit umfassenden islamischen Staates mit der Scharia als alleiniger Rechtsgrundlage als Ziel der MB wiederholt von AL-QARADAWI ausgesprochen und als langfristiges Ziel festgelegt. Darüber hinaus befürwortete er die Todesstrafe für Homosexuelle und glorifizierte Selbstmordattentäter als "Märtyrer". Einige der von ELGAZAR geposteten Facebook-Beiträge beinhalteten auch AL-QARADAWIs antiisraelische Haltung, wie z. B. folgende Äußerungen: "Es ist eine Schande, dass ein Muslim seinen Pass mit dem israelischen Siegel stempeln lässt und unter der israelischen Flagge und unter dem israelischen Schutz einreist.... Ich habe die Hoffnung, dass Allah (...) mein Augenlicht auf die Eroberung der Al-Aqsa-Moschee blicken lässt, so wie er mein Augenlicht auf den Sieg Ägyptens blicken ließ." Darüber hinaus befasste sich ELGAZAR im Berichtsjahr im Rahmen seiner Imam-Tätigkeit u. a. auch mit den Themen "Zeitgenössische Familienprobleme", Ehestreitigkeiten" und "Umgang mit Frauen". Exemplarisch soll hier auf seinen "Lösungsvorschlag" im Umgang mit der "widersetzlichen Ehefrau" eingegangen werden. Seiner Ansicht nach und unter Berufung auf mittelalterliche Gelehrte sollen solche Ehefrauen gemäß diesen religiösen Texten durch Ermahnung, das Meiden im Ehebett und nicht heftiges Schlagen "therapiert" werden. Bezeichnenderweise zitierte ELGAZAR dabei mehrmals Sayyid QUTB, den einflussreichen Ideologen der MB und einen der bedeutendsten islamistischen Vordenker des 20. Jahrhunderts. Solche Veröffentlichungen tragen zur Verbreitung der ideologischen Grundsätze der MB bei und sind als eindeutiges Bekenntnis ELGAZARs zur MB zu werten. Sie unterstreichen auch seine Verbundenheit mit deren Führungspersönlichkeiten. Solange das MKBD durch ELGAZAR geführt wird, ist davon auszugehen, dass seine Aktivitäten - verfassungskonform verschleiert - in Wahrheit solche der MB sind. 6.3.2 Politischer und jihadistischer Salafismus Einleitung Die Sicherheitsbehörden unterscheiden grundsätzlich zwischen politischem und jihadistischem Salafismus. Während beide Strömungen auf der gleichen ideologischen Grundlage beruhen, unterscheiden sie sich jedoch in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen. Dennoch besitzen beide Ausprägungen eine immanente Gewaltorientierung. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist und sich beide Richtungen mitunter nicht klar voneinander abgrenzen lassen. 120 Wasat ist ein arabischer Begriff, der die Bedeutungen Mitte, zentral, ausgewogen, gemäßigt annehmen kann. 175 ISLAMISMUS - Politischer und jihadistischer Salafismus Vertreter des politischen Salafismus betonen den friedlichen Charakter des Islam und positionieren sich teilweise ausdrücklich gegen Terrorismus. Dennoch wird die Anwendung von Gewalt - ausgehend von einer subjektiv konstruierten Bedrohungslage - auch von Vertretern des politischen Salafismus in bestimmten Fällen für zulässig erklärt. Von jihadistischem Salafismus als einem Teilbereich des islamistischen Terrorismus sprechen die Sicherheitsbehörden dagegen, wenn die Anwendung terroristischer Gewalt von vornherein ideologisch legitimiert wird und der bewaffnete Kampf gegen "Ungläubige" als zentrales Mittel gesehen wird, um das eigene Islamverständnis zu "verteidigen" und zu verbreiten bzw. um politische Macht zu erlangen. Personenpotenzial Wie in den Vorjahren bewegt sich das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen, welches sowohl politische wie jihadistische Salafisten umfasst, auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Es stagnierte bei ca. 270 Personen. Ideologie Salafisten orientieren sich am Leben der ersten drei Generationen von Muslimen, welche auch als "Altvordere" (arab. as-salaf as-salih) bezeichnet werden und im 7./8. Jahrhundert lebten. Nach Ansicht der Salafisten führten nur diese Generationen ein gottgefälliges Leben, da sie es ausschließlich am Koran und dem Leben des Propheten Mohammed (Sunna) ausrichteten. Salafisten orientieren sich nicht nur inhaltlich an den Vorstellungen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit, sondern auch an der damaligen Werteordnung. Sie streben eine Rechtsordnung an, die ausschließlich auf Koran und Sunna basiert. Die Einführung einer solchen Ordnung wird auch für westliche Länder, in denen Muslime leben, angestrebt. Insofern liegt eine politische Bestimmtheit vor, die über eine reine Glaubensausübung hinausgeht. Aus der buchstabengetreuen Auslegung von Koran und Sunna leitet sich das zentrale salafistische Glaubensverständnis ab. Hierzu gehört die Überzeugung, dass Gott der einzige legitime Souverän und Gesetzgeber sei. Kennzeichnende Merkmale für die salafistische Ideologie sind die Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat, der absolute Geltungsanspruch der Scharia als allumfassende Lebensordnung, die Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abgrenzungsmechanismen gegenüber anderen Religionen bzw. vermeintlich Ungläubigen. Salafisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab und sehen sich als die einzig "wahren" Muslime. Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat Nach salafistischer Auslegung wird der Islam als allumfassender politischer Gegenentwurf zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung begriffen und öffentlich propagiert. So ist die Grundlage 176 ISLAMISMUS - Politischer und jihadistischer Salafismus der staatlichen Herrschaftsordnung nach salafistischer Auffassung nicht die Selbstbestimmung des Volkes, sondern der Wille Gottes. Demokratische Prozesse werden als Verletzung der Souveränität Gottes und deshalb als illegitim angesehen. In Anlehnung an die islamische Frühzeit wird die Schaffung einer vermeintlich idealen islamischen Gesellschaft, in welcher Staat und Religion eine Einheit bilden (d. h. eine Theokratie), angestrebt. Sämtliche religiöse Neuerungen oder gar eine Fortentwicklung der Religion im Sinne einer Anpassung an bestehende Verhältnisse werden dagegen strikt abgelehnt. Dementsprechend greifen Salafisten auf Regeln und Rechtsnormen zurück, die mit einem modernen demokratischen Rechtsstaat unvereinbar sind. Absoluter Geltungsanspruch der salafistischen Rechtsordnung ("Scharia") Als Basis ihrer religiös begründeten rechtlichen, sozialen und politischen Ordnungsund Herrschaftsvorstellungen ziehen Salafisten die Scharia als Ausdruck des göttlichen Willens heran. Nach ihrem Verständnis bezeichnet der Begriff "Scharia" zusammengefasst sämtliche vom Koran und der Prophetenüberlieferung (Sunna) abgeleiteten religiösen und weltlichen Rechtsvorschriften. Jeder Muslim hat nach salafistischem Verständnis die Normen der Scharia als gottgewollt zu befolgen. Andere politische und rechtliche Modelle werden entweder als zweitrangig verstanden oder grundsätzlich abgelehnt. Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau Salafisten weisen der Frau ein Rollenbild zu, das sie auf ihre häuslichen Aufgaben beschränkt und ihre öffentliche Betätigung (wie z. B. ein politisches Engagement) ausschließt. Der Ehemann besitzt nach salafistischer Auslegung des Korans ein Züchtigungsrecht zur Erziehung und Disziplinierung seiner Ehefrau. Die von Salafisten so verstandene gottgegebene Überordnung des Mannes im Verhältnis zur Frau verstößt gegen den in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes garantierten Grundsatz der Gleichberechtigung. Feindbilder Die salafistische Ideologie ist insbesondere durch zahlreiche Abgrenzungsmechanismen geprägt. Die Verbreitung von Bildern muslimischer wie nicht muslimischer Feinde soll zur Stärkung einer eindeutigen salafistischen Identität beitragen. Andersdenkende werden selbst dann, wenn sie einer Religionsgemeinschaft angehören, mit diffamierenden Begriffen wie "Kuffar" ("Ungläubige") bezeichnet. Dementsprechend sollen Salafisten ausschließlich mit ihresgleichen verkehren und sämtliche Beziehungen zu "Ungläubigen", einschließlich nicht salafistischen Muslimen, unterlassen. Salafisten verstehen sich als Opfer in der nicht muslimischen Mehrheitsgesellschaft. Dazu werden Szenarien von Bedrohungen und Angriffen gegen den Islam und die Muslime gezeichnet, die weltpolitische Ereignisse, wie die Konflikte in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, aber auch eine vermeintliche Diskriminierung in westlichen Ländern verarbeiten. Derartige Szenarien sind elementar für die Rekrutierung von Anhängern und haben Einfluss auf das Mobilisierungspotenzial. 177 ISLAMISMUS - Politischer und jihadistischer Salafismus Die Menschen sollen auf verschiedene Weise vom so verstandenen "richtigen" Islam überzeugt werden bzw. zum Islam konvertieren. Das entsprechend verbreitete Gedankengut ist geeignet, den ideologischen Nährboden für eine islamistische Radikalisierung zu bilden und steht damit einer Integration entgegen. Strategie Politische Salafisten verbreiten ihre islamistische, fundamentalistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten, die sog. "Missionierung" (Dawa). Große Teile dieser propagandistischen Arbeit finden in den sozialen Netzwerken statt. Jedoch hat der politische Salafismus inzwischen an Dynamik verloren. Die Rekrutierung neuer Anhänger verläuft deutlich zurückhaltender als noch in den zurückliegenden Jahren. Öffentliche "Straßenmissionierungen" ("Street Dawa") finden im Bundesgebiet nur noch selten statt. In diesem Zusammenhang war die Koranverteilaktion "Lies!" besonders bedeutsam. Der Bundesinnenminister verfügte im November 2016 das Verbot der Vereinigung "Die wahre Religion", welche diese KoranKampagne initiiert hatte. Er begründete diesen Schritt damit, dass sie den bewaffneten Jihad befürworte bzw. propagiere und somit ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für Personen darstelle, welche aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien bzw. in den Irak ausreisen wollten. Diese Begründung verdeutlicht einmal mehr die enge Verzahnung zwischen politischem und jihadistischem Salafismus. Nach diesem einschlägigen Verbot verlor die "Street-Dawa" immer mehr an Bedeutung. Die "Dawa"Aktivitäten verlagerten sich zunehmend in den privaten Bereich. Indoktrinierung und Radikalisierung finden daher inzwischen weniger in Moscheen, sondern vielmehr in kleinen konspirativen Zirkeln sowie im Internet statt. Die salafistische Ideologie wird im Rahmen von Vortragsveranstaltungen und "Islamseminaren" in salafistischen Moscheen verbreitet. Mit deren Übertragung ins Internet wird ein unüberschaubarer Personenkreis erreicht. Die Propagandaaktivitäten von politischen Salafisten treffen nach wie vor auf eine entsprechende Anhängerschaft, was sich in der Entwicklung des Personenpotenzials widerspiegelt. Während politische Salafisten ihre Propagandaarbeit strategisch als "Missionierung" oder "Einladung zum Islam" bezeichnen, handelt es sich tatsächlich um eine systematische Indoktrinierung, nicht selten mit dem Ziel einer Radikalisierung. Besonders hervorzuheben ist der radikalisierende Einfluss salafistischer Propaganda auf Jugendliche, die sich in einer Identitätsfindungsphase befinden und daher als besonders anfällig für salafistische Missionierungsund Indoktrinierungsversuche der oftmals charismatischen und redegewandten salafistischen Prediger gelten. Der jihadistische Salafismus baut in vielen Fällen auf die bereits geleistete strategische und ideologische Vorarbeit des politischen Salafismus auf. Zusätzlich wird hier jedoch die einschlägige jihadistische Ideologie über persönliche Kontakte in der Realwelt oder in Sozialen Medien und Kommunikationsplattformen verbreitet. Das Propagandamaterial wird hierbei z. B. aus den offiziellen bzw. 178 ISLAMISMUS - Politischer Salafismus halboffiziellen Medienportalen des islamischeN staates, wie beispielsweise dem "Al-Hajat Media Center" und dem "Al-Furqan Institute for Media Production", bezogen und dann von IS-nahen Kanälen und Gruppierungen z. B. über Messenger-Dienste aufgegriffen, kommentiert und verbreitet. Ziel des jihadistischen Salafismus ist es, mit seiner Ideologie Personen zu beeinflussen und schließlich für die Unterstützung des weltweiten Jihads zu gewinnen. 6.3.2.1 Politischer Salafismus Strukturen im Freistaat Sachsen Die salafistische Szene in Deutschland ist meist nur lose organisiert. Feste und formale Organisationsstrukturen sind weitgehend nicht vorhanden. Eine Ausnahme bilden örtliche salafistische Vereine, die als Träger salafistisch geprägter Moscheen tätig sind. islamische gemeiNde iN sachseN - al-RahmaN-moschee e. v. Sitz: Leipzig Gründung: 1995 Vorsitz: Hassan DABBAGH Besucherzahlen: ca. 1.000 (wobei die Mehrheit nicht dem salafistischen Spektrum angehört) Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit Den Schwerpunkt salafistischer Strukturen im Freistaat Sachsen bildet seit Jahren der Verein islamische gemeiNDe iN sachseN - al-rahmaN-moschee in Leipzig. Der Imam dieser Moschee, Hassan DABBAGH, ist ein überregional bekannter Multiplikator des politischen Salafismus in Deutschland. Trotz DABBAGHs Distanzierung von religiös motivierten Terrorakten sind seine Äußerungen geeignet, die Bildung von Parallelgesellschaften außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu fördern und mittelbar Hass und Gewalt zu schüren. Er bezeichnete die islamische Nation im Berichtsjahr als die Nation der Wahrheit und propagierte dementsprechend in seiner Freitagspredigt am 29. Juli: ... wenn die Wahrheit kommt und, wenn Allah - gepriesen und erhaben sei er - das beschlossen hat, dann wird die Wahrheit die Unwahrheit vernichten und radieren, weil Allah das beschlossen hat." Außerdem warf DABBAGH dem "Westen" Rassismus gegenüber Muslimen vor und nannte hierfür einige Beispiele, wie z. B. den unterschiedlichen Umgang des Westens mit muslimischen und ukrainischen Flüchtlingen. Im Übrigen ist für ihn gemäß seiner Freitagspredigt vom 8. April die im Westen geltende Religionsfreiheit eine "Wunschvorstellung"; die vorhandene Freiheit und die Menschenrechte seien "Heuchelei". 179 ISLAMISMUS - Jihadistischer Salafismus Immer wieder referierte DABBAGH im Berichtsjahr über den Verfassungsschutz bzw. die Geheimdienste und unterstellte ihnen z. B. eine rechte Gesinnung. Er erhob Anschuldigungen, die u. a. in den folgenden Zitaten - entnommen aus seinem Religionsunterricht im Januar, April und Juni - dargestellt sind: "Weil die Behörden gegen den Islam sind, sowieso, ich meine (den) Verfassungsschutz und so. Sie wollen keinen Islam in Deutschland, sie sind Rechts, sie haben rechte Gesinnung, die meisten, die in Sicherheitsbehörden arbeiten, und deshalb sind sie gegen den Islam. Wenn sie gegen den Islam sind, dann versuchen sie alles, was mit dem Islam zu tun hat, kaputt zu machen oder zu stoppen." "Sicherheitsbehörden, Politik, Presseleute, die nichts im Kopf haben außer einem großen braunen Fleck." "Deshalb glaubt mir! Viele viele Anschläge, die passierten, dahinter stecken Geheimdienste." Eine Gesamtschau seiner Argumentationsmuster zeigte auch im Jahr 2022 zahlreiche für die salafistische Ideologie typische Merkmale und eine ablehnende Haltung gegenüber der Demokratie. Bei DABBAGHs Zuhörern können auf diese Weise Ängste geschürt und Ressentiments gegenüber der deutschen Gesellschaft sowie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hervorgerufen bzw. verstetigt werden. So werden Integrationsbemühungen unterlaufen und einer Radikalisierung von Muslimen Vorschub geleistet. Aktivitäten Propagandaaktivitäten sind in Sachsen, ebenso wie im übrigen Bundesgebiet, das Hauptaktionsfeld der politischen Salafisten. So verbreitete DABBAGH in seiner Funktion als Imam und Prediger der al-rahmaN-moschee die salafistische Ideologie u. a. in den Freitagspredigten und dem täglich stattfindenden Koranunterricht in den Moscheeräumlichkeiten. Er veröffentlichte die Freitagspredigten und Religionsunterrichte in den sozialen Medien und auf verschiedenen Internetportalen. Damit erhöhte er die Reichweite für seine verfassungsfeindlichen Aussagen. 6.3.2.2 Jihadistischer Salafismus Außerhalb Deutschlands Die wichtigste Organisation, welche zurzeit den jihadistischen Salafismus beeinflusst, ist der sog. islamische staat (IS). Ursprünglich aus der Terrororganisation al-qaiDa hervorgegangen, gelang es dem IS im Jahr 2014 unter seinem damaligen Anführer AL-BAGHDADI ein ausgedehntes Territorium mit einer Millionenbevölkerung zu erobern, welches weite Gebiete im Irak und Syrien umfasste. Darüber hinaus wurden IS-Splittergruppen u. a. auf dem Sinai, in Pakistan und Afghanistan sowie in Libyen gegründet. Mit der Rückeroberung der irakischen Großstadt Mossul durch irakische Sicherheitskräfte im Juli 2017 verlor der IS nach und nach seine wichtigsten organisatorischen Zentren und Gebiete. In der Schlacht von Baghuz im März 2019 musste der IS das letzte von ihm kontrollierte Territorium aufgeben. Das territoriale Kalifat in Syrien und im Irak wurde damit besiegt. Jedoch ver180 ISLAMISMUS - Jihadistischer Salafismus fügt die Terrororganisation im Irak und in Syrien weiterhin über Stützpunkte im Untergrund sowie über Kämpfer, Unterstützer und Sympathisanten. Dies, obwohl im Februar 2022 zuerst ABU IBRAHIM AL-HASHIMI AL-QURASHI, der Nachfolger des ersten "Kalifen" ABU BAKR AL-BAGHDADI, bei einer Spezialoperation der US-Streitkräfte getötet wurde und nur ca. neun Monate später wiederum dessen Nachfolger, ABU AL-HASAN AL-HASHIMI AL-QURASHI. Die fortbestehende Relevanz des IS wird z. B. deutlich durch weiterhin verbreitete Audiobotschaften. So rief z. B. der offizielle Sprecher des IS, ABU UMAR AL-MUHAHJIR, am 17. April dazu auf, die angeblich "instabile" Lage in Europa infolge des Ukraine-Krieges auszunutzen, um Terroranschläge zu verüben. Auch im Vorfeld der FußballWeltmeisterschaft in Qatar ermutigte ein IS-naher Telegramkanal im November dazu, Anschläge spezifisch auch auf Fußballfans aus Nationen wie z. B. Frankreich, Belgien oder Kanada zu verüben, da diese Staaten in die Anti-IS-Allianz eingebunden seien. Die Gefahr, welche der IS in Syrien noch immer darstellt, zeigte sich z. B. Ende Januar. In den "späten Nachtstunden" unternahm der IS einen gut geplanten komplexen Angriff auf ein durch kurdische Streitkräfte geführtes Gefängnis mit inhaftierten IS-Kämpfern. Zeitgleich zum Angriff war ein Aufstand der IS-Gefangenen koordiniert worden. Die Kämpfe zwischen den IS-Anhängern und den Kurden - unterstützt durch US-amerikanische Luftschläge - dauerte über eine Woche und führte zu über 500 Toten. Trotz dieses Vorfalls und des fortgeführten Agierens im Untergrund ist der IS weit davon entfernt, größere Territorien zu kontrollieren. Auch die weiterhin rückläufigen Ausreisezahlen potenzieller Unterstützer in die ehemaligen Kampfgebiete des Mittleren Ostens zeigen, dass diese Terrororganisation viel von ihrer früheren Sogwirkung verloren hat. Dass der IS bzw. dessen Unterstützer und Sympathisanten jedoch auch außerhalb Syriens bzw. des Iraks willens und in der Lage waren, Anschläge auszuführen, wurde auch im Berichtsjahr deutlich. Vor allem Ableger des IS führten in einer Vielzahl von Ländern mit schwacher Staatlichkeit weiterhin Anschläge mit hohen Opferzahlen durch. Trotz der Rückschläge des Kern-IS in Syrien und Irak hat keiner seiner regionalen Ableger den Treueeid auf den IS widerrufen. Stattdessen werden gerade in diesen Ländern neue Generationen jihadistisch motivierter Terroristen ausgebildet und führen verheerende Anschläge aus, wie etwa am 4. März, als ein Mitglied des IS-Ablegers im Raum Afghanistan Sicherheitsleute vor einer schiitischen Moschee in Peshawar/Pakistan erschoss, sich dann im Inneren der Moschee in die Luft sprengte und so weitere 62 Menschen mit in den Tod riss. Aber auch in westlichen Ländern mit einer sehr professionellen Sicherheitsstruktur ist die Gefahr durch jihadistisch motivierte Terroranschläge nicht gebannt. Dies wurde z. B. im März in Israel deutlich. So wurden bei zwei Anschlägen insgesamt sechs Menschen getötet. In Hadera ermordeten zwei Anhänger des IS zwei Polizisten, bevor sie von Sicherheitskräften erschossen wurden. Der IS bekannte sich zu diesem Anschlag und veröffentlichte ein Video, welches die Treueschwüre der Terroristen auf den neuen Kalifen zeigte. In Be'er Sheva ermordete ein IS-Anhänger drei Menschen mit einem Messer und eine Person mit einem Fahrzeug, bevor er von Passanten erschossen wurde. Der Täter, ein arabischer Israeli, war laut Medienberichten aufgrund der Verbreitung von IS-Propaganda an Schulkinder sowie aufgrund von IS-Verbindungen im Jahr 2015 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. 181 ISLAMISMUS - Jihadistischer Salafismus Auch Europa blieb im Jahr 2022 von mutmaßlich jihadistisch motivierten Anschlägen nicht verschont. Am 25. Juni eröffnete beispielsweise ein iranischstämmiger Norweger in Oslo im Vorfeld von "Oslo Pride" das Feuer in verschiedenen Bars, die u. a. von Homosexuellen frequentiert wurden. Hierbei tötete er zwei Männer und verletzte zwanzig weitere, bevor er festgenommen wurde. Laut Polizei handelte es sich bei dem Täter um eine islamistisch radikalisierte Person, die bereits im Vorfeld durch Kontakte zu einem IS-nahen islamistischen Prediger aufgefallen war und zudem als psychisch labil galt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in terroristischer Absicht Mord und versuchten Mord begangen zu haben. Das Verfahren ist aktuell noch nicht abgeschlossen. Deutschland Dass auch in Deutschland die Gefahr von jihadistisch motivierten Anschlägen weiterhin hoch ist, zeigte die Festnahme eines mutmaßlichen Unterstützers des sogenannten IS in Iserlohn (NordrheinWestfalen) am 22. September. Laut Pressemeldungen handelte es sich bei dem Beschuldigten um einen radikalisierten jugendlichen kosovarisch-deutschen Staatsbürger. Dieser stand im dringenden Verdacht, in zwei Fällen eine terroristische Vereinigung im Ausland zu unterstützen sowie eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Konkret soll er verübte Terroranschläge des IS in Europa befürwortet und unter Einfluss von IS-Propaganda einen Anschlag mit einem Sprengsatz geplant haben. Davon sei er jedoch abgerückt und habe dann einen Messerangriff auf Polizeibeamte favorisiert. Ein richterliches Urteil erfolgte am 22. Dezember im Prozess gegen einen Syrer, der am 6. November 2021 in einem ICE auf der Fahrt von Regensburg nach Nürnberg vier männliche Passagiere mit einem Messer schwer verletzte. Der Täter wurde anschließend widerstandslos von der Polizei festgenommen. Wurde bei den Ermittlungen anfangs angenommen, der Syrer sei aufgrund seines psychischen Zustandes nicht schuldfähig gewesen, übernahm später die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die Ermittlungen. Bei der Auswertung der sichergestellten Datenträger wurden Propaganda-Videos der Terrororganisation IS gefunden. Das Oberlandesgericht München sah den Täter in der Folge als voll steuerungsfähig an und verurteilte den Syrer zu einer 14-jährigen Haftstrafe. Sachsen Im Berichtsjahr ereigneten sich in Sachsen keine islamistisch motivierten Anschläge. Wie in den Jahren zuvor erhielt das LfV Sachsen jedoch weiterhin eine Vielzahl von Hinweisen mit Bezug zum jihadistischen Salafismus. Die Spannweite reichte hierbei von unplausiblen Beschuldigungen bis hin zu wertigen Sachverhalten. Die Bearbeitung der Hinweise erfolgte in engem Austausch mit dem Landeskriminalamt (LKA) Sachsen, dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) sowie mit europäischen und internationalen Sicherheitsbehörden. 182 ISLAMISMUS - Jihadistischer Salafismus Jihadisten im Gefängnis Deutschlandweit und somit auch im Freistaat Sachsen befinden sich jihadistisch ideologisierte Personen in Haft. Hierbei handelt es sich z. B. um jihadistisch motivierte Personen, die in die IS-Gebiete ausgereist waren, dort aufgegriffen und nach Deutschland überstellt wurden, um hier Haftstrafen zu verbüßen. Eine weitere Gruppe sind Jihadisten, die sich in Deutschland radikalisierten und wegen Staatsschutzdelikten verurteilt wurden. Wie der Anschlag in Dresden am 4. Oktober 2020 zeigte, kann von diesen Personen auch nach ihrer Haftentlassung im Einzelfall eine hohe Gefahr für die Gesellschaft ausgehen. Rückkehrer nach Deutschland aus den Jihad-Gebieten in Syrien und dem Irak Nach dem Verlust des Herrschaftsgebietes des IS liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu aus Deutschland ausgereisten Personen vor, die sich aktuell in Syrien oder im Irak in Haft bzw. in Gewahrsam befinden. Zur Mehrheit dieser Personen wurde bekannt, dass sie beabsichtigen, nach Deutschland zurückzukehren. Rückkehrer aus den jihadistischen Kampfgebieten stellen ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. Von besonderer Relevanz sind hierbei Personen, von denen bekannt ist, dass sie ideologisch indoktriniert sind, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult wurden und/oder Kampferfahrungen sammeln konnten. Grundsätzlich könnten diese Rückkehrer als "Veteranen des Kalifats" eine neue Dynamik in der salafistischen Szene in Deutschland auslösen. Einzelfallspezifisch werden von den beteiligten Behörden in Betracht kommende Maßnahmen erörtert und abgestimmt. Diese schließen eine strafrechtliche Verfolgung ebenso ein wie Maßnahmen zur Deradikalisierung und schließlich zur gesellschaftlichen Reintegration. Ziel ist insoweit ein ganzheitlicher Ansatz. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und der Polizei sowie beispielsweise mit den Jugend-, Sozial-, Schulund Gesundheitsbehörden von besonderer Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die heterogene Zusammensetzung der Rückkehrer, zu denen beispielsweise auch Minderjährige und Frauen gehören. Öffentlichkeitswirksam wurde zum Beispiel die Rückführung von zehn mutmaßlichen Jihadistinnen und 27 Kindern Ende März 2022. Der Generalbundesanwalt ließ vier Frauen direkt nach ihrer Ankunft am Frankfurter Flughafen festnehmen. Darunter befand sich Nadine K. aus Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz). Sie war im Dezember 2014 ihrem Ehemann nach Syrien gefolgt. Dort schlossen sie sich dem sogenannten IS an. In ihrem Haus lagerten sie u. a. Waffen. Ab Frühjahr 2016 hielten sie sich eine jesidische Frau als Sklavin. Die Frau wurde regelmäßig vergewaltigt. Ab März 2019 befand sich Nadine K. in kurdischer Gefangenschaft, im März erfolgte schließlich ihre Rückführung nach Deutschland. Ende September 2022 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage u. a. wegen Beihilfe zum Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz begann im Januar 2023. 183 ISLAMISMUS - Jihadistischer Salafismus Rückkehrer nach Sachsen Im Sommer 2022 wurde die Rückführung von Linda W. aus dem Irak zurück in den Freistaat bekannt. Die zuständigen sächsischen Behörden haben seither alles notwendige veranlasst, um Linda W. in ein nicht extremistisches soziales Umfeld zu integrieren. Die aus Pulsnitz (Landkreis Bautzen) stammende Linda W. sowie deren Aufgriff und Festnahme im Irak wurden in der Vergangenheit medial thematisiert. Linda W. wurde Anfang Juli 2016 zunächst von ihrer Mutter als vermisst gemeldet. Die damals 15-Jährige befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg nach Istanbul, um von dort in das vom IS kontrollierte Gebiet nach Syrien bzw. in den Irak weiterzureisen. Medienberichten zufolge war Linda W. nach islamischem Recht mit einem tschetschenischen IS-Kämpfer verheiratet, der kurz nach ihrer Ankunft bei Kampfhandlungen ums Leben kam. Im Juli 2017 wurde die Minderjährige durch irakische Spezialkräfte in Mossul (Irak) aufgegriffen und verhaftet. Sie wurde anschließend nach Bagdad (Irak) überstellt. Im Februar 2018 wurde sie von der irakischen Justiz zu sechs Jahren Haft verurteilt. Bevor Linda W. ausreiste, hatte sie sich in ihrem Wesen verändert: Sie konvertierte zum Islam, trug Kopftuch und lange Kleidung, lernte die arabische Sprache und zog sich aus ihrem bisherigen persönlichen Umfeld zurück. Ein radikalisierungsfördernder Faktor war der Konsum islamistischer Online-Propaganda. Linda W. wurde über salafistische Internetseiten und durch ihren Kontakt mit Salafisten über soziale Netzwerke motiviert, sich in das "Kalifat" des IS zu begeben. Fazit Aus den dargelegten Berichten wird deutlich, dass Akteure des legalistischen Islamismus sowie des politischen Salafismus unverändert auch im Freistaat Sachsen aktiv sind. Zudem liegen dem LfV Hinweise zu Personen vor, die mit der jihadistischen Ideologie sympathisieren bzw. sympathisiert haben. Wie in den Vorjahren bewegt sich dabei das hiesige Personenpotenzial im bundesweiten Vergleich auf niedrigem Niveau und stagniert über die letzten Jahre. Gerade der politische Salafismus bietet mit seiner Ideologie einen gefährlichen Nährboden, der unter Umständen zur Radikalisierung von Personen führen und damit auch als "Durchlauferhitzer" bzw. Katalysator bezüglich einer jihadistischen Islamauslegung dienen kann. Die Aktionspotenziale im Bereich des jihadistischen Salafismus sind in Deutschland stark von globalen Aspekten beeinflusst und eng verknüpft mit der Handlungsfähigkeit des IS. Wie verhinderte aber auch durchgeführte Anschläge im Berichtsjahr zeigten, ging in Europa und damit auch in Sachsen weiterhin vor allem von radikalisierten Einzeltätern eine hohe abstrakte Gefahr aus, die sich in Anschlägen bzw. diesbezüglichen Vorbereitungen konkretisiert hatten. Bei diesen Einzeltätern handelte es sich um Sympathisanten und Anhänger der jihadistischen Ideologie bzw. jihadistischer Terrororganisationen. Die abstrakt hohe Gefährdungslage besteht unverändert fort, da der IS und al-qaiDa durch ihre Propaganda bewusst zu dieser Vorgehensweise als Alternative zu direkt gesteuerten Operationen animieren. Dadurch wollen sie den militärischen, polizeilichen und nachrichtendienstlichen Verfolgungsdruck umgehen, dem sie ausgesetzt sind. 184 7. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug in Sachsen ausschließlich Bestrebungen aus dem Bereich der kurdischen PKK feststellbar Personenpotenzial bei konstant ca. 160 Personen hohes Mobilisierungspotenzial auch im linksextremistischen Spektrum für Demonstrationen und Kundgebungen strukturelle Vernetzung mit Linksextremisten insbesondere in Leipzig und Dresden Aktivitäten der PKK maßgeblich vom Schicksal des inhaftierten PKK-Führers ÖCALAN und den Entwicklungen im türkisch-syrischen Grenzgebiet bestimmt SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 7.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Die sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden z. B. durch die Begehung von Straftaten und die fortwährende Bereitschaft zu aktionsorientiertem und gewaltbereitem Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Dabei handelt es sich um kein einheitliches Spektrum. Politik, Strategie und Aktionen der nicht islamistischen extremistischen Organisationen in Deutschland werden ganz entscheidend von den Entwicklungen - insbesondere Veränderungen der allgemeinen politischen Lage, aber auch durch bedeutsame Einzelereignisse in den jeweiligen Herkunftsländern - bestimmt. Linksextremistisch-separatistische Organisationen, wie die auch im Freistaat Sachsen aktive arBeiterPartei kurDistaNs (PKK), streben die revolutionäre Beseitigung der jeweiligen Staatsordnung in ihren Herkunftsländern und die Errichtung eines sozialistischen bzw. kommunistischen Systems an. 7.2 Personenpotenzial In Sachsen konnten sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug aus dem Bereich der kurdischen PKK, also dem linksextremistisch-separatistischen Bereich, festgestellt werden. Ihr Potenzial bewegt sich seit Jahren - so auch im Jahr 2022 - bei konstant ca. 160 Personen. Auch Mitglieder und Anhänger der Nachfolgeund Nebenorganisationen der PKK zählen darunter. Jedoch kann das Mobilisierungspotenzial der PKK, das insbesondere abhängig von den politischen Entwicklungen in der Türkei ist, die oben aufgeführte tatsächliche Anhängerzahl der PKK deutlich überschreiten. Zum Kreis der Mobilisierten zählen beispielsweise regelmäßig auch Personen aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum. 186 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Strukturen 7.3 Strukturen aRbeiteRPaRtei kuRdistaNs (PKK) Sitz: Nord-Irak (Kandilgebirge) Gründung: 1978 Vorsitz: Abdullah ÖCALAN Teil-/ KongRess DeR KuRDischen DemoKRatischen gesellschaFt KuRDistans in euRoPa (KCDK-E) Nebenorganisationen: als PKK-Europaführung KonFöDeRation DeR gemeinschaFten KuRDistans in DeutschlanD e. v. (KON-MED) als Dachverband der PKK-nahen Vereine in Deutschland Massenorganisationen wie TevgeRa ciWanen soResgeR (TCS) als Dachverband jugendlicher PKK-Anhänger und der DachveRbanD DeR stuDieRenDen aus KuRDistan (YXK) Publikationen: seRxWebun (Unabhängigkeit), yeni özgüR PolitiKa (Neue Freie Politik) Personenpotenzial/ 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Mitgliederentwicklung Sachsen: 160 160 160 160 160 160 Finanzierung: Spendensammlungen bei den Anhängern der PKK, Eintrittsgelder bei Großveranstaltungen Kurzporträt/Ziele: Die PKK strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen Nationalstaat an, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nordirak, Teile des westlichen Irans und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Im Jahr 1993 erließ das Bundesministerium des Innern ein Betätigungsverbot für die PKK und ihre Nebenorganisationen. Die PKK ist zudem auf der EUTerrorliste verzeichnet. Die PKK hat Deutschland in Regionen und Gebiete eingeteilt. Für die Umsetzung zentraler Vorgaben nutzt sie überwiegend die örtlichen kurdischen Vereine, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Relevante Ereignisse Die Aktivitäten der PKK in Sachsen wurden im Jahr 2022 maßgeblich vom und Entwicklungen Schicksal ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und 2022: vom militärischen Vorgehen der Türkei in den kurdischen Siedlungsgebieten bestimmt. Außerdem wurde die Forderung nach einer Aufhebung des PKKBetätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltete die PKK in Dresden und Leipzig in Form von Kundgebungen und Demonstrationen, an denen sich auch deutsche Linksextremisten beteiligten. Geschichte der PKK Die arBeiterPartei kurDistaNs (PKK) wurde im Jahr 1978 gegründet. Ursprüngliches Ziel war die Schaffung eines autonomen, sozialistisch orientierten Kurdenstaates. Zu den Gründern gehörte Abdullah ÖCALAN. Er übte von Beginn an die Funktion des Generalsekretärs aus. Seine bis heute unange187 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Strukturen fochtene Führungsposition setzte er gegen interne Widerstände durch und behielt diese auch nach seiner Inhaftierung und Verurteilung im Jahr 1999. Zur Durchsetzung ihrer Ziele nahm die PKK im Jahr 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Sie entwickelte sich seitdem zur anhängerstärksten und militantesten Kurdenorganisation. Ihr militärischer Arm, die VolksVerteiDiguNgskräFte (hezeN ParastiNa gel-HPG), ist für tausende Todesopfer verantwortlich, auch unter Touristen und der Zivilbevölkerung. Seit dem Jahr 2002 sind die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen von der Europäischen Union als terroristische Organisationen gelistet.121 Zwischen 2013 und 2015 schien sich bei der PKK eine neue Entwicklung abzuzeichnen. Die türkische Regierung führte Verhandlungen mit Abdullah ÖCALAN. Damit sollten Waffenniederlegung und Gewaltverzicht der PKK erreicht werden. Im Gegenzug erwartete die PKK-Führung die Erfüllung ihrer Forderungen nach Verankerung politischer und kultureller Rechte für die Kurden in einer neuen Verfassung der Türkei. Nach dem Scheitern der Verhandlungen begann Mitte 2015 eine neue Ära der terroristischen Anschläge durch militante Kräfte der PKK. Für einen Anschlag durch den islamischeN staat (IS) im Juli 2015 auf eine Veranstaltung kurdischer Jugendlicher in Suruc im Südosten der Türkei schrieb die PKK der türkischen Regierung die mittelbare Schuld zu. Die daraufhin einsetzende Spirale der Gewalt ebbte 2017 wieder ab. Es wurden allerdings auch danach vereinzelte Anschläge auf türkische Polizisten und Militärangehörige sowie Zivilisten der PKK zugerechnet, zuletzt am 13. November 2022 in Istanbul, was von der PKK allerdings bestritten wird. Von der zunehmenden Verfolgung regimekritischer Personen in der Türkei sind nicht zuletzt auch Kurden betroffen. Jedwede Parteinahme für sie wird dort als Unterstützung einer Terrororganisation geahndet. Strukturen der PKK im Freistaat Sachsen Folgende der in Sachsen ansässigen und der PKK zugehörigen Organisationen zeigten auch im Jahr 2022 mit der Durchführung von Kundgebungen, Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen Präsenz: DresDNer VereiN Deutsch kurDischer BegegNuNgeN e. V., uTA FraueNrat DresDeN e. V. und teVgera ciWaNeN SoreSger DresDeN (TCS) 121 Siehe u. a. hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1426&from=DE 188 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Strukturen Ideologie Die Geschichte der PKK ist eng mit der Person ihres Gründers Abdullah ÖCALAN verbunden. Bereits während des Studiums der Politikwissenschaften beeinflussten ihn linksextremistische Organisationen. Auf dem PKK-Gründungskongress im Jahr 1978 verabschiedeten ÖCALAN und weitere Funktionäre ein von marxistisch-leninistischen sowie nationalen Grundsätzen geprägtes Manifest. Darin präsentierte sich die PKK als revolutionäre Partei des Proletariats und der Bauern auf Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus. Bereits in diesem ersten Manifest rief die PKK dazu auf, "Kurdistan vom imperialistischen und kolonialistischen System zu befreien und in einem einheitlichen Kurdistan eine demokratische Volksdiktatur zu gründen". Damit war der sog. nationale Befreiungskampf für eine universale klassenlose Gesellschaft in einem unabhängigen, sozialistischen Kurdistan erklärtes Ziel der PKK. Hauptgegner ist der türkische Staat. Der militärische Arm der PKK begann im August 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg, um die Vision eines unabhängigen Kurdenstaates gewaltsam umzusetzen. Über zwei Jahrzehnte lang verübte die PKK terroristische Anschläge in der Türkei, auch gegen die Zivilbevölkerung und ausländische Touristen. Bis heute stellt die Verhaftung ÖCALANS am 15. Februar 1999 durch den türkischen Geheimdienst in Kenia einen gravierenden Einschnitt in der Geschichte der PKK dar. Unter dem Druck eines drohenden Todesurteils nahm ÖCALAN mit einem zweiten Manifest Abstand von der Bildung eines eigenständigen Kurdenstaates mithilfe des bewaffneten Kampfes. Im August 1999 erklärte er den bewaffneten Kampf der PKK schließlich für beendet. Daraufhin zogen sich die meisten PKK-Guerillaeinheiten nach und nach aus der Türkei zurück. Sie halten sich seitdem überwiegend in von Kurden autonom verwalteten Gebieten im benachbarten Nordirak auf. Von dort dringen sie immer wieder in türkisches Staatsgebiet ein und provozieren dadurch bewaffnete Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee, obwohl die PKK im Jahr 2000 die Grundsätze ihres zweiten Manifests bestätigt hatte. Die Beschlüsse sahen eine "Demokratisierung" innerhalb der PKK und die Wandlung hin zu einer "legalen Organisation" vor. Strategie Die PKK verfolgt bei ihren Aktivitäten weiterhin eine Doppelstrategie. Während sie auf dem Gebiet der Türkei terroristische Anschläge durchführt und Anhänger für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat mobilisiert, nutzt sie Europa vorrangig als Rückzugs-, Finanzierungsund Rekrutierungsraum. Die PKK und ihr Unterstützerkreis in Deutschland stellen sich als in der Türkei zu Unrecht verfolgte Regimegegner dar und versuchen so, ihr Ansehen zu verbessern und ihren Einfluss zu erhöhen. Strategie und Aktionen der PKK zielen auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland ab und werden demzufolge entscheidend von der Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten und den dortigen zentralen Organisationseinheiten geprägt. 189 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Strukturen Aktivitäten Im Jahr 2022 bestimmten folgende Faktoren maßgeblich die Aktivitäten der PKK in Deutschland und somit auch im Freistaat Sachsen: das Schicksal, insbesondere die Haftbedingungen ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN und das militärische Vorgehen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten Bei den Aktivitäten wird regelmäßig die Forderung nach Aufhebung des im Jahr 1993 für die PKK in Deutschland erlassenen Betätigungsverbots verstärkt in die Öffentlichkeit getragen. Schwerpunkte der Aktivitäten in Deutschland und Europa waren dabei Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsstände. Der PKK gelang es regelmäßig, ihre Anhängerschaft auch im Freistaat Sachsen zu mobilisieren, die den zentralen Aufrufen des koNgresses Der kurDischeN DemokratischeN gesellschaFt kurDistaNs iN euroPa (KCDK-E) und der koNFöDeratioN Der gemeiNschaFteN kurDistaNs iN DeutschlaND e. V. (KON-MED) folgten. Unterstützt wurden die Aktivitäten durch deutsche Linksextremisten im Rahmen der "Kurdistansolidarität" mittels Hilfe bei der Mobilisierung für Veranstaltungen, der Teilnahme daran und der Berichterstattung im Internet. Besonders in den Großstädten Dresden und Leipzig kann eine strukturelle Vernetzung der PKK mit deutschen Linksextremisten festgestellt werden, wie die nachfolgenden Veranstaltungen zeigen. Türkische Luftangriffe auf Ziele in der Autonomieregion "Rojava" in Nordund Ostsyrien waren beginnend in der ersten Februarwoche immer wieder Auslöser für deutschlandweite Proteste. KCDK-E und KON-MED verurteilten diese Angriffe und riefen regelmäßig zur Teilnahme an den Protesten auf. Daraufhin fanden am 2. Februar erste Veranstaltungen in Dresden und Leipzig statt, die zwar friedlich verliefen, aber das hohe Emotionalisierungspotenzial militärischer Auseinandersetzungen zeigten. In Dresden gingen etwa 115 Personen auf die Straße, in Leipzig waren es ungefähr 50. Es folgte eine weitere Demonstration von etwa 125 Personen am 5. Februar in Leipzig. Der Demonstrationszug wurde von Personen angeführt, die ein Fronttransparent der VolksVerteiDiguNgseiNheiteN (yekiNeyeN ParastiNa gel - YPG) zeigten. Laut einem Telegram-Demoticker wurden Parolen wie "Biji YPG/ PKK" ("Hoch lebe die YPG/PKK"), "Biji Serok Apo" ("Hoch lebe der Anführer Apo") und "Von Leipzig bis nach Rojava, Waffen für die PKK" skandiert. Mit Parolen wie "Von Leipzig bis nach Rojava, Antifa und PKK" und "Von Leipzig bis nach Rojava, Klimaschutz heißt Antifa!" wurde auf die Zusammenarbeit zwischen PKK und Linksextremisten verwiesen. Es folgten weitere, auch spontane Kundgebungen und Demonstrationen in Dresden und Leipzig, mit denen vor allem der vermeintliche Einsatz von Chemiewaffen durch das türkische Militär kritisiert wurde. Die Veranstaltungen wurden außerdem genutzt, um eine Freilassung ÖCALANS zu fordern. Eine weitere Luftund Bodenoffensive der türkischen Armee gegen Ziele der PKK im Nordirak führte im April zu deutschlandweiten Protesten der ausländerund linksextremistischen Szene. KON-MED gab für diesen Zweck für neun deutsche Großstädte, darunter auch Dresden und Leipzig, Termine bekannt. Am 23. April versammelten sich in den beiden sächsischen Städten jeweils etwa 100 Perso190 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Strukturen nen, um friedlich gegen das militärische Vorgehen der Türkei zu demonstrieren. Bei den Demonstrationszügen waren neben nichtextremistischen Fahnen in den kurdischen Farben Gelb, Rot und Grün auch YPG-Fahnen sichtbar. Linksextremisten, darunter die FAU DresDeN, mobilisierten über Twitter für die Teilnahme in Dresden. Anlässlich des zehnten Jahrestages der "Revolution in Rojava" mobilisierte KON-MED unter dem Motto "Die Revolution von Rojava und Kurdistan gegen die Besatzung verteidigen!" für die Teilnahme an bundesweiten Demonstrationen und Kundgebungen am 23. Juli, so auch für Dresden. Laut einer Internetmeldung fand dazu eine Veranstaltung im "Heibo", einem besetzten Wald nahe Dresden, statt. Dabei wurde mit einer YPG-Fahne den Gefallenen der Revolution gedacht. Ebenso wurde ein Banner der PKK-Jugend teVgera ciWaNeN SoreSger DresDeN (TCS) mit der Aufschrift "The Youth Of Today Will Be The Revolution Of Tomorrow", das auch schon bei anderen PKK-Veranstaltungen in Sachsen verwendet wurde, gezeigt. Außerdem waren an mehreren Stellen im Stadtgebiet von Dresden teilweise großflächige Graffiti angebracht, mit denen die Revolution gefeiert und Sympathie mit den bewaffneten Einheiten der YPG und der FraueNVerteiDiguNgseiNheiteN (yekiNeyeN ParastiNa JiN - YPJ) zum Ausdruck gebracht wurde. Öffentliche Wahrnehmung und Ideologieverbreitung wurden auch mit den Kurdistantagen vom 6. bis 14. Oktober in Dresden erzielt, die vom DresDNer VereiN Deutsch kurDischer BegegNuNgeN e. V. und vom uTA FraueNrat DresDeN e. V. mitorganisiert wurden. Mit Vorträgen zur Revolution in Rojava wurde die Ideologie verbreitet, wonach der Weg zur sozialen, ökologischen und feministischen Revolution konsequenterweise nach Rojava führe, da sich dort umsetzen lasse, was in Deutschland keine Aussicht auf Erfolg habe. Diskussionen um die Aufhebung des PKK-Verbots wurden genutzt, um ein verzerrtes, verharmlosendes Bild einer "friedlichen PKK" zu zeichnen und nicht das einer Terrororganisation. Dabei wird verkannt, dass der Gewaltverzicht in Europa eine Vorgabe der PKK-Führung ist, die im Übrigen zur Durchsetzung ihrer Ziele aber auf den bewaffneten Kampf setzt. Mit dem regelmäßigen öffentlichen Zeigen der Fahnen der YPG sowie der YPJ wird auch in Sachsen Unterstützung und Sympathie für die bewaffneten kurdischen Milizen und deren Guerillakampf zum Ausdruck gebracht. Im Jahr 2022 wurde zudem erstmals in Sachsen das Zeigen von Schuhen der von der Guerilla verwendeten türkischen Marke Mekap durch Teilnehmer bei einer öffentlichen Veranstaltung am 11. Juni in Leipzig festgestellt. Zudem wurde auch hier eine Antifa-Flagge festgestellt. Fazit Aufgrund des im Bundesvergleich geringen und seit Jahren stagnierenden Anhängerpotenzials ist eine signifikante Beeinträchtigung der Sicherheit des Freistaates Sachsen in absehbarer Zeit durch die hier ansässigen PKK-nahen Vereine nicht zu erwarten. Da die PKK jedoch hierzulande häufig auf aktuelle Ereignisse in der Türkei und Nordsyrien reagiert, muss situationsbedingt auch künftig mit extremistischen Aktivitäten und damit einhergehend mit der Mobilisierung größerer Personenpotenziale gerechnet werden. Dabei wird die Unterstützung solcher Aktivitäten durch Linksextremisten, vor allem in Leipzig und Dresden, weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. 191 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON GRUPPIERUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG - Politisch motivierte Kriminalität 7.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten ausländische Ideologie und religiöse Ideologie Der seit dem Jahr 2017 als "Ausländische Ideologie"122 und "religiöse Ideologie"123 bezeichnete Teilbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) ist im Vergleich zu den Strafund Gewalttaten in den anderen extremistischen Phänomenbereichen im Freistaat Sachsen nur von marginaler Bedeutung. So machte er im Berichtsjahr etwas mehr als ein Prozent des Gesamtaufkommens extremistischer Straftaten aus. Im Jahr 2022 sanken die Straftaten im Bereich ausländische und religiöse Ideologie um etwa 33 % (31 Straftaten). Die Zahl der Gewaltdelikte (4) lag deutlich unter dem Niveau des Vorjahres (2021: 14). 70 60 50 43 42 40 31 30 24 23 23 20 20 n Straftaten ausl. Ideologie 10 7 8 6 8 7 n Gewalttaten ausl. Ideologie 3 4 4 n Straftaten relig. Ideologie 0 n Gewalttaten relig. Ideologie 0 2019 2020 2021 2022 122 Die Kategorie "PMK - ausländische Ideologie" bildet ab, inwieweit im Ausland begründete nicht religiöse Ideologien nach Deutschland hereingetragen werden und hier den Hintergrund für Straftaten bilden. Hiervon sind aus dem Ausland stammende, separatistische, rechte und linke Ideologien, also sämtliche ausländische nicht religiöse Ideologien, umfasst. Die Staatsangehörigkeit der Täter ist hierbei unerheblich (vgl. auch Internetseite des Bundeskriminalamtes: www.bka.de) 123 Der Kategorie "PMK - religiöse Ideologie" werden Straftaten zugerechnet, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war und die Religion zur Begründung der Tat instrumentalisiert wird (vgl. auch Internetseite des Bundeskriminalamtes: www.bka.de). 192 III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Russische und chinesische Nachrichtendienste bleiben Hauptakteure im Freistaat Sachsen. Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht sind insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ein wichtiges Tätigkeitsfeld des LfV. Ziel von Cyberangriffen ist zunehmend die Kritische Infrastruktur (KRITIS) der westlichen Welt. Das LfV informiert Interessenten und Multiplikatoren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft schnell und gezielt u. a. über elektronische Angriffskampagnen und bietet Unterstützung bei Abwehrmaßnahmen an. SPIONAGE UND SABOTAGE - Begriffe, Bedeutung und Adressaten 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten Ein funktionierendes Staatswesen und eine funktionierende Wirtschaft sind eine wesentliche Grundlage für die innere Stabilität von Staat und Gesellschaft. Die Abwehr von hiergegen gerichteten Spionageund Sabotageaktivitäten ist deshalb ein wichtiges Aufgabenfeld der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht waren auch im Jahr 2022, insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, ein wichtiges Bearbeitungsgebiet des Verfassungsschutzes. Die gesetzliche Grundlage für das Tätigwerden des LfV Sachsen in diesem Bereich ist SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SächsVSG. Von zentraler Bedeutung war erneut die staatlich gelenkte Spionage, also die nachrichtendienstlich organisierte Beschaffung von Informationen. Die spionagerelevanten Aufklärungsinteressen gegnerischer Nachrichtendienste sind vielfältig und betreffen u. a. das politische Geschehen (Politikspionage) oder aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen in Wirtschaft und Wissenschaft (Wirtschaftsspionage). Als Spezialfall der Wirtschaftsspionage sind die nach wie vor festzustellenden Proliferationsbestrebungen fremder Mächte anzusehen. Dabei geht es neben der Aufklärung der entsprechenden Technologie auch um die vollständige oder partielle Beschaffung und Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen. Neben der Spionage erfordert die staatlich gelenkte Sabotage ein besonderes Augenmerk. Das sind vor allem elektronische Angriffe, die nicht mehr nur der Informationsgewinnung, sondern auch der Informationsbeeinträchtigung dienen und somit den drei primären Schutzzielen der Informationssicherheit (Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Informationen) entgegenwirken. Die Fälle von Cyberangriffen werden der Cyberspionage, Cybersabotage sowie cybergestützten Einflussnahmeaktionen zugeordnet. Dabei gibt es auch Überschneidungen mit der Cyberkriminalität, z. B. Ransomware-Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Behörden, die mit Geldforderungen verbunden sind. Ziel dieser gegnerischen Cyberaktivitäten ist seit Beginn des Ukraine-Krieges zunehmend die Kritische Infrastruktur (KRITIS) der westlichen Welt. Politikspionage richtet sich in erster Linie gegen Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen sowie gegen Mandatsträger politischer Parteien und deren unmittelbare Mitarbeiter. Darüber hinaus können auch Mitglieder von Oppositionsbewegungen aus dem Ausland, die in Deutschland leben, von den Maßnahmen des jeweiligen Herkunftsstaates betroffen sein. Bei der Wirtschaftsspionage stehen vor allem Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen im Fokus. Staat und Verwaltung, insbesondere Universitäten und technische Hochschulen, können ebenfalls berührt sein. Die politische Bedeutung sowie die wirtschaftliche und wissenschaftliche Leistungsund Innovationskraft Deutschlands und somit auch des Freistaates Sachsen begründen ein intensives Aufklärungsund Beeinflussungsinteresse fremder Mächte. Die aufgrund von Spionage eintretenden Schäden sind schwerwiegend. Im Bereich von Wirtschaft und Wissenschaft besteht die Gefahr emp194 SPIONAGE UND SABOTAGE - Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste findlicher Forschungsoder Auftragsverluste. Untersuchungen124 aus dem Jahr 2022 gehen davon aus, dass in Deutschland im Jahr 2021 mehr als 80 Prozent der Unternehmen Opfer von Datendiebstählen, Industriespionage oder Sabotage geworden sind. Dabei ging man im Untersuchungszeitraum von einem jährlichen Gesamtschaden in Höhe von über 200 Milliarden Euro aus. Insgesamt können Spionage und Sabotage auf Dauer spürbare Auswirkungen auf Staat und Wirtschaft haben. 2. Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste 2.1 Akteure und Schwerpunkte Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind zahlreiche ausländische Nachrichtendienste mit ganz unterschiedlichen Interessen aktiv. Hoch entwickelte Staaten wollen mithilfe ihrer Nachrichtendienste vor allem im politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb weiter Schritt halten und Wettbewerbsvorteile erzielen. Krisenländern geht es beim Einsatz ihrer Nachrichtendienste in politischer Hinsicht um die Aufklärung und Unterwanderung von Oppositionsgruppen, deren Mitglieder in Deutschland leben. In wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht entwickeln diese Länder vor allem proliferationsrelevante125 Aktivitäten. 2.1.1 Russische Föderation Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation waren im Jahr 2022 weiterhin von großer Bedeutung für die russische Staatsführung. Ihre Bemühungen erstreckten sich sowohl auf gesellschaftliche und politische als auch auf wirtschaftliche und wissenschaftliche Bereiche. Vor allem der russische zivile Auslandsnachrichtendienst SWR126, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU127 und der Inlandsnachrichtendienst FSB128 waren gegen Deutschland aktiv. Nachrichtendienstliche Aktivitäten gingen mit einer aggressiven russischen Außenpolitik einher, die sich neben der fortgesetzt völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim in dem kriegerischen Angriff auf die Ukraine deutlich zeigte. 124 Studie Wirtschaftsschutz 2022, www.bitkom.org 125 Die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Güter und Technologien sowie entsprechender Waffenträgersysteme (z. B. Raketen und Drohnen) einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows wird als Proliferation bezeichnet. 126 Dienst der Außenaufklärung der Russischen Föderation 127 Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation 128 Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation 195 SPIONAGE UND SABOTAGE - Volksrepublik China Aufklärungsschwerpunkte sind dabei die deutsche Haltung zu Fragen der Außenund Sicherheitspolitik sowie der Finanzund Energiepolitik, aber auch die Rolle Deutschlands in der NATO. Im Fokus der Aufklärungsmaßnahmen standen, neben sog. Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und Vereinen mit Bezügen zu Russland oder anderen osteuropäischen Staaten, insbesondere politische Mandatsträger. Dies spiegelt sich in der anhaltenden Cyberangriffskampagne "Ghostwriter" wider, welche dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeschrieben wird. Die russische Wirtschaft trotz umfangreicher Sanktionen u. a. mit neuem Know-how zu versorgen, ist ein weiteres Betätigungsfeld russischer Nachrichtendienste oder mutmaßlich in deren Auftrag handelnder Akteure. Viele in Deutschland produzierte Hochtechnologieprodukte sind militärisch wie auch zivil nutzbar. Es handelt sich dabei um sog. Dual-Use-Güter, das heißt, hier kann ein militärischer Verwendungszweck nicht ausgeschlossen werden. Im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Proliferation informierte der Generalbundesanwalt im Mai 2021 über die Festnahme eines sächsischen Geschäftsmannes wegen des dringenden Verdachts gewerbsmäßiger Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Die Bundesanwaltschaft erhob am 9. Februar 2022 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden Anklage gegen den Beschuldigten129. Demnach bestand der hinreichende Tatverdacht eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und darüber hinaus des gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Am 15. Juli verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden den Angeklagten wegen der gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck ohne Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 vom 5. Mai 2009 in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.130 Vor diesem Hintergrund war und ist der Freistaat Sachsen als Bestandteil der deutschen Politiklandschaft und als innovativer und leistungsstarker Forschungsund Wirtschaftsstandort in Deutschland als ein relevantes Ziel russischer Nachrichtendienste anzusehen. 2.1.2 Volksrepublik China Die Volksrepublik China setzt ihre Nachrichtendienste zur Informationsgewinnung in Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft ein, um mithilfe gezielter Wirtschaftsspionage der Erreichung industriepolitischer Ziele näher zu kommen. Dabei wird angestrebt, strategische Vorteile zu gewinnen und die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu fördern. Nach einer Studie des "Centers for Security and Emerging Technology" (CSET)131 der Universität von Georgetown (USA) existieren in China allein 27 staatlich geförderte Programme, die sich auf den Technologietransfer konzentrieren. Mit der Initiative "Made in China 2025"132 will die chinesische Regierung die Volksrepublik "zur globalen Anführerin 129 https://www.generalbundesanwalt.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/ 130 https://www.justiz.sachsen.de/ olg 131 https://chinatalenttracker.cset.tech 132 "English.www.gov.cn/2016special/madeinchina2025" 196 SPIONAGE UND SABOTAGE - Volksrepublik China der vierten industriellen Revolution" machen. Der Know-how-Bedarf in bestimmten Bereichen ist nicht zuletzt durch die Sanktionen der USA gegenüber China gestiegen. Umso mehr stehen vor allem innovative deutsche - und somit auch sächsische - Unternehmen und Hochschuleinrichtungen mit ihren Spitzentechnologien im Blickfeld chinesischer Nachrichtendienste. China investiert weiter in den Ausbau einer flächendeckenden Kommunikationsund Internetüberwachung. Für die erforderlichen Maßnahmen verfügen die chinesischen Nachrichtendienste über eine starke Personalausstattung und umfangreiche rechtliche Befugnisse. Die verschiedenen nachrichtendienstlichen Maßnahmen werden durch das Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security - MSS) organisiert. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind an den amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Legalresidenturen) präsent und oft als Diplomaten oder Journalisten getarnt. Auch der militärische Nachrichtendienst (Military Intelligence Department - MID) und das Ministerium für öffentliche Sicherheit (Ministry of Public Security - MPS) als Leitungsebene der Polizei führten Aufklärungsmaßnahmen gegen Deutschland durch. China profitiert dabei von Schwachstellen und Unkenntnis auf Seiten seiner Aufklärungsziele in sächsischen Kommunen, Hochschulen und Industriebetrieben. Informationsdefizite, das Konkurrieren um chinesische Investitionen, fehlendes Problembewusstsein und unzureichende soziale Kontrolle ermöglichen chinesischen Akteuren, welche sich z. B. als Geschäftsreisende oder Studenten gerieren, die Abschöpfung von Informationen oder sogar den Erwerb von Industriebeteiligungen.133 Ein weiterer nachrichtendienstPraktizierende licher Schwerpunkt ist das der Falun-GongAusspähen und die Unterwanderung von in Deutschland leBewegung benden oppositionellen Kräften, die von der chinesischen RegieAnhänger einer Anhänger einer rung unter der abwertenden Be"Fünf Gifte" Eigenständigkeit Eigenstaatlichkeit zeichnung "Fünf Gifte" zusamTibets Taiwans mengefasst werden. Verstärkte innerstaatliche Konflikte mit Oppositionellen und nationalen Mitglieder der Angehörige der Minderheiten in einigen ProVereinigung der Demokratievinzen werden in chinesischen Uiguren bewegung Sicherheitskreisen als wachsende Bedrohung der staatlichen Sicherheit wahrgenommen. Da sich im Freistaat Sachsen Angehörige der chinesischen Opposition aufhalten, ist davon auszugehen, dass chinesische Nachrichtendienste hier ebenfalls entsprechende Aktivitäten entfalten, wenngleich es für den Berichtszeitraum diesbezüglich keinen konkreten Hinweis gab. 133 Mercator Institute for China Studies, 18. November 2021 197 SPIONAGE UND SABOTAGE - Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 2.1.3 Nachrichtendienste sonstiger Staaten Im Rahmen einer sog. "360deg-Bearbeitung" in der Spionageabwehr wird allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht nachgegangen. So ist für den türkischen Inund Auslandsnachrichtendienst Milli Istihbarat Teskilati (MIT) Deutschland eines der vorrangigen Ausforschungsziele außerhalb der Türkei. Ein erhebliches nachrichtendienstliches Interesse besteht an Organisationen, die in der Türkei als extremistisch oder terroristisch eingestuft sind, sowie an Vereinigungen und Einzelpersonen (z. B. türkische Einwanderer oder hier lebende Flüchtlinge), die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Insoweit besteht der Verdacht, dass der türkische Nachrichtendienst auch im Freistaat Sachsen aktiv ist, wenngleich es im Berichtszeitraum keine konkreten Hinweise auf eine tatsächliche Betroffenheit gab. Einen Schwerpunkt der Aktivitäten iranischer Nachrichtendienste stellt die Beschaffung von Informationen und Produkten aus den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft dar. Im Rahmen der Proliferationsbekämpfung wurde entsprechenden Hinweisen nachgegangen, eine sächsische Betroffenheit bestätigte sich letztendlich im Berichtszeitraum nicht. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen und Akteure im Inund Ausland. 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 2.2.1 Beschaffung von öffentlich zugänglichen Informationen Ausländische Nachrichtendienste können einen großen Teil ihrer Informationen bereits aus offen zugänglichen Quellen gewinnen, etwa beim Besuch öffentlicher Tagungen, Vortragsveranstaltungen oder Messen, aus den Sozialen Medien, bei der Lektüre von Werbebroschüren oder Tageszeitungen sowie aus Radio und Fernsehen. Selbst brisante Informationen sind oft ohne Weiteres und legal zugänglich, etwa über Fachzeitschriften und -bücher, über Bachelor-, Masteroder Diplomarbeiten sowie über Dissertationsoder Habilitationsschriften, für die im Regelfall sogar eine Veröffentlichungspflicht besteht. Nicht zuletzt erweitert die rasante technische Entwicklung im Bereich der Digitalisierung das Spektrum frei zugänglicher Informationen in einem stetig wachsenden Ausmaß. Das reguläre Informationsangebot der digitalen Medien bietet fremden Nachrichtendiensten zahlreiche Informationen, die als Grundlage und Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten von erheblicher Bedeutung sein können. 198 SPIONAGE UND SABOTAGE - Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen 2.2.2 Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen Die Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen gehört zu den grundlegenden Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste. Die konspirative Informationsbeschaffung erfolgt über den Einsatz menschlicher Quellen, durch technische Mittel oder durch eine Kombination beider Wege. Einsatz menschlicher Quellen Als menschliche Quelle kommt in Betracht, wer über nachrichtendienstlich relevante Informationen verfügt oder solche Informationen gewinnen kann. Der möglichen Bandbreite sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Sie reicht von einflussreichen Politikern oder Wirtschaftslenkern über Wissenschaftler, Großund Kleinunternehmer, leitende Beamte und Offiziere bis hin zu Angestellten, Studenten und Praktikanten. Jede "hierarchische" Position ist geeignet, Ausgangspunkt oder Ziel einer Ausspähung zu sein. Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass langjährige persönliche Kontakte in relevanten Bereichen zur Gewinnung menschlicher Quellen genutzt werden. Menschliche Schwächen spielen dabei eine herausragende Rolle. Fremde Nachrichtendienste greifen dabei immer wieder gern auf die Möglichkeiten zwischenmenschlicher Beeinflussung zurück, um Informationen zu erhalten. Dabei werden menschliche Eigenschaften wie Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Habgier, Autoritätshörigkeit, Geltungssucht oder Unsicherheit ausgenutzt, um Zugang zu sensiblen Daten zu erhalten. Dieses Vorgehen ist auch als "Social Engineering" bekannt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat konkrete Auswirkungen auf Aktivitäten russischer Nachrichtendienste (RND) in Deutschland. So waren im Berichtszeitraum ein deutlicher Anstieg der Aktivitäten und angepasste Vorgehensweisen der RND zu verzeichnen. Nur exemplarisch sei auf die sog. Legalresidenturen ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland verwiesen. Diese sind regelmäßig in Botschaften und Konsulaten angesiedelt, wo Mitarbeiter von Nachrichtendiensten getarnt als reguläre Mitarbeiter auftreten. Deutschland und auch andere Staaten haben als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zahlreiche russische Diplomaten ausgewiesen. Russland reagierte hierauf seinerseits mit der Ausweisung von ebenso vielen Diplomaten aus diesen Ländern. Die sanktionsinduzierten Zugangshemmnisse für RND könnten daher zu offensiveren Spionageaktivitäten in Deutschland führen. Mit der Anpassung des Modus Operandi der RND ist somit zu rechnen. Einsatz technischer Mittel, insbesondere elektronischer Angriffe Die Informationsbeschaffung ausländischer Nachrichtendienste durch den Einsatz technischer Mittel, insbesondere über moderne Kommunikationsmedien, gehört zum Alltag. Dies gilt umso mehr, als auch nicht öffentlich zugängliche Informationen in Zeiten zunehmender Digitalisierung oft leicht und ohne größere Risiken erreichbar sind. Vor allem elektronische Angriffe, also gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen, sind ein probates und wichtiges Mittel der Informationsgewinnung und -beeinträchtigung. Die Möglichkeiten reichen vom Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten (z. B. von Kundenlisten oder Strategiepapieren) über den Missbrauch von Identitäten bis hin zur 199 SPIONAGE UND SABOTAGE - Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen Übernahme und Sabotage von Produktionsund Steuerungseinrichtungen. Das Risiko, von Cyberangriffen betroffen zu sein, betrifft generell neben dem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen auch den politischen Bereich als klassischem Betätigungsfeld von Nachrichtendiensten. Derartige technische Maßnahmen können zügig erfolgen, sind kostengünstig und weitgehend risikoarm, auch wenn eine Identifizierung der Urheber durchaus möglich ist. Im Rahmen solcher Cyberangriffe werden u. a. klassische Trojaner-E-Mails134 oder Wasserloch-Angriffe135 mit Drive-By-Infektionen136 eingesetzt. Ausgangspunkt ist auch hier oft ein ausgefeiltes "Social Engineering". Das Sächsische Verwaltungsnetz137 ist nachweislich seit Jahren und mit steigender Tendenz Ziel zahlreicher Cyberangriffe138, bei denen ein nachrichtendienstlicher Hintergrund nicht auszuschließen ist. Sie geben Anlass zu größter Wachsamkeit. Die Jahresberichte des Beauftragten für die Informationssicherheit des Freistaates Sachsen (zuletzt aus dem Jahr 2021) führen exemplarisch Angriffsmethoden und Angriffsmittel auf. Obwohl vergleichbare Erhebungen zu elektronischen Angriffen außerhalb der Verwaltung in Sachsen noch fehlen, besteht Grund zu der Annahme, dass Wirtschaft und Wissenschaft in vergleichbarem Ausmaß betroffen sind. Bekanntermaßen haben die Nachrichtendienste Russlands in den vergangenen Jahren zunehmend Möglichkeiten zur Überwachung und Beeinflussung des Internetverkehrs erhalten, etwa durch Zugriffsmöglichkeiten auf IPund E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Daten aus sozialen Netzwerken oder durch datenschutzrechtliche Restriktionen im Internet. Sie gelten als Initiatoren verbreiteter und berüchtigter Angriffskampagnen, wie Sofacy139, Sandworm140, Snake141 und Energetic Bear142. Solche hochkomplexen und mit hoher Professionalität geführten Kampagnen können über Jahre verborgen bleiben. Die Angreifer ändern immer wieder einzelne technische Komponenten, sodass sie die Kampagnen in abgewandelter Form auch weiterhin einsetzen können. Es zeigt sich deutlich, dass sich ein elektronischer Angriff keineswegs in einer einmaligen, punktuellen Maßnahme erschöpfen 134 Als Trojaner-E-Mails gelten hier E-Mails, die zumeist im Anhang eine Schadsoftware enthalten. Diese als nützliche Datei getarnte Schadsoftware wird beim Öffnen der Datei aktiviert, um den betroffenen Rechner dann im Hintergrund zu manipulieren. 135 Bei Wasserloch-Angriffen (Watering-Hole-Attacks) manipuliert der Angreifer bestimmte Webseiten, bei denen er mit einem Aufruf durch das Opfer rechnen darf. Die Manipulation entfaltet im Regelfall erst dann ihre Wirkung, wenn das Opfer die Seite aufruft. 136 Eine Drive-By-Infektion ist die Infektion eines Rechners mit Schadsoftware allein durch das Aufrufen einer mit Schadsoftware manipulierten Webseite. Die Manipulation kann ohne Wissen und Wollen des Betreibers geschehen sein. Drive-By-Infektionen sollen nach Meinung von Experten in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen und die E-Mail als Hauptverbreitungsweg für Schadsoftware abgelöst haben. 137 Das Sächsische Verwaltungsnetz ist die Kommunikationsinfrastruktur des Freistaates Sachsen. Es versorgt die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen flächendeckend mit hochleistungsfähiger und sicherer Sprachund Datenkommunikation für ein modernes Verwaltungshandeln; siehe www.egovernment.sachsen.de 138 vgl. Jahresbericht Informationssicherheit 2021 des Beauftragten für Informationssicherheit des Freistaates Sachsen, Hrsg. Sächsische Staatskanzlei, Berichtszeitraum August 2020 - Juli 2021, S. 4 ff. 139 Auch bekannt als APT 28, Sofacy, Pawn Storm, Sednit, Group 74, Tsar Team, Fancy Bear oder Strontium. 140 Auch bekannt als Sandworm Team, TEMP.Noble, Electrum oder TeleBots. 141 Auch bekannt als Uroburos, Turla Group, Turla Team, Venomous Bear, Group 88, Waterbug oder Krypton. 142 Auch bekannt als Dragonfly, Crouching Yeti, Group 24, Koala Team, Berserk Bear oder Anger Bear. 200 SPIONAGE UND SABOTAGE - Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen muss, sondern zu einer länger andauernden, komplexen, herausfordernden und mit großem Aufwand betriebenen Bedrohung heranwachsen kann (sog. Advanced Persistent Threat [APT]). Der am 24. Februar 2021 durch die Russische Föderation begonnene völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine wird begleitet durch das Agieren Russlands im Cyberraum. Desinformationsund Propagandakampagnen stellen die NATO und den Westen dabei als eigentliche Aggressoren dar. Das Bedrohungspotenzial und mögliche Auswirkungen des Krieges auf Deutschland sind auch im Cyberraum erheblich. Durch eine Vielzahl von beteiligten Akteuren entwickelte sich die Cyberlage sehr dynamisch und unübersichtlich. Neben Phishing Kampagnen143 von APT29144 gegen europäische Außenministerien ist auch der bereits bekannte Akteur "Ghostwriter" weiterhin aktiv. "Ghostwriter" führte seit dem 24. Februar Phishing-Angriffe gegen Politiker verschiedener europäischer Regierungen durch. Anfang März wurden zudem auch erneute Angriffe von "Ghostwriter" gegen deutsche E-Mail-Adressen des Providers T-Online im niedrigen zweistelligen Bereich bekannt, wovon auch Sachsen betroffen war. Die betroffenen Personen wurden informiert und entsprechend sensibilisiert. Eine tatsächliche Betroffenheit bestätigte sich nicht. Darüber hinaus sind insbesondere Unternehmen der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) durch Cyberangriffe russischer APT's bedroht. Im Verfassungsschutzverbund wurden umgehend Maßnahmen getroffen, um potenzielle Opfer zu kontaktieren und zu sensibilisieren. Im Verfassungsschutzverbund werden kontinuierlich technische Indikatoren, sogenannte Indicators of Compromise (IoC) analysiert und an die entsprechenden Bedarfsträger, insbesondere Unternehmen der KRITIS, zur Stärkung ihrer Resilienz übermittelt. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein schädigendes Ereignis im Zusammenhang mit russischen APT's liegen für den Freistaat Sachsen bislang nicht vor. Auch im Jahr 2022 gab es im Übrigen Hinweise auf eine mögliche Betroffenheit deutscher Unternehmen und Einrichtungen durch die seit einigen Jahren aktive Angriffskampagne Sandworm, ohne dass sich deren tatsächliche Betroffenheit bestätigte. Chinesische Nachrichtendienste stehen gleichfalls im Verdacht, elektronische Angriffe gegen Einrichtungen in Deutschland initiiert zu haben. Im Jahr 2022 gab es Hinweise zu Aktivitäten der Cyberspionagegruppierung APT15145 gegen politische Organisationen sowie Einrichtungen/Unternehmen mit Bezügen zu Politik und Verwaltung. Die Cyberangriffe richteten sich dabei insbesondere gegen Parteien, politiknahe Stiftungen, Forschungseinrichtungen und NGOs146 sowie (IT-)Dienstleister von Regierungsbzw. Verwaltungseinrichtungen. Sensibilisierungsmaßnahmen erbrachten keine Hinweise auf eine tatsächliche sächsische Betroffenheit. Mit den Auslandsaktivitäten chinesischer Nachrichtendienste im Internet korrespondiert die Errichtung einer immer stärkeren elektronischen Mauer zur Abschottung des Internets in China. 143 Eine Phishing-Kampagne ist eine Form von E-Mail-Betrug, die auf den Diebstahl personenbezogener Daten der Opfer abzielt, um Zugriff auf vertrauliche Informationen wie z. B. Anmeldedaten zu erhalten. 144 Auch bekannt als Dukes, Group 100, Cozy Duke, EuroAPT, Cozy Bear 145 Auch bekannt als "Mirage", "Ke3Chang" oder "Playful Dragon" 146 Non-Governmental Organization (NGO - Nichtregierungsorganisation (NRO)), zivilgesellschaftliche, nichtstaatliche Organisation/Interessenverband, der nicht durch ein öffentliches Mandat legitimiert ist 201 SPIONAGE UND SABOTAGE - Einflussnahme auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen Weitere Akteure auf dem Feld der elektronischen Angriffe sind Angreifer aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Südostasien. Die Angreifer-Gruppierung Lazarus Group, der Verbindungen nach Nordkorea nachgesagt werden, richtete ihre Angriffe weltweit gegen zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen, so auch in Deutschland. Sensibilisierungsmaßnahmen ergaben keine Betroffenheit sächsischer Einrichtungen. Besondere Brisanz erhalten elektronische Angriffe dadurch, dass sie selbst bei ausgeprägtem Sicherheitsbewusstsein der Betroffenen und trotz Nutzung aktueller Schutzprogramme gegen Schadsoftware oft über längere Zeit unbemerkt bleiben können. Deshalb wendet sich das LfV Sachsen regelmäßig mit Warnmeldungen an potenzielle Opfer, um diese zu sensibilisieren. 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte galten auch im Berichtsjahr der Beeinflussung gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in Deutschland. Bereits in der Vergangenheit war zu verzeichnen, dass Russland mit zunehmender Intensität versuchte, die politische und öffentliche Meinung in Deutschland u. a. durch die mediale Verbreitung von Propaganda und Desinformationen in seinem Sinne zu beeinflussen. Als Mittel zum Zweck dienen dabei neben den sozialen Medien die russischen Staatsmedien. So verbreiten weltweit sendende TV-, Radiound Internetkanäle gezielt Narrative im Sinne der russischen Führung. Einhergehend mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine setzt Russland seine Bemühungen fort, zentrale Narrative über seine Staatsmedien, sozialen Medien und Einflussakteure zu verbreiten. Das Portfolio eingesetzter Mittel ist vielfältig und kann von dem bereits aus der Vergangenheit bekannten Einsatz von Einflussagenten über den zielgerichteten Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Multiplikatoren in Politik und Wirtschaft, über regelrechte Propagandaoffensiven und dem damit verbundenen Versuch der Instrumentalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen bis hin zu Einflussnahmeaktivitäten in der Wirtschaft reichen. Chinesische Versuche der Einflussnahme zielen auf die deutsche Wirtschaft, insbesondere durch Direktinvestitionen. Gezielte chinesische Firmenbeteiligungen in ausgewählten Schlüsselbranchen im Ausland sind erklärter Bestandteil der Industriestrategie "Made in China 2025" und machen auch vor dem Freistaat Sachsen keinen Halt. 202 SPIONAGE UND SABOTAGE - Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft Eine effektive Prävention ist die wichtigste Abwehrmaßnahme gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte. Sowohl Staat und Verwaltung als auch Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgerufen, sich und ihre Umgebung bereits im Vorfeld vor solchen Tätigkeiten hinreichend zu schützen. Prävention heißt vor diesem Hintergrund, Sicherheit zur Chefsache zu machen, sich regelmäßig über Angriffsmethoden und -ziele fremder Nachrichtendienste zu informieren, die eigenen Einrichtungen und deren Umgebung auf spionagerelevante Schwachstellen systematisch zu analysieren, passgenaue Abwehrlösungen zu entwickeln, die Entwicklungen auf dem "Spionagemarkt" fortlaufend zu beobachten und Verdachtsfällen nachzugehen. Zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Herausforderungen sieht sich das LfV Sachsen als Sicherheitspartner für alle sächsischen Behörden, Verbände, Vereinigungen, Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das LfV Sachsen geht zu diesem Zweck aktiv auf potenziell gefährdete Institutionen zu. Bestandteil einer Sicherheitspartnerschaft können Vorträge, Individualberatungen, Onlineangebote und Broschüren sein. Darüber hinaus unterstützt das LfV Sachsen alle Interessenten bei der Analyse ihrer Einrichtungen auf spionagerelevante Schwachstellen, bei der Entwicklung individueller Abwehrlösungen und bei der Aufklärung von Verdachtsfällen. Die vertrauliche Behandlung der jeweiligen Sicherheitspartnerschaft und ihres Inhaltes ist dabei selbstverständlich. Bei alldem kann das LfV Sachsen auf starke Partner zurückgreifen. Dazu gehören das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die weiteren 15 Landesbehörden für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das Nationale Cyber-Abwehrzentrum, die Polizei und viele andere Sicherheitsbehörden. Unabhängig davon engagiert sich das LfV Sachsen gemeinsam mit der Sächsischen Polizei und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) Sachsen e.V. im Präventionsangebot "Sicheres Unternehmen", einem ebenfalls kostenlosen Beratungsangebot zum Schutz der äußeren und inneren Sicherheit von Unternehmen. Unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) betreut das LfV Sachsen außerdem Unternehmen mit geheimhaltungsbedürftigen Aufträgen. Des Weiteren hat der Verfassungsschutzverbund gemeinsam mit anderen Behörden und Wirtschaftsverbänden die "Initiative Wirtschaftsschutz"147 weiterentwi147 www.wirtschaftsschutz.info 203 SPIONAGE UND SABOTAGE - Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft ckelt. Ziel ist es, die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft mittels eines umfassenden Schutzkonzeptes noch effektiver vor Spionageaktivitäten zu bewahren. Auch im Jahr 2022 fanden coronabedingt nur wenige Individualberatungen durch das LfV Sachsen statt. Der Schwerpunkt der Arbeit lag stattdessen darauf, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden in anlassbezogenen Rundschreiben Informationen über aktuelle elektronische Angriffskampagnen zukommen zu lassen, verbunden mit konkreten Handreichungen für Abwehrmaßnahmen. Die vielfältigen Präventionsmaßnahmen zeigen Wirkung: Auch im Berichtsjahr gab es mehrfach Hinweise auf mögliche spionagerelevante Sachverhalte, denen das LfV Sachsen nachging. Darüber hinaus konnte es zahlreiche potenzielle Adressaten auf die Möglichkeit elektronischer Angriffe hinweisen und sie so beim Schließen von Sicherheitslücken unterstützen. Landesamt für Verfassungsschutz Telefon: 0351/8585-0 und -5333 (Wirtschaftsschutz) Neuländer Str. 60, 01129 Dresden Fax: 0351/8585-500 www.wirtschaftsschutz.info E-Mail: wirtschaftsschutz@lfv.smi.sachsen.de 204 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben Geheimschutz: Geheimhaltungsgrade von Verschlusssachen - STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS - VERTRAULICH und VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH Das LfV nimmt neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr. 90.856 Mitwirkungsanfragen im Jahr 2022 (2021: 57.324 Anfragen) GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ, MITWIRKUNGSAUFGABEN - Sicherheitsüberprüfungen Allgemein Der Geheimschutz gewährleistet, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen in Verschlusssachen geheim bleiben und nicht an Unbefugte gelangen. Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse. Die Einstufung als Verschlusssache ist unabhängig von der Form, in der die geheimhaltungsbedürftige Information vorliegt. Das Spektrum der Verschlusssachen reicht vom gesprochenen Wort über Schriftstücke und Zeichnungen bis zu elektronischen Datenträgern und technischen Einrichtungen. Sie werden je nach dem erforderlichen Schutz in die Geheimhaltungsgrade STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS - VERTRAULICH und VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft. Ihre Bearbeitung wird als sicherheitsempfindliche Tätigkeit bezeichnet. Der Zugang zu Verschlusssachen und der Umgang mit ihnen sowie die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit sind im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SächsSÜG) vom 19. Februar 2004 und in der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung - VSA) vom 4. Januar 2008 geregelt. 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und Sabotageschutzüberprüfungen 1.1 Sicherheitsüberprüfungen Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben sollen, müssen sich zuvor einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Dabei wird ermittelt, ob bei der betreffenden Person ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das dem Zugang zu Verschlusssachen bzw. der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Nach der gesetzlichen Regelung (SS 5 Abs. 1 SächsSÜG) liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste oder 3. Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. 206 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ, MITWIRKUNGSAUFGABEN - Materieller Geheimschutz Ein derartiges Sicherheitsrisiko in Bezug auf die zu überprüfende Person kann sich auch ergeben, wenn entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte zu anderen Personen, insbesondere Ehegatten, Lebenspartnern oder Lebensgefährten, vorliegen. Werden bei einer Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse - z. B. Straftaten, Hinweise auf übermäßigen Alkoholgenuss, Überschuldung oder Hinweise auf eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - bekannt, wird geprüft, ob sich daraus ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. Zuständig für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung ist die Behörde, bei der die sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt wird. Auch für Personen in Wirtschaftsunternehmen, die im Rahmen von staatlichen Aufträgen sächsischer Behörden mit Verschlusssachen umgehen, werden Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. In diesen Fällen ist die Landesdirektion Sachsen zuständig. Die Sicherheitsüberprüfung wird erst nach schriftlicher Zustimmung des Betroffenen eingeleitet. Das LfV Sachsen wirkt im Auftrag der zuständigen Stelle bei der Sicherheitsüberprüfung mit. Es überprüft die Personen und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. In Abhängigkeit von der auszuübenden sicherheitsempfindlichen Tätigkeit gibt es verschiedene Stufen der Sicherheitsüberprüfung (Ü 1 bis Ü 3). 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen Der Sabotageschutz dient dem Schutz der für das Gemeinwesen lebenswichtigen Einrichtungen. In der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Feststellung lebenswichtiger Einrichtungen im Freistaat Sachsen (Sächsische Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung) vom 22. September 2010 (SächsGVBl. 2010 Nr. 12, S. 271) werden lebenswichtige Einrichtungen im Sinne des Sabotageschutzes benannt. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt werden, üben eine sog. sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach dem SächsSÜG aus und müssen sich daher einer einfachen Sicherheitsüberprüfung Ü1 unterziehen. 2. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen gegen die unbefugte Kenntnisnahme von Verschlusssachen und gewährleistet die Einhaltung der Bestimmungen der Verschlusssachenanweisung. Dazu zählen die rechtlichen Maßgaben zur Herstellung, Kennzeichnung und Vervielfältigung von Verschlusssachen sowie Regelungen zu Aufbewahrung, Verwaltung, Transport und Vernichtung von Verschlusssachen. Wird ein Geheimnisverrat bekannt, ist das LfV Sachsen zu beteiligen. 207 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ, MITWIRKUNGSAUFGABEN - Zuverlässigkeitsüberprüfungen Das LfV Sachsen berät und unterstützt die Behörden des Freistaates Sachsen in Fragen des materiellen Geheimschutzes, damit Verschlusssachen sicher erstellt, bearbeitet und aufbewahrt werden können. Bei Wirtschaftsunternehmen, die im Auftrag sächsischer Landesbehörden tätig sind und dabei Zugriff auf Verschlusssachen haben, führt die Landesdirektion Sachsen als zuständige Stelle unter Mitwirkung des LfV Sachsen ein Geheimschutzverfahren durch. Dabei werden Sicherheitsstandards geschaffen, um die Kenntnisnahme von Verschlusssachen durch Unbefugte zu verhindern. Im Rahmen dieses Verfahrens berät das LfV Sachsen die Unternehmen. 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder Ausschlussgründen Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit des Bundes und der Länder nimmt der Verfassungsschutz neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr. Auf Anfrage der zuständigen Behörden wird geprüft, ob den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse zu den angefragten Personen vorliegen und ob diese gemäß den gesetzlichen Regelungen mitgeteilt werden dürfen. Im Jahr 2022 wurden vom LfV Sachsen 90.856 solcher Mitwirkungsanfragen bearbeitet. Im Einzelnen unterstützte das LfV Sachsen die Behörden bei folgenden Überprüfungen: Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) für Personen, die zum sicherheitsempfindlichen Bereich des Luftverkehrs Zutritt haben sollen 8.636 Anfragen Beteiligung nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vor Erteilung oder bei Verlängerung von Aufenthaltstiteln 49.178 Anfragen Beteiligung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) bei Einbürgerungen 2.528 Anfragen 208 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ, MITWIRKUNGSAUFGABEN - Zuverlässigkeitsüberprüfungen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe - Sprengstoffgesetz (SprengG) für Personen, die gewerbsmäßig, selbstständig im Rahmen eines wirtschaftlichen Unternehmens oder eines landoder forstwirtschaftlichen Betriebes oder bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen oder den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreiben wollen 411 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG) für Personen, die beim Umgang mit radioaktiven Stoffen oder bei der Beförderung von radioaktiven Stoffen oder bei der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen tätig sind 138 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Waffengesetz (WaffG) Auf der Grundlage des Dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes sind die Waffenbehörden seit dem 20. Februar 2020 verpflichtet, im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungen auch eine Auskunft der zuständigen Verfassungsschutzbehörde einzuholen (Regelanfrage). Damit soll erreicht werden, dass Extremisten von vornherein nicht in den Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis gelangen. Zudem müssen die Verfassungsschutzbehörden auch im Nachhinein bekannt gewordene Erkenntnisse übermitteln (Nachberichtspflicht). Aufgrund dieser Regelanfrage gingen beim LfV Sachsen im Jahr 2022 insgesamt 25.706 Anfragen ein. Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach der Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit der Verordnung über das Bewachungsgewerbe - Bewachungsverordnung (BewachV) Die Gewerbebehörden sind verpflichtet, im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Wachpersonen, die mit Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Falle eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann, eine Stellungnahme der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz einzuholen (Regelabfrage). Dasselbe gilt im Falle von Wachpersonen, die mit der Bewachung von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende oder mit der Bewachung von zugangsgeschützten Großveranstaltungen beauftragt werden sollen. Weiterhin ist die zuständige Landesbehörde für Verfassungsschutz verpflichtet, Informationen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Wachpersonen von Bedeutung sind und die ihr erst im Nachhinein bekannt werden, an die zuständige Behörde zu übermitteln (Nachberichtspflicht). Im Jahr 2022 gingen beim LfV Sachsen insgesamt 4.259 Anfragen ein. 209 V. Anhang Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern bzw. durch die Innenministerien/ -senate der Länder seit 1992 Glossar Abkürzungsverzeichnis Aussteigerprogramm Sachsen Register ANHANG - Extremistische Organisationen und Gruppierungen Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen im Jahr 2022148 Rechtsextremismus AriA/AriA S (Liedermacherin) AryAn Brotherhood eAstside (ABE) ArtgemeinschAft - germAnische glAuBensgemeinschAft wesensgemässer leBensgestAltung e. V. BenjAmin gruhn (Liedermacher) BlAck deVils Blutzeugen (Band) BrigAde 8 chApter schlesien Bürgerwehr 360/freitAl (bzw. gruppe freitAl) comBAt 18 (Nachfolgebestrebungen des am 23. Januar 2020 vom BMI verbotenen deutschen Vereins) compAct-mAgAzin gmBh der dritte weg (III. weg) der schelm (Verlag) der tod und die lAndsknechte (Band) deutsche stimme VerlAgsgesellschAft mBh diVision 45 diVision erzgeBirge die rechte einzelkämpfer (Liedermacher) ethos (Band) feindkontAkt produktion (Vertrieb) feindnAh (Band) freie jugend sAchsen freie kAmerAdschAft dresden freie kräfte mittel/ostsAchsen (FKMO) freie sAchsen freilichfrei (Liedermacher) front776 (Band) 148 Diese Liste führt der Vollständigkeit halber sämtliche dem LfV Sachsen bekannten erwiesenen extremistischen Bestrebungen gemäß SSSS 2 und 15 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes auf. Sie führt damit auch solche Beobachtungsobjekte auf, die im Berichtsjahr nicht oder nur sporadisch aktiv waren, sodass eine Erwähnung im Jahresbericht 2022 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt wäre. Im Hinblick auf den originär politikberatenden Ansatz des Verfassungsschutzberichtes beschränkt sich das LfV Sachsen auf die Darstellung der für das jeweilige Berichtsjahr politisch relevanten Ereignisse und Tendenzen in den einzelnen Phänomenbereichen. Es liegt im Ermessen des LfV Sachsen, hier entsprechende Prioritäten zu setzen und den Fokus auf die Beschreibung wesentlicher Beobachtungsobjekte zu richten. 211 ANHANG - Extremistische Organisationen und Gruppierungen Full oF hate (Band) geFaNgeNeNhilFe (GH) haNDschu (Liedermacher) hammerskiNs heilige JugeND (Band) heiliger krieg (Band) hermaNNslaND-VersaND (Vertrieb) hilFsorgaNisatioN Für NatioNale Politische geFaNgeNe uND DereN aNgehörige e. V. (HNG) (Nachfolgebestrebungen des am 21. September 2011 verbotenen Vereins einschließlich: geFaNgeNeNhilFe.iNFo (gh)) hoPe For the Weak (Band) iDeNtitäre BeWeguNg (IB)/iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND (IBD) JuNge NatioNalisteN (JN, ehem. JuNge NatioNalDemokrateN) kameraDschaFt treue ehre (Band) kaotic chemNitz kaValier (Liedermacher) killumiNati (Band) KL-auslieFeruNg/KL-militaria VersaND kommuNalPolitische VereiNiguNg (KPV, siehe NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs - NPD) lars (Liedermacher - auch soNDerkommaNDo elBe) leicheNzug (Band) lokis truhe (Vertrieb) NatioN uND WisseN (Verlag/Vertrieb) NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) NatioNaler JugeNDBlock zittau e. V. (NJB) NDs recorDs (Vertrieb) NeoNatioNalsozialistische szeNe NeuBegiNN (Band) Neue stärke Partei (NSP) oDessa (Band) olDschool society (OSS) otWiN (Liedermacher) ParaNoiD (Band) PC-recorDs (Vertrieb) PeckerWooD BrotherhooD PegiDa Piattmar (Liedermacher) PioNier (Band) Primus (Rapper) Pro chemNitz (BürgerBeWeguNg Pro chemNitz) PrototyP (Rapper) rac'N'roll-teuFel (Liedermacher, auch schratt) reVolutioN chemNitz 212 ANHANG - Extremistische Organisationen und Gruppierungen riNg NatioNaler FraueN (RNF, siehe NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs - NPD) ruNa (Musikerin) sachseNBlut (Band) sachsoNia (Band) schlesische JuNgs Niesky schratt (Liedermacher, auch rac'N'roll-teuFel) schWarze DiVisioN sachseN (Band) selBststeller (Band) soNDerkommaNDo elBe (Liedermacher, auch lars) sPätlese (Band) stahlFroNt (Band) stahlWerk (Band) suBkulturell gePrägte rechtsextremistische szeNe thematik 25 (Band) thoytoNia (Band) tiWaz-gemeiNschaFt true aggressioN (Band) üBerzeuguNgstäter VogtlaND (Band) ultRACocks (Band) VolksNah (Band) W. u. t. (White uNiteD terror, Band) Wir Für leiPzig ReichsbüRgeR uNd selbstveRwalteR BuNDesstaat sachseN exilregieruNg Deutsches reich Die exil-regieruNg Deutsches reich geeiNte Deutsche Völker uND stämme (Nachfolgeorganisation) gemeiNWohlloBBy sachseN köNiglich-sächsischer gemeiNDeVerBaND (KSGV) mit WahlkommissioN sachseN (ehemals Freie WählerVereiNiguNg eiNiges DeutschlaND) köNigreich DeutschlaND (KRD) reichsVerBaND Deutscher recht-koNsuleNteN staateNlos.iNFo - comeDiaN e. V. stuhlschNecke e. V. VaterläNDischer hilFsDieNst mit armeekorPsBezirk V, XII und XIX Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates DemokratieFeiNDliche und/oder sicherheitsgeFährDeNDe DelegitimieruNg Des staates BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 213 ANHANG - Extremistische Organisationen und Gruppierungen Linksextremismus aNarchisteN aNarchosyNDikalistische JugeND leiPzig (ASJL) aNtiFa rechercheteam DresDeN (ART DresDeN) autoNome Deutsche kommuNistische Partei (DKP) De.iNDymeDia.org Freie arBeiteriNNeNuND arBeiter-uNioN - iNterNatioNale arBeiter assoziatioN (FAU) mit regioNalgruPPeN allgemeiNes syNDikat DresDeN, FAU-sektioN chemNitz, FAU leiPzig und FAU PlaueN iNterVeNtioNistische liNke (IL) kommuNistische PlattForm Der Partei "Die Linke" (KPF) marxistisch-leNiNistische Partei DeutschlaNDs (MLPD) Prisma - iNterVeNtioNistische liNke leiPzig (Prisma) reVolutioN (reVo) mit Regionalgruppen in Leipzig und Dresden rote hilFe e. V. (RH) mit Ortsgruppen in Dresden, Leipzig und Südwestsachsen rote WeNDe leiPzig mit Unterorganisationen reVolutioNäre FraueN leiPzig und JugeND im kamPF ...ums gaNze! uNDogmatische raDikale aNtiFa DresDeN (URA DresDeN) Islamismus/Jihadistischer Salafismus Islamistischer Terrorismus, insbesondere al-qaiDa (AQ) und islamischer staat (IS) muslimBruDerschaFt (Mb) mit ihrer Deutschlandvertretung islamische gemeiNschaFt iN DeutschlaND e. V. (IGD) bzw. seit 2018 Deutsche muslimische gemeiNschaFt e. V. (DMG), insbesondere: marWa el-sherBiNy kulturuND BilDuNgszeNtrum DresDeN e. V. (MKBD) sächsische BegegNuNgsstätte uND DieNstleistuNgeN uNterNehmergesellschaFt (haFtuNgsBeschräNkt) (SBD) Salafistische Bestrebungen, insbesondere: islamische gemeiNDe iN sachseN - al-rahmaN-moschee e. V. in Leipzig VogtläNDisch-islamisches zeNtrum al-muhaDJiriN e. V. in Plauen (al-muhaDJiriN-moschee) türkische hizBullah (TH) hamas 214 ANHANG - Extremistische Organisationen und Gruppierungen Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug (ohne Islamismus) arBeiterPartei kurDistaNs (PKK) DresDNer VereiN Deutsch kurDischer BegegNuNgeN e. V. JXK/YXK (stuDiereNDe FraueN aus kurDistaN/VerBaND Der stuDiereNDeN aus kurDistaN) koNFöDeratioN Der gemeiNschaFteN kurDistaNs iN DeutschlaND e. V. (KON-MED) koNgress Der kurDischeN DemokratischeN gesellschaFt kurDistaNs iN euroPa (KCDK-e) Partei Der DemokratischeN uNioN (PYD) teVgera ciWaNeN SoreSger (TCS) (Jugendorganisation der PKK) teVgera ciWaNeN SoreSger DresDeN (TCS) UTA FraueNrat DresDeN e. V. VereiNigte gemeiNschaFteN kurDistaNs (KCK) VolksVerteiDiguNgseiNheiteN (YPG) VolksVerteiDiguNgseiNheiteN Der FraueN (YPJ) VolksVerteiDiguNgskräFte (HPG) Sonstige Phänomenbereiche Scientology-Organisation 215 ANHANG - Übersicht von Verbotsmaßnahmen seit 1992 Übersicht von Verbotsmaßnahmen durch das Bundesministerium des Innern bzw. durch die Innenministerien/-senate der Länder seit 1992 Bereich Rechtsextremismus Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "Nationalistische Front" (NF) 27.11.1992 BMI "Deutsche Alternative" (DA) 10.12.1992 BMI "Deutscher Kameradschaftsbund Wilhelmshaven" (DKB) 21.12.1992 NI "Nationale Offensive" (NO) 22.12.1992 BMI "Nationaler Block" (NB) 11.06.1993 BY "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) 14.07.1993 BW "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) 02.09.1993 NW "Wiking-Jugend e. V." (WJ) 10.11.1994 BMI "Nationale Liste" (NL) 24.02.1995 HH "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 24.02.1995 BMI "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) 05.05.1995 BB "Skinheads Allgäu" 30.07.1996 BY "Kameradschaft Oberhavel" 15.08.1997 BB "Heide-Heim e. V." (Hamburg) mit "Heideheim e. V." (Buchholz) 11.02.1998 NI "Hamburger Sturm" 11.08.2000 HH "Blood & Honour Division Deutschland" mit "White Youth" 14.09.2000 BMI "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) 05.04.2001 SN "Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck" (BNS) 07.03.2003 SH "Fränkische Aktionsfront" (F.A.F.) 22.01.2004 BY "Berliner Alternative Süd-Ost" (BASO) 09.03.2005 BR "Kameradschaft Tor Berlin" (inkl. "Mädelgruppe") 09.03.2005 BR Kameradschaft "Hauptvolk" (inkl. "Sturm 27") 12.04.2005 BB "Alternative Nationale Strausberger Dart-, Piercing14.07.2005 BB und Tattoo Offensive" (ANSDAPO) "Schutzbund Deutschland" 04.07.2006 BB "Sturm 34" 26.04.2007 SN "Collegium Humanum" (CH) mit "Bauernhilfe e. V." 07.05.2008 BMI "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust 07.05.2008 BMI Verfolgten" (VRBHV) 216 ANHANG - Übersicht von Verbotsmaßnahmen seit 1992 "Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum Schutz für Umwelt, 31.03.2009 BMI Mitwelt und Heimat e. V." (HDJ) "Mecklenburgische Aktionsfront" (MAF) 28.05.2009 MV "Frontbann 24" 05.11.2009 BR "Freie Kräfte Teltow-Fläming" (FKTF) 11.04.2011 BB "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren 21.09.2011 BMI Angehörige e. V." (HNG) "Kameradschaft Walter Spangenberg" 10.05.2012 NW "Widerstandsbewegung in Südbrandenburg" 19.06.2012 BB "Kameradschaft Aachener Land" (KAL) 23.08.2012 NW "Nationaler Widerstand Dortmund" (NWDO) 23.08.2012 NW "Kameradschaft Hamm" (KS Hamm) 23.08.2012 NW "Besseres Hannover" 25.09.2012 NI "Nationale Sozialisten Döbeln" 18.02.2013 SN "Nationale Sozialisten Chemnitz" (NSC) 28.03.2014 SN "Freies Netz Süd" (FNS) 23.07.2014 BY "Autonome Nationalisten Göppingen" (AN Göppingen) 18.12.2014 BW "Sturm 18 e. V." 29.10.2015 HE "Altermedia Deutschland" (Internet-Plattform) 27.01.2016 BMI "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT) 16.03.2016 BMI "Phalanx 18" 20.11.2019 HB "Combat 18 Deutschland" 23.01.2020 BMI "Nordadler" 23.06.2020 BMI "Sturm-/Wolfsbrigade 44" 01.12.2020 BMI "Nationale Sozialisten Rostock" (NSR) einschließlich der 24.06.2021 MV Teilorganisation "Baltik Korps" Bereich Reichsbürger und Selbstverwalter Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) 19.03.2020 BMI Bereich Linksextremismus Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde "linksunten.indymedia" 14.08.2017 BMI 217 ANHANG - Übersicht von Verbotsmaßnahmen seit 1992 Bereich Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug (ohne Islamismus) Organisation Verbot (Vollzug) am: Behörde Bereich Ausländerextremismus "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)/"Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK)( und Teilorganisationen, "Förderation der patriotischen 22.11.1993 BMI Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e. V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e. V." "Kurdistan Informationsbüro" (KIB) alias "Kurdistan Informationsbüro 20.02.1995 BMI in Deutschland" "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 06.08.1998 BMI "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front" (THKP/-C) 06.08.1998 BMI "Mesopotamia Broadcast A/S", "Roj TV A/S" "VIKO Fernseh Produktion GmbH" 13.06.2008 BMI (Teilorganisation von Roj TV A/S) "Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH"149 01.02.2019 BMI "MIR Multimedia GmbH" 150 01.02.2019 BMI Bereich Islamismus "Kalifatsstaat" und 35 Teilorganisationen 08.12.2001 14.12.2001 BMI 13.05.2002 16.09.2002 "al-Aqsa e. V." 31.07.2002 BMI "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 BMI "Yeni Akit GmbH" Verlegerin der Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Tageszeitung 22.02.2005 BMI "Anadolu'da Vakit" "YATIM-Kinderhilfe e. V." 30.08.2005 BMI "al-Manar TV" 29.10.2008 BMI "Internationale Humanitäre Hilfsorganisationen e. V." (IHH) 23.06.2010 BMI "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 BMI "Dawa FFM" einschl. der Teilorganisationen "Internationaler 25.02.2013 BMI Jugendverein - Dar al Schabab e. V." 149 Die Vereinigung wurde mit Wirkung zum 12. Februar 2019 vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurde Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Das Verbot ist daher bisher nicht bestandskräftig. 150 dito 218 ANHANG - Übersicht von Verbotsmaßnahmen seit 1992 "an-Nussrah" 25.02.2013 BMI "DawaTeam Islamische Audios" 25.02.2013 BMI "Waisenkinderprojekt Libanon e. V." (WKP) 02.04.2014 BMI (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e. V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias "Islamischer Staat im Irak" alias 12.09.2014 BMI "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 BMI "Die wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 BMI "Hizb Allah" 26.03.2020 BMI "Ansaar International e. V." und acht Teilorganisationen 05.05.2021 BMI "Deutsche Libanesische Familie e. V." "Menschen für Menschen e. V." 19.05.2021 BMI "Gib Frieden e. V." 151 Anmerkung: 1. "Bremer Hilfswerk e. V." - Selbstauflösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005. Das Bundesministerium des Innern hatte am 03.12.2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen den Verein eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. 151 Die Vereine waren Ersatzorganisationen des "Waisenkinderprojekt Libanon e. V." (WKP). 219 ANHANG - Glossar Glossar Antifa Der "antifaschistische Kampf" ist ein Hauptagitationsfeld von autoNomeN. Aus ihrer Sicht ist es geboten, den Kampf gegen "Faschisten" und "Rassisten" in die eigenen Hände zu nehmen. In autonomen Publikationen und Stellungnahmen wird für Gegenveranstaltungen zu rechtsextremistischen Kundgebungen geworben. Die Agitation richtet sich auch gegen bestimmte staatliche Einrichtungen oder ihre Repräsentanten. Darüber hinaus werden Adressen und "Steckbriefe" von politischen Gegnern veröffentlicht, die nicht selten mit der Aufforderung verbunden sind, diese Personen auch anzugreifen. Im Rahmen der "antifaschistischen Selbsthilfe" werden auch militante Aktionen befürwortet, die sich in erster Linie gegen den politischen Gegner, insbesondere tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, richten. Dadurch kommt es regelmäßig zu hohen Sachschäden, teilweise aber auch zu Personenschäden. Anti-Antifa Unter dem Begriff "Anti-Antifa" verfolgen NeoNatioNalsozialisteN in Anlehnung an Terminologie und Vorgehensweise von Linksextremisten ein Konzept zur Erfassung und Veröffentlichung von Daten über politische Gegner. Mit der Begriffswahl wollen sie verdeutlichen, dass ihr Handeln eine Reaktion auf linksextremistische Aktivitäten darstellt und als solche auch militante Aktionsformen umfassen kann. Ihre Aktivitäten weisen bisher in der Regel einen propagandistischen Charakter auf und zielen vornehmlich auf die Verunsicherung des Gegners. Als Gegner werden dabei auch Angehörige der Sicherheitsbehörden angesehen. Antideutsche Anhänger einer antideutschen Ideologie bilden eine Besonderheit innerhalb der gewaltbereiten linksextremistischen Szene und tragen zu einer deutlichen Polarisierung im linksextremistischen Gefüge bei. Hauptbestandteil antideutscher Ideologie ist die bedingungslose Solidarität mit der Politik des Staates Israels und dem jüdischen Volk. Antideutsche sprechen sich - aus Sorge vor einem neuerlichen, von Deutschland ausgehenden Holocaust - für eine massive Unterstützung des Staates Israels und des Judentums aus. Sie stehen oft positiv zu den USA als Schutzmacht Israels. Antideutsche befürchten ein Erstarken des deutschen Nationalismus und ein großdeutsches "Viertes Reich", sie lehnen daher einen deutschen Nationalstaat insgesamt ab. Im linksextremistischen Umfeld treten Antideutsche verstärkt durch Antisemitismusvorwürfe gegen rivalisierende linksextremistische Gruppierungen hervor. Antifaschismus Der Begriff "Antifaschismus" wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff 220 ANHANG - Glossar für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern immer auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Antisemitismus Antisemitismus im Rechtsextremismus Antisemitismus ist ein zentrales Ideologieelement des Rechtsextremismus und in allen seinen Äußerungsformen virulent, seien sie publizistisch, parlamentarisch oder auch aktionistisch orientiert. Antisemitismus zielt auf die Diffamierung und Diskriminierung einer behaupteten Gesamtheit "der Juden" ab. Der rechtsextremistische Antisemitismus baut insbesondere auf dem rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus auf, der das Judentum als "nichtdeutsche, fremde Rasse" definierte und diesen "Feind der eigenen Rasse" "ausmerzen" wollte. Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Konsequenzen meiden Rechtsextremisten mittlerweile in ihrer Propaganda offenen, rassistisch motivierten Antisemitismus. Vielmehr weichen sie auf einen angedeuteten Antisemitismus aus, insbesondere durch die Behauptung eines übermäßigen politischen Einflusses von Juden (politischer Antisemitismus). Auch religiös begründeter Antisemitismus ist gelegentlich zu beobachten. Oftmals findet antisemitische Propaganda nur unterschwellig statt, u. a. durch subtil judenfeindlich gefärbte Zeitungsartikel oder Anspielungen. Rechtsextremisten nutzen die im politischen und gesellschaftlichen Alltag geäußerte Kritik an der Politik Israels, um die Existenzberechtigung des Staates Israel in Frage zu stellen. Die grundsätzliche Ablehnung Israels basiert auf der prinzipiellen Ablehnung des Judentums. Gleichsetzungen der israelischen Politik mit den Verbrechen an Juden im Nationalsozialismus sind ebenfalls ein gängiges Muster des antizionistischen Antisemitismus. Im Rahmen des sekundären Antisemitismus wird den Juden vorgeworfen, sie benutzten die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust als Mittel der Erpressung, um finanzielle und politische Forderungen durchzusetzen. Antisemitischen Verschwörungstheorien zufolge wird Deutschland im Rahmen einer planvollen Konspiration instrumentalisiert, um den "jüdischen Einfluss" zu vergrößern oder das Ziel der jüdischen Weltherrschaft zu erreichen. Häufig wird ein "jüdischer Einfluss" auf politische Entscheidungen der Regierungsverantwortlichen behauptet. Antisemitismus im Islamismus Zu den Feindbildern islamistischer Organisationen gehören prinzipiell der Staat Israel bzw. "die Zionisten", denen je nach Standort im islamistischen Spektrum mehr oder weniger offen die verschwörerische Manipulation westlicher Staaten, vor allem der USA, unterstellt wird. Die jüdische Einwanderung in Palästina, die Entstehung des Staates Israel und der seither ungelöste NahostKonflikt waren Auslöser für die Entstehung eines islamistischen Antizionismus. Dieser war und ist stark antijüdisch gefärbt, insofern auch auf die prinzipielle, nach Auffassung von Islamisten im Koran belegte und durch die islamistische Geschichtsauffassung gestützte ewige Feindschaft "der 221 ANHANG - Glossar Juden" gegen die Muslime/den Islam Bezug genommen wird. Im Unterschied zum Antisemitismus deutscher Rechtsextremisten ist der islamistische Antisemitismus nicht rassistisch begründet. Auskunftsanspruch Jeder kann gemäß SS 9 Abs. 1 SächsVSG Auskunft über seine beim Landesamt für Verfassungsschutz zu seiner Person gespeicherten Daten erhalten. Der Auskunftsanspruch wird unter folgenden Voraussetzungen eingeschränkt, die in SS 9 Abs. 2 SächsVSG geregelt sind: Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, Gefährdung von Quellen, Ausforschung des Erkenntnisstandes bzw. der Arbeitsweise des LfV, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bzw. dem Wohl des Bundes oder eines Landes würden Nachteile bereitet, Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. Cyberangriff Mit dem Begriff "Cyberangriff" werden gezielt durchgeführte Maßnahmen mit und gegen Infrastrukturen der Informationstechnologie (IT) bezeichnet. Sie dienen entweder der Informationsbeschaffung oder sollen das angegriffene IT-System schädigen oder sabotieren. Datenschutz Zweck des Datenschutzes ist, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Der Verfassungsschutz hat daher bei seiner Aufgabenerfüllung grundsätzlich die besonderen datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Verfassungsschutzgesetze sowie - gegebenenfalls ergänzend - der allgemeinen Datenschutzgesetze zu beachten. Die Einhaltung dieser Bestimmungen wird fortlaufend vom Bundesbzw. den Landesbeauftragten für den Datenschutz unabhängig geprüft. Hierzu erhalten die Beauftragten u. a. weitgehende Akteneinsicht. Mit regelmäßig erscheinenden Tätigkeitsberichten werden die parlamentarischen Vertreter und die Öffentlichkeit über das Ergebnis ihrer Überprüfungen informiert. Extremismus/Radikalismus Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen "Radikalismus" und "Extremismus", obwohl beide Begriffe oft synonym gebraucht werden. Bei Radikalismus handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denkund Handlungsweise, die gesellschaftliche Pro222 ANHANG - Glossar bleme und Konflikte bereits "von der Wurzel (lat. radix) her" anpacken will. Im Unterschied zum Extremismus sollen jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt. Als extremistisch werden dagegen die Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Extremistisch beeinflusste Organisationen Extremistisch beeinflusste Organisationen sind Vereinigungen, die von Extremisten oder auf deren Initiative hin gegründet oder von Extremisten unterwandert und erheblich beeinflusst sind, wobei der Grad der Beeinflussung unterschiedlich ist. Sie verfolgen bestimmte politische Ziele, die mit denen der Kernorganisation ganz oder teilweise übereinstimmen. Sie unterstützen die Bestrebungen der Kernorganisation dadurch: dass sie bestimmte politische Ziele verfolgen, die mit denen der Kernorganisation ganz oder teilweise übereinstimmen, und dass sie dadurch die Bestrebungen der Kernorganisation unterstützen, dass ihre Funktionäre zu einem größeren oder kleineren Teil Mitglieder oder Anhänger der Kernorganisation sind, dass ihnen auch Personen angehören, die zwar keine Extremisten sind, aber Teilziele der Organisation verfolgen und dabei entweder den erheblichen extremistischen Einfluss nicht erkennen, oder ihn zwar erkennen, aber in Kauf nehmen, bzw. in Einzelfällen diesen Einfluss sogar zurückdrängen wollen. Extremistische Bestrebungen Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichtete Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Es ist zu unterscheiden zwischen Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes, Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. 223 ANHANG - Glossar Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, einen der zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählenden Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder eines Landesverfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen. Fanzine Der Begriff setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen und bezeichnet in der Regel subkulturelle Publikationen. In der rechtsextremistischen Szene informieren diese Publikationen über Musikgruppen, Tonträger, Konzerte sowie sonstige Szeneveranstaltungen. Einzelpersonen und rechtsextremistische Gruppierungen erhalten in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres Gedankengutes. Das Medium verlor mit der Verlagerung der Kommunikation in das Internet sehr stark an Bedeutung. Zwar erscheinen weiterhin Fanzines, herausgegeben von zumeist langjährigen Szeneangehörigen, diese Publikationen haben jedoch eher traditionellen, nostalgischen Charakter, als dass sie der Information breiter Szenekreise dienen. FReie NatioNalisteN / FReie kRäFte Das Konzept der FreieN NatioNalisteN (bzw. FreieN kräFte) wurde Mitte der 1990er-Jahre von NeoNatioNalsozialisteN als Reaktion auf die zahlreichen Vereinsverbote entwickelt. Ziel war es, die zersplitterte NeoNatioNalsozialistische szeNe unter Verzicht auf vereinsmäßige Strukturen ("Organisierung ohne Organisation") zu bündeln, ihre Aktionsfähigkeit zu erhöhen und gleichzeitig Verbotsmaßnahmen zu verhindern. Ein Großteil der FreieN NatioNalisteN sammelte sich in rechtsextremistischen Kameradschaften. Ab Mitte der 2000er Jahre setzte ein erneuter Strukturwandel in der Kameradschaftsszene ein, der von einer weiteren Lockerung der Organisationsstrukturen gekennzeichnet war. Damit wurde das Ziel verfolgt, dem Staat noch weniger Angriffsfläche zu bieten. So existieren in Sachsen nur noch vereinzelt organisierte und eine Struktur aufweisende Freie kräFte. 224 ANHANG - Glossar Freiheitliche demokratische Grundordnung Damit ist nicht die Verfassung bzw. das Grundgesetz in seiner Gesamtheit gemeint, sondern die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie. Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien: das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Fremdenfeindlichkeit Fremdenfeindlichkeit richtet sich gegen Menschen, die sich durch Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe von der als "normal" erachteten Umwelt unterscheiden. Die mit dieser Zuweisung typischerweise verbundenen vermeintlich minderwertigen Eigenschaften werden als Rechtfertigung für einschlägige Straftaten missbraucht. Insbesondere das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. G10-Maßnahme Nach dem "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" (Artikel 10-Gesetz) ist dem LfV der Eingriff in das Grundrecht nur unter folgenden engen Voraussetzungen möglich: Die Überwachung ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltpunkte für die Planung oder Begehung bestimmter, schwerwiegender Straftaten - z. B. Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit oder Bildung einer terroristischen Vereinigung - vorliegen. Ebenfalls zulässig ist eine Überwachung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Zudem muss die Überwachung erforderlich sein, d. h. die Erforschung des Sachverhalts muss auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. 225 ANHANG - Glossar Die Überwachung wird nicht vom LfV angeordnet, sondern auf dessen Antrag durch den Staatsminister des Innern. Vor dem Vollzug der Anordnung muss die sog. G10-Kommission über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Maßnahme entscheiden. Geheimschutz Der Geheimschutz umfasst alle personellen und materiellen (organisatorischen, baulichen und technischen) Maßnahmen zum Schutz von im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Unterlagen, Maßnahmen und Objekten. Der Geheimschutz sorgt dafür, dass Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder eines seiner Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Personeller Geheimschutz Die Verfassungsschutzbehörden wirken mit bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausüben, weil sie Zugang zu Verschlusssachen (VS) haben. Die Sicherheitsüberprüfung soll solche Personen aus sensiblen Bereichen fernhalten, die Anlass zu Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit oder an ihrem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung geben oder für Ansprachen anderer Nachrichtendienste gefährdet erscheinen. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet organisatorische, bauliche, mechanische, elektrotechnische und informationstechnische Maßnahmen zum Schutz von Verschlusssachen (unabhängig von ihrer Darstellungsform) und von räumlichen Sicherheitsbereichen. Einer der Schwerpunkte ist die Sicherheit beim Umgang mit Informationen, die im staatlichen Interesse Unbefugten nicht zur Kenntnis gelangen dürfen. Dazu gehören insbesondere die richtige Einstufung von Dokumenten als Verschlusssachen (VS-Nur für den Dienstgebrauch, VS-Vertraulich, GEHEIM und Streng GEHEIM) sowie deren Herstellung, Aufbewahrung/Speicherung, Vervielfältigung, Weitergabe/Übermittlung und Aussonderung/Archivierung bzw. Vernichtung/Löschung. Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) Das GETZ wurde im November 2012 zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/-terrorismus, der Spionage sowie der Proliferation eingerichtet. Im Rahmen des Gremiums tauschen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern Informationen zu den genannten Phänomenbereichen aus. Dabei soll die Fachexpertise der Sicherheitsbehörden gebündelt und ein möglichst lückenloser Informationsfluss gewährleitet werden. 226 ANHANG - Glossar Gemeinsames Internetzentrum (GIZ) Im GIZ beobachten seit 2007 sprachkundige Experten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder das Internet hinsichtlich islamistischer und islamistisch-terroristischer Inhalte. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das im Jahr 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst (BAMAD), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird durch die dortige Zusammenarbeit erleichtert und beschleunigt. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des Grundgesetzes, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Islamistische Organisationen - mit Ausnahme islamistisch-terroristischer Organisationen - lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Organisationen, die in ihren Herkunftsländern die konsequente Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen nach ihrem Verständnis der islamischen Rechtsordnung (Scharia) anstreben. In Deutschland liegt ihr Schwerpunkt auf propagandistischen Aktivitäten sowie der Sammlung von Spendengeldern, um die Mutterorganisationen in den Herkunftsländern zu unterstützen. Andere islamistische Gruppierungen in Deutschland verfolgen eine umfassendere, auch politisch motivierte Strategie. Auch sie streben eine Änderung der Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Staatswesens an. Sie bemühen sich jedoch im Rahmen einer legalistischen Strategie, ihren Anhängern in Deutschland größere Freiräume für ein schariakonformes Leben zu schaffen. 227 ANHANG - Glossar Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für islamistische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Unter "Homegrown"-Terrorismus sind islamistische Strukturen oder Strukturansätze zu verstehen, die sich aus radikalisierten Personen ab der zweiten Einwanderergeneration sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Die Personen sind zumeist in europäischen Ländern geboren und/ oder aufgewachsen, stehen jedoch aufgrund religiöser, gesellschaftlicher, kultureller oder psychologischer Faktoren dem hiesigen Wertesystem ablehnend gegenüber und erachten die Errichtung einer islamistischen Gesellschaftsordnung für erstrebenswert. Gemeinsames Kennzeichen dieses Personenkreises ist, dass er von der pan-islamischen al-qaiDa-Ideologie beeinflusst wird. Lediglich ein sehr kleiner Teil zum Islam konvertierter Personen macht sich islamistisches Gedankengut zu eigen und engagiert sich für islamistische Ziele. Die Rolle von Konvertiten in islamistischen/ islamistisch-terroristischen Strukturen erklärt sich u. a. aus der Motivation, sich gegenüber Glaubensbrüdern als besonders gute Muslime (hier: Islamisten) beweisen zu wollen. Sie weisen zudem aufgrund ihrer Kenntnis der westlichen Gegebenheiten strategische Vorteile auf. Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf/"heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. Klandestine Aktionen Diese Aktionsform findet unabhängig vom Demonstrationsgeschehen Anwendung. Es handelt sich um Aktionen, bei denen es entweder zum Einsatz von Gewalt kommt bzw. es sich um herausgehobene Zielobjekte des politischen Gegners bzw. Einrichtungen des "Repressionsapparates" handelt. Taktisch setzt man dabei auf das Überraschungsmoment und die Anonymität der Akteure. Dadurch wird für die Handelnden das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung minimiert. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kleiner, aber fester Personenkreis mit hohem Konspirationsgrad. Es sollen hierdurch politische Aufmerksamkeit erreicht und politischer Einfluss ausgeübt werden. Daher werden die Aktionen in der Regel auch durch Bekennerschreiben flankiert. 228 ANHANG - Glossar Kontrolle der Verfassungsschutzbehörden Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte des Bürgers sind den Verfassungsschutzbehörden nur auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Damit der Bürger darauf vertrauen kann, dass die Verfassungsschutzbehörden sich an ihren gesetzlichen Auftrag und an die für die Tätigkeit geltenden Rechtsbestimmungen halten, unterliegen sie der Kontrolle auf mehreren Ebenen. s. a. Parlamentarische Kontrollgremien, Datenschutz Legende "Legende" bezeichnet im Sprachgebrauch der Nachrichtendienste die Verwendung ganz oder teilweise erfundener oder geänderter biographischer Daten, um den Auftrag der Nachrichtendienste zu erfüllen und für sie tätige Personen gegenüber Dritten zu schützen. Im Rahmen einer Legende werden Tarnmittel eingesetzt, insbesondere Tarnadressen, Tarnausweise und Kfz-Tarn-Kennzeichen. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao und andere, Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzende Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: Dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, autoNome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre: In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität an. 229 ANHANG - Glossar Mujahidin Als Mujahidin (Plural für: "Kämpfer im Jihad") werden Islamisten bezeichnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich am "gewaltsamen Jihad" selbst beteiligen oder beteiligt haben oder für die Teilnahme am "gewaltsamen Jihad" ausbilden lassen oder bereits haben ausbilden lassen oder am "gewaltsamen Jihad" beteiligen werden, z. B. aufgrund entsprechender Äußerungen. Arabische Muslime verschiedener Nationalität stellen einen überproportional großen Teil der Mujahidin. Nachrichtendienste Nachrichtendienste sammeln Informationen über die innere oder äußere Sicherheit eines Staates gefährdende Bestrebungen und werten sie aus. Hierbei können die Nachrichtendienste verdeckt arbeiten (vgl. nachrichtendienstliche Mittel). Die Ergebnisse der Analyse werden in Berichtsform zusammengefasst und den politischen Entscheidungsträgern sowie den Kontrollgremien zur Verfügung gestellt. Nachrichtendienste in Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland existieren drei Nachrichtendienste: Inlandsnachrichtendienst (Verfassungsschutzbehörden: Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesämter für Verfassungsschutz) Auslandsnachrichtendienst (BND) Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist föderal organisiert. Dementsprechend existieren 17 Verfassungsschutzbehörden, ein Bundesamt (BfV) und 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV). Sie arbeiten gemäß dem Bundesverfassungsschutzgesetz bzw. den Landesverfassungsschutzgesetzen in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder können entweder als Abteilung unmittelbar im jeweiligen Innenministerium angesiedelt oder als eigenständige Landesoberbehörde dem jeweiligen Innenministerium nachgeordnet sein. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er hat die Aufgabe, im Ausland Informationen zu sammeln, die von außenoder sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Er wertet diese Informationen selbst aus. 230 ANHANG - Glossar Neben den Kernaufgaben der Auslandsaufklärung übernimmt der BND zunehmend auch Aufgaben in der Beobachtung der international operierenden Organisierten Kriminalität, insbesondere auf den Gebieten Waffenund Technologietransfer, Geldwäsche, Menschenhandel und Rauschgiftschmuggel. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), eine Dienststelle des Bundesverteidigungsministeriums, ist der Nachrichtendienst der Bundeswehr. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat er die Aufgabe, extremistische, sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Bestrebungen und Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr zu beobachten. Die Hauptaufgaben des BAMAD liegen dabei in der Abwehr von Spionageaktivitäten sowie im Aufspüren verfassungsfeindlicher Bestrebungen innerhalb der Truppe. Das BAMAD ist auch für die Sicherheit von Bundeswehrliegenschaften zuständig. Nachrichtendienste fremder Staaten In der Bundesrepublik Deutschland agieren Nachrichtendienste fremder Staaten, um Informationen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu gewinnen (politische, wirtschaftliche, militärische Entwicklungen und Entscheidungen). Hinsichtlich ihrer Organisation und ihrer Befugnisse sind diese Dienste in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgestaltet Nachrichtendienstliche Mittel Mit nachrichtendienstlichen Mitteln als Oberbegriff werden technische Mittel und Arbeitsmethoden der geheimen Nachrichtenbeschaffung bezeichnet. So darf das LfV nach SS 5 Abs. 1 SächsVSG Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Dem LfV ist unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (nach SS 5 Abs. 2 Satz 2 SächsVSG) die Erhebung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere, gestattet, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Für die anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz sind vergleichbare Bestimmungen in den Landesverfassungsschutzgesetzen geregelt. 231 ANHANG - Glossar NADIS Das "Nachrichtendienstliche Informationssystem" (NADIS) ist ein Datenverbund des Bundesamtes und der Landesbehörden für Verfassungsschutz. NADIS ist eine Hinweisdatei, d.h. sie dient zur Identifizierung einer Person, Organisation oder eines Sachverhaltes und dem Auffinden von Aktenfundstellen. Eine Speicherung im NADIS darf nur aufgrund der in den Verfassungsschutzgesetzen definierten gesetzlichen Regelungen erfolgen. Neue Rechte Bei der "Neuen Rechten" handelt es sich um eine in den 1970er Jahren in Frankreich aufgekommene geistige Strömung, die sich um eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus bemüht. Sie beruft sich u. a. auf antidemokratische Denker, die bereits zur Zeit der Weimarer Republik unter der Bezeichnung "Konservative Revolution" aktiv waren. Die Aktivisten der "Neuen Rechten" beabsichtigen die Beseitigung oder zumindest die Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates und versuchen, zunächst einen bestimmenden kulturellen Einfluss zu erlangen, um letztlich den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren und das politische System grundlegend zu verändern. Opportunitätsprinzip/Legalitätsprinzip Während die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) nach der Strafprozessordnung grundsätzlich verpflichtet sind, bei Verdacht einer Straftat von Amts wegen einzuschreiten (Legalitätsprinzip), gilt für die Verfassungsschutzbehörden das Opportunitätsprinzip. Hiernach steht die Entscheidung, ob wegen einer Straftat eingeschritten werden soll, im Ermessen. So kann der Verfassungsschutz wegen einer zu erwartenden relevanten Erkenntnissteigerung auf ein unmittelbares Einschreiten verzichten. Das Opportunitätsprinzip ist Grundlage für (oftmals jahrelang) wachsende Vertrauensverhältnisse. Diese ermöglichen dem Verfassungsschutz einen exklusiven Zugang zu Informationsquellen, seien es V-Leute oder auch Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste. Damit dies so bleibt, müssen Nachrichtendienste einen besonderen Wert auf Quellenschutz legen. Hinweisgeber sind nicht selten Straftäter oder Opfer, die Sanktionen der Täter befürchten. Im Zweifel kann ein mögliches Strafverfolgungsinteresse dem Schutz der Quelle untergeordnet werden. Dadurch, dass der Verfassungsschutz vom Strafverfolgungszwang losgelöst ist, kann er weitergehend operieren, etwa, um eine extremistische bzw. terroristische Szene näher aufzuklären oder zur Entschärfung einer Gefahrensituation, indem er versucht, einzelne Täter aus der Szene herauszulösen und als Informanten zu gewinnen, um so ferner die Strukturen der Bestrebung zu schwächen. Ohne Strafverfolgungszwang hat der Verfassungsschutz Raum für umfassende Analysen und Methodik. Im Gegensatz zur Polizei kann er "flächendeckende" Strukturerkenntnisse sammeln. Personenbezogene Daten Hierunter versteht man alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche 232 ANHANG - Glossar Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Das Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" wurde zum 1. Januar 2001 eingeführt. Erfasst werden alle Straftaten, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, sowie Straftaten, bei denen Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind. Die Daten werden im Polizeibereich erhoben und zentral durch das Bundeskriminalamt unter verschiedenen Gesichtspunkten differenziert dargestellt. Die Straftaten werden folgenden Bereichen zugeordnet: politisch motivierte Kriminalität - rechts, politisch motivierte Kriminalität - links, politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie / religiöse Ideologie152, sonstige politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Quelle/Quellenschutz Im nachrichtendienstlichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Quelle" die Herkunft einer Information. Quellen können Personen (z. B. V-Leute), aber auch Medien (z. B. Internet, Druckerzeugnisse) oder andere Behörden sein. Unter "Quellenschutz" versteht man alle Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, eine nachrichtendienstliche Quelle vor einer Enttarnung und deren Folgen zu schützen. 152 Seit 2018 werden die Strafund Gewalttaten nach ausländischer (d. h. politischer) und religiöser Ideologie unterschieden. Vorher nannte sich die Rubrik "Politisch motivierte Ausländerkriminalität - Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund". Auch Straftaten aus dem Extremismusbereich "Islamismus" wurden hier registriert. 233 ANHANG - Glossar Rechtsextremismus Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder "Rasse" bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer "volksgemeinschaftlicher" Konstrukte zurück (Antipluralismus). siehe auch: Autonome Nationalisten, Fanzine, Kameradschaften, Freie NatioNalisteN/Freie kräFte, Neonationalsozialismus/Neonazismus, Skinheads Rechtsextremistische Kameradschaften (im Freistaat Sachsen) Bei Kameradschaften handelt sich um Gruppierungen, die einen abgegrenzten Personenstamm mit beabsichtigter geringer Fluktuation besitzen, eine lediglich lokale oder maximal regionale Ausdehnung aufweisen, eine zumindest rudimentäre Struktur besitzen und die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit auf Basis einer rechtsextremistischen, insbesondere neonationalsozialistischen Grundorientierung haben. Die Kameradschaften sind im Wesentlichen von zwei Formen bestimmt: Subkulturell geprägte Kameradschaften Diese besitzen keine festen Führungsstrukturen und sind von Spontaneität und Aktionismus geprägt. Dementsprechend beschränken sich ihre Aktivitäten hauptsächlich auf den regionalen Bereich und oft auf die Teilnahme an rechtsextremistischen Konzerten. Neonationalsozialistische Kameradschaften Diese weisen klar erkennbare Führungsstrukturen auf und sind stark politisch ausgerichtet. In ihren weltanschaulichen Grundpositionen werden zunehmend antikapitalistische Elemente sichtbar. Gefordert werden ein Nationaler Sozialismus und die Volksgemeinschaft. Darüber hinaus bestehen auch kameradschaftsähnliche Strukturen, die in Sachsen u. a. unter wechselnden Bezeichnungen wie Freie kräFte, NatioNale sozialisteN etc. in Erscheinung treten. Dabei verwenden sie oft einen auf einen Ort oder eine Region hinweisenden Namenszusatz. 234 ANHANG - Glossar Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus ist eine rechtsextremistisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die durch Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter im Rahmen längerfristiger Strategien das Ziel verfolgt, mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern oder das Ziel einer ethnisch und politisch homogenen Gesellschaft durchzusetzen. Revisionismus, rechtsextremistischer Der das Bestreben nach einer kritischen Überprüfung von Erkenntnissen beschreibende Begriff "Revisionismus" wird von Rechtsextremisten zur Umdeutung der Vergangenheit verwendet. Ihnen geht es dabei nicht um eine wissenschaftlich objektive Erforschung der Geschichte, sondern um die Manipulation des Geschichtsbildes, um insbesondere den Nationalsozialismus in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Man kann unterscheiden zwischen einem Revisionismus im engeren Sinn, der den Holocaust leugnet, und einem Revisionismus im weiteren Sinn, der etwa die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bestreitet. Der zeitgeschichtliche Revisionismus bedient sich unterschiedlicher Aussagen und Methoden. So beinhaltet die Leugnung des "Holocaust", das Ausmaß der Ermordung von Millionen europäischer Juden durch das NS-Regime zu verharmlosen oder sogar abzustreiten. Dabei werden vorhandene Dokumente auf unseriöse Weise fehlinterpretiert oder fadenscheinige Vorwände zur Leugnung der Ereignisse gesucht. Forschungsergebnisse seriöser Historiker, die eindeutig belegen, dass die "Endlösung der Judenfrage" unzweifelhaft stattgefunden hat, werden durch rechtsextremistische Revisionisten bewusst ignoriert. Sabotageschutz Unter den Begriff fallen alle Maßnahmen zur Abwehr von Sabotage. Als Sabotage bezeichnet man die Beeinträchtigung, Beschädigung oder Zerstörung lebensund verteidigungswichtiger Einrichtungen wie z. B. Kraftwerke, Verkehrsverbindungen oder Kommunikationsanlagen. Die absichtliche Störung eines wirtschaftlichen oder militärischen Ablaufs dient der Erreichung eines bestimmten, oft politischen, Ziels. Vergehen werden gemäß SSSS 87, 88 des Strafgesetzbuches (StGB) geahndet. Ziel des Sabotageschutzes ist es, Einrichtungen, deren Ausfall oder Zerstörung die Gesundheit oder das Leben von großen Teilen der Bevölkerung erheblich bedrohen oder die für das Gemeinwesen unverzichtbar sind, vor möglichen Innentätern zu schützen. Unabhängig von der jeweiligen Organisationsform sollen daher besonders sicherheitsempfindliche Teile von Einrichtungen geschützt werden, die z. B. der Energieversorgung der Bevölkerung dienen oder für das Funktionieren des Gemeinwesens - z. B. Telekommunikation, Bahn, Post - notwendig sind. Das Gleiche gilt für Beeinträchtigungen von Einrichtungen, die der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte dienen. 235 ANHANG - Glossar Salafismus Die salafistische Bewegung strebt eine Rückkehr zum Vorbild der "lauteren Vorfahren" (as-Salaf assalih) und damit zu einem fiktiven "Urislam" an. Zentrale Merkmale dieser Religionsinterpretation sind die strikte Konzentration auf Koran und Prophetentradition (Sunna) als handlungsweisende Texte, die Ablehnung aller Neuerungen, die als unvereinbar mit dem "wahren islamischen Geist" gelten, das unbedingte Bekenntnis zur Einheit Gottes (Tauhid), die Durchsetzung des religiösen Gesetzes (Scharia) sowie eine Vielzahl an Kleidungsund Verhaltensvorschriften. Viele der dabei vertretenen Ansichten sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Schwarzer Block Der sog. "Schwarze Block", vermummte Aktivisten in einheitlicher "Kampfausrüstung", ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der "Schwarze Block" ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder "Schwarze Block" beinhaltet jedoch ein einzelfallbezogenes, spezifisch bestimmendes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung dynamisch und auch kurzfristig noch verändern kann. Wenngleich der "Schwarze Block" überwiegend ein Ausdruck linksextremistischer Massenmilitanz (Straßenkrawalle im Rahmen von Demonstrationen) ist, schließt die Teilnahme eines "Schwarzen Blocks" an einer Demonstration keinesfalls einen friedlichen Demonstrationsverlauf aus. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug (ohne Islamismus) Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die häufig durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Dabei handelt es sich um linksextremistische Organisationen, soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte arBeiterPartei kurDistaNs. 236 ANHANG - Glossar Derartige Organisationen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, indem sie z. B. versuchen, hier eine ihren Grundsätzen entsprechende Parallelgesellschaft zu errichten, sie ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder unterstützen und dadurch auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten gefährden und sich ihre Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, richten. Skinheads, rechtsextremistische Rechtsextremistische Skinheads sind immer noch ein Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in Deutschland, auch wenn ihr Anteil und ihre Bedeutung im Vergleich zu den 1990er Jahren deutlich zurückgegangen sind. Ihr Lebensstil ist subkulturell geprägt und häufig mehr auf Freizeitgestaltung als auf politische Arbeit ausgerichtet. Auch verfügen die meisten Skinheads nicht über ein gefestigtes rechtsextremistisches Weltbild. Sie vertreten jedoch rechtsextremistische Anschauungen, die sich in Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und der Verherrlichung des Nationalsozialismus zeigen. Rechtsextremistische Skinheads stellen ihre Zugehörigkeit zur "weißen Rasse" und deren angebliche Überlegenheit in den Mittelpunkt und definieren ihre Feindbilder auf diese Weise. Die rassistische Einstellung wird mit dem Schlagwort "white power" zusammengefasst. Jugendliche finden auch über die Zugehörigkeit zur rechtsextremistischen Skinhead-Subkultur und insbesondere über die für die Szene wichtige rechtsextremistische Musik Zugang zu einer nationalistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Gedankenwelt. Musik spielt nicht nur für die Skinhead-Bewegung eine wichtige identitätsstiftende Rolle. Texte von rechtsextremistischen Musikgruppen prägen weltanschauliche Vorstellungen, Konzerte haben eine bedeutende Rolle für den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Szene. Oft sind Musik und Konzerte Anknüpfungspunkte für rechtsextremistische Parteien oder Neonazis, die hierüber versuchen, Jugendliche an ihre politischen Vorstellungen heranzuführen. Weltweite Strömungen innerhalb der Skinhead-Szene mit einer gewissen szeneinternen Bedeutung sind BlooD & hoNour und die hammerskiNs, beides rassistische Bewegungen, die ein elitäres Selbstverständnis pflegen. Vor allem BlooD & hoNour, dessen deutscher Zweig, die BlooD & hoNour-DiVisioN DeutschlaND, im Jahr 2000 durch den Bundesinnenminister verboten wurde, trat in der Vergangenheit immer wieder durch die Organisation von rechtsextremistischen Konzerten in Erscheinung. Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Be237 ANHANG - Glossar schaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus. Hierdurch sollen Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste gewonnen werden. Die Spionageabwehr gehört gemäß SS 2 Abs. 1 Nr. 2 SächsVSG zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Terrorismus Terrorismus ist nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Terrorismusbekämpfungsgesetze Durch die Anschläge des 11. September 2001 wurden neue Bekämpfungsansätze erforderlich. Mit einem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG)) wurden Anfang 2002 zahlreiche Sicherheitsgesetze der neuen Bedrohungslage angepasst. So erhielt der Verfassungsschutz das Recht, auch solche Bestrebungen zu beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, da diese Bestrebungen ein gefährlicher Nährboden für den wachsenden Terrorismus sind. Zur Erforschung von Geldströmen und Kontobewegungen von Organisationen und Personen, die extremistischer Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender Tätigkeiten verdächtigt werden, erhielt der Verfassungsschutz die Befugnis, bei Banken und Geldinstituten Informationen über Konten einzuholen. Ferner wurden Auskunftspflichten für Postdienstleister, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsund Teledienstleister vorgesehen. Mit der Neufassung und Ausweitung der Vereinsverbotsgründe durch Änderung des Vereinsgesetzes wurden die staatlichen Handlungsoptionen zur Bekämpfung extremistischer Vereinigungen mit Auslandsbezug ergänzt, sodass für Ausländervereine und ausländische Vereine z. B. verhindert werden kann, dass gewalttätige oder terroristische Organisationen von Ausländervereinen in Deutschland unterstützt werden. Mit einem Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (TBEG) von Anfang 2007 wurden weitere Verbesserungen bei der Terrorismusbekämpfung geschaffen. So wurden die Aus238 ANHANG - Glossar kunftsbefugnisse des Verfassungsschutzes gegenüber Banken, Geldinstituten, Postdienstleistern, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikationsund Teledienstleistern praxisorientiert fortentwickelt und ergänzt. Die bewährten Befugnisse wurden erstreckt auf die Aufklärung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Inland, die die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt fördern. Die durch den Wegfall der Binnengrenzkontrollen eingeschränkte Möglichkeit der Grenzfahndung wird nunmehr kompensiert durch eine Ausschreibungsmöglichkeit im Schengener Informationssystem und eine damit notwendig verbundene Ausschreibung im nationalen polizeilichen Informationssystem INPOL, um den besonderen Gefahren internationaler extremistischer Bestrebungen und Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste zu begegnen. Des Weiteren erhielten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) die Möglichkeit, Auskünfte über Fahrzeugund Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) auch im automatisierten Abrufverfahren einzuholen. Trennungsgebot Durch das Trennungsgebot wird eine organisatorische und funktionelle Trennung von Verfassungsschutz und Polizei/Staatsschutz vorgegeben. Dies ist für das Landesamt für Verfassungsschutz in SS 1 Abs. 4 und SS 4 Abs. 3 SächsVSG geregelt. Eine solche Trennung verbietet jedoch nicht den Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Dieser ist vielmehr notwendig, um trotz der Trennung effektiv arbeiten zu können. Nur durch eine Vernetzung von Nachrichtendiensten und Polizeien ist es möglich, die in der jeweiligen Rechtssphäre gewonnenen Erkenntnisse auszutauschen und zu analysieren. Verfassungsfeindlich Verfassungsfeindlich (= extremistisch) sind politische Aktivitäten, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind und darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. "Verfassungsfeindlichkeit" ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der "Verfassungswidrigkeit" (siehe nächste Seite). Verfassungsschutzbehörden Das Bundesverfassungsschutzgesetz verpflichtet Bund und Länder, eigene Verfassungsschutzbehörden aufzubauen. Der Bund kam dieser Pflicht durch Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 7. November 1950 nach. Die Länder folgten alsbald. Auch in den neuen Bundesländern wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands schrittweise Behörden für Verfassungsschutz aufgebaut, sodass es nun 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz in Deutschland gibt. Einige Länder errichteten eigenständige Verfassungsschutzbehörden, andere wiesen die Aufgabe des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes einer Abteilung ihres Innenministeriums/-senats zu. Hierfür gelten die jeweiligen Verfassungsschutzgesetze der Länder. 239 ANHANG - Glossar Verfassungswidrig Umgangssprachlich häufig synonym mit "verfassungsfeindlich" zu finden. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 GG; SSSS 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Parteien sind verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es genügt nicht, wenn die Partei die freiheitliche demokratische Ordnung nicht anerkennt, sie ablehnt oder ihr andere Prinzipien entgegenhält. Es muss vielmehr eine aktiv-kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung hinzukommen. Die Organisation muss also planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen und im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen. Im Urteil zum NPD-Verbotsverfahren vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, forderte das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung der von einer Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen (so z. B. die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, oder die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen) oder konkrete Anhaltspunkte von Gewicht für ein deutliches Überschreiten der Grenzen des zulässigen politischen Meinungskampfes. V-Leute Vertrauensleute, sogenannte V-Leute, sind Personen, die planvoll und systematisch zur Gewinnung von Informationen über extremistische Bestrebungen eingesetzt werden. Sie sind keine Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Für ihre Informationen werden sie in der Regel entlohnt. Die Identität von Vertrauensleuten wird besonders geschützt (s. a. Quellenschutz). Bei dem Einsatz von V-Leuten handelt sich um ein nachrichtendienstliches Mittel/Instrument. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-how-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage beinhaltet die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 240 ANHANG - Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A ABE aryaN BrotherhooD eastsiDe AfD Alternative für Deutschland ART Dresden aNtiFa rechercheteam DresDeN B BAMAD Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BND Bundesnachrichtendienst BPjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz D DKP Deutsche kommuNistische Partei DMG Deutsche muslimische gemeiNschaFt e. V. F FAU Freie arBeiteriNNeNuND arBeiter-uNioN FKD Freie kameraDschaFt DresDeN FKMO Freie kräFte mittel/ostsachseN G G 10 Artikel 10-Gesetz H HPG VolksVerteiDiguNgskräFte I IB iDeNtitäre BeWeguNg IBD iDeNtitäre BeWeguNg DeutschlaND IL iNterVeNtioNistische liNke IS islamischer staat J JN JuNge NatioNalisteN Juko "Antifaschistischer Jugendkongress" JXK/YXK stuDiereNDe FraueN aus kurDistaN/VerBaND Der stuDiereNDeN aus kurDistaN 241 ANHANG - Abkürzungsverzeichnis K KCDK-E koNgress Der kurDischeN DemokratischeN gesellschaFt kurDistaNs iN euroPa KON-MED koNFöDeratioN Der gemeiNschaFteN kurDistaNs iN DeutschlaND e. V. KPF kommuNistische PlattForm Der Partei Die Linke KPV kommuNalPolitische VereiNiguNg Der NPD KRD köNigreich DeutschlaND L LfV Landesamt für Verfassungsschutz M MB muslimBruDerschaFt MID Military Intelligence Department MKBD marWa el-sherBiNy kulturuND BilDuNgszeNtrum DresDeN e. V. MLPD marxistisch-leNiNistische Partei DeutschlaNDs MPS Ministry of Public Security MSS Ministry of State Security N NJB NatioNaler JugeNDBlock e. V. NPD NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs NSC NatioNale sozialisteN chemNitz NS Nationalsozialismus (hist.) NSBM NS-Black Metal NSP Neue stärke Partei NSU Nationalsozialistischer Untergrund P PKK arBeiterPartei kurDistaNs PKK Parlamentarische Kontrollkommission PMK Politisch motivierte Kriminalität R R.A.C. Rock Against Communism RH rote hilFe e e. V. RNF riNg NatioNaler FraueN 242 ANHANG - Aussteigerprogramm Sachsen S SächsVSG Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen SBD sächsische BegegNuNgsstätte uND DieNstleistuNgeN uNterNehmergesellschaFt (haFtuNgsBeschräNkt) T TCS teVgera ciWaNeN SoreSger U URA Dresden uNDogmatische raDikale aNtiFa DresDeN V V-Person Vertrauensperson Y YPG/YPJ VolksVerteiDiguNgseiNheiteN Aussteigerprogramm Sachsen Das Aussteigerprogramm Sachsen unterstützt Personen, die sich im Einflussbereich extremistischer Gruppen oder Handlungszusammenhänge befinden, sich aus diesen lösen wollen und hierfür Unterstützung benötigen. Ziel ist es, Aussteigerinnen und Aussteigern einen Neustart in der Gesellschaft zu ermöglichen. Das Aussteigerprogramm Sachsen berät und begleitet darüber hinaus beispielsweise auch Familienangehörige, Freunde und Fachkräfte im Umgang mit Krisenund Konfliktsituationen. Das Aussteigerprogramm Sachsen arbeitet dabei phänomenübergreifend. Die Leistungen sind kostenfrei, anonym und vertraulich. Weitere Informationen und Kontakt: Aussteigerprogramm Sachsen Postfach 30 11 25 04251 Leipzig Telefon: 0173-9617643 E-Mail: kontakt@steig-aus.de Internet: www.steig-aus.de 243 ANHANG - Register Register A ACKERMANN, Katrin .................................................................................................................................................114 allgemeiNes syNDikat DresDeN (Fau) ............................................................................................................154 f., 214 al-qaiDa ........................................................................................................................................... 180, 184, 214, 228 al-rahmaN-moschee e. V. .............................................................................................................................179 f., 214 Alternative für Deutschland (AfD) ...................................................................................................134, 138, 241 Alternatives Jugendzentrum Chemnitz (AJZ) .................................................................................................. 152 aNarchisteN ............................................................................................................................ 132, 146, 155, 214, 229 aNarchosyNDikalistische JugeND leiPzig (ASJL) ........................................................................................................ 214 ANDRES, Robert ....................................................................................................................................................51, 57 aNtiFa rechercheteam DresDeN (ART Dresden) ................................................................................... 147, 214, 241 "Antifaschismus" .......................................................21, 128, 133 f., 142 f., 145, 150, 152, 160, 162, 220 f. "Antikapitalismus" .......................................................................................................................................136, 160 f. "Antirassismus" ......................................................................................................................................................... 134 "Antirepression" ................................................................. 21, 128, 133 f., 142, 145, 150, 152, 155 f., 161 f. arBeiterPartei kurDistaNs (PKK) .............................................................................. 21, 185 ff., 215, 218, 236, 242 aria/aria s (Liedermacherin) ...................................................................................................................................211 artgemeiNschaFt - germaNische glauBeNsgemeiNschaFt WeseNsgemässer leBeNsgestaltuNg e. V. ................63, 211 aryaN BrotherhooD eastsiDe (ABE) ..................................................................................................80, 102, 211, 241 autoNome .............................................................................................. 132, 135, 138 ff., 161, 214, 217, 229, 234 B BACHMANN, Lutz ........................................................................................................................................... 73 ff., 77 BADI, Muhammad .....................................................................................................................................................171 "Balaclava Graphics" ..............................................................................................................................................65, f. Benjamin gruhN (Liedermacher) ............................................................................................................ 87, 89, 211 BERNDT, Hans-Christoph ...............................................................................................................................74, 76 f. Black DeVils (Band) .................................................................................................................................... 80, 102, 211 BlutzeugeN (Band) .............................................................................................................................................90 f., 211 BRD-GmbH ..................................................................................................................................................................110 BrigaDe 8 chaPter schlesieN ..................................................................................................................80 ff., 103, 211 BRÜCK, Michael ........................................................................................................................................................52 f. BuNDesstaat sachseN ........................................................................................................................................110, 114 f. BürgerBeWeguNg leiPzig 2021 ....................................................................................................21, 121, 125 ff., 213 C CLAUßNITZER, Claus-Dieter ...................................................................................................................................114 comBat 18 ..................................................................................................................................................... 83, 211, 217 244 ANHANG - Register comPact-magaziN gmBh .............................................................................................................................78, 143, 211 Cyberabwehr .................................................................................................................................................................10 D DABBAGH, Hassan ................................................................................................................................................ 179 f. DÄBRITZ, Siegfried ...........................................................................................................................................73 f., 77 De.iNDymeDia.org .........................................................................................................................................143, 146, 214 Delegitimierer ............................................................................................................................5, 21, 27, 121, 123 f. DemokratieFeiNDliche uND/oDer sicherheitsgeFährDeNDe DelegitimieruNg Des staates .......................122, 125, 213 Der Dritte Weg (III. Weg) ......................................................... 36 ff., 45, 62, 84, 88, 101, 104, 147 f., 152, 211 Der schelm (Verlag) ..............................................................................................................................................99, 211 Der toD uND Die laNDskNechte (Band) .......................................................................................................................211 Desinformationen ...................................................................................................... 20, 22 ff., 123 f., 126 f., 202 Deutsche kommuNistische Partei (DKP) .................................................................................................. 163, 214, 241 Deutsche muslimische gemeiNschaFt e. V. (DMG) ............................................................................ 172 f., 214, 241 Deutsche stimme VerlagsgesellschaFt mBh ..................................................................................................... 103, 211 Die exil-regieruNg Deutsches reich .......................................................................................................................... 213 Die rechte ........................................................................................................................................................ 36, 52, 211 DiVisioN 45 ............................................................................................................................................. 81 f., 85, 89, 211 DiVisioN erzgeBirge ........................................................................................................................................................211 DresDNer VereiN Deutsch kurDischer BegegNuNgeN e. V. ...................................................................... 188, 191, 215 E eiNzelkämPFer (Liedermacher) ...................................................................................................................................211 ELGAZAR, Dr. Saad ............................................................................................................................................... 173 ff. ELSÄSSER, Jürgen ................................................................................................................................................ 57, 78 ethos (Band) .................................................................................................................................................................211 exil-regieruNg Deutsches reich ................................................................................................................................. 213 F FAU leiPzig .................................................................................................................................................154, 156, 214 FAU PlaueN ......................................................................................................................................................154 f., 214 FAU-sektioN chemNitz ........................................................................................................................................154, 214 FeiNDkoNtakt ProDuktioN (Vertrieb) ....................................................................................................................96, 211 FeiNDNah (Band) ............................................................................................................................................................211 FISCHER, Matthias .......................................................................................................................................................36 FITZEK, Peter .................................................................................................................................... 5, 113 f., 117, 120 FRANZ, Frank ......................................................................................................................................................... 43, 45 Freie arBeiteriNNeN-uND arBeiter-uNioN-iNterNatioNale arBeiter assoziatioN (FAU) ..................... 153, 214, 241 Freie JugeND sachseN ..............................................................................................................................51 f., 54 f., 211 Freie kameraDschaFt DresDeN ............................................................................................................................. 211, 241 245 ANHANG - Register Freie kräFte mittel/ostsachseN (FKMO) .......................................................................................................... 211, 241 Freie sachseN ........................................................................................ 35 f., 39, 45 ff., 50 ff., 78, 103 f., 127, 211 FreilichFrei (Liedermacher) .................................................................................................................................88, 211 FreuNDe VoN PegiDa ..............................................................................................................................................73, 77 f. FroNt776 (Band) ........................................................................................................................................... 85, 89, 211 "Frühwarnsystem" ..................................................................................................................................10 f., 16, 122 Full oF hate (Band) ..................................................................................................................................................... 212 "Fünf Gifte" ................................................................................................................................................................. 197 G geeiNte Deutsche Völker uND stämme (Nachfolgeorganisation) ...............................................................213, 217 geFaNgeNeNhilFe (GH) .......................................................................................................................................... 63, 212 "Gemeinwohldorf" .................................................................................................................................................113 f. gemeiNWohlloBBy sachseN .................................................................................................................................. 116, 213 "Gentrifizierung" .................................................................................................... 21, 128, 133, 135, 142, 144 ff. GENTSCH, Tony ........................................................................................................................................................40, f. GIESEN, Lutz ..............................................................................................................................................................65 f. "Great Reset" ....................................................................................................................................... 67, 69, 71 f., 74 "Großer Austausch" ............................................................................................................................................ 69, 72 H Haager Landkriegsordnung (HLKO) .....................................................................................................................110 hammerskiNs .........................................................................................................................................................212, 237 haNDschu (Liedermacher) ........................................................................................................................................ 212 HARTUNG, Stefan .............................................................................................................................. 46, 50 f., 54, 56 "Haus Montag" .......................................................................................................................................................... 103 heilige JugeND (Band) ................................................................................................................................................. 212 heiliger krieg (Band) ........................................................................................................................................... 90, 212 "Heldengedenken" ........................................................................................................................................ 40, 64, 84 hermaNNslaND-VersaND (Vertrieb) .................................................................................................................... 94, 212 hilFsorgaNisatioN Für NatioNale Politische geFaNgeNe uND DereN aNgehörige e. V. (HNG) ................63, 212, 217 HOFMANN, Andreas ....................................................................................................................................................50 hoPe For the Weak (Band) ........................................................................................................................................ 212 I iDeNtitäre BeWeguNg (IB) ................................................................................. 31, 36, 66 ff., 94, 97, 104, 212, 241 iNterVeNtioNistische liNke (IL) .............................................................................................................................214, 241 islamische gemeiNDe iN sachseN .........................................................................................................................179, 214 islamischer staat (IS) ........................................................................................................179 ff., 188, 214, 219, 241 246 ANHANG - Register J Jihad ........................................................................................................................................171, 178, 183, 228, 230 JugeND im kamPF ........................................................................................................................................ 159, 161, 214 JuNge NatioNalisteN (JN) ........................................................................................ 36, 43 ff., 62, 87, 103, 212, 241 JXK/YXK (stuDiereNDe FraueN aus kurDistaN / VerBaND Der stuDiereNDeN aus kurDistaN) ......................215, 241 K kameraDschaFt treue ehre (Band) .............................................................................................................................. 212 "Kampf der Nibelungen" .............................................................................................................................. 96, 100 f. "Kampfsportveranstaltungen" ............................................................................................................65, 80, 100 f. kaotic chemNitz ..................................................................................................................................................... 80, 212 kaValier (Liedermacher) ......................................................................................................................88, 93, 97, 212 killumiNati (Band) ....................................................................................................................................................... 212 Klandestine Aktion .............................................................................................................. 138, 144 f., 150 f., 228 KL-auslieFeruNg/KL-militaria VersaND ............................................................................................................. 99, 212 "Klub 451" ............................................................................................................................................................ 49, 103 KOHLMANN, Martin ............................................................................................................................. 50 f., 54, 56 f. kommuNalPolitische VereiNiguNg (KPV) .................................................................................................... 43, 212, 242 kommuNistische PlattForm Der Partei "Die Linke" (KPF) ....................................................................163, 214, 242 koNFöDeratioN Der gemeiNschaFteN kurDistaNs iN DeutschlaND e. V. (KON-MED) ............ 187, 190 f., 215, 242 koNgress Der kurDischeN DemokratischeN gesellschaFt kurDistaNs iN euroPa (KCDK-E) ..... 187, 190, 215, 242 köNiglich sächsischer gemeiNDeVerBaND (KSGV) mit WahlkommissioN sachseN (ehemals Freie WählerVereiNiguNg eiNiges DeutschlaND) ............................................................................ 115, 213 köNigreich DeutschlaND (KRD) ................................................................... 6, 20, 108, 113 f., 117, 120, 213, 242 Kritische Infrastruktur (KRITIS) ..........................................................................................................4, 193 f., 201 KROLZIG, Sascha ..........................................................................................................................................................62 "Kuffar" ......................................................................................................................................................................... 177 L lars (Liedermacher - auch soNDerkommaNDo elBe) ................................................................................. 88, 212 f. Legalresidentur ................................................................................................................................................ 197, 199 leicheNzug (Band) ....................................................................................................................................................... 212 Lina E. .........................................................................5, 21, 128, 134, 141, 143 f., 146, 149, 152, 158 ff., 165 lokis truhe (Vertrieb) ...................................................................................................................................... 98 f., 212 M marWa el-sherBiNy kulturuND BilDuNgszeNtrum DresDeN e. V. (MKBD) ................................. 172 f., 214, 242 marxistisch-leNiNistische Partei DeutschlaNDs (MLPD) ............................................................ 163, 189, 214, 242 Materieller Geheimschutz .........................................................................................................................207 f., 226 MATTHES, Karl Mario ................................................................................................................................................. 66 muslimBruDerschaFt (MB) .................................................................................................................. 171 ff., 214, 242 247 ANHANG - Register N NatioNalDemokratische Partei DeutschlaNDs (NPD) ..43 ff., 53 ff., 62, 66, 87 f., 93, 98, 103, 212f., 240, 242 NatioNaler JugeNDBlock zittau e. V. (NJB) .............................................................................................. 84, 212, 242 NatioNalreVolutioNäre JugeND (NRJ) ............................................................................................................. 37, 41, 42 Nationalsozialismus .......... 31 ff., 37, 43 f., 58, 60 f., 64, 75, 86, 91, 94, 98 f., 133, 221, 235, 237, 242 NatioN uND WisseN (Verlag/Vertrieb) ............................................................................................................... 98, 212 NDS recorDs (Vertrieb) ..............................................................................................86, 88 f., 92 ff., 97, 102, 212 NeoNatioNalsozialisteN ......................................................................... 36, 48, 51, 53, 60 ff., 79 f., 134, 220, 224 NeoNatioNalsozialistische szeNe .....................................................................................................60 ff., 99, 212, 224 NeuBegiNN (Band) ........................................................................................................................................................ 212 Neue stärke Partei (NSP) .................................................................................................20, 30, 36, 58 f., 212, 242 NSDAP .............................................................................................................................................................. 37, 44, 91 O ÖCALAN, Abdullah .............................................................................................................................. 21, 185, 187 ff. oDessa (Band) ....................................................................................................................................................... 91, 212 olDschool society (OSS) ............................................................................................................................................. 212 otWiN (Liedermacher) ............................................................................................................................................... 212 Outing ................................................................................................................................. 69, 72, 135 f., 147 f., 152 P ParaNoiD (Band) .......................................................................................................................................................... 212 Partei Der DemokratischeN uNioN (PYD) ................................................................................................................... 215 PC-recorDs (Vertrieb) ...................................................................................................................................94 ff., 212 PeckerWooD BrotherhooD ............................................................................................................................................ 212 PegiDa ..........................................................................................................................................................36, 73 ff., 212 Personeller Geheimschutz ........................................................................................................................... 206, 226 Piattmar (Liedermacher) ........................................................................................................................................... 212 PioNier (Band) .............................................................................................................................................................. 212 Primus (Rapper) ................................................................................................................................................... 90, 212 Prisma - iNterVeNtioNistische liNke leiPzig (Prisma) .............................................................................................. 214 Pro chemNitz (Bürgerbewegung Pro chemNitz) ....................................................................... 50 f., 54, 104, 212 Proliferation .................................................................................................................................15, 195 f., 226, 233 PrototyP (Rapper) ..............................................................................................................................88 f., 92, 97, 212 Q "Querdenker" .................................................................................................................................................... 135, 142 R rac'N'roll-teuFel (lieDermacher, auch schratt) ........................................................................................... 88, 212 f. reichsVerBaND Deutscher recht-koNsuleNteN ................................................................................................. 117, 213 reVolutioNäre FraueN leiPzig ................................................................................................................... 159, 161, 214 248 ANHANG - Register reVolutioN chemNitz ..................................................................................................................................................... 212 reVolutioN (reVo) ......................................................................................................................................................... 214 riNg NatioNaler FraueN (RNF) .................................................................................................................. 43, 213, 242 rote hilFe e. V. (RH) ............................................................................................................................156 ff., 214, 242 rote WeNDe leiPzig ....................................................................................................................... 21, 128, 159 ff., 214 ruNa (Musikerin) ..........................................................................................................................................88, 92, 213 S Sabotageschutz ................................................................................................................................... 12, 205 ff., 235 sachseNBlut (Band) ..................................................................................................................................................... 213 sächsische BegegNuNgsstätte uND DieNstleistuNgeN uNterNehmergesellschaFt (SBD) ...............................214, 243 sachsoNia (Band) .............................................................................................................................................. 91 f., 213 Scharia ......................................................................................................................... 168, 170 f., 175 ff., 227, 236 "Schild und Schwert"-Festival ........................................................................................................................... 82 ff. schlesische JuNgs Niesky ........................................................................................................................... 81 f., 84, 213 schratt (Liedermacher) ........................................................................................................................................ 212 f. SCHREIBER, Max .................................................................................................................................................. 46, 55 SCHREIBER, Peter ...................................................................................................................................... 43, 46 f., 54 schWarze DiVisioN sachseN (Band) ........................................................................................................................... 213 Scientology-Organisation ...................................................................................................................................... 215 selBststeller (Band) .................................................................................................................................................... 213 SIGHARDT, Udo .............................................................................................................................................................40 soNDerkommaNDo elBe (Liedermacher, auch lars) .................................................................................... 88, 212 f. "Sonnenwendfeiern" .................................................................................................................................... 41, 48, 64 sPätlese (Band) ............................................................................................................................................................ 213 Spionage ............................................................................................................ 10 ff., 16, 193 ff., 226, 237 f., 240 staateNlos.iNFo - comeDiaN e. V. ................................................................................................................................ 213 stahlFroNt (Band) ....................................................................................................................................................... 213 stahlWerk (Band) ......................................................................................................................................................... 213 "Staupitz" ............................................................................................................................................3, 84, 86 ff., 104 STORCH, Sara ................................................................................................................................................................58 STÜRZENBERGER, Michael ............................................................................................................................... 74, 77 suBkulturell gePrägte rechtsextremistische szeNe .............................................................59, 80 ff., 84 ff., 94, 213 Sunna .....................................................................................................................................................168, 176 f., 236 T "Tag X" ................................................................................................................................................................... 38, 141 TAUFKIRCH, Wolfgang ....................................................................................................................................74 f., 77 teVgera ciWaNeN SoreSger DresDeN (TCS) ............................................................................................. 188, 191, 215 teVgera ciWaNeN SoreSger (TCS) .............................................................................................. 187 f., 191, 215, 243 THALER, Philip ...............................................................................................................................................................66 thematik 25 (Band) ....................................................................................................................................... 84, 91, 213 249 ANHANG - Register THEWS, Christoph ........................................................................................................................................................58 thoytoNia (Band) .......................................................................................................................................................... 213 TIWAZ-gemeiNschaFt .......................................................................................................................................... 101, 213 TRAUTMANN, Stefan ..................................................................................................................................................46 true aggressioN (Band) .............................................................................................................................................. 213 türkische hizBullah (TH) ............................................................................................................................................. 214 U üBerzeuguNgstäter VogtlaND (Band) ........................................................................................................................ 213 ultRACocks (Band) .................................................................................................................................................... 213 ...ums gaNze! ........................................................................................................................................................153, 214 uNDogmatische raDikale aNtiFa DresDeN (URA Dresden) ............................................................................ 147, 153 UTA FraueNrat DresDeN e. V. ................................................................................................................... 188, 191, 215 V VaterläNDischer hilFsDieNst mit armeekorPsBezirk V, XII uND XIX ............................................................... 115, 213 VerBaND Der stuDiereNDeN aus kurDistaN (YXK) .............................................................................................215, 241 VereiNigte gemeiNschaFteN kurDistaNs (KCK) ........................................................................................................... 215 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates ..............................12, 15, 21, 27, 122 ff., 213 "Völkische Siedler" ..................................................................................................................................................3, 63 VolksNah (Band) ................................................................................................................................................... 91, 213 VolksVerteiDiguNgseiNheiteN Der FraueN (YPJ) ....................................................................................... 191, 215, 243 VolksVerteiDiguNgseiNheiteN (YPG) ...................................................................................................... 190 f., 215, 243 VolksVerteiDiguNgskräFte (HPG) .............................................................................................................. 188, 215, 241 W WALDE, Thomas .............................................................................................................................................74 f., 77 f. Wir Für leiPzig .............................................................................................................................................................. 213 Wirtschaftsschutz .............................................................................................................. 12, 16, 195, 203 f., 240 "Wolf im Schafspelz"-Strategie .................................................................................................21, 167, 170, 172 W. U. T. (White uNiteD terror, Band) ...................................................................................................................... 213 Z Zeitzeugenvorträge ..............................................................................................................................................41, 64 Zuverlässigkeitsüberprüfungen ....................................................................................................................... 208 f. 250 Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium des Innern und Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Satz und Gestaltung: INITIAL Werbung & Verlag Druck: Druckerei Schütz GmbH Redaktionsschluss: 6. Juni 2023 Bezug: Diese Druckschrift kann kostenfrei bezogen werden beim: Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60, 01129 Dresden Telefon: +49 351 85850 rde des Menschen Telefax: +49 351 8585500 E-Mail: verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de Internet: www.verfassungsschutz.sachsen.de Verteilerhinweis: unantastbar Diese Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Wehrhafte Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, Demokratie an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung bei der Wahlwerbung. zum Schutz Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme der freiheitlichen des Herausgebers zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. undordnung Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist jedoch den Parteien, diese Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Copyright Diese Veröffentlichung ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die des Nachdruckes von Auszügen und der fotomechanischen Wiedergabe, sind dem Herausgeber vorbehalten.