Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2017 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, unsere Verfassung ist das Fundament unserer Demokratie. Sie garantiert mit ihren Grundrechten u. a. die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Es ist eine Verfassung, auf die wir stolz sind. Es ist eine Verfassung, die zu schützen es sich lohnt, die zu schützen eine zentrale Aufgabe des Staates ist. Denn eine Demokratie, die sich nicht gegen diejenigen wehren kann, die sie abschaffen wollen, ist immer eine gefährdete Demokratie. Der Verfassungsschutz ist Ausdruck dieser wehrhaften Demokratie. Er bildet einen wichtigen Schutzschirm für Grundrechte und Freiheit in unserem Land und unterrichtet nicht nur Staatsregierung und Parlament, sondern auch die Menschen im Land Prof. Dr. Günther Schneider über extremistische Bestrebungen und ihre Entwicklungen. Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium des Innern Dieser Aufgabe hat sich das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) auch 2017 wieder gestellt. Der vorliegende Bericht zeigt detailliert, in welchen Bereichen und in welchem Umfang extremistische Gruppierungen im letzten Jahr agiert haben. Der Bericht enthält sowohl regionale Lagebilder zum Rechtsund Linksextremismus als auch Beiträge zu Reichsbürgern und S elbstverwaltern, Islamismus und Ausländerextremismus. Von großer Bedeutung bleibt nach wie vor die Beobachtung des Rechtsextremismus. Denn auch wenn wir hier einen leichten Rückgang des Personenpotenzials (2017: 2.600 Personen; 2016: 2.700) sehen, bereiten uns zwei Entwicklungen Sorge. Erstens wandten sich wegen der Krise der NPD viele Rechtsextremisten zuletzt verstärkt der neonationalsozialistischen Partei D er D ritte Weg zu - einer der expansivsten rechtsextremistischen Strukturen in Sachsen. Zweitens gelang es Rechtsextremisten seit 2015 an vielen Stellen, sich vorübergehend als Teil von nicht extremistischen asylbezogenen Protesten zu etablieren und dort Einfluss zu gewinnen. Problematisch sind ebenfalls die Entwicklungen bei den Reichsbürgern und S elbstverwaltern . Deren Personenpotenzial ist zuletzt stark angestiegen (2017: 1.327 Personen; 2016: 600 Personen) - was allerdings auch daran liegt, dass das LfV Sachsen durch die öffentlichen Stellen des Freistaates über entsprechende Erkenntnisse immer direkter informiert wird. Darüber hinaus blieb natürlich auch die Beobachtung des Linksextremismus ein zentrales Arbeitsfeld des LfV im letzten Jahr. Insgesamt sehen wir hier einen leichten Rückgang. So sank das linksextremistische Personenpotenzial um ca. 8 % (2017: 775 Personen; 2016: ca. 845). Die Autonomen stellten hier unverändert die größte Gruppe dar (ca. 415 Personen). Auch die Anzahl 3 Vorwort der linksextremistischen Straftaten bewegte sich gegenüber 2014 und 2015 auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Dennoch haben wir deutlich gesehen, dass die Aktionsund Gewaltbereitschaft der Szene unverändert hoch blieb und eine Vielzahl von klandestin verübten Strafund Gewalttaten begangen wurde. Solchen Angriffen müssen und werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegen treten. Das islamistische Personenpotenzial schließlich bewegte sich im Freistaat trotz eines Anstiegs von 11 % weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Das LfV richtete sein Augenmerk verstärkt auf islamistische Bestrebungen, die versuchen, islamische Gemeinden und Vereine für ihre Zwecke zu missbrauchen. So gab es in Sachsen im letzten Jahr einige Versuche der islamistischen Muslimbruderschaft bzw. der ihr zuzuordnenden S ächsischen Begegnungsstätte , islamische Gemeinden ideologisch zu unterwandern. Dies zeigt, dass in diesem Bereich eine hohe Wachsamkeit geboten ist. Unser LfV wird diese Szene - auch in Anbetracht des weltweiten islamistischen Terrors - weiterhin aufmerksam beobachten. Insgesamt können wir festhalten: Extremisten unterschiedlicher Couleur haben unsere freiheitliche demokratische Grundordnung auch im letzten Jahr auf verschiedene Weise angegriffen. Sie ist es wert, engagiert verteidigt zu werden. Der nun vorliegende Bericht ist dafür eine wichtige Informationsgrundlage und zeigt, dass der Verfassungsschutz elementarer Partner einer wehrhaften Demokratie ist. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden unser verlässliches Frühwarnsystem in Bezug auf alle Formen von Extremismus. Ihnen gilt unser Dank. Prof. Dr. Günther Schneider Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium des Innern 44 Inhaltsverzeichnis I. Verfassungsschutz in Sachsen 8 1. Gesetzlicher Auftrag 9 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes 9 1.2 Informationsgewinnung 11 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz 12 2. Kontrolle des Verfassungsschutzes 13 3. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention 14 II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen 18 1. Rechtsextremismus 20 1.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 21 1.2 Personenpotenzial 23 1.3 Rechtsextremistische Parteien 28 1.3.1 D er D ritte Weg (III. Weg) 28 1.3.2 N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) 35 1.3.3 D ie Rechte , Landesverband Sachsen 49 1.4 Parteiungebundene Strukturen 51 1.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen 52 1.4.2 Subkulturell geprägte Gruppierungen 65 1.4.3 Identitäre Bewegung D eutschland - Regionalgruppe Sachsen 68 1.4.4 Rechtsextremistische Musik 74 1.4.5 Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 90 1.5 Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial 94 1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus 95 1.7 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen 97 1.7.1 Landkreis Bautzen 97 1.7.2 Chemnitz (Stadt) 101 1.7.3 Dresden (Stadt) 106 1.7.4 Erzgebirgskreis 111 1.7.5 Landkreis Görlitz 115 1.7.6 Landkreis Leipzig 119 1.7.7 Leipzig (Stadt) 122 1.7.8 Landkreis Meißen 125 1.7.9 Landkreis Mittelsachsen 128 1.7.10 Landkreis Nordsachsen 132 1.7.11 Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 135 1.7.12 Vogtlandkreis 138 1.7.13 Landkreis Zwickau 142 1.8 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 148 1.9 Ausblick 152 5 Inhaltsverzeichnis 2. Reichsbürger und S elbstverwalter 156 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 157 2.2 Personenpotenzial 158 2.3 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen 159 3. Linksextremismus 161 3.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 162 3.2 Personenpotenzial 163 3.3 Autonome 166 3.3.1 Autonome in Leipzig 178 3.3.2 Autonome in Dresden 197 3.3.3 Autonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 209 3.4 Anarchistische Gruppierungen 216 3.5 Revolution (Revo) 223 3.6 Rote Hilfe e . V. (RH) 227 3.7 Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen 232 3.8 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 234 3.9 Ausblick 237 4. Islamismus 241 4.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 242 4.2 Personenpotenzial 243 4.3 Salafistische Bestrebungen 243 4.4 Muslimbruderschaft (MB) 249 4.5 Jihadistische Bestrebungen 253 4.6 Sonstige islamistische Bestrebungen 259 4.7 Ausblick 260 5. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug 262 5.1 Zielsetzungen 263 5.2 Personenpotenzial 263 5.3 A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) 264 5.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten mit ausländerextremistischem bzw. islamistischem Hintergrund 269 5.5 Ausblick 271 66 Inhaltsverzeichnis III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 272 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten 273 2. Akteure - Schwerpunkte und Methoden ihres Wirkens 274 2.1 Akteure und Schwerpunkte 274 2.1.1 Russische Föderation 274 2.1.2 Volksrepublik China 275 2.1.3 Türkei, nahöstliche und asiatische Staaten 276 2.1.4 Westliche Staaten 277 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 278 2.2.1 Beschaffung öffentlich zugänglicher Informationen 278 2.2.2 Beschaffung nicht öffentlich zugänglicher Informationen 278 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen 281 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft 283 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben 285 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und Sabotageschutzüberprüfungen 286 1.1 Sicherheitsüberprüfungen 286 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen 287 2. Materieller Geheimschutz 287 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder Ausschlussgründen 288 Anhang 290 Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen 291 Glossar der Verfassungsschutzbehörden 296 Abkürzungsverzeichnis 311 Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz - SächsVSG) 315 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) 336 Register 353 7 I. Verfassungsschutz in Sachsen XX Verfassungsschutz als Frühwarnsystem XX Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung XX Extremismus in Sachsen: ZZRechtsextremismus ZZReichsbürger und Selbstverwalter ZZLinksextremismus ZZIslamismus ZZsicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug XX Präventionsangebote 8 Verfassungsschutz in Sachsen - Gesetzlicher Auftrag Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland geht von dem Grundgedanken einer streitbaren, wehrhaften Demokratie aus. Sie sieht vor, dass Angriffe von Extremisten auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv abgewehrt werden können. So können Parteien vom Bundesverfassungsgericht verboten oder von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden (Artikel 21 Absatz 2 bis 4 GG). Auch Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, können verboten werden (Artikel 9 Absatz 2 GG). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Staat entsprechende Bestrebungen oder Aktivitäten - sie werden als extremistisch oder verfassungsfeindlich bezeichnet - rechtzeitig erkennen kann. Hier setzt die Aufgabe des Verfassungsschutzes als "Frühwarnsystem" zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. 1. Gesetzlicher Auftrag 1.1 Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Erkenntnisse zu extremistischen BestrebunVerfassungsschutz in Deutschland gen sowie zu Terrorismus und Spionage schon In der Bundesrepublik Deutschland gibt es Inlandsnachrichtendienste sowohl auf weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu Bundesebene (Bundesamt für Verfassungsgewinnen. Ziel seiner Tätigkeit ist es, rechtzeitig schutz) als auch auf Ebene der Länder auf Gefahren hinzuweisen, die dem freiheitli(Landesverfassungsschutzbehörden). Die chen Rechtsstaat aus diesen Bereichen drohen. Behörden arbeiten jeweils selbständig, sind Dazu erstellt er Lagebilder und Analysen, die jedoch gesetzlich zur Zusammenarbeit veres den Regierungen von Bund und Ländern pflichtet. ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Aufgaben und Befugnisse des VerfassungsAbwehr von Gefahren für die freiheitliche schutzes sind gesetzlich genau festgelegt. demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Dem Verfassungsschutz selbst stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. Jedoch übermittelt er unter bestimmten Voraussetzungen seine Erkenntnisse an Polizei und Staatsanwaltschaft, um deren Vollzugsmaßnahmen zu unterstützen. Die gemeinsam zu erledigenden Aufgaben von Bund und Ländern regelt das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG). Zudem gibt es für jedes Land ein eigenes Verfassungsschutzgesetz, das die Aufgaben und Befugnisse regelt. Die Rechtsgrundlage des Verfassungsschutzes in Sachsen ist das "Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen" (SächsVSG)1. 1 Das SächsVSG ist im Anhang dieses Verfassungsschutzberichtes abgedruckt und auch unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. 9 Verfassungsschutz in Sachsen - Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen obliegt danach die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Eine weitere Aufgabe des Verfassungsschutzes ist Extremistische Bestrebungen in Sachsen: die Spionageabwehr, d. h. die Abwehr der Spionage Rechtsextremismus von Nachrichtendiensten fremder Staaten gegen Deutschland. Wesentliche Angriffsziele sind die Reichsbürger und Selbst verwalter Bereiche Politik, Militär, Forschung und WisLinksextremismus senschaft sowie Wirtschaft. Das LfV Sachsen Islamismus beobachtet im Bereich Wirtschaftsschutz die sicherheitsgefährdende und extremistiAktivitäten ausländischer Nachrichtendienste, sche Bestrebungen von Gruppierungen um deutsche Unternehmen und Einrichtungen mit Auslandsbezug vor unberechtigtem Know-howund Informationsabfluss zu schützen. Daneben nimmt das LfV Sachsen auch sogenannte Mitwirkungsaufgaben wahr, bei denen es als Fachberater bei Sachentscheidungen einer anderen Behörde hinzugezogen wird. Hierzu gehören der Geheimund der Sabotageschutz. So ist das LfV Sachsen u. a. beteiligt an: Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, der Durchführung von technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen. 10 Verfassungsschutz in Sachsen - Informationsgewinnung Ebenso bringt das LfV Sachsen seine Erkenntnisse im Rahmen weiterer Beteiligungsaufgaben ein. So wird es durch andere öffentliche Stellen beteiligt bei der Überprüfung von Personen, die sich um die Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wenn der Verdacht besteht, dass sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, Überprüfungen von Personen, soweit diese gesetzlich vorgesehen sind, z. B. nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Staatsangehörigkeitsgesetz, dem Atomgesetz, dem Sprengstoffgesetz, dem Luftsicherheitsgesetz sowie der Gewerbeordnung in Verbindung mit der Bewachungsverordnung. Die Informationen, die der Verfassungsschutz aufgrund seines gesetzlichen Auftrages sammelt, werden analysiert, d. h. sie werden gesichtet, geprüft und bewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen z. B. zur Einschätzung der Sicherheitslage, zur Vorbereitung von Vereinsund Parteiverboten oder zur Verhinderung bzw. Verfolgung von durch Extremisten, Terroristen und Spione begangenen Straftaten. Diese Analysen sind auch Grundlage für die Berichterstattung des LfV Sachsen gegenüber dem Staatsministerium des Innern, anderen Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), der die Aufgaben des Verfassungsschutzes auf dem Gebiet der Bundeswehr wahrnimmt, dem Bundesnachrichtendienst (BND), der Auslandsaufklärung betreibt, Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Polizei), Behörden, die die Informationen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung benötigen (z. B. für Versammlungsverbote) und der Öffentlichkeit (z. B. durch Vortragsveranstaltungen oder der Veröffentlichung des jährlichen Verfassungsschutzberichts und von Broschüren). 1.2 Informationsgewinnung Der Verfassungsschutz sammelt einen erheblichen Teil seiner Informationen aus allgemein Dabei wird zwischen offenen Quellen und nachrichtendienstlichen Mitteln unterschiezugänglichen Quellen. So werden u. a. Parteiden. Vorrang bei der Informationsbeschafprogramme, Satzungen, Publikationen, Flugfung hat immer das mildeste Mittel. blätter, Internetseiten oder auch Reden von Funktionären ausgewertet. Extremisten, Terroristen und fremde Nachrichtendienste arbeiten jedoch häufig sehr konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Dementsprechend ist der Verfassungsschutz gesetzlich ermächtigt, auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel bei der Informationsgewinnung einzusetzen. Dabei ist er jedoch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen u. a.: 11 Verfassungsschutz in Sachsen - Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz der Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen), d. h. Personen, die dem LfV Sachsen selbst nicht angehören, aber aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Beobachtungsobjekt "Szene-Erkenntnisse" gegen Honorierung liefern ohne ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zu erkennen geben, das verdeckte Beobachten von Personen (Observation), verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen, die Nutzung von Tarnmitteln, mit denen die Tätigkeit des Verfassungsschutzes verborgen werden soll (z. B. Tarnkennzeichen), die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs sowie die Wohnraumüberwachung. Die Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs ist besonders strengen rechtsstaatlichen Anforderungen unterworfen. Sie sind in einem gesonderten Gesetz geregelt, das nach dem Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses "Artikel 10-Gesetz" (G 10)2 genannt wird. Demnach dürfen u. a. der Telekommunikationsverkehr abgehört und aufgezeichnet sowie Briefe geöffnet und gelesen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass bestimmte schwere Straftaten geplant oder begangen werden bzw. wurden. Der Präsident des LfV Sachsen muss hierfür einen entsprechenden Antrag beim Staatsministerium des Innern stellen. Wenn die vom Sächsischen Landtag gewählte G 10-Kommission Zulässigkeit und Notwendigkeit der Maßnahme bestätigt hat, wird sie vom Staatsminister des Innern angeordnet. 1.3 Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz Polizei und Verfassungsschutz arbeiten beim Schutz von Staat und Verfassung eng zusammen. Sie sind jedoch getrennt voneinander organisiert und mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet. Dieses Trennungsgebot ist in Artikel 83 Absatz 3 der Sächsischen Verfassung wie auch im SS 1 Absatz 4 SächsVSG verankert. Es besagt insbesondere, dass der Verfassungsschutz keiner Polizeibehörde angegliedert werden darf. Zudem gibt es keinen unbeschränkten Informationsaustausch untereinander. Auch stehen dem Verfassungsschutz Zwangsbefugnisse, wie sie der Polizei eingeräumt werden, nicht zu. Er darf also weder Personen festnehmen, durchsuchen, vorladen, vernehmen noch Wohnungen durchsuchen oder Gegenstände beschlagnahmen. Er ist auch nicht befugt, Verbote oder Auflagen auszusprechen. Der Verfassungsschutz hat vielmehr lediglich reine Beobachtungsbefugnisse. Unabhängig davon sind Verfassungsschutz und Polizei - neben anderen Sicherheitsbehörden - gefordert, die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland zu schützen und die innere Sicherheit zu gewährleisten. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit. Hat der Verfassungsschutz ausreichende Erkenntnisse, die ein sicherheitsrechtliches Eingreifen erforderlich machen, unterrichtet er Polizei oder Staatsanwaltschaft. Dort wird dann selbständig entschieden, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind. 2 Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sowie das Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Freistaat Sachsen sind unter www.verfassungsschutz.sachsen.de abrufbar. 12 Verfassungsschutz in Sachsen - Kontrolle des Verfassungsschutzes 2. Kontrolle des Verfassungsschutzes Das Staatsministerium des Innern (SMI) kontrolliert als Fachaufsichtsbehörde die Rechtund Zweckmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch das LfV Sachsen. Als Dienstaufsichtsbehörde wacht es zudem über den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb. Sächsischer Parlam. G 10-Kommission Landtag Kontrollkommission (PKK) Staatsministerium Kontrolle Kontrolle des Innern Fachaufsicht Landesamt für Verfassungsschutz Kontrolle Kontrolle Kontrolle Sächsischer Gerichte Öffentlichkeit Datenschutzbeauftragter Außerdem finden Kontrollen statt durch: die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Sächsischen Landtages Sie kontrolliert die Tätigkeit des LfV Sachsen. Auch die Wahrnehmung der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern über das LfV Sachsen unterliegt der Kontrolle der PKK. die Kommission nach SS 3 SächsAG G 10 (G 10-Kommission) des Sächsischen Landtages Diese Kommission prüft die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Maßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10), d. h. von Maßnahmen der Brief-, Postund Telekommunikationsüberwachung. Auch Zulässigkeit und Notwendigkeit der Auskunftsersuchen gegenüber auskunftsverpflichteten Unternehmen nach SS 11a Absatz 1 bis 5 sowie SS 11b SächsVSG unterliegen der Kontrolle der Kommission. 13 Verfassungsschutz in Sachsen - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention den Sächsischen Datenschutzbeauftragten Er kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz und prüft, ob personenbezogene Daten durch das LfV Sachsen rechtmäßig erhoben, verarbeitet und übermittelt werden. Jeder Bürger kann sich an den Datenschutzbeauftragten wenden, wenn er der Ansicht ist, das LfV Sachsen habe ihn bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten in seinen Rechten verletzt. den Sächsischen Rechnungshof Er kontrolliert die Verwendung der Haushaltsmittel des LfV Sachsen. die Gerichte Jeder Bürger hat das Recht, gegen ihn belastende Maßnahmen des LfV Sachsen das Verwaltungsgericht anzurufen. Außerdem prüft ein Gericht bereits im Vorfeld die Zulässigkeit von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen. die Öffentlichkeit Durch die Medienberichterstattung wird die Tätigkeit des LfV Sachsen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erfährt damit auch deren Kontrolle. interne Prüfungen Im LfV Sachsen finden auch interne Kontrollen statt, so z. B. durch die Innenrevision, den behördlichen Datenschutzbeauftragten, den G 10-Aufsichtsbeamten sowie den behördlichen Beauftragten für den Haushalt. 3. Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Der sächsische Verfassungsschutz ist kein Sicherheitsarchitektur in Deutschland "geheimer Dienst", sondern ein InformationsNachrichtendienste dienstleister für die Öffentlichkeit. Er inforPolizei miert interessierte Bürger, Pädagogen und Militär Mittler politischer Bildung, Schüler, SozialarZivilgesellschaft beiter, Verwaltungsmitarbeiter, Bundeswehrnicht staatliche Akteure angehörige oder Wissenschaftler sowie die Medien über Erkenntnisse zu extremistischen Gesamtgesellschaftliche Bestrebungen. Sicherheitsvorsorge Das Informationsangebot stellt einen wichtigen Präventionsbeitrag dar und soll die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Extremismus fördern. Denn nur informierte Bürgerinnen und Bürger können sich aktiv für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. 14 Verfassungsschutz in Sachsen - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Unsere Angebote für Sie: Vorträge, Workshops, Sensibilisierungsund Diskussionsveranstaltungen zu folgenden Themen: Extremismus allgemein Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes Lagebilder zu Rechtsextremismus, Reichsbürger und Selbst verwalter , Linksextremismus und Islamismus islamistische Radikalisierung Hassobjekte - Konstruktionen extremistischer Feindbilder Propaganda und Agitation von Extremisten im Internet Gefahren der Wirtschaftsspionage und Proliferation Die inhaltlichen Schwerpunkte richten sich nach Ihrem Informationsbedürfnis und Ihrer Fragestellung. Beratung kommunaler Entscheidungsträger In Beratungsgesprächen informiert das LfV Sachsen kommunale Entscheidungsträger über regionale extremistische Bestrebungen und Aktivitäten, damit Gegenstrategien entwickelt werden können. FORUM STARKE DEMOKRATIE Ziel des organisatorisch beim LfV angesiedelten Forums ist die Unterstützung vor allem örtlicher staatlicher und kommunaler Entscheidungsträger bei der Bekämpfung des Extremismus. Sie sollen in die Lage versetzt werden, extremistische Bestrebungen frühzeitig und möglichst sicher zu erkennen und hiergegen die rechtlich und tatsächlich möglichen und gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Zudem will das Forum die engere Zusammenarbeit von staatlichen bzw. kommunalen und nichtstaatlichen Trägern der Extremismusprävention fördern. Im Jahr 2017 fanden in diesem Rahmen mehrere Veranstaltungen zum Thema "Reichsbürger - Umgang mit einem extremistischen Phänomen" statt. Gemeinsam mit dem Sächsischen Städteund Gemeindetag, dem Sächsischen Landkreistag und dem Landespräventionsrat informierte das LfV Sachsen über die Ideologie und einen angemessenen Umgang mit Reichsbürgern sowie über strafund zivilrechtliche Aspekte. Wirtschaftsschutz 3 Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Knowhow-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. 3 siehe Abschnitt III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 15 Verfassungsschutz in Sachsen - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Teilnahme an Veranstaltungen, z. B. als Referent bei einer Podiumsdiskussion, einem Symposium oder Workshop als Mitglied von Beratungsnetzwerken Sächsischer Verfassungsschutzbericht Der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht informiert über Ideologien, Personenpotenziale, Erscheinungsformen und aktuelle Entwicklungen des Extremismus; über Akteure, Aufklärungsschwerpunkte und Methoden der Spionage sowie über extremistisch motivierte Straftaten und den Auftrag des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem. Der Bericht ist als Druckausgabe erhältlich und kann auch im Internet heruntergeladen werden. Herausgabe von Broschüren Die präventive Aufklärung der Öffentlichkeit über den Extremismus erfolgt auch durch die Herausgabe entsprechender Publikationen, die teilweise in Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden anderer Länder erstellt und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie können als Broschüre bestellt oder im Internet heruntergeladen werden. Internetpräsentation Das Web-Angebot des LfV Sachsen unter der Adresse www.verfassungsschutz.sachsen.de beinhaltet Informationen über die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sowie Mitteilungen zu aktuellen Sachverhalten aus den jeweiligen Beobachtungsfeldern. Querverweise ermöglichen die Verbindung zu Homepages anderer Verfassungsschutzbehörden. Außerdem können vom LfV Sachsen herausgegebene Broschüren heruntergeladen oder online bestellt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, per E-Mail Kontakt mit dem LfV Sachsen aufzunehmen (verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de). Pressearbeit Die Information der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen erfolgt zudem über die Medien. Wanderausstellung "In guter Verfassung" Die gemeinsam mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung erarbeitete interaktive Wanderausstellung richtet sich insbesondere an Jugendliche und an Lehrpersonal. Sie beantwortet u. a. folgende Fragen: Was bedeutet eigentlich "freiheitliche demokratische Grundordnung"? Was macht unsere Demokratie konkret aus? Welche grundlegenden Elemente beinhaltet sie und wie schützt sie sich gegenüber denjenigen, die sie beseitigen wollen? Die Ausstellung bietet Lehrenden die Möglichkeit, Gemeinschaftskunde oder Politikunterricht erlebnisorientiert außerhalb von Klassenoder Seminarräumen stattfinden zu lassen. Alle Angebote sind kostenfrei. 16 Verfassungsschutz in Sachsen - Öffentlichkeitsarbeit und Prävention Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60 | 01129 Dresden Tel.: +49 351 8585-0 | Fax: +49 351 8585-500 verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.verfassungsschutz.sachsen.de Organigramm des LfV Sachsen Stabstelle Präsident Innenrevision Martin Döring Gordian Meyer-Plath Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Zentralabteilung Auswertung Beschaffung, Observation Referat 31 Referat 11 Referat 20 VP-Führung, EDV, G 10-Stelle Internetauswertung politischer Extremismus und Terrorismus Referat 32 Referat 21 Referat 12 Forschung und Werbung, Auswertung RechtsextrePersonal, Haushalt operative Internetbeobmismus, -terrorismus achtung, Spionageabwehr Referat 13 Referat 22 Referat 33 Recht, Geheimschutz, Auswertung LinksextremisObservation, Tarnmittel, Mitwirkung, G 10-Aufsicht mus, -terrorismus ND-Technik, Ermittlungen Referat 23 Referat 14 Auswertung Islamismus, Organisation, Ausländerextremismus, Innerer Dienst -terrorismus Referat 24 Gewaltbereiter Salafismus Das LfV Sachsen mit Sitz in Dresden gehört dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMI) an. 17 II. Aktuelle Entwicklungen in den Extremismusbereichen XX Rechtsextremismus XX Reichsbürger und Selbstverwalter XX Linksextremismus XX Islamismus XX sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug 18 Ak tuelle Entwicklungen in den Ex tremismusbereichen 1. Rechtsextremismus Anzahl der Rechtsextremisten bleibt weiterhin auf hohem Niveau - Tendenz leicht rückläufig Partei D er D ritte Weg baut Strukturen in Sachsen weiter aus Gewaltbereitschaft bleibt hoch Rechtsextremisten suchen weiterhin Anschluss an nicht extremistische Initiativen, Vereine und Gruppierungen 2. R eichsbürger und Selbst verwalter heterogene Szene: Gruppierungen und Einzelpersonen punktuell hohe Gewaltbereitschaft durchschnittlich etwa 50 Jahre alt und mehrheitlich männlichen Geschlechts 3. Linksextremismus Anzahl der Linksextremisten gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig regionaler Schwerpunkt der autonomen Szene und des gewaltbereiten Personenpotenzials bleibt weiterhin die Stadt Leipzig Bündnisbestrebungen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen nehmen zu 4. Islamismus Personenpotenzial steigt auf ca. 390 Islamisten Salafismus hat weiterhin Zulauf Muslimbruderschaft versucht weiter zu expandieren Gefahr von Terroranschlägen bleibt hoch 5. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug Personenpotenzial bleibt mit ca. 160 Personen konstant Bundesministerium des Innern (BMI) weitet das Betätigungsverbot für die PKK auf Kennzeichen ihrer Teilund Nebenorganisationen aus verstärkte Solidarisierung sächsischer Linksextremisten 19 19 1. Rechtsextremismus XX Anzahl der Rechtsextremisten bleibt weiterhin auf hohem Niveau - Tendenz leicht rückläufig XX Partei Der Dritte Weg baut Strukturen in Sachsen weiter aus XX Gewaltbereitschaft bleibt hoch XX Rechtsextremisten suchen weiterhin Anschluss an nicht extremistische Initiativen, Vereine und Gruppierungen 20 Rec h t se x t r emismus - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 1. Rechtsextremismus 1.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Rechtsextremisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Auch wenn es innerhalb des Rechtsextremismus verschiedene ideologische Strömungen und Erscheinungsformen gibt, die nicht selten sogar im Widerspruch zueinander stehen, stimmen Rechtsextremisten in folgenden Positionen grundsätzlich überein: Rassisch definierte "Volksgemeinschaft" als Souverän zu Lasten der Freiheitsrechte des Einzelnen Der Staat soll organisatorischer Ausdruck einer ethnisch-rassisch homogenen "Volksgemeinschaft" sein. Der vermeintlich einheitliche Wille des Volkes soll dabei von staatlichen Führern verkörpert und in reale Politik umgesetzt werden ("Völkischer Kollektivismus"). In einem durch den homogenen "Volkswillen" legitimierten Staat würden damit wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie das Recht des Volkes, die Staatsgewalt durch Wahlen auszuüben, oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition fehlen. Fremdenfeindlichkeit, auch in Form von Rassismus und Antisemitismus In der Vorstellungswelt von Rechtsextremisten soll das deutsche Volk vor der Integration "rassisch minderwertiger Ausländer" und vor einer "Völkervermischung" bewahrt werden. Es wird befürchtet, dass das deutsche Volk infolge einer "Durchmischung mit fremdem Blut" untergehe. Die pauschale Ausgrenzung von Menschen, die nicht diesem völkischen "Ideal" entsprechen, widerspricht dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und insbesondere auch ihrem Würdeanspruch, der elementarer Bestandteil der freiheitlichen Werteordnung des Grundgesetzes ist. Die Würde des Menschen, die bedingungsund voraussetzungslos jedem Menschen eigen ist, wäre von einer biologistisch-genetisch definierten Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft abhängig. Antisemitismus ist ein Kennzeichen fast aller rechtsextremistischen Strömungen. Er tritt in unterschiedlichen Erscheinungsformen religiöser, kultureller sowie rassistischer Ausprägung auf. Häufig werden dabei antisemitische Stereotype - so die Behauptung einer "jüdischen Weltverschwörung" oder einer angeblich jüdisch dominierten Weltwirtschaft - verbreitet. Diese Ausprägung des Antisemitismus wird vor allem vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 stärker hervorgehoben. Rechtsextremisten suchen dadurch Anschluss, insbesondere an israelkritische Positionen im Rahmen des Nahostkonfliktes. In der jüngsten Vergangenheit haben sich Rechtsextremisten auch anderer ausgrenzender Argumentationslinien bedient. So sprachen sie Muslimen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Rechte ab, die im Freiheitsund Gleichheitsversprechen der Verfassung verankert sind. Zur Verschleierung ihrer rassistischen Argumentationsweise wird diese nach außen lediglich als Ablehnung der fremden Kultur dargestellt. 21 Rec h t se x t r emismus - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Revisionismus und Holocaustleugnung Unter rechtsextremistischem Geschichtsrevisionismus versteht man die Leugnung oder Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen und der deutschen Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auch wird versucht, den Holocaust und andere Verbrechen der Nationalsozialisten, insbesondere durch eine Gleichsetzung mit Handlungen der Kriegsgegner Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, zu relativieren. Hierzu instrumentalisieren Rechtsextremisten die im Krieg gefallenen deutschen Soldaten für ihre Ideologie und versuchen, ihnen in Form von "Heldengedenken" einen rechtsextremistischen Vorbildcharakter zu verleihen. Die Leugnung des an den europäischen Juden begangenen Völkermords erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung. Von extremistisch motiviertem Gebietsrevisionismus ist dann die Rede, wenn Rechtsextremisten die Anerkennung der deutschen Gebietsverluste als Folge der Weltkriege ablehnen oder sogar weitere Gebiete - entgegen den vertraglichen Verpflichtungen, die Deutschland seit 1918 beziehungsweise seit 1945 eingegangen ist - für Deutschland beanspruchen. Revisionistische Positionen bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen den verschiedenen rechtsextremistischen Bestrebungen. Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus Durch ihre Äußerungen nehmen Rechtsextremisten häufig mindestens eine relativierende, oft auch sogar verherrlichende Position gegenüber dem Nationalsozialismus ein. Vermeintlich positiv zu bewertende Handlungen der Nationalsozialisten werden herausgestellt und Verbrechen beschönigt. Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime werden diffamiert. Nationalsozialistische Funktionsträger werden als Vorbilder dargestellt. Dies gilt z. B. für Rudolf HESS, den damaligen Stellvertreter Adolf HITLERS. Darüber hinaus lehnen sich Rechtsextremisten zum Teil eng an Sprache und Programmatik der Zeit von 1933 bis 1945 an. Hingegen werden Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime diffamiert. Verächtlichmachen von Verantwortungsträgern und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates Unter Rechtsextremisten kommt es vielfach zu Verunglimpfungen des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Repräsentanten. Deutsche Politiker werden dabei als unfähige und korrupte Handlanger ausländischer, insbesondere US-amerikanischer bzw. jüdischer Interessen diffamiert. Rechtsextremisten verfolgen hierdurch das Ziel, sich als alleinige Wahrer der Interessen des deutschen Volkes darzustellen und den politischen Gegner als Verräter zu diskreditieren. Rechtsextremistischer Antiamerikanismus In der antiliberalen und antipluralistischen Weltsicht der Rechtsextremisten verkörpern die USA in besonderem Maße ein Feindbild. Der "amerikanische Schmelztiegel", der viele Volksgruppen in einer Nation umfasst, steht für Rechtsextremisten in offenem Widerspruch zum Konzept 22 Rec h t se x t r emismus - Personenpotenzial einer homogenen, "rassisch" definierten Volksgemeinschaft, die in ihrer Vorstellungswelt das Zusammenleben in einem Staat prägen soll. 1.2 Personenpotenzial Anzahl der Rechtsextremisten bleibt weiterhin auf hohem Niveau - Tendenz leicht rückläufig Das rechtsextremistische Personenpotenzial ging im Jahr 2017 leicht zurück. Insgesamt sind rund 2.600 Personen in rechtsextremistischen Bestrebungen aktiv. Anzahl der Rechtsextremisten im Freistaat Sachsen 3.000 2.700 2.700 2.600 2.600 2.500 2.500 2.500 2.500 2.000 1.500 1.000 500 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 bundesweit 2016: 23.100 4 Der Rechtsextremismus wird seit 2017 von allen Verfassungsschutzbehörden mit einem neuen Kategoriensystem dargestellt. Die aktuelle Situation des Rechtsextremismus soll auf diese Weise eindeutiger abgebildet werden. Das Personenpotenzial wird künftig bundesweit nach seinem jeweiligen Organisationsgrad erfasst. Dieses Kategoriensystem untergliedert sich dementsprechend nunmehr in die Bereiche: 1. parteigebundener Rechtsextremismus, 2. parteiungebundene rechtsextremistische Strukturen und 3. unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. 4 Die angegebenen Werte sind teilweise geschätzt und gerundet. Den Verfassungsschutzbehörden liegen nicht zu allen in den Zahlenangaben erfassten Personen Einzelerkenntnisse vor. Die Gesamtzahl ergibt sich rechnerisch unter Abzug von hier bekannten Doppelmitgliedschaften. 23 Rec h t se x t r emismus - Personenpotenzial Betrachtet man die einzelnen Gruppierungen und Bereiche der rechtsextremistischen Szene, so sind gegenläufige Tendenzen erkennbar, die sich auf mehrere Ursachen zurückführen lassen: Hinsichtlich der Kategorie "parteigebundener Rechtsextremismus" ist zunächst ein immer noch anhaltender Rückgang bei der N ationaldemokratischen Partei D eutschlands (NPD) festzustellen. Hier fielen die Zahlen auf nunmehr ca. 400 Mitglieder der Partei in Sachsen (2016:420). Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hier nur zum Teil um aktive Mitglieder handelt. Mehrere Kreisverbände der NPD entfalteten faktisch kaum noch eigene Aktivitäten. Ebenso verhielt es sich mit den Jungen N ationaldemokraten (JN)5 . Diese hatten gleichfalls einen strukturellen Rückgang zu beklagen und verfügten im Berichtsjahr nur noch über sechs "Stützpunkte" in Sachsen. Ihr Mitgliederpotenzial ging deutlich auf nunmehr 50 Personen (2016: 85 Personen) zurück. Das Aktionsniveau ließ im Jahr 2017 entsprechend merklich nach. In der Partei D ie Rechte engagierten sich nur noch etwa 20 Personen (2016: 30). Eine gegenläufige Entwicklung ist hingegen bei der Partei D er D ritte Weg festzustellen. Diese steigerte ihr Mitgliederpotenzial im Jahr 2017 um die Hälfte auf 90 Personen (2016: 60) und bleibt damit eine der expansivsten rechtsextremistischen Strukturen in Sachsen. Aufgrund der neonationalsozialistischen Ausrichtung dieser Partei verfügt sie zusätzlich zu ihrem Mitgliederpotenzial über ein signifikantes Unterstützerumfeld innerhalb des parteiungebundenen Rechtsextremismus. Die Partei genießt innerhalb der rechtsextremistischen Szene eine hohe Attraktivität und konnte ihre Strukturen auch im Berichtsjahr weiter ausbauen. Der Kategorie "parteiungebundene rechtsextremistische Strukturen" (ca. 900 Personen) werden sämtliche Kameradschaften, Vereine und sonstige Gruppierungen zugeordnet, bei denen es sich nicht um Parteien handelt. Dies umfasst derzeit sämtliche neonationalsozialistischen sowie die subkulturell geprägten rechtsextremistischen Gruppierungen, wie etwa diverse Kameradschaften oder auch Vereine wie Freigeist e. V. aus dem Erzgebirgskreis. Darüber hinaus erfasst dieser Bereich auch Gruppierungen, die sich nicht den herkömmlichen Beobachtungsobjekten der Neonationalsozialisten oder der subkulturell geprägten Rechtsextremisten zuordnen lassen, wie die Identitäre Bewegung (IB). Von der Kategorie "unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial" (ca. 1.200 Personen) werden insbesondere rechtsextremistische Straftäter und die Besucher von rechtsextremistischen Veranstaltungen erfasst, sofern diese Personen sich nicht eindeutig einer Struktur zuordnen lassen. In der Regel handelt es sich hierbei um Besucher von rechtsextremistischen Konzerten und Freizeitveranstaltungen. Die Potenziale wurden für die beiden letztgenannten Kategorien erstmals 2017 errechnet, so dass Vorjahresvergleiche nur eingeschränkt möglich sind. Innerhalb der parteiungebundenen rechtsextremistischen Strukturen hat sich die Restrukturierung der Neonationalsozialisten im Jahr 2017 weiter fortgesetzt. Bei einem zunehmenden 5 Die J ungen N ationaldemokraten haben sich im Januar 2018 in J unge N ationalisten umbenannt. 24 Rec h t se x t r emismus - Personenpotenzial Aktivitätsniveau konnten konstant steigende Teilnehmerzahlen festgestellt werden. Daraus ergab sich ein Zuwachs des Personenpotenzials auf nunmehr 650 Personen (2016: 520). Hingegen waren bei den subkulturell geprägten rechtsextremistischen Strukturen keine größeren Verschiebungen zu verzeichnen (2017: 240 Personen). Gleichwohl ist anzumerken, dass die vorhandenen Strukturen, zu denen auch Musikgruppen zählen, im Jahr 2017 ein wesentlich höheres Aktionsniveau zeigten. Bei der Identitären Bewegung blieb das Personenpotenzial in Sachsen im Vergleich zum Vorjahr konstant (40 Personen). Innerhalb des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials fand hingegen ein signifikanter Rückgang des Potenzials der rechtsextremistischen Straftäter statt. Dies ist insbesondere auf zurückgehende politisch motivierte Straftaten infolge der asylbezogenen Lageberuhigung im Jahr 2017 zurückzuführen. Dem steht jedoch ein leichter Anstieg des gewaltorientierten rechtsextremistischen Personenpotenzials 6 auf 1.300 Personen (2016: 1.250) gegenüber. Diese Steigerung geht im Wesentlichen auf das wachsende Personenpotenzial im Bereich der Neonationalsozialisten zurück. Anzahl der Rechtsextremisten im Freistaat Sachsen Neues Kategoriensystem 1.200 545 Parteigebundener Rechtsextremismus Parteiungebundene rechtsextr. Strukturen 900 Unstrukturiertes rechtsextr. Personenpotential Bei der Verteilung von Rechtsextremisten in den einzelnen sächsischen Landkreisen traten im Vergleich zum Vorjahr keine größeren Verschiebungen auf. Im Landkreis Zwickau, im Erzgebirgskreis und in der Stadt Chemnitz sank das Personenpotenzial leicht, während es in Nordsachsen und in Meißen leichte Anstiege gab. Darüber hinaus blieben die drei Großstädte, die umgebenden Landkreise von Dresden (außer dem Landkreis Meißen) und der Vogtlandkreis Schwerpunkte des Personenpotenzials. Während dies in Bautzen und in Mittelsachsen eher auf Neonationalsozialisten 6 Hierzu zählen Tatverdächtige rechtsextremistischer Gewaltstraftaten und Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft vorliegen. 25 Rec h t se x t r emismus - Personenpotenzial zurückzuführen war, markierten in der Sächsischen Schweiz die NPD und im Vogtlandkreis die Partei D er D ritte Weg den jeweiligen Szeneschwerpunkt. Rechtsextremistisches Personenpotenzial in den Landkreisen und kreisfreien Städten in absoluten Zahlen Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis 150 - 200 Vogtlandkreis mehr als 300 100 - 150 250 - 300 50 - 100 200 - 250 < 50 Die relative Verteilung bestätigt das Bild der absoluten Zahlen. Hier fällt lediglich die Stadt Leipzig aufgrund ihrer hohen Einwohnerzahl etwas zurück. Rechtsextremistisches Personenpotenzial in den Landkreisen und kreisfreien Städten je 10.000 Einwohner Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis 10 - 11 Vogtlandkreis 7 - 9 4 - 6 < 4 26 Rec h t se x t r emismus - Personenpotenzial Rechtsextremistische Parteiungebundene rechtsUnstrukturiertes Parteien extremistische Strukturen rechtse xtremistisches 2017: ca. 5457 2017: ca. 900 8 Personenpotenzial 2016: ca. 565 2017: ca. 1.200 N ationaldemokratische Partei Neonationalsozialisten Subkulturell geprägte D eutschlands (NPD) 2017: ca. 650 Rechtsextremisten 9 2017: ca. 400 2016: ca. 520 2017: ca. 1.200 2016: ca. 420 J unge N ationaldemokraten Subkulturell geprägte (JN) Rechtsextremisten 2017: ca. 5010 (in Strukturen) 2016: ca. 8511 2017: ca. 240 D ie R echte (Landesverband Identitäre B ewegung Sachsen) (Ortsgruppen in Sachsen) 2017: ca. 20 2017: ca. 40 2016: ca. 30 2016: ca. 40 D er D ritte Weg ("Stützpunkte" in Sachsen) 2017: ca. 9012 2016: ca. 6013 78910111213 7 einschließlich ca. 15 Mehrfachmitgliedschaften 8 einschließlich ca. 30 Mehrfachmitgliedschaften 9 Hierbei handelt es sich vor allem um rechtsextremistische Straftäter und Teilnehmer an rechtsextremistischen Veranstaltungen ohne feste strukturelle Anbindung 10 einschließlich Doppelmitgliedschaften in der NPD 11 einschließlich Doppelmitgliedschaften in der NPD 12 Diese Zahl umfasst lediglich die Mitglieder der Partei D er D rit te Weg . Die Partei verfügt jedoch darüber hinaus über ein großes Sympathisantenumfeld aus dem parteiungebundenen Rechtsextremismus. 13 Diese Zahl umfasst lediglich die Mitglieder der Partei D er D rit te Weg . Die Partei verfügt jedoch darüber hinaus über ein großes Sympathisantenumfeld aus dem parteiungebundenen Rechtsextremismus. 27 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Parteien 1.3 Rechtsextremistische Parteien 1.3.1 D er D ritte W eg (III. W eg) Gründung / Sitz: 2013 / Weidenthal (Rheinland-Pfalz) Vorsitz Bund: Klaus ARMSTROFF "Gebietsverband Mitte" VorsitMatthias FISCHER zender: Stellvertreter: Tony GENTSCH Teil-, Nebenorganisationen: "Gebietsverband Mitte", "Stützpunkt Vogtland", "Stützpunkt Mittelsachsen", "Stützpunkt Westsachsen", "Stützpunkt Mittelland" Publikation: D er III. Weg (Rundbrief) NATIONAL, REVOLUTIONÄR, SOZIALISTISCH Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 90 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 60 Mitglieder 2016 bundesweit: ca. 300 Historie und Strukturentwicklung Die Partei D er D ritte Weg (III. Weg) wurde am 28. September 2013 in Heidelberg (Baden-Württemberg) gegründet. Parteivorsitzender ist Klaus ARMSTROFF, ein in Rheinland-Pfalz aktiver Rechtsextremist und langjähriger NPD-Funktionär. Zur Bundestagswahl 2017 trat die Partei nicht an. Gemäß ihrer Satzung hat die Partei bereits bundesweit mehrere "Gebietsverbände" ("Süd, West und Mitte") aufgebaut. Der erste "Gebietsverband Mitte" wurde am 9. Januar 2016 in Berlin gegründet. Dieser umfasst die Bundesländer Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin mit insgesamt zehn "Stützpunkten".14 Mit der Etablierung dieses "Gebietsverbandes" wurde eine neue Strukturebene geschaffen. Im Februar 2015 wurde im Vogtlandkreis der "Stützpunkt Vogtland" gegründet. Der "Stützpunkt Vogtland" umfasst regional länderübergreifend die Grenzgebiete von Bayern, Thüringen und Sachsen. Im April 2015 wurde der länderübergreifende "Stützpunkt Mittelland" gegründet, der die Städte Leipzig, Halle, Merseburg und das Umland umfasst. Einen weiteren "Stützpunkt Mittelsachsen/Erzgebirge" gründeten Rechtsextremisten am 5. Dezember 2015 in Chemnitz. Am 24. März 2017 wurde die Aufteilung dieses "Stützpunktes" in die zwei "Stützpunkte Westsachsen und Mittelsachsen" bekannt gegeben. Nach eigenen Angaben vereint der "Stützpunkt Westsachsen" als Aktionsraum das Gebiet Erzgebirge sowie die 14 "Stützpunkte Vogtland, Mittelsachsen, Westsachsen, Mittelland, Thüringer Wald/Ost, Ostthüringen, Berlin, Potsdam/Mittelmark, Uckermark, Mittelmark/Havel" 28 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g Städte Zwickau, Chemnitz und deren Umland. Der "Stützpunkt Mittelsachsen" umfasst die Städte Mittweida, Döbeln, Freiberg und deren Umland. Im Freistaat Sachsen ist es der Partei bereits gelungen, von den bundesweit gegründeten 20 "Stützpunkten" vier zum Teil länderübergreifende "Stützpunkte" mit sächsischen Mitgliedern zu etablieren. Zahlreiche ehemals führende Mitglieder neonationalsozialistischer Strukturen sind jetzt an exponierter Stelle in der Partei aktiv. Die Gründung der Partei D er D ritte Weg war vor allem taktisch motiviert. Viele ihrer Funktionäre und Mitglieder waren früher in rechtsextremistischen Strukturen aktiv, die staatlichen Exekutivmaßnahmen unterlagen. Sie nutzen die Parteieigenschaft als Schutz insbesondere vor vereinsrechtlichen Maßnahmen15 . Ideologie / Politische Zielsetzung Parteiprogramm; Quelle: www.der-dritte-weg.info (Stand: 27. April 2014) Ideologisch orientiert sich die Partei am historischen Nationalsozialismus. Das Parteiprogramm der Partei D er D ritte Weg und das Parteiprogramm der NSDAP eint eine biologische Sicht auf den Volksbegriff, der bei der NSDAP im Punkt 4 ihres Programmes Ausdruck fand. Dort hieß es, 15 Parteienprivileg: Das Verbot einer Partei unterliegt hohen rechtlichen Hürden. 29 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g dass nur derjenige "Volksgenosse" sein kann, der "deutschen Blutes" ist. Entsprechend fordert die Partei D er D ritte Weg in Punkt 7 ihres Programms "die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" und in Punkt 4 die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes", die es vor Überfremdung zu schützen gelte. Ziel der Partei ist vorgeblich die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus, fernab von ausbeuteri16 schem Kapitalismus, wie gleichmacherischem Kommunismus". Auch in der Symbolik wird die beabsichtigte Nähe zum Nationalsozialismus deutlich. Schwert und Hammer wurden bereits als Symbol in der Hitlerjugend, aber auch in der NSDAP genutzt. Es soll die Verbundenheit der Soldaten und der Arbeiter im Kampf für den "Sozialismus" nationalsozialistischer Prägung verdeutlichen. Das Symbol des Zahnrads war unter den Nationalsozialisten ein Symbol der NSDAP-Organisation "Deutsche Arbeitsfront". Es wird auch im Bereich der neonationalsozialistischen Kameradschaften verwendet. Die Partei nimmt in ihren Äußerungen immer wieder Bezug auf den Nationalsozialismus. So auch in der im November 2017 herausgegebenen Broschüre mit dem Titel NATIONAL, REVOLUTIONÄR, SOZIALISTISCH. Diese Schrift bietet für die Partei einen komprimierten Abriss der Grundlagen einer an die heutige Zeit angepassten nationalsozialistischen Weltanschauung. Ziel der Broschüre ist es "(...), jedem Deutschen die Grundlagen unserer Weltanschauung darzulegen." (S. 7). Die Broschüre ist als theoretische Abhandlung für die gesamte rechtsextremistische Szene zu verstehen. In ihrer Art ist sie bemerkenswert, da derartige Grundlagenüberlegungen in dieser Form zuletzt in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre vorgelegt wurden. Ebenso wie das neonationalsozialistische Zeitschriftenprojekt N. S. HEUTE17 ist auch diese Broschüre im Zusammenhang mit bestehenden Intellektualisierungsbemühungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu sehen. Die Bezüge zum Nationalsozialismus zeigen sich in zahlreichen Ausführungen in der Broschüre. Besonders markant ist die offene Vertretung der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie: "Das Blut ist der Schlüssel zum Verständnis der volkseigenen Kultur und der Seele des völkischen Lebens." (S. 14) und "Die Verbindung aus Blut und Boden sorgt für die Entfaltung des größtmöglichen Verteidigungswillens" (S. 15). Nationalismus ist für die Partei D er D ritte Weg "die Umsetzung der biologischen Erkenntnisse in die Politik" (S. 18). Europa wird dagegen definiert als "Heimat der weißen Rasse" (S. 26) und D er D ritte Weg sieht sich selbst als "Jugend Europas (...) ohne Migrationshintergrund (...), die aus der Illusion des Wohlstandes und der liberalen Versprechungen aufgewacht (sei)" (S. 28). 16 www.der-dritte-weg.info (Stand: 14. November 2017) 17 Bei N. S. HEUTE handelt es sich um eine seit 2017 maßgeblich vom nordrhein-westfälischen Rechtsextremisten Sven SKODA verantwortete Zeitschrift, die seither etwa alle zwei Monate erscheint. 30 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g Jede Form der Zuwanderung gilt der Partei als Versuch der Ausrottung des "deutschen Volkes": "Es ist gleich, welcher Religion sie angehören, ob sie qualifiziert oder unqualifiziert sind, ob sie Geld mitbringen oder in die Sozialsysteme einwandern: Auch ein Deutschland mit 100 Millionen hochqualifizierten und "integrierter" christlicher Afrikaner wäre kein Deutschland des deutschen Volkes mehr. Vom Volkstod ist aber nicht nur das deutsche Volk bedroht, sondern alle weißen Völker" (S. 26, Schreibweise wie im Original). Die Partei vertritt offen den für Neonationalsozialisten typischen Gedanken eines quasi existenziellen Kampfes um das Überleben des "deutschen Volkes". D er D ritte Weg zeigt sich dabei offen für einen politisch motivierten "Kampf": "Denn der Kampf ist und bleibt der Vater aller Dinge" (S. 24). Kämpferisch will man auch sämtliche Bereiche von Staat und Gesellschaft "erobern": "Darum geht es uns als Nationalisten nicht nur um die Erringung der staatlichen Gewalt, sondern auch um die Erringung der Kulturdominanz und aller anderen Aspekte der Nation. Wir wollen alle Aspekte der Nation erobern und durchdringen, (...)" (S. 20, Schreibweise wie im Original). Dazu definiert sich Der Dritte Weg als "Stoßtruppen der völkischen Wiedergeburt" (S. 31) und "Kampfgemeinschaft" (S. 8). Martialisch wird verkündet: "Die Nation ist das Heerlager, das geschlossene Volk die Soldaten und der Befehlshaber in diesem Kampf um die Zukunft des deutschen Volkes und mit ihm Europas die Stimme des Blutes" (S. 30, Schreibweise wie im Original). Getreu der NS-Ideologie wird der Anhänger der Partei auch hier in der Funktion eines "politischen Soldaten" verstanden. Der offene Ruf zum Kampf gegen den politischen Gegner erscheint der Partei konsequent: "Es gibt Zustände, Entscheidungen, politische Linien, die sind falsch, die gehören nicht toleriert oder diskutiert, sie gehören bekämpft!" (S. 21). Dass in diesem Kampf auch Gewalt eingesetzt werden kann, wird in der Broschüre offen eingeräumt. Nach einem vordergründigen Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit wird festgestellt: "Sofern es notwendig ist, dass einige Scheiben zerbrechen, um nicht nur das deutsche Volk in seiner ethnischen Existenz zu sichern, (...) so werden wir dies nicht als Frevel ansehen" (S. 34). Schließlich werden in der Broschüre revisionistische Standpunkte verbreitet, die teilweise aus der Zeit des Nationalsozialismus selbst stammen. So ist vom "Versailler Schanddiktat" (S. 19) die Rede. Selbst die kriegerischen Gräuel und Gewalttaten der Nationalsozialisten werden als Vorbild für das heutige Wirken der Anhänger der Partei beschworen. Demnach "stehen Vertreter der echten europäischen Jugend zusammen. Nicht zum ersten Mal, nicht einmal in einer größeren Zahl als früher - erinnert sei nur an die nationalistischen Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg oder im Kampf an der Ostfront des Zweiten Weltkriegs - aber noch nie zuvor waren unsere Schicksale so eng miteinander verknüpft." Alle Aktivitäten der Partei D er D ritte Weg ordnen sich in dieses Weltbild ein. Sie manifestieren den Anspruch der Partei, die nur äußerlich an die heutige Zeit angepasste nationalsozialistische Ideologie der historischen NSDAP zu verbreiten. 31 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g Aktivitäten Die Partei D er D ritte Weg führte im Jahr 2017 eine Vielzahl von Veranstaltungen durch und steigerte ihr Aktionsniveau kontinuierlich. Wie schon in den Vorjahren, sollten durch die öffentlichen Aktionen der Bekanntheitsgrad der Partei in der Öffentlichkeit weiter gesteigert und so neue Mitglieder gewonnen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, eröffnete die Partei am 7. Januar 2017 in Plauen ihr bundesweit erstes "Parteiund Bürgerbüro". Die Eröffnungsfeier fand mit dem Bundesvorsitzenden ARMSTROFF und weiteren Funktionären statt. Klaus ARMSTROFF, BundesvorsitARMSTROFF führte aus, dass das neue Büro "für die gesamte zender. Quelle: www.der-dritteRegion als Anlaufstelle und Informationszentrum aller nationalen weg.info (Stand: 11. Oktober 2017) und revolutionären Kräfte, die sich in oder um unsere Partei Der III. Weg organisieren", diene. Die Partei betonte dabei ausdrücklich, dass es sich um einen Anlaufpunkt handle, "an dem sich Deutsche, die es noch sein wollen, zusammenfinden, um sich auszutauschen". Neben einem Versammlungsraum sei auch ein Bürgerbüro integriert, "das zu festen Öffnungszeiten der interessierten Bürgerschaft zur Verfügung steht." 18 In diesem Zusammenhang kündigte Tony GENTSCH monatliche "Volksküchen", monatliche "Deutsche Winterhilfen" und offene "Jugendabende" an.19 Diese "sozialen Aktivitäten" richten sich explizit entsprechend der ideologischen Ausrichtung der Partei nur an "Deutsche". Das "Parteiund Bürgerbüro" ist eine bisher bundesweit einzigartige Immobilie, die dem Dritten Weg einen Versammlungs-, Lagerund Rückzugsraum bietet, von dem aus auch bundesweit die Tony GENTSCH, stellvertretender Aktivitäten der Partei organisiert und unterstützt werden können. "Gebietsleiter Mitte". Quelle: www.facebook.com/Wegweiser Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld der Partei Der Dritte Weg sind die sogenannten Nationalen Streifen. Diese werden seit der zweiten Jahreshälfte 2016 in verschiedenen Städten Sachsens, aber auch bundesweit, durchgeführt. Die "Streifen" werden in der Regel mit einer eigenen Meldung in den sozialen Medien unterstützt, um eine höhere Aufmerksamkeit für die Parteiaktivitäten zu erzeugen. Die Partei verfolgt mit solchen Aktionen mehrere Ziele: Indem ihre Mitglieder in Parteikleidung Patrouille laufen, zeigt die Partei Präsenz und inszeniert sich als "Kümmerer". Die "Streifen" dienen einer medial inszenierten Revierbesetzung durch Rechtsextremisten. Damit soll das jeweilige Gebiet symbolisch in Besitz genommen und die Hoheit 18 www.der-dritte-weg.info (Stand: 9. Januar 2017) 19 ebd. 32 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g für die Durchsetzung von Recht und Ordnung beansprucht werden. Zudem stellt die Partei das staatliche Gewaltmonopol infrage. Bei den folgenden überregionalen Aktivitäten der Partei waren sächsische Kader maßgeblich an der Organisation und Durchführung beteiligt: Die Partei Der Dritte Weg führte am 1. Mai ihre regelmäßige Mai-Veranstaltung durch. Veranstalter der Demonstrationen in Gera (Thüringen) war das Nationale Soziale Aktionsbündnis 1. Mai. Allerdings dominierten Protagonisten der Partei. So wurde die Veranstaltung, wie bereits 2016, von ARMSTROFF angemeldet; Rico DÖHLER, "Stützpunktleiter Vogtland", fungierte als Quelle: www.der-dritte-weg.info Versammlungsleiter. Viele der mitgeführten (Stand: 5. Mai 2017) Fahnen der ca. 400 Teilnehmer verwiesen auf die Partei. Für das Jahr 2018 wurde die Durchführung einer 1. Mai-Demonstration in Chemnitz angekündigt. In den Jahren 2015 in Saalfeld (Thüringen) und 2016 in Plauen (Vogtlandkreis) war es dem D ritten Weg gelungen, Teilnehmerzahlen im hohen dreistelligen Bereich zu erreichen. 2016 war es dabei zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Partei D er D ritte Weg führte am 17. Juni 2017 in Leipzig ihren "1. Gebietsparteitag" durch. An diesem beteiligten sich einem Internetbeitrag zufolge alle zehn mitteldeutschen "Stützpunkte" des "Gebietsverbandes Mitte". Als Gäste habe man auch Vertreter der schwedischen Abteilung der "Nordischen Widerstandsbewegung" und der rechtsextremistischen griechischen Partei "Chysi Avgi" ("Goldene Morgenröte") empfangen. An der Veranstaltung beteiligten sich ca. 40 Mitglieder. Der "4. Gesamtparteitag" der Partei fand mit ca. 200 Teilnehmern am 30. September 2017 in Thüringen20 statt. ARMSTROFF wurde als Parteivorsitzender bestätigt. Als sein Stellvertreter wurde Matthias FISCHER neu gewählt. Am selben Tag fand zum dritten Mal der "Tag der Gemeinschaft" unter dem Motto "Jugend im Sturm" statt. Es wurden Matthias FISCHER, "Gebietsleiter Musikund "Kulturbeiträge" vorgetragen. Zudem sprach vor den Mitte". Quelle: www.facebook.com/ Parteiund Familienmitgliedern der ehemalige Vorsitzende der Wegweiser 20 Der 3. Parteitag fand mit ebenfalls ca. 200 Teilnehmern im Oktober 2016 auch in Thüringen statt. 33 Rec h t se x t r emismus - D e r D r i t t e W e g im Jahr 2009 verbotenen rechtsextremistischen Heimattreuen D eutschen Jugend (HDJ) und schilderte seine Sicht über "nationale Erziehung und Jugendarbeit". 21 Darüber hinaus sprach FISCHER. Seine Rede handelte davon, "den Kampf für unser Volk und Vaterland fortzuführen" und den "(...) III. Weg (...) das nationale Lager wieder aus dem Szenesumpf in eine(r) ernst zunehmende nationale Widerstandsbewegung" zu führen." 22 In jedem Jahr finden anlässlich des Volkstrauertages auch Aktionen von Rechtsextremisten statt. Die zentrale jährliche Veranstaltung des "Gebietsverbandes Mitte" fand am 18. November 2017 - wie schon in den Vorjahren - in Wunsiedel (Bayern) statt. Bei deren Organisation spielte der "Stützpunkt Quelle: www.der-dritte-weg.info (Stand: Vogtland" eine wichtige Rolle. Für die Teilnahme 22. September 2017) an der Veranstaltung wurde bereits frühzeitig auf der parteieigenen Internetseite mittels Flyer sowie am 13. November im eigenen Radiosender der Partei geworben. Anmelder und Versammlungsleiter der Veranstaltung unter dem Motto "Tot sind nur jene, die vergessen werden!" war Rico DÖHLER; als Stellvertreter fungierte Tony GENTSCH. An der Veranstaltung beteiligten sich ca. 280 Personen23. Darunter befanden sich auch Gäste aus Ungarn und Norwegen. Als Redner traten u. a. GENTSCH, ARMSTROFF, Walter STROHMEIER24, Julian BENDER25 , Matthias FISCHER, Haakon FORWALD ("Nordische Widerstandsbewegung") und der szenebekannte Neonationalsozialist Thomas WULFF auf. Auch anhand dieser Veranstaltung ist erkennbar, dass die Partei bewusst Bezüge zum "Dritten Quelle: www.der-dritte-weg.info Reich" herstellt. (Stand: 23. November 2017) Ausblick Es ist abzusehen, dass die Partei auch in Zukunft eine Vielzahl öffentlicher Aktionen durchführen wird. Dabei dürften sich ihre Aktivitäten auf herkömmliche rechtsextremistische Themenbereiche, wie u. a. "Kriminelle Ausländer raus!", den "Volkstod stoppen!" und "Kampf dem Kapitalismus!", 21 www.der-dritte-weg.info (Stand: 12.Oktober 2017) 22 www.der-dritte-weg.info (Stand: 12.Oktober 2017; Schreibweise wie im Original) 23 2015 und 2016 je ca. 240 Teilnehmer 24 Leiter des "Stützpunktes Ostbayern" 25 Leiter des "Gebietsverbandes West" 34 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s konzentrieren. Auch Aktionen unter dem Stichwort "Antifabanden zerschlagen!" werden in Zukunft Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner erwarten lassen. Die Partei wird weiterhin versuchen, ihren Strukturausbau auch im Jahr 2018 vor allem in Ostsachsen voranzutreiben; dies würde einen Mitgliederzuwachs nach sich ziehen. Dabei wird die Partei auch weiterhin als Auffangbecken für Neonationalsozialisten dienen. Ein weiteres Feld, welches D er D ritte Weg gerade durch seine sächsischen Protagonisten aktiv gestaltet, ist die Pflege internationaler Beziehungen. Die bestehenden Kontakte zu Rechtsextremisten in Griechenland, Schweden, Norwegen, Ungarn und der Ukraine zeigen, dass die Partei weiter eine vertiefte internationale Vernetzung sucht. Eine Teilnahme an Wahlen auf Bundesund Landesebene, so im Jahr 2019 zur Kommunalund Landtagswahl in Sachsen, wird voraussichtlich erfolgen, um die Parteieigenschaft weiterhin nachweisen zu können. Es ist zu erwarten, dass insbesondere die sächsischen Akteure der Partei weiterhin auch außerhalb Sachsens eine große Rolle bei künftigen Parteiaktionen spielen werden. Die Funktionäre GENTSCH und DÖHLER sind überregional maßgebliche Kader beim weiteren Aufbau. Die Partei Der Dritte Weg hat sich zu einer bestimmenden Größe der rechtsextremistischen Szene in Sachsen entwickelt. Sie wird diesen Einfluss vermutlich auch im Jahr 2018 noch steigern können. 1.3.2 Nationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) Gründung / Sitz: 1964 / Berlin Vorsitz Bund: Frank FRANZ Leiter Regionalgruppe Sachsen: Jens BAUR Teil-, Nebenorganisationen: Junge Nationaldemokraten / Junge Nationalisten (seit 2018) (JN), Ring Nationaler Frauen (RNF), Kommunalp olitische Vereinigung (KPV) Publikation: DEUTSCHE STIMME Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 400 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 420 Mitglieder 2016 bundesweit: ca. 5.000 35 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Am 17. Januar 2017 erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dem vom Bundesrat beantragten Verbot der NPD26 . Im Ergebnis wurde die Partei nicht verboten. Das Gericht stellte fest, dass sich die Partei zwar zu ihren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielen bekenne und planvoll auf deren Erreichung hinarbeite. Es fehle jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen ließen. Historie und Strukturentwicklung Die 1964 gegründete NPD ist aus der ehemaligen Deutschen Reichspartei hervorgegangen. Die NPD-Jugendorganisation Junge N ationaldemokraten (JN) wurde 1969 gegründet. Nachdem Mitglieder der NPD aus den alten Bundesländern im Jahr 1989 noch vor dem Mauerfall erste Kontakte in die DDR geknüpft und bei Leipziger Montagsdemonstrationen Flugblätter verteilt hatten, gründeten Anhänger am 24. März 1990 in der Messestadt einen Vorläufer der sächsischen NPD unter der Bezeichnung Mitteldeutsche Nationaldemokraten (MND). Am 2. September 1990 gründeten die Mitglieder der MND den sächsischen Landesverband der NPD. In Erfurt (Thüringen) fand am 7. Oktober 1990 ein Vereinigungsparteitag statt, auf dem sich die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR neu gegründeten NPD-Strukturen mit den Landesverbänden der alten Bundesländer zu einer Gesamtpartei zusammenschlossen. Strukturentwicklung und Mitgliederzahlen der NPD im Freistaat Sachsen unterlagen seit der Gründung erheblichen Schwankungen. Den Zenit überschritt der sächsische NPD-Landesverband im Jahr 1998 mit ca. 1.400 Mitgliedern und 20 Kreisverbänden. Es gelang der Partei in den danach folgenden Jahren nicht mehr, an diese Zahlen anzuknüpfen. Trotz einiger kurzer Phasen der Erholung verringerte sich der Mitgliederbestand der NPD in Sachsen kontinuierlich. Auch im Jahr 2017 setzte sich diese Tendenz fort. Das Mitgliederpotenzial wird auf ca. 400 Mitglieder geschätzt, welche in nur noch elf Kreisverbänden organisiert sind. Nur wenige dieser Mitglieder waren im Jahr 2017 aktiv. 26 Bundesverfassungsgericht, Urt. vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13 36 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Mitgliederzahl und Anzahl der Kreisverbände der NPD im Freistaat Sachsen 900 27 850 800 800 800 760 24 700 700 670 21 610 600 600 18 500 15 13 13 13 13 13 13 13 420 12 400 400 12 11 11 300 9 200 6 Mitglieder 100 3 Anzahl der Kreisverbände 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 NPD-Strukturen im Freistaat Sachsen Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis Vogtlandkreis NPD-Kreisverband DS-Verlag Einzelne Mitglieder der NPD waren im Berichtsjahr im Freistaat Sachsen darüber hinaus in der NPD-Frauenorganisation Ring Nationaler F rauen (RNF) sowie in der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) organisiert. Der RNF war im Freistaat Sachsen im Jahr 2017 eine weitgehend inaktive 37 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Struktur ohne politische Bedeutung. Die KPV ist eine bundesweit agierende Organisation mit der Aufgabe, kommunale Mandatsträger der NPD zu schulen. Der NPD-nahe Verein Bildungswerk für Heimat und N ationale Identität gab im Jahr 2017 die Publikation GEGENLICHT heraus, welche an die früher vom Verein publizierte Schrift HIER UND JETZT anknüpft. Die D eutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH mit Sitz in Riesa (Lkr. Meißen) hat nach finanziellen Problemen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung verloren. Im Jahr 2015 übergaben die Betreiber des Verlages den Warenversand an einen NPD-Funktionär in Thüringen. Auch der Buchversand wurde ausgelagert. Übrig blieb letztendlich die Herausgabe des NPD-Organs DEUTSCHE STIMME. Auf der Liegenschaft des Verlages weihten die Rechtsextremisten im Jahr 2015 einen Teil des Gebäudetraktes als "Haus Wieland" ein, welcher als Veranstaltungssaal mit Schlafplätzen als "nationales Begegnungszentrum" für Seminare, Schulungen und andere Veranstaltungen genutzt werden sollte. Darüber hinaus richteten sie im Zusammenhang mit ihrer Kampagne "Deutsche helfen Deutsche" im Objekt Ende 2016 ein sogenanntes Sozialkaufhaus ein. Ideologie / Politische Zielsetzung Das Bundesverfassungsgericht ließ in seiner Entscheidung über den Antrag eines Parteiverbots vom 17. Januar 2017 keinen Zweifel an der Verfassungsfeindlichkeit der Partei. In diesem Urteil vom Bundesverfassungsgericht wurden die ideologischen Standpunkte der NPD ausführlich erörtert und als gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet bewertet: Danach verletzt der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde, indem er den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person negiert und zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle führt, die nicht der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländer, Migranten, religiöse und sonstige Minderheiten) gerichtet. Auch missachtet die NPD das Demokratieprinzip. In einem durch die "Einheit von Volk und Staat" geprägten Nationalstaat im Sinne der NPD ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Vielmehr führt der exkludierende Charakter der "Volksgemeinschaft" zu einer mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbaren ethnischen Verengung des Anspruchs auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung. Außerdem tritt die NPD für die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am ehemaligen Deutschen Reich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten orientierten Staat ein. Die Partei weist eindeutig eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Das Konzept der "Volksgemeinschaft", die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der Antragsgegnerin mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. 38 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Die ethnisch homogene Volksgemeinschaft - unvereinbar mit Grundrechten Drehund Angelpunkt der Ideologie der NPD ist ein ethnischer Volksbegriff. Die Staatsvorstellung der NPD basiert auf der Herstellung der "nationalen Identität " in Form eines ethnisch homogenen Volkes, welches die Partei als "Volksgemeinschaft" bezeichnet. Die NPD und ihre Jugendorganisation verwenden den Begriff "Volksgemeinschaft" im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Die historischen Nationalsozialisten definierten sie als "die auf blutmäßiger Verbundenheit, auf gemeinsamem Schicksal und auf gemeinsamem politischem Glauben beruhende Lebensgemeinschaft eines Volkes, der Klassenund Standesgegensätze wesensfremd sind". Die NPD versteht diese Volksgemeinschaft als eine "ethnisch homogene" Gruppe von 27 Menschen, die aufgrund "gemeinsamer Sprache, Geschichte, Kultur, Schicksal, etc." entstehe. "Ein Volk ist eine organisch gewachsene Gemeinschaft gleichen Blutes, gleicher Geschichte, mit gleichem Lebensraum und gleicher Kultur" definieren die JN in ihrem im Jahr 2013 herausgegebenen "Leitfaden - Politische Grundbegriffe". 28 Nur in dieser Volksgemeinschaft verwirkliche sich die Würde des Menschen und nur in ihr sei die persönliche Freiheit garantiert.29 Die Würde des Menschen und die persönliche Freiheit garantiert die NPD somit nur Personen, welche nach ihrer Auffassung Bestandteil der Volksgemeinschaft sind. Ihrem Verständnis des Vorrangs der "Volksgemeinschaft" entsprechend, fordert die NPD als oberstes Ziel deutscher Politik die Erhaltung des durch Abstammung, Sprache, geschichtliche Erfahrungen und Wertvorstellungen geprägten deutschen Volkes. Einer "ethnischen Überfremdung Deutschlands durch Einwanderung ist genauso entschieden entgegenzutreten wie der kulturellen Überfremdung durch Amerikanisierung und Islamisierung. [...] Grundsätzlich darf es für Fremde in Deutschland kein Bleiberecht geben, sondern nur eine Rückkehrpflicht in ihre Heimat". 30 Forderungen im Parteiprogramm, wie die Ausgliederung von Ausländern aus dem Sozialversicherungswesen, Eigentum an Grund und Boden nur für Deutsche oder "Müttergehalt" ausschließlich für deutsche Familien, verdeutlichen, dass die NPD Menschen, welche nicht in ihrem Sinne Bestandteil der rassistisch definierten "Volksgemeinschaft" sind, systematisch einen niedrigeren Rechtsstatus zuordnet und ihnen Grundrechte verweigern will. Rassistische fremdenfeindliche Ideologie Nach Vorstellung der NPD bestimmt sich der Wert eines Menschen nach der Zugehörigkeit zu einer Ethnie bzw. Rasse. Die Einwanderung von "rassefremden" Menschen nach Deutschland wird als Bedrohung verstanden. Hieraus resultieren eine rassistische Fremdenfeindlichkeit und ein übersteigerter Nationalismus der Partei. Deutsche Abstammung hat - so der NPD-Kreisverband 27 www.npd-sachsen.de, Beitrag "National-revolutionäre Gesundheitspolitik" (Stand: 11. September 2003; Schreibweise wie im Original) 28 Leitfaden - Politische Grundbegriffe, Teil 1, S. 4 ff. 29 Parteiprogramm der NPD 2010, S. 6 30 Parteiprogramm der NPD 2010, S. 5 (Schreibweise wie im Original) 39 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Leipzig - nur der "wer deutsches Blut in sich führt". 31 Ein JN-Mitglied des "Stützpunktes" Chemnitz beschreibt in einer "Aufarbeitung" eines Vortrages: "Durch die massenhafte Einwanderung und Vermischung des deutschen Volkes mit anderen Völkern wird der große Volksaustausch durchgeführt (...). Das genetische Erbe eines jeden Volkes ist eine Rassentatsache, kein Rassentabu. Es entspricht einfach den Gesetzen der Natur und der Schöpfung. Die Rückeroberung beginnt mit der Enttabuisierung von Begriffen wie Rasse. Demzufolge ist der Rassenhumanismus der die mentale und geistige Regeneration der Rassen fordert, gekoppelt mit dem Ethnosozialismus, der die Blutsbrüderschaft der Völker Europas darstellt das Mittel zum Erfolg, um den bevorstehenden Volkstod abzuwenden. Der Rassenhumanismus wird deswegen als Hebamme der neuen Zeit in die Geschichte eingehen." 32 Den zentralen Aussagen des Grundgesetzes zu Menschenwürde und Gleichheit setzen die Partei und ihre Jugendorganisation, die Jungen Nationaldemokraten (JN), mit ihrem Verlangen nach "Reinhaltung der Rasse" zum Schutze der "deutschen Volkssubstanz" rassistisch geprägte Forderungen entgegen, die eine Anlehnung an die Zeit des Nationalsozialismus erkennen lassen. Missachtung des Demokratieprinzips und Abschaffung des parlamentarisch-repräsentativen Systems Die Partei fordert einen durch die "Einheit von Volk und Staat" 33 geprägten Nationalstaat. Die "Volksgemeinschaft" sei eine Voraussetzung für die "Volksherrschaft" 34, in welcher eine Beteiligung von aus Sicht der NPD "Nichtdeutschen" am politischen Willensbildungsprozess ausgeschlossen ist. Der sächsische NPD-Funktionär Jürgen GANSEL hat in der mündlichen Verhandlung während des Verfahrens zum Antrag auf ein Verbot der Partei bestätigt, dass die "Volksherrschaft" an das ethnische Staatsvolk gebunden sei. 35 Der ausschließende Charakter einer "Volksgemeinschaft" führt zu einer mit Art. 20 Absatz 2 Satz 1 GG unvereinbaren ethnischen Verengung des Anspruchs auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung. Die NPD positioniert sich offen als Feind der parlamentarischen Demokratie. Sie will den Staat weder reformieren noch an seiner Gestaltung im Rahmen des parlamentarischen Prozesses mitwirken. Ihre Teilnahme an Wahlen und ihre Mitarbeit in Parlamenten erfolgt rein zielorientiert. Der Partei geht es hauptsächlich darum, finanzielle Vorteile abzuschöpfen. Außerdem geht es um öffentliche Selbstdarstellung und informelle Einblicke: "Ein Parlament ist Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. (...) Und so nutzen wir die Landtagsbühne als Politikwerkstatt, als Plattform zur Entwicklung politischer Visionen; um uns mit Herrschaftswissen und geistigem Rüstzeug im Kampf gegen die Feinde unseres Landes auszustatten. 31 www.facebook.com/npdleipzig, Facebook-Eintrag (Stand: 3. Mai 2017) 32 www.facebook.com/JnSachsen, Artikel "Unbeugsam bis zum Sieg" (Stand 11. Oktober 2016; Schreibweise wie im Original) 33 Parteiprogramm der NPD 2010, S. 6 34 Parteiprogramm der NPD 2010, S. 7 35 Bundesverfassungsgericht, Urt. vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13 40 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Und natürlich um unsere Gegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und ihnen jeden Tag aufs Neue die Maske vom Gesicht zu reißen." 36 Die Demokratie soll vielmehr abgeschafft werden. Deshalb greift die Partei sie in diffamierender Art und Weise an und bringt so ihren Willen zur Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck. "Die NPD stellt die Systemfrage, sie will den sozialen, demokratischen und nationalen Volksstaat 37 schaffen und stellt dieses Ideal der etablierten 'Demokratie-Karikatur' namens BRD entgegen." Historischer Nationalsozialismus als Ideal der NPD Ergänzend zu den oben angeführten Darlegungen des Bundesverfassungsgerichtes 38 zeigte sich auch bei anderen Aktivitäten der NPD deren Orientierung am historischen Nationalsozialismus. Die NPD empfahl ihren Funktionsträgern zwar, "sich mit dem Hinweis auf Gegenwartsaufgaben" nicht auf die Themenkomplexe Holocaust, Kriegsschuldfrage 1939 und Nationalsozialismus "festnageln" zu lassen. Jedoch zeigen die beschriebenen Parallelen zwischen der NPD und der NSDAP-Programmatik sowie die positive Bezugnahme auf die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945, dass sich die Partei am "Dritten Reich" orientiert. "Nur weil es etwas schon im Dritten Reich gab, muß es nicht automatisch schlecht sein. Wir sind keine Partei, die etwas nur deshalb ablehnt, weil es das auch schon zwischen 1933 und 1945 gegeben hat, z. B. echt fortschrittliche Gesetze auf dem Gebiet der Sozialund Familienpolitik, des Tierund des Naturschutzes [...]. Die Forderung, Gemeinnutz geht vor Eigennutz' ist doch nicht falsch, nur 39 weil sie von Nationalsozialisten erhoben wurde." Die erwähnte "Forderung" ist im Programm der NSDAP zu finden. Offensichtlich hat diese Partei für die NPD nicht nur in Bezug auf ihre Ideologie, sondern auch in strategisch-taktischen Fragen eine Vorbildfunktion. Dies untermauerte der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende Karl RICHTER in einem Thesenpapier zur künftigen Positionierung der NPD: "Im Gegensatz zu uns war die NSDAP in Stil, Auftreten und Methoden eine ultramoderne Massenpartei, 40 die es damit konkurrenzlos erfolgreich in die Mitte des Volkes schaffte. Dort müssen wir auch hin!" Die Partei sieht ein Vorbild in der NSDAP sowie verharmlost und rechtfertigt Geschehnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus. So leugnet sie die Schuld der Nationalsozialisten am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Angriff auf Polen habe "auf jeden Fall der Abwehr einer deutlich 36 www.npd-sachsen.de, 6. März 2009 37 Broschüre "Heimat bewahren. Freiheit erkämpfen", S. 15 38 Bundesverfassungsgericht, Urt. vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13 39 WORTGEWANDT Argumente für Mandatsund Funktionsträger, 2012, S. 53 40 Thesenpapier "Raus aus dem Vergangenheitsghetto - Gegenwart gestalten" von Karl RICHTER, Juni 2011 41 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s 41 angezeigten militärischen Bedrohung gegen das Reich" gedient. Hinsichtlich des millionenfachen Massenmordes an den europäischen Juden spricht die NPD in ihrem Zentralorgan verharmlosend 42 von "Fehlentwicklungen" im "Dritten Reich" . Aktivitäten Die Aktivitäten der sächsischen NPD standen im Jahr 2017 vor allem unter dem Eindruck von zwei Ereignissen: der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Ausgang der Bundestagswahl. Reaktionen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Antrag auf ein NPD-Verbot In ihren ersten Stellungnahmen nach dem Urteil präsentierte sich die Partei als Sieger und bestritt die gerichtlich festgestellte Verfassungsfeindlichkeit. Der Parteivorsitzende Frank FRANZ äußerte auf seinem Facebook-Profil, dass die Urteilsbegründung "schwerwiegende Auswirkungen" habe. Die zum Ausdruck gebrachte Meinung des Bundesverfassungsgerichtes - die Quelle: npd.de (Stand: 17. Januar 2017) Bezugnahme der NPD auf einen ethnischen Volksbegriff verletze die Menschenwürde - sei nichts Anderes als "eine Kriegserklärung an das deutsche Volk". Diese Passagen des Urteils seien eine "inszenierte Herleitung, um einen generellen Angriff auf das deutsche Volk zu fahren". Er stellt weiter fest: "Ich und die NPD werden keinen Schritt zurückweichen und unsere ganze Wirkensund Schaffenskraft darauf konzentrieren, unser kulturelles Erbe und das deutsche Volk als Abstammungsgemeinschaft zu schützen." Programmatisch gebe es nichts zu ändern, die NPD müsse jetzt aber "ihr Profil (...) schärfen, um von anderen Parteien unterscheidbar zu sein".43 Von sächsischen NPD-Funktionären waren kaum Stellungnahmen zum Urteil feststellbar. Das sächsische NPD-Landesvorstandsmitglied Jürgen GANSEL konstatierte am 18. Januar 2017 auf seiner Facebookseite, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil "den ethnischen Volksbegriff" eliminiert und "eine beliebige multiethnische Wohnbevölkerung zum neuen 'deutschen' Staatsvolk" erklärt habe.44 41 DEUTSCHE STIMME, Artikel "Imperialistischer Raubzug oder nationaler Notwehrakt?", August 2003, S. 20 42 DEUTSCHE STIMME, Artikel "Die BRD feiert die Niederlage Deutschlands" von Jürgen GANSEL, Juli 2004, S. 4 43 ebd. (Stand: 18. Januar 2017) 44 Facebook-Profil "Jürgen Werner" (Stand: 18. Januar 2017) 42 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Nach dem Urteil präsentierten sich die Rechtsextremisten mit demonstrativem Selbstbewusstsein. Am 21. Januar 2017 versammelten sich ca. 120 Funktionäre, Mitglieder und Anhänger der NPD in der Stadthalle in Riesa zur jährlich stattfindenden Jahresauftaktveranstaltung. Auf dieser Veranstaltung versuchten Redner zu beschreiben, welche Rolle die NPD nunmehr einzunehmen habe. Ein Redner verglich die Lage der NPD auf der Veranstaltung mit der Lage von Luther nach dem Wormser Reichstag: "Dieser sei auch nicht zum Tode verurteilt worden, aber in Acht und Bann genommen worden, und habe am Ende dennoch eine große historische Wende bewirkt." 45 Ein weiterer Funktionär habe auf der Veranstaltung die NPD als "'Eisbrecher, Taktgeber und Begriffspräger' der neuen Widerstandsbewegung, die ab 2014 mit dem Aufstieg von AfD und Pegida Fahrt aufgenommen habe" bezeichnet. Nun sei es Aufgabe der NPD "Druck auf die AfD auszuüben, damit sich diese nicht von nationalen Positionen verabschiede, die AfD müsse wiederum Druck auf den Rest des Parteiensystems ausüben". 46 Teilnahme an der Bundestagswahl Dass Anspruch und Wirklichkeit bei der NPD weit auseinanderliegen, verdeutlichte die Teilnahme der Partei an der Bundestagswahl 2017. Trotz der desolaten Mitgliedersituation und kaum aktiver Strukturen gelang es der Partei zwar, die nötigen Unterstützungsunterschriften zu sammeln, allerdings schränkten personelle und finanzielle Engpässe den Wahlkampf der NPD ein. Den Auftakt des Wahlkampfes bildete eine Veranstaltung in Riesa. Insgesamt 400 Mitglieder und Anhänger versammelten sich am 22. Juli 2017 zu einer Veranstaltung des Bundesvorstandes der NPD in der Riesaer Stadthalle "Stern". Die Partei bot ihre gesamte Politprominenz auf, um dieser Veranstaltung entsprechende Bedeutung zu verleihen und um öffentlich den Beweis zu erbringen, dass sie nach wie vor mobilisierungsfähig sei. Der Parteivorsitzende FRANZ habe Wahlkampfplakate vorgestellt. Er habe betont: "über allem stünde - nach der Bundestagswahl - als strategisches Ziel das Wahljahr 2019 mit der wichtigen Wahl zum EU-Parlament und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg." 47 FRANZ habe die Bundestagswahl als Schicksalswahl bezeichnet, denn es "sei nicht übertrieben, davon zu sprechen, daß sich unser Volk längst in einem neuen Quelle: npd.de (Stand 25. Juli 2017) Krieg befände, nur daß dieser nicht mit Panzern und Bomben geführt würde, sondern mittels Millionen Fremden, die zum Zwecke eines Bevölkerungsaustausches mißbraucht würden...". 48 45 Auszug aus npd-sachsen.de (Stand: 24. Januar 2017) 46 ebd. 47 ebd.; Schreibweise wie im Original 48 ebd.; Schreibweise wie im Original 43 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s An dieser Rede lässt sich deutlich ablesen, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 weniger zu einer ideologischen Neuorientierung, sondern vielmehr zu einer Verschärfung der extremistischen Positionen der Partei geführt haben. Die Plakatparole "Wir lassen die Luft raus" in Verbindung mit der Darstellung eines Schlauchbootes mit Flüchtlingen versinnbildlicht die menschenverachtende Ideologie der NPD. Der Ablauf der Veranstaltung und die betont euphorische Berichterstattung darüber verdeutlichen, wie sehr die Partei bemüht ist, bei ihrer Mitgliederschaft eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Der sich an diese Auftaktveranstaltung anschließende Wahlkampf entsprach jedoch nicht den Ankündigungen und verlief sehr verhalten. Neben Plakatierungen organisierte der Landesverband lediglich eine Kundgebungstour kurz vor der Wahl, welche binnen einer Woche durch die Städte Hoyerswerda, Görlitz, Bautzen, Pirna, Dresden, Riesa, Zwickau, Eilenburg, Döbeln, Plauen, Aue und Chemnitz führte. Die zuvor auf der Wahlkampfauftaktveranstaltung am 22. Juli 2017 angekündigten "frechen und kreativen" Aktionen blieben aus. In Bezug auf die Plakatierung verwendeten die Rechtsextremisten - wohl aus finanziellen Gründen - oft Wahlplakate aus der Vergangenheit. Die NPD beteiligte sich in 15 Bundesländern an der Bundestagswahl 2017; in Berlin 0,2% 1,1 % scheiterte die Wahlteilnahme aufgrund eines 0,2 % Formfehlers. Mit einem Zweitstimmenergebnis von 0,4 % erzielte die Partei ein für sie 0,3 % enttäuschendes Ergebnis, welches weit unter ihren Erwartungen lag. Im Vergleich zur Bun0,8 % 0,9 % destagswahl 2013 verlor die Partei 0,9 % beim 0,2 % Zweitstimmenergebnis: Während im Jahr 2013 1,1 % noch 560.828 Wähler für die NPD stimmten, 1,2 % waren es zur aktuellen Wahl dagegen nur noch 0,4 % 176.020 Stimmen. Ähnlich verhielt es sich 0,3 % bei den Erststimmen: Im Jahr 2013 setzten 635.135 Wähler ihr Kreuz bei Direktkandida0,5 % ten der NPD; im Jahr 2017 waren es nur noch 0,3 % 0,3 % 45.169 Personen. Im Freistaat Sachsen erzielte die NPD mit ihrer sieben Personen umfassenden Landesliste ein Ergebnis von 1,1 % (28.215 Stimmen). Damit Bundestagswahl 2017 Zweitstimmenergebnis der halbierte die Partei ihr Ergebnis aus dem NPD, Quelle: www.bundeswahlleiter.de Jahr 2013 (3,3 %, 76.436 Stimmen). Auch die lediglich drei Direktkandidaten, welche in zwei Dresdner Wahlkreisen sowie im Wahlkreis Meißen antraten, schnitten mit einem Ergebnis von 0,2 % (4.079 Stimmen) ähnlich schlecht ab. 44 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s Der Vergleich der Zweitstimmenergebnisse der Wahlkreise zwischen den Bundestagswahlen 2013 und 2017 verdeutlicht die Stimmenverluste der NPD eindrucksvoll. Auch in dem für hohe Wahlergebnisse der NPD bekannten Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verlor die Partei die Hälfte ihrer Stimmen. Wahlkreise absteigend sortiert Wahlkreise absteigend sortiert nach Zweitstimmenanteile für die NPD in % nach Zweitstimmenanteile für die NPD in % lfd. Wahlkreis Zweitstimmenanteile lfd. Wahlkreis Zweitstimmenanteile Nr. für die NPD in % Nr. für die NPD in % 1 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 1,9 1 Sächsische Schweiz - Osterzgebirge 5,1 2 Erzgebirgskreis I 1,7 2 Görlitz 4,2 3 Nordsachsen 1,5 3 Bautzen I 4,1 4 Meißen 1,5 4 Erzgebirgskreis I 4,0 5 Görlitz 1,5 5 Nordsachsen 3,9 6 Bautzen I 1,5 6 Meißen 3,9 7 Mittelsachsen 1,3 7 Mittelsachsen 3,7 8 Chemnitzer Umland - Erzgebirgskreis II 1,2 8 Chemnitzer Umland - Erzgebirgskreis II 3,3 9 Leipzig-Land 1,1 9 Zwickau 3,2 10 Vogtlandkreis 1,0 10 Vogtlandkreis 3,2 11 Zwickau 0,9 11 Leipzig-Land 3,0 12 Chemnitz 0,8 12 Dresden II - Bautzen II 2,7 13 Leipzig I 0,7 13 Leipzig I 2,4 14 Dresden II - Bautzen II 0,7 14 Dresden I 2,3 15 Dresden I 0,7 15 Chemnitz 2,3 16 Leipzig II 0,4 16 Leipzig II 1,5 Bundestagswahl 2017; Bundestagswahl 2013; Quelle: Statistisches Landesamt Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Kamenz, 2017 des Freistaates Sachsen, Kamenz, 2013 Das Bundesparteipräsidium veröffentlichte nach der Wahl eine von Zweckoptimismus getragene Erklärung, in der es das Wahlergebnis als enttäuschend bezeichnete. Schuld gaben die Rechtsextremisten der AfD - welche "alles aufgesogen [habe], was möglich war, weil es momentan eben angesagt ist bei dem vor allem auch von den Medien inszenierten 'Hype' dabei zu sein." Die NPD müsse sich "radikal als soziale und nationale außerparlamentarische Opposition präsentieren, die die Politik der AfD und der Linken im Blick haben wird." Es müsse vor allem auf die AfD Druck ausgeübt werden. Die NPD müsse diese Partei "vor sich hertreiben [...] indem wir konsequent unsere unverhandelbaren Positionen präsentieren, damit diese gezwungen ist, das Meinungsspektrum in unserem Sinne zu erweitern oder aber sich von echten nationalen Ansichten zu distanzieren." 49 Der sächsische Landesvorsitzende Jens BAUR äußerte zum Wahlergebnis: "Mit bundesweit 0,4 % und in Sachsen 1,1 % sind wir als NPD weit hinter dem zurück geblieben, was wir uns erhofft hatten, da gibt es nichts zu beschönigen. Auch dass es wohl die aufopferungsvolle Vorarbeit der NPD war, die 10 Jahre im Sächsischen Landtag die Lanze für nationale Politik gebrochen und somit der AFD den Weg bereitet hat, nun mit 27% stärkste Partei in Sachsen zu werden, hilft uns nicht weiter. Nun 49 npd.de (Stand: 25. September 2017) 45 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s muss die AfD zeigen, was sie zu leisten bereit ist. (...) Wir machen weiter - als Überzeugungstäter für Deutschland!" 50 Das von der NPD erzielte Wahlergebnis ist besonders im Hinblick auf die damit verbundene Reduzierung der staatlichen finanziellen Mittel im Rahmen der Wahlkampfkostenerstattung für die Partei verheerend. Die NPD vermochte es nicht, genügend Protestwählerpotenzial an sich zu binden. Es ist anzunehmen, dass selbst NPD-Stammwähler kaum eine Chance sahen, dass die NPD einen Einzug in den Bundestag schafft und ihre Stimme deshalb einer anderen Partei gaben. Nur so ist es zu erklären, dass selbst in den ehemaligen NPD-Wählerhochburgen der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge derartige Verluste für die NPD zu verzeichnen sind. Landesparteitag - keine personellen Konsequenzen Am 18. November 2017 fand ein Landesparteitag statt, auf dem ein neuer Landesvorstand gewählt wurde. Knapp 90 % der Delegierten wählten den bisherigen Vorsitzenden Jens BAUR. Auch die Stellvertreter Peter SCHREIBER und Arne SCHIMMER wurden trotz des für die NPD enttäuschenden Wahlergebnisses in ihren Ämtern bestätigt. In einer Pressemeldung zu diesem Ereignis führten die Rechtsextremisten aus, dass es Ziel der NPD sei, 2019 wieder in den Sächsischen Landtag einzuziehen. Die NPD sei eine "einzigartige Partei", die "abseits rein populistischer Ansätze für einen grundlegenden Politikwechsel in Deutschland stehe. Für die Partei gelte es nun, neue Themen zu finden und neue Aktionsformen auszuprobieren. Um einen Neuanfang wagen zu können, müsse aber erst die notwendige Geschlossenheit hergestellt werden." Man werde in Zukunft bemüht sein, das eigene Profil durch die Schaffung "sozialer Projekt[e]" zu schärfen und bei Aktivistentreffen verstärkt mit der Basis in das Gespräch kommen. 51 J unge Nationaldemokraten / J unge Nationalisten (seit 2018) (JN) Die NPD ist die einzige rechtsextremistische Partei mit einer eigenen Jugendorganisation. Die Jungen Nationaldemokraten verstehen sich laut Satzung ihrer Mutterpartei als deren "integraler Bestandteil". Die JN gliedern sich in den Bundesverband, in Landesverbände und in einigen Bundesländern in regional und lokal agierende sogenannte Stützpunkte. Den "Stützpunkten" gehören in der Regel fünf bis zwanzig Mitglieder an. Nach der Wahl von Paul RZEHACZEK zum Landesvorsitzenden der JN Sachsen im Oktober 2012 hatte sich die NPD-Jugendorganisation in Sachsen deutlich für neonationalsozialistische Strukturen geöffnet. Dadurch konnte der sächsische JN-Landesverband ab 2013 einen erheblichen Mitgliederzuwachs von über 50 % verbuchen. Sein Mitgliederpotenzial stieg in den Jahren 2014 und 2015 auf 110 Personen an. Im Jahr 2016 sank es aufgrund des Rückganges an aktiven Strukturen 50 www.facebook.com/jensbaur, Auszug (Stand: 26. September 2017; Schreibweise wie im Original) 51 npd-sachsen.de, Artikel "Wille-Gemeinschaft-Tat" (Stand: 21. November 2017) 46 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s in einigen Regionen wieder auf ca. 85 Personen. Nach dem sehr schwachen Wahlergebnis bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im September 2016 - sächsische JN-Mitglieder hatten in Mecklenburg-Vorpommern Wahlkampfhilfe geleistet - waren auch die Aktivitäten der JN Sachsen schließlich stark zurückgegangen. Diese Entwicklung setzte sich im Jahr 2017 fort. Im Freistaat Sachsen fehlen den JN in vielen Regionen geeignete Führungspersonen, die eigene Aktionen initiieren bzw. neue Interessenten an die Jugendorganisation binden könnten. Mit der Partei D er D ritte Weg gibt es zudem eine Organisation, die ebenfalls um neonationalsozialistische Mitglieder wirbt. Mitglieder der JN im Freistaat Sachsen 120 110 110 100 85 80 70 70 60 50 50 50 50 50 40 20 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Im Jahr 2017 existierten lediglich noch in den Städten Chemnitz und Dresden sowie in den Landkreisen Nordund Mittelsachsen, Leipziger Land und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge "Stützpunkte" der JN. Der Rückgang aktiver Strukturen hatte auch auf das Aktionsniveau der JN spürbare Auswirkungen. Im Jahr 2015 organisierten die JN bzw. einzelne ihrer Mitglieder noch 20 Versammlungen im Freistaat Sachsen. Im Jahr 2016 sank die Anzahl deutlich auf nur noch zwölf Versammlungen. Dabei wurden einige dieser Demonstrationen oder Kundgebungen nicht mehr unter dem Label JN, sondern unter Kampagnenbezeichnungen oder durch Einzelpersonen angemeldet. Im Jahr 2017 erreichten die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der JN Sachsen einen Tiefpunkt. Sie führten 47 Rec h t se x t r emismus - N a t i o n a l d e m o k r a t i s c h e P a r t e i D e u t s c h l a n d s keine Demonstrationen mehr durch, sondern traten lediglich im Rahmen von vereinzelten, kleineren Aktionen, wie Kranzniederlegungen oder Transparentund Verteilaktionen, in Erscheinung. 52 Um neue Impulse zu setzen, gab der JN-Landesverband Sachsen daher am 4. September 2017 die Wahl des langjährigen Aktivisten und Leiters des JN-"Stützpunktes" Dresden Maik MÜLLER zum neuen Landesvorsitzenden bekannt. Mit Maik MÜLLER hat ein bundesweit vernetzter Neonationalsozialist die Führung der JN Sachsen übernommen. Zudem ist MÜLLER als Mitglied des JN-Bundesarbeitskreises Europa 53 auch in die Vorbereitung des für den 11. / 12. Mai 2018 angekündigten 3. Europakongresses der JN unter dem Motto "[RE]generation.EUROPA" eingebunden. Die zur "Vernetzung ausgelegte Veranstaltung ist ein Ort des Wiedersehens & KennenQuelle: www.facebook.com/JnSachsen (Stand: 4. September 2017) lernens, sowie des gegenseitigen respektvollen Austauschs, der dennoch ausreichend Raum für kontroverse Diskussionen schafft" 54. Außerdem erhoffen sich die JN mit dem Kongress eine verstärkte mediale Wahrnehmung. Den Mitgliederrückgang vor Ort wird ein solcher Kongress jedoch eher nicht aufhalten können. Ausblick Der sächsische NPD-Landesverband ist zwar im rechtsextremistischen Parteispektrum des Freistaates immer noch die größte Organisation mit der am weitesten ausgebauten Struktur, jedoch ist ein Großteil der Kreisverbände kaum noch aktiv. Trotz aller Bemühungen der Funktionäre konnte die Mitgliedschaft kaum zur Parteiarbeit animiert werden. Führungspersonen innerhalb der sächsischen NPD, welche die Partei aus diesem Zustand herausführen könnten, sind aktuell nicht erkennbar. Auch neue strategische Konzepte wurden von Seiten der NPD im Freistaat Sachsen bislang nicht bekannt. Verlautbarungen nach dem 52 siehe Abschnitt II.1.7 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen 53 Als Sitz gibt der JN-B undesarbeitskreis Europa die Markersdorfer Straße 40 in Chemnitz an. In dem Objekt befindet sich auch die Geschäftsstelle der JN Sachsen. 54 Europa.aktion-widerstand.de (Stand: 3. November 2017) 48 Rec h t se x t r emismus - D i e R e c h t e Landesparteitag im November lassen keine neuen konzeptionellen Ansätze, sehr wohl aber von der Bundesebene ausgehende Anzeichen für eine ideologische Radikalisierung, erkennen. Abzuwarten bleibt, inwieweit der NPD-Bundesvorstand in der Lage ist, mit geeigneten Mitteln den Stellenwert der Partei innerhalb der Szene wieder zu erhöhen. Die Anmeldung einer rechtsextremistischen Großveranstaltung für den 20. bis 22. April 2018 in Ostritz (Lkr. Görlitz) durch den stellvertretenen NPD-Bundesvorsitzenden Thorsten HEISE ist ein Indiz für diese Bemühungen. Auch innerhalb ihrer Jugendorganisation war fraglich, ob der neu gewählte JN-Landesvorsitzende MÜLLER angesichts der im JN Bundesverband seit mehreren Monaten bestehenden Führungskrise wirklich neue Akzente setzen kann. Am 13. Januar 2018 reagierte die JN auf den Abwärtstrend und wählte auf einem Bundeskongress in Riesa einen neuen Bundesvorstand. Der bisherige JNBundesorganisationsleiter und vormalige Landesvorsitzende der JN Sachsen Paul RZEHACZEK wurde zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Gleichzeitig gaben sich die Mitglieder Eigenangaben der JN zufolge ein neues Statut und änderten den Namen der Jugendorganisation von "Junge Nationaldemokraten" in "Junge Nationalisten". 1.3.3 D ie R echte, Landesverband Sachsen55 Gründung / Neugründung: 26. Oktober 2013 / 1. August 2015 Sitz: unbekannt Vorsitz Bund / Sachsen: Christian WORCH, Christoph DREWER (komm.)55 / Uli-Carsten BAYER Teil-, Nebenorganisationen: unbekannt Publikation: keine Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 20 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 30 Mitglieder 2016 bundesweit: ca. 700 Historie und Strukturentwicklung Nach ersten Aktivitäten der Partei im Jahre 2013 gab der Landesverband Sachsen im März 2014 seine Auflösung bekannt. Nach einer Reaktivierungsphase gründete sich der sächsische Landesverband am 1. August 2015 in Hagenwerder (Lkr. Görlitz) erneut. Unter dem Dach des Landesverbandes gründete die Partei im Jahr 2015 in der Region Bautzen den Kreisverband Ostsachsen. Über diese Struktur sind nach 2016 keine Erkenntnisse mehr angefallen. 55 Christian WORCH trat am 31. Oktober 2017 zurück, ab dem 1. Januar 2017 übernahm Christoph DREWER das Amt des Vorsitzenden kommissarisch. 49 Rec h t se x t r emismus - D i e R e c h t e Offenbar hat sich diese aufgelöst. Auf Kreisebene agiert nur noch der seit 2016 bestehende Kreisverband Westsachsen. Bislang konnte die Partei nur ein geringes Mitgliederpotenzial vornehmlich aus der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene ansprechen. Vereinzelt fanden auch ehemalige NPD-Mitglieder bei ihr eine neue politische Heimat. Ein zahlenmäßig relevanter Zulauf aus dem Bereich der Neonationalsozialisten war nicht feststellbar. Der Mitgliederbestand betrug im Jahr 2017 etwa 20 Personen. Ideologie / Politische Zielsetzung Das Parteiprogramm ist weitgehend von der rechtsextremistischen D eutschen Volksunion (DVU), die 2011 in der NPD aufgegangen war, übernommen worden. Äußerungen des sächsischen Landesverbandes der letzten Jahre lassen demgegenüber auf eine aggressive neonationalsozialistische Orientierung schließen. Auch im Jahr 2017 deuteten beschlossene Änderungen des Parteiprogramms und Bekenntnisse darauf hin, dass diese Organisation programmatisch in die Richtung des Neonationalsozialismus geführt werden soll. Im Jahr 2017 stimmten die Delegierten des Bundesparteitages gegen den Willen des Bundesvorsitzenden dem Antrag des Landesverbandes Thüringen zu, wonach die Partei "sich voll und ganz zur deutschen Volksgemeinschaft bekennt". Darüber hinaus beschlossen die Delegierten Modifikationen des Parteiprogramms, wonach die Forderung nach Änderung des SS 130 StGB (Volksverhetzung) in eine Abschaffung dieser Rechtsnorm umgewandelt werden soll. Zudem wurde beschlossen, den folgenden Satz zu streichen: "Wir bedauern zutiefst nationalsozialistisches und kommunistisches Unrecht und wollen dafür sorgen, daß derartige Verbrechen sich niemals wiederholen", da er "bereits im inhaltlichen Widerspruch zum Vorsatz des Parteiprogramms steht, nach dem die heute aufwachsenden Generationen keine Verantwortung für geschichtliche Abläufe zu übernehmen haben". 56 Damit bestätigt sich die antisemitische, revisionistische und demokratiefeindliche Ideologie der Partei. 57 Aktivitäten Der sächsische Landesverband der Partei D ie Rechte zeigte im Jahr 2017 im Freistaat Sachsen kaum Aktivitäten. Die Partei bemühte sich vergeblich mit einer "Großveranstaltung" am 18. März 2017 in Leipzig ebenfalls einen Anspruch auf politische Bedeutung zu manifestieren. Statt der avisierten 300 bis 400 Teilnehmer kamen lediglich 170 Personen nach Leipzig. Quelle: die-rechte.com (Stand: 17. Januar 2017) 56 die-rechte.com (Stand: 6. November 2017) 57 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016, S. 77-81 50 Rec h t se x t r emismus - Parteiungebundene Strukturen Die Rechtsextremisten planten wie im Jahr zuvor58 einen Demonstrationszug durch das Leipziger Stadtviertel Connewitz, offenbar um den politischen Gegner zu provozieren und auf mediales Interesse zu stoßen. In einer Stellungnahme zur geplanten Strecke bestritten die Rechtsextremisten die Provokationsabsicht: "Wenn die Stadt Leipzig Gegenprotest auf Sehund Höhrweite stattfinden lässt, nimmt sie billigend in Kauf, dass es wieder mehrere verletzte Polizisten geben wird und somit ein Szenario wie am 12.12.2015, als einige Einwohner von Connewitz ihr eigenes Viertel zerlegten. (...) Wir wissen natürlich, dass es der Stadt Leipzig und den Medien nicht schmeckt, aber unser Ziel ist es, unsere Forderungen in den vorpolitischen Raum zu tragen. Wir werden am 18. März kraftvoll und diszipliniert in Leipzig unseren Protest auf die Straße tragen (...)." 59 Die Erwartungen der Veranstalter wurden enttäuscht. Der Demonstrationszug, welcher auf Grund von Auflagen der Stadt außerhalb von Connewitz stattfinden musste, bestand aus ca. 170 Teilnehmern und verlief aufgrund der Maßnahmen der Polizei ohne Zwischenfälle. Nur zu Beginn mussten die Demonstrationsteilnehmer aufgehalten werden, als einige Rechtsextremisten versuchten, sich zu vermummen. Für 2018 hatten die Rechtsextremisten wieder eine Demonstration in Leipzig geplant, welche am sogenannten Tag der deutschen Arbeit am 1. Mai 2018 stattfinden sollte. Auf der eigens dafür eingerichteten Homepage verkündeten sie jedoch inzwischen die Absage dieser Demonstration. Ausblick Der sächsische Landesverband der Partei D ie Rechte besitzt innerhalb der rechtsextremistischen Szene des Freistaates kaum Bedeutung. Den Rechtsextremisten gelang weder eine maßgebliche Ausweitung ihrer Struktur, noch erlangten sie im politischen Geschehen im Jahr 2017 eine prägende Rolle. In anderen Bundesländern, wie in Nordrhein-Westfalen, besitzt die Partei innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums eine größere Präsenz. Eine wesentliche Änderung dieser Verhältnisse zeichnet sich nicht ab. 1.4 Parteiungebundene Strukturen In diesem Kapitel geht es um einen der aktivsten und wandlungsfähigsten Teile der rechtsextremistischen Szene. Gemäß der bundeseinheitlich seit 2017 erfolgten Neuerung der Darstellung des rechtsextremistischen Personenpotenzials wird innerhalb der rechtsextremistischen Szene nunmehr der Bereich "parteiungebundene rechtsextremistische Strukturen" ausgewiesen. Diesem Bereich werden u. a. die bisher unter dem Sammelbegriff Neonationalsozialisten und subkulturell 58 Am 12. Dezember 2015 fand in Leipzig-Connewitz eine Demonstration der Partei D ie Rechte mit ca. 200 Teilnehmern statt. Der Aufzug wurde damals von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei begleitet. Die Bilder von gewalttätigen Demonstranten und brennenden Barrikaden sorgten damals für starke mediale Aufmerksamkeit. 59 www.facebook.com/18-März-2017-Leipzig-1725530394428919 (Stand: 9. März 2017; Schreibweise wie im Original) 51 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen geprägte Rechtsextremisten erfassten Strukturen jedweder Art zugeordnet Darüber hinaus werden Strukturen wie die Identitäre Bewegung (IB) hier erfasst. Die übrigen Rechtsextremisten werden dem "unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial" zugerechnet und fallen daher unter das Kapitel 1.5 Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. 1.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen Ideologie Der Neonationalsozialismus bezieht sich auf die Weltanschauung des historischen Nationalsozialismus. Kern neonationalsozialistischer Überzeugungen ist der Wunsch nach der Wiedererrichtung des sogenannten Dritten Reiches bzw. die Einführung einer vergleichbaren Diktatur. In einer rechtsextremistischen Propagandaschrift aus dem Jahr 2017 heißt es dazu: "Der historische Nationalsozialismus als der organisierte politische Gestaltungswille des deutschen Volkes und als Träger des III. Reiches ist im Flammenmeer des II. Weltkrieges für immer untergegangen, um eben im gleichen gewaltigen Ringen zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis, trotz der Niederlage, wieder aufzuerstehen, diesmal als die zentrale Heilsidee der gesamten Arischen Nation und damit die Bewegung zur Wiedergeburt der Antike, des Abendlandes und des Reiches." 60 Neonationalsozialisten beziehen sich auf bestimmte ideologische Elemente des Nationalsozialismus, wie einen übersteigerten Nationalismus, Antisemitismus, Antipluralismus, Sozialdarwinismus und Rassismus, als Teil einer völkischen Ideologie, die einen ethnisch homogenen Staat anstrebt und jeglichen Pluralismus als existenzbedrohend ansieht. Neonationalsozialisten definieren das deutsche Volk auf rassistischer Grundlage als biologisch höherwertige "Rassegemeinschaft", die es mit allen Mitteln zu retten gelte. Dem deutschen Volk gehöre hiernach an, wer zur "arischen Rasse" zähle. Die Demokratie wird von Neonationalsozialisten grundsätzlich abgelehnt: "Die Demokratie als Staatsentwurf ist und bleibt die Herrschaft der Minderwertigen". 61 Zur aktuellen Staatsordnung in Deutschland heißt es: "Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler." 62 Szeneangehörige glauben sich in einem existenziellen Endkampf "Gut gegen Böse": "Es geht darum, sich klarzumachen, dass wir als völkische Revolutionäre gegen ein System kämpfen, das so unvorstellbar böse und verbrecherisch ist, dass es dafür keine Worte gibt und das alle denkbaren Vorstellungen übertrifft." 63 60 Der kleine Wegweiser der revolutionären Rechten, www.facebook.com/tpausch1, S. 42 (Stand: 9. September 2017) 61 Der kleine Wegweiser der revolutionären Rechten, www.facebook.com/tpausch1, S. 12 (Stand: 9. September 2017) 62 Der kleine Wegweiser der revolutionären Rechten, www.facebook.com/tpausch1, S. 42 (Stand: 9. September 2017) 63 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 7 52 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen In ihren verschwörungstheoretischen Grundannahmen gehen Neonationalsozialisten von der Existenz eines "Plan[s] des Weltfeindes, unsere Art endgültig auszurotten" 64 aus. Diese Grundüberzeugung manifestiert sich immer wieder in den sogenannten Volkstod-Kampagnen. Der Begriff "Volkstod", wie auch der oft verwendete Begriff der "Volksgemeinschaft", ist mit einem biologistischen Weltbild verbunden, das fremde Kulturen und damit auch Menschen mit Migrationshintergrund als minderwertig darstellt und von der Teilhabe an demokratischen Rechten ausschließt. Neonationalsozialisten verfügen über ein elitäres Selbstverständnis; sie sehen sich als "höherwertige" Deutsche. Dies leiten sie aus ihren rassistischen Anschauungen und der Bezugnahme auf das "Dritte Reich" ab, dessen politisch-militärisches Hierarchieverständnis ("Führerprinzip") sie teilen. In diesem Zusammenhang grenzen sie sich auch von "neurechten", nicht extremistischen Bewegungen ab. Dazu hieß es lapidar: "Patriot ist der, der zu feige ist, sich zum Nationalen Sozialismus zu bekennen". 65 Dies und ihr rassistisches Weltbild erklären die hohe Bedeutung der Asylthematik für Neonationalsozialisten . Die Aufnahme von vielen - von ihnen als rassisch minderwertig angesehenen - Menschen in Deutschland bedeutet für sie einen "Angriff" auf das von ihnen rassisch definierte deutsche Volk. Staatliche Institutionen, die dies aus ihrer Sicht zu verantworten haben, oder Menschen, die sich für Asylbewerber einsetzen, stellen für Neonationalsozialisten damit den zu bekämpfenden "Feind" dar. Dieser "Feind" betreibt nach ihrer Auffassung eine "Völkermordpolitik mittels gezielter Ansiedlung von Ausländern, die kulturell und rassebiologisch das Ende Deutschlands herbeiführen sollen." 66 Die Migrationsbewegungen bis Ende 2015 und die islamistischen Anschläge in Europa und Deutschland im Jahr 2016 erzeugten unter Neonationalsozialisten das Gefühl einer existenziellen Bedrohung. Der Ausbruch eines Bürgerkrieges in Deutschland ist für Neonationalsozialisten nur noch eine Frage der Zeit und gedanklicher Hintergrund für ihr Selbstverständnis und ihre Handlungen: "Und so wird es wohl einen Bürgerkrieg geben zwischen den Anhängern und Gegnern des Multikulturalismus/Kulturmarxismus und zwar nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern global".67 Szeneangehörige positionierten sich daher wiederholt in diffamierender, zum Hass aufstachelnder Weise gegen Flüchtlinge und Asylbewerber. Die Anwendung von Gewalt wurde dabei als legitim betrachtet. Der Amoklauf in München am 22. Juli 2016 mit neun Opfern und fünf Verletzten wurde von der Szene als eine Folge von Migration betrachtet und wie folgt kommentiert: "Eine Division für München, eine Division in Schwarz 68! Lange genug haben wir zugesehen wie unser Vaterland verschmutzt wird mit dem Unrat der tag für Tag über unsere Grenzen einmarschiert. Wir kriegen euch alle! "69 64 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 5 65 www.facebook.com/nationalefrontbautzen (Stand: 29. April 2016) 66 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 6 67 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 7; Anmerkung: Auf den Begriff des Kulturmarxismus bezog sich auch der norwegische Rechtsterrorist Anders Behring BREIVIK zur Rechtfertigung seiner Anschläge gegen Regierungseinrichtungen und ein Zeltlager der Jugendorganisation der Sozialdemokraten 2011 in Norwegen. 68 Metapher für die SS 69 www.facebook.com/AGSaxonia (Stand: 24. Juli 2016; Schreibweise wie im Original) 53 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Die ideologische Haltung von Neonationalsozialisten ist damit grundsätzlich gewaltverherrlichend. Aus ihrer Sicht lassen sich die von ihnen verfolgten Ziele in letzter Konsequenz nur mit Gewalt umsetzen. Durch ihre sozialdarwinistische Grundüberzeugung, den Kampf um die Auslese der Besten, wird Gewalt auch nicht als notwendiges Übel, sondern als in sich gutes und der eigenen Überzeugung entsprechendes Mittel angesehen. Der Ton ist stets gewaltgeprägt: "Die revolutionäre Rechte kämpft für die von ihr gesteckten Ziele mit totalem Einsatz unter Einbeziehung aller gebotenen Mittel." 70 Lediglich strategische Überlegungen - u. a. angestrebte Bündnisse mit Nichtextremisten - lassen Neonationalsozialisten, zumindest vorübergehend, zurückhaltender agieren. Neonationalsozialisten sehen sich als eine "Elite", die sich derzeit im Status einer verfolgten Minderheit befindet und daraus "Notwehrrechte" für sich ableiten darf. Es besteht daher häufig eine starke Affinität zu Waffen und Sprengstoffen. Bei polizeilichen Hausdurchsuchungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren gegen die neonationalsozialistische Gruppierung F reie K ameradschaft D resden, z. B. im Jahr 2016 in Dresden, wurden immer wieder Waffen gefunden. In zahlreichen Einträgen in den sozialen Medien wird auch "der Kampf" als wesentlicher Bestandteil des Wirkens der neonationalsozialistischen Szene glorifiziert; entsprechend populär ist daher der Kampfsport. Eine sich hierbei in den letzten Jahren bundesweit etablierte Veranstaltungsreihe ist der "Kampf der Nibelungen" (KdN). Zu dieser Veranstaltung treffen sich jährlich Rechtsextremisten aller Bereiche der Szene, um gegeneinander zu kämpfen. Sie verbinden dies mit ihrer Ideologie und nutzen den Kampfsport als körperliche Ertüchtigung für direkte Auseinandersetzungen, z. B. mit politischen Gegnern. Im Nachgang zur KdN-Veranstaltung des Jahres 2017 wurde von den Veranstaltern resümiert: "Die Zeiten haben sich geändert, es geht nicht mehr um Musik und Suff, sondern die deutsche Jugend steht auf. Sie geht in Fitnessstudios und Kampfsportschulen um sich auf das kommende gefasst zu machen. Denn die Zeiten werden nicht leichter, sondern härter und schlimmer." 71 Schwäche oder gar Behinderungen haben nach neonationalsozialistischer Überzeugung in der angestrebten "Volksgemeinschaft" keinen Platz. Vielmehr spielen die Förderung und Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit eine tragende Rolle für das Ideal des politischen Soldaten nach dem Vorbild der Waffen-SS. Neonationalsozialisten vertreten überdies häufig revisionistische Ansichten und versuchen, durch eine Umdeutung der Geschichte die Verbrechen des NS-Regimes zu relativieren oder gänzlich zu leugnen. So glorifizieren sie mit alljährlichen "Heldengedenken" verstorbene Nationalsozialisten. Auch im Krieg getötete deutsche Soldaten werden ideologisch instrumentalisiert; der Zweite Weltkrieg wird dabei zum Verteidigungskrieg umgedeutet. Es werden ferner "Trauermärsche" organisiert. Dabei werden - unter Ausblendung der Rolle Deutschlands - westliche Demokratien, vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), wegen der Zerstörung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher diffamiert. Herausragende Anlässe hierfür sind der 13. Februar in Dresden und der 5. März in Chemnitz. Neonationalsozialisten haben einen hohen Organisationsgrad, gehen strategisch vor und sind bestrebt, ihre Ideologie kontinuierlich zu verbreiten. Im Vordergrund stehen politische Aktivitäten 70 Der kleine Wegweiser der revolutionären Rechten, www.facebook.com/tpausch1, S. 18 (Stand: 9. September 2017) 71 www.facebook.com/KDN2017 (Stand: 1. Dezember 2017; Schreibweise wie im Original) 54 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen sowie die Organisation von rechtsextremistischen Veranstaltungen oder Propagandaaktionen, aber auch die interne ideologische Schulung der eigenen Mitglieder. Das strategische Verhalten von Neonationalsozialisten hat sich in den letzten Jahren in teils erheblichem Maße gewandelt. Sie zielen nun auch verstärkt auf den "vorpolitischen Raum": "Wenn wir nicht anfangen, alle nur denkbaren Bereiche von Sportvereinen, Schützenvereinen, Boxund Kampfsportschulen, staatlichen Strukturen, gegnerischen Strukturen etc. zielgerichtet zu unterwandern, uns Informationen beschaffen, diese auswerten und darauf unser eigenes Verhalten ausrichten, werden wir auch weiterhin marginalisiert bleiben und nichts verändern können." 72 Dazu werden mittlerweile auch einige der früheren Kernüberzeugungen "angepasst", die einstmals prägend für das Selbstverständnis von Neonationalsozialisten waren: "Nationalisten waren von Anfang an skeptisch und misstrauisch, anstatt sofort und massiv die Spaziergänge zu unterstützen. Dogmatiker aus unseren Reihen störten sich an - im Gesamtzusammenhang gesehen - Kleinigkeiten (Stichwort: Hakenkreuz im Mülleimer, Philosemitismus, "patriotische Europäer" als ein Gegensatz, zweifelhafte Claqueure). Die große Chance, die sich hier bot, wurde erst zu spät erkannt." 73 So wollen in Zukunft auch die Neonationalsozialisten "zivilen Ungehorsam" üben und sich besonders auf die Reaktion auf islamistische Anschläge vorbereiten. Sie erklärten, dass es nach dem Anschlag vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt in Berlin "deutschlandweit Aktionen" hätte geben müssen. In Zukunft gelte: "Auf so etwas wie einen großen islamischen Anschlag muss der Widerstand vorbereitet sein" 74. Hinsichtlich der konkreten Aktionen werden auch in der neonationalsozialistischen Szene mittlerweile "kreative, öffentlichkeitswirksame Aktionen" propagiert. Die Identitäre Bewegung gilt dabei explizit als Vorbild.75 Personenpotenzial Wie bereits im Vorjahr, ist das Personenpotenzial der Neonationalsozialisten auch im Jahr 2017 deutlich gestiegen. Nach dem Zerfall der neonationalsozialistischen Strukturen seit dem Jahr 2012 ist dies der deutlichste Indikator für die Revitalisierung der Szene. Obwohl sich das neonationalsozialistische Personenpotenzial in den vergangenen Jahren nicht mehr zu festen Strukturen zusammengeschlossen hatte, war es doch mehrheitlich weiterhin in der rechtsextremistischen Szene aktiv. In den Jahren 2014 bis 2016 wurde das Personenpotenzial der Szene durch die zahlreichen asylbezogenen Veranstaltungen gebunden, an denen es sich beteiligte. Aufgrund dessen war die neonationalsozialistische Szene kaum noch mit den sonst für sie typischen Szeneaktivitäten wahrnehmbar. 72 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 10 73 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 11 74 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 11 75 N. S. Heute, Nr. 2, Mai / Juni 2017, S. 11 55 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Mit dem Nachlassen der Asylthematik fehlte ein einigender Themenschwerpunkt für die strukturelle Anbindung des "freigesetzten" neonationalsozialistischen Personenpotenzials. Daher ist seit Mitte 2016 eine Wiederbelebung der Aktivitäten und auch ein Bemühen um die Neubildung von festen Strukturen erkennbar. Dadurch stieg das der Szene zuzurechnende Personenpotenzial erneut signifikant an. Anzahl der Neonationalsozialisten im Freistaat Sachsen 1.200 1.000 1.000 980 1.000 950 970 910 860 800 720 650 600 520 400 340 200 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Strukturen Vor allem in den Jahren 2014 bis 2016 verzichteten regionale neonationalsozialistische Gruppierungen auf feste Strukturen. Damit wollte man Vereinsverboten entgehen und möglichst keine Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren bieten. Im Gegenzug gewannen strukturarme Vernetzungsstrategien und ein erhöhtes Maß an Konspiration an Bedeutung. Das gemeinsame Agieren, die Vernetzung über Kennverhältnisse und insbesondere die ständige Verbindung über die sozialen Medien machten feste Organisationsstrukturen oder formale Mitgliedschaften entbehrlich. Dies erhöhte außerdem die Fähigkeit der Szene, kurzfristige, anlassbezogene Aktionsformen zu organisieren. Im Jahr 2017 hat sich dieser Trend weiter ausdifferenziert. Zum einen bleiben die Vernetzungen, Kennverhältnisse und die Bereitschaft zum kurzfristigen gemeinsamen Agieren über Gruppengrenzen hinweg bestehen. Zum anderen ist ein nicht unerheblicher Teil der Neonationalsozialisten dennoch bemüht, sich einen aus ihrer Sicht weitgehend verbotsfesten Organisationsrahmen zu geben. 56 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Dies wird auf verschiedene Weise erreicht: Eintritt in eine Partei oder in eine einer Partei zuzurechnende Jugendorganisation Bis etwa 2015 war diesbezüglich der Eintritt in die NPD oder die JN die bevorzugte Wahl. Seit Mitte des Jahres 2016 rückt die Partei D er D ritte Weg zunehmend in den Fokus. Sowohl die Herkunft deren entscheidender Parteikader aus der neonationalsozialistischen Szene als auch die Pflege herkömmlich neonationalsozialistischer Themenfelder machen diese Partei attraktiv für die entsprechende Szeneklientel. Hierdurch gewinnt die Partei D er D ritte Weg zahlreiche Neonationalsozialisten als Mitglied oder Unterstützer. Bildung eigener Organisationsformen, die strukturübergreifend agieren Dies ist etwa beim Kollektiv O berlausitz zu erkennen, das sich zumindest der Symbolik nach dem noch Anfang 2017 aktiven A ntikapitalistischem Kollektiv zuordnet. Teilweise bilden Neonationalsozialisten auch Strukturen, die mit anderen rechtsextremistischen und nicht extremistischen Gruppierungen zusammenarbeiten, ohne dass sie diesen Zusamenarbeitsformen einen eigenen Namen geben. Die Kooperation erfolgt dabei auch länderübergreifend. So erfolgte in den vergangenen Jahren eine überregionale Zusammenarbeit asylund muslimfeindlicher76 Rechtsextremisten. Engagement von Neonationalsozialisten in nicht extremistischen Aktivitäten Dieses Engagement entstammt den asylbezogenen Aktivitäten von Rechtsextremisten der vergangenen Jahre. Die Szene hat hier erkannt, welche Propagandaund Aktionsmöglichkeiten ihnen die Strategie der Verlagerung von Themenschwerpunkten auf allgemein politische Fragen, die Integration oder auch die Heimatpflege bietet. Bildung und Pflege eigener Strukturen aus vorher nur losen Kennstrukturen Diesen Weg wählte z. B. die Gruppierung Wir für L eipzig um den Leipziger Neonationalsozialisten Enrico BÖHM. 76 Der Begriff der "Muslimfeindlichkeit" wird hier verwendet, um das über eine allgemeine Kritik der muslimischen Religion hinausgehende diffamierende Agitieren von Rechtsextremisten gegen Muslime in Deutschland zu beschreiben. Dieses Agitieren zielt darauf, den in Deutschland lebenden Muslimen unter dem Begriff "Kultur" ein unveränderliches, letztlich rassistisch begründetes Wesen zuzuschreiben. Auf Grundlage dieser Zuschreibung werden Muslime von Rechtsextremisten als minderwertig, archaisch, nicht integrierbar und als zu bekämpfende Bedrohung dargestellt. 57 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Für die aktuelle und mutmaßlich auch künftige Dynamik der neonationalsozialistischen Szene in Sachsen sind deren "Einsickerungsbemühungen" in die Zivilgesellschaft und auch deren Vernetzungsbestrebungen relevant. Diese sollen im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt werden. Hinter den "Einsickerungsbemühungen" steht das Phänomen, dass sich extremistische "Aktivisten oft auch außerhalb konkreter rechtsextremistischer Strukturen in allgemeinen politischen Belangen (Asyl-, Drogen-, Sicherheitsthematik, Engagement für regionale Angelegenheiten etc.) engagieren. Nach außen ist dabei ein extremistischer Zusammenhang nicht erkennbar. Daraus kann die Gefahr erwachsen, dass nicht extremistische Vereine und Bürger dazu bewegt werden, rechtsextremistische Belange zu unterstützen. So streben Extremisten in bürgerlichen Vereinen Führungspositionen an, um diese dann ggf. zur Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts zu instrumentalisieren. Entsprechende Beispiele lassen sich etwa bei Stefan HARTUNG finden, der zwar als Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Erzgebirge in der NPD verwurzelt ist, aber sich in den vergangenen Jahren überwiegend durch seine Kampagne "Freigeist" der Öffentlichkeit präsentiert hat. Mit dieser Kampagne gelang HARTUNG in den Jahren 2015 und 2016 der Anschluss an ein beträchtliches nicht extremistisches Personenpotenzial im Rahmen der "Sternmärsche". Mittlerweile hat er diese Aktivitäten in den rechtsextremistischen Verein F reigeist e . V. überführt, der das bisherige Modell nahtlos fortsetzt. Dass es dabei um die Vertretung und Verbreitung von extremistischen Inhalten ging, zeigten entsprechende Aktivitäten in den sozialen Medien. Ein weiteres Beispiel ist das Konzert am 12. Mai 2017 in Schwarzenberg. Dort trat der langjährige rechtsextremistische Liedermacher Frank RENNICKE auf. F reigeist e . V. organisierte diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit weiteren Personen, die selbst nicht Mitglied des Vereins waren. Dies zeigt, wie Rechtsextremisten versuchen, ihre Inhalte und Aktivitäten möglichst breit und nach außen hin unverdächtig aufzustellen. Ähnlich agierte das ehemalige Mitglied der 2014 verbotenen neonationalsozialistischen Gruppierung N ationale S ozialisten Chemnitz , Maik ARNOLD. Dieser fungiert mittlerweile als Vorsitzender des Vereins "Unsere Heimat - unsere Zukunft" 77 in Oelsnitz (Erzgebirgskreis). Auch in anderen Regionen sind Beispiele für diese Strategie festzustellen: Auch die früheren Aktivitäten von Rechtsextremisten bei der Meißener "Initiative Heimatschutz" 78, das Engagement einer Rechtsextremistin bei den sogenannten Wellenlänge-Bewegungen79 oder auch das Agieren des Bautzener Rechtsextremisten Simon RICHTER in verschiedenen asylbezogenen Initiativen im Jahr 2016 zählten dazu. RICHTER selbst engagiert sich mittlerweile auf einem von ihm erstellten Facebook-Profil "Gesellschaft der Rattenfänger", das mit rechtsextremistischen Propagandaäußerungen auf sich aufmerksam macht. 77 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 78 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 79 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 58 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Neben diesen "Einsickerungsbemühungen" sind zweierlei Vernetzungsbestrebungen von Rechtsextremisten festzustellen: 1. Zum einen geht es um die Schaffung eines Mobilisierungspotenzials rechtsextremistischer Gruppierungen, das dazu dienen soll, kampagnenfähig und schlagfertig zu agieren. 2. Zum anderen ist man bestrebt, im Verbund zu agieren, um so auch für nicht extremistische Gruppierungen thematisch anschlussfähig zu werden. In die erste Kategorie fiel das A ntikapitalistische Kollektiv (AKK). Nach den Ausschreitungen zum 1. Mai 2016 in Plauen (Vogtlandkreis) konnten allerdings keine weiteren derartigen Aktivitäten in Sachsen festgestellt werden. Auch Strukturen des AKK waren nicht mehr vorhanden. Lediglich das Kollektiv O berlausitz , das sich im März 2017 im Landkreis Görlitz gebildet hatte, griff die Symbolik des AKK auf. Dessen Führungsperson wurde in der Folge bei verschiedenen bundesweiten Aktivitäten, vor allem in seiner Tätigkeit als Liedermacher O iram, bekannt. Zu einer weiteren Anbindung an die Strukturen des AKK kam es jedoch nicht. Die Aktivitäten des AKK kamen nach der gescheiterten Veranstaltung zum 1. Mai 2017 in Sachsen-Anhalt und Thüringen schließlich auch bundesweit zum Erliegen. Am 1. Mai 2017 suchten die Anhänger des AKK, die sie sich als Vertreter eines sehr aggressiven und kampfbereiten Segmentes der rechtsextremistischen Szene sahen, die Auseinandersetzung mit den Polizeikräften. Da diese Strategie jedoch erfolglos blieb, geriet das Konzept des AKK zunehmend szeneintern in die Kritik. In der zweiten Kategorie zeigte sich im Jahr 2017 eine PersonenQuelle: Facebook-Profil Einzelgruppe, die zwar länderübergreifend, jedoch mit Schwerpunkt in person (Stand: 8. Mai 2017) Sachsen, darauf hinwirkte, eine überregionale Zusammenarbeit asylund muslimfeindlicher Rechtsextremisten aufzubauen. Dieses Bestreben kam am 6. Mai 2017 in Dresden offen zum Ausdruck, als in Dresden eine Veranstaltung zur Unterstützung der Kandidatin des "Front National" bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich mit etwa 200 Teilnehmern stattfand. Mit der Anmeldung dieser Veranstaltung unter seinem Namen wurde der Verein THÜGIDA & Wir lieben S achsen mit seinen Protagonisten Alexander KURTH (aus Leipzig) und David KÖCKERT (aus Greiz; Thüringen), zu einem zentralen Element dieser Vernetzungsstrategie. Kurz nach der Veranstaltung trat der Verein öffentlich am 10. Mai 2017 als "Volksbewegung" mit verschiedenen regionalen Zuordnungen (Berlin, Thüringen, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg sowie Tschechische Republik und Schweiz) in Erscheinung. Die Veranstaltung am 6. Mai bildete den Höhepunkt einer seit mehr als drei Jahren andauernden Entwicklung: Vor dem Hintergrund gehäufter Kontakte auf asylbezogenen Veranstaltungen wurde innerhalb der rechtsextremistischen Szene zunehmend die Bildung überregionaler Zusammenarbeitsformen 59 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen angeregt. Im Ergebnis kam es zur Bildung entsprechender Strukturen, die durch vielfältige, kurzfristig mobilisierbare Kennverhältnisse ergänzt wurden und werden. Auch der Rückgang der gesellschaftlichen Bedeutung der Asylthematik hat nicht zu einem Nachlassen dieser Dynamik geführt. Stattdessen verlagerte sich der Fokus auf den Kampf gegen die herrschende Politik und gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Auch die Diffamierung von Menschen mit muslimischem Hintergrund ist Teil dieser Aktivitäten. Dies war auch bei der o. g. Veranstaltung in Dresden am 6. Mai 2017 zu beobachten, die von Akteuren aus mehreren Bundesländern und dem benachbarten Ausland gemeinsam durchgeführt wurde. Dieses Ereignis führte die unterschiedlichsten Personenpotenziale aus allen Teilen der rechtsextremistischen Szene zusammen. Der Mobilisierungserfolg war insgesamt zwar verhalten, jedoch mit etwa 200 Personen im Vergleich mit den sonst üblichen Teilnehmerzahlen bei rechtsextremistischen Veranstaltungen beachtlich. Die durch die Asylthematik gegründeten Kooperationen sowohl innerhalb der rechtsextremistischen Szene als auch unter den für eine Zusammenarbeit mit dieser Szene aufgeschlossenen Nichtextremisten haben sich damit im Jahr 2017 weiter verfestigt und sind zu einer dauerhaften Mobilisierungsgröße geworden, von der im Falle erneuter islamistischer Anschläge auch konkrete Reaktionen ausgehen können. Quelle: Facebook "Wir lieben Sachsen/ Eine sächsische Beteiligung an diesen Aktivitäten ist späThügida" (Stand: 12. Juli 2017) testens seit Frühjahr bzw. Sommer 2016 erkennbar. Dokumentiert wird diese durch die Beteiligung sächsischer Rechtsextremisten an Veranstaltungen mit THÜGIDA-Bezug sowie an den "Merkel muss weg"Demonstrationen80 in Berlin. Darüber hinaus waren die in Rede stehenden Protagonisten auch bei anderen Veranstaltungen im Bundesgebiet immer wieder als Teilnehmer oder Redner aktiv. Dies zeigt das überzeugte Bemühen der Protagonisten, trotz Entspannung der "Asyllage" weiter vehement und nachdrücklich zu agitieren. So beteiligten sie sich an den Protesten gegen den Besuch des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, in Zwickau am 17. Juni 2017. Die Ablehnung der Politik der Bundesregierung bietet einen wichtigen Anknüpfungspunkt für Rechtsextremisten. Über diesen können sie Anschluss an nicht extremistische Kreise finden. In ähnlicher Weise wurde zu Protesten gegen eine Wahlveranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Torgau (Lkr. Nordsachsen) am 6. September 2017 mobilisiert. Dort vereinten sich neben 80 Bei den "Merkel muss weg-Demonstrationen" handelt es sich um eine von einem Berliner Neonationalsoziali - sten und ehemaligen HoGeSa-Aktivisten unter der Ägide der rechtsextremistischen Partei "P ro D eutschland" organisierte Veranstaltungen. Diese fanden seit März 2016 mehrfach statt. Die Teilnehmerzahlen lagen von anfänglich 3000 bis zuletzt bei etwa 300 Teilnehmern. Sowohl die Redner als auch das Teilnehmerpotenzial bestanden in der überwältigenden Mehrheit aus Rechtsextremisten. 60 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen mehrheitlich nicht extremistischen Teilnehmern auch mehrere Rechtsextremisten verschiedenster Herkunft zu einem gemeinsamen Protest. Die Kommentierung dieser Veranstaltung verdeutlicht das Bestreben, unterschiedliche rechtsextremistische und nicht extremistische Gruppierungen zu einer gemeinsamen Protestbewegung zu vereinen: "Zumindest in Torgau funktionierte der eigentlich dringend notwendige Zusammenhalt zwischen AfD, NPD, Pegida, Volksbewegung Thügida und vielen weiteren Bürgerinitiativen" 81. 82 Ebenfalls der Anschlussfähigkeit dient die mittlerweile ausgeprägte "Kümmererstrategie". In der zweiten Jahreshälfte 2017 sollten Kleiderspenden und andere soziale Hilfsaktionen die Akteure in der Bevölkerung bekannt machen. Durch den Verein THÜGIDA & Wir lieben S achsen wurde dazu die - an eine gleichnamige Aktion der historischen Nationalsozialisten angelehnte - Kampagne "Ein Volk hilft sich selbst" ins Leben gerufen. Propagandaaktionen des Vereins werden seither regelmäßig von Spendensammelund -verteilaktionen begleitet und propagandistisch im Internet vermarktet. Die beschriebenen Prozesse gehören zu den wichtigsten Entwicklungen innerhalb der neonationalsozialistischen Szene wie auch innerhalb der rechtsextremistischen Szene insgesamt. Sie zeigen, dass Rechtsextremisten darauf aus sind, eine - über legitime Regierungskritik hinaus gehende - fundamentale Ablehnung der Demokratie und die Verächtlichmachung von Politikern anschlussfähig zu machen. So wollen sie Einflussmöglichkeiten und die Gelegenheit, sich nicht extremistisches Personenpotenzial für ihre Aktivitäten zu erschließen, erreichen. Sollte es ihnen zudem gelingen, rechtsextremistische Inhalte in allgemeine gesellschaftliche Debatten einzubringen und als legitim darzustellen, besteht die Gefahr einer dauerhaften Erosion der Abgrenzung gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Zu den neonationalsozialistischen Organisationen in Sachsen gehört auch die GefangenenHilfe (GH). Nach dem Verbot der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) im Jahr 2011 trat ab dem Folgejahr die GefangenenHilfe (GH) als Organisation für die Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten in Erscheinung. Die GH ist ein Quelle: www.facebook.com in Schweden eingetragener Verein, dessen Hauptanliegen die (Stand: 13. März 2016) finanzielle Unterstützung der Inhaftierten und ihrer Familien ist ("Gemeinschaft statt Isolation"). Um staatlichen Maßnahmen in Deutschland zu entgehen sind Postfach und Bankverbindung der Organisation ebenfalls in Schweden angesiedelt. Neben der finanziellen Unterstützung Inhaftierter und ihrer Familien, die von der Organisation als "Opfer staatlicher Willkür" bezeichnet werden, wird die "Wiedereingliederung der ehemaligen Häftlinge in unsere Gemeinschaft" angestrebt. 81 Facebook "Wir lieben Sachsen/Thügida" (Stand: 8. September 2017) 82 Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) sowie Pegida Dresden stellen keine Beobachtungsobjekte des Bundesamtes für Verfassungsschutzes oder des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen dar. 61 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Die Gefangenenbetreuung hat für die rechtsextremistische Szene insbesondere wegen ihrer vernetzenden Wirkung eine wichtige Bedeutung. Kontakte, die im Rahmen der Betreuung entstehen und vertieft werden, bestehen oftmals auch nach der Inhaftierung fort. So dürfte die Betreuung dazu führen, dass sich die Inhaftierten weiterhin als ein Teil der "Gemeinschaft" fühlen und nach ihrer Inhaftierung meist wieder in die rechtsextremistische Szene zurückkehren. Aktivitäten Die überregional relevanten und im Regelfall auch mehrere Bereiche der rechtsextremistischen Szene ansprechenden rechtsextremistischen Veranstaltungen spielen eine wichtige Rolle bei der Zusammenführung und Weiterentwicklung der Szene. Hierdurch lässt sich der Szenezusammenhalt stärken und ihre Aktionsfähigkeit sicherstellen. Bereits im Jahr 2016 wurde konstatiert, dass althergebrachte Themen mit dem Nachlassen der Asylthematik für die Szene wieder wichtiger werden. Veranstaltungen mit originär rechtsextremistischem Bezug wie "Trauermärsche", "Heldengedenken" oder "Zeitzeugenvorträge", die der Verherrlichung des "Dritten Reiches", der Selbstbestätigung der Szene und der Pflege eigener ideologischer Überzeugungen dienen, wiesen daher im Jahr 2017 regelmäßig hohe Beteiligungen auf. Dies gilt vor allem für die alljährliche Veranstaltung aus Anlass der Bombardierung der Stadt Dresden am 13. Februar 1945. Hierbei handelt es sich um den rechtsextremistischen "Trauermarsch" schlechthin. Bei diesen revisionistisch geprägten "Trauermärschen" werden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges zwecks Diffamierung der damaligen Alliierten herausgegriffen, um von den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands abzulenken. Sie dienen damit der Selbstbestätigung der Szene, der Propagierung ihrer rechtsextremistischen Ideologie und der Quelle: Facebook-Profil faktischen Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus. "dresden-gedenken.info" Seit 2014 werden die rechtsextremistischen Aktivitäten zum (Stand: 15. Februar 2017) Gedenken an die Bombardierung Dresdens in einer Kooperation aus dem neonationalsozialistischen A ktionsbündnis gegen das Vergessen mit den JN durchgeführt. Hauptprotagonist ist nach wie vor der Dresdner Rechtsextremist Maik MÜLLER. Nach einer "Aktionswoche" mit verschiedenen kleineren Propagandaveranstaltungen bildete der "Trauermarsch" am 11. Februar 2017 mit ca. 700 Teilnehmern den Höhepunkt. Obwohl die Mobilisierung eher schwach war und sich die Aktivitäten im Wesentlichen auf den Großraum Dresden beschränkten, wurde damit - wie schon im Vorjahr - ein Anstieg der Teilnehmerzahlen erreicht (2015: 500 Teilnehmer, 2016: 650). Dies erklärt sich zum einen aus der nach wie vor hohen bundesweiten Bedeutung dieses Datums für Rechtsextremisten. Zum anderen werden derartige Versammlungen mit dem Nachlassen der asylbezogenen Veranstaltungslage wieder benötigt, um den Szenezusammenhalt sicherzustellen. Die Bedeutung dieses Ereignisses wird auch durch die Teilnahme internationaler Redner unterstrichen. 62 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen Weitere ähnlich gelagerte Termine, die aber weniger aufwendig begangen wurden, sind die Jahrestage der Bombardierungen anderer sächsischer Städte, wie z. B. der 5. März in Chemnitz. Ein Ereignis, um das es in der Vergangenheit bundesweit ruhiger geworden war, ist der Todestag des Stellvertreters Adolf HITLERs, Rudolf HESS. Rudolf HESS spielte in dem Bestreben der rechtsextremistischen Szene, das nationalsozialistische Deutschland in ein positives Licht zu rücken, stets eine wichtige Rolle. Er wird wahrheitswidrig von der Szene dafür instrumentalisiert, das "Dritte Reich" als friedfertig darzustellen. Ebenso sind in der Szene Verschwörungstheorien um seine angebliche Ermordung im ehemaligen Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau verbreitet. Sie werden genutzt, um sich in HESS' Namen als "Opfer" "verbrecherischer Komplotte" darzustellen. Aus diesem Grund hat dieses Datum für die rechtsextremistische Szene nach wie vor eine hohe Bedeutung. Im Jahr 2017 kam es zum ersten Mal seit der zunehmenden Bedeutung der Asylthematik wieder zu einer Großveranstaltung, die am 19. August im Berlin-Spandau stattfand. Dafür wurde in den Wochen zuvor an verschiedenen Orten in Sachsen mobilisiert. Vor allem die Neonationalsozialisten, die in Sachsen seit 2014 zu den JN gewechselt waren, nahmen in großer Zahl an diesem Ereignis teil, was durchaus als Zeichen der Umorientierung gedeutet werden kann. Immerhin gelang es der Szene, ca. 750 Personen zu versammeln. Der Blick auf das Teilnehmerspektrum offenbarte außerdem, dass hier die wichtigsten Vertreter der bundesweiten neonationalsozialistischen Szene zusammenkamen, was zeigt, dass sich die Szene nicht nur in Sachsen wieder neu ordnet und wieder auf ihren "Kern" besinnt. Ein vor allem in Sachsen sehr wichtiger "Sammlungspunkt" für die gesamte parteiungebundene rechtsextremistische Szene sind "Zeitzeugenvorträge". Innerhalb der rechtsextremistischen Szene spielen diese eine herausragende Rolle, um die rechtsextremistische Ideologie und Agitation historisch zu legitimieren. Mittels dieser Vorträge versichern sich Rechtsextremisten der eigenen Weltanschauung und fühlen sich in ihrem Handeln bestätigt. Dazu werden regelmäßig Personen eingeladen, die völlig unkritisch und sämtliche Verbrechen ausblendend, vom nationalsozialistischen Deutschland als "gute, alte Zeit" berichten. Da die rechtsextremistische Szene dabei der eigenen Weltsicht angepasste Berichte aus der für sie identitätsstiftenden Zeit von Quelle: Lf V Sachsen 1933 bis 1945 erhält, gilt diesen Vorträgen zumeist ein hohes Interesse und eine starke - auch überregionale - Beteiligung. Im Jahr 2017 war diesbezüglich eine hohe Zunahme der Teilnehmerzahlen festzustellen. Hatte ein solcher "Zeitzeugenvortrag" im Vorjahr durchschnittlich noch eine mittlere zweistellige Teilnehmerzahl, so wiesen die "Zeitzeugenvorträge" 2017 fast durchweg untere dreistellige Teilnehmerzahlen auf. So fand am 30. April 2017 in Jesewitz (Lkr. Nordsachsen) ein Vortrag statt, der von Wir für L eipzig organisiert worden war und an dem etwa 120 Personen teilnahmen. Der Schwerpunkt des Zeitzeugengeschehens in Sachsen lag jedoch in Mittweida (Lkr. Mittelsachsen). Dort fanden im Jahresverlauf mehrere Vorträge statt, die von mindestens 200, im Durchschnitt jedoch von 250 Rechtsextremisten besucht wurden. Den Höhepunkt bildete ein "Zeitzeugenvortrag" der bekannten Holocaust-Leugnerin und "Szene-Ikone" Ursula HAVERBECK. Diese nutzt ihre Vorträge innerhalb der Szene regelmäßig zur Verbreitung ihrer volksverhetzenden Ansichten. An dieser Veranstaltung 63 Rec h t se x t r emismus - Neonationalsozialistische Gruppierungen nahmen 300 Personen teil. Mehr als 100 Besucher wollten zusätzlich an dem Vortrag teilnehmen, fanden jedoch keinen Platz mehr. Nach einer Überprüfung des von den Veranstaltern genutzten Gebäudes durch die zuständigen Behörden des Landkreises Mittelsachsen und der Stadt Mittweida musste die weitere Durchführung solcher Veranstaltungen in dem Objekt von den Organisatoren abgebrochen werden. Im Jahr 2018 werden Rechtsextremisten versuchen, sich neue Lokalitäten für diese "Zeitzeugenvorträge" zu suchen. Deren Durchführbarkeit hängt gerade vor dem Hintergrund der hohen Teilnehmerzahlen besonders von der Verfügbarkeit geeigneter Objekte ab. Auch "Heldengedenken" stehen auf dem Terminplan der neonationalsozialistischen Szene. Dies sind ebenfalls revisionistische Propagandaveranstaltungen. Bei ihnen werden an Gedenkstätten für die während des Zweiten Weltkrieges gefallenen Soldaten einzelne rechtsextremistische Veranstaltungen durchgeführt. Dabei werden die Toten als "Helden" und "Kämpfer" im Sinne der rechtsextremistischen Szene vereinnahmt. Lokal gibt es dazu jeweils feste Termine, wie etwa den 22. April in Niederkaina (Lkr. Bautzen), an dem jährlich ein Personenpotenzial im mittleren bis oberen zweistelligen Bereich teilnimmt. Von landesweiter Bedeutung sind schließlich auch die Aktionen aus Anlass des "Volkstrauertages". Dieser dient eigentlich dem alle Völker vereinenden Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt. Rechtsextremisten instrumentalisieren diesen Tag für sich, um Gedenkstätten (mit ausschließlich deutschen Gefallenen) zu reinigen und dort kleinere Propagandaveranstaltungen durchzuführen. Auch dies ist eine Aktivität, die die gesamte rechtsextremistische Szene verbindet. Im Jahr 2017 wurden solche Aktionen von der NPD, den JN, der Partei D er D ritte Weg und auch von Neonationalsozialisten Quelle: Facebook-Profil Wir für L eipzig durchgeführt. Dass dies landesweit wieder die (Stand: 21. November 2017) unterschiedlichsten Szeneteile verbindet, sieht man u. a. daran, dass etwa die Leipziger Gruppierung Wir für L eipzig an einer "Heldengedenkveranstaltung" im Landkreis Görlitz teilnahm. Ausblick Unter den neonationalsozialistischen Gruppierungen gab es im Jahr 2017 eine ausgeprägte Dynamik im Veranstaltungsgeschehen. Es ist deutlich sichtbar, dass dieser Teil der rechtsextremistischen Szene versucht, das in den vergangenen Jahren weitgehend strukturlos gewordene Personenpotenzial wieder zu sammeln. Die schon im Vorjahr sichtbar gewordene "Rückbesinnung" auf die althergebrachten Themen und Anliegen der neonationalsozialistischen Szene hat sich auch 64 Rec h t se x t r emismus - Subkulturell geprägte Gruppierungen im Berichtsjahr fortgesetzt. Die Szene bedient ihren "Markenkern" und stellt diesen wieder stärker in den Vordergrund. Diese Entwicklung wird sich auch im Jahr 2018 fortsetzen. Die Asylthematik ist demgegenüber vorerst in den Hintergrund getreten, dürfte aber anlassbezogen bei vorhandenen lokalen Konflikten mit Migrationsbezug erneut für eigene Aktivitäten genutzt werden. Die Neonationalsozialisten werden in solchen Konfrontationslagen versuchen, die Auseinandersetzungen anzuheizen und voranzutreiben. Da hierbei auch Rückgriff auf ein sachsenweit beträchtliches unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial genommen werden kann, muss mit einem Eskalationspotenzial gerechnet werden. Auf dieser Basis besteht nach wie vor die Gefahr, dass sich Auseinandersetzungen, wie z. B. jene im Jahr 2016 in Bautzen, wiederholen. Außerdem wird die Szene weiter versuchen, die Vernetzung und die Anschlussfähigkeit untereinander, wie auch zu nicht extremistischen Organisationen zu festigen und zu verbessern. Ob es Rechtsextremisten gelingt, die relevanten gesellschaftlichen Debatten in ihrem Sinne zu beeinflussen, hängt davon ab, inwieweit dieses Bestreben zivilgesellschaftlichen Widerstand erfahren wird. Der strukturelle Neuaufbau der Szene geht bisher langsamer voran als erwartet. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass mit der NPD, wie auch mit der Partei D er D ritte Weg , zwei Akteure vorhanden sind, die als Sammelbecken für parteiungebundenes rechtsextremistisches Personenpotenzial dienen können. Innerhalb der Szene dürfte zu der Frage, welcher Gruppierung man sich zuwendet oder ob es erfolgreicher ist, eine eigene Struktur zu bilden, momentan eher eine abwartende Haltung vorherrschen. Diese Stimmung dürfte auch während der ersten Jahreshälfte 2018 andauern. 1.4.2 Subkulturell geprägte Gruppierungen Die Strukturen der subkulturell geprägten Rechtsextremisten sind gegenüber den Neonationalsozialisten weniger auf nach außen zielende politische Aktivitäten ausgerichtet, sondern dienen eher dem gemeinsamen Erlebnis und der Pflege des Gemeinschaftsgefühls. Außerdem finden weniger ideologische Schulungen und dergleichen statt. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten teilen sehr viel weniger ausdifferenziert und unreflektiert im Wesentlichen die Ideologie der Neonationalsozialisten, wenn sie auch weniger Wert darauf legen, sich zu einer Struktur zusammenzuschließen. Sie verfügen dementsprechend über ein von Fremdenhass und Rassismus geprägtes Weltbild und neigen teilweise zu impulsiven Gewalttaten. Die Bildung von neonationalsozialistischen Strukturen beginnt nicht selten innerhalb der subkulturell geprägten Szene mit der intensiven Pflege von gemeinsam ihre Freizeit gestaltenden Freundschaftsnetzwerken. Aus diesen können dann nach und nach feste Gruppierungen entstehen, dies hängt jedoch auch stark von geeigneten Führungspersonen ab. 65 Rec h t se x t r emismus - Subkulturell geprägte Gruppierungen Personenpotenzial Zu den in subkulturell geprägten Gruppierungen aktiven Rechtsextremisten werden 240 Personen gerechnet. In der zweiten Jahreshälfte 2017 trat in der Sächsischen Schweiz die Gruppierung P eckerwood B rotherhood in Erscheinung. Hierbei handelt es sich um - sich teilweise martialisch gebende - Rechtsextremisten aus dem Umfeld der bekannten Szeneobjekte "Haus Montag" Quelle: www.facebook.com/PeckerwoodBRTHRHD und "Klub 451" in Pirna (Lkr. Sächsische (Stand: 26. Oktober 2017) Schweiz-Osterzgebirge). Bisher trat die Gruppierung nur selten nach außen in Erscheinung. Ebenfalls neu wurde die Anti-Antifa-Gruppe bekannt. Der dazugehörige Personenkreis trat u. a. in einheitlich bedruckter Oberbekleidung mit dem Symbol eines Reichsadlers über einem Schlagring und der Aufschrift "Anti-Antifa" bei PEGIDA-Veranstaltungen auf und provozierte Gegendemonstranten. Dynamische Entwicklungen gab es auch bei den bereits bestehenden Gruppierungen. So bleiben die wichtigsten subkulturell geprägten rechtsextremistischen Gruppierungen in Ostsachsen nach wie vor die Brigade 8 und A ryan Brotherhood E astside (ABE). Beide Vereinigungen imitieren den Stil von Rockergangs. So nennt sich die Führungsfigur "President", die Gruppenangehörigen werden u. a. als "Member" bezeichnet. Es handelt sich jedoch im Wesentlichen um eine typische subkultuQuelle: Bilddatenbank Internet (Stand: 31. Januar 2018) rell geprägte rechtsextremistische Gruppe, die rechtsextremistische Musik hört, jedoch vor allem die gemeinschaftsbildenden Aktivitäten betont. Die Brigade 8 zog zu Beginn des Jahres 2017 aus Weißwasser nach Mücka (beide Lkr. Görlitz) um. Sie ist ein bundesweit aktiver subkulturell geprägter Personenzusammenschluss mit neonationalsozialistischen Tendenzen. In dem gemieteten Objekt in Mücka finden wesentliche Aktivitäten dieser Gruppierung statt. Dabei handelt es sich um regelmäßige Zusammenkünfte mit oftmals rechtsextremistischer musikalischer Begleitung. Die Brigade 8 ist eines von mehreren bundesweiten "Chaptern" (Ablegern). Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise nahmen Mitglieder der Brigabe 8 auch an Kundgebungen und Demonstrationen teil. Durch ihre Beziehungen konnten sie dabei ein hohes zweistelliges Personenpotenzial mobilisieren. Dem "Chapter" in Weißwasser werden etwa 30 Personen zugerechnet. 66 Rec h t se x t r emismus - Subkulturell geprägte Gruppierungen Ähnlich verhält es sich mit der A ryan Brotherhood E astside (ABE) in Bautzen (Lkr. Bautzen), die während der Ereignisse in Bautzen im September 2016 öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Die relativ kleine Gruppe (ca. 30 Mitglieder) konnte im März 2017 für eine Feier rund 130 Personen aus der Region sowie aus den Bundesländern Brandenburg, Bayern und Sachsen-Anhalt mobilisieren. Außerdem bestehen Bezüge zu Personen in Nordbayern. Es handelt sich somit um eine sich dynamisch entwickelnde Gruppierung, die eine Tendenz zur Bildung einer neonationalsozialistischen Struktur aufweist. Bislang wenig öffentlich in Erscheinung getreten ist der N ationale Jugendblock , der über ein eigenes Objekt in Zittau (Lkr. Görlitz) verfügt. Des Weiteren gehören in Sachsen Einzelpersonen den sogenannten Hammerskins an. Diese sind ein bundesweit bedeutender rechtsextremistischer Personenzusammenschluss, welcher ein elitäres Selbstverständnis und konspiratives Handeln mit offener Gewaltbereitschaft verbindet. In Sachsen kam es im Jahr 2017 jedoch nicht zu eigenen Aktivitäten. Im Unterschied zu den genannten Strukturen machen die rechtsextremistischen Fußballanhänger eine relativ große Gruppe unter den subkulturell geprägten Rechtsextremisten aus. Es gibt sie vor allem in den drei sächsischen Großstädten Chemnitz, Dresden und Leipzig. Aktivitäten der Strukturen wie Faust des O stens (Dresden) oder S cenario L ok (Leipzig) sind mittlerweile nicht mehr feststellbar. Nach wie vor sind die rechtsextremistischen Fußballfangruppierungen NEW SOCIETY (NS-BOYS) und KAOTIC aus dem Umfeld des Chemnitzer FC existent. Darüber hinaus besteht innerhalb der Szene der Fußballanhänger ein anlassbezogen mobilisierbares Personenpotenzial, zu dem auch Rechtsextremisten gehören83. Im Bereich der parteiungebundenen rechtsextremistischen Strukturen hat außerdem auch die Konzertund Vertriebsszene eine hohe sachsenwie auch bundesweite Bedeutung. Sie umfasst die zahlreichen sächsischen rechtsextremistischen Musikgruppen und Liedermacher sowie die aktiven Vertriebe. 84 In Sachsen agiert mit PC-Records einer der bundesweit bedeutendsten rechtsextremistischen Vertriebe. Die Bedeutung des ebenfalls in Sachsen ansässigen Front Records hat demgegenüber nachgelassen. Es handelt sich bei diesen Vertrieben um weitverzweigte Unternehmen, die teilweise international agieren. Mit dem erwirtschafteten Geld wurden u. a. Immobilien gekauft bzw. gemietet und Aktivitäten der gesamten rechtsextremistischen Szene des Freistaates finanziell unterstützt. Aktivitäten Wichtiges Aktionsfeld sind rechtsextremistische Musikund Konzertveranstaltungen, die für die Sammlung und Stärkung der rechtsextremistischen Szene insgesamt eine bedeutende Rolle spielen. Großkonzerte wie im Juli 2017 in Themar (TH) mit bis zu 6.000 Teilnehmern, aber auch 83 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016; S. 105 84 siehe II.1.4.3 Rechtsextremistische Musik und 1.4.4 Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 67 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Veranstaltungen wie das "Sommerfest mit Luni" 85 in Grimma, OT Roda (Lkr. Leipzig) bringen Gesinnungsgenossen zusammen, stärken sie in ihrer Weltanschauung und legen Grundlagen für ihre weiteren Aktivitäten. Dieselbe Funktion erfüllte auch die Ausrichtung von Veranstaltungen, wie das "2. Ostsächsische Sportund Familienfest" mit anschließendem "Rock nach dem Sport" mit ca. 150 Teilnehmern am 12. August 2017 in Ostritz (Lkr. Görlitz) oder der alljährlich im September stattfindende "Muldentaler Kameradschaftslauf" mit ebenfalls etwa 150 Teilnehmern. Beide Veranstaltungen tragen zur Festigung des Szenezusammenhalts wie auch zur Vermittlung neuer Kennverhältnisse bei. Ausblick Mit dem Szenezusammenhalt und den darauf ausgerichteten Veranstaltungen tragen subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen dazu bei, die Anbindung einzelner Rechtsextremisten an die Szene zu erhöhen. Die fortwährende Suche von bisher strukturell eher ungebundenen Rechtsextremisten nach einem festeren Anschluss innerhalb der rechtsextremistischen Szene dürfte im Jahr 2018 zu einer weiteren Gruppenbildungsdynamik führen. Mit einem verstärkten Gruppenanschluss könnte dann auch eine höhere Aktionsund Veranstaltungsdichte einhergehen. Die zunehmenden Musikund Sportveranstaltungen generieren Einnahmen für die Szene, was künftig zu deren Handlungsfähigkeit beitragen dürfte. Die Angehörigen subkulturell geprägter Gruppierungen werden im Jahr 2018 auch weiterhin als aktionsfähiges Personenpotenzial zur Verfügung stehen, wenn es aus der rechtsextremistischen Szene heraus zu Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern oder Migranten kommt. Es ist zu erwarten, dass sie wesentlich zur Konfrontation beitragen werden. 1.4.3 Identitäre B ewegung D eutschland - Regionalgruppe Sachsen Gründung / Sitz: Oktober 2012, seit 2014 eingetragener Verein / Paderborn (Nordrhein-Westfalen) Vorsitz Bund: Nils ALTMIEKS, Daniel FIß Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 40 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 40 Mitglieder 2016 bundesweit: ca. 300 85 Hinter "Luni" verbirgt sich mit Lunikoff der bundesweit bekannte rechtsextremistische Liedermacher Michael REGENER. 68 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Historie und Strukturentwicklung Die Identitäre Bewegung hat ihren Ursprung in Frankreich. Erstmals trat die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) im Oktober 2012 virtuell in Erscheinung, als sie ihre Positionen im Rahmen einer FacebookGruppe verbreitete. Indem sie Fremdenund Islamfeindlichkeit sowie systemkritischen Antiliberalismus thematisierte, erzielte die Facebook-Seite in kürzester Zeit eine große Unterstützung, die sich in zahlreichen Beiträgen, Kommentaren und "Gefällt mir"-Angaben (1.600 innerhalb der ersten drei Monate) widerspiegelte. Zeitgleich wurde ein Aufruf zur Bildung lokaler Untergruppen gestartet. Die Gründung dieser Gruppen sollte nach dem Motto "pro-lokal, anti-global" erfolgen. Seit 2014 ist die Identitäre Bewegung (IB) ein eingetragener Verein in Deutschland. Vereinsvorsitzende sind der in Bayern wohnhafte Nils ALTMIEKS sowie der in Mecklenburg-Vorpommern wohnhafte Daniel FIß. Symbol der IB ist das Lambda, der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets. Wahlweise wird es gelb auf schwarzem Grund oder schwarz auf gelbem Grund in einem Kreis dargestellt. Das Lambdazeichen trugen die Soldaten des antiken Sparta als Erkennung auf ihren Schilden. Die Auswahl des Symbols wird in einem Video der "Generation Identitaire" wie folgt begründet: "Das Lambda, das die Schilder der glorreichen Spartaner schmückte, ist unser Symbol. Ihr wisst nicht, was es bedeutet? Es bedeutet, dass wir nicht zurückweichen und nicht aufgeben! Wir sind euer Geplänkel leid und gehen keinem Kampf und keiner Herausforderung aus dem Weg!" Bundesweit ist die IB in diverse Regionalund Ortsgruppen gegliedert. Im Freistaat Sachsen verfügt sie über Ortsgruppen in Leipzig, Zwickau, Dresden, Bautzen und im Erzgebirgskreis. 86 Ihr Personenpotenzial wird im Berichtsjahr auf etwa 40 Personen geschätzt. Ideologie / Politische Zielsetzung Mit einer ideologischen Mixtur aus Islamund Fremdenfeindlichkeit, völkischem Nationalismus und systemkritischem Antiliberalismus erzielte das gleichnamige Facebook-Profil der IBD in kürzester Zeit eine außergewöhnliche Resonanz. Das Identitätskonzept der IBD zielt auf die Überhöhung eines nationalen Selbstwertgefühls, das sich häufig in einem autoritären Elitedenken und einem stark betonten Nationalstolz äußert. Nicht selten beinhaltet es die Neubewertung der deutschen Geschichte und wendet sich gegen das kritische Erinnern an den Nationalsozialismus. Die Identitären richten sich vehement gegen "Multikulturalismus" und propagieren einen europäischen "Ethnopluralismus". Dieser Ansatz wird in der Rassismusforschung auch als "Rassismus ohne Rassen" bezeichnet, da er vordergründig nicht biologistisch argumentiert. Er stellt vielmehr das vermeintlich "Fremde" anhand von Merkmalen wie Kultur oder Religion in den Vordergrund und zieht daraus die Konsequenz einer erforderlichen Trennung von Ethnien und Religionsgemeinschaften. Die Idealvorstellung staatlicher bzw. gesellschaftlicher Ordnung besteht aus ethnisch und kulturell homogenen Staaten. Aus dieser Perspektive der IB werden "Fremde" unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft als Störfaktor und als Bedrohung für die eigene Nation wahrgenommen. 86 siehe Abschnitte II.1.7 Regionale Bestrebungen rechtsextremistischer Bestrebungen 69 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Als Ableger des französischen "Bloc identitaire" bzw. der "Generation Identitaire" (GI) sieht sich die Identitäre Bewegung in Deutschland in der Tradition der "Neuen Rechten" und betont ihre Rolle als "metapolitischer und aktivistischer Arm der 'Neuen Rechten'" 87. Die Ansichten und Ziele der GI haben Vorbildcharakter für die Gründung der IBD. Nach der Einrichtung ihrer Facebook-Gruppe am 10. Oktober 2012 verbreitete die Identitäre Bewegung Deutschland ein Video der rechtsextremistischen französischen Organisation "Generation Identitaire" (GI), das unter der Überschrift "Identitäre Generation - Die Kriegserklärung" verlinkt war. In dem Video, das in 25 weitere Sprachen übersetzt wurde, wurden französisch sprechende Personen gezeigt, die die Botschaft einer "ethnokulturellen Identität" verkündeten und zugleich gegen kulturelle Vielfalt, gesellschaftliche Gleichheit und generell gegen Multikulturalismus agitierten und dies als "Kriegserklärung" proklamierten. Auszugsweise fanden sich folgende Aussagen88 in dem Video: "Wir sind die Generation des ethnischen Zusammenbruchs, des totalen Scheiterns, des 'friedlichen Zusammenlebens' und der aufgezwungenen Vermischung." "Unser einziges Erbe ist unser Land, unser Blut, unsere Identität." "Täuscht Euch nicht: Dieser Text ist kein einfaches Manifest: es ist eine Kriegserklärung." Dementsprechend heißt es in dem Video der GI: "Wir glauben nicht mehr daran, dass 'Mehmet' jemals unser Freund wird, wir haben aufgehört an ein globales Dorf zu glauben und daran, dass die Menschheit eine Familie ist." Und die IBD betont mit der gleichen Intention: "Wir sind die Jugend ohne Migrationshintergrund". Quelle: Beispiel eines Flyers der IB Dresden (verteilt im Januar 2017) 87 www.identitaere-bewegung.de/idee-tat/ (Stand: 3. Juni 2016) 88 www.facebook.com/IBDeutschland (Stand: 10. Oktober 2012) 70 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Zweck der IBD ist laut ihrer Satzung, "die Identität des deutschen Volkes als eine eigenständige unter den Identitäten der anderen Völker der Welt zu erhalten und zu fördern". Zur Durchsetzung dieses Zweckes beabsichtigt sie, den Weg einer außerparlamentarischen Opposition zu beschreiten und die Meinungsbildung durch öffentliche und medienwirksame Aktionen zu beeinflussen. Diese Strategie bezeichnet die IB als "Metapolitik" 89: Man brauche "nicht die absolute Mehrheit einer Partei, es braucht die Themenführung". 90 Themen, wie der angebliche Verlust der eigenen "ethnokulturellen Identität" sowie Forderungen nach einer von der IB so bezeichneten "Remigration" als Rückführung von Asylbewerbern und auch Deutschen mit Migrationshintergrund sollen gesellschaftsfähig werden. Die sich daraus ergebende Ausgrenzung von Menschen - aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder kulturellen Wurzeln - ist ein althergebrachtes Merkmal rechtsextremistischer Ideologie, die mit der Achtung der Menschenwürde und damit dem wesentlichen Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. "Wir gehen in Klassen mit 80% Migrantenanteil und mehr. Messerstechende Türken, Drogen verkaufende Afrikaner, fanatische Muslime, Was für euch billige Klischees sind, ist unsere Realität. Und euer großer Traum der multikulturellen Gesellschaft ist uns darum verhasst. Was wisst ihr denn von dieser Gesellschaft? Nichts! Also hört auf uns belehren zu wollen. Hört auf uns einzureden wir seien ach so böse Rassisten, nur weil wir eure Utopie ekelhaft finden. Kommt uns nicht mit dem 2. Weltkrieg, Hitler, wenn es um Mehmed und Mustafa geht. Und erzählt uns nicht die Fremden seien genauso wie wir, wo wir doch jeden Tag sehen, dass sie es nicht sind." 91 Das Verwaltungsgericht München stellte in seinem Beschluss vom 27. Juli 201792 zur IBD eine offenkundige fremdenfeindliche Tendenz und eine Nähe zur Programmatik der Konservativen Revolution, die in Teilen auch völkische Thesen vertrat, fest. Zudem sind die teilweise martialisch formulierten Leitmotive ihrer Öffentlichkeitsarbeit ("Remigration", "Bevölkerungsaustausch stoppen", "Reconquista") sowie die augenscheinliche Nähe des Konzepts zum Volksbegriff und der Volkstumspolitik der "alten" Rechten (NPD und Umfeld) in ihrer aktuellen Ausprägung wesentlich. Aktivitäten Die Identitäre Bewegung nutzte zur Verbreitung ihrer Ideologie auch im Berichtsjahr den virtuellen Raum. Sie verfügte über zahlreiche eigene Webseiten, Twitter-, YouTubeund Instagram-Accounts, Blogs sowie Accounts in diversen sozialen Netzwerken. Es wurde vor allem über Facebook kommuniziert. 89 Der Begriff der "Metapolitik" bezeichnet eine politische Zielrichtung, die darauf gerichtet ist, gesellschaftliche Debatten in einem vorpolitischen Raum zu beeinflussen. 90 www.youtube.com, "Warum die AfD schon gewonnen hat.", veröffentlicht von Martin SELLNER am 19. September 2017 91 Willinger, Markus. Die identitäre Generation: Eine Kriegserklärung an die 68er, London 2013, S. 24f., Schreibweise wie im Original 92 Beschluss des Verwaltungsgerichts München, M 22 E 17.1861 vom 27. Juli 2017 71 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Die IB setzte dabei auf eine Symbolik mit hohem Wiedererkennungswert und betrachtete sich als elitäre Avantgarde, wobei sie sich von traditionellen rechtsextremistischen Gruppierungen abgrenzte. Sie strebte eine Vernetzung von rechtsextremistischen und nicht extremistischen Akteuren vor dem Hintergrund der Quelle: Facebook-Profil Identitäre B ewegung (Stand: 17. Juni 2017) Asylthematik an. Dazu nahmen Vertreter der IB an Konferenzen, wie der des Magazins "COMPACT"93 am 28. November in Leipzig, teil.94 Ebenso dienten die Auftritte von Vertretern der IB auf PEGIDA-Veranstaltungen diesem Ziel.95 Der weiteren Vernetzung dient auch das im Jahr 2017 in Halle (Sachsen-Anhalt) eröffnete "Identitäre Zentrum". Dieses befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Steintor-Campus der Universität Halle (Saale). Es soll Veranstaltungen, wie Lesungen, Workshops und Schulungen, anbieten und Büroräume für verschiedene Akteure beinhalten. Damit birgt das Projekt das Potenzial, sich zu einem wichtigen Anlaufpunkt der bundesdeutschen "Identitären" zu entwickeln. Wichtiges Element der IBD-Strategie ist die Kampagnenarbeit. Mit ihrer im Jahr 2015 gestarteten Kampagne "Der große Austausch" verbreitete die IB die in islamund fremdenfeindlichen Kreisen verbreitete völkische Sicht einer angeblich gesteuerten ethnischen Veränderung der europäischen Gesellschaften durch unkontrollierte und massenhafte Zuwanderung. "Der große Austausch" beinhaltete die verschwörungstheoretische These, wonach der Staat gezielt "Masseneinwanderung" zulasse und fördere, um die angestammte deutsche Bevölkerung zur Minderheit in Deutschland zu machen. Zudem wird behauptet, dass dieser Prozess mit einer Islamisierung der Bundesrepublik einhergehe. Im Freistaat Sachsen unterstützte die IB S achsen bzw. einzelne ihrer Ortsgruppen die Kampagne u. a. mit Flugblattverteilungen und Banneraktionen. Im Jahr 2017 erreichte die IB mit ihrer neuen Kampagne "DEFEND EUROPE" eine größere Medienwirksamkeit. Das von der IB mit Spendengeldern gecharterte Schiff "C-STAR" verließ im Juli 2017 den Hafen Dschibuti in der Republik Dschibuti, um im Rahmen der Kampagne vor der libyschen Küste auf die verQuelle: www.twitter.com/Defendmeintlichen "Schlepper-Aktivitäten" von NichtregierungsorgaEuropeID (Stand: 6. August 2017) nisationen aufmerksam zu machen und diese zu "überwachen". 93 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 94 siehe Abschnitt II.1.7.7 Leipzig (Stadt) 95 siehe Abschnitt II.1.7.3 Dresden (Stadt) 72 Rec h t se x t r emismus - I d e n t i t ä r e B e w e g u n g D e u t s c h l a n d Eigenen Angaben zufolge befanden sich an Bord des Schiffes Mitglieder der IB aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. Eine weitere Kampagne mit dem Slogan "Kein Opfer ist vergessen!" 96 startete die IB im November 2017. Zum Auftakt gelangten mindestens 14 mit Warnwesten und Blauhelmen ausgestattete Akteure der IB über eine Leiter in ein leerstehendes Gebäude im Berliner Bezirk Mitte und entrollten vom Dach aus ein großflächiges Banner. Ein Banner mit demselben Slogan brachten weitere IB-Aktivisten an der Fassade eines Einkaufszentrums im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf an. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des Hausfriedensbruches. Mit dieser Kampagne unterstrich die IBD erneut ihre Islamfeindlichkeit. Sie instrumentalisierte die Opfer als angeblichen Beleg eines gegen die einheimische Bevölkerung herrschenden Terrors durch Menschen mit Migrationshintergrund. In pauschalisierender Weise werden sämtlichen Muslimen negative Wesensmerkmale und eine immanente Feindschaft zu hiesigen Werten zugeschrieben. An der Aktion in Berlin waren ebenfalls wieder mehrere Mitglieder der IB Sachsen beteiligt. Im Freistaat Sachsen selbst führte bislang lediglich die Ortsgruppe Bautzen eine eigene Aktion im Rahmen dieser Kampagne durch. Vor dem Wahlkreisbüro der CDU sowie vor dem Regionalbüro der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Bautzen legten Akteure der IB Fotos getöteter Personen nieder. Ausblick Die Identitäre Bewegung D eutschland hat sich zu einer aktionistisch ausgerichteten Organisation mit regelmäßigen Auftritten in der Öffentlichkeit entwickelt. Die Bandbreite der von der IB genutzten Aktionsformen reichte im Berichtsjahr von Sprühaktionen und Plakatierungen bis hin zu intensiv vorbereiteten und medial vermarkteten Protestaktionen. Aus dem Freistaat Sachsen verfügen mehrere Mitglieder über Kontakte zu Führungspersonen der IB Deutschland sowie der IB Österreich. Dies belegen z. B. die Beteiligung auswärtiger Führungskader an der Aktion am 20. Februar 2017 in Dresden97 wie auch die Teilnahme sächsischer Akteure an Aktionen der IB außerhalb Sachsens. Es ist abzusehen, dass es der IB auch im Jahr 2018 gelingen wird, ihre Strukturen zu festigen und auszubauen. Mit ihren Aktionen und Auftritten in den sozialen Medien knüpft sie bewusst an die Lebenswelten junger Menschen an. Wegen der Vermittlung einer entsprechenden "Corporate Identity" erscheinen die politischen Ziele der IB dieser Zielgruppe weniger abstrakt und theoretisch. Da sich diese Gruppierung nicht mit den üblichen rechtsextremistischen Slogans und Symbolen inszeniert, ist ihre ideologische Ausrichtung nicht immer sofort erkennbar. Daher besteht die Gefahr, dass die IB auch Bevölkerungsschichten anspricht, die traditionelle Rechtsextremisten bislang nicht erreichen konnten. Sollte die IB insbesondere die Flüchtlingsund 96 Diese Kampagne richtet sich an die Betroffenen von Straftaten, darunter auch von islamistischen Anschlägen, die durch Täter mit Migrationshintergrund begangen worden sind. 97 siehe Landkreisbeiträge ab II.1.7 Regionale Bestrebungen rechtsextremistischer Bestrebungen 73 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Einwanderungsthematik und die daraus entstehenden Herausforderungen, wie den Umgang mit islamistischen Bestrebungen oder die von Tätern mit Migrationshintergrund begangenen Straftaten, weiterhin öffentlichkeitswirksam für ihre Zwecke instrumentalisieren, sind ein weiterer Zulauf und der Ausbau des Netzwerkes vor allem in der jungen Zielgruppe zu erwarten. Im Freistaat Sachsen steht die IB durch den am 29. Januar 2018 verkündeten Rückzug ihres Regionalleiters Tony GERBER vor einem Führungswechsel. GERBER hatte diesen Schritt auf seinem Facebook-Profil bekannt gegeben und ihn mit einer nicht näher erläuterten Unzufriedenheit mit der Ausgestaltung der IBD begründet. 1.4.4 Rechtsextremistische Musik Im Freistaat Sachsen konnte im Jahr 2017 eine deutliche Steigerung der Aktivitäten der rechtsextremistischen Musikszene festgestellt werden. Es kam nahezu zu einer Verdoppelung der Konzerte gegenüber dem Vorjahr. Zwar wurde mit 24 Konzerten 2017 (2016: 14) bei Weitem nicht der Höchststand aus dem Jahr 2008 mit 43 Konzertveranstaltungen erreicht, jedoch verweist die Zunahme der Aktivitäten darauf, dass die rechtsextremistische Musikszene einen hohen Stellenwert im Rechtsextremismus in Sachsen einnimmt. 98 Es erhöhte sich sowohl die Anzahl der aktiven bzw. wieder aktiven Bands, der Bandprojekte sowie der rechtsextremistischen Liedermacher als auch das Aufkommen von Musikveranstaltungen, Konzerten und Liederabenden. Durchgeführte rechtsextremistische Konzerte in Sachsen 43 42 41 40 36 30 26 24 20 17 15 14 14 10 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Die durchschnittliche Teilnehmerzahl lag im Jahr 2017 bei annähernd 150 Personen. Während im Szeneobjekt in Torgau, OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen), die Besucherzahl aufgrund der Raumkapazität jeweils zwischen 200 und 230 Personen betrug, waren bei anderen Konzertveranstaltungen meist zwischen 50 bis 100 Teilnehmer zugegen. Eine Großveranstaltung mit überdurchschnittlicher Teilnehmerzahl, wie 2015 im Neuensalzer Ortsteil Zobes (Vogtlandkreis) mit rund 650 Besuchern oder 2017 in Themar (Thüringen) mit ca. 6.000 Teilnehmer konnte im Freistaat Sachsen nicht festgestellt werden. 98 siehe Abschnitte II.1.7 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen mit jeweiliger Darstellung der Musikund Konzertszene in den Landkreisen 74 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Durchschnittliche Teilnehmerzahl je Konzert 300 265 250 220 230 210 200 185 190 140 150 150 150 150 100 50 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Für die Durchführung rechtsextremistischer Konzerte spielt das Vorhandensein von Veranstaltungsobjekten eine entscheidende Rolle. Wie bereits in den Vorjahren konzentrierte sich das Veranstaltungsgeschehen auch im Jahr 2017 auf das seit 2008 einschlägig genutzte Objekt in Torgau, OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen). Dort sind aufgrund behördlicher Nutzungsbeschränkungen maximal zehn Veranstaltungen im Kalenderjahr zulässig; diese Obergrenze nutzt die Szene seit Jahren stets aus. Allerdings sind dort aufgrund der Objektbeschaffenheit keine Räumlichkeiten für Großveranstaltungen vorhanden. Sofern es der Szene gelingt, eine ausreichend große Liegenschaft für die Durchführung von derartigen Veranstaltungen zu erwerben oder anzumieten, können mit dem Auftritt von renommierten Szenebands beachtliche Teilnehmerzahlen erreicht werden. Dies zeigt das am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) unter dem Motto "Rock gegen Überfremdung" durchgeführte Konzert (ca. 6.000 Teilnehmer). Dort deklarierten die Organisatoren die Veranstaltung als politische Kundgebung. Im Vordergrund stand jedoch offensichtlich der Auftritt von Musikgruppen. Rechtsextremistische Liedermacher oder einzelne Vertreter von Bands traten bei eigenen Liederabenden oder aber als Beiprogramm von Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen vor allem der Parteien NPD und D er D ritte Weg auf. Auch bei derartigen Ereignissen ist ein Zuwachs in Sachsen zu verzeichnen (2016: 15; 2017: 22). So engagierte die NPD Interpreten für die Umrahmung ihrer Wahlkampfauftaktveranstaltung in Riesa am 22. Juli 2017 und erreichte eine Beteiligung von 400 Personen. Wie in den vergangenen Jahren trat mit dem aus Berlin stammenden Michael REGENER, der unter dem Pseudonym L unikoff bekannt ist, einer der prominentesten Vertreter der rechtsextremistischen Musikszene wieder in Sachsen auf. Beim "Sommerfest" am 17. Juni 2017 in Grimma, OT Roda, zog er ca. 200 Personen zur Veranstaltung. Solche Auftritte tragen zu einer starken Mobilisierung bei. 75 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musikgruppen bzw. Bandprojekte und Liedermacher Im Jahr 2017 gab es im Freistaat Sachsen insgesamt 36 sächsische Musikgruppen und Bandprojekte (2016: 30) sowie sechs Liedermacher (2016: drei), welche bei Musikveranstaltungen innerund außerhalb Sachsens auftraten und eigene Tonträger veröffentlichten. Damit wurden die Höchststände von 2009 und 2011 überschritten. Anzahl der rechtsextremistischen Bands bzw. Bandprojekte im Freistaat Sachsen 40 36 30 29 30 29 30 30 22 22 20 19 19 16 10 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Die Bands gaben insgesamt neun Alben bzw. Split-CDs (2016: 10) heraus und beteiligten sich an drei Samplern (2016: drei) sowie an einem Album. Die im Jahr 2016 gegründete und in Ostsachsen ansässige Band True Aggression zeigte sich im Berichtsjahr sehr aktiv. An ihr ist exemplarisch die Entwicklung der rechtsextremistischen Musikszene 2017 erkennbar. Sie beteiligte sich an verschiedenen Konzertveranstaltungen in Sachsen und gab im Jahr 2017 insgesamt zwei Tonträger heraus. Die Band gab auf ihrer Facebook-Seite zwar an, dass Politik in ihren Liedern keine große Rolle spiele, allerdings finden sich in ihren Texten durchaus - wenn auch verschleiert - Passagen, die auf eine fremdenfeindliche und die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnende, systemfeindliche Grundhaltung schließen lassen. "Im System der Lügen sind wir ein Fehler. (...) Wir sind da, wenn ihr schlussendlich versagt (...)", beschreibt die Band im Lied "FATAL ERROR" und verunglimpft die Medien im Titel "SPRACHROHR DES SYSTEMS": "(...) und sie lügen, lügen, lügen, ohne Skrupel oder Scham. Denn sie sind das Sprachrohr und die Büttel des Systems. (...) Sie sind die Helfershelfer der Eliten dieser Welt. Die Marionetten des Großkapitals (...)". Im Titel "BAUT DAEMME und DEICHE!" kommt des Weiteren verklausuliert eine fremdenfeindliche Agitation zum Ausdruck. Im Liedtext wird von einer "riesigen Flut" berichtet, welche unser Land "überschwemmt", nachdem alle "Schleusen geöffnet" wurden. Dieses "Szenario" sei "Nüchtern, berechnend und von sehr langer 76 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Hand" geplant gewesen. Im Refrain fordert die Band auf "Dämme und Deiche" zu bauen, "denn sie sind ein Segen und in trockenen Tüchern lässt's sich schöner leben." 99 Quelle: www.facebook.com/trueaggression (Stand: 12. Juni 2017) Im Unterschied zu den verschleierten Inhalten der Band True Aggression veröffentlichte die Band Paranoid mit dem im Jahr 2015 herausgegebenen Album "Gender mich nicht voll" einen Tonträger mit Liedtexten, in denen in nachdrücklicher Art und Weise Hassgefühle gegen Teile der Bevölkerung, darunter Muslime, Juden und dunkelhäutige Menschen zum Ausdruck gebracht werden. Diese sind nach Ansicht der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) dazu geeignet, zu Gewalt gegen die genannten Personengruppen anzureizen. Im Titel "Treu" heißt es: "Uns kriegt Ihr nicht klein, wir wollen in diesem Leben niemals Gutmenschen sein / Lieber Hass statt Toleranz (...) / Wir sind ein paar, die sich trauen sich gegen euch zu stellen, schlagt ihr auch noch so große Wellen / Wir sind das Volk und nun bereit, euch zu stürzen, es wird Zeit (...) Wir hassen Euch, wir sind gegen den Islam / Wir hassen Euch, Ihr zionistischen Barbaren / (...) Wir hassen Euch, südländische Messerstecher (...) / Wir hassen Euch, schwarz-weiß-graue Familien / (...)." Mit der Bezeichnung "schwarz-weiß-graue Familien" propagiert die Band nach Ansicht des Gremiums eine Minderwertigkeit dunkelhäutiger Menschen. Zudem werden Juden als "zionistische Barbaren" diffamiert. Im Titel "Hätte hätte Fahrradkette" verdeutlicht die Band mit der Formulierung "Wenn ich könnte wie ich wollte" den Wunsch, einzelne Persönlichkeiten aus Presse und Politik tätlich anzugreifen: "Ich würde doch so gerne mal dem Klaus Kleber eine kleben und der Claudia Roth ans Leder, dem Gauck mal einen Tritt verpassen, genau wie dem Hartz Peter, (...) dem Gysi eine hauen (...)." 100 99 Texte aus Album "14 DUNKELDEUTSCHE KURZGESCHICHTEN" 2017 100 Entscheidung der BPjM vom 6. April 2017 77 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musikgruppen bzw. Bandprojekte sowie Liedermacher im Freistaat Sachsen Neubeginn Nordsachsen Entropie Oiram Feuerbefehl Thematik 25 Selbststeller True Aggression Leipzig Volksnah Bautzen Meißen Leipzig Blutzeugen Piattmar Brainwash WUT Overdressed Görlitz DresdenEndless Struggle Killuminati Stereotyp Hope for the Weak Mittelsachsen Stahlfront Sachsonia Sachsenblut Moshpit Stahlwerk Camulos Barny Heiliges Reich Sächsische Schweiz - Artam Blitzkrieg Osterzgebirge Leichenzug Zwickau Pionier Treueschwur Verboten Heiliger Krieg Freilich Frei Pro Patria Rac'n'Roll-Teufel/Schratt Sista Sataljen Rommel Heilige Jugend Erzgebirgskreis White Resistance Paranoid Vogtlandkreis Überzeugungstäter Vogtland Die Bands bzw. Bandprojekte P ro Patria , H eiliger K rieg , E ntropie , H eilige J ugend , Stahlfront, Treueschwur , M oshpit und K illuminati können nicht örtlich zugeordnet werden. Oft setzen sich die Bands aus Mitgliedern zusammen, die aus mehreren Bundesländern, darunter auch aus Sachsen, stammen. Ausblick Es ist zu erwarten, dass sich der ansteigende Trend in der rechtsextremistischen Musikszene weiter fortsetzen wird. Die erneute Veranstaltung von Großkonzerten ist auch im Jahr 2018 in Sachsen absehbar. So wurde bereits bekannt, dass ein Personenkreis um den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD eine Großveranstaltung mit dem Auftritt zahlreicher rechtsextremistischer Musikinterpreten und Bands vom 20. bis 22. April 2018 in Ostritz (Lkr. Görlitz) durchzuführen beabsichtigt. Als politische Versammlung angemeldet planen die Rechtsextremisten unter dem Motto "Schild und Schwert Festival" ein Event, auf dem neben Rednern zahlreiche Musikbands bzw. Einzelinterpreten auftreten sollen. Auch eine Kampfsportvorführung und ein Tattoo-Convent wurden angekündigt. Mit der Organisation einer derartigen Veranstaltung, welche an die früheren "Pressefeste" des NPD-Verlages DEUTSCHE STIMME erinnert, erhoffen sich die Organisatoren neben finanziellen Einnahmen offenbar auch eine Erhöhung der Reputation der Partei. 78 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Bands bzw. Bandprojekte in der Einzelübersicht101 A rtam Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Glauchau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2016 / keine Bemerkungen: Nachfolgeband von Germania L ibera (Glauchau) Auftritt bei einem Konzert am 13. Mai 2017 in Aue Blitzkrieg Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Chemnitz aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2000 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen im Inund Ausland. Blitzkrieg spielte u. a. am 18. März 2017 beim Konzert "Defend Europe" in Frankreich. Blutzeugen Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Dresden aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2011 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen im Inund Ausland. Die Band trat am 15. Juli 2017 beim Konzert "Rock gegen Überfremdung" in Themar (Thüringen) auf. Brainwash Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Dresden aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2001 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen im Inund Ausland. Die Band beteiligte sich z. B. am 11. März 2017 bei einem Konzert in Polen und an einem Blood and Honour-Konzert am 4. November 2017 in Portugal. Indizierung des Tonträgers "Save our kind, defend Europe" am 28. Februar 2017 101 offen verwertbare Erkenntnisse zu Musikgruppen und deren Aktivitäten im Jahr 2017 79 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik C amulos Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Landkreis Zwickau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2002 / keine Bemerkungen: Auftritt bei einem Konzert am 25. März 2017 in Aue Endless Struggle Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Dresden aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2001 / keine Entropie Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt / Sachsen, Brandenburg aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2016 / Beteiligung am Sampler "9. Tag der deutschen Zukunft 2017" F euerbefehl Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt Liedermacher O iram / Weißwasser aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2016 / Album "Unbelehrbar" Bemerkungen: siehe Liedermacher O iram Heilige Jugend Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Sachsen aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2017 / Herausgabe einer Demo-CD Heiliger K rieg Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Sachsen, ursprünglich Baden-Württemberg aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2000, seit 2014 in Sachsen / Beteiligung am Album "GRENADIER - Fortress Germania" Bemerkungen: Auftritt am 18. März 2017 beim Konzert "Defend Europe" in Frankreich Heiliges Reich Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Raum Chemnitz-Flöha aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2013 / keine 80 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Hope for the Weak Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Dresden aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2005 / keine K illuminati Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2014 / keine Bemerkungen: Die Band verkündete im Sommer 2017, an einem neuen Tonträger zu arbeiten. Dieser erschien jedoch nicht. L eichenzug Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Wilkau-Haßlau (Lkr. Zwickau) aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2004 / Album "Schwarz" Moshpit Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Thüringen, Sachsen aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2001 / Album "An Eternal Torch can Light a Million" Neubeginn Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Raum Torgau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2001 / keine O verdressed Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Landkreis Mittelsachsen aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2011 / Beteiligung an der Split-CD "German Skinhead Anthems" Bemerkungen: Auftritt bei einem Konzert am 2. Dezember 2017 in Kirchheim (Thüringen) Paranoid Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Erzgebirge (Schneeberg) aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2009 / Album "Ganz normale Leute" Bemerkungen: Beteiligung am Tonträger "GRENADIER - Fortress Germania" Indizierung des Tonträgers "Gender mich nicht voll" am 28. April 2017 81 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik P ionier Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt / Chemnitz aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: ca. 2009 / Beteiligung am Sampler "9. Tag der deutschen Zukunft 2017" Bemerkungen: Auftritt auf einem Konzert am 18. März 2017 P ro Patria Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt / Sachsen aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2013 / keine R ac'n'Roll-Teufel Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt / Landkreis Zwickau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: ca. 2009 / Beteiligung am Album "Treueschwur - Damals wie heute"; Beteiligung am "PunikoffSampler Vol. 1" Bemerkungen: Auftritt als "Schraddi / RAC-Teufel" beim Sommerfest mit Lunikoff am 17. Juni 2017 in Grimma OT Roda S achsenblut Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Freiberg aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2010 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen u. a. in der Tschechischen Republik (23. September 2017) und Südschweden (9. September 2017) sind bekannt geworden. S achsonia Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Dresden aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 1999 / keine Bemerkungen: Auftritt bei einem Konzert am 25. November 2017 in Staupitz Selbststeller Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Riesa aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2000 / keine Bemerkungen: Auftritt im Rahmen einer Geburtstagsfeier am 9. September 2017 in Riesa 82 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Sista Bataljen Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Erzgebirge aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: mindestens seit 2014 / keine Stahlfront Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Sachsen, Thüringen aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2011 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen am 25. März 2017 und 13. Mai 2017 in Aue Ankündigung eines neuen Albums Stahlwerk Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Freital aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2012 / Beteiligung am Sampler "Barcelona Skinheads P.O.W." Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen in Staupitz sowie in der Tschechischen Republik Stereotyp Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Mohorn aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2013 / keine Thematik 25 Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Leipzig aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2008 / keine Bemerkungen: Auftritt bei Konzertveranstaltungen in der Tschechischen Republik sowie auf einem Konzert am 25. November 2017 in Staupitz Treueschwur Typ / Sitz bzw. Herkunft: Bandprojekt / Sachsen, Bayern aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2015 / Album "Treueschwur - Damals wie heute" 83 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik True Aggression Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Ostsachsen (Oberlausitz) aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2016 / Album "Manns Genug!?" Album "14 dunkeldeutsche Kurzgeschichten" Bemerkungen: Konzertauftritte in Sachsen, u. a. am 16. April 2017 in Staupitz sowie am 27. Mai 2017 in Moritzburg Überzeugungstäter Vogtland Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Vogtland aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2010 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzerten, im Rahmen einer Geburtstagsfeier am 7. Januar 2017 in Sachsen Verboten Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Erzgebirgskreis aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2011 / keine Bemerkungen: Auftritt bei beim Konzert "London Calling" am 28. Januar 2017 Volksnah 2.0 Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Leipzig aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2012 / keine Bemerkungen: Auftritte zusammen mit Thematik 25 bei Konzertveranstaltungen u. a. in der Tschechischen Republik White Resistance Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Schneeberg aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2000 / keine Bemerkungen: Auftritte bei Konzertveranstaltungen in Staupitz sowie am 27. Mai 2017 in Moritzburg 84 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik W.U.T. (White United Terror) Typ / Sitz bzw. Herkunft: Band / Großdubrau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2009 / Beteiligung am Sampler "9. Tag der deutschen Zukunft 2017" Bemerkungen: Auftritt bei einer Konzertveranstaltung in Zittau am 2. September 2017 Liedermacher in der Einzelübersicht Barny Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Chemnitz aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2005 / keine Bemerkungen: Mitwirkung bei verschiedenen Bands bzw. Bandprojekten, Auftritte bei Veranstaltungen, auch zusammen mit dem Liedermacher Rommel F reilichF rei Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Zwickau aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2014 / Beteiligung am "Punikoff-Sampler Vol. 1" Beteiligung am Sampler "9. Tag der deutschen Zukunft 2017" Bemerkungen: Auftritte im Rahmen von Veranstaltungen bzw. Liederabenden, wie am 4. März 2017 in Berlin und am 22. April 2017 in Plauen O iram (Mario ALBRECHT, Führungsperson der neonationalsozialistischen Gruppierung Kollektiv Oberlausitz) Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Weißwasser aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: in Sachsen seit 2017 / siehe Bandprojekt F euerbefehl Bemerkungen: 2017 Umzug nach Sachsen, Auftritte u. a. als Band F euerbefehl Er organisierte auch Konzertveranstaltungen wie am 4. November 2017 in Weißwasser. P iattmar (Jan HÄNTZSCHEL, sächsisches Mitglied des JN-Landesvorstandes) Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Döbeln aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2013 / keine 85 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Rommel Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Aue aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2011 / keine Bemerkungen: Auftritte zusammen mit dem Liedermacher Barny Er tritt gelegentlich auch im Ausland auf, wie am 10. Februar 2017 in Budapest. S chratt Typ / Sitz bzw. Herkunft: Liedermacher / Hartenstein aktiv seit / Veröffentlichungen 2017: 2005 / keine Bemerkungen: Auftritt als "Schraddi / RAC-Teufel" beim "Sommerfest" mit Lunikoff am 17. Juni 2017 in Grimma OT Roda Rechtsextremistische Musikveranstaltungen im Jahr 2017 in Sachsen Konzertaufgetretene oder Datum Ort besucher geplante Musikgruppen 1 07.01.2017 Sachsen Smart Violence , O ld Glory (TH), Überzeugungstäter Vogtland (SN) 2 14.01.2017 Weißwasser ca. 100 F euer F rei (BB), F euerbefehl (SN), R ac'N'Roll Teufel (SN), Ungebetene G äste (MV) 3 04.02.2017 Torgau OT Staupitz 200 F rontfeuer (BB), Sturmtrupp (BY), White Resistance (SN), Stahlwerk (SN) 4 25.03.2017 Aue A hnenerbe (HE), C amulos (SN), Stahlfront (SN), A d Hominem (Frankreich) 5 25.03.2017 Torgau OT Staupitz ca. 230 Blutzeugen (SN), D.S.T. (BR), White Resistance (SN), Stimme der Vergeltung (MV) 6 16.04.2017 Torgau OT Staupitz ca. 230 B ound for Glory (USA), S okyraperuna (Ukraine), Uwocaust " (BB), True Aggression (SN) 86 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Konzertaufgetretene oder Datum Ort besucher geplante Musikgruppen 7 28.04.2017 Ostsachsen Hausmannskost (BB), N aked but armed (BW) 8 29.04.2017 Rosenthal-Bielatal ca. 100 N aked but armed (BW), Kodex F rei (BY), Barricades (ST), True Aggression (SN) 9 13.05.2017 Aue Stahlfront (SN), A rtam (SN), White D eath (Finnland), Goatmoon (Finnland) 10 20.05.2017 Torgau OT Staupitz ca. 120 Eternal Bleeding (TH), P ugilato (Spanien), M ai Morti (Italien), F ight Tonight (ST), L egion of Thor (BR) 11 27.05.2017 Moritzburg ca. 130 True Aggression (SN), Hobbit (Italien), White Resistance (SN) 12 10.06.2017 Torgau OT Staupitz ca. 220 O ld Glory (TH), Endstufe (HB), Kommando Skin (BW), Bakers D ozen (Schottland) 13 17.06.2017 Weißwasser F euer F rei (BB) 14 12.08.2017 Ostritz ca. 40-50 E xzess (BB), Treue O rden (TH), F euerbefehl (SN) 15 02.09.2017 Zittau ca. 150 WUT (SN) 16 09.09.2017 Torgau OT Staupitz ca. 230 Blitzkrieg (SN), Gesta Bellica (Italien), Blackout (Großbritannien), S chlachtruf Germania 17 07.10.2017 Mücka ca. 120 F euer F rei (BB), F rontfeuer (BB), Blutschwur , Liedermacher Björn (BB) 18 28.10.2017 Mücka 40 Überzeugungstäter Vogtland (SN), Reichstrunkenbold (HE) 19 04.11.2017 Torgau OT Staupitz ca. 230 Sturmwehr (SH), E xzess (BB), Hausmannskost (BB) 20 04.11.2017 Weißwasser 20-30 87 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Konzertaufgetretene oder Datum Ort besucher geplante Musikgruppen 21 25.11.2017 Torgau OT Staupitz ca. 200 S achsonia (SN), Thematik 25 (SN), Stahlwerk (SN), Jolly Rogers (Spanien), Mistreat (Finnland) 22 16.12.2017 Torgau OT Staupitz 210 Bunker84 (Frankreich), Warlord (Großbritannien), Kommando Skin (BW), KDF (BE) 23 29.12.2017 Torgau OT Staupitz 230 D ie L unikoff Verschwörung (BE), Brutal Attack (GB), Hausmannskost (BB) 24 30.12.2017 Hoyerswerda ca. 70 Konzert mit unbekannter Band sowie Liedermacher Neben diesen Konzertveranstaltungen traten im Berichtsjahr in Sachsen Liedermacher bzw. einzelne Bandmitglieder bei Liederabenden und sonstigen Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen auf. Teil Musikgruppen Datum Ort nehmer (mit Auftritt oder geplantem Auftritt) 1 09.01.2017 Leipzig Auftritt von K ategorie C bei einer LEGIDADemonstration 2 21.01.2017 Riesa 120 Jahresauftaktveranstaltung der NPD mit Auftritt Liedermacher Frank RENNICKE (BY) 3 27.01.2017 Dresden 20 Liederabend 4 22.04.2017 Plauen Veranstaltung der Partei D er D ritte Weg mit Auftritt Liedermacher F reilichF rei (SN) 5 22.04.2017 Mittweida OT 250 Auftritt eines Liedermachers im Rahmen Frankenau eines "Zeitzeugenvortrages" 6 28.04.2017 Jesewitz 50 Liederabend mit F.I.E.L. (MV) 7 12.05.2017 Aue / Schwarzenberg ca. 100 Liederabend mit Auftritt des Liedermachers Frank RENNICKE (BY) 8 26.05.2017 Dresden ca. 80 Liederabend 9 27.05.2017 Brand-Erbisdorf OT ca. 40 Liederabend mit FreilichFrei (SN), F.I.E.L. (MV) Gränitz und Villain051 (Sänger von A3stus, BE) 10 03.06.2017 Hoyerswerda Auftritt des Liedermachers F ylgien 88 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Musik Teil Musikgruppen Datum Ort nehmer (mit Auftritt oder geplantem Auftritt) 11 17.06.2017 Grimma OT Roda ca. 200 Sommerfest mit Auftritt von L unikoff (BE), Kevin aus der Schweiz (Sänger von AMOK), Liedermacher Schratt (Rac'N'Roll-Teufel , SN) 12 01.07.2017 Leipzig ca. 120 Liederabend mit Auftritt der Liedermacher Hannes und Ernie (von K ategorie C, HB) 13 08.07.2017 Plauen Mitgliederversammlung der Partei D er D ritte Weg mit Auftritt der Liedermacherin Varghona (TH) 14 15.07.2017 Mittweida, OT ca. 200 "Zeitzeugenvortrag" mit musikalischer Frankenau Begleitung 15 22.07.2017 Riesa ca. 400 Wahlkampfauftaktveranstaltung der NPD mit Auftritt von "Phil" von FLAK sowie Frank RENNICKE (BY) 16 29.07.2017 Zwickau Vortragsveranstaltung der Partei D er D ritte Weg mit Auftritt eines Mitglieds der Band Hermunduren (TH) 17 04.08.2017 Pirna NPD Vortragsveranstaltung und Liederabend 18 02.09.2017 Schwarzenberg ca. 300 Auftritt von Frank RENNICKE im Rahmen einer Kundgebung 19 09.09.2017 Sachsen Liederabend mit F.I.E.L. (MV) 20 09.09.2017 Riesa Geburtstagsfeier mit Auftritten der Bands Selbststeller (SN) und N aked but armed (BW) 21 07.10.2017 Markneukirchen OT Liederabend mit F reilichF rei Breitenfeld 22 11.11.2017 Zwickau Vortragsveranstaltung mit Auftritt des Liedermachers Wegbereiter 23 02.12.2017 Weißwasser "Zeitzeugenvortrag" mit Live-Musik, angekündigt waren Varghona (TH), To! tonicus (BB) und F.I.E.L. (MV) 24 16.12.2017 Pirna Liederabend und Weihnachtsfeier der NPD mit Auftritt von Z eitnah 89 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 1.4.5 Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Ende 2017 waren noch neun Firmen der rechtsextremistischen Vertriebsszene102 im Freistaat Sachsen aktiv (2016: 11). Zwei Online-Vertriebe stellten im Laufe des Jahres ihren Betrieb ein. Anfang der 2000er Jahre waren noch 22 Unternehmen in Sachsen ansässig. Seither ist die Anzahl kontinuierlich gesunken. PC-Records aus Chemnitz ist derzeit die einzige rechtsextremistische Firma aus Sachsen, welche eine bundesweite Szenerelevanz besitzt. Dieses Unternehmen verfügt über ein hohes Ansehen in der rechtsextremistischen Szene im Inund Ausland. Sein Umsatz wird auf mehrere Hunderttausend Euro jährlich geschätzt. Die Gewinne ermöglichen den Geschäftsinhabern nicht nur das Bestreiten des Lebensunterhaltes, sondern auch die Finanzierung und Förderung von Szeneaktivitäten. Kein anderes Unternehmen aus Sachsen besitzt eine vergleichbare Marktpräsenz. Das Sortiment der rechtsextremistischen Vertriebsunternehmen bedient insbesondere die Nachfrage der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene. So werden Textilien mit szenetypischen Aufdrucken, Tonträger rechtsextremistischer Bands bzw. Liedermacher sowie andere szenerelevante Utensilien, wie z. B. Anstecker, Fahnen, Aufkleber und Plakate, angeboten. Rechtsextremistische Vertriebsstrukturen im Freistaat Sachsen Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Chemnitz Osterzgebirge Zwickau Erzgebirgskreis Vogtlandkreis Die Anzahl der Unternehmen war im Jahr 2017, wie bereits im Vorjahr, rückläufig. 102 Der Oberbegriff "Vertriebsstrukturen" umfasst Online-Versände, Läden und Label. Solche Strukturen können einzeln oder in unterschiedlicher Kombination bestehen. 90 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Der Verlag L ibergraphix und sein Textil-Label L abel 33 aus Gröditz (Lkr. Meißen) sind seit August 2017 offline. Das Label war erst im Jahr 2016 online gegangen und als rechtsextremistisch eingestuft worden. Vor allem auf seinem Facebook-Account war das Unternehmen zu dieser Zeit sehr aktiv. Der Account wurde im Jahr 2016 kurz aufeinanderfolgend zweimal durch Facebook gelöscht. Auch der Online-Versand REpro -Medien aus Radeberg (Lkr. Bautzen) war ab Januar 2017 nicht mehr im Internet erreichbar. Der Inhaber hatte den Versand 2009 gegründet. Das Sortiment umfasste vor allem szenetypisches Propagandamaterial in Form von Aufklebern, Plakaten und Broschüren. Gegen Ende 2016 war die Angebotspalette schon stark zurückgegangen. Durch diesen starken Rückgang ist der Freistaat Sachsen im Bundesvergleich kein Schwerpunkt der rechtsextremistischen Vertriebsszene mehr. Die Betriebsaufgabe der kleineren Firmen führt immer mehr zur Konzentration auf wenige große Unternehmen. In wirtschaftlicher Hinsicht haben die sächsischen Vertriebe im Jahr 2017 erneut eine leicht rückläufige Entwicklung hinnehmen müssen. So hat z. B. das N ationale Versandhaus im Laufe des Jahres die Tonträgersparte aus dem Sortiment seiner Online-Firmen gestrichen. Vermutlich sind die niedrigen Gewinnmargen in diesem Segment ein Grund dafür, da man selbst keine Tonträger produziert. Kein Unternehmen konnte seine Marktstellung innerhalb oder außerhalb Sachsens verbessern, da es keine Zukäufe bzw. Übernahmen gab. Der Rückzug der zwei kleinen, aber speziellen Firmen, hat die Produktvielfalt in der sächsischen Vertriebsszene weiter schrumpfen lassen. Die noch vorhandenen Unternehmen sind entweder wirtschaftlich groß genug oder haben sich als Nischenanbieter etabliert. Allerdings können Fusionen mit anderen Firmen aus dem Bundesgebiet nicht ausgeschlossen werden. Der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen ist erheblich von der Akzeptanz in der rechtsextremistischen Szene abhängig. Auch aus diesem Grund wird die Szene von den Unternehmen logistisch und finanziell unterstützt. PC-Records war auch im Jahr 2017 an der Organisation rechtsextremistischer Konzerte bzw. Veranstaltungen beteiligt. F ront Records und der Hermannsland -Versand unterstützten ebenfalls Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr. Eigene öffentlich wirksame Aktionen für die Szene wurden nicht bekannt. Im Jahr 2017 produzierten vier sächsische Vertriebe Tonträger mit rechtsextremistischer Musik. Die derzeit aktiven sächsischen Labels haben seit ihrer Gründung fast 380 Tonträger zumeist einschlägiger rechtsextremistischer Bands und Liedermacher herausgebracht. Die Auflagenhöhe der Produktionen lag im Durchschnitt bei mehreren hundert Stück. Zusätzlich wurden Sonderausgaben für Sammler herausgegeben. PC-Records bot seine Produktionen auch als Download zum Erwerb an. Um den kommerziellen Erfolg ihrer Tonträger nicht zu gefährden, sind die Produzenten bei den Liedtexten und der CD-Gestaltung bestrebt, nicht gegen strafund jugendschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. So lassen sie Tonträger vor der Veröffentlichung von Rechtsanwälten prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Jedoch entschied der Bundesgerichtshof am 91 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 3. April 2008 im Falle eines damals bedeutenden Produzenten rechtsextremistischer Musik, dass von szenenahen Anwälten erstellte "Gefälligkeitsgutachten" keinen Freibrief darstellen und nicht 103 vor strafrechtlicher Verfolgung schützen würden . Über einhundert der von den vier aktiven sächsischen Produzenten herausgebrachten Tonträger wurden bislang indiziert. Die Indizierung einer CD erfolgt dann, wenn ihr Inhalt oder ihre Gestaltung Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen können. Die Entscheidung hierüber wird von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) getroffen. Eine indizierte CD darf Kindern und Jugendlichen nicht mehr verkauft oder sonst zugänglich gemacht werden. Ebenso gilt ein Werbeverbot. Im Jahr 2017 hat die BPjM drei Tonträger der aktiven sächsischen rechtsextremistischen Labels indiziert. PC-Records produzierte im Jahr 2016 die CD "Krieg" der rechtsextremistischen Band Valhöll (D). Diese wurde im Berichtsjahr durch die BPjM indiziert, da in mehreren Titeln zum Rassenhass angereizt, bestimmte Bevölkerungsgruppen diskriminiert und die nationalsozialistische Ideologie verherrlicht werden. Gemäß SS 21 Abs. 2 und 4 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) können Indizierungen bei der dafür zuständigen BPjM u. a. von Behörden bzw. anderen öffentlichen Stellen beantragt bzw. angeregt werden. Einzelpersonen müssen sich deshalb mit entsprechenden Hinweisen z. B. an Polizeibehörden, Ordnungsämter oder freie Träger der Jugendhilfe wenden, welche dann die BPjM beteiligen können (SS 21 Abs. 4 JuSchG). Im Jahr 2017 geriet ein rechtsextremistischer Vertrieb aus Sachsen in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden: In Bezug auf das N ationale Versandhaus besteht der Verdacht des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (SS 86 StGB), da mutmaßlich entsprechend relevante CDs und T-Shirts vertrieben wurden. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat im September 2017 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. 103 Az.: BGH 3 StR 394/07 92 Rec h t se x t r emismus - Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Ausgewählte rechtsextremistische Vertriebsstrukturen im Freistaat Sachsen D ry ve by Suizhyde Typ: Gewerbliches Textil-Label mit Online-Versand Sitz bzw. Herkunft: Dresden aktiv seit: 2009, seit 2013 im Freistaat Sachsen Sortiment: Textilien F ront Records Typ: Gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Online-Versand, Tonträger-Label, Textildruckerei Sitz bzw. Herkunft: Lossatal (Lkr. Leipzig) aktiv seit: 2001 Sortiment: Tonträger, bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien F rontmusik Typ: Gewerblicher Online-Versand mit Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft: Lossatal (Lkr. Leipzig) aktiv seit: 2015, seit 2016 im Freistaat Sachsen Sortiment: Tonträger, bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien Hermannsland -Versand Typ: Gewerblicher Online-Versand mit Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft: Leipzig aktiv seit: 2015 Sortiment: Tonträger, bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien 93 Rec h t se x t r emismus - Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial N ationales Versandhaus (sowie weitere angegliederte Unternehmen) Typ: Gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Ladengeschäft und Online-Shops, Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft: Gohrisch (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) aktiv seit: 2009 Sortiment: Tonträger, bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien PC-Records Typ: Gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Ladengeschäft, OnlineVersand und Tonträger-Label Sitz bzw. Herkunft / Inhaber: Chemnitz / Steve GEBURTIG aktiv seit: 2000 Sortiment: Tonträger, bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien 1.5 Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den rechtsextremistischen Parteien und den parteiungebundenen rechtsextremistischen Strukturen gibt es noch ein weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. Dabei handelt es sich um Personen, die als rechtsextremistische Strafund Gewalttäter oder als Teilnehmer von rechtsextremistischen Konzerten in Erscheinung treten, sich darüber hinaus jedoch keiner konkreten rechtsextremistischen Struktur zuordnen lassen. Die rechtsextremistischen Strafund Gewalttäter machen in dieser Gruppe den größten Anteil aus. Die Bedeutung dieses Potenzials ist bereits an der hohen Personenanzahl ablesbar. Sie stellen den mit Abstand größten Teil der rechtsextremistischen Szene in Sachsen. Von den derzeit 2.600 Rechtsextremisten entfallen knapp 1.200 Personen auf diesen Bereich. Diese Personengruppe begeht Strafund Gewalttaten vor allem impulsiv, d. h. dem eigenen Handeln liegen in der Regel keine strategischen Überlegungen zugrunde. Es erfolgt vielmehr situativ bedingt und spontan. Gerade von dieser Personengruppe gehen allerdings häufig die - schwer prognostizierbaren - Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten im Alltag aus. Das unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial stellt das wesentliche Mobilisierungspotenzial für rechtsextremistische Veranstaltungen dar. Die asylfeindlichen Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 haben mehrfach gezeigt, dass sich - bei einem für Rechtsextremisten geeigneten 94 Rec h t se x t r emismus - Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus Anlass - aus unstrukturierten Rechtsextremisten mit hoher Dynamik militant ausgerichtete Gruppierungen104 bilden können. Bei Konfrontationslagen, wie in Leipzig oder in Bautzen 2016, sorgt die hohe Anzahl von rechtsextremistischen Strafund Gewalttätern für ein bedeutsames Gewaltpotenzial. Trotz der relativen Strukturlosigkeit des entsprechenden Personenpotenzials kann es gelingen, mittels digitaler Medien eine hohe Aktionsund Mobilisierungsfähigkeit herzustellen. Neben diesen Gefährdungsaspekten ist diese Personengruppe hinsichtlich ihrer Größe und der damit verbundenen Kaufkraft eine wichtige Quelle für die rechtsextremistische Konzertund Vertriebsszene. Das Gros der Konzertteilnehmer und Konsumenten rechtsextremistischer Merchandisingartikel besteht aus dem unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial. Der Bedeutungsverlust der Asylthematik für die Szene, aber auch der hohe Verfolgungsdruck der vergangenen Jahre sowie die konsequente Aburteilung der Straftäter führten zu einem starken Rückgang der Gewalttaten und sonstigen Delikte.105 Demgegenüber stehen die Volksverhetzungsund Propagandadelikte wieder im Vordergrund. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen dürfte sich diese Entwicklung im Jahr 2018 fortsetzen. Dies würde zu einem abnehmenden Personenpotenzial auf allerdings weiterhin hohem Niveau führen. 1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus Drei Strafverfahren der vergangenen Jahre, in denen es um terroristische bzw. kriminelle Strukturen im Bereich Rechtsextremismus ging (SSSS 129, 129a StGB) wiesen einen Bezug zum Freistaat Sachsen auf. Die Verfahren betrafen die Gruppierungen O ldschool S ociety (OSS), die "Gruppe Freital" und die F reie K ameradschaft D resden (FKD). Das Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung von und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen Mitglieder der O ldschool S ociety wurde im Jahr 2016 beim Oberlandesgericht München geführt. Vier führende Mitglieder der OSS, darunter zwei Personen aus Sachsen, wurden nach einer Quelle: Facebook-Profil OSS elfmonatigen Hauptverhandlung am 15. März 2017 zu mehrjäh(Stand: 9. Dezember 2014) rigen Haftstrafen verurteilt106 . Nach Überzeugung des Gerichts 104 siehe Abschnitt II.1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus 105 siehe Abschnitt II.1.8 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischen Hintergrund 106 Das Urteil ist rechtskräftig. 95 Rec h t se x t r emismus - Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus war die OSS darauf ausgerichtet gewesen, Ausländer mithilfe von Gewaltanwendung aus Deutschland zu vertreiben.107 Von März 2017 an fand vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen die "Gruppe Freital" statt. Den Angeklagten wurde u. a. das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion am 1. November 2015 an einer dezentralen Asylunterkunft in Freital (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) vorgeworfen. Bereits im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 waren zahlreiche Exekutivmaßnahmen erfolgt. Nachdem im April 2016 der Generalbundesanwalt (GBA) das Verfahren übernommen und beim Oberlandesgericht Dresden im November 2016 Anklage erhoben hatte, fiel im März 2018 das Urteil: Sämtliche Mitglieder der "Gruppe Freital" wurden wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie wegen versuchten Mordes bzw. wegen Beihilfe hierzu zu Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Bereits am 30. November 2016 durchsuchte die Polizei Wohnobjekte von 17 mutmaßlichen Angehörigen der F reien K ameradschaft D resden in Dresden, Freital und Heidenau (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) im Rahmen eines seit April 2016 bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden anhängigen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 des Strafgesetzbuches). Es wurden diverse Waffen, Munition, illegale Pyrotechnik, Vermummungsgegenstände, schriftliche Unterlagen und Speichermedien sichergestellt. Gegen sechs Beschuldigte wurde Haftbefehl erlassen. Zwei Angeklagte wurden im August 2017 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt; das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Bezüglich sechs weiterer Angeklagten steht das Urteil noch aus. Den Angehörigen der neonationalsozialistischen Gruppierung F reie K ameradschaft D resden wird vorgeworfen, seit Juni 2015 in wechselnder Besetzung eine Vielzahl von Straftaten begangen zu haben, darunter die Beteiligung an der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, versuchte Brandstiftung, schwerer Landfriedensbruch, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Diverse Gewalttaten richteten sich gegen Asylbewerber und Asylbewerberunterkünfte im Raum Dresden. So wurden Bürger mit Migrationshintergrund auf dem Stadtfest in Dresden am 20. August 2016 gezielt angegriffen; es kam zu massiven Körperverletzungen. Außerdem beteiligten sich FKD-Mitglieder an den Ausschreitungen von Rechtsextremisten und Hooligans im "linken" Leipziger Szeneviertel Connewitz am 11. Januar 2016. Die Migrationsbewegungen der letzten Jahre wurden von Rechtsextremisten als existenzielle Bedrohung des von ihnen rassistisch-biologistisch definierten Bestandes des deutschen Volkes angesehen. Eine Gegenwehr in Form der Anwendung von Gewalt wird von ihnen als notwendig und legitim empfunden. Nach dem Rückgang des asylbezogenen Demonstrationsgeschehens sieht sich die rechtsextremistische Szene zudem mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre asylfeindlichen Aktivitäten im 107 Die OSS hatte sich Mitte des Jahres 2014 - auch unter Beteiligung sächsischer Rechtsextremisten - zunächst bundesweit als virtuelle rechtsextremistische Gruppe im Internet gegründet. 96 Rec h t se x t r emismus - Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen öffentlichen Raum nicht zu einer Vertreibung der eingereisten Flüchtlinge und Asylbewerber geführt hat. Dies könnte Rechtsextremisten im Einzelfall zu einem gewalttätigeren Vorgehen gegen Menschen mit Migrationshintergrund verleiten. Schon seit einigen Jahren kursieren Bürgerkriegsszenarien in der Szene, in denen dazu aufgerufen wird, Gruppen zu bilden, Waffen zu beschaffen und Vorräte anzulegen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es bei einem Zusammentreffen von Personenpotenzial, Tatbegehungsund Beschaffungsmöglichkeiten in Zukunft zu entsprechenden Strukturbildungen kommen könnte. 1.7 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen 1.7.1 Landkreis Bautzen Im Landkreis Bautzen waren der rechtsextremistischen Szene im Jahr 2017, wie im Vorjahr, zwischen 200 und 250 Personen zuzurechnen. Das Personenpotenzial lag damit im sachsenweiten Vergleich im mittleren Bereich. Parteien N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Im Landkreis Bautzen ist die NPD mit einem Kreisverband vertreten, welcher jedoch nach Austritten von Mitgliedern bereits seit 2015 deutlich geschwächt ist. Auch die NPD-Kreistagsfraktion musste nach Austritten von drei der fünf Kreisräte aufgelöst werden. Im November 2016 fand im Kreisverband ein Personalwechsel statt. Der bisherige Kreisvorsitzende Jürgen KÖTZING wurde durch den Rechtsextremisten Marco WRUCK, welcher bereits im fremdenfeindlichen Protestgeschehen von Bautzen aktiv gewesen war, abgelöst. Im Januar 2017 wurde Marco WRUCK einstimmig als Direktkandidat der NPD für die Bundestagswahl gewählt. Zu seiner Wahl erklärte WRUCK: "Ich freue mich auf die Herausforderung der nächsten Monate bis zur Bundestagswahl, die ich auch dazu nutzen möchte, mich - als noch relativ neues Gesicht der NPD im Landkreis Bautzen - den Bürgern vorzustellen und zu zeigen, dass die NPD vor Ort aktiv und eine Partei zum ,Anfassen' ist. (...)." 108 Dementsprechend versuchte er die Bürger im März 2017 durch Informationsstände in Bautzen und Hoyerswerda zu erreichen. Jedoch blieben diese weitgehend unbeachtet. Im August 2017 wurde bekannt, dass WRUCK aufgrund interner Differenzen nicht mehr der NPD angehört und auf eine Direktkandidatur für die NPD bei der Bundestagswahl verzichtete. Weitere eigene öffentliche Aktivitäten des Kreisverbandes im Jahr 2017 im Landkreis Bautzen wurden nicht bekannt. Dagegen Quelle: www.facebook.com/npd. war der Landesverband der NPD dort mit einigen Auftritten sachsen (Stand: 3. April 2017) 108 www.npd-sachsen.de (Stand: 10. Januar 2017) 97 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Bautzen aktiv. Am 1. Mai 2017 meldete er eine Demonstration unter dem Motto "Sozialstaat für Deutsche - statt Weltsozialamt für Fremde" in Bautzen an. Auf einer Zwischenkundgebung bei der Demonstration sprachen die angekündigten Redner Jens BAUR (Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Sachsen), Arne SCHIMMER (stellvertretender Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Sachsen) und Andreas STORR (NPD-Funktionär). Die Demonstration blieb mit 115 Teilnehmern weit hinter der potenziell aktivierbaren Personenanzahl zurück, welche bei früheren Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene in Bautzen bereits erreicht worden war. Unter den Teilnehmern waren Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten des Landesverbandes Sachsen sowie von dessen "Stützpunkt Mittelsachsen". Weiterhin nahmen Mitglieder der rechtsextremistischen tschechischen Partei DSSS109 teil, deren Vertreter ebenfalls eine Rede hielt. Darüber hinaus war der Landesverband der NPD im September mit Informationsständen im Rahmen des Bundestagswahlkampfes in Hoyerswerda und Bautzen vertreten. Jedoch bewegten sich die Teilnehmerzahlen im einstelligen Bereich110. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen Die neonationalsozialistische Szene im Landkreis Bautzen verfügt über Strukturen in Bautzen und in Hoyerswerda. Die Neonationalsozialisten im Raum Bautzen führten, wie schon in den vergangenen Jahren, am 22. April 2017 eine "Gedenkveranstaltung" mit Fackelmarsch in Niederkaina (bei Bautzen) für die an diesem Ort am 22. April 1945 getöteten deutschen Soldaten durch. Diese Veranstaltung ist mittlerweile ein fester Termin im politischen Kalender der neonationalsozialistischen Szene und dient der Glorifizierung der Vergangenheit, aber auch dem Szenezusammenhalt. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 60 Personen. Anlässlich des Volkstrauertages am 19. November 2017 fanden weitere "Gedenkveranstaltungen" der Neonationalsozialisten statt, so in Göda bei Bautzen. Dabei instrumentalisierten Rechtsextremisten den Volkstrauertag im revisionistischen Sinne als "Heldengedenktag"111. Der rechtsextremistische Verein D eutschland muss leben e . V. führte am 3. Juni 2017 seine Jahreshauptversammlung in Hoyerswerda durch. Der Verein hat seinen Sitz in Greifswald (MecklenburgVorpommern), verfügt aber auch über aktive Mitglieder in Hoyerswerda. Seit 2016 besteht in den Landkreisen Bautzen und Görlitz eine Gruppierung der neonationalsozialistischen Szene - die F reien K räfte Mittel /O stsachsen . Diese traten jedoch, im Gegensatz zum 109 "Dilnicka strana sozialni spravedlnosti" - "Arbeiterpartei der Sozialen Gerechtigkeit" 110 siehe Abschnitt II.1.3.2 N ationaldemokratische Partei D eutschl ands (NPD) 111 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 98 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Bautzen Vorjahr, als sie noch eine Demonstration im September 2016 in Löbau (Lkr. Görlitz) durchführten, nicht mit Aktivitäten in der Öffentlichkeit auf.112 Die subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierung ARYAN BROTHERHOOD EASTSIDE (ABE) ist im Jahr 2014 erstmals in Erscheinung getreten. Im Jahr 2016 wurde sie durch die Ereignisse auf dem Bautzener Kornmarkt überregional bekannt. Für ihre Veranstaltungen nutzt sie ein Objekt in Bautzen. Sie tritt rockerähnlich in entsprechenden Kutten mit verschiedenen Symbolen, Insignien und Beschriftungen auf. Die Funktionsbezeichnungen der Mitglieder orientieren sich ebenfalls an den Begrifflichkeiten der Rockerszene. Im Jahr 2016 fanden im Szeneobjekt nur noch kleinere interne Feiern statt. Auch aufgrund ihrer zunehmenden öffentlichen Präsenz konnte die ABE jedoch im März 2017 für eine Feier etwa 130 Angehörige der überregionalen rechtsextremistischen Szene mobilisieren. Es beteiligten sich auch Personen aus Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die Veranstaltung wurde jedoch von umfangreichen polizeilichen Maßnahmen flankiert. So wurden Kontrollen bei der Anreise der Teilnehmer durchgeführt und mehrere Verfahren, u. a. wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz, eingeleitet. Zu weiteren Veranstaltungen dieser Größenordnung kam es im Jahr 2017 bei der ABE nicht. Identitäre Bewegung Die Ortsgruppe Bautzen ist die jüngste Ortsgruppe der Identitären Bewegung im Freistaat Sachsen. Ihre Gründung Ende März 2016 wurde von Dresdner Anhängern der IB unterstützt. Personen aus dem Landkreis Bautzen reisten auch gemeinsam mit der Dresdner Ortsgruppe am 17. Juni 2017 zur Demonstration "Zukunft Europa - bewegen und verändern" der IB nach Berlin. Auch an einem Treffen mit der IB-Ortsgruppe Cottbus Ende September 2017 in Brandenburg nahmen Mitglieder der Ortsgruppen Bautzen und Dresden gemeinsam teil. In Bautzen führte die IB eine Verteilaktion am 17. März, eine "Schnipselaktion" am 28. April, Quelle: www.facebook.com/IBSachsen eine Verhüllungsaktion unter dem Motto "Blind (Stand: 26. November 2017) 112 siehe Abschnitt II.1.7.5 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen - Landkreis Görlitz 99 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Bautzen in den Untergang"113 im Mai sowie eine Plakataktion Anfang Juni durch. Im August 2017 nutzte die IB die "Bautzener Flugtage" für eine Banneraktion sowie zur Verteilung ihrer Flyer. Ende November 2017 posierten mehrere IB-Aktivisten verkleidet als Spartaner114 mit Fahnen der IB und Banner in der Bautzener Innenstadt. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Im Landkreis Bautzen ist die rechtsextremistischen Musikszene mit der seit 2009 existierenden rechtsextremistischen Musikband W.U.T. (WHITE UNITED TERROR) aus Großdubrau vertreten. Die Band zeigte jedoch im Jahr 2017 kaum Aktivitäten. Am 2. September 2017 absolvierte sie in Zittau einen Auftritt. Seit Mitte 2016 existiert in der Oberlausitz eine neue rechtsextremistische Band mit der Bezeichnung True Aggression . Ein Mitglied spielte in der Vergangenheit in der Riesaer Band Selbststeller . Ein weiteres Mitglied der Band stammt aus Bayern und ist dort innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene aktiv. Die Band trat bislang bei verschiedenen rechtsextremistischen Konzerten in Sachsen auf, so am 16. April 2017 im Szeneobjekt in Staupitz (Lkr. Nordsachsen). Auf einem TourKonzert der Band N aked But A rmed in Rosenthal-Bielatal (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) trat auch True Aggression auf. Darüber hinaus gab die Band die Alben "Manns Genug!?" sowie "14 dunkeldeutsche Kurzgeschichten" heraus. Von September 2009 bis Januar 2017 war in Radeberg der rechtsextremistische Vertrieb REpro-Medien ansässig, die Homepage des Vertriebes ist mittlerweile inaktiv. Der Name "Repro" steht dabei für "Revolutionäre Propaganda". Der Versand hatte sich an die neonationalsozialistische Szene gerichtet. Dementsprechend wurden Aufkleber, Plakate und Broschüren sowie Propagandamaterialien angeboten, die szenetypisch ausländerfeindliche, antiisraelische und antiamerikanische Aussagen zum Inhalt hatten. Betreiber von REpro-Medien war der Neonationalsozialist Simon RICHTER. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Innerhalb der rechtsextremistischen Szene gab es im Landkreis Bautzen im Berichtsjahr eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Dieses Personenpotenzial stand insbesondere als Mobilisierungspotenzial für rechtsextremistische Veranstaltungen anderer Gruppierungen zur Verfügung. Sie beteiligten sich auch überregional an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. 113 Unter dem Motto "Blind in den Untergang" wurden bereits im Vorjahr in sächsischen Städten Denkmäler verhüllt. In Bautzen hatten Mitglieder der IB ein Schild mit der Aufschrift "Blind in den Untergang?" um den Hals der König Johann Georg-Statue gehängt und die Augen der Skulptur verbunden. Mit dieser Aktion wird die aktuelle Asylpolitik angeprangert, durch die nach Ansicht der IB Deutschland "sehenden Auges" in den Untergang geführt wird. 114 siehe Abschnitt II.1.4.3 Identitäre B ewegung D eutschl and 100 Rec h t se x t r emismus - Chemnitz (Stadt) Der entsprechende Personenkreis fiel im Landkreis Bautzen insbesondere durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Diese richteten sich insbesondere gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner. Ein afghanischer Staatsangehöriger wurde am 5. Januar in Radeberg mit den Worten "Scheiß Ausländer. Geh zurück nach Afghanistan." beleidigt und zudem geschubst. Am 7. August postete eine Person aus Neukirch im Internet, dass man einen suizidgefährdeten Asylsuchenden zu ihm schicken solle, da er einen Räucherofen besitze. Eine Person wurde am 31. Oktober in Bautzen als Jude bezeichnet; sie habe kein Recht, in der Stadt zu sein. Zudem wurde ihr ins Gesicht geschlagen. In den Monaten Januar bis März, Juli, August und Oktober wurden wiederholt Schmierereien, wie "FCK AFA" oder "Fick dich Antifa", in der Stadt Bautzen festgestellt. Parallel dazu wurden Schriftzüge, wie "Nazikiez" oder "NS Zone"115, - so Anfang August an der Spreetalbrücke der BAB 4 - registriert. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Bautzen 165 174 183 8 14 5 1.7.2 Chemnitz (Stadt) In der Stadt Chemnitz waren der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr zwischen 150 und 200 Personen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ging das rechtsextremistische Personenpotenzial somit zurück und lag im sachsenweiten Vergleich im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Die Mitglieder der Partei Der Dritte Weg in Chemnitz sind im "Stützpunkt Westsachsen" organisiert. Nach einer Orientierungsund Findungphase trat der "Stützpunkt Westsachsen" im Juni 2017 erstmals öffentlich in Erscheinung. Er organisierte am 17. Juni eine Kundgebung im Zentrum von Chemnitz. Jedoch wurde deren Leitung durch Maik ARNOLD von der Versammlungsbehörde nicht 115 zeigen rechtsextremistische Gebietsansprüche an 101 Rec h t se x t r emismus - Chemnitz (Stadt) genehmigt, weil bei ihm - als ehemaligem Mitglied der verbotenen Vereinigung der N ationalen S ozialisten Chemnitz (NSC) - Zweifel an der Zuverlässigkeit und Eignung der Person bestanden. Es wurde daher durch den Leiter des "Stützpunktes Vogtland", Rico DÖHLER, letztlich nur ein Informationsstand angemeldet und im südlich gelegenen Chemnitzer Stadtteil Markersdorf eine Flugblatt-Verteilaktion durchgeführt. Einen weiteren Stand organisierte der "Stützpunkt Westsachsen" am 25. November 2017 in Chemnitz. Bei der Kundgebung zum Thema "Winterhilfe - Vom ich zum wir" wurde Essen aus einer Feldküche angeboten. Die Verteilung von Kleiderspenden sowie warmen Speisen und Getränken sollte das rechtsextremistische Ziel der "gelebten Volksgemeinschaft" 116 unterstreichen und die angestrebte Rolle des "Kümmerers" 117 vermitteln. Mit der nachfolgenden Äußerung "Es ist allerhöchste Zeit, dass Aktivisten unserer heimattreuen Partei zukünftig verstärkt in Chemnitz aktiv sein werden" 118 kündigte die Partei D er D ritte Weg zwar eine zunehmende Aktivität im Raum Chemnitz an, setzte dies nachfolgend aber nur bedingt um. N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der NPD-Kreisverband Chemnitz zählte zu den kaum aktiven und eher bedeutungslosen Strukturen der NPD in Sachsen. Öffentliche Aktivitäten, wie Kundgebungen und Demonstrationen, wurden im Berichtsjahr kaum durchgeführt. Lediglich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes machte sich die NPD Chemnitz bemerkbar: Neben Plakatierungen organisierte der Landesverband eine Kundgebungstour, welche die Partei am 14. September 2017 auch nach Chemnitz führte. Die Funktionäre Arne SCHIMMER, Jens BAUR und Frank FRANZ sprachen zum Thema: "Ja zum deutschen Volk - Heimat verteidigen". Eine Resonanz auf die Veranstaltung war jedoch kaum feststellbar. Die seit Mitte 2014 bestehenden JN Chemnitz entwickelten im Berichtsjahr im Vergleich zu anderen "Stützpunkten" der NPD-Jugendorganisation kaum eigene öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Bis zu ihrem Verbot am 28. März 2014 haben die Nationalen Sozialisten Chemnitz (NSC) alljährlich unter der Alternativbezeichnung "Interessengemeinschaft (IG) Chemnitz" Aktivitäten von Rechtsextremisten anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt Chemnitz im Zweiten Weltkrieg organisiert. Die im Jahr 2017 von den JN organisierten Aktivitäten "vergissmeinnicht" anlässlich des 72. Jahrestages der Bombardierung von Chemnitz im Zweiten Weltkrieg fielen vergleichsweise bedeutungslos aus. Im Unterschied zu den Vorjahren verzichtete man auf einen Aufzug und beschränkte sich stattdessen auf eine Kranzniederlegung am 5. März auf dem Städtischen Friedhof. Die JN waren im Jahr 2017 nicht in der Lage, die "Tradition" der Trauermärsche als festen Termin im politischen Kalender sächsischer Rechtsextremisten aufrecht zu erhalten. Offensichtlich fehlte es an Personen, die willens und in der Lage waren, ein solches Großereignis zu organisieren. 116 www.der-dritte-weg.info (Stand: 26. November 2017) 117 siehe Abschnitt II.1.3.1 D er D rit te Weg 118 www.der-dritte-weg.info (Stand: 21. Juni 2017) 102 Rec h t se x t r emismus - Chemnitz (Stadt) Das Objekt der JN in Chemnitz ist der ehemalige Szenetreff der Nationalen S ozialisten Chemnitz (NSC) in der Markersdorfer Straße 40. Es fungiert seit Anfang 2015 gleichfalls als offizielle Geschäftsstelle der JN S achsen . Die Räumlichkeiten wurden für verschiedene Veranstaltungen genutzt, welche zumeist vom Landesverband der JN in Sachsen initiiert wurden. So wurde am 20. Mai 2017 das "4. Seminar für Politik und Zeitgeschichte," auf welchem die bundesweit aktiven Rechtsextremisten Dr. Tomislav SUNIC, Dr. Jörg SCHRÖDER und Johannes SCHARF Vorträge hielten, in Chemnitz durchgeführt. Dort wurde u. a. gefordert, "(...) die wichtigen Kulturen sowie die subrassischen Spezifika zu erhalten (...)".119 Auch 2017 fanden interne Aktivitäten der JN Chemnitz regelmäßig statt. Ziel der Zusammenkünfte war dabei die Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie und die Pflege der Kameradschaft. In diesem Kontext sind auch die alljährlichen Grabpflegeaktionen und "Heldengedenken"120 anlässlich des Volkstrauertages zu werten. So führten Mitglieder der JN Chemnitz auch in diesem Jahr eine Säuberung von Mahnmalen für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten in Chemnitz durch und nahmen am 19. November am gemeinsamen "Heldengedenken" der JN S achsen in Zwickau teil. D ie Rechte Der seit 2016 bestehende Kreisverband Westsachsen der Partei D ie Rechte umfasst auch die Stadt Chemnitz. Obwohl sowohl der Verbandsvorsitzende als auch sein Stellvertreter aus Chemnitz stammen, wurden im Jahr 2017 dort keine öffentlich wirksamen Aktivitäten der Partei festgestellt. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Nach dem Verbot der N ationalen S ozialisten C hemnitz (NSC) Anfang 2014 benötigte die rechtsextremistische Szene in Chemnitz zunächst Zeit, um sich neu zu positionieren. Da es sich bei den NSC um eine gefestigte neonationalsozialistisch ausgerichtete Organisation gehandelt hatte, war damit zu rechnen, dass der Kern der Gruppierung weiterhin rechtsextremistische Aktivitäten entfalten würde. Das Verbot bewirkte offensichtlich eine Zersplitterung der Gruppierung. Der überwiegende Teil der Gruppe schloss sich zunächst der Quelle: www.facebook.com/ERZLICHTER (Stand: 4. Dezember 2017) 119 www.youtube.com; Johannes Scharf "Der Ethnostaat Nova Europa - Die Alternative zu Deutschland" (Stand: 7. Juni 2017) 120 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 103 Rec h t se x t r emismus - Chemnitz (Stadt) subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene an. Andere Mitglieder setzten ihr Engagement bei den Jungen Nationaldemokraten fort oder schlossen sich der rechtsextremistischen Partei D er D ritte Weg an. Von der Gründung des "Stützpunktes Mittelsachsen/Erzgebirge" im Jahr 2015 bis zu seiner Aufgliederung in die zwei "Stützpunkte Westsachsen" und "Mittelsachsen" im März 2017 war Maik ARNOLD, ein ehemaliges Führungsmitglied der NSC, "Stützpunktleiter". Zu Beginn des Jahres 2016 versuchte das überregional agierende rechtsextremistische Netzwerk Rechtes P lenum121 neben der bereits "etablierten" neonationalsozialistischen Szene in Chemnitz Fuß zu fassen. Im Jahr 2017 wurden jedoch keine eigenen Veranstaltungen der Gruppierung im Chemnitzer Raum bekannt. Anfang November 2016 hatte das von Linksextremisten genutzte und zwischenzeitlich verbotene Internetportal linksunten.indymedia.org122 mehrere Personen öffentlich als Rechtsextremisten geoutet. Es ist anzunehmen, dass dieses Outing, aber auch interne Probleme Gründe für die Inaktivität dieses Personenkreises waren. Ende 2017 wurde eine Gruppe mit dem Namen Erzlichter im Erzgebirgskreis bekannt. Der Facebook-Auftritt der Erzlichter legt nahe, dass es sich hier um ehemalige Angehörige der mittlerweile nicht mehr aktiven Gruppierung Kopfsteinpflaster123, handelt. Von Erzlichter gingen im Jahr 2017 vereinzelt Aktivitäten aus. Seit Dezember 2017 sind sie jedoch nicht mehr in sozialen Netzwerken vertreten. Im Rahmen einer Reihe von Veranstaltungen im Landkreis Mittelsachsen fand am 9. Dezember 2017 ein "Zeitzeugenvortrag" 124 in Chemnitz statt. Nachdem das eigentlich vorgesehene Objekt aufgrund behördlicher Maßnahmen nicht genutzt werden konnte, wurde die sogenannte Große Soldatenweihnacht in einem Gasthof durchgeführt. Es nahmen ca. 160 Personen aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg teil. Dem Motto der Veranstaltung entsprechend wurde u. a. über das Thema "Weihnachten im Schützengraben" referiert. Als "Zeitzeuge" war ein ehemaliger Soldat der Wehrmacht eingeladen worden. Neben den neonationalsozialistischen Strukturen gibt es in Chemnitz auch subkulturelle Gruppierungen. Deren Mitglieder beteiligten sich vor allem an Aktivitäten wie rechtsextremistiQuelle: Lf V Sachsen schen Konzerten und szeneinternen Fußballveranstaltungen (Stand: 15.November 2017) der rechtsextremistischen Fußballfangruppierungen New S ociety (NS-B oys) und K aotic aus dem Umfeld des Chemnitzer FC. Bis 121 Der Schwerpunkt des Rechten P lenums lag außerhalb von Sachsen. 122 siehe Abschnitt II.3.3 A utonome 123 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016, S. 99 f. und 142 f. 124 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 104 Rec h t se x t r emismus - Chemnitz (Stadt) zum Verbot der N ationalen S ozialisten C hemnitz hatte es zwischen diesen und den genannten Gruppierungen personelle Überschneidungen sowie gemeinsame Aktivitäten gegeben. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage In der Stadt Chemnitz existieren Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. Hier sind die Bands Blitzkrieg und P ionier sowie der Liedermacher Barny ansässig. Letzterer ist auch am Bandprojekt Treueschwur beteiligt. Auftritte in Chemnitz wurden nicht bekannt. Die seit rund 15 Jahren aktive Musikgruppe Blitzkrieg zählt bundesweit zu den bekanntesten Bands der rechtsextremistischen Szene, die oft an bedeutenden Konzertereignissen im Inund Ausland teilnimmt. In Heudicourt-sous-les-CA'tes am Lac de Madine im Nordosten Frankreichs fand am 18. März 2017 ein von Hammerskins organisiertes Konzert statt, an dem sich mehr als 1.000 Rechtsextremisten beteiligten. Die Band Blitzkrieg trat dort zusammen mit D ivison Germania (NordrheinWestfalen), F ortress (Australien), Heiliger K rieg (Sachsen) und S quadron (Großbritannien) auf. Blood and Honour Schweden kündigte für den 3. Juni 2017 ein Konzert in Schweden mit Blitzkrieg , The Honkies (Schweden) und HunD river (Ungarn) an. Auch in Sachsen trat Blitzkrieg auf. Am 9. September 2017 fand im Szeneobjekt in Staupitz ein Konzert statt, bei dem Auftritte der rechtsextremistischen Bands Gesta Bellica (Italien), Blackout (Großbritannien), S chlachtruf Germania aus Norddeutschland sowie Blitzkrieg geplant waren. Die Band Pionier zeigte im Jahr 2017 kaum Aktivitäten. Lediglich im März 2017 beteiligte sie sich einem Facebook-Post zufolge an einem Konzert. Darüber hinaus war sie mit einem Titel auf dem von PC-Records im Berichtsjahr herausgegebenen Sampler "Tag der deutschen Zukunft 2017" beteiligt. Der in Chemnitz wohnhafte Liedermacher Barny verfügt über ein vergleichsweise hohes Renommee innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene. Er ist seit etwa zehn Jahren aktiv und veröffentlichte bislang mehrere Tonträger und Samplerbeiträge. Neben seinen Solo-Auftritten wirkte er auch bei verschiedenen rechtsextremistischen Bands und Bandprojekten wie Sista Bataljen oder bei der Band Verboten (Erzgebirgskreis) mit. Oft tritt Barny gemeinsam mit dem aus Aue stammenden Liedermacher Rommel bei Musikveranstaltungen auf. Das Bandprojekt Treueschwur gab im Jahr 2017 das Album "Treueschwur - Damals wie heute" bei OPOS-Records heraus. Nach einer Beschreibung zur Herausgabe des Tonträgers war auch Barny an diesem Projekt beteiligt. In Chemnitz gibt es neben PC-Records125 noch ein weiteres Ladengeschäft, dessen Sortiment auf die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene ausgerichtet ist. 125 siehe Abschnitt II.1.4.5 Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 105 Rec h t se x t r emismus - Dresden (Stadt) Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Die Verbindungen der Angehörigen der unstrukturierten subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene in der Stadt waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Man beteiligte sich an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Gleichwohl stand das Personenpotenzial für Mobilisierungen für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Innerhalb dieses unstrukturierten Personenpotenzials befinden sich auch Rechtsextremisten, die der Fußballfanszene angehören. Hauptsächlich fiel die unstrukturierte Szene durch die Begehung von Strafund Gewalttaten, insbesondere gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner auf. So wurde am 8. April eine Person mit dunkler Hautfarbe in Chemnitz von zwei Personen angegriffen, welche zudem den Hitlergruß zeigten. Dem Opfer wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Am 29. Juli schlugen zwei Tatverdächtige einen jungen Asylbewerber. Dabei wurde bei einem Täter eine Hakenkreuz-Tätowierung am Oberkörper sichtbar. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Chemnitz (Stadt) 144 242 160 8 15 6 1.7.3 Dresden (Stadt) In Dresden gehörten im Jahr 2017 etwa 350 bis 400 Personen der rechtsextremistischen Szene an. Damit blieb das Personenpotenzial im Vergleich zu den Vorjahren konstant und lag im sachsenweiten Vergleich unverändert im oberen Bereich. Parteien N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der Kreisverband der N ationaldemokratischen Partei D eutschlands (NPD) in Dresden zählte im Jahr 2017, wie schon im Vorjahr, zu den noch aktiven NPD-Strukturen im Freistaat Sachsen. Neben dem Bundestagswahlkampf war der NPD-Kreisverband Dresden lediglich mit den Aktivitäten anlässlich des 17. Juni öffentlich wahrnehmbar. Wie bereits in den Vorjahren meldete die NPD eine Demonstration unter dem Motto: "Damals wie heute: soziale Gerechtigkeit für deutsche Arbeiter!" an. Die Beteiligung blieb mit etwa 60 Personen 106 Rec h t se x t r emismus - Dresden (Stadt) weit unter den Erwartungen der Veranstalter; sie hatten mit 150 Teilnehmern gerechnet. Als Redner traten u. a. die führenden Dresdner Rechtsextremisten und Direktkandidaten der NPD für die Bundestagswahl 2017, Jens BAUR und Dietmar GRAHL, auf. Darüber hinaus brachten sich die JN Dresden um Maik MÜLLER mit eigenen, die Demonstration flankierenden Aktivitäten in die Ausgestaltung der Aktionen anlässlich des 17. Juni 2017 in und um Dresden ein. Die Teilnehmerzahl der Demonstration entsprach dem lokalen Jens BAUR als Redner, Quelle: Mobilisierungspotenzial, über das der NPD-Kreisverband Facebook-Profil der JN Dresden Dresden sowie der JN-"Stützpunkt" Dresden momentan (Stand: 19. Juni 2017) verfügen. Bis auf die in der szeneeigenen Berichterstattung erwähnte tschechische Delegation besaß die Veranstaltung keine überregionale Anziehungskraft, zumal zum gleichen Termin bundesweit eine Vielzahl anderer rechtsextremistischer Veranstaltungen stattfand. Wie in den Vorjahren bei Aktivitäten anlässlich des 13. Februar126 gingen NPD-Kreisverband und JN-"Stützpunkt" auch hier ein anlassbezogenes funktionales Bündnis ein. Für die Bundestagswahl 2017 traten für die NPD in Sachsen lediglich drei Direktkandidaten an, zwei davon aus Dresden: Jens Maik MÜLLER übersetzt die BAUR im Wahlkreis 160 und Dietmar GRAHL im Wahlkreis 159. Rede eines Gastes aus der Die Wahlkampfaktivitäten der NPD in Sachsen beschränkten sich Tschechischen Republik, Quelle: auf Plakatierungen sowie die Durchführung von InformationsstänFacebook-Profil der JN Dresden den, wobei hier ein Schwerpunkt beim Kreisverband Dresden lag. (Stand: 19. Juni 2017) Mit dem Dresdner "Stützpunktleiter" MÜLLER hat im September 2017 ein bundesweit vernetzter Akteur die Führung der JN Sachsen übernommen. Ob er angesichts der auch im Bundesverband bestehenden Führungskrise neue Akzente setzen und den Abwärtstrend der JN zumindest im Freistaat Sachsen aufhalten können wird, bleibt abzuwarten. Die seit Jahren von MÜLLER initiierten Aktivitäten rund um den Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar dürften nun wieder verstärkt unter dem Label der JN stattfinden. Neben der erwähnten Beteiligung an den Aktivitäten anlässlich des 13. Februar sowie des 17. Juni ist der JN-"Stützpunkt" Dresden Ende September 2017 auch mit der Ausrichtung eines sogenannten Sächsisch-böhmischen Kulturtages in Erscheinung getreten, jedoch blieben sowohl Teilnehmerzahl als auch öffentliche Wirksamkeit gering. 126 Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg 107 Rec h t se x t r emismus - Dresden (Stadt) Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Wie auch in den Vorjahren führten Rechtsextremisten anlässlich des 72. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden im Zweiten Weltkrieg verschiedene Aktivitäten im Rahmen der sogenannten Aktionswoche zum 13. Februar durch. Höhepunkt war die als "Trauermarsch"127 deklarierte Demonstration am 11. Februar 2017 unter dem Motto "Dresden-Gedenken 2017. Im Gedenken der Opfer des alliierten Bombenangriffes vom 13. Februar 1945" mit ca. 700 Teilnehmern. Die Mobilisierung begann zum Jahreswechsel auf dem neu erstellten und nach wie vor aktiven Facebook-Profil "dresden-gedenken.info", über das auch das Kampagnenmaterial bezogen werden konnte. Eine weitere Verbreitung via Facebook erfolgte zeitnah sowohl regional als auch überregional. Im Vergleich zu den Vorjahren entfalteten die Rechtsextremisten im Rahmen der "Aktionswoche" deutlich weniger Aktivitäten; zudem beschränkten sie sich nahezu ausschließlich auf das Stadtgebiet von Dresden. Auch die Berichterstattung im Internet war weniger ausführlich. Es wurde lediglich auf der Facebook-Seite "dresden-gedenken.info" gepostet und von dort durch die Profile der JN Dresden sowie der neonationalsozialistischen Szene Dresden, wie von den seit Herbst 2017 nicht mehr aktiven Freie A ktivisten Dresden, geteilt. Die Aktivitäten beschränkten sich im Wesentlichen auf Luftballonaktionen, Informationstische und eine Gedenkveranstaltung an der Dresdner Skulptur "Trümmerfrau". Maik MÜLLER hatte den "Trauermarsch" unter Ausnutzung der gesetzlichen Anmeldefrist erneut sehr kurzfristig angemeldet. Neben ihm als Organisator sprachen im Rahmen der Veranstaltung Rechtsextremisten aus der Tschechischen Republik, Österreich (von Rechtsextremisten als "Ostmark" bezeichnet) und Serbien. Neben einer Vielzahl z. T. bekannter sächsischer Rechtsextremisten beteiligten sich an dem "Trauermarsch" Personen aus anderen Bundesländern sowie dem europäischen Ausland (nach Szeneangaben aus der Tschechischen Republik, Österreich, Frankreich und Serbien). Mit ca. 700 Teilnehmern lag die Veranstaltung über den Erwartungen des Anmelders; er hatte mit 500 Teilnehmern gerechnet. Im Vergleich zu den Vorjahren (2015: ca. 500, 2016: ca. 650 Teilnehmer) setzte sich damit der geringe, aber kontinuierliche Anstieg der Teilnehmerzahlen fort. Die Szene bewertete die Durchführung des "Trauermarsches" als Erfolg. Sie wird versuchen, in den nächsten Jahren daran anzuknüpfen. Darüber hinaus waren eigene Aktivitäten der neonationalsozialistischen Szene in Dresden im Berichtsjahr nicht feststellbar. Die Szene wurde mit keinerlei eigenen Aktivitäten öffentlich wahrgenommen. Eine Ursache hierfür dürften die Exekutivmaßnahmen gegen die F reie K ameradschaft D resden (FKD) am 30. November 2016, die Verurteilung ihrer Mitglieder128 sowie anhängige Verfahren gegen führende Szeneaktivisten sein. Identitäre Bewegung Die Ortsgruppe Dresden gehörte im Jahr 2017 zu den aktiveren Ortsgruppen der IB im Freistaat Sachsen. Ihre Mitglieder verteilten Flyer im Stadtgebiet, brachten Plakate und Banner an und beteiligten sich an Aufzügen von PEGIDA129. Mit Redeauftritten bei PEGIDA-Aktionen konnten sowohl 127 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 128 Mitglieder der FKD wurden im August 2017 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. 129 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 108 Rec h t se x t r emismus - Dresden (Stadt) ein Mitglied der IB-Ortsgruppe Dresden (am 20. Februar 2017), der Leiter der IB Berlin-Brandenburg Robert TIMM (am 27. Februar 2017, 12. Juni 2017 und 4. September 2017) als auch - wie bereits im Vorjahr - der Leiter der IB Österreich Martin SELLNER (am 27. März 2017 und am 28. Oktober 2017) für die Gruppierung werben. In einem Flyer, der im Stadtgebiet Dresden verteilt wurde, stellt die IB Dresden die Identitäre Bewegung als "Wir sind die Jugend ohne Migrationshintergrund" dar. Diese Abgrenzung verdeutlicht den auf Ausgrenzung und Ungleichbehandlung zielenden Charakter der IB. In Dresden fand zudem mit dem Befestigen eines Banners und einer Fahne an der Installation "Monument"130 in der Nähe der Frauenkirche die pressewirksamste Aktivität der IB in Sachsen im Jahr 2017 statt. Aufgrund der kontroversen öffentlichen Diskussion zur Errichtung der Installation hatte die IB bewusst diese für ihre Aktion ausgewählt. Mit der Aufschrift "Eure Politik ist Schrott! Keine Waffenlieferungen Keine Hilfskriege Keine Migration" zeigte sie, dass die Grundidee ihrer Überzeugungen die Ablehnung jedweder Migration ist. Die Aktion - so zeigt auch ein von der IB verbreitetes Video - war umfangreich vorbereitet und unter Beteiligung von führenden Personen der IB Deutschland und Österreich durchgeführt worden. Quelle: www.facebook.com/IBSachsen (Stand: 20. Februar 2017) Mitglieder der Dresdner Ortsgruppe beteiligten sich zudem an Aktivitäten außerhalb des Freistaates Sachsen, u. a. an einer Protestaktion vor dem Bundesministerium für Justiz am 19. Mai 2017 in Berlin sowie an einer Banneraktion am 3. Juni 2017 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt). 130 Es handelt sich um eine Installation des syrisch-deutschen Künstlers Manaf Halbouni als Zeichen der Mahnung an das Leid der von Krieg und Zerstörung betroffenen Menschen in Syrien und andernorts. 109 Rec h t se x t r emismus - Dresden (Stadt) Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Die rechtsextremistische Musikszene ist in Dresden mit den Bands Sachsonia , Blutzeugen, Brainwash, Endless Struggle und Hope F or The Weak vertreten. Auftritte in Dresden wurden allerdings nicht bekannt. Die Band S achsonia trat am 25. November 2017 bei einer Konzertveranstaltung im Musikobjekt in Staupitz (Lkr. Nordsachsen) zusammen mit den sächsischen Bands Stahlwerk , Thematik 25 sowie Jolly Rogers aus Spanien vor ca. 200 Teilnehmern auf. Die Dresdner Band Blutzeugen war an der größten rechtsextremistischen Musikveranstaltung in der Bundesrepublik im Jahr 2017 beteiligt. Am 15. Juli 2017 versammelten sich rund 6.000 Rechtsextremisten im thüringischen Themar zu einem als politische Kundgebung angemeldeten Konzert, auf der Blutzeugen gemeinsam mit renommierten Bands, wie Stahlgewitter (Niedersachsen), FLAK (Nordrhein-Westfalen) oder D ie L unikoff Verschwörung (Berlin), auftraten. Darüber hinaus engagierte sich die Band auch bei Konzertveranstaltungen im Ausland. So wurde sie für ein Konzert in Polen am 9. September 2017 zusammen mit den Bands White L aw (Großbritannien), O bled und O dwet (Polen) angekündigt. Auch die Band Brainwash, deren Mitglieder aus Sachsen und Brandenburg stammen, war im Jahr 2017 bei verschiedenen Konzerten im Ausland vertreten. Am 4. November 2017 beteiligte sich die Band an einem Blood & Honour-Konzert in Portugal. Der im Jahr 2015 von der Band herausgegebene Tonträger "Save our kind defend Europe" wurde im Februar 2017 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Das Textil-Label D ry ve by Suizhyde und das zugehörige Design-Studio Mudhater ist in Dresden ansässig. Das Sortiment des Unternehmens wird über den eigenen Versand im Internet und weitere Vertriebsfirmen verkauft. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen gibt es in Dresden eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen in der Stadt waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Innerhalb dieses unstrukturierten Personenpotenzials befinden sich auch Rechtsextremisten, die der Fußballfanszene angehören. Hauptsächlich fiel die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene in Dresden durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Insbesondere richteten sich die Gewalttaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner. So attackierten am 16. Januar drei Personen einen Deutschen mit syrischem Migrationshintergrund. Er wurde rassistisch beleidigt und zu Boden gestoßen. Am 27. Februar wurde auch ein eritreischer Staatsangehöriger wegen seiner Hautfarbe beleidigt; ihm wurde ins Gesicht geschlagen. Ein afghanischer Jugendlicher wurde am 17. März vor seiner Asylbewerberunterkunft mit 110 Rec h t se x t r emismus - Erzgebirgskreis den Worten "Du Scheiß-Ausländer" beleidigt und mit einer Flasche am Hinterkopf getroffen. Mit derselben Wortwahl wurde am 20. Mai ein weiterer afghanischer Asylbewerber von drei Tätern festgehalten, zu Boden gestoßen und getreten. Am 11. Juni wurde ein iranischer Staatsangehöriger von drei Personen angerempelt. Diese forderten ihn auf, in sein Land zu "verschwinden". Der Iraner ging nach einem Schlag auf den Hinterkopf zu Boden, woraufhin die Täter weiterhin auf ihn einschlugen und -traten. Auch ein beninischer Staatsangehöriger wurde am 14. Oktober von fünf Personen ausländerfeindlich beleidigt sowie geschlagen und getreten. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten beteiligten sich auch überregional an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Sie standen als Mobilisierungspotenzial auch für die Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Die Grenzen zur neonationalsozialistischen Szene sind fließend, sodass für Dresden zunehmend von einer Mischszene ausgegangen werden muss. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Dresden (Stadt) 407 376 302 56 25 21 1.7.4 Erzgebirgskreis Im Erzgebirgskreis waren der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr zwischen 150 und 200 Personen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ging das rechtsextremistische Personenpotenzial zurück und lag im sachsenweiten Vergleich im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Die Mitglieder der Partei Der Dritte Weg im Erzgebirgskreis sind im "Stützpunkt Westsachsen" organisiert. Der "Stützpunkt Westsachsen" war im Jahr 2017 in seinem selbsterklärten Aktionsraum des Erzgebirgskreises kaum öffentlich wirksam. Mitglieder dieses "Stützpunktes" beteiligten sich lediglich an den Protestaktionen gegen den Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Merkel am 17. August 2017 in AnnabergQuelle: www.der-dritte-weg.info Buchholz. Aufgrund der umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen (Stand: 18. August 2017) 111 Rec h t se x t r emismus - Erzgebirgskreis der Polizei gelang es den Akteuren jedoch nicht, bis auf den Marktplatz vorzudringen. Man positionierte sich stattdessen in einer Parallelstraße mit Sichtkontakt zum Marktplatz. Es wurden das Banner der Partei präsentiert und Flugblätter sowie das Parteiprogramm verteilt. N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der Kreisverband der NPD war 2017 kaum politisch aktiv. Lediglich im Rahmen des Bundestagswahlkampfes organisierte der NPD-Landesverband Plakatierungen und eine Kundgebungstour, welche die Partei am 14. September 2017 auch nach Aue führte. Die Funktionäre Stefan HARTUNG, Arne SCHIMMER, Jens BAUR und Frank FRANZ traten als Redner auf. Einzelne Parteimitglieder, u. a. der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Erzgebirge Stefan HARTUNG, beteiligten sich außerdem am 17. August 2017 an den Protestaktionen gegen den Wahlkampfauftritt der Bundeskanzlerin in Annaberg-Buchholz. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Zu den parteiungebundenen neonationalsozialistisch ausgerichteten Strukturen im Erzgebirgskreis zählt der aus der einstigen Kampagne "Freigeist" entstandene Verein Freigeist e. V. Gründer des Vereins ist der Kreisverbandsvorsitzende der NPD für den Erzgebirgskreis, Stefan HARTUNG. Schon seit einigen Jahren ist HARTUNG in der Region - allerdings ohne Herstellung eines NPD-Bezugs - im Rahmen der Freigeist-Kampagne mit Demonstrationen gegen die Asylpolitik politisch in Erscheinung getreten. Die letzte von ihm im Erzgebirgskreis organisierte Demonstration im Rahmen der Asylthematik fand am 9. April 2016 unter dem oft von der NPD verwendeten Motto "Tradition statt Invasion" in Aue statt. An der als "Sternmarsch" deklarierten Veranstaltung beteiligten sich rund 600 Personen. Nachdem die Asylthematik nicht mehr ganz so stark im öffentlichen Fokus stand, passte auch HARTUNG seine Aktivitäten an. So organisierte F reigeist e . V. am 12. Mai 2017 in Schwarzenberg einen Liederabend mit dem rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE. An der Veranstaltung nahmen etwa 100 Personen teil. Des Weiteren meldete HARTUNG für den 2. September 2017 eine Versammlung zum Thema: "Freigeistiger Heimatabend für Freiheit und Gerechtigkeit" erneut unter Teilnahme von Frank RENNICKE; Quelle: www.facebook.com/Stefan RENNICKE in Schwarzenberg an. An der VerHartung (Stand: 12. Mai 2017) sammlung nahmen ca. 300 Personen teil. Im Erzgebirgskreis kam es verstärkt zu einem Zusammenwirken einzelner Rechtextremisten mit nicht extremistischen Vereinen. Im Zuge regionaler sowie bundesweiter asylbezogener 112 Rec h t se x t r emismus - Erzgebirgskreis Demonstrationen haben sich neue Kennverhältnisse und Aktionsbündnisse zwischen einzelnen Rechtextremisten der Region gebildet. Auch die Aktivitäten des Mike ARNOLD131 als Vorsitzender des nicht extremistischen Vereins "Unsere Heimat - unsere Zukunft" stehen in diesem Zusammenhang. Auch hierdurch könnte es Rechtsextremisten gelingen, extremistische Inhalte und Aktivitäten mit nicht extremistschen Vereinen zu verbinden und diese damit für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.132 Quelle: https:/twitter.com/Erzlichter (Stand: 4. Dezember 2017) Im Erzgebirgskreis war im Jahr 2017 erstmals die Gruppe mit dem Namen Erzlichter aktiv133 . Neben Schmierereien, die von ihr ausgingen, kam es auch zu einer "Grabpflegeaktion"134 anlässlich des Volkstrauertages am 25. November 2017 in Oelsnitz. Identitäre Bewegung Die Ortsgruppe Erzgebirge der Identitären Bewegung (IB) besteht nach eigenen Angaben seit Anfang November 2015. 131 siehe Abschnitt II.1.7.2 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen - Chemnitz (Stadt) 132 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 133 siehe Abschnitt II.1.7.2 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen - Chemnitz (Stadt) 134 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 113 Rec h t se x t r emismus - Erzgebirgskreis Neben Banner-, Flugblattund Luftballonaktionen, die im Jahr 2017 im Erzgebirgskreis stattfanden, veranstaltete die Ortsgruppe am 5. Februar einen "Stammtisch" mit ca. 20 Teilnehmern, um neue Interessenten für die IB zu gewinnen. Im Rahmen des Auer Stadtfestes führte die IB am 16. Juli 2017 eine nicht angemeldete Versammlung durch. Einzelne der etwa zehn bis 15 Teilnehmer waren mit einer Burka bekleidet und trugen Plakate mit islamdiffamierenden Aufschriften ("ISLAM ist Unterwerfung", "ISLAM ist die Entrechtung der Frau!" und "ISLAM ist verschleierter Terror"). Weiterhin verteilten sie Flyer an Besucher des Stadtfestes. Die Polizei ermittelte in der Folge wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Im Erzgebirgskreis bestehen Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. Hier sind die rechtsextremistischen Musikgruppen Verboten, Sista Bataljen, White Resistance und Paranoid aktiv. Auftritte dieser Bands im Erzgebirgskreis wurden nicht bekannt. Der im Jahr 2015 erschienene Tonträger "Gender mich nicht voll" der Band Paranoid wurde im April 2017 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Das Gremium war bei der Prüfung dieses Tonträgers zu der Auffassung gelangt, dass Liedtexte zum Rassenhass und zu Gewalttätigkeiten anreizen. In einem Interview mit einem Bandmitglied von Paranoid im Fanzine135 SPEKTAKULEER wurde angegeben, dass Auftritte der Band bisher gescheitert seien, da "zwischen mir und potenziellen Live-Musikern Kilometer lagen. (...) Der Plan ist, dieses Jahr (2017) den ersten Live-Auftritt zu verwirklichen". Erkenntnisse zu einem Live-Auftritt wurden bisher jedoch nicht bekannt. Im November gab die Band ein neues Album mit der Bezeichnung "Ganz normale Leute" heraus. Die Band Verboten trat am 28. Januar 2017 bei einem Blood & Honour-Konzert in England auf. Darüber hinaus berichtete die Band auf ihrer Facebook-Seite, dass eine "junge Dame" als Bassistin gewonnen werden konnte und sie nun eine "waschechte 5Mann/Frauband" 136 wären. Die seit 2000 bekannte Band White Resistance besteht aus vier Bandmitgliedern. Eines davon tritt bei Musikveranstaltungen auch unter der Bezeichnung R ac 'N'Roll Teufel auf. Die Band White Resistance war im Jahr 2017 an Konzertveranstaltungen in Staupitz (Lkr. Nordsachsen) beteiligt. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen gibt es im Erzgebirgskreis eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der 135 siehe Glossar 136 www.facebook.com/Verboten (Stand: 18. Februar 2017) 114 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Görlitz Szeneangehörigen in dem Landkreis waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten beteiligten sich an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Sie standen im Übrigen als Mobilisierungspotenzial auch für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Hauptsächlich fiel dieses Personenpotenzial im Erzgebirgskreis durch die Begehung von Strafund Gewalttaten, insbesondere gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner auf. Bei einer Auseinandersetzung am 21. März zwischen zwei Jugendgruppen in Schwarzenberg wurde aus einer Gruppe heraus der Hitlergruß gezeigt sowie "Sieg Heil" und "Juden vergasen" gerufen. Im weiteren Verlauf kam es zu körperlichen Angriffen aus dieser Gruppe. Am 24. März erhielt ein libyscher Staatsangehöriger in Johanngeorgenstadt einen Fausthieb auf ein Auge. Der Täter vollführte den Hitlergruß und rief "Heil Hitler". In Aue wurde am 25. Mai ein Rad fahrendes Kind syrischer Herkunft von zwei Tätern zu Fall gebracht und ihm mit einer Bierflasche auf die Hand geschlagen. Am 10. Juni kam es in Schwarzenberg zu einem Übergriff einer Gruppe Deutscher auf eine Gruppe von afghanischen Staatsangehörigen. Sie griffen diese tätlich an und warfen Bierflaschen nach ihnen. Mit einem Faustschlag auf ein Auge wurde in einem Linienbus in Bad Schlema am 8. Dezember eine deutscher Jugendlicher mit vietnamesischem Migrationshintergrund angegriffen. Zuvor war er vom Täter rassistisch beleidigt worden. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Erzgebirgskreis 139 176 137 9 6 7 1.7.5 Landkreis Görlitz Im Landkreis Görlitz gehörten der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr zwischen 150 und 200 Personen an. Das rechtsextremistische Personenpotenzial blieb somit konstant und lag im sachsenweiten Vergleich im mittleren Bereich. Parteien N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Nach einer Austrittswelle Ende 2014 entwickelte sich der NPD-Kreisverband Niederschlesien-Oberlausitz zu einer weitgehend bedeutungslosen und kleinen Struktur, die kaum 115 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Görlitz öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltete. Lediglich der NPD Landesverband Sachsen führte im Jahr 2017 eine Wahlkampfveranstaltung zur Bundestagswahl in Görlitz durch. Jedoch erzielten weder der Infostand noch eine Kundgebung eine nennenswerte Resonanz in der Bevölkerung. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen Im parteiungebundenen Spektrum der rechtsextremistischen Szene agierten im Landkreis Görlitz die neonationalsozialistischen Gruppierungen Kollektiv O berlausitz in Weißwasser sowie die F reien K räfte Mittel /O stsachsen (FKMO). Das Kollektiv O berlausitz wurde im März 2017 bekannt. Es entstand aus einer Abspaltung von Mitgliedern der Brigade 8 Weisswasser; seine Symbolik orientiert sich an dem bundesweit agierenden A ntikapitalistischem Kollektiv137. Führungsperson dieser Gruppierung ist der bundesweit auftreQuelle: Facebook-Profil Kollektiv tende Liedermacher O iram, Mario ALBRECHT aus Sachsen- O berlausitz (Stand: 13. März 2017) Anhalt. Dem Kollektiv O berlausitz werden nur noch einzelne Personen zugerechnet. Sie nutzen ein Objekt in Weißwasser, indem sie u. a. am 4. November 2017 ein rechtsextremistisches Konzert durchführten. Nachdem die F reien K räfte Mittel /O stsachsen (FKMO) im Jahr 2016 noch eine asylfeindliche Demonstration in Löbau durchgeführt hatten, traten sie im Berichtsjahr als Gruppierung öffentlich nicht mehr in Erscheinung. Die FKMO mobilisierte lediglich für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Gruppierungen. Führungsperson ist Matthias LANGER, der zuvor Kreisverbandsvorsitzender der Partei D ie Rechte in Görlitz gewesen war. Dieser Kreisverband existiert mittlerweile nicht mehr. Die rechtsextremistische Szene im Landkreis organisierte im Jahr 2017 zwei größere Veranstaltungen. Am 12. August fand das "2. Ostsächsische Sportund Familienfest" auf dem Gelände des Hotels "Neißeblick" in Ostritz statt. Quelle: Facebook-Profil Band Terrorsphära (Österreich) Diese Lokalität wurde schon in der Vergangenheit von Rechts(Stand: 11. August 2017) extremisten für Veranstaltungen genutzt. So wurde dort u. a. im Jahr 2012 ein Bundesparteitag der NPD durchgeführt. 137 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 116 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Görlitz Trotz fehlender öffentlichkeitswirksamer Mobilisierung hatte die Veranstaltung mit ca. 150 Teilnehmern einen ähnlichen Zulauf wie im Vorjahr. Dies verdeutlicht das Interesse der rechtsextremistischen Szene an Veranstaltungen dieser Art. Bei der Durchführung von sogenannten Sportfesten steht die rechtsextremistische Zielsetzung zunächst im Hintergrund. Weil sie vordergründig unpolitisch ausgerichtet ist, dient sie vor allem der Rekrutierung potenziellen Nachwuchses für die Szene. Im Anschluss an das Sportfest fand unter dem Motto "Rock nach dem Sport" eine Musikveranstaltung statt, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Anlässlich des Volkstrauertages am 19. November 2017 fanden "Gedenkveranstaltungen" der Neo - nationalsozialisten statt, so u. a. auch ein Fackelmarsch in Görlitz.138 Am 2. Dezember fand ein sogenannter Zeitzeugenvortrag mit der mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin Ursula HAVERBECK in Weißwasser vor ca. 150 Personen statt. Diese nutzt ihre Vorträge innerhalb der Szene regelmäßig zur Verbreitung volksverhetzender Ansichten. Zur subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene im Landkreis Görlitz zählt u. a. die Brigade 8, eine Gruppierung mit neonationalsozialistischen Bezügen, die in Hierarchie und ihrem Auftreten mit einheitlichen Lederkutten Rockergruppierungen ähnelt. Die Brigade 8 ist bundesweit organisiert und unterhält ein Quelle: Facebook-Profil B rigade 8 "Chapter Weißwasser", das sich auch "Chapter Ostdeutschland" D eutschland bzw. "Chapter Eastside" nennt. (Stand: 24. Oktober 2016) Nachdem das Treffobjekt der Brigade 8 in Weißwasser - eine ehemalige Gaststätte - nicht mehr durch diese genutzt werden konnte, dient seit Oktober 2017 ein neues Objekt in Mücka ihren Zusammenkünften. Bei der Eröffnungsveranstaltung für das Quelle: Facebook-Profil B rigade 8 neue Objekt nahmen ca. 120 Personen teil. (Stand: 18. August 2017) Die Brigade 8 führte - wie auch im Vorjahr - regelmäßig Veranstaltungen durch, bei denen auch rechtsextremistische Bands und Liedermacher auftraten. Ebenfalls zur subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene im Landkreis Görlitz zählt der Verein N ationaler Jugendblock e . V. (NJB). Seine Bedeutung für die regionale Szene hat in den zurückliegenden Jahren allerdings kontinuierlich abgenommen. Bemühungen, auch überregional als extremistischer Personenzusammenschluss aufzutreten, waren nicht erkennbar. Gleichwohl bestanden Kontakte zu rechtsextremistischen Strukturen im regionalen Umfeld. Der NJB verfügt seit mehreren Jahren über ein Vereinshaus in Zittau, das für Treffen und Veranstaltungen genutzt wird. In dem Objekt fand am 2. September 2017 eine Feier anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Vereins statt. Die dabei erreichten Teilnehmerzahlen von etwa 150 Personen zeigen jedoch, 138 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 117 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Görlitz dass der Verein immer noch einen gewissen Bekanntheitsgrad in der rechtsextremistischen Szene besitzt und ein entsprechendes Personenpotenzial mobilisieren kann. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Die rechtsextremistische Musikszene im Landkreis Görlitz ist lediglich durch den Liedermacher Oiram vertreten, welcher u. a. mit seinem im Dezember 2016 gegründeten Bandprojekt Feuerbefehl aktiv ist und im Jahr 2017 seinen Wohnsitz nach Sachsen verlegt hat. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenp otenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen existiert im Landkreis Görlitz eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen dieser Personen im Landkreis waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Subkulturell Quelle: www.facebook.com/Oiram geprägte Rechtsextremisten beteiligten sich auch überregional (Stand: 19. Dezember 2016) an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Sie standen im Übrigen als Mobilisierungspotenzial, z. B. für die Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure, zur Verfügung und nahmen außerdem regelmäßig, vereinzelt auch überregional, an asylbezogenen Veranstaltungen teil. Hauptsächlich fiel die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Sie richteten sich insbesondere gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner. Am 6. Januar wurde in Görlitz ein pakistanischer Staatsangehöriger mit den Worten "White Power", "Drecksvieh" und "Wenn ich dich sehe, krieg ich Hakenkreuze in den Augen." beschimpft. Ebenfalls in Görlitz wurde am 26. und 27. August auf offener Straße "Sieg Heil" und "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gerufen. In Weißwasser kam es am 24. Mai zu einem Vorfall, bei dem ein Deutscher mit seinem Auto auf ein Kind mit dunkler Hautfarbe zuraste und nur kurz vor diesem zum Stehen kam. Der Täter fühlte sich durch die Anwesenheit des Kindes und seiner Mutter, einer deutschen Staatsangehörigen, gestört. Diese hätte man zu Nazizeiten vergast, sie seien "Pack" und würden auf seine Kosten leben, so der Täter. Eine Person aus Markersdorf postete am 20. Februar im Internet ein Bild von einem Konzentrationslager mit dem Titel "Hier neue Unterkunft für Asylanten". Wenige Tage zuvor hatte er bereits einen Kommentar im Zusammenhang mit einer wohnungssuchenden syrischen Flüchtlingsfamilie veröffentlicht: "Haus dämmen, Haus vermieten, dann Gas rein und schon kann die nächste Familie kommen, schneller kann man nicht zu Geld kommen." 118 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Leipzig In Ebersbach-Neugersdorf wurden am 31. März Schmierereien, wie "Nazi-Kiez" und "NS Zone"139, festgestellt. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Görlitz 119 131 148 0 6 1 1.7.6 Landkreis Leipzig Im Landkreis Leipzig kam es zu einem Anstieg des rechtsextremistischen Personenpotenzials. So wurden der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr zwischen 150 und 200 Personen zugerechnet (2016: zwischen 100 und 150 Personen). Das Personenpotenzial lag im Vergleich zu anderen Regionen im Freistaat Sachsen im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Seit April 2015 existiert ein länderübergreifender "Stützpunkt Mittelland" der Partei. Dieser umfasst die Städte Leipzig, Halle, Merseburg und das Umland.140 Eigene Aktivitäten im Landkreis Leipzig wurden im Jahr 2017 nicht bekannt. N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Aus "organisatorischen und strukturellen Gründen" schlossen sich die Mitglieder der Kreisverbände Leipzig sowie des Landkreises Leipzig am 15. Mai 2015 zu einem "Kreisverband Leipzig Stadt & Land" zusammen.141 Im Landkreis Leipzig ist die NPD sowohl auf Kreisebene als auch auf Stadtbzw. Gemeinderatsebene mit einzelnen Kandidaten kommunalpolitisch vertreten. Quelle: www.facebook.com/JnSachsen (Stand: 15. Februar 2016) 139 zeigen rechtsextremistische Gebietsansprüche an 140 siehe Abschnitt II.1.7.7 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen - Leipzig (Stadt) 141 ebd. 119 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Leipzig Im Landkreis Leipzig existiert im Raum Borna noch eine aktive Struktur der JN. Der bereits im vergangenen Jahr zu erkennende Rückgang des Aktionsniveaus des JN-"Stützpunktes Borna" setzte sich im Jahr 2017 weiter fort. Wie bereits in den Jahren zuvor beteiligten sich Mitglieder der JN Borna mit einem eigenen Transparent an dem "Trauermarsch"142 am 11. Februar 2017 anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945. Die JN Borna beteiligten sich auch außerhalb Sachsens an rechtsextremistischen Ereignissen. So nahmen ihre Mitglieder am jährlichen Gedenken anlässlich des Todestages von Rudolf HESS am 19. August 2017 in Berlin-Spandau teil. Gemeinsam mit Akteuren aus anderen sächsischen Regionen reisten sie nach Berlin. Dies lässt nach wie vor eine überregionale Vernetzung der JNStrukturen in Sachsen erkennen.143 D ie Rechte Im Landkreis Leipzig existieren keine eigenen Strukturen der Partei Die Rechte. Dennoch wurde in Wurzen am 2. September 2017 vom Landesvorsitzenden der Partei Die Rechte eine Spontankundgebung unter dem Motto "Keine Macht den Rotfaschisten" durchgeführt. An dieser beteiligten sich ca. 50 Personen. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen Vereinzelte Neonationalsozialisten aus dem Landkreis beteiligten sich an einer rechtsextremistischen Demonstration der Partei D ie Rechte am 1. Mai 2017 in Halle, die maßgeblich von Angehörigen des A ntikapitalistischen Kollektivs (AKK) geprägt wurde. Bereits im Vorfeld wurde mittels Flyern für die Veranstaltung unter dem Motto "Tradition verpflichtet - 84. Tag der deutschen Arbeit" u. a. in Grimma mobilisiert. Unter dem Motto "Ein Volk hilft sich selbst" organisierten am 9. März 2017 THÜGIDA & Wir lieben S achsen eine "Infotour" in Rötha und Borna. So wurde mittels eines "Infoflugblattes" über die Spendenaktion aufgeklärt und Spendenbeutel an "Bedürftige" verteilt. Neben den neonationalsozialistischen Strukturen gibt es im Landkreis Leipzig subkulturell geprägte rechtsextremistische Strukturen. Zum ihrem Betätigungsfeld zählen auch die Durchführung und Teilnahme an rechtsextremistischen Musikveranstaltungen, wie dem "Sommerfest mit Lunikoff & Freunden" am 17. Juni 2017 in Grimma, OT Roda. Etwa 150 bis 200 Personen nahmen an dieser Veranstaltung in einem Steinbruch teil. Außerdem organisierte die Szene den jährlich stattfindenden "Muldentaler Kameradschaftslauf". Dieser fand im September 2017 erneut in einem Steinbruch in Grimma, OT Roda, statt. Hierbei handelt es sich weniger um eine Sportveranstaltung im engeren Sinne als vielmehr um eine Aktion zur Stärkung des Szenezusammenhalts. Insgesamt nahmen ca. 150 Rechtsextremisten und deren Familienangehörige teil. 142 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 143 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 120 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Leipzig Im Landkreis Leipzig waren in den Jahren 2015 und 2016 auch Angehörige der Oldschool Society144 (OSS) aktiv.145 Die Angeklagten, darunter zwei Personen aus Sachsen, wurden wegen der Straftat der Bildung einer terroristischen Vereinigung am 15. März 2017 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage F ront Records aus Lossatal ist einer der wichtigsten rechtsextremistischen Vertriebe im Freistaat Sachsen. Das Unternehmen bietet bedruckte Textilien und Tonträger sowie weitere szenetypische Materialien an.146 Der Online-Versand F rontmusik aus Lossatal produzierte im Berichtsjahr unter seinem namensgleichen Tonträger-Label mehrere CDs. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Im Landkreis Leipzig gibt es ein unstrukturiertes subkulturell geprägtes rechtse xtremistisches Personenpotenzial. Die Verbindungen der Szeneangehörigen untereinander waren jedoch meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Im Landkreis Leipzig fiel dieses Personenpotenzial vor allem durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Die Straftaten richten sich vor allem gegen Menschen mit Migrationshintergrund und den politischen Gegner. So wurde am 5. August ein marokkanischer Staatsangehöriger in Neukieritzsch von mehreren Tätern bedrängt und beschimpft. Es wurde eine Flasche nach ihm geworfen und man versuchte, ihm Pfefferspray ins Gesicht zu sprühen. In Wurzen wurden am 15. Januar mehrere Fensterscheiben einer dezentralen Asyleinrichtung zerstört und Feuerwerkskörper ins Gebäude geworfen. Auch kam es dort im Jahr 2017 wiederholt zu Auseinandersetzungen mit Asylbezug, so am 9. Juni bei einer Versammlung, an welcher sich vereinzelt auch Rechtsextremisten beteiligten oder bei einer von der Partei D ie Rechte am 2. September angemeldeten Spontankundgebung. Die im Hintergrund solcher Auseinandersetzungen stehenden Konfrontationsspiralen dauerten bis zum Ende des Jahres an. Im Januar 2018 kam es in Wurzen erneut zu Auseinandersetzungen. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Leipzig 95 97 136 16 7 4 144 Die OSS hatte sich Mitte des Jahres 2014 zunächst als virtuelle rechtsextremistische Gruppe bundesweit und auch unter Beteiligung sächsischer Rechtsextremisten im Internet gegründet. 145 siehe Abschnitt II.1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus/ -terrorismus 146 siehe Abschnitt II.1.4.5 Rechtsextremistische Vertriebe und Verlage 121 Rec h t se x t r emismus - Leipzig (Stadt) 1.7.7 Leipzig (Stadt) In Leipzig waren der rechtsextremistischen Szene im Berichtsjahr zwischen 250 und 300 Personen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr blieb das rechtsextremistische Personenpotenzial somit konstant und lag im sachsenweiten Vergleich weiterhin im oberen Bereich. Parteien D er D ritte Weg Die Mitglieder der Partei D er D ritte Weg sind im länderübergreifenden "Stützpunkt Mittelland" organisiert. Dieser führte im April in Leipzig eine "Verteilaktion gegen die BRD-Asylpolitik" durch und verteilte dabei Flyer. In einem Internetbeitrag wurde dazu ausgeführt, dass die Partei mit der Forderung nach einem "Ausländerrückführungsprogramm(s) (...) im deutlichen Gegensatz zu der volksfeindlichen und asozialen Politik des etablierten BRD-Parteienkartells (steht) und genau jene Lösungsansätze (bietet), die dabei helfen können, Leipzig wieder zu einer sicheren, sauberen und lebenswerten deutschen Stadt zu machen." 147 N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der im Jahr 2016 nach parteiinternen Differenzen inaktive NPD-Kreisverband Leipzig Stadt & Land trat im Berichtsjahr mit nur wenigen Einzelaktivitäten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Der Schwerpunkt lag dabei auf Wahlkampfaktivitäten im Zusammenhang mit der Bundestagswahl. So führte der Kreisverband mehrere Informationsstände und Plakatierungen durch. Zudem beteiligte er sich an der Betreuung des NPD-Standes zum Tag der Sachsen 2017 in Löbau. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Neonationalsozialisten aus Leipzig beteiligten sich sowohl an verschiedenen regionalen als auch überregionalen rechtsextremistischen Veranstaltungen. So nahmen sie am 11. Februar 2017 an einer rechtsextremistischen Demonstration in Dresden anlässlich des 72. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden und Quelle: www.facebook.com/WirfuerLpz am 18. März 2017 an einer Demonstration der (Stand: 7. Dezember 2017) Partei D ie Rechte in Leipzig teil. Auch waren sie Teilnehmer einer am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) durchgeführten Konzertund Rednerveranstaltung. Zudem beteiligten sie sich am 19. August 2017 an einem rechtsextremistischen Aufzug 147 www.der-dritte-weg.info (Stand: 26. April 2017) 122 Rec h t se x t r emismus - Leipzig (Stadt) in Berlin-Spandau anlässlich des jährlichen Gedenkens von Rechtsextremisten im Zusammenhang mit dem Todestag von Rudolf HESS.148 Die im Jahr 2016 erstmals in Erscheinung getretene neonationalsozialistische Gruppierung Wir für L eipzig zeigte im Berichtsjahr zunehmende Aktivitäten. Die Gruppierung wird vom Leipziger Rechtsextremisten und ehemaligen NPD-Funktionär Enrico BÖHM angeführt. Am 28. April 2017 veranstaltete die Gruppierung in Jesewitz (Lkr. Nordsachsen) einen Liederabend, an dem ca. 50 Personen teilnahmen. Des Weiteren führte Wir für L eipzig am 30. April 2017 einen "Zeitzeugenvortrag" durch, an dem ca. 120 Personen teilnahmen.149 Wie im Vorjahr initiierte Wir für L eipzig im November eine Aktion zum "Heldengedenken"150 für "unsere(n) gefallenen Helden aus beiden Weltkriegen"151 auf einem Leipziger Friedhof. Identitäre Bewegung Quelle: LfV Sachsen Die in den vergangenen Jahren mehrfach neu organisierte Ortsgruppe Leipzig führte bis zum Jahr 2016 nur sehr vereinzelt Aktionen in der Messestadt durch. Im Jahr 2017 nahm die Anzahl von Banner-, Flugblattund Sprühaktionen jedoch zu. So wurden Banneraktionen am 11. März ("Ja zu Europa - Nein zur Union") sowie am 16. Mai anlässlich einer Anti-Terror-Übung am Hauptbahnhof mit der Aufschrift "EUROPAS ZUKUNFT? #DEFENDEUROPE" in Leipzig veranstaltet. An der Demonstration der IB "Zukunft Europa - bewegen und verändern" am 17. Juni 2017 in Berlin beteiligten sich auch Angehörige der IB-Ortsgruppe Leipzig. Bei der Konferenz des Magazins "COMPACT"152 am 25. November 2017 in Leipzig war die IB mit Martin SELLNER (Leiter der IB Österreich) auf dem Podium vertreten. Auf der Konferenz erhielt zudem der Leiter der IB Berlin-Brandenburg Robert TIMM den von "COMPACT" und der Initiative Ein Prozent153 vergebenen Preis "Held des Widerstands". Enge Kontakte bestehen auch zu der Gruppierung Kontrakultur Halle154. So tritt der Leiter der IBOrtsgruppe Leipzig seit Spätsommer 2016 gemeinsam mit einem Mitglied von Kontrakultur Halle im 148 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 149 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 150 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 151 www.facebook.com/WirfuerLpz (Stand: 20. November 2017) 152 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 153 kein Beobachtungsobjekt des Lf V Sachsen 154 K ontrakultur H alle ist seit Juni 2015 Teil der Identitären B ewegung und ist eine rechtsextremistische Gruppierung aus Sachsen-Anhalt. 123 Rec h t se x t r emismus - Leipzig (Stadt) wöchentlichen Video-Blog "Laut Gedacht" auf. Auch besuchten Mitglieder der Ortsgruppe Leipzig das im Jahr 2016 eröffnete "Identitäre Zentrum"155 in Halle, welches als Kulturzentrum für Veranstaltungen, Workshops oder Schulungen der weiteren Vernetzung der "identitären" Szene dient. Durch die Verbindung zu diesem Zentrum dürften sich auch Auswirkungen auf die Aktivitäten der Identitären Bewegung in Sachsen ergeben. Die IB-Ortsgruppe Leipzig sowie deren Mitglieder waren bereits Ziel von linksextremistischen Outingaktionen156 . Die Imkerei des Ortsgruppenleiters war im Dezember 2017 Ziel eines Brandanschlages. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage In Leipzig bestehen Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. Hierbei handelt es sich um die beiden Bands Thematik 25 sowie Volksnah 2.0. Ihre politische Ausrichtung dokumentierte die Band Thematik 25 auf ihrem Facebook-Profil. Am 17. Mai 2017 postete sie ein Bild mit der Forderung "Nationaler Sozialismus jetzt". Am 6. Mai 2017 fand vermutlich im benachbarten Ausland eine Konzertveranstaltung statt, bei der die Bands gemeinsam mit der tschechischen Band Violence Station auftraten. Über ein weiteres Konzert berichtete Thematik 25 am 17. Juni 2017.157 Quelle: www.facebook.com/T25 (Stand: 17. Mai 2017) Am 25. November trat Thematik 25 mit vier weiteren rechtsextremistischen Bands bei einem Konzert in Torgau, OT Staupitz (Lkr. Nordsachsen), auf. Der rechtsextremistische Vertrieb Hermannsland -Versand ist weiterhin aktiv. Das namensgleiche Tonträger-Label hat im Jahr 2017 die CD "Öl ins Feuer" der rechtsextremistischen Band D ie L unikoff - Verschwörung veröffentlicht. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den Parteien und den parteiungebundenen rechtsextremistischen Strukturen gibt es in Leipzig eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen untereinander waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Das unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial beteiligte sich auch überregional an rechtsextremistischen Konzerten sowie szeneinternen Veranstaltungen und 155 siehe Abschnitt II.1.4.3 Identitäre B ewegung D eutschl and - Regionalgruppe Sachsen 156 siehe Abschnitt II.3.3 A utonome 157 www.facebook.com/T25 (Stand: 17. Juni 2017) 124 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Meißen stand als Mobilisierungspotenzial z. B. für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Hauptsächlich fiel dieses Personenpotenzial in Leipzig durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf, die sich vor allem gegen Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner richteten. So wurde ein pakistanischer Staatsangehöriger am 29. Januar mit einer leeren Glasflasche beworfen. Der Täter beschimpfte ihn als "Scheiß-Ausländer" sowie "Scheiß-Asylbewerber" und zeigte den Hitlergruß. Ein minderjähriger Syrer wurde am 12. August angegriffen. Der Täter brach dem am Boden liegenden Opfer mit mehreren Tritten einen Knöchel und rief: "Scheiß-Ausländer, verpisst euch". Ein Jugendlicher mit der T-Shirt-Aufschrift "FCK NZS" wurde am 25. Mai bei einer öffentlichen Veranstaltung geohrfeigt. Einige Stunden später rissen ihm mehrere Täter das T-Shirt vom Leib und traten mehrfach auf ihn ein. Am 9. September warf ein Täter einen Pflasterstein in Richtung einer Rad fahrenden Person, da er in ihr einen "Linken" vermutete. Da der Stein sein Ziel verfehlte, verfolgte der Täter sein Opfer und schlug mit einem Radmutterschlüssel gegen dessen linke Gesichtshälfte. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Leipzig (Stadt) 224 263 214 18 16 14 1.7.8 Landkreis Meißen Im Landkreis Meißen waren der rechtsextremistischen Szene im Jahr 2017 zwischen 100 und 150 Personen zuzurechnen (2016: 50 bis 100 Personen). Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Personenpotenzial zwar, lag aber im sachsenweiten Vergleich weiterhin im unteren Bereich. Parteien N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der NPD-Kreisverband Meißen zählte im Berichtsjahr zu den wenigen noch aktiven Strukturen der NPD im Freistaat Sachsen. Er verfügte über Mandatsträger im Kreistag sowie in einzelnen Städten. Peter SCHREIBER - Mitglied im NPD-Kreisverband Meißen, Stadtrat in Strehla und Vorsitzender der NPD im Kreistag - wurde am 18. November 2017 erneut in den NPD-Landesvorstand gewählt. 125 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Meißen Der Schwerpunkt dieser NPD-Struktur liegt in Meißen und Riesa. Mit dem Objekt des D eutsche Stimme Verlages in Riesa verfügt die NPD über ein Treffobjekt, welches sich in ihrem Eigentum befindet. Es ist von bundesweiter Bedeutung. So fand dort am 22. Juli 2017 die Eröffnung des Bundestagswahlkampfes mit bundesweiter Beteiligung statt.158 Die Aktivitäten des Kreisverbandes standen im Jahr 2017 ebenfalls im Zeichen der Bundestagswahl. Von März bis September wurden in verschiedenen Städten des Landkreises Informationsstände betrieben. Die Kundgebungstour des Landesverbandes der NPD unter dem Motto "Ja zum deutschen Volk - Heimat verteidigen" führte am 12. September 2017 auch nach Riesa. Es beteiligten sich etwa 15 Personen, darunter auch Mitglieder des Kreisverbandes. Ein eigenständiger "Stützpunkt" der Jungen Nationaldemokraten (JN) existiert im Landkreis Meißen nicht. Im Juni 2017 machten die JN Sachsen jedoch mit einer Plakataktion unter dem Motto "Deine Heimat braucht DICH! Wir besetzen die Albrechtsburg in Meißen" auf sich aufmerksam. Quelle: www.facebook.com/JnSachsen (Stand: 14. Juni 2017) Parteiungebundene Strukturen Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Aus Riesa (Lkr. Meißen) stammt die überregional bekannte rechtsextremistische Musikband Selbststeller . Die Band zeigte im Jahr 2017 kaum Aktivitäten. Am 9. September fand eine private Feier statt, auf der die Band zusammen mit N aked but armed aus Baden-Württemberg auftrat. Einem Post 158 siehe Abschnitt II.1.3.2 N ationaldemokratische Partei D eutschl ands (NPD) 126 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Meißen auf Facebook zufolge soll die Feier in Riesa stattgefunden haben. Im Oktober 2017 informierte die Band darüber, dass sich die Veröffentlichung eines neuen Tonträgers aufgrund "personeller Engpässe"159 verzögern werde. Ein für die Region Mittelsachsen angekündigtes rechtsextremistisches Konzert fand mit ca. 130 Teilnehmern am 27. Mai 2017 in der Nähe von Moritzburg statt. Es traten die sächsischen rechtsextremistischen Bands True Aggression und White Resistance sowie Hobbit160 aus Italien auf. Der Verlag der D eutschen Stimme hat seinen Sitz in Riesa. Die finanziellen Probleme der letzten Jahre führten dazu, dass die Betreiber des Verlages den Warenversand an einen NPD-Funktionär in Thüringen übergaben. Auch der Buchversand wurde ausgelagert. Dem Verlag verblieb lediglich die Herausgabe der NPD-Publikation DEUTSCHE STIMME.161 Die Internetseite des Verlages L ibergraphix und dessen Textil-Label L abel 33 aus Gröditz ist seit August 2017 nicht mehr abrufbar. Das Label existierte erst seit 2016; der Verlag war über mehrere Jahre aktiv gewesen. Mit N ation & Wissen in Riesa ist ein weiterer Verlag mit rechtsextremistischen Bezügen im Landkreis Meißen ansässig. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Im Landkreis Meißen existierte im Berichtsjahr eine unstrukturierte vorwiegend subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene mit einem eher unterdurchschnittlichen Personenpotenzial. Die Verbindungen der Szeneangehörigen untereinander waren meist lose. Hauptsächlich fiel die Szene durch die Begehung von Straftaten auf, die sich vor allem gegen Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner richteten. So wurde am 16. September in Riesa einem Asylbewerber mit der Faust ins Gesicht geschlagen; ein weiterer wurde zur Seite geworfen. Zuvor hatte der Täter den Hitlergruß gezeigt. Am 2. November wurde eine Sitzmöglichkeit in einer Asylbewerberunterkunft in Meißen in Brand gesetzt. Das Parteibüro der Partei DIE LINKE wurde am 28. November mit einem Hakenkreuz beschmiert. Außerdem wurden im Mai persönliche Daten von Unterstützern einer humanitären Hilfsaktion aus dem Landkreis Meißen im Internet veröffentlicht. Neben solchen Straftaten stand das unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial als Mobilisierungspotenzial für rechtsextremistische Veranstaltungen wie Demonstrationen oder Konzerte zur Verfügung. 159 www.facebook.com/Selbststeller (Stand: 21. Oktober 2017) 160 Die Namensgebung steht vermutlich im Zusammenhang mit einem von Rechtsextremisten seit 1977 organisierten sogenannten Campi Hobbit. 161 siehe Abschnitt II.1.3.2 N ationaldemokratische Partei D eutschl ands (NPD) 127 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Mittelsachsen Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Meißen 108 92 71 4 3 1 1.7.9 Landkreis Mittelsachsen Der rechtsextremistischen Szene im Landkreis Mittelsachsen waren im Berichtsjahr zwischen 200 und 250 Personen zuzurechnen. Das rechtsextremistische Personenpotenzial lag im Vergleich zu anderen Regionen im Freistaat Sachsen im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Seit März 2017 existiert im Landkreis Mittelsachsen ein "Stützpunkt" der Partei D er D ritte Weg . Er wurde am 24. März 2017 gegründet und umfasst die Städte Mittweida, Döbeln, Freiberg und deren Umland. Im Rahmen der "Stützpunktgründung" wurde bekräftigt, wie wichtig "eigene Räumlichkeiten für die politische Arbeit und die Festigung der Gemeinschaft..." 162 seien. Führende und sehr aktive Mitglieder des "Stützpunktes Mittelsachsen" waren zuvor Teil der ehemaligen Gruppierung Freie Nationalisten Freiberg. Die neonationalsozialistischen Bezüge des "Stützpunktes Mittelsachsen" fielen im Jahr 2017 bei mehreren Veranstaltungen auf. So richtete er am 29. April ein "Frühlingsfest" aus. Zu den dort durchgeführten AktiSommersonnenwendfeier im Juni 2017, vitäten, wie dem Singen Quelle: www.der-dritte-weg.info (Stand: 3. Juli 2017) von Volksliedern und dem 162 www.der-dritte-weg.info (Stand: 28. März 2017) 128 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Mittelsachsen "traditionelle(n) Volkstanz", wurde die "Wichtigkeit unserer gemeinschaftlichen Feste und Bräuche, die wir zu wahren und zu schützen haben, um ein letztes Bollwerk gegen die Entartung unserer Sitten und Gebräuche darzustellen" 163 betont. Im September 2017 führte der "Stützpunkt" ein sogenanntes Herbstfest mit ähnlichen Aktivitäten durch. Im Mittelpunkt stand "ein einstündiger Fahnenappell, welcher die Geschichte über 2000 Jahre deutschen Kämpfergeistes beschrieb (...)", welchen die "(...) Partei "Der III. WEG" in die Tat umsetzen..." 164 wolle. Gleicher Art war bereits eine "Sommersonnenwende" im Juni 2017 gewesen, an der sich mindestens 30 Personen beteiligt hatten. N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Die NPD ist im Landkreis Mittelsachsen sowohl auf Kreistagsebene als auch auf Stadtbzw. Gemeinderatsebene mit einzelnen Kandidaten kommunalpolitisch vertreten. Im Berichtsjahr führten Mitglieder des Kreisverbandes am 8. Mai sowie am 7. Oktober Kranzniederlegungen in Freiberg durch. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl meldete die NPD in Döbeln für den 13. September zwei Veranstaltungen an: eine Wahlkundgebung zum Thema "Ja zum deutschen Volk - Heimat verteidigen" und eine Versammlung zum Thema "Ein Volk hilft sich selbst"165 . Dies belegt, dass die NPD Mittelsachsen auch mit anderen rechtsextremistischen Organisationen kooperierte. Entsprechend ihrer revisionistischen und antisemitischen Ideologie führte die NPD am 9. November in Döbeln eine Spontandemonstration unter dem Motto "Wer kriecht kann nicht stolpern" durch. Daran beteiligten sich auch Mitglieder der regionalen JN-Struktur. Hintergrund war die an diesem Tag durchgeführte Reinigung der sogenannten Stolpersteine in Döbeln zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus im Gedenken an die antisemitischen Übergriffe am 9. November 1938. Im Landkreis Mittelsachsen existiert seit Februar 2013 der JN-"Stützpunkt" Mittelsachsen. Dieser "Stützpunkt" zählt zu den aktiven Quelle: https://www.facebook.com/mittelsachsenjn JN-Strukturen in Sachsen. (Stand: 28. Januar 2017) 163 ebd. 164 www.der-dritte-weg.info (Stand: 27. September 2017) 165 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen; Diese Versammlung ist einer Kampagne von Thügida & Wir lieben S achsen zu zurechnen. 129 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Mittelsachsen Am "Trauermarsch" am 11. Februar 2017 anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden im Zweiten Weltkrieg beteiligten sich einige Aktivisten der JN Mittelsachsen. Dabei kam es im Vorfeld zu Plakatierungsaktionen in mehreren Orten im Landkreis Mittelsachsen. Das Asylthema stand bei den JN Mittelsachsen im Mittelpunkt eines am 16. März 2017 in Döbeln durchgeführten sogenannten Straßentheaters unter dem Motto "Unsere Frauen sind kein Freiwild". Mit entsprechenden Schildern und der kostenlosen Verteilung von "Pfefferspray" habe man "auf die Missstände in unserer Heimat aufmerksam" 166 machen wollen. Weiterhin versuchten sich die JN Mittelsachsen wieder als sogenannte Kümmerer zu inszenieren. So wurde im Zusammenhang mit der JN-Kampagne "Jugend packt an" am 5. November 2017 in Döbeln eine "Reinigungsaktion" durchgeführt, bei welcher Schmierereien u. a. an Bushaltestellen entfernt wurden. Auch an Ereignissen außerhalb Sachsens beteiligten sich Mitglieder der JN Mittelsachsen. Dabei standen die herkömmlichen Themenfelder von Neonationalsozialisten im Vordergrund. So nahmen sie - gemeinsam mit Akteuren aus anderen sächsischen Regionen - am jährlichen Gedenken anlässlich des Todestages von Rudolf HESS am 19. August 2017 in Berlin-Spandau teil. Bereits im Vorfeld war es in mehreren Regionen im Landkreis zu Sachbeschädigungen gekommen, die unmittelbar mit dem Ereignis im Zusammenhang gestanden hatten.167 Quelle: www.facebook.com/mittelsachsenjn Den 8. Mai 2017, den 72. Jahrestag der Been(Stand: 20. November 2017) digung des Zweiten Weltkrieges, instrumentalisierten die JN Mittelsachsen für die Durchführung von revisionistischen Mahnwachen auf Friedhöfen oder vor Kriegsgräbern.168 Auch der Volkstrauertag am 19. November 2017 wurde genutzt, um Propagandaaktionen an Mahnund Denkmälern durchzuführen. Die Mitglieder der JN Mittelsachsen beteiligten sich des Weiteren an rechtsextremistischen Aktionen außerhalb Mittelsachsens, u. a. an: der Demonstration der NPD "Sozialstaat für Deutsche" in Bautzen am 1. Mai 2017 und den Protesten gegen die Wahlkampfveranstaltung der CDU am 6. September 2017 in Torgau. 166 https://www.facebook.com/mittelsachsenjn (Stand: 17. März 2017) 167 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 168 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 130 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Mittelsachsen Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen In einem Objekt in Mittweida fanden im Jahr 2017 mehrere "Zeitzeugenvorträge"169 statt. Diese wurden von durchschnittlich ca. 250 Personen besucht. Der für die rechtsextremistische Szene bedeutsamste Vortrag fand am 14. Oktober 2017 statt. Als "Zeitzeugin" trat Ursula HAVERBECK auf, eine mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin und Rechtsextremistin. Für diese Veranstaltung war bereits im Vorfeld bundesweit mittels eines Flyers mobilisiert worden. An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 300 Personen, darunter Rechtsextremisten aus mehreren sächsischen Landkreisen sowie aus anderen Bundesländern. Die Vorträge selbst wurden von überregional aktiven Neonationalsozialisten organisiert. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Zum Betätigungsfeld der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene zählen auch die Durchführung und Teilnahme an Quelle: LfV Sachsen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen. So wurde mittels (Stand: 10. Oktober 2017) eines Flyers für einen rechtsextremistischen Liederabend am 27. Mai 2017 in der Region Döbeln mobilisiert, welcher schließlich kurzfristig nach Brand-Erbisdorf, OT Gränitz, verlegt wurde. Mit den Bands S achsenblut (Freiberg), Heiliges Reich (Raum Chemnitz / Flöha) und O verdressed (Raum Döbeln) existieren im Landkreis Mittelsachsen Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. Die Band S achsenblut war zusammen mit der Freitaler Band Stahlwerk , der tschechischen Band S chmeichelstadt sowie K atastroph aus Italien für den 18. Februar 2017 angekündigt. Am 17. Juni 2017 berichtete die Band Thematik 25 über einen "gelungenen Abend" zusammen mit den Bands S achsenblut, Volksnah (Leipzig) sowie Violence Station aus der Tschechischen Republik. Im Jahr 2017 wurden keine Aktivitäten der Band Heiliges Reich bekannt. Zuvor war sie mit einem Titel an einem vom Label K amikaze 14/88 im Jahr 2015 herausgegebenen Tonträger mit der Bezeichnung "SOS Abendland Volume II (Merkels Ferkel Invasion! Kommst du Deutschland, kannst du Dschihad machen)" beteiligt gewesen, welcher im April 2017 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert wurde. 169 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 131 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Nordsachsen Wieder aktiv wurde im Berichtsjahr die Band O verdressed. Die seit dem Jahr 2011 im Raum Döbeln existierende Band beteiligte sich am 2. Dezember 2017 an einer Konzertveranstaltung. Darüber hinaus war sie zusammen mit Smart Violence (Nordrhein-Westfalen) und MPU (Bayern) an einer im Dezember von O ldschool Records herausgegebenen Split-CD beteiligt. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Im Landkreis Mittelsachsen gibt es eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen in dem Landkreis sind meist lose und gehen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Sie standen jedoch als Mobilisierungspotenzial für Aktionen und Veranstaltungen von anderen rechtsextremistischen Gruppierungen zur Verfügung. Hauptsächlich fielen diese Personen im Landkreis Mittelsachsen durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Insbesondere richteten sich die Gewalttaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte, aber auch gegen politische Gegner. So wurden am 6. Mai in Döbeln Aufkleber mit fremdenfeindlichen Slogans angebracht, die mit Rasierklingen versehen waren. Am 3. Juli wurde die Fensterscheibe eines muslimischen Gebetsraums in Freiberg beschädigt. Einem somalischen Staatsangehörigen wurde am 28. Juli in Burgstädt ein Basecap entwendet und anschließend darauf uriniert. Darüber hinaus wurden in Mittelsachsen Schmierereien wie "NS Kiez" oder "NS Zone"170 sowie "Anti Antifa" festgestellt. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Mittelsachsen 177 172 151 24 10 6 1.7.10 Landkreis Nordsachsen Im Landkreis Nordsachsen zählten im Jahr 2017 zwischen 100 und 150 Personen zur rechtsextremistischen Szene (2016: 50 bis 100 Personen). Im Vergleich zum Vorjahr stieg das rechtsextremistische Personenpotenzial somit an, lag jedoch im Vergleich zu anderen Regionen im Freistaat Sachsen im unteren Bereich. 170 zeigen rechtsextremistische Gebietsansprüche an 132 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Nordsachsen Parteien D er D ritte Weg Die Mitglieder der Partei D er D ritte Weg im Landkreis Nordsachsen sind im "Stützpunkt Mittelland" organisiert. Am 10. September 2017 führten Mitglieder und Unterstützer dieser Partei im Rahmen eines bundesweiten "Heimatvertriebenen-Aktionstages" unter dem revisionistischen Kampagnenmotto "Verzicht ist Verrat" in Delitzsch eine Gedenkaktion durch. N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Im Landkreis Nordsachsen existiert ein NPD-Kreisverband. Dieser verfügt über Mandatsträger im Kreistag sowie in einzelnen Stadtund Gemeinderäten. Der NPD-Kreisverband Nordsachsen trat im Berichtsjahr mit wenigen Aktivitäten auf. So wurden u. a. im Rahmen des Bundestagswahlkampfes Plakatierungen durchgeführt und Wahlwerbung der Partei verteilt. Im Rahmen des Bundestagswahlkampfes beteiligten sich Angehörige der NPD und der JN am 6. September 2017 an Protesten gegen eine Wahlkampfveranstaltung der Bundeskanzlerin in Torgau. Die Demonstranten zeigten Plakate der Partei. Die JN Sachsen berichteten auf ihrer Facebook-Seite, dass JN und NPD "erneut Flagge gegen die volksfeindliche Politik der Bundesregierung" gezeigt hätten.171 Der "Stützpunkt" der Jungen N ationaldemokraten (JN) in Nordsachsen zählte in den vergangenen Jahren zu den aktiveren "Stützpunkten" in Sachsen. Im Jahr 2017 waren jedoch keine öffentlich wirksamen Aktivitäten zu verzeichnen. Einzelne Mitglieder beteiligten sich am 19. August 2017 an einem rechtsextremistischen Aufzug in Berlin-Spandau anlässlich des jährlichen Gedenkens zum Todestag von Rudolf HESS.172 Auf dem Facebook-Profil173 der JN Nordsachsen wurden vereinzelt Beiträge des Profils der JN Sachsen übernommen. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierungen Wie bereits im Vorjahr wurden im Landkreis Nordsachsen keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten neonationalsozialistischer Strukturen bekannt. Jedoch führten Leipziger Neonationalsozialisten im Landkreis Nordsachsen Veranstaltungen durch. So veranstaltete die Gruppierung Wir für L eipzig am 30. April 2017 in Jesewitz einen "Zeitzeugenvortrag" mit ca. 120 Teilnehmern.174 171 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 172 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 173 Dieses Profil existiert nicht mehr. 174 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 133 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Nordsachsen Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Der Landkreis Nordsachsen ist eine Schwerpunktregion rechtsextremistischer Musikveranstaltungen im Freistaat Sachsen. Die Szene verfügt mit dem ehemaligen Gasthof Staupitz in Torgau, OT Staupitz, über das bedeutendste Konzertobjekt in Sachsen. Auch im Jahr 2017 konzentrierte sich das rechtsextremistische Konzertgeschehen im Freistaat Sachsen wieder auf dieses Objekt. Wie in den Jahren zuvor fanden zehn rechtsextremistische Konzerte statt. Aufgrund von behördlichen Beschränkungen darf diese Anzahl nicht überschritten werden. Quelle: Lf V Sachsen Diese Konzerte wurden von langjährigen Protagonisten der rechtsextremistischen Musikszene organisiert. Die auftretenden Bands sind zumeist szenebekannt. Die regelmäßige Organisation der Veranstaltungen, einhergehend mit einer fortbestehenden Nachfrage an Konzerten, hatte konstant hohe Teilnehmerzahlen zur Folge. Die zehn Konzerte des Jahres 2017 in Staupitz wiesen durchschnittlich jeweils ca. 210 Besucher auf. Obzwar der Landkreis Nordsachsen Schwerpunktregion in Bezug auf rechtsextremistische Musikveranstaltungen ist, existierten im Berichtsjahr dort dennoch kaum Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. So fielen im Jahr 2017 nur wenige Erkenntnisse über die aus Nordsachsen stammende rechtsextremistische Band Neubeginn an. Für den 5. August 2017 wurde ein Auftritt der Band zusammen mit dem ebenfalls aus Sachsen stammenden Liedermacher F reilichF rei bei einer Musikveranstaltung in Naumburg (Sachsen-Anhalt) angekündigt. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen gibt es im Landkreis Nordsachsen eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen in dem Landkreis waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Die Angehörigen dieser Szene beteiligten sich an verschiedenen rechtsextremistischen Veranstaltungen und standen als Mobilisierungspotenzial für Veranstaltungen z. B. von anderen rechtsextremistischen Akteuren zur Verfügung. Hauptsächlich fiel die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene im Landkreis Nordsachsen durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Diese richteten sich vor allem gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Personen, die sich für Flüchtlinge engagieren und gegen den politischen Gegner. So wurde am 6. Mai ein Betreuer von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Belgern-Schildau bespuckt und zu Boden geschlagen. In Torgau wurde am 3. Juni der Inhaber eines Döner-Imbisses mit den Worten "Du Scheiß-Kanacke, jetzt kriegst du aufs Maul" bedroht und anschließend geschlagen. Am 27. August wurde in Dommitzsch ein Wahlplakat der Partei DIE LINKE mit den Worten "Adolf komm wieder, wir brauchen dich" und "Sieg Heil" besprüht. 134 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Nordsachsen 118 117 117 5 5 5 1.7.11 Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Der rechtsextremistischen Szene im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehörten im Berichtsjahr zwischen 250 und 300 Personen an. Das rechtsextremistische Personenpotenzial lag im sachsenweiten Vergleich im oberen Bereich. Parteien N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Der NPD-Kreisverband Sächsische SchweizOsterzgebirge gehörte auch im Jahr 2017 zu den wenigen noch aktiven NPD-Strukturen in Sachsen. Er ist sowohl auf Kreisebene als auch auf Stadtbzw. Gemeinderatsebene kommunalpolitisch aktiv. Quelle: www.facebook.com/npd.sso Im Landkreis befindet sich der Schwerpunkt (Stand: 2. Mai 2017) der Partei in der Stadt Pirna. Dort nutzt die NPD ein als "Haus Montag" bezeichnetes Objekt als Geschäftsstelle. Dieses ist die zentrale Anlaufstelle der im Landkreis ansässigen Rechtsextremisten. Im "Haus Montag" fanden im Jahr 2017 verschiedene Treffen und Vortragsveranstaltungen statt. Im April wurde es um die Räume des "Klub 451"175 erweitert, der unmittelbar an das "Haus Montag" angrenzt. Laut einem Artikel in der rechtsextremistischen Publikation N.S. HEUTE (Ausg. 3) "(...) ist der Klub 451 eine rechte Begegnungsstätte für Kameraden von nah und fern, wo man sich trifft und (...) ein paar gesellige Stunden verbringt." Das Demonstrationsniveau des Kreisverbandes war im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig. Lediglich eine Kundgebung am 5. April 2017 in Pirna wurde organisiert und richtete sich thema175 Die Namensgebung bezieht sich auf den Roman "Fahrenheit 451". 135 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge tisch gegen den Zuzug von Asylbewerbern. Es beteiligten sich etwa 80 Personen. Neben der NPDKreisrätin Carmen STEGLICH sprach auch der NPD-Landesvorsitzende Jens BAUR. Darüber hinaus organisierte der Kreisverband einzelne Informationsstände in Pirna und widmete sich im Spätsommer dem Bundestagswahlkampf. Die Kundgebungstour des Landesverbandes der NPD unter dem Motto "Ja zum deutschen Volk - Heimat verteidigen" führte am 12. September 2017 auch nach Pirna. Es beteiligten sich etwa 20 Personen, darunter Mitglieder des Kreisverbandes. Quelle: www.facebook.com/ npd.sso (Stand: 7. April 2017) Die Jungen N ationaldemokraten (JN) verfügen über einen "Stützpunkt" im Landkreis, der auch im Berichtsjahr eng mit dem NPD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zusammenarbeitete. Mitglieder der JN unterstützten die NPD insbesondere beim Bundestagswahlkampf im September 2017. Zu eigenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen des "Stützpunktes" kam es im Unterschied zu den beiden Vorjahren kaum. Einzelne Mitglieder beteiligten sich an regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen (z. B. am Rudolf-HESS-Gedenkmarsch am 19. August 2017 in Berlin176). Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Öffentliche Aktivitäten der neonationalsozialistischen Szene waren kaum wahrnehmbar. Der bereits im Vorjahr erkennbare rückläufige Trend setzte sich damit weiter fort. Dies ist u. a. auf die Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gegen die "Gruppe Freital" zurückzuQuelle: www.facebook.com/PeckerwoodBRTHRHD (Stand: 26. Oktober 2017) führen.177 Mit dem Rückgang der Asylbewerberzahlen verringerte sich auch der Fokus auf das zuvor im Landkreis dominierende Themenfeld "Anti-Asyl". Asylfeindliche Veranstaltungen wurden nicht mehr organisiert. 176 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 177 siehe Abschnitt II.1.6 Bedeutende Verfahren des militanten Rechtsextremismus und des Rechtsterrorismus 136 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge In der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge existierte im Berichtsjahr eine neue subkulturell geprägte rechtsextremistische Gruppierung mit dem Namen P eckerwood Brotherhood178 . Das zugehörige Facebook-Profil weist eindeutige Bezüge zum Nationalsozialismus auf. Es werden regelmäßig entsprechende Bilder, z. B. aus der NS-Zeit, veröffentlicht. Die Mitglieder der Gruppierung, zum Teil einschlägig bekannte Rechtsextremisten aus der Region, gehören zum Umfeld der o. g. Szeneobjekte "Haus Montag" und "Klub451" in Pirna. Am 22. Oktober 2017 fand nach eigenen Angaben in Pirna ein Treffen mit etwa 15 Personen aus Quelle: www.facebook.com/PeckerwoodBRTHRHD Leipzig, Hannover und Bautzen statt. (Stand: 26. Oktober 2017) Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge waren im Berichtsjahr die aus Freital stammende Band Stahlwerk sowie die Band Stereotyp aus Mohorn aktiv. Stahlwerk trat am 4. Februar 2017 im Konzertobjekt in Staupitz (Lkr. Nordsachsen) zusammen mit F rontfeuer (Brandenburg), White Resistance (Sachsen) und Sturmtrupp (Bayern) vor etwa 200 Teilnehmern auf. Zudem wurde sie zusammen mit der Dresdner Band S achsenblut, der tschechischen Band S chmeichelstadt sowie K atastroph aus Italien für eine Konzertveranstaltung am 18. Februar 2017 angekündigt. Zusammen mit den zwei weiteren sächsischen Bands S achsenblut und Thematik 25 trat Stahlwerk am 23. September 2017 auf einem Konzert auf. An diesem Konzert waren auch die zwei tschechischen Bands S chmeichelstadt und Weteranss beteiligt. Während sich Stahlwerk im Jahr 2017 aktiv zeigte, fielen über Aktivitäten der Band Stereotyp keine Erkenntnisse an. Im Zusammenhang mit der "NBA-Tour 2017" der baden-württembergischen Band N aked but armed fand am 29. April 2017 ein rechtsextremistisches Konzert mit ca. 100 Teilnehmern in RosenthalBielatal statt. Neben den genannten BandsHeadliner traten auch True Aggression (Sachsen), Barricades (Sachsen-Anhalt) und K odex F rei (Bayern) auf. Das N ationale Versandhaus (Gohrisch, Bad Schandau - Szeneladen) ist in dem Landkreis seit vielen Jahren ansässig. 178 "Peckerwood" ist eine umgangssprachliche Formulierung für "woodpecker", deutsch: "Specht". Der Name der Gruppierung ist vermutlich an die amerikanischen Peckerwood-Gangs angelehnt. Der Begriff stand als Synonym für Gefängnisinsassen der "weißen arischen Rasse". Die sich daraus in den späten 80er Jahren rekrutierten Streetgangs, wurden als "Peckerwood-Gangs" bezeichnet. 137 Rec h t se x t r emismus - Vogtlandkreis Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gibt es eine unstrukturierte subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene, die hauptsächlich durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auffiel. So wurde am 5. August ein syrischer Staatsangehöriger in Pirna von einer Gruppe deutscher Jugendlicher zunächst verbal attackiert; anschließend wurde ihm eine Flasche an den Kopf geworfen. Am selben Tag wurden drei afghanische Asylbewerber in Pirna ebenfalls von einer Gruppe deutscher Jugendlicher beschimpft, geschlagen und ausgeraubt. Am 8. August wurde ein afghanischer Staatsangehöriger von einem deutschen Staatsangehörigen körperlich angegangen und als "Kanake" beschimpft. Der Täter äußerte weiterhin: "Solche müsste man vergasen". Die Szene beteiligte sie sich des Weiteren an rechtsextremistischen Konzerten und stand als Mobilisierungspotenzial für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Sächsische Schweiz - 281 217 91 37 17 7 Osterzgebirge 1.7.12 Vogtlandkreis Im Vogtlandkreis kam es im Berichtsjahr zu einem Anstieg des rechtsextremistischen Personenpotenzials. Der Szene wurden zwischen 200 und 250 Personen aus dem Vogtlandkreis zugerechnet (2016: zwischen 100 und 150 Personen). Im Vergleich zu anderen Regionen im Freistaat Sachsen liegt das Personenpotenzial im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Die regionale neonationalsozialistische Szene wurde bis April 2014 von der ehemaligen Revo - lutionären N ationalen J ugend (RNJ) Vogtland geprägt. Im Februar 2015 wurde die Gründung des "Stützpunktes" Vogtland der Partei D er D ritte Weg bekanntgegeben. Die ehemalige Führungsperson der RNJ, Rico DÖHLER aus dem Vogtland, übernahm dessen Leitung. Die Partei erwies sich im Vogtlandkreis als Auffangbecken für die Neonationalsozialisten . Die Aktivitäten dieser Partei, deren Personenpotenzial sich im Berichtsjahr im Landkreis auf gut 40 Personen belief, sind ausschlaggebend für das dort insgesamt steigende rechtsextremistische Personenpotenzial. 138 Rec h t se x t r emismus - Vogtlandkreis Die Partei Der Dritte Weg führte im Jahr 2017 zahlreiche Aktionen durch, die eine überregionale Vernetzung belegten. Durch die Gründung des "Gebietsverbandes Mitte" der Partei festigten sich die Verbindungen nach Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg weiter. Der Schwerpunkt der Parteiarbeit lag im Berichtsjahr auf den monatlichen Mitgliederversammlungen und öffentlichen Veranstaltungen im sogenannten Parteiund Bürgerbüro in Plauen. Dieses bundesweit erste Parteibüro wurde am 7. Januar 2017 mit dem Ziel eröffnet, eine feste Anlaufstelle für die Öffentlichkeit zu sein. Es ist eine für die Partei bundesweit bedeutende Immobilie. Im Laufe des Berichtsjahres fanden dort mehrere Informationsveranstaltungen für Mitglieder und interessierte Bürger statt. Der Bekanntheitsgrad und der strukturelle Ausbau der Partei sollten dadurch gesteigert werden. Bereits einen Monat nach der Eröffnung fand am 4. Februar 2017 eine erste Vortragsveranstaltung statt. Tony GENTSCH, stellvertretender Leiter des "Gebietsverbandes Mitte" der Partei D er D ritte Weg , ging in seiner Rede auf die "volksfeindlichen Beschlüsse der etablierten Parteien" ein. Seine Schlussworte waren: "Wir möchten gar nicht versuchen, dass die Volksverräter ihr Tun und Handeln verändern, wir wollen, dass diese Damen und Herren aus den Parlamenten verschwinden, damit wieder Platz für wahre Volksvertreter ist." 179 Am selben Tag fand eine öffentliche Versammlung in Plauen unter dem Motto "Die volksfeindliche Politik stoppen" statt. Die etwa 20 interessierten Bürger wurden nach Angaben der Partei über die "Katastrophalen Beschlüsse der Stadtund Kreisräte" wie die "Erhöhung der Müllgebühren und der Elternbeiträge für Kitas, Hort und Krippen" informiert. Weiter hieß es: "Im Gegenzug werden 25 Milliarden pro Jahr für kulturfremde Ausländer aus dem Fenster geschleudert. (...) Diesem deutschfeindlichen Handeln stellt sich die Partei "Der III. Weg" entgegen." 180 Am 7. Oktober wurde neben der Mitgliederversammlung und der öffentlichen Veranstaltung für Bürger eine sogenannte Volksküche mit kostenloser Essensausgabe angeboten. "Wir von der Partei (...) sehen uns nicht nur als Partei, die für Sie in die Parlamente möchte, sondern in erster Linie als Deutsche, die sich täglich vorrangig für deutsche Interessen und unser Volk einsetzen." 181 Der NPD-Kreisverbandsvorsitzende, Thomas SATTELBERG, aus dem Kreis Sächsische SchweizOsterzgebirge nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil, was die Vernetzungsbemühungen der Partei D er D ritte Weg belegt. Die Veranstaltungen in dem Objekt dienten auch zur Selbstverortung und Strategiebildung der Partei. Zum angekündigten Thema: "Bundestagswahl 2017 Wie geht es weiter!" referierte Tony GENTSCH am 7. Oktober vor ca. 30 Teilnehmern: "Rechts wählen wurde wieder salonfähig gemacht auch wenn knapp 13% noch lange keine Wende herbeiführen werden, so ist ein Anfang gemacht worden (...)." 182 Ein Mitglied des "Stützpunktes Vogtland" beabsichtigt, im Jahr 2019 zur Kommunalwahl in Sachsen anzutreten. 179 www.der-dritte-weg.info (Stand: 16. Februar 2017) 180 ebd. 181 www.der-dritte-weg.info (Stand: 18. Oktober 2017) 182 www.der-dritte-weg.info (Stand: 18. Oktober 2017) 139 Rec h t se x t r emismus - Vogtlandkreis Am 18. Februar 2017 beteiligten sich Mitglieder des "Stützpunktes Vogtland" an der jährlichen Demonstration unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" in Würzburg (Bayern). An diesem sogenannten "zentralen Gedenkmarsch für alle Bombenopfer" 183 nahmen ca. 150 Personen teil. Die Mitglieder des "Stützpunktes Vogtland" versammelten sich im März 2017 zum "Heldengedenken"184. Zu einer gleichartiDemonstration am 18. Februar 2017 in Würzburg gen Aktion trafen sich Parteimitglieder am (Bayern), Quelle: www.der-dritte-weg.info 10. September. Im Rahmen der bundesweiten (Stand: 22. Februar 2017) Kampagne "Verzicht ist Verrat" fanden auch im Vogtlandkreis Gedenkaktionen an entsprechenden Denkmälern statt. Ein Messerangriff auf einen Angehörigen der Partei D er D ritte Weg löste innerhalb des "Stützpunktes Vogtland" eine Radikalisierungsbewegung aus. Am 18. Juni war ein Parteimitglied von einem deutschen Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund mit einem Messer am Rücken verletzt worden. Aus diesem Anlass veröffentlichte die Partei einen Aufruf im Internet. In kurzer Zeit konnten ca. 60 Personen zur Teilnahme an der Demonstration mobilisiert werden, was die kurzfristige Mobilisierungsfähigkeit der Partei belegt. Die Demonstrationsteilnehmer sind in der sogenannten Parteikleidung aufgetreten. Die auf einem Banner mit der Aufschrift "Solidarität ist eine Waffe" mitgeführte Losung kann als Kampfansage an den politischen Gegner gewertet werden. Danach wurde ein Sportraum im Parteibüro eingerichtet, in dem kostenlose Selbstverteidigungskurse für Mitglieder angeboten werden. Im Zusammenhang mit dem Messerangriff wurden am 2. September 2017 Demonstrationen unter dem Motto "Kriminelle Ausländer raus! - Heimat schützen!"185 in Zwickau186 und Plauen durchgeführt. Nach Beendigung der Demonstration in Zwickau fuhr ein Großteil der Teilnehmer nach Plauen. An der Abschlusskundgebung nahmen nach Polizeiangaben ca. 165 Personen teil. Die Reden richteten sich inhaltlich u. a. gegen die Zunahme der Gewaltstraftaten von Ausländern in Plauen und die sogenannten "ungebremste Überfremdung". Matthias FISCHER187rief u. a. dazu auf "aktiv gegen diese antideutsche Politik zu agieren (...) endlich aktiv zu werden (...) das Ende unserer Kultur und den Tod unseres Volkes abzuwenden." 188 183 www.der-dritte-weg.info (Stand: 22. Februar 2017) 184 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalistische Gruppierungen 185 www.der-dritte-weg.info (Stand: 20. Juni 2017) 186 siehe Abschnitt II.1.7.13 Regionale Beschreibung rechtsextremistischer Bestrebungen - Landkreis Zwickau 187 stellvertretender Bundesvorsitzender, "Gebietsverbandleiter Mitte" der Partei D er D rit te Weg 188 www.der-dritte-weg.info (Stand: 20. Juni 2017) 140 Rec h t se x t r emismus - Vogtlandkreis Am selben Tag fand im Parteibüro in Plauen eine weitere öffentliche Veranstaltung statt. Tony GENTSCH ging in einer Rede auf die Demonstrationen in Zwickau und Plauen ein. Als weiterer Redner thematisierte Matthias FISCHER die Wege und Ziele der Partei. So stehe das "deutsche Volk" mit den Aktionen der Partei "Volksküche für Deutsche", "Hilfe für Deutsche" und auch dem kostenlosen Selbstverteidigungskurs an erster Stelle.189 Ein weiteres Themenfeld des "Stützpunktes Vogtland" waren die bereits im Jahr 2016 bekannt gewordenen "Nationalen Streifen"190. Eine dieser Streifen wurde am 9. September 2017 zum Plauener Herbstfest durchgeführt. Dazu hieß es auf ihrer Homepage: "Sinn und Zweck dieser Aktion war und ist, als Deutsche vor Ort Präsenz zu zeigen, und den Fremdländern damit zu symbolisieren, dass unser Volk kein Freiwild ist". 191 Quelle: www.der-dritte-weg.info N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) (Stand: 27. September 2017) und Junge N ationaldemokraten (JN) Im Vogtlandkreis existiert nur noch formell ein Kreisverband der NPD. Von ihm gingen im Berichtsjahr keine öffentlichen Aktivitäten aus. In Plauen fand lediglich im September 2017 eine Wahlkampfveranstaltung zur Bundestagswahl statt. Der Landesverband Sachsen organisierte eine Kundgebungstour durch sächsische Städte. Parteiungebundene Strukturen Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Seit dem Jahr 2010 existiert im Vogtland die rechtsextremistische Musikband Überzeugungstäter Vogtland. Die Band trat im Berichtsjahr auf einigen Konzerten auf. Im Fanzine192 SPEKTAKULEER wird eine private Feier im Januar 2017 in Sachsen erwähnt, auf der die Bands O ld Glory (Thüringen), Smart Violence (Nordrhein-Westfalen) und Überzeugungstäter Vogtland spielten. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen gibt es im Vogtlandkreis auch eine unstrukturierte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen in dem Landkreis waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. 189 www.der-dritte-weg.info (Stand: 10. Oktober 2017) 190 siehe Abschnitt II.1.3.1 D er D rit te Weg 191 www.der-dritte-weg.info (Stand: 27. September 2017) 192 siehe Glossar 141 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau Subkulturell geprägte Rechtsextremisten beteiligten sich an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Sie stehen im Übrigen als Mobilisierungspotenzial z. B. für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure, wie der Partei D er D ritte Weg , zur Verfügung. Die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene begeht regelmäßig Strafund Gewalttaten. Insbesondere richteten sich die Gewalttaten gegen Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner. So wurde am 1. August ein elfjähriger Syrer bedroht und mit einer Glasflasche verletzt. Am 26. August wurden zwei irakische Asylbewerber als "Kanaken" diffamiert; einem von ihnen wurde ins Gesicht geschlagen. Am Haltepunkt Jocketa der Vogtlandbahn beleidigte am 21. Oktober ein Deutscher einen 15-jährigen afghanischen Staatsangehörigen mit dem Ruf "Scheiß-Ausländer"; dabei zeigte er den Hitlergruß. Danach stieß der Täter den Jugendlichen über das Geländer eines Bahnsteiges und schlug weiter auf ihn ein. Am 4. November wurde eine Gruppe von Asylbewerbern durch zwei dunkel gekleidete Personen mit Böllern angegriffen. Sie schlugen einen Asylbewerber außerdem mit einem Stock und besprühten ihn mit Pfefferspray. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Vogtlandkreis 101 123 113 4 8 6 1.7.13 Landkreis Zwickau Im Landkreis Zwickau kam es im Berichtsjahr zu einem leichten Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials. So waren der rechtsextremistischen Szene zwischen 150 und 200 Personen zuzurechnen. Das Personenpotenzial lag im Vergleich zu anderen Regionen im Freistaat Sachsen im mittleren Bereich. Parteien D er D ritte Weg Die Partei Der Dritte Weg erwies sich im Landkreis Zwickau als Auffangbecken für die Neonationalsozialisten . Die Aktivitäten nahmen im Jahresverlauf sehr stark zu. Grund hierfür dürfte die Neugründung des "Stützpunktes Westsachsen" der Partei im März 2017 gewesen sein. Nach eigenen Angaben vereint der "Stützpunkt Westsachsen" den Landkreis Erzgebirge sowie die Städte Zwickau, Chemnitz und deren Umland. Der örtliche Schwerpunkt der Parteiaktivitäten des "Stützpunktes Westsachsen" war im Jahr 2017 die Stadt Zwickau. Sie fanden in Zwickau häufig mit Unterstützung von Mitgliedern 142 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau des "Stützpunktes Vogtland" statt. Ziel war es, die Partei Der Dritte Weg in Zwickau bekannt zu machen und somit neue Mitglieder und künftige Unterstützer zu werben. Der "Stützpunkt Westsachsen" der Partei führte im Berichtsjahr regelmäßig interne Veranstaltungen für Mitglieder und Interessenten durch. So fand am 29. Juli 2017 eine Vortragsveranstaltung in der Stadt Zwickau mit einem anschließenden Liederabend statt. Als Redner trat Tony GENTSCH auf. Thema des Vortrages war "Ausländerkriminalität in Sachsen": "Aufgrund der Asylflut (...) ist der Zusammenhang zwischen dem Zustrom artund kulturfremder Ausländer und dem Kriminalitätsanstieg nicht von der Hand zu weisen. (...) die anwesenden Aktivisten [sind] motiviert und aufgefordert, diese Missstände aktiv zu bekämpfen." 193 Eine gleichartige Veranstaltung dieses "Stützpunktes" fand am 11. November 2017 statt. Auch hier trat GENTSCH als Redner auf. Thema war die bevorstehende Demonstration am 18. November 2017 in Wunsiedel (Bayern). Mitglieder dieses "Stützpunktes" nahmen schließlich auch an der Demonstration am 18. November 2017 in Wunsiedel teil.194 Demonstration am 2. September 2017 in Zwickau, Neben internen Veranstaltungen fanden auch Quelle: www.der-dritte-weg.info öffentliche Aktionen statt. An einer Demonst(Stand: 10. Oktober 2017) ration am 2. September 2017 in Zwickau unter dem Motto "Kriminelle Ausländer raus - Heimat bewahren!" nahmen ca. 130 Personen teil. Als Redner traten u. a. Rico DÖHLER, GENTSCH und Matthias FISCHER auf. Die Reden richteten sich inhaltlich gegen die Zunahme der Gewaltstraftaten von Ausländern in Zwickau und die "ungebremste Überfremdung". FISCHER rief in seiner Rede dazu auf, "aktiv gegen diese antideutsche Politik zu agieren (...) endlich aktiv zu werden (...) das Ende unserer Kultur und den Tod unseres Volkes abzuwenden." 195 Am 10. September 2017 versammelten sich Mitglieder des "Stützpunktes Westsachsen", um an das Schicksal der deutschen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Im Rahmen der bundesweiten revisionistischen Kampagne "Verzicht ist Verrat" fanden in Zwickau und in Crimmitschau Gedenkaktionen an Denkmälern Quelle: www.der-dritte-weg.info (Stand: 9. Oktober 2017) 193 www.der-dritte-weg.info (Stand: 13. Dezember 2017) 194 siehe Abschnitt II.1.3.1 Partei D er D rit te Weg 195 www.der-dritte-weg.info (Stand: 10. Oktober 2017) 143 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau statt. Zu einer gleichartigen Aktion trafen sich Parteimitglieder am 19. November 2017 zum Volkstrauertag an einem Denkmal zur Kranzniederlegung. Mitglieder und Sympathisanten der Partei führen regelmäßig Kundgebungen mit Informationsständen durch. Zwickauer Bürger wurden dabei am 3. Oktober 2017 gezielt in der Zwickauer Innenstadt angesprochen und es wurde entsprechendes Informationsmaterial verteilt.196 Ein weiteres Themenfeld des "Stützpunktes Westsachsen" sind die bereits bekannten "Nationalen Streifen"197. Eine dieser Streifen wurde am 3. Oktober 2017 zum Zwickauer Herbstfest und im Rahmen des Weihnachtsmarktes durchgeführt. Nach Parteiangaben sei es nötig: "dort Präsenz zu zeigen und somit auch zur Steigerung des Sicherheitsempfindens beizutragen." 198 Mit einer Veranstaltung am 21. Oktober zeigte der "Stützpunkt Westsachsen", dass er auch um eine soziale Agenda bemüht ist. Für diesen Tag hatte GENTSCH eine Versammlung mit Aufzug unter dem Motto "Zeitarbeit ist moderne Sklaverei" in Zwickau angemeldet. Mittels dreier "Theateraufführungen" wurde auf "das Übel Zeitarbeit" hingewiesen und "ein Ende dieser menschenverachtenden kapitalistischen Praxis" gefordert.199 N ationaldemokratische Partei D eutschlands (NPD) und Junge N ationaldemokraten (JN) Die NPD ist im Landkreis Zwickau mit dem Kreisverband Zwickau-Westsachsen vertreten und verfügt über Ortsgruppen in Oberlungwitz und Werdau. Der Kreisverband war wie im Vorjahr jedoch kaum präsent. Im September fand in Zwickau anlässlich der Bundestagswahl eine Kundgebungstour statt. Diese Aktion wurde durch den Landesverband organisiert. Die JN S achsen führten ihre zentrale Versammlung zum Volkstrauertag am 19. November Quelle: Facebook-Profil der JN Sachsen 2017 in Zwickau (Stadt) durch. Daran nahmen (Stand: 19. November 2017) ca. 20 bis 30 Personen teil. Parteiungebundene Strukturen Neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Gruppierungen Neonationalsozialisten aus Zwickau beteiligten sich im Berichtsjahr an verschiedenen sowohl regionalen als auch überregionalen rechtsextremistischen Veranstaltungen. So nahmen sie am 11. Februar 2017 anlässlich des 72. Jahrestages der Bombardierung der Stadt Dresden an einer 196 www.der-dritte-weg.info (Stand: 9. Oktober 2017) 197 siehe Abschnitt 1.3.1 D er D rit te Weg 198 www.der-dritte-weg.info (Stand: 9. Oktober 2017) 199 www.der-dritte-weg.info (Stand: 25. Oktober 2017) 144 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau rechtsextremistischen Demonstration in Dresden teil bzw. waren Teilnehmer eines am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) durchgeführten Konzertes mit verschiedenen Redebeiträgen. Identitäre Bewegung Der Zwickauer Ortsgruppe konnten im Berichtsjahr neben dem "Regionalleiter" der IB Sachsen Tony GERBER fünf weitere Personen zugerechnet werden. Ihre Aktivitäten im öffentlichen Raum ließen im Vergleich zum Jahr 2016 nach. Zu den diesjährigen Aktionen zählten insbesondere "HEUCHLER IHR SEID SCHULD!" 200 mit der Nachstellung eines Tatortes zum Thema "Migration und deren Verantwortliche" im Januar. Im Jahresverlauf folgten weitere kleinere Aktionen. Tony GERBER setzte aufgrund der angeblich hohen Nachfrage sein Internet-Videoformat "Wehr Dich" mit Selbstverteidigungstechniken fort bzw. startete unter dem Titel "10 Fakten" ein weiteres. Akteure der Ortsgruppe Zwickau beteiligten sich gemeinsam mit Mitgliedern weiterer sächsischer Ortsgruppen an der Demonstration der IB unter dem Motto "Zukunft Europa - bewegen und verändern" am 17. Juni 2017 in Berlin. GERBER veröffentlichte im Anschluss Videos von der Anreise und der Demonstration auf seinem YouTube-Kanal. Rechtsextremistische Musikszene / rechtsextremistische Vertriebe und Verlage Im Landkreis Zwickau existieren mit den Bands A rtam, L eichenzug , dem R ac 'N'Roll-Teufel sowie den beiden Liedermachern F reilichF rei und Rommel Strukturen der rechtsextremistischen Musikszene. Darüber hinaus ist hier auch die lokal nicht genau zuordenbare NSBM201-Band Stahlfront aktiv. Auch ein Mitglied der Band C amulos hat im Landkreis Zwickau seinen Wohnsitz. A rtam trat zusammen mit Stahlfront und den beiden finnischen Bands White Death und Goatmoon am 13. Mai 2017 bei einem Konzert auf, welches in Aue stattgefunden haben soll. In einem auf der Facebook-Seite von Stahlfront eingestellten Bericht heißt es dazu: "Dieses Mal hatten es Neuschwabenland-Konzerte 202 tatsächlich geschafft, deutsche Größen wie ARTAM und Stahlfront zusammen mit den finnischen Sturmgeschützen Goatmoon und White Death in den Schacht zu holen. Es wurde gediegen auf politische Korrektheit, die sogenannte Grauzone und andere geistige Entartungen geschissen. Weit und breit waren keine Meldemuschis und sich in 'Safe spaces' selbst bemitleidende Cucks zu sehen. Black Metal in seiner absoluten Reinform. Brutal, grobschlächtig und ungezügelt!" 203 Eine zweite Konzertveranstaltung, ebenfalls von "Neuschwabenland-Konzerte" organsiert, soll am 25. März 2017 am gleichen Veranstaltungsort stattgefunden haben. Auf dieser Veranstaltung trat Stahlfront zusammen mit C amulos auf. 200 Schreibweise wie im Original 201 NSBM steht für "Nationalsozialistischer Black Metal" 202 Bei Neuschwabenland (Antarktis) handelt es sich laut rechtsextremistisch-esoterischer Überzeugung, um den derzeitigen Aufenthaltsort Adolf HITLERS. 203 www.facebook.com/stahlfrontband (Stand: 22. Mai 2017) 145 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau Die Band Stahlfront gab in einem Interview im Juni 2017 bekannt, dass an einem neuen Album gearbeitet werde. Der Hörer werde "auch aktuelle Themen rund um die zionistischen Weltverschwörer zu hören bekommen". Die Auftritte der Band werden beschrieben als eine "Inszenierung, die ganz bewusst den Zuschauer auf einer Ebene ansprechen soll, die von unserem politischen Regime unterdrückt wird." Die Band selbst sieht sich als eine "Reaktionsform auf diese versklavte, parasitäre, dekadente Gesellschaft" 204 . Dieser musikalischen Stilrichtung gehört auch die Band L eichenzug an. Sie gab im Berichtsjahr das Album "Schwarz" heraus. Im Landkreis Zwickau sind darüber hinaus einzelne Musiker dieser Szene ansässig. Sehr aktiv ist der Liedermacher F reilichF rei . Er tritt oft als musikalische Begleitung im Rahmen von Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene auf. Am 22. April 2017 beteiligte er sich z. B. an einer Veranstaltung der Partei D er D ritte Weg in Plauen. In Gränitz (Lkr. Mittelsachsen) trat er am 27. Mai 2017 auf einem Liederabend auf. Der R ac 'N'Roll Teufel (auch bekannt als Liedermacher S chratt) beteiligte sich im Jahr 2017 mit einem Lied am "Punikoff Sampler Vol. 1". Im Begleitheft zum Tonträger wird beschrieben, dass er seit 2009 aktiv ist und seine Hauptband White Resistance ist. Am 17. Juni 2017 fand in Grimma, OT Roda (Lkr. Leipzig), ein "Sommerfest" statt, bei dem neben L unikoff (Berlin) und K evin von A mok aus der Schweiz auch S chraddi / RAC Teufel auftraten. In der Stadt Zwickau ist ein rechtsextremistischer Szeneladen ansässig. Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial Neben den parteigebundenen und parteiungebundenen Strukturen gibt es im Landkreis Zwickau eine unstrukturierte rechtsextremistische Szene. Die Verbindungen der Szeneangehörigen in dem Landkreis waren meist lose und gingen selten über die Wohnorte der Beteiligten hinaus. Dieses Personenpotenzial beteiligte sich an rechtsextremistischen Konzerten und szeneinternen Veranstaltungen. Es stand ansonsten als Mobilisierungspotenzial auch für die Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Akteure zur Verfügung. Hauptsächlich fielen diese Personen im Landkreis Zwickau durch die Begehung von Strafund Gewalttaten auf. Insbesondere richteten sich die Gewalttaten gegen Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner. 204 bmgermania.com (Stand: 16. Mai 2017) 146 Rec h t se x t r emismus - Landkreis Zwickau So gab am 5. Januar in Zwickau eine Person einem libanesischen Staatsangehörigen einen Stoß mit dem Ellenbogen und rief: "Geh in dein Scheiß-Land zurück, du Kanake" 205 . Ebenfalls in der Stadt Zwickau wurde am 13. Mai das Lieferfahrzeug eines Döner-Imbisses mit Pyrotechnik beschädigt. Am selben Tag wurde ebenfalls in Zwickau die Fensterscheibe eines muslimischen Gebetsraumes in mit Feuerwerkskörpern beschädigt. Eine weitere Tat dieser Art ereignete sich in der Stadt Zwickau am 20. Mai. Dort misslang der Versuch, das Schaufenster eines Döner-Imbisses zu zerstören, da der an der Tür platzierte Böller nicht zündete. In Limbach-Oberfrohna kam es am 14. Mai an zwei Wohnobjekten zu Auseinandersetzungen, als ein Täter auf der Suche nach "Zecken" war. Im Zuge der Auseinandersetzungen wurde einem Jugendlichen ein Stück eines Schneidezahnes ausgeschlagen. Auch eine weitere Person erhielt Schläge ins Gesicht. Ebenfalls in Limbach-Oberfrohna attackierten am 21. August drei Täter einen indischen Asylbewerber an einer Tankstelle und schlugen ihm ins Gesicht. Das Opfer konnte fliehen, wurde jedoch kurze Zeit später zu Boden gestoßen und erhielt weitere Schläge und Tritte gegen den Oberkörper. Straftaten rechtsextremistische darunter Straftaten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 2.234 2.380 1.959 201 145 95 Landkreis Zwickau 156 200 136 12 13 12 205 Schreibweise wie im Original 147 Rec h t se x t r emismus - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" 1.8 Politisch motivierte Kriminalität "rechts" - Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Im Freistaat Sachsen wurden im Jahr 2017 1.959 rechtsextremistische Straftaten registriert (2016: 2.380). Damit fiel die Zahl nach mehreren Jahren teils starker Anstiege (2015: 30,6 %; 2016: 6,5 %) erstmals wieder deutlich um ca. 18 %. Das Gesamtniveau ist jedoch im Vergleich zu den Jahren vor 2014 weiterhin hoch. Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 2.500 2.380 2.250 2.234 2.000 1.959 1.750 1.710 1.602 1.635 1.500 1.250 201 1.000 145 750 784 692 95 Straftaten gesamt 500 83 442 darunter Gewalttaten 250 54 67 235 darunter 131 146 fremdenf eindlich 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 250 201 200 44 145 150 121 19 95 Straftaten gesamt 100 83 99 67 14 darunter gegen 54 14 63 70 politische Gegner 50 22 23 darunter 36 22 fremdenfeindlich 2012 2013 2014 2015 2016 2017 148 Rec h t se x t r emismus - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" Die rechtsextremistischen Gewalttaten sind seit 2016 weiterhin rückläufig (2017: 95; 2016: 145). Allerdings sind im Vergleich zum Jahr 2012 immer noch fast doppelt so viele Gewaltdelikte zu verzeichnen. Die Anzahl der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte reduzierte sich im Berichtsjahr um ca. 30 % (2017: 70; 2016: 99). Auch dieser Wert liegt noch deutlich über den Fallzahlen vergangener Jahre. Der Anteil fremdenfeindlicher Gewaltdelikte an den rechtsextremistischen Gewaltdelikten betrug insgesamt ca. 74 % und hat sich damit gegenüber dem Vorjahr (2016: 68 %, 2015: 60 %) abermals erhöht. Dies verdeutlicht die im Vergleich zu früheren Jahren gleichbleibend hohe Bedeutung, dieses Themenfeldes für Rechtsextremisten. Die Anzahl der gegen den politischen Gegner gerichteten Gewalttaten ist im Berichtsjahr auf das Niveau von 2014 zurückgefallen. Nachdem im Jahr 2015 ein überproportional starker Anstieg zu verzeichnen war (2015: 56; 2014: 14), sank die Anzahl zum zweiten Mal in Folge auf nunmehr 14 Fälle (2016: 19). Der Anteil dieser Gewaltdelikte an den rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten insgesamt stieg allerdings wieder leicht von ca. 13 % im Jahr 2016 auf aktuell ca. 15 %. Ebenso ging die gegen den Staat und seine Einrichtungen gerichtete rechtsextremistische Konfrontationsgewalt deutlich zurück (2017: 5; 2016: 24; 2015: 56). Die regionale Verteilung der rechtsextremistisch motivierten Straftaten glich in weiten Teilen dem Bild der Vorjahre: An der Spitze des Straftatenaufkommens lagen auch im Jahr 2017 die Städte Dresden (302 Fälle) und Leipzig (214), gefolgt vom Landkreis Bautzen (183) und der Stadt Chemnitz (160). In allen Großstädten gingen die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr allerdings gravierend zurück. Eine Ausnahme stellt der Landkreis Bautzen dar, in dem die Fallzahl der Straftaten insgesamt leicht anstieg (2017: 183; 2016: 174). Der Rückgang im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge betrug mehr als 100 Fälle. Dies ist auch auf die zunehmenden behördlichen, gerichtlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivitäten zurückzuführen. Trotz des allgemeinen Rückgangs des Straftatenaufkommens, nahm das Niveau - neben dem Landkreis Bautzen - auch in den Landkreisen Görlitz und Leipzig zu. Im Landkreis Leipzig betrug der Anstieg über 40 %, was sich im Wesentlichen mit den dort anhaltenden asylbezogenen Auseinandersetzungen erklären lässt. Unabhängig davon gab es gegenläufige Entwicklungen bei den Gewalttaten. So blieb das Niveau im Landkreis Zwickau trotz der Abnahme der allgemeinen rechtsextremistischen Straftaten hoch (2017: 12; 2016: 13). Im Erzgebirgskreis stieg das Niveau der Gewaltstraftaten sogar leicht an (2017: 7; 2016: 6). Beide Landkreise erreichten damit im Berichtsjahr ein Niveau an rechtsextremistischen Gewalttaten, das sich gleich hinter jenes der Großstädte einreiht (Dresden: 21; Leipzig: 14; Chemnitz: 6). In Bezug auf die Themenfelder der Straftaten dominierten Propagandastraftaten und Volksverhetzungsdelikte, die der Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie dienten (2017: 66,9 %; 2016: 70,3 % aller rechtsextremistischen Straftaten). Danach folgten asylbezogene Delikte. Während die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern begangenen Straftaten zurückgingen, stiegen die gegen Asylbewerber und die Asylthematik gerichteten Straftaten - entgegen 149 Rec h t se x t r emismus - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" Prozentuale Zuoder Abnahme des rechtsextremistischen Straftatenaufkommens nach Landkreisen im Vergleich zum Vorjahr - 80 % - 60 % - 40 % - 20 % +/- 0 + 20 % + 40 % + 60 % + 80 % Lkr. + 5,2 Bautzen - 64,3 - 33,9 Chemnitz - 60,0 - 19,7 Dresden - 16,0 Erz- - 22,2 gebirgs- + 16,7 kreis Lkr. + 13,0 Görlitz - 83,3 Lkr. + 40,2 Leipzig - 42,9 Stadt - 18,6 Leipzig - 46,2 Lkr. - 22,8 Meißen - 66,7 Lkr. - 12,2 Mittel - 40,0 sachsen Lkr. Nord +/- 0 sachsen +/- 0 Lkr. Sächs. - 57,6 Schweiz- - 58,8 Osterzg. Vogtland- - 8,1 kreis - 25,0 Lkr. - 32,0 Straftaten Zwickau - 7,7 Gewalttaten - 80 % - 60 % - 40 % - 20 % +/- 0 + 20 % + 40 % + 60 % +80 % 150 Rec h t se x t r emismus - Politisch motivierte Kriminalität "rechts" dem Gesamttrend - leicht an. Anders als bei den Gewaltstraftaten sank der Asylbezug bei der Gesamtzahl der Straftaten auf 22,6 % (2016: 33 %). Im Berichtsjahr hielten sich Propagandadelikte mit fremdenfeindlicher bzw. mit einer gegen die Polizei gerichteten Motivation die Waage. Mit deutlichem Abstand folgten Propagandaaussagen gegen den politischen Gegner. Fremdenfeindliche Delikte wurden entsprechend der bisher beschriebenen Verteilung vor allem in den Großstädten, allen voran in Dresden (ca. 17 % aller fremdenfeindlichen Delikte), begangen. Während das fremdenfeindliche Straftatenaufkommen insgesamt im Vergleich zum Vorjahr stark nachließ, war im Landkreis Görlitz ein Anstieg um ca. 24 % festzustellen. Dagegen fielen die Zahlen etwa im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge um fast drei Viertel. Auch bei den rechtsextremistischen Straftaten gegen den politischen Gegner war im Jahr 2017 ein Rückgang des Aufkommens um ca. 21 % zu verzeichnen (2017: 139; 2016: 168). Aber auch in diesem Zusammenhang verblieben die Zahlen im Vergleich zu den Jahren vor 2015 auf einem deutlich höheren Niveau. Hinsichtlich der regionalen Verteilung ergab sich eine Änderung dahin, dass sich die meisten dieser Straftaten im Vergleich zu den beiden Vorjahren nicht mehr in Leipzig, sondern im Landkreis Bautzen zutrugen (2017: 25; 2016: 19; 2015: 12). Dort ist damit seit drei Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen; 18 % dieser Straftaten ereigneten sich im Berichtsjahr ereigneten sich 18 % dieser Straftaten allein im Landkreis Bautzen. In Dresden hingegen hat sich das Niveau ab dem Jahr 2015 von 36 Fällen auf nunmehr 18 Fälle (2017) halbiert, was auch auf das konsequente Vorgehen der Exekutivbehörden gegen rechtsextremistische Gruppierungen mit hoher Gewaltbereitschaft zurückzuführen ist. Ein besonders starker Rückgang vor demselben Hintergrund war im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge festzustellen (2017: 1; 2016: 25). Die Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen entwickelten sich entsprechend der bisherigen Darstellung: Im Vergleich zum Jahr 2016 halbierten sich die Zahlen ein weiteres Mal. Eine Ausnahme bildete lediglich der Erzgebirgskreis, bei dem es zu einem leichten Anstieg von zwei (2016) auf fünf Delikte kam. Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gegen die Polizei 160 140 138 120 114 116 100 92 80 60 51 52 40 36 22 20 Straftaten gesamt 5 4 4 4 darunter Gewalttaten 2012 2013 2014 2015 2016 2017 151 Rec h t se x t r emismus - Ausblick Die schon seit 2015 festzustellende Entwicklung, wonach die Polizei ein festes Feindbild von Rechtsextremisten darstellt, hält nach wie vor an. Das allgemeine Straftatenniveau gegen die Polizei verlief entgegen dem allgemeinen Trend und nahm im Jahr 2017 leicht zu. Die Anzahl der Gewaltstraftaten ging demgegenüber hier jedoch weiter zurück und bewegte sich im Berichtsjahr auf dem Niveau der Jahre vor 2015. Diese Zahlen zeigen, dass die rechtsextremistische Szene gegenwärtig eine unmittelbare körperliche Konfrontation mit der Polizei vermeidet. Dies dürfte jedoch eher taktisch motiviert sein. Die Anzahl antisemitischer Straftaten ist nach dem Rückgang der vergangenen Jahre im Jahr 2017 um 23 % angestiegen (2017: 101; 2016: 82). Etwa ein Viertel dieser Straftaten wurde in Dresden begangen, gefolgt von der Stadt Leipzig und dem Landkreis Nordsachsen. Außerdem wurden drei antisemitische Gewaltdelikte festgestellt, die sich in Leipzig (2) und im Landkreis Bautzen (1) ereigneten. Muslimfeindliche Delikte (2017: 72) blieben unterhalb des Niveaus der antisemitischen Straftaten. Diese Entwicklung ist eine Folge der "Rückbesinnung" der rechtsextremistischen Szene auf ihre Kernüberzeugungen, in denen der Antisemitismus eine feste Größe einnimmt. Mit der nachlassenden Bedeutung der Asylthematik nimmt dieses Themenfeld wieder eine wachsende Bedeutung ein. 206 1.9 Ausblick Die rechtsextremistische Szene hat im Jahr 2017 eine Reihe prägender Prozesse durchlaufen, die auch ihre künftige Entwicklung bestimmen werden. 1. Wandel der Schwerpunkte im parteigebundenen Rechtsextremismus Die andauernde Krise der NPD führte abermals zu einer Umorientierung des neonationalsozialistischen Personenpotenzials. Attraktivstes Auffangbecken ist derzeit die Partei D er D ritte Weg. Es ist zu erwarten, dass ihr Personenpotenzial zunehmen und sie weitere "Stützpunkte" gründen wird, wenn auch nicht mit vergleichbarer Dynamik wie in den vergangenen Jahren. Hinzu kommen Vorbereitungen für die im Jahr 2019 anstehenden Kommunalwahlen. Die Partei D er D ritte Weg hat das Potenzial, innerhalb des parteigebundenen Rechtsextremismus in den kommenden Jahren die bestimmende Kraft in Sachsen zu werden. Die NPD und die J ungen Nationaldemokraten (JN) werden hingegen weiter Mitglieder verlieren. Dies dürfte dazu führen, dass sich die NPD im Bemühen um Anschluss an die parteiungebundene rechtsextremistische Szene weiter verbal radikalisieren wird. Ihre Funktionäre werden versuchen, das parteiungebundene rechtsextremistische Personenpotenzial durch explizit für dieses geöffnete Veranstaltungen, wie das "Schild und Schwert-Festival" 2018, stärker anzusprechen. 206 siehe Abschnitt II.1.4.1 Neonationalsozialistische Gruppierungen 152 Rec h t se x t r emismus - Ausblick 2. Rückbesinnung der parteiungebundenen rechtsextremistischen Szene (neonationalsozialistische und subkulturell geprägte Rechtsextremisten) auf ihre althergebrachten Themen Ziel der parteiungebundenen Szene ist es, ein dauerhaft gestärktes Selbstbewusstsein, die Neubildung von rechtsextremistischen Strukturen und vor allem eine damit einhergehende gesteigerte Handlungsfähigkeit der Szene zu erhalten und fortzuführen. Deshalb wird sie die in den vergangenen Jahren entstandenen Verbindungen pflegen und sich auf ihre typischen Aktivitäten konzentrieren, nachdem die Asylthematik nicht mehr ganz so stark im öffentlichen Fokus steht. Der Teil der parteiungebundenen Szene, der es bislang vermieden hat, sich einer rechtsextremistischen Partei anzuschließen, befindet sich noch in einer abwartenden Haltung und nutzt vor allem spektrenübergreifende Veranstaltungen, um Anschluss an und Einbettung in die Szene zu erhalten. Solche Veranstaltungen, wie "Zeitzeugenvorträge", "Trauermärsche" oder "Heldengedenken", bedienen vor allem die Kernelemente der rechtsextremistischen Szene. Derartige Veranstaltungen hatten im Jahr 2017 deutlich mehr Zulauf als in den Jahren zuvor; dieser Trend wird sich auch im Jahr 2018 fortsetzen. Es ist davon auszugehen, dass die rechtsextremistische Szene für sie wichtige Ereignisse wieder verstärkt mit eigenen Aktionen begeht. Ein weiteres wichtiges Element ist die Zunahme von - vordergründig unpolitischen - rechtsextremistischen Veranstaltungen: Dies betrifft vor allem Musikveranstaltungen, aber auch solche Aktivitäten, bei denen es primär um Sport und die Pflege des eigenen Lebensstils geht (Tattoos, Mode, etc.). Es ist zu erwarten, dass diese Veranstaltungen, insbesondere, wenn sie verschiedene Bereiche der Szene verbinden, im Jahr 2018 nicht nur häufiger, sondern auch mit höherer Beteiligung stattfinden werden. Bisher hat dies noch nicht zu einem neuen Aufwärtstrend innerhalb der rechtsextremistischen Vertriebsszene geführt. Gleichwohl dürfte sich mit diesen Veranstaltungen im kommenden Jahr wieder ein erhöhter Bedarf an entsprechenden Produkten ergeben, welcher sich auf den Umsatz der vorhandenen rechtsextremistischen Vertriebsstrukturen positiv auswirken dürfte. Wie stark diese Entwicklung ausfällt, hängt wesentlich von den der rechtsextremistischen Szene zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten, Grundstücken und Immobilien ab. Im Jahr 2017 war zu beobachten, dass die Szene vor allem im ländlichen Raum aufgrund des vorhandenen Leerstandes auch größere Objekte ohne Weiteres pachten oder mieten konnte. Da die meisten größeren Veranstaltungen nur möglich sind, wenn solche Objekte für Rechtsextremisten verfügbar sind, ist hier ein Ansatzpunkt und auch eine besondere Notwendigkeit für aktive Prävention gegeben. Sollte es der Szene weiterhin möglich sein, für ihre Veranstaltungen die entsprechenden Objekte und Grundstücke zu nutzen, ist auch mit einer Zunahme der Häufigkeit und des Teilnehmerpotenzials für rechtsextremistische Veranstaltungen zu rechnen. 153 Rec h t se x t r emismus - Ausblick Auch ist zu erwarten, dass die Szene ihre aktive Propaganda im Sinne einer "Raumbesetzung" ("Nazikieze" 207 etc.) verstärken wird. Darüber hinaus wird sie sich weiterhin provokativ und konfrontativ mit dem politischen Gegner und "Fremden", einschließlich deren Unterstützern, auseinandersetzen. Dabei wird sie, wie in der Vergangenheit, nicht vor Gewalt zurückschrecken. Allen Anzeichen, dass diese Aktivitäten militante rechtsextremistische und rechtsterroristische Straftaten erreichen könnten, muss daher wie bisher mit höchster Aufmerksamkeit und Konsequenz nachgegangen werden. 3. Weiterentwicklung der Anschlussfähigkeit Durch das Vortäuschen angeblich gleicher Zielsetzung gelang es Rechtsextremisten in den vergangenen beiden Jahren, sich zeitweise als Teil von nicht extremistischen asylbezogenen Protesten zu etablieren. In manchen Regionen kam es zu einer regelrechten "Erosion der Abgrenzung". Mit dem Nachlassen des asylbezogenen Veranstaltungsgeschehens fehlten der Szene die direkten Kontakte zu nicht extremistischen Initiativen und Gruppierungen. Infolgedessen wurden zum einen szeneintern überregionale asylund muslimfeindliche Aktivitäten entfaltet. Zum anderen wählten die Rechtsextremisten "Einsickerungsstrategien" mit dem Ziel, innerhalb von nicht extremistischen Initiativen, Vereinen und Gruppierungen Einfluss zu gewinnen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Bestrebungen - wenn auch auf niedrigem Niveau - auch im Jahr 2018 fortgesetzt werden. Zur Unterstützung ihrer Strategien vollzogen Rechtsextremisten auch eine Verschiebung ihrer Themenschwerpunkte. Statt wie bisher gegen Zuwanderer zu polemisieren, wurden im Jahr 2017 die Themenfelder innere Sicherheit, nationale Identität und Legitimation der gewählten Amtsträger bedient. Die Rechtsextremisten sprachen politischen Verantwortungsträgern ihre Legitimation ab, gaben ihnen die Schuld an islamistischen Anschlägen und gestiegener Kriminalität und versuchten, sich als vermeintliche Wahrer von Heimat und Tradition zu inszenieren. Dazu wurden vor allem Versammlungen und kleinere Propagandaaktionen genutzt und Auftritte von Politikern gestört. Mit sogenannten Nationalen Streifen208 wurde ein Versagen des Staates suggeriert und sich die Rolle von Ordnungshütern angemaßt. Die Rechtsextremisten werden diese Strategie im Jahr 2018 weiter fortsetzen. Militante Aktionen aus diesen Bereichen sind vor allem bei weiteren islamistischen Anschlägen zu erwarten. Parallel werden Rechtsextremisten bestrebt sein, durch die Zusammenarbeit mit nicht extremistischen Initiativen und Vereinen an Einfluss zu gewinnen. Flankiert wird dies wie bisher durch die Identitäre Bewegung (IB), deren ideologische Ausrichtung ihr eine breitere Anschlussfähigkeit ermöglicht. Die IB wird im Jahr 2018 weiterhin versuchen, sich mit nicht extremistischen Parteien, Vereinen und Gruppierungen zu vernetzen. Im Übrigen wird 207 Hinter dem Begriff "Nazikieze" steht ein rechtsextremistischer Revieranspruch. In den als "Kiez" definierten Straßen soll - in Anlehnung an das frühere Konzept der "national befreiten Zonen" - kein Raum für den politischen Gegner oder Personen mit Migrationshintergrund und anderen Minderheiten sein. 208 siehe Abschnitt II.1.3.1 D er D rit te Weg 154 Rec h t se x t r emismus - Ausblick sie auf die bewährten Mittel kleinerer Aktionen und einzelner Kampagnen mit möglichst großer öffentlicher Aufmerksamkeit setzen. Alle Bestrebungen zielen damit auf eine Zunahme gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Auch im Jahr 2018 werden Rechtsextremisten bemüht sein, hier den Ton zu verschärfen und die Gräben zu vertiefen. 155 2. Reichsbürger und Selbstverwalter XX heterogene Szene: Gruppierungen und Einzelpersonen XX punktuell hohe Gewaltbereitschaft XX durchschnittlich etwa 50 Jahre alt und mehrheitlich männlichen Geschlechts 156 Reichsbürger und Selbst verwalter - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 2. R eichsbürger und S elbst v erwalt er 2.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Im Jahr 2016 traten Reichsbürger und Selbst verwalter wiederholt durch gewalttätige Aktionen vor allem gegen Polizeibeamte in Erscheinung. Dies betraf zum einen die Räumung eines von einer Reichsbürgergruppierung gehaltenen Areals in Reuden (Sachsen-Anhalt) im August 2016, zum anderen auch die Tötung eines Polizeibeamten beim Betreten eines Reichsbürgeranwesens in Georgensgmünd (Bayern) im Oktober 2016. Infolge dieser Ereignisse weiteten die Verfassungsschutzbehörden ihre Beobachtung von zunächst ausschließlich rechtsextremistischen Reichsbürgern auf die gesamte Szene der Reichsbürger und Selbst verwalter aus. Seit dem 1. Dezember 2016 sind Reichsbürger und Selbst verwalter auch ein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen. Kurz darauf ersuchte das LfV Sachsen sämtliche Organe und Behörden des Freistaates um Übermittlung der ihnen vorliegenden Erkenntnisse zu diesem Extremismusbereich. Diese Szene der Reichsbürger und Selbst verwalter209 wird bundeseinheitlich wie folgt definiert: Reichsbürger und Selbst verwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - u. a. unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Die heterogene Szene der Reichsbürger und Selbst verwalter eint die fundamentale Ablehnung des Staates und seiner gesamten Rechtsordnung. Für die Verwirklichung ihrer Ziele tritt sie aktiv ein, z. B. mit Werbeaktivitäten oder mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland. Bestrebungen, die eine derart grundsätzliche Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Gesetze und Institutionen beinhalten, bieten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Nur ein Teil dieser Bestrebungen kann dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet werden. Reichsbürger und Selbst verwalter sind demnach eine Gruppe, der neben durch materielle Gründe motivierte Personen auch ein erhebliches Potenzial an verschwörungstheoretisch geprägten und waffenaffinen Menschen angehören. 209 "Selbstverwalter" sind Personen, die sich als "staatenlos" definieren und auf dieser Grundlage die Zuständigkeit der staatlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland bestreiten. Oft gründen sie eigene Pseudo-Staaten, die sie dann als "souveräne" Subjekte des Völkerrechts darstellen, über die sie "auf Augenhöhe" mit anderen Staaten, wie der Bundesrepublik Deutschland, in politische Beziehungen treten könnten. 157 Reichsbürger und Selbst verwalter - Personenpotenzial Sie suchen vor allem die Konfrontation mit der öffentlichen Verwaltung und versuchen, auf Grundlage ihrer Behauptungen den Ablauf des Verwaltungshandelns zu behindern. Dafür greifen sie auf umfangreiche Musterschreiben aus dem Internet zurück, mit denen sie die Behörden regelrecht fluten. Im Falle eines persönlichen Kontakts mit Behördenmitarbeitern schrecken Reichsbürger und S elbst verwalter häufig nicht vor Beleidigungen, Bedrohungen und körperlichen Übergriffen zurück. Insbesondere Waffenbesitzer können in diesem Zusammenhang eine besondere Gefahr darstellen. 2.2 Personenpotenzial Das LfV Sachsen rechnet der Szene der Reichsbürger und Selbst verwalter 1.327 Personen zu (Stand: 31. Dezember 2017; bundesweit: 16.500). Der Anteil der Rechtsextremisten innerhalb des Spektrums beträgt 79 Personen (6 %). Auf demselben Niveau bewegt sich auch der Anteil der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse (5,1 %; bundesweit 6,7 %). Die soziodemografische Struktur der Szene ist zu 75 % männlich und zu 25 % weiblich. Der Frauenanteil liegt damit deutlich höher als in anderen Extremismusbereichen. Der Altersdurchschnitt liegt bei ca. 50 Jahren. Das vom LfV beobachtete Personenpotenzial der Reichsbürger und Selbst verwalter nimmt nach wie vor zu. Aufgrund weiterhin regelmäßig eingehender Erkenntnismitteilungen anderer Behörden werden fortlaufend weitere Personen diesem Bereich zugeordnet. Obwohl es auch einen gewissen Zulauf in die Szene gibt, handelt es sich derzeit bei den steigenden Zahlen vor allem um eine Dunkelfelderhellung. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Anzahl weiter erhöht. Anzahl der Reichsbürger und Selbst verwalter im Freistaat Sachsen (insgesamt: 1.327 / bundesweit: 16.500 [2016: ca. 600 / bundesweit 2016: 10.000]) Die regionale Verteilung der Reichsbürger und R eichsbürger und S elbst verwalter Selbst verwalter gestaltete sich im Jahresver2017: 1.327 2016: ca. 600 lauf - abhängig von den Erkenntnismitteilungen anderer Behörden - sehr unterschiedlich. Während Mitte 2017 noch der Landkreis Mitdavon Rechtsextremisten telsachsen und der Vogtlandkreis die höchsten 2017: 79 2016: 25 Personenzahlen aufwiesen (siehe das am 30. Juni 2017 veröffentlichte Lagebild), lag der Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis, bei Schwerpunkt zum Jahresende im Landkreis denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, Zwickau und der Stadt Dresden. dass sie der Reichsbürgerszene angehören 2017: 68 Die Verteilung lässt sich nach wie vor nicht an regionalen Faktoren festmachen. 158 Reichsbürger und Selbst verwalter - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Regionale Verteilung der Reichsbürger und Selbst verwalter im Freistaat Sachsen Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis 151 - 170 121 - 150 Vogtlandkreis 101 < 120 56 < 100 < 55 2.3 Reichsbürgergruppierungen in Sachsen Im Freistaat Sachsen waren im Jahr 2017 folgende Personenzusammenschlüsse aktiv: 1. Bundesstaat S achsen Mitglieder dieser Gruppierung wenden sich mit öffentlichen Schreiben in Form von "offenen Briefen", "Anordnungen", "öffentlichen Bekanntmachungen" und "Amtsblättern" an die Öffentlichkeit sowie gezielt an Dienststellen des Freistaates Sachsen und sächsischer Kommunen. Darin vertreten sie die Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht existiere. Der Bundesstaat S achsen sei daher als Gliedstaat des Deutschen Reiches "reaktiviert" worden. 2. staatenlos . info Bei der Gruppierung staatenlos . info handelt es sich um einen kleinen Personenzusammenschluss mit Hauptsitz in Berlin. Der staatenlos . info. e . V. hält auf seiner Internetpräsenz ein Informationsangebot für Anhänger und Interessenten bereit. Auch meldete er sogenannte Mahnwachen in Dresden an. Diese wurden zeitgleich mit den wöchentlichen PEGIDA-Demonstrationen 159 Reichsbürger und Selbst verwalter - Reichsbürgergruppierungen in Sachsen durchgeführt, fanden allerdings an einem anderen Ort statt. Die Teilnehmerzahl lag stets im einstelligen Bereich. Die für den Freistaat Sachsen regional verantwortliche Protagonistin ist bislang lediglich im Zusammenhang mit der Anmeldung der o. g. "Mahnwachen" von staatenlos . info verfassungsschutzrelevant in Erscheinung getreten. Sonstige Aktivitäten der Gruppierung sind in Sachsen bislang nicht bekannt geworden. 3. F reie Wählervereinigung Einiges D eutschland Die F reie Wählergemeinschaft Einiges D eutschland wurde im Januar 2017 gegründet und ist eine überregional aktive Reichsbürger-Gruppierung. Maßgeblicher Akteur ist eine Person aus Chemnitz; dort hat auch die "Bundesvereinigung" ihren Sitz. Die Gruppierung stellt die Staatseigenschaft der Bundesrepublik Deutschland und deren völkerrechtliche Souveränität in Abrede. Stattdessen geht sie vom Fortbestand des Kaiserreiches aus und fordert die Anwendung des zum 27. Oktober 1918 gültigen staatlichen Rechts. Es wird die These vertreten, dass die Abdankungsurkunde von Kaiser Wilhelm II. eine Fälschung und nur das geltendes Recht sei, "was bis 27.10.1918 23:59:59 Uhr gültig war." Neben diesen Gruppierungen treten im Freistaat Sachsen wiederholt auch Angehörige bundesweit aktiver Reichsbürgergruppierungen, wie der E xilregierung D eutsches Reich oder der Gruppe D ie E xilRegierung D eutsches Reich, in Erscheinung. Eigene Strukturen dieser Gruppierungen sind in Sachsen jedoch nicht vorhanden. Ausblick Im Jahr 2018 ist mit einer weiteren Zunahme des Personenpotenzials zu rechnen. Dies liegt sowohl an der fortgesetzten Aufklärung des bestehenden Personenpotenzials durch das LfV als auch an einem moderaten Zulauf. Das Straftatenniveau dürfte weiterhin auf niedrigem Niveau verbleiben. Es besteht aber das Risiko weiterer schwerer Gewaltstraftaten in spezifischen Einzelfallkonstellationen. Vor allem in konfrontativen Situationen beim Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung und besonders mit Vollstreckungsbehörden (insbesondere Polizei und Gerichtsvollzieher) muss der Einsatz von Gewalt bis hin zum Waffengebrauch einkalkuliert werden. Zu einem landesweit koordinierten Vorgehen ist die Szene der Reichsbürger und Selbst verwalter derzeit nicht in der Lage. Eskalationen dürften daher örtlich begrenzt bleiben. Stattdessen geht eine hohe Gefahr von einzelnen, verschwörungstheoretisch geprägten Überzeugungstätern aus. Es ist zu erwarten, dass diese eine weitere Vernetzung von einzelnen Reichsbürgerpersonengruppen anstreben werden. In diesem Zusammenhang kann es u. a. zur Beschaffung von Waffen kommen. Außerdem wird von diesen Gruppen auch die Anlage von Vorräten und die Schaffung von "Rückzugsräumen" (geeigneten Immobilien) angestrebt. Dahinter steht die Erwartung des baldigen Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung in Deutschland. Diesem Teil der Reichsbürgerbewegung kommt das höchste Radikalisierungspotenzial zu. 160 3. Linksextremismus XX Anzahl der Linksextremisten gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig XX regionaler Schwerpunkt der autonomen Szene und des gewaltbereiten Personenpotenzials bleibt weiterhin die Stadt Leipzig XX Bündnisbestrebungen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen nehmen zu 161 Linksex tremismus - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 3. Linksextremismus 3.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Linksextremisten streben die Beseitigung der Linksextremisten parlamentarischen Demokratie und der freiZiel: Anarchie oder Diktatur des Proletariats heitlichen demokratischen Grundordnung an. Ablehnung von Staat und Gesellschaft Stattdessen wollen sie eine sozialistische bzw. anarchistische und kommunistische Ideokommunistische Gesellschaft oder eine "herrlogiefragmente schaftsfreie" anarchistische Gesellschaft etabGewalt als mögliches Mittel lieren. Ihr politisches Handeln richten sie dementsprechend an revolutionär-marxistischen meist keine Strukturen und Hierarchien oder anarchistischen Vorstellungen aus. Damit treten sie entweder für eine Diktatur ein, die auch mit einer Entrechtung Andersdenkender einhergehen würde, oder für eine herrschaftsund gesetzlose Ordnung. Die von Linksextremisten häufig genannten Werte "Gleichheit", "Freiheit" und "Gerechtigkeit" stellen sich bei genauerem Hinsehen als Synonyme für die Abschaffung demokratischer Errungenschaften (z. B. der Gewaltenteilung) und die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte dar, so z. B. die Beseitigung des Rechts auf Eigentum. Auch wenn das Grundziel - die Abschaffung der Demokratie - alle linksextremistischen Bestrebungen eint, bestehen hinsichtlich der Vorstellungen zur letztlich angestrebten Ordnung, des dorthin führenden Wegs und der anzuwendenden Mittel erhebliche Differenzen. Linksextremisten greifen gesellschaftliche Proteste und Debatten auf und versuchen, diese für ihre extremistischen Ziele zu instrumentalisieren. Aktionen von Nichtextremisten, an denen sich Linksextremisten beteiligen, laufen daher immer Gefahr außer Kontrolle zu geraten, weil gewaltbereite Extremisten dabei ihre Strategie militanter Aktionen umsetzen können. Die Anwendung von Gewalt ist in Teilen der linksextremistischen Szene - vor allem bei den Autonomen - allgemein akzeptierter Grundkonsens. Dies wird dabei im Wesentlichen zweifach legitimiert: Zum einen handele es sich um Gegengewalt, mit der man sich gegen die ungerechtfertigte Gewaltausübung des Staates wehre. Denn dieser übe seinerseits mittels seiner Institutionen und Machtverhältnisse eine "strukturelle" Gewalt gegenüber dem Bürger aus. Zum anderen gebe es politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt schon grundsätzlich rechtfertigten. Diese Gewalt richtet sich im Wesentlichen gegen Sachen, kann aber auch Personen, wie tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, Polizeibeamte und andere Repräsentanten staatlicher Einrichtungen sowie demokratische Parteien zum Ziel haben. 162 Linksex tremismus - Personenpotenzial 3.2 Personenpotenzial Anzahl der Linksextremisten sinkt gegenüber dem Vorjahr leicht Im Jahr 2017 wurden im Freistaat Sachsen ca. 775 Personen linksextremistischen Bestrebungen zugerechnet. Damit ist diese Zahl gegenüber dem Vorjahr (ca. 845) um ca. 8 % gesunken. Linksextremisten im Freistaat Sachsen 1.000 845 770 780 775 800 750 600 400 200 2013 2014 2015 2016 2017 Die Autonomen stellten - auch wenn sie im Berichtsjahr einen Rückgang ihres Potenzials um ca. 2 % auf ca. 415 Personen (2016: ca. 425) zu verzeichnen hatten - unverändert die größte Gruppe innerhalb der linksextremistischen Bestrebungen im Freistaat Sachsen dar. Der Rückgang resultierte aus einer leichten Verringerung des autonomen Personenpotenzials in den Landkreisen, während es in den sächsischen Zentren konstant blieb. Die den A narchisten und sonstigen linksextremistischen Gruppierungen zuzurechnende Anhängerschaft minderte sich nur minimal und lag bei ca. 160 (2016: 170) Personen. Dabei blieb die Mitgliederzahl im Bereich der anarchistischen Gruppierungen mit ca. 45 Personen konstant. Die Gruppierung Revolution musste hingegen Mitgliederverluste hinnehmen. Bei den Mitgliedern des Rote Hilfe e . V. (RH) handelte es sich nach wie vor vielfach um Mehrfachmitgliedschaften. Die Mitgliederzahl der RH blieb mit ca. 380 Personen im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Die Gesamtzahl der Mitglieder orthodoxer linksextremistischer Parteien und Organisationen sank auf ca. 200 Personen (2016: ca. 250 Personen). Der Rückgang hing einerseits mit dem hohen Altersdurchschnitt zusammen, aus dem sich im Zeitverlauf eine Abnahme des Personenpotenzials ergibt. Andererseits gestaltet es sich für orthodoxe linksextremistische Parteien sehr schwierig - aufgrund ihrer starren Strukturen, ihrer straffen Parteidisziplin und strengen Hierarchie - junge 163 Linksex tremismus - Personenpotenzial Menschen anzusprechen und dauerhaft für sich zu gewinnen. Auch die ideologisch-dogmatische Ausrichtung und die wenig dynamischen Aktionsformen bieten kaum Anknüpfungspunkte für eine erfolgversprechende Werbung von jungen Neumitgliedern. In Verbindung mit dem altersbedingten Rückgang führt dies zu einer deutlichen Reduzierung des Personenpotenzials in diesem Bereich. Anzahl der Linksextremisten im Freistaat Sachsen (insgesamt: ca. 775 [2016: ca. 845 / bundesweit 2016: ca. 28.500])210211212213 Orthodoxe links Gewaltorientierte A narchisten und sonstige extremistische Parteien Linksextremisten / A utonome linksextremistische und Organisationen G ruppierungen 2017: ca. 200 2017: ca. 415 2017: ca. 160 210 2016: ca. 250 2016: ca. 425 2016: ca. 170 211 A narchisten 2017: ca. 45 2016: ca. 45 R ote Hilfe e . V. (RH) 2017: ca. 380 212 2016: ca. 380 213 R evolution (R evo ) 2017: ca. 10 2016: ca. 20 In den Großstädten Leipzig und Dresden sind nach wie vor die weitaus meisten Linksextremisten ansässig. 210 ohne Mehrfachmitgliedschaften 211 ohne Mehrfachmitgliedschaften 212 mit Mehrfachmitgliedschaften 213 mit Mehrfachmitgliedschaften 164 Linksex tremismus - Personenpotenzial Regionale Verteilung der Linksextremisten im Freistaat Sachsen - absolut Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis 300 < 500 100 - 150 Vogtlandkreis 50 < 100 30 < 50 < 30 Regionale Verteilung der Linksextremisten im Freistaat Sachsen - je 10.000 Einwohner Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis Vogtlandkreis 6 2-4 <2 165 Linksex tremismus - A u tonome 3.3 Autonome Historie und Strukturentwicklung Die Ursprünge der Autonomen gehen auf den Zerfall der 68er-Protestbewegung und den allmählichen Niedergang der daraus entstandenen kommunistischen Splittergruppen zurück. Sie gingen aus einem Teil der politischen Alternativkultur - der militanten Hausbesetzerszene - insbesondere jedoch aus der sogenannten Sponti-Bewegung hervor. Diese stand für Unabhängigkeit, Selbstorganisation und Spontaneität bei politischen Aktionen. Sie war stark von anarchistischen, hierarchieund organisationsfeindlichen Einstellungen sowie einer Verweigerungshaltung gegenüber bürgerlichen Normen geprägt. Der Begriff Autonome setzte sich als Selbstbezeichnung der Szene Anfang der 1980er Jahre durch. Er nimmt Bezug auf die Bewegung der Arbeiterautonomie (Autonomia Operaia), die sich in den 1960er Jahren in den industriellen Zentren Norditaliens gebildet hatte und für militante Auseinandersetzungen sowie Fabrikkämpfe in den 1960er und 1970er Jahren verantwortlich gewesen war. Die Ideen der Autonomia Operaia, der Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung der politischen Ziele, die Ablehnung von festen Organisationsformen und der Kampf für die eigenen Interessen wurden von den Autonomen als "Politik der ersten Person" auch für andere Aktionsfelder als den Fabrikkampf übernommen. In den 1980er Jahren entstanden in zahlreichen Städten der Bundesrepublik Gruppen, die sich selbst als "autonom" definierten. Sie versuchten, mit gewalttätigen Aktionen neue "Freiräume" zu erkämpfen, um dadurch zugleich eine eigene Handlungsfähigkeit in verschiedenen - auch von friedlichen Nichtextremisten - geführten Konflikten (z. B. Startbahn-West in Frankfurt am Main [Hessen]) zu etablieren. Um "Freiräume" zu erkämpfen, beteiligten sich Autonome vor allem an zahlreichen Hausbesetzungen als politisches Mittel im Kampf gegen den Staat. Gleichzeitig suchten sie gewalttätig die offene Auseinandersetzung mit dem "staatlichen Gewaltapparat". Strukturell ist die autonome Szene zumeist stark zersplittert und in örtlichen Szenen und Kleingruppen organisiert. Den verschiedenen Versuchen der Bildung einer überregionalen Organisation oder zumindest einer dauerhaften Vernetzung untereinander standen bislang die den Autonomen eigene Organisationsfeindlichkeit, ihr aktionsorientiertes Vorgehen sowie ideologische Differenzen entgegen. Allerdings zeichnete sich in den letzten Jahren sowohl bundesweit als auch in Sachsen innerhalb der autonomen Szene eine deutliche Tendenz ab. Neben den undogmatischen und militanten Linksextremisten - den "klassischen Autonomen" - etablierten sich sogenannte Postautonome . Diese präsentieren sich moderater und streben eine Zusammenarbeit in überregionalen Bündnissen an, denen sowohl andere linksextremistische Organisationen als auch Nichtextremisten angehören können. Bündnisse sollen eine kontinuierlichere politische Arbeit mit dem Ziel der Schaffung einer breiten Massenbasis sicherstellen. Postautonome Gruppen sprechen sich für die Beibehaltung militanter Konzepte aus, legen allerdings Wert auf deren Vermittelbarkeit außerhalb der eigenen Klientel. 166 Linksex tremismus - A u tonome Ideologie / Politische Zielsetzung Die autonome Szene ist eine Strömung innerhalb des Linksextremismus, der es an einer Organisation mit klaren Strukturen fehlt. Sie unterscheidet sich deutlich von anderen Gruppierungen, vor allem hinsichtlich ihres Selbstverständnisses, ihres Weltbildes und ihres Organisationsgrades. Zwar gibt es gemeinsame Grundpositionen aller linksextremistischen Strömungen, die eine erklärte Gegnerschaft zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat eint. Darüber hinaus besteht ein grundsätzliches Bekenntnis zu "revolutionärer Gewalt". Im Gegensatz zu anderen linksextremistischen Gruppierungen - etwa zu orthodoxen Kommunisten - lehnen Autonome aber einen zentralistischen Staat sowie Parteien kategorisch ab. Weltanschaulich-politisch verfolgen sie keine dogmatische Linie, sondern verstehen sich als Fundamentalopposition und Basisbewegung. Das Weltbild der Autonomen und deren Weltanschauung resultieren aus ihrem Selbstverständnis, welches vor allem von einer destruktiven Anti-Haltung (antistaatlich, antirepressiv, antifaschistisch) geprägt ist. Deshalb haben auch ihre Aktionen einen destruktiven Charakter. Jenseits von Forderungen nach "Selbstbestimmung" und "herrschaftsfreien Verhältnissen" verbindet die autonomen kein einigendes ideologisches Band. Ihrem Selbstverständnis entsprechend orientieren sie sich an anarchistischen Ideologiefragmenten und wenden sich von diesem Ansatz ausgehend gegen jegliche Form von Herrschaft, Organisation und Hierarchie. Demzufolge lehnen sie die Gewaltenteilung ab, in der eine demokratisch legitimierte Mehrheit regiert und Minderheitenrechte geachtet werden. AngeQuelle: P risma , Twitter, @PrismaLE strebt wird somit die Abschaffung der Demo(Stand: 2. Mai 2017) kratie. Der Weg dorthin ist jedoch nicht klar definiert. Autonome bekämpfen auch die von ihnen als "kapitalistisch" bezeichnete Gesellschaftsordnung. Ihnen geht es dabei nicht um eine moderate Kapitalismuskritik, sondern vielmehr um eine revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung. Rolle der Gewalt Für Autonome ist Gewaltausübung sowohl zur Durchsetzung politischer Ziele als auch als Symbolhandeln zentral. Gewaltbereitschaft ist ein identitätsstiftender und prägender Bestandteil der Szene. Sie findet Ausdruck in Strafund Gewalttaten, die in Strategiepapieren und Diskussionen gerechtfertigt und in Symbolik verherrlicht wird. Durch ihre Gewaltgeneigtheit unterscheiden sich die Autonomen von legalistischen Linksextremisten. Autonome sehen sich zum einen als Opfer sowohl staatlicher Gewalt als auch des politischen Gegners. Insofern sehen sie ihre eigene Gewaltausübung als legitim an. Zum anderen gibt es aus ihrer Sicht bestimmte politische Anliegen, die den Einsatz von Gewalt generell rechtfertigen. Dabei orientieren sich Autonome am Philosophen und Sozialwissenschaftler Herbert Marcuse, der mit seinen Ideen maßgeblich die 1968er Bewegung beeinflusste. Er sah die Ursachen für Gewalt in den 167 Linksex tremismus - A u tonome "kapitalistischen Produktionsverhältnissen". Diese seien die Basis für gesellschaftliche Strukturen sowie für Institutionen und Machtverhältnisse. Durch sie werde eine "strukturelle" Gewalt auf ihre Bürger ausgeübt. Daraus leiten Autonome ein Recht auf Widerstand und den Einsatz von Gewalt ab. Vor diesem Hintergrund wird der Einsatz von Gewalt auch in der sächsischen Szene als legitim angesehen. Prägend für die autonome Szene sind dennoch Debatten über die Zielgerichtetheit und Vermittelbarkeit von Gewalt. So gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen über die Auswahl der Ziele und die Angemessenheit der Mittel. Beispielhaft ist die auf linksunten.indymedia.org geführte Diskussion über die am 19. Juni 2017 deutschlandweit erfolgten Anschläge auf Kabelkanäle der Deutschen Bahn, die auch in Leipzig durch vier Brandanschläge zu erheblichen Schäden und Ausfällen im Betriebsablauf geführt hatten: "Mit diesem Anschlag wird mal wieder genau das Gegenteil von dem erreicht, was Botschaft und Sinn sein sollte. (...) Diejenigen erreichen exakt das Gegenteil ihrer Intentionen, nämlich mehr Unterstützung für CDU-Politik, Verständnis von dummen Gesetzesverschärfungen und ggf. Hinnahme bei Polizeigewalt gegen linke Aktivisten." 214 Grundlegende Entwicklungstendenzen der autonomen Szene im Freistaat Sachsen Die autonome Szene dominiert den Linksextremismus im Freistaat Sachsen deutlich. Ihr gehörten im Berichtsjahr ca. 415 Personen an, die einen Anteil von ca. 54 % an allen linksextremistischen Bestrebungen in Sachsen ausmachten. Wie die numerische Entwicklung zeigt (siehe Grafik), sank die Anzahl der Autonomen im Freistaat gegenüber dem Vorjahr leicht um ca. 2 %. Dabei blieb das Personenpotenzial in den urbanen Zentren der autonomen Szene konstant. Der minimale Rückgang resultierte aus Verlusten in ländlichen Regionen. Entwicklung der Anzahl Autonomer im Freistaat Sachsen 425 415 400 360 370 340 300 200 100 2013 2014 2015 2016 2017 214 https://linksunten.indymedia.org; Kommentar zu "Kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg" (Stand: 19. Juni 2017; Schreibweise wie im Original) 168 Linksex tremismus - A u tonome Deutlicher regionaler Schwerpunkt 215 der sächsischen autonomen Szene bleibt die Stadt Leipzig. Wie im Jahr 2016 gehörten auch im Berichtsjahr mit ca. 250 Personen weit über die Hälfte der sächsischen Autonomen der Leipziger Szene an, so dass sich dort auch das stärkste gewaltbereite Potenzial konzentriert. Die Dresdner Szene 216 ist als zweiter Schwerpunkt sächsischer Autonomer wesentlich kleiner. Sie kann wie im Vorjahr keinen personellen Zuwachs vorweisen und verliert weiter an Bedeutung. Die autonome Szene in Chemnitz 217 ist nochmals kleiner und weniger strukturiert, aber anlassbezogen aktiv. Kleinere autonome Gruppen und Einzelpersonen sind im Landkreis Mittelsachsen, im Vogtlandkreis sowie im Landkreis Görlitz aktiv. Autonome Szenen im Freistaat Sachsen Nordsachsen Leipzig Meißen Bautzen Leipzig Görlitz Dresden Mittelsachsen Sächsische Schweiz - Osterzgebirge Chemnitz Zwickau Erzgebirgskreis Vogtlandkreis Im Jahr 2017 setzten sich in Sachsen Prozesse zur Neuorientierung der Szene fort, die bereits im Vorjahr zu beobachten waren. Der Trend zur Formierung postautonomer Bündnisse218 stand in engem Zusammenhang mit der Entwicklung auf Bundesebene, wo dieser Prozess bereits 2014 / 2015 eingesetzt hatte. Geprägt war er durch das Bemühen, verbindliche regionale und bundesweite Strukturen aufzubauen, um entsprechende Kontakte und die Zusammenarbeit mit 215 siehe Abschnitt II.3.3.1 A utonome in Leipzig 216 siehe Abschnitt II.3.3.2 A utonome in Dresden 217 siehe Abschnitt II.3.3.3 A utonome außerhalb von Leipzig und Dresden 218 siehe Glossar 169 Linksex tremismus - A u tonome anderen Akteuren zu ermöglichen. Die maßgeblichen Akteure dieses Organisationsansatzes waren die linksextremistischen Bündnisse (...) ums G anze! (UG)219 sowie Interventionistische L inke (IL)220. Die IL trat 2017 als ein Organisator und Unterstützer der Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg, gegen den sich abzeichnenden Einzug der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag sowie als Partner in der nicht extremistischen Kampagne "Ende Gelände" gegen die Verstromung der Braunkohle öffentlich auf. Als lokale Ortsgruppe der Interventionistischen L inken beteiligte sich die Gruppe P risma-Interventionistische L inke L eipzig (P risma ) aktiv an der Vorbereitung und Durchführung dieser Aktionen. Dem (...) ums G anze!-Bündnis gehören in Sachsen die Undogmatische R adikale A ntifa D resden (URA Dresden) mittelbar über einen lokalen Zusammenschluss extremistischer und nicht extremistischer Gruppen ebenso wie die Leipziger Gruppe the future is unwritten (tfiu) an. Das (...) ums G anze!Bündnis mobilisierte im Jahr 2017 bundesweit gegen den G20-Gipfel und über die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" ("NIKA") gegen die AfD. Über die bündnispolitische Ausrichtung übten postautonome Gruppen in Leipzig Einfluss auf das lokale Kleingruppenspektrum aus. Bei öffentlichen Aktionen gegen den politischen Gegner beteiligten sich Postautonome an Bündnissen extremistischer und nicht extremistischer Partner und achteten auf die Vermittelbarkeit der geplanten Aktionen. Zugleich zeigte sich jedoch im Berichtsjahr, dass in Demonstrationsaufrufen häufig auf eine breite Beteiligung aller Protestformen Wert gelegt wurde. Damit sollte auch dem gewaltbereiten Kleingruppenspektrum Raum für Aktionen im Schutz von Massendemonstrationen gegeben werden. Dies kann auch als Ergebnis der Vorbereitungen und der Durchführung der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg gewertet werden. So hielten IL und (...) ums G anze! in ersten, vorläufigen Bilanzen nach dem G20-Gipfel fest, dass eine Distanzierung von Militanz zu einer Spaltung der "radikalen Linken" führen würde und dass die spektrenübergreifende Zusammenarbeit aller Formen des Widerstands in Hamburg als richtungsweisender Erfolg gewertet werden müsse: 219 Das Bündnis (...) ums Ganze! bezeichnet sich selbst als "kommunistisches Bündnis" und strebt die Überwindung des "gesellschaftlichen Verhältnisses Kapitalismus" an, ohne dabei klassisch orthodox-kommunistische Positionen einzunehmen. Es geht den Akteuren nicht um Reformen, sondern wortwörtlich "ums Ganze", genauer um eine "revolutionäre(n) Aufhebung des Kapitalismus". Dazu befürworteten sie Militanz und Straßengewalt. In diesem Sinne betreibt das Bündnis linksextremistische Kampagnenarbeit, bei denen es vielfach zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Aktuell wird ...ums Ganze! von Gruppierungen des aktionsorientierten linksextremistischen Spektrums dominiert. Sächsische Bündnisgruppen sind die linksextremistischen Gruppen the future is unwritten (tfiu) aus Leipzig und die URA DRESDEN, letztere nur mittelbar als Teil der Dresdner "Föderation 'critique'n'act'". 220 Die IL wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen Organisierung autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet. Sie bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine kampagnenorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit. Die IL fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten sowie nicht extremistischen Gruppen und Initiativen. Die Einstellung zur Gewalt ist daher vor allem taktisch geprägt; sie wird nicht grundsätzlich abgelehnt. 170 Linksex tremismus - A u tonome "Die Vielfalt der Aktionsformen hat sich dabei praktisch ergänzt, auch wenn das einige lieber nicht so laut sagen wollen. Denn ohne militante Aktionen an anderer Stelle, die viel Polizei gebunden haben, wären wohl weder die Blockadefinger noch die Hafenblockade so relativ erfolgreich gewesen." 221 Demzufolge kann auch für die Leipziger IL-Ortsgruppe von einem Lernprozess ausgegangen werden, der für eine Fortführung des "arbeitsteiligen" Vorgehens spricht: Große Bündnisse unter Einbeziehung postautonomer Gruppen melden Demonstrationen an, um Kleingruppen den Raum für eigenständige Aktionen zu verschaffen. Jedoch hatten sich Leipziger Szeneangehörige bereits 2016 auch kritisch über die bündnispolitische Strategie geäußert, die sie als "Anbiederung" an den politischen Feind und die zu bekämpfenden "Zustände" verstanden. Sie forderten ein kompromissloseres und radikaleres Eintreten gegen den politischen Gegner, gegen Immobilienunternehmen oder Einrichtungen des demokratischen Rechtsstaates und unterstrichen ihren Anspruch mit einer Vielzahl an klandestinen Aktionen. Auch 2017 ließ sich diese Entwicklung Quelle: 161Crew/GNWP, Twitter, @fcklokgnwp als Gegenbewegung zur postautonomen Bünd(Stand: 2. Juli 2017) nispolitik beobachten. Das militante Kleingruppenspektrum setzte weiter auf gezielte Anschläge auf Gebäude, Fahrzeuge und Personen. Eine Fortführung erfuhren im Berichtsjahr des Weiteren Bemühungen antirassistischer und antifaschistischer Gruppen, ländliche, kleinstädtische und großstädtische Strukturen zu vernetzen, um als Antifa überall dort präsent zu sein, wo aus ihrer Sicht "rassistische Mobilisierung" im Alltag stattfindet. Gewalttätige Aktionen von Autonomen Autonome Militanz zeigte sich in Form gewalttätiger Proteste aus Demonstrationen heraus sowie in Form klandestiner222 und offen militanter Aktionen. Die Anwendung von Gewalt steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Aktionsniveau und den Aktionsformen. Im Jahr 2017 sank das öffentliche Aktionsniveau sächsischer Linksextremisten um ca. 38 % (2017: 86 Aktionen; 2016: 139). Dies führte zu einem erneuten Rückgang gewalttätiger Aktionen im Rahmen des Demonstrationsgeschehens. Allerdings hatte der Rückgang des Aktionsniveaus keinen Rückgang der Aktionsund Gewaltbereitschaft zur Folge. Die Aktionen der Linksextremisten waren auch 2017 von einem hohen Aufkommen klandestiner Aktionen geprägt, auch wenn sich deren Anzahl von 60 im Jahr 2016 221 https://umsganze.org; "Ein Gruss aus der Zukunft." Mitteilung des (...) ums Ganze!-Bündnis zum Verlauf der G20-Proteste in Hamburg, 11. Juli 2017 (Stand: 13. Juli 2017). Dazu auch: Die rebellische Hoffnung von Hamburg. Eine erste, vorläufige Bilanz der Interventionistischen Linken, prisma.blogsport.de (Stand: 12. Juli 2017) 222 siehe Glossar 171 Linksex tremismus - A u tonome auf 45 im Jahr 2017 verringert hat. Insofern haben sich die Proportionen zwischen diesen beiden Aktionsformen (öffentliche Aktionen - klandestine Aktionen) verschoben. Diese veränderte Gewichtung resultierte in einer Verlagerung der Gewaltaktionen vom öffentlichen Geschehen in die Anonymität und war häufig mit hohen Sachschäden verbunden. Für Linksextremisten stellen sie deshalb eine geeignete Aktionsform dar, um dem politischen Gegner erheblich zu schaden. Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen Klandestine Aktionen richteten sich vorrangig 80 gegen den politischen Gegner sowie Firmen, die mit der Sanierung von Wohnhäusern beauftragt 60 sind. Der Begriff des politischen Gegners wird 60 dabei von den linksextremistischen Straftätern 45 sehr weit gefasst, was die breite Fächerung der 40 Anschlagsziele zeigt. Sie umfassen tatsächliche 34 oder aber auch nur vermeintliche Rechtsextremisten. Ziele sind aber auch Vertreter und Ins20 titutionen des demokratischen Rechtsstaates, Einrichtungen demokratischer Parteien und die Polizei. Sie verkörpern für Autonome das staatli2015 2016 2017 che Gewaltmonopol und gelten als Vertreter des ihnen verhassten Staates. Detaillierte Beispiele zu klandestinen Aktionen befinden sich in den Regionalbeiträgen (Leipzig, Dresden und außerhalb dieser Städte, siehe Abschnitt II.3.3.1 bis 3.3.3).). Öffentlichkeitswirksame Aktionen von Autonomen Die Darstellung ihrer politischen Positionen in der Öffentlichkeit hat für Linksextremisten große Bedeutung. Deshalb bleibt auch die Beteiligung an bzw. Durchführung von Demonstrationen, Aufzügen oder Gegenprotesten für die autonome Szene besonders wichtig. Im Jahr 2017 war ihr öffentliches Aktivitätsniveau jedoch weiter rückläufig - mit 87 öffentlichen Aktionen sank diese Zahl gegenüber dem Vorjahr. Sächsische Autonome beteiligten sich im Berichtsjahr allerdings nicht nur an Demonstrationen in Sachsen, sondern auch an zahlreichen überregionalen und bundesweiten Protestveranstaltungen. Bei dieser Aktionsform ist zwischen angemeldeten und nicht angemeldeten Demonstrationen zu unterscheiden. Angemeldete Demonstrationen werden in der Regel in strategischen Bündnissen unter Beteiligung von Nichtextremisten geplant und durchgeführt. Sie dienen zugleich der Werbung von Sympathisanten. Meist ordnen sich Autonome in diesen Aufzügen weitgehend in das friedliche Demonstrationsverhalten zivilgesellschaftlicher Akteure ein. Ob es im Rahmen angemeldeter Demonstrationen zu Ausschreitungen kommt und wie groß der Spielraum für Linksextremisten ist, hängt einerseits vom Kräfteverhältnis zur Polizei, andererseits aber auch von der Distanz oder Toleranz des bürgerlichen Spektrums gegenüber der Anwendung von Gewalt ab. 172 Linksex tremismus - A u tonome Demonstrationen / Aufzüge / Gegenproteste von oder mit Beteiligung von Autonomen im Freistaat Sachsen 200 Im Gegensatz hierzu ent182 wickeln nicht angemeldete 139 Demonstrationen eine hohe 150 Eigendynamik, die häufig zu 102 gewalttätigen Ausschreitun100 87 gen führen. Vor allem solche entsprechen dem Selbst52 verständnis Autonomer und 50 werden häufig als Reaktion auf "repressive" staatliche Maßnahmen durchgeführt. 223 2013 2014 2015 2016 2017 Maßgeblich für die Mobilisierung und das Verhalten von gewaltorientierten Autonomen sind die Bedeutung des Anlasses, die aufrufenden Gruppierungen und die zur Mobilisierung genutzten Medien. Gesellschaftlich relevante Themen, die den Kernbereich der linksextremistischen Grundsätze treffen, führen dabei zu einer erhöhten Zahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten, die aus dem Demonstrationsgeschehen heraus begangen werden. Dies gilt auch, wenn der politische Gegner im öffentlichen Raum direkt konfrontiert werden kann. 2017 standen folgende Demonstrationsereignisse eng mit gewalttätigen Aktionen Autonomer im Zusammenhang: 1. Proteste gegen Demonstrationen des politischen Gegners in Leipzig 2. Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg 3. Proteste gegen den sich abzeichnenden Einzug der AfD in den Bundestag. Aktionsfelder der Autonomen Die von Autonomen thematisierten Aktionsfelder und die sich daraus anschließenden Zu den aktuellen Aktionsfeldern Autonomer gehören neben dem "Antifaschismuskampf" öffentlichen Aktionen sind von den jeweiligen Themen wie "Antirassismus / Asyl", "Antirepolitischen Rahmenbedingungen und aktuellen pression", "Antikapitalismus", "Antisexismus" politischen Debatten abhängig. Welche der und der Kampf für "Freiräume". Aktionsfelder in der Öffentlichkeit thematisiert werden und inwieweit Autonome in der Lage sind, entsprechend tätig zu werden, hängt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. So ließ sich feststellen, dass im Berichtsjahr die Proteste gegen PEGIDA für die autonome Szene in 223 siehe Abschnitte II.3.3.1 A utonome in Leipzig und II.3.3.2 A utonome in Dresden 173 Linksex tremismus - A u tonome Dresden eher zu "Pflichtveranstaltungen" wurden. Deutlich stärker im Fokus standen hingegen die Themenfelder "Antirepression" und "Antikapitalismus" aufgrund des G20-Gipfels in Hamburg, der von der Szene als "Gipfel der Repression" wahrgenommen wurde, sowie der Kampf für "Freiräume". "Antifaschismuskampf" Über das Themenfeld des "Antifaschismus" gelingt es Autonomen in Sachsen immer wieder, Akzeptanz in der bürgerlichen Gesellschaft zu finden. Faschismus und Rechtsextremismus werden von der breiten Öffentlichkeit abgelehnt. Dadurch gelingt es Autonomen, Bündnisse mit zivilgesellschaftlichen Kräften einzugehen, um gemeinsam mit diesen gegen rechtsextremistische Aktivitäten zu demonstrieren. Exemplarisch dafür steht die Entwicklung der Leipziger Szene. Diese schloss sich im Jahr 2017 - auch aus strategischen Erwägungen - wieder den Demonstrationen des zivilgesellschaftlichen Lagers gegen den politischen Gegner (LEGIDA und die Partei D ie Rechte) an und bot damit weniger Angriffsfläche für vermeintlich "repressive" Maßnahmen staatlicher Institutionen. Autonome gehen zudem davon aus, dass Kapitalismus und Faschismus in einem kausalen Zusammenhang stehen. Das ökonomische System bilde demnach die Ursache für den Faschismus als politische Ordnung. Aus Sicht Autonomer bedeutet der Kampf gegen den Faschismus gleichzeitig einen Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat. Bedeutsam erscheint es dabei, sich dem demokratischen Rechtsstaat speziell in Sachsen entgegenzustellen. So wird behauptet, dass staatliche Behörden in Sachsen "nachweislich" ein Sammelbecken für "einige Faschisten" oder dass "Polizeigewalt, Rassismus und Sympathien für (Neo-)Nazis" nicht nur bei der Polizei in Sachsen Alltag seien. 224 "Antirassismus / Asyl" Autonomer "Antirassismus" steht in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit "Antifaschismus". Mit antirassistischen Positionen Autonomer verbindet sich stets auch fundamentale Kritik am demokratischen Rechtsstaat und dessen Institutionen. Staatlichen Akteuren wird ein "institutioneller Rassismus" unterstellt, der systemimmanent sei, so bei der als "rassistisch" abgelehnten deutschen Asylpolitik. Da diese zudem als "repressiv" angesehen wird, verknüpften Autonome häufig die Themenfelder "Antirassismus/ Asyl" sowie "Antirepression" miteinander. Das Thema "Asyl" bot Autonomen nicht nur Anlass für öffentliche Aktionen. Es ermöglichte ihnen zugleich, den demokratischen Rechtsstaat zu delegitimieren und zu diffamieren. Dies zeigte sich im Berichtsjahr zum Beispiel bei spontanen Versammlungen gegen Abschiebungen, an denen auch Autonome teilnahmen. So richtete sich im Oktober 2017 ein Twitter-Beitrag der URA D resden gegen das aus ihrer Sicht unrechtmäßige Vorgehen von Polizei und Behörden: 224 URA D resden , twitter, @antifa_dresden (Stand: 2. August 2017); anonym: [LE] Sponti in Gedenken an Clement Meric, linksunten.indymedia.org (Stand: 6. Juni 2017) 174 Linksex tremismus - A u tonome "Schweine der @PolizeiSachsen räumen, obwohl die Abschiebung aktuell unzulässig erscheint. (...) Wir scheißen auf geltendes Recht, ihre @PolizeiSachsen." 225 Vor allem aufgrund der öffentlichen Debatten über die Asylthematik eröffnet sich für Linksextremisten ein Konsens mit Teilen der Zivilgesellschaft. Daher stellte die Asylpolitik auch im Jahr 2017 für die sächsische linksextremistische Szene ein Thema von hoher Bedeutung dar. "Antirepression" bzw. "Kampf um Freiräume" und "Gentrifizierung" Der "Kampf gegen staatliche Repression" ist ein klassisches Aktionsfeld von Autonomen, mit dem der demokratische Rechtsstaat delegitimiert werden soll. Er wird als ein gerechtfertigtes Mittel verstanden, um die herrschende "Gewalt des Systems" aufzubrechen. Aktionen richteten sich in diesem Zusammenhang u. a. gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017, gegen die Herbsttagung der Innenministerkonferenz im Dezember 2017 in Leipzig sowie gegen das Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia.org durch den Bundesminister des Innern. linksunten.indymedia.org war bis zu diesem Tag das bekannteste und wichtigste Medium für Linksextremisten in Deutschland. Auf dem Portal konnte jedermann anonym Artikel posten, die dann ggf. von einem Team geringfügig moderiert wurden. Dazu gehörten neben Demonstrationsaufrufen oder Kommentaren zu politischen Ereignissen u. a. auch Selbstbezichtigungsschreiben zu militanten Aktionen. Berichte über linksextremistische Straftaten und Outings vermeintlicher und tatsächlicher Rechtsextremisten blieben meist unzensiert. Den Autoren wurde ermöglicht, solche Aktionen auch anonym zu publizieren. Damit diente linksunten.indymedia.org dem öffentlichen Aufruf sowie der Billigung von und der Anleitung zu Straftaten. Bei den veröffentlichten Beiträgen von linksunten. indymedia.org zeigten sich regelmäßig Bezüge zur linksextremistischen Szene in Sachsen. So wurden z. B. Demonstrationsberichte mit regionalem Bezug, Rechercheerkenntnisse zu sächsischen Verbot von linksunten.indymedia Rechtsextremisten oder SelbstbezichtigungsDer Bundesminister des Innern verfügte mit schreiben zu klandestinen Aktionen in Leipzig Wirkung vom 25. August 2017 das Verbot und und Dresden publiziert. die Auflösung der linksextremistischen Vereinigung linksunten.indymedia. Auf Grundlage Die Veröffentlichung der Verbotsverfüvon Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes in Vergung löste in der linksextremistischen Szene bindung mit SS 3 Abs. 1 des Vereinsgesetzes Sachsens Protest aus, was insbesondere die wurde festgestellt, dass es sich bei linksunten. Reaktionen in den sozialen Medien belegen. indymedia um einen Verein handelt, dessen Dort wurde das Verbot als "repressiver Schlag" Zwecke und Tätigkeiten den Strafgesetzen des Staates gegen die "radikale Linke" nach zuwiderlaufen und der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Von dem Verbot den Protesten gegen den G20-Gipfel im Juli betroffen sind der Betrieb sämtlicher Internet2017 in Hamburg gedeutet. Insgesamt waren präsenzen des Vereins und die Verwendung die Reaktionen jedoch eher verhalten. Im des Kennzeichens von linksunten.indymedia. 225 URA D resden , twitter, @antifa_dresden (Stand: 19. Oktober 2017) 175 Linksex tremismus - A u tonome Anschluss an das ausgesprochene Verbot war eine Ausweichbewegung auf das - nicht vom Verbot betroffene - Portal de.indymedia. org wahrnehmbar. Zwar wurde dieses schon länger existente Portal von sächsischen Linksextremisten bereits in den Vorjahren genutzt; nach dem Verbot verstärkte sich dies jedoch merklich. Quelle: P risma , Twitter, @PrismaLE Das Themenfeld "Antirepression" ist für (Stand: 13. Februar 2017) Autonome untrennbar mit dem Kampf um "Selbstbestimmte Freiräume" verknüpft. In "Freiräumen", wie etwa besetzten Häusern oder Jugendzentren, die dem staatlichen Zugriff entzogen sind und "selbstverwaltet" werden, wollen sie ihre Vorstellungen von einem "besseren" Leben umsetzen. Dort wird die für ihre Aktivitäten unerlässliche Infrastruktur bereitgestellt und der Informationsaustausch innerhalb der Szene unterstützt. Solche "Freiräume" - wie z. B. der von Autonomen so verstandene "Freiraum" LeipzigConnewitz - stellen für sie einen ersten Schritt zur Etablierung der von ihnen angestrebten "herrschaftsfreien" Gesellschaft dar. Insofern werten sie dessen Einschränkung stets als einen Angriff gegen die Verwirklichung ihrer Zielsetzungen. Autonome beanspruchen eine kulturelle Hegemonie in "ihrem" Viertel, welche häufig in einer Ausgrenzung anderer mündet. Personen, deren Wertvorstellungen nicht mit den ihren übereinstimmen, werden deshalb als "konservativ und reaktionär" Quelle: AKP, twitter, @Antifa_KP abgelehnt. Auch auf behördliche Maßnahmen, die sich gegen (Stand: 24. Februar 2017) ihre "Freiräume" richten, reagieren sie regelmäßig umgehend und aggressiv. So werden kommunale Stadtentwicklungsmaßnahmen als Angriff und somit als "staatliche Repression" gewertet. Leipziger Linksextremisten besetzen zunehmend das Themenfeld "Gentrifizierung" 226 , um in der Öffentlichkeit zu agieren und sich politisch zu positionieren. Vor allem in Ballungsräumen und alternativ geprägten Vierteln nutzen Linksextremisten dieses Thema, um die kritische Stimmung in Teilen der Bevölkerung für ihre Zwecke zu nutzen. Allerdings wird deutlich, dass es den Akteuren nicht um den Erhalt oder die Umgestaltung sozialund wohnräumlich gewachsener Strukturen geht, sondern um die Schaffung selbstverwalteter "autonomer Freiräume". Besonders für die Leipziger Gruppe P risma entwickelte sich der "Kampf gegen Gentrifizierung" zu einem der bestimmenden Aktionsfelder. Nicht selten kämpft die Szene gewalttätig gegen den tatsächlich oder vermeintlich drohenden Verlust solcher "Freiräume". Hohes Konfliktpotenzial entsteht zudem bei Aktionen des politischen Gegners in der Nähe oder sogar durch dessen eigene "Freiräume". So führte die Ankündigung der 226 Der Begriff beschreibt die soziale Umstrukturierung von Wohngegenden durch Sanierungsmaßnahmen - verbunden mit Mieterhöhungen und Räumungen - wodurch die betroffenen Gebiete häufig ihren Charakter als "Kiez" verlieren. 176 Linksex tremismus - A u tonome Partei D ie Rechte , am 18. März 2017 ihren Demonstrationszug auch durch Connewitz führen zu wollen, zu einer verbal äußerst aggressiven Mobilisierung zu Gegenprotesten. "Antikapitalismuskampf" / "Antiglobalisierung" Sächsische Autonome beteiligten sich an den bundesweiten Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Das Gipfeltreffen besaß für die gesamte Szene eine überragende Bedeutung und entwickelte sich 2017 zum Schwerpunkt autonomer Proteste gegen den "kapitalistischen Normalzustand". Insbesondere das (...) ums G anze!-Bündnis rückte in Mobilisierungsveranstaltungen die Kritik an der "kapitalistiQuelle: URA D resden , twitter, @antifa_dresden schen Herrschaft als Ganzes" und den Versuch (Stand: 7. Juli 2017) einer "antikapitalistischen Praxis" in das Zentrum von Störund Blockadeaufrufen ("Shut down the Logistics of Capital"). Eine Vielzahl von Informations-, Diskussionsund Mobilisierungsveranstaltungen im Vorfeld des Gipfels und die Aktionstage in Hamburg können daher diesem Themenfeld zugeordnet werden. Umwelt und Klima Im Jahr 2017 beteiligten sich sächsische Autonome erneut an der bundesweiten, nicht extremistischen Kampagne "Ende Gelände". Mitglieder der Gruppe Prisma-IL Leipzig waren im August 2017 dabei, als hunderte Akteure Infrastrukturen der Kohleförderung und -verarbeitung im Rheinischen Braunkohlerevier besetzten. Auch an einer zweiten Aktion im November 2017 abermals in Nordrhein-Westfalen war Prisma beteiligt. Das Thema Klima bleibt für Linksextremisten interessant, weil es eine hohe Anschlussfähigkeit an das nicht extremistische Spektrum bietet. Autonome instrumentalisieren damit den Protest gegen die Nutzung der Braunkohle für ihre eigenen Zwecke. Sie wollen als Bündnispartner wahrgenommen werden, um über die inhaltliche Arbeit im Zusammenhang mit bestehenden Umweltproblemen ihre eigenen extremistischen Ziele einer Überwindung von Kapitalismus und bürgerlichem Staat einzubringen. So hieß es in einem Aufruf der IL: "Regierungen und Konzerne, angetrieben durch kapitalistische Profitund Wachstumszwänge, reden viel und unternehmen doch viel zu wenig. (...) Wir aber sehen nicht weiter zu, wie sie auf ihren jährlichen Klimagipfeln schwammige Kompromisse beschließen, die am Ende doch niemanden verpflichten. (...) Unsere Kampfansage lautet: 'System change, not climate change!'" 227 227 "'Ende Gelände' dem Profit, der Ausbeutung und dem Klimawandel!", 27. Juli 2017, www.interventionistischelinke.org (Stand: 30. September 2017) 177 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig "Antimilitarismus" Autonome sehen in der Bundeswehr eine Organisation zur Durchsetzung kapitalistischer Interessen im Ausland, die zur Erreichung ihrer Ziele vor Morden nicht zurückschreckt. Dementsprechend wird die Anwendung von zielgerichteter Gewalt gegen diese Institution als legitim angesehen. Weitere Aktionsform: Recherchetätigkeit und Outing-Aktivitäten Autonome betreiben auch Recherchetätigkeiten oder sogenannte Outing-Aktivitäten. Diese Aktionsform wird von der autonomen Antifa bereits seit Jahren angewendet, um Personen, die aus autonomer Sicht "rechts" sind, aus ihrem Wohnund Arbeitsumfeld zu verdrängen. Beim "Nazi-Outing" publiOuting-Aktionen der linksextremistischen Szene als zieren Mitglieder der Antifa Mittel zur Bekämpfung politscher Gegner private Informationen der Mit der öffentlichen Verbreitung privater Informationen sollen betroffenen Personen. Dies nach den Vorstellungen der Linksextremisten die vom Outing geschieht entweder mittels betroffenen vermeintlichen und tatsächlichen RechtsextremisFlugblättern, die in der ten bloßgestellt, sozial geächtet und ihre berufliche Laufbahn privaten oder beruflichen beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist es geeignet, gewaltbereiten Linksextremisten mögliche Zielobjekte vorzugeben, Umgebung der Betroffenen insbesondere, wenn bereits die Outing-Ergebnisse mit eindeuverteilt werden, oder über tigen Hinweisen oder Appellen verknüpft sind. die Verbreitung in Internetportalen. Elementare Persönlichkeitsrechte werden ihnen bereits aufgrund der ihnen unterstellten Gesinnung abgesprochen, da nach Auffassung Autonomer "Faschismus" keine Meinung, sondern ein Verbrechen, darstellt. Dabei werden Straftaten - auch Gewalttaten - billigend in Kauf genommen. Auch Leipziger und Dresdner Autonome widmeten sich im Jahr 2017 erneut intensiv der Recherchetätigkeit und dem "Nazi-Outing". 228 3.3.1 Autonome in Leipzig Leipzig ist weiterhin die herausragende Schwerpunktregion der sächsischen autonomen Szene und auch der Brennpunkt linksextremistisch motivierter Gewalt. Mit ca. 250 Personen gehört über die Hälfte der sächsischen Autonomen (in Sachsen gesamt: ca. 415 Personen) der Leipziger Szene an. Bundesweit ist Leipzig - mit quantitativem und qualitativem Abstand - nach Berlin und Hamburg ein weiterer Schwerpunkt der autonomen Szene in Deutschland. 228 siehe Abschnitt II.3.3.1 bis 3.3.3 Regionalbeiträge der autonomen Szene 178 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Entwicklungstendenz 2017 Im Jahr 2017 wurde die Entwicklung in Leipzig durch vier wesentliche Faktoren geprägt: durch einen Strategiewechsel bei Protesten gegen den politischen Gegner durch eine enge Verzahnung von Linksextremisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen in aktionsbezogenen Bündnissen durch ein hohes Niveau klandestiner Aktionen außerhalb und unabhängig vom Demonstrationsgeschehen, sowie Spontandemonstrationen im Zusammenhang mit dem Themenfeld Gentrifizierung durch den G20-Gipfel in Hamburg und eine militante Begleitkampagne des Gipfels in Leipzig. Leipziger Linksextremisten veröffentlichen einen "Jahresrückblick" Wie schon in den vergangenen beiden Jahren veröffentlichten Leipziger Autonome Anfang Januar 2017 einen "Jahresrückblick". Dieser enthält eine Auflistung zahlreicher Gewaltaktionen, die in Leipzig im Jahr 2016 begangen wurden. Ebenso bekräftigen die Verfasser die Notwendigkeit von "Militanz", also der Durchsetzung von politischen Zielen durch gewaltsames Handeln: "Militante Praxis drückt eine politische Haltung aus: Unversöhnlichkeit, Unvereinbarkeit mit herrschenden Verhältnissen. Wir wollen kein anderes, besseres Leben nach den gegenwärtigen Spielregeln. wir wollen ein anderes besseres Leben! Auf dem weg dahin verlieren wir unsere Ziele nicht aus den Äugen: Herrschaftsfreiheit, Solidarität weltweit, globale Gerechtigkeit, ein lebenswertes leben für alle. Diese sind unvereinbar mit Kapitalismus und Neoliberalismus, die auf der Ausbeutung anderer gründen." 229 Die autonome Szene in Leipzig wird derzeit durch folgende Merkmale geprägt: Bemühungen um Kontakte und Bündnisse mit nicht extremistischen Akteuren der Zivilgesellschaft, welche hier häufig - anders als gegenüber Rechtsextremisten - weniger Berührungsängste zeigen gewaltsame Aktionen außerhalb und unabhängig vom Demonstrationsgeschehen Die Täter setzen dabei auf das Überraschungsmoment und die Anonymität. Sie gehen getarnt und konspirativ vor, um - bislang oft erfolgreich - eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden. Hausbesetzungen als Protest gegen Luxussanierung und Mietpreiserhöhungen und zur Schaffung vom Staat unbehelligter rechtsfreier Räume Veröffentlichung und Verbreitung privater und beruflicher persönlicher Daten, um Anhänger des gegnerischen politischen Lagers bloßzustellen und ein Bedrohungsszenario gegenüber Personen oder Firmen aufzubauen. Der Begriff "politischer Gegner" wird dabei weit ausgelegt. Hierzu zählen nicht nur tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern auch folgende Gruppen: 229 https://linksunten.indymedia.org/, "[LE] Jahresrückblick 2016" (Stand: 2. Januar 2017; Schreibweise wie im Original) 179 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig 1. Anhänger von bestimmten Parteien - vor allem der AfD, aber im Einzelfall durchaus auch der CDU oder anderer Parteien, wenn deren Positionierungen im konkreten Einzelfall als "rechts" aufgefasst werden 2. Vertreter und Institutionen des Staates, insbesondere von Polizei, Justiz und Bundeswehr 3. Bauund Immobilienfirmen in Zusammenhang mit dem Vorwurf von Mieterhöhungen und Luxussanierungen (sogenannte Gentrifizierung) 4. Logistikunternehmen (z. B. Bahn, Siemens) und Verkehrsinfrastruktur im Zusammenhang mit überörtlichen Aktionen (z. B. Anschläge gegen Anlagen der Deutschen Bahn anlässlich des G 20-Gipfels 2017) Öffentliches Aktionsniveau Neben Gewaltaktionen führten Leipziger Autonome im Jahr 2017 auch öffentliche Aktionen durch; letztere richten sich zumeist gegen den politischen Gegner. Da jedoch die öffentliche Präsenz rechtsextremistischer Organisationen in Leipzig rückläufig ist, ging dementsprechend auch die Anzahl öffentlicher Aktionen der Leipziger Autonomen zurück. Mit 30 öffentlichen Aktionen, an denen sich Autonome beteiligten, liegt das Niveau um 25 % niedriger als im Jahr 2016. Demonstrationen / Aufzüge / Gegenproteste von bzw. mit Beteiligung von Autonomen in Leipzig 58 60 40 40 36 30 25 20 2013 2014 2015 2016 2017 Strategiewechsel bei Protesten gegen den politischen Gegner Im Vorjahr schlossen sich Linksextremisten hauptsächlich den Protesten der Zivilgesellschaft an. Im Jahr 2017 erfolgte ihre Beteiligung zwar weiterhin im Rahmen von Bündnisdemonstrationen. Allerdings bestärkten die Aufrufe das gewaltbereite Kleingruppenspektrum wieder zu mehr 180 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Eigeninitiative, was sich schließlich auf den Verlauf der Gegenproteste auswirkte. Das zeigte sich exemplarisch bei den Protesten gegen LEGIDA am 9. Januar und am 21. September 2017 sowie gegen die Partei D ie Rechte am 18. März 2017. Proteste gegen LEGIDA - 9. Januar 2017 Die Protestaktion gegen LEGIDA am 9. Januar 2017 trug den Charakter einer Kampagnendemonstration. Organisator war die in ihrer Gesamtheit nicht extremistische Kampagne "a monday without you". Der Aufruf und die Mobilisierung besaßen eine durchweg konfrontative Ausrichtung. So stand die Aktion unter dem Motto "Die Rechten zu Boden - Rechte Netzwerke zerschlagen - Für einen konsequenten Antifaschismus". Wie im Aufruf der Kampagne formuliert wurde, sei es das Ziel, die Teilnehmer dahingehend zu animieren, das Demonstrationsgeschehen aktiv mitzugestalten. Es heißt: "Für einen Widerstand gegen die aktuellen Zustände und das Streben nach einer befreiten Gesellschaft braucht es Eigeninitiative und Entschlossenheit aller. Organisiert euch in Bezugsgruppen, werdet kreativ und bereitet euch selbstständig vor" 230 . Im Aufruf wurde kein verbindlicher Grundkonsens über die Strategie und Taktik festgelegt. Im Gegenteil: Die Entscheidung darüber, welche Protestformen zur Anwendung kommen, wurde bewusst den Akteuren überlassen. Dadurch fühlte sich auch die autonome A ntifa mit einbezogen. Während sich das Teilnehmerpotenzial in Leipzig in den Vormonaten auf maximal etwa 150 Personen beschränkte, konnte die Kampagne bei der Demonstration im Januar mit einer Teilnehmerzahl von insgesamt etwa 2.700 Personen eine enorme Steigerung verzeichnen. Die im Aufruf geäußerte Kritik an der geringen Beteiligung im Vorjahr und die Einbeziehung verschiedener Protestformen dürften als wesentlicher Gründe dafür in Frage kommen. Der Verlauf der Gegenaktion zeigt auch, dass die Demonstranten den im Aufruf formulierten Forderungen folgten. So führten einige Demonstranten ein Fronttransparent mit der Aufschrift "Die Rechten zu Boden" mit und zündeten Pyrotechnik. Proteste gegen LEGIDA - 21. September 2017 Im Vergleich zu den Vorbereitungen am 9. Januar 2017 war die Mobilisierung gegen diese LEGIDADemonstration umfassender. Sowohl nicht extremistische Kampagnen als auch linksextremistische Gruppierungen riefen zu den Gegenaktionen auf. Im Gegensatz zu den massiven Protesten des Jahres 2015 bestand das Kernziel nicht in einer Verhinderung einer Demonstration des politischen Gegners, sondern in deren Blockade. Die Mobilisierung gegen die LEGIDA-Demonstration setzte mit einem Aufruf des in seiner Gesamtheit nicht extremistischen Aktionsbündnisses "Leipzig nimmt Platz" unter dem Motto "Vive la republique! Für die Freiheit, für das Leben!" ein. Dieser Aufruf enthielt auch das wesentliche Ziel der Gegenproteste. Dieses bestand darin, ein "kraftvolles Zeichen [zu] setzen und den Hetzer_innen um Legida, AfD und wie sie alle heißen mögen den Platz zu nehmen." 231 230 https://www.left-action.de/dates0.shtml, "Für einen konsequenten Antifaschismus" (Stand: 3. Januar 2017) 231 https://platznehmen.de/2017/09/14/vive-la-republique-fuer-die-freiheit-fuer-das-leben, "Vive la republique! Für die Freiheit, für das Leben!" (Stand: 19. September 2017) 181 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Weitere taktische Hinweise veröffentlichte die in ihrer Gesamtheit nicht extremistische Kampagne "NO LEGIDA". Diese unterstrichen deutlich die konfrontative Ausrichtung der geplanten Gegenaktionen. Demnach ging man davon aus, dass die Route nicht komplett durch Kräfte der Polizei würde geschützt werden können. Daraus leiteten die Akteure Möglichkeiten ab, die Demonstranten anzugreifen. Es hieß dazu: "(...) der Ring wird von Höhe IHK bis zum Neuen Rathaus gegittert sein. Die folgende Kreuzung wird aller Erfahrung mit Polizeiautos gesperrt, (...). Auf der Strecke gibt es einige Parks und unübersichtliche Stellen von beiden Seiten.". Verklausuliert wird auch dazu aufgerufen, die Absperrgitter der Polizei zu überwinden. Es heißt: "Solltet ihr also morgen zufällig für die 110m Hürden trainieren (...) nutzt die Breite aus. Dann stört ihr euch nicht gegenseitig beim Hürdenlauf (...) und der mögliche Widerstand kann nicht überall gleichzeitig sein." 232 Der Verlauf zeigte, dass das taktische Konzept, die LEGIDA-Veranstaltung unter Anwendung des "dezentralen Konzeptes" und der "Kleingruppentaktik" massiv zu beeinträchtigen, umgesetzt wurde. An den Protesten beteiligten sich etwa 1.500 Personen, darunter auch Linksextremisten. Mit mehreren Blockadeaktionen an strategisch günstigen Punkten der Demonstrationsroute versuchten Gegendemonstranten den LEGIDA-Aufzug zu behindern. Ebenso versuchten Kleingruppen Absperrgitter zu überwinden. Im Verlauf der Demonstration wurden Rauchbomben gezündet und Flaschen in Richtung des LEGIDA-Aufzuges geworfen. Die zu den Teilnehmern gehörende linksextremistische Gruppe P risma - Interventionistische L inke L eipzig (P risma L eipzig) veröffentlichte am Folgetag einen Bericht. Positiv hervorgehoben wurden die zahlreichen Blockaden, die den LEGIDA-Aufzug zeitweise zum Stehen brachten. Außerdem wurde bekräftigt, dass Blockadeaktionen in Leipzig weiterhin ein legitimes Mittel seien: "Die Ereignisse des heutigen Abends haben gezeigt: In Leipzig werden Blockaden immer noch als legitimes Mittel des Protests angesehen und der antifaschistische Protest zeigt sich gänzlich unbeeindruckt von der rechten Mobilmachung gegen unsere Aktionsformen." 233 Das "dezentrale Konzept" und die "Kleingruppentaktik" haben sich für die linksextremistische Szene als ein taugliches Mittel erwiesen, Demonstrationen des politischen Gegners massiv zu beeinträchtigen. Proteste gegen eine Demonstration der Partei D ie Rechte - 18. März 2017 Die Partei D ie Rechte beabsichtigte am 18. März 2017 in Leipzig eine Demonstration durchzuführen, die ursprünglich auch durch den Stadtteil Connewitz führen sollte. Aufgrund des beabsichtigten Aufzuges von Rechtsextremisten von den Autonomen für sich beanspruchten "Freiraum" Connewitz begann eine längerfristige und umfangreiche Mobilisierung. Für die Mobilisierung ließen sich zwei Phasen ausmachen, die sich von Ziel, Inhalt, Taktik und Zielgruppen des geplanten Gegenprotestes unterschieden. 232 https://www.facebook.com/nolegida (Stand: 21. September 2017) 233 https://www.facebook.com/prismaleipzig/ (Stand: 22. September 2017) 182 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig 1. Phase: bis Ende Februar 2017: Aufruf zum Kampf gegen "Nazis" Mitte Februar wurden erste "Informationsflyer" mit der Überschrift "Sie werden nicht durchkommen" in Leipzig verteilt und über die sozialen Netzwerke verbreitet. Ziel dieser Aktion war es, zu einer "erfolgreichen antifaschistischen Mobilisierung gegen den Neonaziaufmarsch" beizutragen. Mit Verweis auf die Ausschreitungen am 15. Dezember 2015 wurde den Bürgern suggeriert, dass solche Krawalle nur durch ihre Beteiligung an den Protesten verhindert werden könnten. Ziel war die Mobilisierung zu einer breiten Bündnisdemonstration mit möglichst hoher Teilnehmerzahl: "Und nur Sie können mit ihrer Teilnahme auf der Straße dafür sorgen, dass ein antifaschistischer Widerstand erfolgreich und in Ihrem Sinne verläuft. Mögliche gewalttätige Auseinandersetzungen werden nicht stattfinden, wenn Sie zusammen mit ihren Nachbar_innen auf der Straße stehen. (...) Wo Sie sein werden, braucht es keinen militanten Widerstand gegen den Aufmarsch der Rechten." 234 Mit dem Flyer sollten aber auch Anwohner zu entsprechenden Unterstützungsleistungen veranlasst werden. Sie wurden aufgefordert, Haustüren zu öffnen, damit sich die Akteure durch die Höfe bewegen können und Sperrmüll auf die Straßen zu stellen, um die Errichtung von Barrikaden zu ermöglichen. Hieran zeigt sich, dass die Veranstalter "dezentrale Aktionen" des "Kleingruppenspektrums" und damit auch einen unfriedlichen Verlauf der Gegenaktionen zumindest ins Kalkül zogen. 2. Phase: von Ende Februar bis Mitte März 2017: Polizei rückt in den Fokus In dieser Phase richtete sich die Mobilisierung zunehmend an die gewaltbereiten autonomen Kleingruppen. Das Ziel der Proteste bestand darin, sowohl Rechtsextremisten als auch Polizisten anzugreifen. Taktisch wurden ausschließlich das "dezentrale Konzept" und die "Kleingruppentaktik" favorisiert. Ende Februar / Anfang März 2017 erschienen Plakate in LeipzigConnewitz mit dem Titel "Fight Nazis & Cops". Die damit erweiterte Ausrichtung auf Polizisten und "Nazis" als Gegner wurde durch einen Internetbeitrag erhärtet. Dieser beinhaltet den Auszug eines Textes von 1975 zur Arbeiterautonomie. Darin bezeichnete ein belgischer Autor, der als militanter Anarchist galt, Polizisten als "Wachhund(e) des Warensystems" oder "bezahlte(r) Mörder, als Henkersknecht(e)". Im Beitrag wurde daran anschließend mit einem verbal aggressiven Ton vom Quelle: linksunten.indymedia.org "Naziaufmarsch" in Leipzig als "Spektakel" gesprochen, das "mit (Stand: 28. Februar 2017) reichlich Bullen (...) durchgeknüppelt" werden soll. Der 234 https://linksunten.indymedia.org/de/node/204202, Leipzig: Informationsflyer 18. März "Sie werden nicht durchkommen" (Stand: 20. Februar 2017; Schreibweise wie im Original) 183 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig polizeiliche Schutz der angemeldeten Demonstration einer rechtsextremistischen Partei wurde als "Schweinebündnis" bezeichnet. Das Hauptaugenmerk lag in diesem Aufruf damit eher auf der Abschaffung der "strukturelle[n] Schweinerei der Institution Polizei" als auf der Verhinderung eines "Naziaufmarsches". 235 Ein Mobilisierungsvideo für den 18. März 2017 zeigt zu Beginn Szenen des "Naziaufmarsches" vom 12. Dezember 2015 und schwenkt dann auf bis dahin unveröffentlichtes Filmmaterial von Auseinandersetzungen zwischen Polizeieinheiten und Autonomen um. In einem weiteren Aufruf wird deutlich, dass der Protest inhaltlich eine zunehmend antiScreenshot aus dem Mobilisierungsvideo: "Naziaufstaatliche Note erhielt. Es heißt: "Wir gehen marsch am 18. März in #Leipzig verhindern!"; auf die Straße um unsere Unversöhnbarkeit linksunten.indymedia.org verlinkt mit Videoportal zu demonstrieren. Mit denen, die mit Nazis www.youtube.com (Stand: 7. März 2017) gemeinsame Sache machen und mit denen, die unsere Genoss_innen überwachen, demütigen, verprügeln und in Knäste stecken. Und um denen, die in den Knästen sitzen, zu zeigen, dass wir an sie denken und ihre Kämpfe draußen unvermindert fortsetzen!" 236 Der Verlauf der Gegenproteste zeigt, dass alle taktischen Varianten angewandt wurden. Sie umfassten die Bandbreite von friedlichem und nur verbalem Protest über Blockadeversuche bis hin zu Aktionen von Kleingruppen gegen Polizisten. Die Teilnehmer der Gegenproteste setzten sich im Wesentlichen aus zwei großen Lagern zusammen: 1. Das zivilgesellschaftliche Lager dominierte das Kräfteverhältnis innerhalb der beiden großen Demonstrationen. Von Blockadeversuchen abgesehen, beschränkten sich die Teilnehmer auf verbalen Protest in Hörund Sichtweite der Rechtsextremisten. 2. Das Kleingruppenspektrum der autonomen Szene versuchte das "dezentrale Konzept" umzusetzen. Der Mobilisierung Ende Februar bis Mitte März entsprechend, richteten sich deren Aktionen gegen Einsatzkräfte der Polizei. Diese Aktionen beschränkten sich allerdings nur auf ein relativ überschaubares Areal, und nicht - wie bei den Aktionen des Jahres 2015 - flächendeckend auf das gesamte Gebiet der Innenstadt. Resümierend lässt sich feststellen, dass am 18. März 2017 das "dezentrale Konzept" hauptsächlich durch noch relativ unerfahrene Kräfte angewandt wurde. 235 https://www.linksunten.indymedia.org, "LE] Kommentar zum 18. März" (Stand: 2. März 2017) 236 https://linksunten.indymedia.org/de/node/205144, "[LE] Heraus zum 18. März (Stand: 28. Februar 2017; Schreibweise wie im Original) 184 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Enge Verzahnung von Linksextremisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen Die im Jahr 2016 einsetzende Bündnisstrategie Leipziger Linksextremisten setzte sich im Berichtsjahr fort. Diese Tendenz wurde durch eine zunehmende Konvergenz zwischen Linksextremisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen geprägt. Die stärkere Kooperationsbereitschaft von Nichtextremisten, verbunden mit der Toleranz gegenüber linksextremistischen Positionen und Aktionsformen, führte häufig zu einer inhaltlichen Dominanz der Linksextremisten in Bündnissen. Exemplarisch dafür stehen die Aktivitäten am 7. Dezember 2017 gegen die Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK) in Leipzig. Vorbereitung der Gegenproteste Die Leipziger Szene hatte sich zur Vorbereitung von Gegenveranstaltungen zu dem anlassbezogenen Bündnis "No IMK" zusammengeschlossen. Zu den Trägern des Bündnisses "No IMK" gehörten die für die Leipziger Szene maßgeblichen linksextremistischen Gruppen the future is unwritten (tfiu), P risma - Interventionistische L inke L eipzig , die A narchosyndikalistische Jugend L eipzig (ASJL), der Ermittlungsausschuss L eipzig (EA Leipzig) sowie die Rote Hilfe L eipzig . Als nicht extremistische Bündnispartner beteiligten sich die Kampagne "Rassismus tötet!" und die Gefangenengewerkschaft gg/BO. Inhaltliche Ausrichtung des Bündnisses Linksextremisten dominierten das Bündnis "No IMK" inhaltlich. Dies zeigte sich deutlich im programmatischen Aufruf unter dem Titel "Kampf der inneren Sicherheit und dem Staat des Kapitals". So wurden angebliche verschärfte staatliche Repressionen gegen Geflüchtete und linke Bewegungen sowie das Verbot der A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Gründe für das Vorgehen gegen die Innenministerkonferenz angegeben. Gefordert wird "eine Gesellschaftsform, die ohne Staat von unten nach oben organisiert ist ". Weiter heißt es darin: "Die staatliche Innenpolitik, gegen die sich unsere Kämpfe richtet, ist folglich Teil von sozialen Verhältnissen, die im Ganzen überwunden werden müssen. Daher richtet sich unsere Kampagne nicht nur gegen die staatliche Innenpolitik, sondern gegen den Staat des Kapitals als solchen."237 Aktionen im Vorfeld der Konferenz Im Vorfeld kam es zu einer Reihe von Straftaten, die sich gegen die Innenministerkonferenz richteten und durch entsprechende Taterklärungen begründet wurden. In einem Selbstbezichtigungsschreiben vom 5. Dezember 2017 mit dem Titel "[Le] NoIMK - Siemensauto und Feuer" riefen die Akteure dazu auf, die Aktionen gegen die IMK in Leipzig zu unterstützen und betonten: 237 http://www.unwritten-future.org/Beitrag, "Kampf der inneren Sicherheit und dem Staat des Kapitals!" (Stand: 2. Oktober 2017; Schreibweise wie im Original) 185 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig "Wir lassen uns nicht spalten in gute und böse Demonstrant_innen. Den Herrschenden gegenüber sind wir alle böse! Keinen falschen Frieden!". 238 Die Verfasser bekannten sich außerdem zu einem Brandanschlag: Am 1. Dezember 2017 hatten unbekannte Täter einen PKW in Brand gesetzt, der erkennbar der Firma Siemens zuzuordnen war. Es entstand ein Sachschaden von etwa 25.000 EUR. Im Schreiben hieß es zur Begründung des Anschlags, dass die Firma Siemens die "von ihnen entwickelte Überwachungstechnologie unter anderem an diktatorische Regieme in der ganzen Welt liefern und auch in Deutschland Projekte unterstützen [würde], die die Smarte City 239 umsetzen wollen". 240 In einer weiteren Taterklärung unter der Überschrift "(Leipzig) Hier gibt es keinen Frieden - Glasbruch, Farbe, Glasbruch - gegen die IMK in Leipzig! " befürworteten die Verfasser die Anwendung von Gewalt und begründeten sie mit vermeintlicher Repression des Staates: "Es geht nie alles friedlich zu, solange nicht dem Staat und seinen Handlanger_innen das Handwerk gelegt ist. Nur mit Repression werden alle unten gehalten, die die Schnautze voll haben von den Regierenden und ihren Schergen." 241 Des Weiteren bekannten sich die Autoren u. a. zu einer Sachbeschädigung am 28. November 2017: Am Büro eines Landtagsabgeordneten der CDU habe man eine Scheibe mit einer Axt eingeschlagen. Der Grund seien Gesetzesänderungen, bei denen es darum gegangen sei "im Interesse von Staat und Kapital die Menschen fertigzumachen". Demonstration am 7. Dezember 2017 Der Schwerpunkt der linksextremistischen Szene lag auf der vom No-IMK-Bündnis angemeldeten Demonstration am 7. Dezember 2017. Die Veranstaltung mit etwa 550 Teilnehmern stand unter dem Motto "Kampf der inneren Sicherheit". Auch bei der Demonstration zeigte sich die Dominanz linksextremistischer Gruppen. Sie forderten auf Transparenten "fight back gemeinsam und entschlossen gegen System und Repression" und "SS 129 KENNEN WIR SCHON FEUER und FLAMME DER REPRESSION". Die linksextremistische Gruppe the future is unwritten (tfiu) führte in ihrem Beitrag aus: "Wir wollen den Staat nicht übernehmen und ihn auch nicht verändern, sondern ihn abschaffen (...). Statt 238 https://de.indymedia.org, "[Le] NoIMK - Siemensauto und Feuer" (Stand: 7. Dezember 2017) 239 Smart City findet unter Federführung des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung im Rahmen eines EU-Projektes statt. Dabei wird eine Strategie entwickelt, welche den Leipziger Westen als Laborraum innovativer Lösungen versteht. Linksextremisten kritisieren die Strategie, weil sie eine soziale Neuordnung des städtischen Lebensraumes fördere und damit auch "Vertreibungsprozesse" (Gentrifizierung). Am 26. November 2017 führte die Rote Hilfe L eipzig im Rahmen der Vorbereitung der Proteste gegen die IMK eine Veranstaltung zu diesem Thema durch. 240 https://linksunten.indymedia.org/node/15810, "[Le]NoIMK - Siemensauto und Feuer (Stand: 7. Dezember 2017; Schreibweise wie im Original) 241 https://de.indymedia.org, "(Leipzig) Hier gibt es keinen Frieden - Glasbruch, Farbe, Glasbruch - gegen die IMK in Leipzig!" (Stand: 6. Dezember 2017; Schreibweise wie im Original) 186 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig dem Kapitalismus setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, die keine staatliche Verwaltung braucht, weil sie ihre wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in lokalen und globalen Räten selbstverwaltet." 242 Klandestine Aktionen243 Die Entwicklung der klandestinen Aktionen in Leipzig weist gegenüber dem Vorjahreswert einen Rückgang auf (2016: 35; 2017: 25); bewegt sich aber gleichwohl nach wie vor auf einem hohen Niveau. Taktisch setzten die Akteure auf das Überraschungsmoment und die Anonymität, auch um so das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung zu minimieren. Klandestine Aktionen sind häufig mit einem hohen Sachschaden verbunden. Für Linksextremisten stellen sie deshalb eine geeignete Aktionsform dar, um dem politischen Gegner erheblich zu schaden. Diese Absicht spiegelte sich auch in den Angriffszielen wider. Die Anschläge richteten sich hauptsächlich gegen den politischen Gegner. Dabei fassen die linksextremistischen Straftäter den Begriff des politischen Gegners sehr weit, so dass auch die Anschlagsziele dementsprechend weit gefächert sind. Die jeweiligen Taterklärungen zeigen ihre Absicht, auf diese Weise politische Aufmerksamkeit erreichen sowie politischen Einfluss ausüben zu können. Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 40 35 30 25 22 20 15 10 10 10 10 7 2015 5 2016 2017 Leipzig Dresden andere Regionen Entsprechend der weiten Auslegung des Begriffs "politischer Gegner", lassen sich drei große Gruppen ausmachen, gegen die sich die Aktionen der Linksextremisten richteten: 242 http://www.unwritten-future.org/, "Selbstverwaltete Gesellschaft statt Staat und Kapitalismus!" (Stand: 11. Dezember 2017; Schreibweise wie im Original) 243 siehe Glossar 187 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig 1. Aktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten Die Resonanzstraftaten auf die Ausschreitungen von Rechtsextremisten und Hooligans am 11. Januar 2016 in Leipzig-Connewitz, die bereits im Februar 2016 begannen, setzten sich auch 2017 weiter fort. Bei den Auseinandersetzungen waren rund 250 Personen randalierend durch das Szeneviertel gezogen. Mit dem Angriff wurde die Leipziger autonome Szene schwer getroffen, da sie sich - in dem von ihr so verstandenen "eigenen" Stadtteil - bis dahin unantastbar gefühlt hatte. Sie führten folgende klandestine Aktionen gegen Personen durch, denen - offenbar durch Recherchen der autonomen A ntifa - eine Beteiligung an den Ausschreitungen am 11. Januar 2016 unterstellt wurde. Am 12. / 13. Januar 2017 versuchten unbekannte Tatverdächtige in Delitzsch (Lkr. Nordsachsen) zwei Fahrzeuge in Brand zu setzen. Der Geschädigte steht auf einer Liste mit Personen, die seitens der linksextremistischen Szene als Teilnehmer der Auseinandersetzungen am 11. Januar 2016 recherchiert wurden. Am 29. Januar 2017 setzten unbekannte Tatverdächtige in Neukieritzsch (Lkr. Leipzig) das Fahrzeug eines mutmaßlichen Rechtsextremisten in Brand, wodurch auch weitere Fahrzeuge stark beschädigt wurden. Zu der Tat wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht, in dem die Verfasser den Geschädigten vorwerfen, an dem Angriff in Connewitz beteiligt gewesen zu sein. Weiter stellen sie fest: "Wann und wen es als nächstes trifft, das entscheiden WIR!" 244 Am 10. Februar 2017 entzündeten unbekannte Täter mittels Brandbeschleuniger einen PKW Mercedes. Der Geschädigte wurde bei Outing-Aktionen als Teilnehmer der Ausschreitungen am 11. Januar 2016 in Leipzig-Connewitz genannt. 2. Aktionen gegen Vertreter und Institutionen des demokratischen Rechtsstaates sowie Einrichtungen demokratischer Parteien und gegen die Polizei Das Ziel bestand in der Verursachung eines hohen Sachschadens, um dem Staat möglichst hohe materielle Verluste zuzufügen und dessen Betätigung zu beeinträchtigen. Exemplarisch dafür sind folgende Straftaten: Unbekannte Täter schlugen am 1. Januar 2017 am Gebäude der Agentur für Arbeit zunächst zahlreiche Fensterscheiben ein und setzten anschließend die Räume mit Molotow-Cocktails in Brand. Sowohl der Anschlag als auch das Tatbekenntnis zeigen deutlich das autonome Selbstverständnis, das von einer destruktiven Antihaltung (antistaatlich, antirepressiv) geprägt ist. Zur Legitimierung der Gewalt nutzten die Akteure den Begriff der "Antirepression". Aus Sicht der Autoren richtete sich der Anschlag gezielt gegen die Agentur für Arbeit, da es sich bei dieser Institution um ein "Repressionsorgan" handele. Insbesondere die Regularien der Agentur für Arbeit, die nach Meinung der Verfasser ein selbstbestimmtes Leben nicht zulassen, wurden thematisiert: "Der Staat und seine Repressionsorgane nehmen sich das 'Recht' darüber zu bestimmen was Richtig und Falsch ist. Welche Handlung bestraft wird, wie lange und wie scharf. (...)." 244 https://linksunten.indymedia.org, "[LE] Nazi-Karre angezündet" (Stand: 31. Januar 2017) 188 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Daraus wird das Recht auf militanten Widerstand abgeleitet: "Fast täglich hören und lesen wir von Menschen, welche sich gegen Hartz IV wehren. (...). Der Widerstand wird aber auch zunehmend militanter." "Wir begrüßen es wenn Menschen die von staatlicher Repression betroffen sind, diese nicht mehr nur ertragen, sondern zurückschlagen." "Wir verstehen den Protest gegen das unmenschliche System und solidarisieren uns mit den Betroffenen und Rebell_innen." Dass weitere Aktionen gegen rechtsstaatliche Institutionen in Erwägung gezogen werden, zeigt sich an der Formulierung: "Wer Menschen drangsaliert, muss damit rechnen, dass es knallt." 245 Am 18. Dezember 2017 besprühten unbekannte Täter die Außenfassade des Technischen Rathauses und warfen Steine gegen die Fenster. Aus einem Selbstbezichtigungsschreiben geht hervor, dass der Anschlag der Ausländerbehörde galt. Der Angriff wird darin damit begründet, dass die Ausländerbehörde ein "Symbol für den strukturellen Rassismus gegen Migrant*innen" 246 sei. 3. Anschläge gegen Bauund Immobilienfirmen Diese Anschläge sind in engem Zusammenhang mit dem Themenfeld Gentrifizierung zu sehen, da es um die Sanierung von Stadtteilen und die damit verbundenen Mieterhöhungen geht. Dieses Thema ist für die autonome Szene von zentraler Bedeutung. Exemplarisch dafür stehen folgende Aktionen: Am 19. März 2017 veröffentlichte ein sich "smash g20" nennender Autor auf dem von Linksextremisten genutzten Internetportal linksunten.indymedia.org unter der Überschrift "[Le] Baustelle und Bagger angezündet" ein Tatbekenntnis. Demzufolge seien folgende Straftaten verübt worden: In der Nacht vom 4. auf den 5. März 2017 habe man in Leipzig zwei Bagger in Brand gesetzt. In der Nacht vom 16. auf den 17. März 2017 sei in Leipzig am Lindenauer Hafen in einem Gebäude ein Brand verursacht worden. Dem Tatbekenntnis zufolge sollte mit der Aktion nicht nur auf die voranschreitende Gentrifizierung aufmerksam gemacht, sondern auch zu weiteren Aktionen aufgerufen werden. Es hieß: "Das Kapital hat sich am Wohnungsmarkt in Leipzig richtig austoben können und die Party scheint noch nicht vorbei zu sein. Es besteht auch weiterhin Gelegenheit selbst mit einem schmalen Geldbeutel dabei zu sein: Brandsätze kosten nicht die Welt, Steine gibt's sogar umsonst!". 247 245 https://linksunten.indymedia.org, "[LE] Brandstiftung im Arbeitsamt" (Stand: 4. Januar 2017; Schreibweise wie im Original) 246 https://de.indymedia.org, "(LE) Erklaerung zum Angriff auf die Auslaenderbehoerde Leipzig" (Stand: 19. Dezember 2017) 247 https://linksunten.indymedia.org, "[Le] Baustelle und Bagger angezündet" (Stand: 20. März 2017) 189 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Am 19. Oktober 2017 schlugen fünf unbekannte Tatverdächtige an zwei Gebäuden in Connewitz die Scheiben ein und besprühten Innenraum und Fassade mit Farbe. Betroffen waren das Studentenwohnheim "Staytoo" und ein Mehrfamilienhaus. Unter der Überschrift "[LE] StayOut" wurde noch am selben Tag ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht. Demzufolge seien das "Staytoo-Apartment" sowie zwei weitere Objekte in Connewitz und der Südvorstadt angegriffen worden, um auf den "Kampf ums Wohnen" und die "Wohnraumverknappung für einkommensschwache Schichten" aufmerksam zu machen. Die Autoren führten weiter aus: "Gegen steigende Mieten helfen keine Appelle an den Staat und dessen Vertreter - egal von welcher Partei sie auch sind. Einzig der solidarische Widerstand von unten, in den Häusern und im Stadtteil, kann uns helfen, uns aus dieser beschissenen Lage zu befreien. (...) Der Angriff gestern Nacht ist ein Schritt dahin." 248 Spontanaktionen Spontanaktionen stehen in engem Zusammenhang mit klandestinen Aktionen. Beide Aktionsformen setzen auf das Überraschungsmoment. Mit dieser Aktionsform nehmen Autonome die Straßen der Stadt symbolisch "in Besitz" und zeigen so, dass sie nicht bereit sind, sich den Regularien vermeintlich repressiver komQuelle: linksunten.indymedia.org munaler Behörden zu unterwerfen. Außerdem (Stand: 23.Januar 2017) soll ihre Haltung so publik gemacht werden. So demonstrierten am 20. Januar 2017 Linksextremisten im Leipziger Stadtteil Connewitz unter dem Motto "Not Our Future - Schulter an Schulter gegen Faschismus". In einem im Internet veröffentlichten Beitrag zur Aktion äußerten die Akteure: "Wir brauchen keinen Staat und keine Bullen, die unseren Protest in den zugestandenen Rahmen zwängen - oder uns vermeintlich schützen!" 249 In den sozialen Netzwerken nahmen die linksextremistischen Gruppen A ntifa K lein-Paris (AKP) und P risma - Interventionistische L inke L eipzig (P risma) positiv Bezug zu der Aktion. Besonders Räumungen von besetzten Objekten veranlassen die Szene zu spontanen und militanten Aktionen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die eigene Szene betroffen ist oder die Räumung in Quelle: linksunten.indymedia.org einer anderen Region stattfand. Solche "Soli(Stand: 3. Juli 2017) daritätsaktionen" sind üblich und sollen den 248 https://de.indymedia.org, "[LE] StayOut" (Stand: 23. Oktober 2017) 249 https://linksunten.indymedia.org/de/node/201765, "[le] Sponti: Not Our Future" (Stand: 23. Januar 2017) 190 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig szeneübergreifenden Zusammenhalt im "Kampf um Freiräume" und gegen staatliche "Repression" demonstrieren. Am 30. Juni 2017 demonstrierten etwa 80 Autonome in Leipzig-Connewitz in einer von Gewaltaktionen begleiteten Spontandemonstration gegen die Räumung des Berliner Szeneobjekts "Friedel54". Die Teilnehmer warfen Pyrotechnik gegen einen Linienbus, setzten Müllcontainer in Brand und blockierten die Fahrbahn. In einem Beitrag auf der Internetseite linksunten.indymedia.org wurde dazu ausgeführt: "Jede Form des Protestes wird benötigt (...) Wir kämpfen für eine andere Stadt - eine Stadt von unten, in der wir selbst bestimmen, wie wir unser Leben und Wohnen gestalten wollen. Jede Zwangsräumung ist eine zu viel. Treffen kann es jede*n. Doch es reicht nicht, allein die schlimmsten Auswüchse eines kapitalistischen Wohnungsmarktes zu bekämpfen. Wir müssen die Verhältnisse selbst ins Wanken bringen. In diesem Sinne: Seid solidarisch! Passt auf euch und andere auf! Wir alle gemeinsam sind Friedel 54." 250 Quelle: linksunten.indymedia.org (Stand: 7. Juni 2017) In Leipzig wird seit dem 4. Juni 2016 ein Gebäude der Deutschen Bahn AG in der Leipziger ArnoNitsche-Straße 41f besetzt. Im "Selbstverständnis" des sogenannten Black Triangle heißt es: "Wir sind ein anarchistisches und damit selbstbestimmtes Projekt. Wir verwalten uns selbst, brauchen dazu keinen Staat und keine gesellschaftliche Ordnung, noch sonst eine hegemoniale Machtstruktur (...)". 251 Spontanaktionen sind oftmals mit Straftaten verbunden. So kam es zu einer Reihe von Straftaten, die mit einer bevorstehenden Räumung des "Black Triangle" begründet wurden. 250 https://linksunten.indymedia.org, "[LE] Solisponti für die Friedel 54" (Stand: 1. Juli 2017) 251 https://btle.blackblogs.org, "Wir" Selbstverständnis des Black Triangle (Stand: 15. Dezember 2017) 191 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Am 20. März 2017 verübten unbekannte Täter zwei Brandanschläge gegen die Deutsche Bahn AG. Betroffen waren die Bahnstrecken Leipzig-Bitterfeld und Leipzig-Weißenfels. Die Täter öffneten jeweils Kabelschächte und entzündeten mehrere Kabel, es kam zum Ausfall der Lichtsignalanlagen. Unter der Überschrift "[LE] Solidarität mit dem Black Triangle" wurde am 24. März 2017 auf dem von Linksextremisten genutzten Internetportal linksunten.indymedia.org ein Tatbekenntnis veröffentlicht. In dem Beitrag solidarisieren sich die Akteure mit den Besetzern. Am 30. Juli 2017 besetzten Aktivisten symbolisch zwölf Häuser und hinterließen Transparente und Flugblätter mit Bezug zum "Black Triangle". In einer auf linksunten.indymedia.org veröffentlichten Taterklärung forderten "Leipziger Besetzer*innen" unter der Überschrift "(LE) 12x leer, 12x besetzt" die Erhaltung von "Freiräumen": "Freiräume wie die Rote Flora, das Black Triangle oder unsere Wagenplätze müssen erhalten bleiben um am Miteinander ohne Unterdrückung zu arbeiten". 252 Am 31. Juli 2017 verübten unbekannte Täter einen Anschlag auf das Polizeirevier Leipzig Süd-West. Sie beschädigten mit Zwillen und einer Axt die Fensterscheiben. Zudem rissen sie die Wechselsprechanlage aus der Verankerung, zerschlugen Teile der Alarmanlage und beschmierten die Fassade und die Fenster mit Bitumenfarbe. Zu dem Anschlag wurde unter der Überschrift "[LE] Polizeirevier Südwest angegriffen!" ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Die Verfasser begründeten ihre Tat mit einer von ihnen befürchteten Räumung des "Black Triangle": "Wenn die Deutsche Bahn nun also Hand in Hand mit dem Staat und seinen Bütteln uns einen Freiraum nehmen wollen, dann soll auch diese Räumung ihren Preis haben. Machen wir es den Bullen nicht zu einfach. Seid widerständig! Seid mit allen Aktionsformen solidarisch." 253 G20-Gipfel in Hamburg und die militante Begleitkampagne in Leipzig Im Berichtsjahr war die linksextremistische Szene Leipzigs in die bundesweiten Vorbereitungen gegen den G20-Gipfel in Hamburg eingebunden; flankiert wurde dies durch vielfältige Resonanzaktionen in Leipzig. Bereits ab März kam es kontinuierlich zu Aktionen und Straftaten mit Bezug zum G20-Gipfel. Dabei zeigte sich, dass sächsische Linksextremisten ein fester Bestandteil einer gewaltbereiten bundesweiten Szene sind und gemeinsam mit dieser handeln. Das wurde vor allem im Juni deutlich, als Linksextremisten an mehreren Orten fast zeitgleich Brandanschläge begingen, darunter auch im Raum Leipzig. Am 19. Juni 2017 verübten unbekannte Täter bundesweit insgesamt 13 Anschläge gegen die Deutsche Bahn AG, indem sie Kabelschächte in Brand setzten. Betroffen waren neben Sachsen auch die Bundesländer Niedersachsen, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die vier Anschläge in Sachsen wurden ausschließlich im Raum Leipzig verübt. 252 https://linksunten.indymedia.org, "(LE) 12x leer, 12x besetzt" (Stand: 1. August 2017) 253 https://linksunten.indymedia.org, "[LE] Polizeirevier Südwest angegriffen!" (Stand: 1. August 2017) 192 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig Auf dem Internetportal linksunten.indymedia.org wurde unter der Überschrift "Kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg" von einem sich "Shutdown G20 - Hamburg vom Netz nehmen!" nennenden Autor ein Tatbekenntnis zu den Anschlägen veröffentlicht: "Wir greifen ein in eines der zentralen Nervensysteme des Kapitalismus: mehrere Zehntausend Kilometer Bahnstrecke. Hier fließen Waren, Arbeitskräfte, insbesondere Daten. (...) Wir werden die Maschinisten nicht aufhalten, noch nicht. Aber wir zeigen auf, wie es möglich ist, die Maschine zum Stottern zu bringen, (...)." 254 Die länderübergreifenden Anschläge sind Anhaltspunkte dafür, dass sächsische Linksextremisten mit Akteuren anderer Bundesländer fest vernetzt sind. Die Beteiligung Leipziger Linksextremisten an bundesweiten klandestinen Aktionen verdeutlicht auch deren überregionale Reputation. Auf vermeintliche Repressionen gegen die Proteste zum G20-Gipfel reagierten Leipziger Linksextremisten umgehend. Anlass für eine kurzfristig angemeldete Demonstration am 3. Juli war die Räumung eines Protestcamps in Hamburg. In einem Aufruf unter dem Titel "Unsere Solidarität gegen eure Repression.noG20" hieß es zur Begründung: "Wir werden nicht zuschauen und auch hier in Leipzig unsere Solidarität mit dem Widerstand gegen Kapital und Staatsgewalt zeigen. Kommt vorbei! Smash G20!". 255 An der Veranstaltung beteiligten sich etwa 250 Personen. In der Nacht vom 7. zum 8. Juli 2017 beschmierten unbekannte Täter vor der Polizeidienststelle Leipzig Zentrum-Mitte einen Funkstreifenwagen. Unter der Überschrift "[LE] Bullenwanne markiert # NoG20" wurde auf linksunten.indymedia.org ein Tatbekenntnis veröffentlicht. Demnach sei der Anschlag eine Reaktion auf vermeintliche Repressionen in Bezug zum G20-Gipfel. Positionen Leipziger Gruppen zur Strategie beim G20-Gipfel Aus der Leipziger linksextremistischen Szene berichteten die Gruppe P risma-Interventionistische L inke L eipzig (IL) sowie sich als "Leipziger Kleingruppe" bezeichnende Verfasser im Internet über ihre Teilnahme an den Protestaktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die "Leipziger Kleingruppe" veröffentlichte einen Beitrag unter dem Titel "G20-Hafenblockade Let's Progress - Eine konstruktive Kritik zur Hafenblockade". Die Blockade des Hafens habe demnach "großartig funktioniert". Aus der "endlos scheinende[n] Kette von Lastwägen" habe es überwiegend Solidaritätsbekundungen gegeben. Zudem sei ein hoher Schaden durch die Blockade verursacht worden. Der Rückstand, der durch die Blockade verursacht worden sei, würde nach Informationen aus der Presse mehrere Tage brauchen, um ausgeglichen werden zu können. Die Gruppe vermerkte kritisch, dass diese aus ihrer Sicht erfolgreiche Aktion in der Öffentlichkeit nicht so habe vermittelt werden können und infolge der Berichterstattung über die Ausschreitungen untergegangen sei. Sie sah es allerdings als strategischen Fortschritt an, dass es überhaupt eine Blockade des Hafens gegeben habe. Ihr Anliegen sei es, einen "Bezug auf die Arbeiter*innen und ihre Bedürfnisse als Ausgebeutete im Kapitalismus" 254 https://linksunten.indymedia.org, "Kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg" (Stand: 19. Juni 2017) 255 https://linksunten.indymedia.org, "Leipzig: Unsere Solidarität gegen eure Repression" (Stand: 3. Juli 2017) 193 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig herzustellen. Sie kritisierte deshalb auch, dass es keine "klassenkämpferischen Parolen, die den Arbeiter*innen einen (...) positiven Bezug auf die Demo ermöglicht hätten" 256 gegeben habe. Auch die "AG Soziale Kämpfe" der Gruppe P risma hatte sich im Vorfeld des G20-Gipfels für eine Verbindung von Großevents - wie dem G20-Gipfel - mit Arbeitskämpfen ausgesprochen: "Wir wünschen uns eine iL, die sowohl 'Großereignis' als auch 'Alltagskampf' kann. Von der Verbindung dieser beiden Ansätze mitsamt ihrer Grenzen und Möglichkeiten versprechen wir uns ein Plus, das über die Summe seiner Teile hinausgeht. Dieser Brückenschlag versetzt uns dann vielleicht auch in die Lage; als iL in Zukunft Momente zu kreieren, die wirklich Bezugspunkte für die Subalternen darstellen." 257 Strukturen der Leipziger autonomen Szene Neben dem militanten Kleingruppenspektrum haben sich in Leipzig auch bündnisorientierte Strukturen etabliert. Sie sind im Vergleich zu Angehörigen des militanten Kleingruppenspektrums deutlich ideologischer geprägt. Die Gruppen P risma - Interventionistische L inke L eipzig und the future is unwritten (tfiu) sind zudem in überregionalen Bündnissen aktiv. P risma - Interventionistische L inke L eipzig (P risma) Die Gruppe P risma gehört der Interventionistischen L inken (IL) an. Die IL ist eine bundesweite Organisation mit mehr als 30 Ortsgruppen. Sie agiert kampagnenorientiert mit dem Ziel, möglichst viele Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung zu mobilisieren. Dabei fungiert sie als Scharnier zwischen nicht gewaltorientierten und militanten Linksextremisten bzw. zu nicht extremistischen Gruppen. Die Einstellung zur Gewalt ist bei der IL taktisch geprägt. Gewalt wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Das Ziel der Gruppe P risma besteht in einer "(...) radikalen Linken, die auf den revolutionären Bruch mit dem nationalen und dem globalen Kapitalismus, mit der Macht des bürgerlichen Staates (...) orientiert. Kurz: Wir wollen eine neue, radikale gesellschaftliche Linke, die um politische Hegemonie ringt und Gegenmacht organisiert." 258 Darüber hinaus stellt die Gruppe den demokratischen Rechtsstaat infrage. In einer Nachbetrachtung zu den Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz am 11. Januar 2016 hieß es: "Auf das Treiben der Staatsapparate ist kein Verlass. Gegen den rechten Straßenterror hilft nur ein gesellschaftlicher Antifaschismus - Von der Kerze über die Sitzblockade bis zum militanten Selbstschutz." 259 Zur Mobilisierung gegen den G20-Gipfel in Hamburg verwendete die Gruppe auf ihrem FacebookAccount ein Zitat, das - als Alternative zu einem derzeit als unrealistisch angesehenen revolutionären Umsturz - zur "Revolte" aufruft: 256 https://de.indymedia.org, "G20-Hafenblockade Let's Progress - Eine konstruktive Kritik zur Hafenblockade beim G20 in Hamburg" (Stand: 10. September 2017) 257 http://blog.interventionistische-linke.org, "Für Ereignisse, die ihre Basis im Alltag suchen" (Stand: 11. Januar 2018) 258 http://prisma.blogsport.de/prisma/Vorstellung der Gruppe (Stand: 2. Oktober 2017) 259 http://prisma.blogsport.de/prisma/, "Dieser Groschen muss jetzt fallen" vom 12. Januar 2016 (Stand: 2. November 2017) 194 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig "Wir haben nicht die Stärke, um Regierungen zu stürzen. Doch dies wird uns nicht daran hindern, sie zu bekämpfen; ihnen zu zeigen, dass ihre Herrschaft da endet, wo unsere Revolte beginnt." 260 Die Proteste gegen den G20-Gipfel gehörten zu den wichtigsten Aktionen der IL im Berichtsjahr. Die Leipziger Ortsgruppe der IL reagierte auf die Planungen zunächst verhalten. Ihre "AG Soziale Kämpfe" forderte in einem Beitrag auf dem Debattenblog der IL, dass in die strategischen Überlegungen der IL mehr Basispolitik einbezogen werden müsse. Diese Aktionsform habe aus ihrer Sicht ein größeres politisches Potenzial als Großevents. Viele Mitglieder der IL sammelten "wichtige Erfahrungen in den Konflikten des Alltags". P risma selbst sei Teil von "Mieter*innen-Protesten gegen Verdrängung und Entmietung" und habe "mehrere Jahre den Arbeitskampf bei Amazon" unterstützt. Dies seien "langfristige[n], kontinuierliche[n] Organisierungsprozesse[n] außerhalb einer radikalen Linken". Die Gruppenmitglieder seien als "Maulwürfe im 'konkreten Handgemenge' sozialer Auseinandersetzungen aktiv". Damit verfolgt die Gruppe die Politik der "kleinen Schritte", um als "Linke" in gesellschaftlichen Prozessen präsent zu sein: "Alltagskämpfe bieten die Chance auf gesellschaftliche Verankerung, da hier - im Unterschied zu den gewöhnlichen Politgruppen oder Bündnistreffen - unterschiedlich sozialisierte Menschen aufeinandertreffen." Die Gruppe stellte u. a. die Frage zur Diskussion: "Wie vermitteln wir konkrete reformistische Forderungen in Arbeitsund Stadtteilkämpfen mit der Maximalforderung einer befreiten Gesellschaft?" 261 Trotz ihrer Kritik beteiligte sich die Gruppe P risma an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg, der vom 7.8. Juli 2017 stattfand. Sie organisierte eine Busanreise und formulierte in einem Aufruf: "...es [ist] jetzt an uns, dem System an den Zaun zu pinkeln." 262 Am 7. Juli 2017 war der Tag an dem Aktionsund Blockadeformen unter dem Motto "BlockG20" durchgeführt wurden. Ziel war es dabei, die Anreisen von Teilnehmern des Gipfels zu den Veranstaltungen zu stören. Auf ihrem Twitter-Account zog die Gruppe ein positives Resümee ihrer Teilnahme an den Protesttagen in Hamburg. 263 the future is unwritten (tfiu) Die Gruppe the future is unwritten (tfiu) ist in dem bundesweiten linksextremistischen (...) ums G anze!Bündnis involviert. Das Bündnis vereint eigenständige autonome Gruppen, um überregional handlungsfähig zu sein. Es mobilisiert maßgeblich zu Protestaktionen gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit und beteiligt sich an sogenannten Krisenprotesten gegen die Politik 260 https://www.facebook.com/prismaleipzig/ Eintrag vom 1. Juni 2017 (Stand: 6. Juni 2017) 261 http://blog.interventionistische-linke.org/g20-gipfel, Beitrag "Für Ereignisse, die ihre Basis im Alltag suchen" vom Juni 2017 (Stand: 8. Juni 2017) 262 https://www.facebook.com/prismaleipzig, "G20 in die Elbe! Busanreise nach Hamburg!" (Stand: 28. Juni 2017) 263 https://facebook.com/prismaleipzig (Stand: 10. Juli 2017) 195 Linksex tremismus - A u tonome in Leipzig zur Bewältigung der europäischen Währungsund Wirtschaftskrise. Ideologisch verortet sich das Bündnis selbst als "kommunistisches Bündnis". Auch die Leipziger Mitgliedsgruppe tfiu setzt sich intensiv mit den theoretischen Grundlagen und der Geschichte des Kommunismus auseinander. Im Oktober und November 2017 veranstaltete sie gemeinsam mit nicht extremistischen Gruppen eine Vortragsreihe anlässlich des 100. Jahrestages der Oktoberrevolution, der Machtübernahme der russischen kommunistischen Bolschewiki unter Lenin. In ihrer Selbstdarstellung wird ihr ideologischer Anspruch deutlich formuliert: "Für uns bedeutet 'links-sein' kein subkulturelles Lebensgefühl, sondern an sich selbst und die Gesellschaft den politischen Anspruch anzulegen, jene Verhältnisse zu überwinden, in denen der Mensch ein 'erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist' (Marx)". 264 Tfiu unterstützte die Kampagne "Kampf der inneren Sicherheit", die sich gegen die Innenministerkonferenz (IMK) richtete, die vom 7. bis 8. Dezember 2017 in Leipzig stattfand. Sie verlinkte auf ihrer Internetseite den Kampagnen-Aufruf, in dem es hieß: "Die staatliche Innenpolitik, gegen die sich unsere Kämpfe richtet, ist folglich Teil von sozialen Verhältnissen, die im Ganzen überwunden werden müssen. Daher richtet sich unsere Kampagne nicht nur gegen die staatliche Innenpolitik, sondern gegen den Staat des Kapitals als solchen!" 265 . In ihrem Redebeitrag auf der Protestdemonstration gegen die IMK am 7. Dezember formuliert tfiu: "Wir wollen den Staat nicht übernehmen und ihn auch nicht verändern, sondern ihn abschaffen." Der Staat soll durch eine selbstverwaltete Gesellschaft ersetzt werden: "Unser Ziel ist es nicht, die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen nur unter eine andere Form staatlicher Verwaltung zu stellen. Statt dem Kapitalismus setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, die keine staatliche Verwaltung braucht, weil sie ihre wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in lokalen und globalen Räten selbstverwaltet." 266 A ntifa K lein-Paris (AKP) Seit ihrem Bestehen ist die linksextremistische A ntifa K lein-Paris (AKP) fest in der autonomen Szene Leipzig verankert. Ihr vorrangiges Aktionsfeld sind dabei die Aktivitäten des politischen Gegners, denen sie mit Mobilisierungsaufrufen zur Teilnahme an Protestaktionen entgegentritt. So mobilisierte sie im Berichtsjahr zur Teilnahme an den Protestaktionen gegen die LEGIDA-Demonstration am 9. Januar 2017 in Leipzig, gegen die Demonstrationen von Rechtsextremisten am 14. August 2017 in Markkleeberg und am 2. September 2017 in Wurzen (beide Lkr. Leipzig). 264 http://www.unwritten-future.org/Vorstellung der Gruppe (Stand: 2. Oktober 2017) 265 http://www.unwritten-future.org/Kampf der inneren Sicherheit und dem Staat des Kapitals!, (Stand: 2. Oktober 2017; Schreibweise wie im Original) 266 http://www.unwritten-future.org/Selbstverwaltete, "Gesellschaft statt Staat und Kapitalismus!" (Stand: 11. Dezember 2017; Schreibweise wie im Original) 196 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Die AKP vertritt dabei auch Positionen der Gewaltbereitschaft, wie in ihrem Mobilisierungsaufruf zur Teilnahme an der Demonstration am 3. März 2017 in Chemnitz deutlich wird. Sie formulierte: "Unterstützt das mal. Bildet Banden und fahrt da hin!". 267 Auch in ihrem Beitrag "Commune statt Volksgemeinschaft" anlässlich der Demonstration von Rechtsextremisten am 18. März 2017 in Leipzig zeigte sich die Gewaltaffinität der Gruppe. In ihren Ausführungen beklagte sie das "Abflauen militanter Proteste" und befürwortete "dezentrale Aktionen", da diese "Freiräume, um bspw. Sitzblockaden überhaupt erst zu möglichen", schaffen. In der Formulierung "Es sollte uns nicht um den Erhalt eines rebellischen Kiez gehen (...) Vielmehr gilt unser Kampf den gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen" 268 zeigten sich die Hauptziele der AKP: die Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft. Neben den Mobilisierungen trat die AKP auch mit eigenen Veranstaltungen in Erscheinung. Im Vorfeld der Proteste gegen die Konferenz des als rechtspopulistisch bezeichneten COMPACTMagazins am 25. November 2017 in Leipzig, führte die AKP am 22. Oktober eine Veranstaltung zum Thema "Realität und Selbstbild der rechtsradikalen identitären Bewegung" durch. Darüber hinaus nutzte sie ihren Twitter-Account für den Aufruf "Macht mobil und die Konferenz zum Desaster!". 269 Im Berichtsjahr engagierte sich die AKP auch bei der Organisation des "Antifaschistischen Jugendkongresses" (JuKo), der vom 20. bis 23. April 2017 in Chemnitz durchgeführt wurde. Der JuKo verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen sollte die Vernetzung bestehender Gruppen untereinander gefördert werden; zum anderen wurde die Gewinnung Jugendlicher für die als "antifaschistisch" bezeichnete Arbeit angestrebt. In ihren Aktivitäten beschränkt sich die AKP nicht nur auf Sachsen. So mobilisierte die Gruppe zu den Demonstrationen gegen ein Hausprojekt der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB)270 am 11. Juli 2017 und am 28. Oktober 2017 in Halle (Sachsen-Anhalt). Auch an der Demonstration am 11. Juli 2017 unter dem Motto "Kick them out - Nazizentren dichtmachen" beteiligte sich die Gruppe. 3.3.2 Autonome in Dresden Das linksextremistische Personenpotenzial stagniert seit 2014 bei etwa 70 Personen. Allerdings zeigten sich im Jahr 2017 strukturelle Entwicklungen, die durch folgende Tendenzen geprägt wurden: Quelle: linksunten.indymedia.org (Stand: 3. Juli 2017) 267 https://twitter.com/Antifa_KP (Stand: 13. März 2017) 268 https://linksunten.indymedia.org/de/node/206120 (Stand: 13. März 2017; Schreibweise wie im Original) 269 https://twitter.com/Antifa_KP/status/921279677699895296 (Stand: 25. Oktober 2017) 270 siehe Abschnitt II.1.4.2 Identitäre B ewegung D eutschl and - Regionalgruppe Sachsen 197 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden 1. Stärkere anarchistische Ausprägung der autonomen Szene in Dresden Die Gruppe Tabula Rasa veröffentlichte auf ihrer Internetseite ihr "Selbstverständnis"271, welches stark anarchistisch geprägt ist. Dort heißt es: "Als anarchistische Gruppe streben wir die Überwindung jedweder Herrschaft an, die der individuellen Freiheit grundlegend entgegen steht. (...) Dies bedeutet einen konsequenten Bruch mit den aktuellen Verhältnissen, der nur abseits von Reformismus und Symbolpolitik möglich ist". Im Mittelpunkt standen im Jahr 2017 die Proteste gegen das G20-Gipfeltreffen am 7. / 8. Juli in Hamburg. So veröffentlichten Autoren, die sich "anarcho_communists_dd" nennen, auf linksunten.indymedia. org ein erkennbar in Dresden entstandenes Mobilisierungsvideo272. Dieses Video wurde zudem auf der Facebook-Seite des Bündnisses (...) ums Ganze! gepostet, welches maßgeblich an der Organisation von Protesten gegen den G20-Gipfel beteiligt war. Im zugehörigen Begleittext forderten sie: "Unsere Angriffe müssen in das Herz dieser seelenlosen Maschine [des "kapitalistischen" Systems] zielen. (...) Wir können zeigen, dass es auch ohne geht und dass der Zusammenbruch dieser Strukturen eine andere Gesellschaft verspricht." 273 Als Ziel propagierten sie eine "Gesellschaft ohne Unterdrückung, eine befreite Gesellschaft von unten, ein gutes Leben für alle". Sich "Anarchistisches Netzwerk Dresden" (AND) nennende Autoren publizierten auf ihrer Internetseite eine Broschüre274, die ebenfalls die linksextremistischen Proteste in Hamburg thematisiert. In einem Beitrag "STILL 'ING ROTE FLORA!" betonten sie die erfolgreiche Umsetzung gewalttätiger Aktionen: "(...) es ist gelungen, den Hamburger Hafen, eines der wichtigsten Warendrehkreuze Mitteleuropas für mehrere Tage aus seinem Takt zu bringen, Millionen von Euro an finanziellem Schaden anzurichten und zu zeigen, dass die gut geölte Maschine des Kapitals durchaus angreifbar ist und wie genau das erreicht werden kann. (...) Wir konnten zeigen, wie eine erfolgreiche und auch militante Widerstandsstrategie aussehen kann (...)." 275 Dass die Agitation und Mobilisierung gegen den G20-Gipfel nicht ohne Wirkung blieb, zeigte die Beteiligung Dresdner Linksextremisten an den gewalttätigen Ausschreitungen in Hamburg. Das bestätigt ein Textbeitrag des MDR-Magazins "exakt", in dem ein Teilnehmer aus Dresden als Angehöriger des dort aktiven "Schwarzen Blocks" zu Wort kam: "Schwein bleibt Schwein. Die wissen, auf was sie sich einlassen, die haben sich diesen Beruf gesucht. Die haben das Gewaltmonopol, die wissen, dass sie das Gewaltmonopol haben. Und genau aus diesem Grund haben die solche Aktionen wie in Hamburg vollkommen verdient." 276 271 http://tabularasa.notraces.net/selbstverstaendnis (Stand: 11. Mai 2017) 272 https://vimeo.com/223788153 (Stand: 30. Juni 2017) 273 https://linksunten.indymedia.org, "Denkst du wirklich...? - No G20 Mobivideo" (Stand: 3. Juli 2017), https:// de-de.facebook.com/umsganze/ (Stand: 30. Juni 2017) 274 https://and.notraces.net, Broschüre "CIRCLE A - Magazin für Anarchie & Solidarität im Alltag" (Stand: 18. September 2017) 275 ebd.; Schreibweise wie im Original 276 http://www.mdr.de/investigativ/randale-schwarzer-block-100.html (Stand: 20. Juli 2017) 198 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Sieben der über 400 während der Protestaktionen in Hamburg festgenommenen Personen haben ihre Meldeadresse in Dresden. 2. Aktivere Rolle der Undogmatischen R adikalen A ntifa D resden (URA D resden) Die URA D resden ist nach wie vor in das linksextremistische bundesweite Bündnis (...) ums G anze!277 integriert und so Teil einer überregionalen Vernetzung. Ebenfalls war sie bereits zum zweiten Mal seit 2016 in die Organisation eines unter maßgeblicher Beteiligung von Linksextremisten in Chemnitz durchgeführten "Antifaschistischen Jugendkongresses" eingebunden, der vom 20. bis 23. April 2017 stattfand278 . Dies weist auf beständige überregionale Zusammenarbeit hin. Lokal versuchte die Gruppe, sich seit Anfang 2017 enger in die Dresdner Szene einzubinden und Einfluss zu nehmen. Dafür nutzte sie das "Offene Antifa Plenum" (OAP), das in der Regel wöchentlich stattfindet. Dazu positionierte sich die URA wie folgt: "Gemeinsam können wir Aktionen wie Demos, Kampagnen, Workshops, Vorträge, (Soli-) Partys, usw. planen und durchführen (...)." 279 Im Vergleich zum Vorjahr steigerte die URA D resden ihre Aktivitäten. Das zeigte sich insbesondere in einer häufigeren Mobilisierung zu linksextremistischen Aktionen, darunter vor allem im zweiten Halbjahr vermehrt zu Protesten gegen Versammlungen zu PEGIDA. Für den 7. März 2017 organisierte die URA D resden gemeinsam mit der Leipziger Gruppe P risma eine "antifaschistische Kundgebung" anlässlich des Prozessbeginns gegen die rechtsextremistische "Gruppe Freital" vor dem OLG Dresden. In einem hierzu verbreiteten Aufruf 280 brachten beide linksextremistischen Gruppen ihre strikte Ablehnung gegen verfassungsrechtlich verbriefte Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates zum Ausdruck, indem sie Straffreiheit für "linke" kriminelle oder terroristische Vereinigungen forderten und diese so als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung einordneten. Zwar thematisierten sie auch Ereignisse außerhalb Sachsens, konnten ihre überregionale Vernetzung innerhalb der linksextremistischen Szene allerdings nicht mehr für eine Mobilisierung auswärtiger Linksextremisten nach Dresden nutzen. Trotz ihres gestiegenen Aktivitätsniveaus kam die Gruppe - infolge nur geringer Resonanz ihrer Initiativen - der Umsetzung ihrer politischen Ziele nicht näher. Hierfür mitverantwortlich war eine insgesamt rückläufige Mobilisierung der lokalen autonomen Szene. Nach wie vor gehen von Linksextremisten in Dresden nur selten eigenständige demonstrative Aktionen aus; sie erzielen nur wenig Resonanz. Die örtliche autonome Szene ist aufgrund ihrer personellen und strukturellen Schwächen auch kaum in der Lage, eigene Aktionen von größerer Relevanz durchzuführen und s ich wirksam in der Öffentlichkeit zu artikulieren. Aktuell gehen von der Dresdner linksextremistischen Szene erstmals seit Jahren auch keine Impulse mehr zu einer überregionalen Mobilisierung aus. 277 siehe Abschnitt II.3.3 A utonome 278 siehe Abschnitt II.3.3.3 A utonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 279 https://uradresden.noblogs.org (Stand: 23. Januar 2017) 280 https://uradresden.noblogs.org, Aufruf "Antifaschistische Kundgebung zum Prozessbeginn gegen die 'Gruppe Freital'" (Stand: 3. März 2017) 199 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Entwicklung des Aktionsniveaus Nach einem seit 2013 anhaltenden Anstieg ist das öffentliche Aktionsniveau im Jahr 2017 erstmals gesunken. Auch die nun stärker anarchistisch ausgerichteten Organisationsansätze wirkten hier nicht beflügelnd. Die unverändert nur geringe Mobilisierungsfähigkeit Dresdner Autonomer, verbunden mit ihrer schwachen Integrationskraft, zeigte sich bei öffentlichen Aktionen vor allem bei: den Protesten gegen PEGIDA mit einer durch den Rückzug von NOPE verursachten Diskontinuität, den Protesten gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD), den Aktionen anlässlich des 13. Februar, den Protesten gegen "staatliche Repression" und den Aktionen zur Thematik "Flüchtlinge und Asyl", die eine stark rückläufige Bedeutung hatten. Öffentliches Aktionsniveau Demonstrationen / Aufzüge / Gegenproteste von bzw. mit Beteiligung von Autonomen in Dresden 80 63 60 44 46 40 35 21 20 2013 2014 2015 2016 2017 Obwohl das linksextremistische Personenpotenzial in Dresden gleichgeblieben ist, beteiligten sich an den rückläufigen Gegenprotesten und anderweitigen Aktionen oft nur wenige Autonome . Dementsprechend konnte auch eine nur begrenzte Außenwirkung erzeugt werden. In der Regel nahmen im zweiten Halbjahr 2017 40 bis 70 Personen teil, im Einzelfall auch bis zu 100 Personen, was knapp den Vorjahreszahlen entspricht. Im ersten Halbjahr hatten die Teilnehmerzahlen noch unter den Vorjahreswerten gelegen. Im Unterschied zum Vorjahr war eine Teilnahme auswärtiger Autonomer nicht mehr feststellbar. Dafür lassen sich folgende Ursachen ausmachen: Das in seiner Gesamtheit nicht extremistische Bündnis "Nazifrei - Dresden stellt sich quer" verlor seine Bedeutung als Organisator öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen auch für Akteure der autonomen Szene. 200 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Die nicht extremistische Gruppierung NOPE, die seit der zweiten Hälfte des Jahres 2016 regelmäßig Gegenproteste zu Versammlungen der PEGIDA initiiert hatte, stellte ihre Aktivitäten Ende Mai 2017 ein, nachdem die Beteiligung von Linksextremisten und deren Aktionsbereitschaft auf einem niedrigen Niveau stagnierten. Eine aus NOPE hervorgegangene, gleichfalls nicht extremistische Gruppierung HOPE - fight racism nahm im September 2017 die Position von NOPE ein, was die Teilnahme von Linksextremisten wieder auf etwa das Vorjahresniveau hob. Wie bereits ihre Vorgänger-Gruppierung besitzt HOPE kaum Bündnischarakter und nur wenig Integrationskraft. Die Dresdner Szene verlor weiter an Relevanz gegenüber der Szene in Leipzig und büßte nochmals an Reputation sowohl landesals auch bundesweit ein. Exemplarisch verdeutlichen dies die Aktionen im Zusammenhang mit zwei Sitzungen der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK), von denen eine vom 12. bis 14. Juni 2017 in Dresden und eine weitere vom 7. bis 8. Dezember 2017 in Leipzig281 stattfand. Im Gegensatz zur Zusammenkunft in Leipzig erfolgten gegen die Konferenz in Dresden keinerlei linksextremistische Mobilisierungen und Aktivitäten. Die Dresdner "Föderation critique'n'act", der auch die linksextremistische URA D resden angehört, rief zwar zu einer Demonstration am Vorabend des Konferenzbeginns auf und stellte dabei eine thematische Verbindung zur bevorstehenden IMK-Sitzung her. Letztlich spielten Linksextremisten bei der Demonstration aber keine Rolle; auch anderweitige Aktivitäten entwickelten sie in diesem Zusammenhang nicht. Angemeldete öffentliche Aktionen Aktionen gegen Versammlungen der PEGIDA und gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) Dresdner Autonome sehen in PEGIDA einen zentralen Gegner. Die URA D resden begreift sie als "Sammelbecken neu-rechter bis faschistischer Bewegungen und ganz normaler Rassist*innen", aber gleichzeitig auch als Ausdruck "der aktuellen kapitalistischen Krise und ihrer autoritären und neoliberalen Verwaltung". "PEGIDA mag ein Aufstand gegen bestimmte regierende Personen sein, sie ist aber keine Auflehnung gegen die Herrschaft. Sie ist eine konformistische Revolte für den kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Normalbetrieb und gegen emanzipatorische Veränderung. PEGIDA ist zutiefst reaktionär." 282 Daher beteiligten sich Linksextremisten zunächst meist an Protestaktionen der in ihrer Gesamtheit nicht extremistischen Gruppierung NOPE. Diese Gruppierung organisierte im ersten Halbjahr 2017 nahezu regelmäßig Gegendemonstrationen, die auch für Linksextremisten anschlussfähig waren. Mit einem auf seinem Facebook-Profil veröffentlichten Redebeitrag auf einer Gegendemonstration am 3. April 2017 veranschaulichte NOPE diese Ausrichtung: 281 siehe Abschnitt II.3.3.1 A utonome in Leipzig 282 http://uradresden.noblogs.org, "Aufruf zur Demonstration 'Solidarity with Refugees - for a better life together am 28. Februar 14 Uhr Theaterplatz" (Stand: 20. Februar 2015) 201 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden "Direkte Aktion und Militanz sind sicherlich ein kleiner Teil antifaschistischer Praxis (...) Antifaschismus heißt zusammenstehen (...). Nicht nur, wenn wir Ketten auf Demo bilden, weil Team Blau durchdreht oder Faschist*innen uns angreifen. Wir stehen zusammen, wenn die Schweine uns doch erwischt haben und die Repressionen uns treffen. (...) Unsere Ablehnung von Rassismus, Faschismus und Autorität muss in gesellschaftliche Alternativkonzepte eingearbeitet werden." 283 Dennoch waren die Proteste insgesamt weniger konfrontativ angelegt und kaum geeignet, Linksextremisten zu effektiven Störoder Blockadeversuchen zu motivieren. Weder setzte NOPE einen entsprechenden organisatorischen Rahmen, noch enthielten deren Mobilisierungen konkrete Störabsichten. Daher waren Linksextremisten im Vergleich zum Vorjahr nur noch in geringerem Ausmaß zur Unterstützung bereit. Im Verlauf der Proteste kam es mitunter zu Aktionen, die ein polizeiliches Eingreifen erforderlich machten. Die Demonstration des politischen Gegners wurde jedoch kaum beeinträchtigt: Am 20. Februar 2017 blockierten etwa 30 Personen die Aufzugsstrecke der PEGIDA, woraufhin diese über das Gleisbett der Straßenbahn geführt werden mussten. Am 6. März 2017 mussten Polizeikräfte zweimal durch Einsatz körperlicher Gewalt die räumliche Trennung zur gegnerischen Versammlung gewährleisten. Am 27. März 2017 demonstrierten ca. 500 Personen, darunter Linksextremisten, hinter einem Transparent mit der Aufschrift Quelle: Bilddatenbank Internet (Stand: 29. März 2017) "Gebt uns die NAZIs wir geben sie zurück Stück für Stück" gegen die PEGIDA. Später versammelten sich davon 15 bis 20 Teilnehmer zu einer gewalttätigen Spontandemonstration (siehe Abschnitt "Unangemeldete Aktionen"). Ende Mai 2017 hatte NOPE seine Aktivitäten eingestellt und später seine Auflösung erklärt. 284 Das führte zu einem weiteren Rückgang des linksextremistischen Personenpotenzials an Protestveranstaltungen. Erst mit den Aktivitäten der Gruppe HOPE - fight racism ab September 2017 fanden wieder kontinuierlich Proteste gegen PEGIDA statt. An diesen nahmen beständig auch Linksextremisten teil, da die Aufrufe für diese Klientel konsensfähig waren. Jedoch umfasste das linksextremistische Teilnehmerpotenzial meist nur 40, selten bis zu 70 und im Ausnahmefall 100 283 https://www.facebook.com/nopedd, "Unser Redebeitrag von Viva el antifascismo!: Antifa ist mehr als Angriff" (Stand: 4. April 2017; Schreibweise wie im Original) 284 Die Gruppe begründete das mit internen Differenzen; https://de-de.facebook.com/antifakampfausbildung (Stand: 11. September 2017) 202 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden bzw. 150 Personen. Die Teilnehmerzahl zeigt, dass eine Mobilisierung lokaler Akteure unzureichend ist, um die Ziele der Linksextremisten im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen durchzusetzen. Eine überregionale Mobilisierung fand im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr statt. Eine Ausnahme bildeten die Gegenproteste vom 28. Oktober 2017 anlässlich des dritten Jahrestages von PEGIDA, da die für Linksextremisten maßgebliche Gegenmobilisierung nicht mehr von HOPE, sondern von einem linksextremistischen Akteur ausging. Die URA D resden hatte zu einer als "ANTIFA-DEMO" bezeichneten Demonstration aufgerufen, an der sich etwa 300 Personen beteiligten, darunter schätzungsweise 150 Linksextremisten. Deren Anzahl entsprach damit der Größenordnung bei den Protesten zum zweiten Jahrestag der PEGIDA am 16. Oktober 2016. Proteste gegen die AfD Im Vergleich zu den Protesten gegen die PEGIDA waren die Proteste gegen die AfD stärker durch Störungen geprägt. Gleichzeitig war die URA D resden grundsätzlich an derartigen Protesten beteiligt oder mobilisierte dazu. Am 17. Januar 2017 protestierten etwa 200 Personen, darunter Linksextremisten, im näheren Umfeld des Restaurants Ballhaus Watzke in Dresden, in dem die Jugendorganisation der AfD Junge Alternative (JA) die Veranstaltung "Dresdner Gespräche" durchführte. Ein anonymer Aufruf forderte, die "Veranstaltung zum Desaster (zu) machen!". Mobilisierungsverstärkend dürfte die Ankündigung des Sprechers des AfD-Landesverbandes Thüringen, Björn Höcke, als Gastredner gewirkt haben. Ausgangspunkt der Proteste bildete eine Eilversammlung von NOPE zum Thema "Gegen jeden Rassismus". Die Polizei musste die Teilnehmer bereits vor Beginn der JA-Veranstaltung auf Distanz halten. Später wurden aus den Reihen der Protestierenden Schneeund Eisbälle auf JA-Teilnehmer und Polizeibeamte geworfen. Auch versuchten vormalige Versammlungsteilnehmer nochmals in Form einer Spontandemonstration unmittelbar vor das Veranstaltungsobjekt zu gelangen, wurden jedoch von der Polizei durch Anwendung unmittelbaren Zwangs gestoppt. Sie führten Transparente mit Aufschriften wie "Antifa heißt Angriff" und "Kampf den rassistischen Zuständen" mit und riefen u. a. "Nie, nie, nie wieder Deutschland!", "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!" und "Höcke, aus der Traum, bald liegst du im Kofferraum!"285. Die URA Dresden bestätigte mit einem Tweet ihre Teilnahme an den Protesten. Der Protestdemonstration schloss sich eine klandestine Aktion in der Nacht zum 19. Januar 2017 an, als Unbekannte mehrere Farbbehälter gegen das Veranstaltungsobjekt warfen und dazu anschließend ein Tatbekenntnis veröffentlichten. Am 14. Februar 2017 beteiligten sich etwa 70 Personen - darunter ca. 20 Linksextremisten - an einer Demonstration von NOPE gegen eine Gedenkveranstaltung der AfD aus Anlass des Jahrestages der alliierten Luftangriffe. Dabei riefen sie u. a. "Wir sind hier aus purer Feindschaft gegen eure Volksgemeinschaft!" und "Bomber-Harris, hilf uns doch - Dresden gibt es immer noch!". Die URA Dresden versuchte die Stimmung anzuheizen mit Tweets wie "Drecks#AfD! Drecks#Dresden!". 285 Die Parole erinnert an die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer durch die linksterroristische Rote Armee Fraktion (RAF). Seine Leiche war am 19. Oktober 1977 im Kofferraum eines Pkw aufgefunden worden. 203 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Am Abend des 24. September 2017 nach Schließung der Wahllokale zur Bundestagswahl demonstrierten etwa 150 Personen "gegen die Normalisierung des Hasses", darunter Linksextremisten. Anlass war das erwartete Wahlergebnis für die AfD. Aus der Versammlung heraus wurden zwei Böller geworfen und ein Nebeltopf gezündet. Demonstranten trugen ein Transparent mit der Aufschrift "DEN RECHTEN VORMARSCH STOPPEN" und dem Symbol der "Antifaschistischen Aktion" sowie eine Fahne der "Antifaschistischen Aktion". Dabei riefen sie "Solidarität muss praktisch werden - Feuer und Flamme der Abschiebebehörden!", "Nazis morden, der Staat schaut zu, Verfassungsschutz und NSU!", "Staat, Nation, Kapital - Scheiße!" und "Staat und Nazis Hand in Hand - organisiert den Widerstand!". Zu der Aktion hatte die URA D resden mobilisiert, nachdem die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" ("NIKA")286 unter der Überschrift "Wer schweigt, stimmt zu! Bundesweit auf die Straße gegen den Rechtsruck!" 287 den thematischen Rahmen vorgegeben und zu Aktionen aufgerufen hatte. Aktionen im Zusammenhang mit dem 13. Februar Während in den Vorjahren die Aktivitäten maßgeblich vom nicht extremistischen Bündnis Nazifrei - Dresden stellt sich quer organisiert worden waren, trat auch zu dieser Thematik die URA Dresden mehr in den Vordergrund. Sie mobilisierte nun gemeinsam mit dem Bündnis und der nicht extremistischen Gruppe NOPE. Mit einem gemeinsamen Aufruf forderten sie in allgemeiner Form zu Protesten und zur Blockade rechtsextremistischer Demonstrationen auf.288 Darüber hinaus kritisierten sie Formen des bürgerlichen Gedenkens, das aus ihrer Sicht den Boden "für (Neo-)Nazis und andere Arschlöcher" bereite. Der Aktionsschwerpunkt lag auf dem 11. Februar 2017 und war auf das Blockieren zweier rechtsextremistischer Demonstrationen gerichtet. Linksextremisten beteiligten sich an mehreren Aktionen mit etwa bis zu 200 Personen bei einer Gesamtzahl von bis zu 1.000 Gegendemonstranten. Mindestens 70 Linksextremisten nahmen zunächst an einer nicht extremistischen Demonstration von bis zu 500 Personen teil. Etwa 250 Personen setzten sich ab und blockierten die vermutete Route einer rechtsextremistischen Demonstration. Es schlossen sich mehrere Spontanversammlungen und kleinere, letztlich erfolglose Blockadeversuche gegen die zweite rechtsextremistische Demonstration an. Teilnehmer einer Spontanversammlung von etwa 60 Personen versuchten Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, wobei ein Polizeibeamter ins Gesicht geschlagen wurde. Die URA D resden begleitete das Geschehen am 11. Februar 2017 mit einem Nachrichtenticker, mit dem zu Blockaden animiert werden sollte. Am 13. Februar 2017 versuchten nur wenige Linksextremisten, ihrer Kritik am bürgerlichen Gedenken der Bombenopfer durch Störversuche Ausdruck zu verleihen. Zu Beginn des Glockengeläuts der Frauenkirche wurde gegen 21:45 Uhr an zwei Punkten Pyrotechnik gezündet. Etwa 30 Personen verhinderten symbolisch das Schließen der von bürgerlichen Akteuren gebildeten "Menschenkette" gegen extremistische Vereinnahmungsversuche des Gedenkens. Die Aktion habe kleinere Rangeleien zwischen den Störern und Befürwortern der "Menschenkette" zur Folge gehabt. 286 "NIKA" ist dem linksextremistischen Bündnis (...) ums G anze! zuzurechnen. 287 Das Fronttransparent der Demonstration in Dresden zeigte dieses Thema in leicht abgewandelter Form: "WER SCHWEIGT, STIMMT ZU! GEGEN DEN RECHTSRUCK UND AFD!". 288 https://uradresden.noblogs.org (Stand: 2. Februar 2017) 204 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Die linksextremistische Teilnehmerzahl stieg erstmals seit dem Jahr 2011 wieder an, von ca. 150 im Jahr 2016 auf nunmehr ca. 200, was u. a. den erneuten Aktivitäten der URA Dresden als Gruppe zum "13. Februar" zuzuschreiben war. Da wieder Demonstrationen in der Innenstadt durchgeführt wurden, resultierten daraus eine stärkere Symbolwirkung und eine entsprechende Erwartungshaltung, in größerer Zahl zu agieren. Dies hat sich teilnahmeund aktionsfördernd ausgewirkt. Dennoch zeigten sich die Initiatoren unzufrieden, da keine Blockaden gelangen. Es war erneut nur eine lokale Mobilisierung zu verzeichnen. Generell findet der 13. Februar seit 2015 in linksextremistischen Kreisen außerhalb Dresdens kaum mehr Beachtung. Aus dieser Situation heraus ist die zum Ausdruck gebrachte Zustimmung der URA D resden zur nachfolgend wiedergegebenen Bewertung des A ntifa Rechercheteams D resden (ART) nachvollziehbar: "Um wieder jegliche Aufmärsche durch Dresden wirksam zu verhindern, müssen deutlich mehr Menschen auf die Straße. Insbesondere die Mobilisierung der überregionalen Antifa-Szene hat in diesem Jahr kaum stattgefunden und sollte ab dem kommenden Jahr wieder intensiviert werden." 289 Outing-Aktionen zu politischen Gegnern Dresdner Aktivisten führten im Jahr 2017 exemplarisch folgende Outing-Aktionen durch: Am 24. Februar 2017 veröffentlichten Verfasser, die sich als "Antifas" bezeichneten, im Internetportal linksunten.indymedia.org unter der Überschrift "(DD) Nazirichter Jens Maier geoutet" 290 den Wortlaut eines Flyers "Vorsicht Nazi in der Nachbarschaft!" mit Foto, Adresse und Telefonnummer des "Geouteten". Ihre Aktion begründeten die Ersteller des Flyers mit Jens Maier zugeschriebenen Aussagen bei einer Saalveranstaltung der AfD-Jugendorganisation am 17. Januar 2017 in Dresden. Sie beschuldigten ihn einer "rassistischen und nationalistischen Argumentation" und der Verwendung eines "NPD-Duktus". Schließlich forderten sie: "Nazis aus der Deckung holen und ihnen das Leben in der Nachbarschaft zur Hölle machen!". Die Autoren erweiterten dies um die Drohung: "Für Jens Maier gilt, dass das erst der Anfang war!". Am 26. April 2017 veröffentlichten Verfasser, die sich "PegidaWatcher" nennen, einen Text "Immer wieder Dresden" auf den von Linksextremisten genutzten Internetpräsenzen @AntifaInfosMobilisierungen und linksunten.indymedia.org. Darin stellten sie einen "seit vielen Monaten" anhaltenden "Auflauf rechter Gruppen" in Dresden fest und erklärten, 81 Personen als Teilnehmer an entsprechenden Veranstaltungen identifiziert zu haben. Diese wolle man nun "aus der Deckung holen", indem man ihre Namen, Adressen und Arbeitgeber veröffentlichen werde. Zielobjekte der angekündigten Outing-Aktion waren tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten und deren Organisationen. Explizit benannten die Autoren hierzu u. a. PEGIDA, AfD, Junge Alternative, Anti-Antifa und die NPD. In der Folge erschienen zwei Dossiers unter der Überschrift "Dresdner Outing Race". Unabhängig davon veröffentlichte im selben Zeitraum auch die nicht extremistische Gruppe NOPE persönliche Daten von über zehn 289 https://naziwatchdd.noblogs.org, "Das 'Dresden - Gedenken' im Februar 2017" (Stand: 28. November 2017) 290 Der "Geoutete" ist Richter am Landgericht Dresden und war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Direktkandidat der AfD zur Bundestagswahl 2017. 205 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Personen im Rahmen einer "Informationsreihe: Wer wird am 06.05.2017 bei 'Thügida' & 'Wir lieben Sachsen' 291 auf der Bühne stehen". Im Rahmen der Outing-Aktionen war das A ntifa Rechercheteam D resden (ART D resden) im Berichtsjahr - im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren - verstärkt öffentlich aktiv. Es veröffentlichte mehrere Outings und beteiligte sich damit aktiv an dieser Aktionsform der autonomen Szene. Eine Veröffentlichung des ART vom Mai 2017 unter dem Titel "Rechte Treffpunkte und Objekte in Dresden"292 enthielt eine Auflistung von Treffobjekten tatsächlicher bzw. vermeintlicher Rechtsextremisten verbunden mit der Ankündigung "Grund genug, diese wieder stärker ins Blickfeld antifaschistischer Interventionen zu rücken". Im Dezember 2017 wurde schließlich eine Sachbeschädigung an einem Objekt der Liste - ein Büro des Vereins Ein Prozent e. V. - begangen. Ein weiteres umfangreiches Outing erfolgte im Dezember 2017 unter dem Titel "Boxnacht Bautzen: Nazis vor und hinter den Kulissen" auf der Internetseite des ART. Es enthielt die Aufforderung: "Allesamt Gründe, die Auseinandersetzung mit der Bautzner Naziszene nicht den Behörden zu überlassen, sondern selbst genau hinzusehen!" 293 Unangemeldete Aktionen Bei den acht unangemeldeten Aktionen handelte es sich zum einen um Aktionen ohne Bezug zu staatlichen Maßnahmen oder Aktivitäten des politischen Gegners. Diese betrafen überwiegend das Themenfeld "Antifaschismus", aber auch die Themen "Freiräume / Gentrifizierung" und "Antikapitalismus / Globalisierung". Am 24. März 2017 protestierten etwa 30 mehrheitlich vermummte Personen mit einem Transparent "Revolution heißt leben" und einem Flugblatt "das System ist die Krise" gegen eine angebliche Verdrängung aus "ihren" Vierteln und für eine "befreite Gesellschaft" sowie gegen "Nazis". Dazu zündeten sie bengalische Feuer und einzelne Böller. Am 27. März 2017 zogen 15 bis 20 Personen vermummt und unter Abbrennen von Pyrotechnik durch die Äußere Neustadt. Sie warfen Steine gegen Gebäude, schlugen die Scheibe eines Clubs ein und verletzten zwei Personen. Außerdem führten sie ein Banner mit der Aufschrift "Gebt uns die NAZIs wir geben sie zurück Stück für Stück" mit sich, das bereits bei der vorangegangenen Demonstration von NOPE verwendet worden war. Ein offensichtlich linksextremistisches Facebook-Profil294 beschrieb die Aktion als "Antifasponti mit Pyro, Rauch und Transpi zum 291 Die Informationsreihe bezog sich auf eine Demonstration "Wir lieben Sachsen/THÜGIDA - Europa für Marine Le Pen" des rechtsextremistischen Veranstalters THÜGIDA & Wir lieben S achsen am 6. Mai 2017 in Dresden. 292 https://naziwatchdd.noblogs.org/ (Stand: 22. Mai 2017) 293 https://naziwatchdd.noblogs.org/ (Stand: 14. Dezember 2017) 294 https://de-de-facebook.com/antifakampfausbildung (Stand: 28. März 2017) 206 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Kiezklub, einem Nazitreffpunkt in der Stadt". Die Dresdner Ortsgruppe der FAU kritisierte die Aktion, weil die Beteiligten damit ein "bürgerliches Klischee" bestärkt hätten: "die Linksradikalen als wütender Mob, die zu keiner Diskussion bereit sind" 295 . Anlässlich des 72. Jahrestages der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg versammelten sich am 8. Mai 2017 schätzungsweise 30 Personen in der Dresdner Neustadt zum "Tag der Befreiung". Beim Eintreffen der Polizei flüchteten die meisten. Bilder von der Aktion zeigen Transparente der "Antifaschistischen Aktion" und den Einsatz von Pyrotechnik. Zum anderen war diese Aktionsform anlassbezogen und trug reaktiven Charakter. Davon hatten zwei Aktionen die Verhinderung von Abschiebemaßnahmen zum Ziel, zwei weitere richteten sich gegen Versammlungen des politischen Gegners. Dazu zählte u. a. folgende: Für den 17. Juni 2017 hatte die URA D resden unter der Überschrift "Braune Scheisze die Elbe runterspülen" 296 zu Protesten gegen eine Demonstration des NPD-Kreisverbandes Dresden aufgerufen. Während sich ca. 35 Menschen an einer angemeldeten und störungsfrei verlaufenen Gegendemonstration in Hörund Sichtweite des NPD-Aufzugs beteiligten, behinderten 40 Gegendemonstranten den Aufzug mit einer Sitzblockade. Gegen zwei Blockierer wurde wegen Widerstandshandlungen gegen die Polizei ermittelt. In der darauffolgenden Nacht ereignete sich im räumlichen Umfeld ein Brandanschlag auf einen Pkw, bei dem ein linksextremistischer Tathintergrund anzunehmen ist. Klandestine Aktionen Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 40 35 30 25 22 20 15 10 10 10 10 7 2015 5 2016 2017 Leipzig Dresden andere Regionen 295 https://linksunten.indymedia.org, "DD: Militanz oder Mackertum? Kritische Sponi-Auswertung der FAU" (Stand: 5. April 2017; Schreibweise wie im Original) 296 Schreibweise wie im Original 207 Linksex tremismus - A u tonome in Dresden Die Anzahl der klandestinen Aktionen weist das gleiche Niveau wie im Jahr 2016 auf. Dies bestätigt, dass auch für die Dresdner autonome Szene diese Protestform eine Rolle in der politischen Auseinandersetzung spielt. Wie im Vorjahr versuchten die Akteure durch Brandanschläge auf Fahrzeuge einen hohen Sachschaden zu verursachen: In der Nacht zum 28. März 2017 setzten Unbekannte das Privatfahrzeug des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt in Brand und verursachten einen Totalschaden. In einem Tatbekenntnis warfen die Autoren, die sich als "militante Antifas" bezeichneten, dem Geschädigten vor, er habe "den geistigen Nährboden dafür gelegt, dass in Dresden und Sachsen seit Jahren rassistische Pogrome, faschistische Angriffe und eine ekelhafte konservative Politik passieren". Darüber hinaus lasteten sie ihm "rassistische Tiraden" an. Die linksextremistische URA D resden kommentierte den Anschlag hämisch mit den Worten: "Pseudowissenschaftler #Patzelt verliert Auto und sich (...) in Redundanz: 'Mimimi! Eigentum! Blablablubb!'". Professor Patzelt steht seit Längerem bei Linksextremisten in der Kritik als "PEGIDA-Versteher". Am 30. April 2017 setzten unbekannte Täter einen hochwertigen Pkw in Brand. Dieser und ein weiteres Fahrzeug wurden durch das Feuer stark beschädigt. Der Verfasser "brennende Autonome" erläuterte in dem Tatbekenntnis, dass sie mit dem Brandanschlag auf die "anhaltende Gentrifizierung" und eine damit einhergehende "Vertreibung aus unserem Viertel" aufmerksam machen wollten. Zudem sollte den "Bullen" gezeigt werden, dass man sich nicht einschüchtern lasse und "weiter aktiv" sei. Bezugnehmend auf den bevorstehenden 1. Mai erklärte der Verfasser außerdem: "Durch unseren Hass und unsere Flammen wollen wir allen ins Gedächtnis rufen für was der erste Mai steht." Der Kleintransporter eines Immobilienunternehmens wurde am 29. Juni 2017 angezündet und brannte vollständig aus. In einem Tatbekenntnis begründeten die mutmaßlichen Täter den Brandanschlag mit dem angeblich mieterfeindlichen Agieren des Unternehmens in Dresden und seinem Profitstreben. Zusätzlich wurde auf die Räumung des Berliner Szeneobjektes "Friedel54" am 29. Juni 2017 sowie den bevorstehenden G20-Gipfel in Hamburg Bezug genommen: "Wohnraum für alle, wir sehen uns in Hamburg!". Die meisten anderen Aktionen richteten sich in Form von Sachbeschädigungen überwiegend gegen Objekte, die im Zusammenhang mit politischen Gegnern standen oder gebracht wurden. Betroffen waren u. a.: das Objekt einer vorangegangenen Saalveranstaltung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative am 19. Januar 2017, das Vereinshaus der Burschenschaft Salamandria am 9. März 2017, ein ehemaliges Polizeirevier am 10. Juli 2017, das tschechische Generalkonsulat am 9. November 2017 und ein Büro des Vereins Ein Prozent e. V. am 6. Dezember 2017. 208 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden 3.3.3 Autonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden In allen sächsischen Regionen außerhalb der beiden Zentren der autonomen Szene, Leipzig und Dresden, existiert ein deutlich geringeres linksextremistisches Personenpotenzial im maximal unteren zweistelligen Bereich. Dementsprechend sind auch die Strukturen sowie das Aktivitätsniveau weit weniger ausgeprägt. Das Berichtsjahr 2017 war in den Regionen außerhalb von Leipzig und Dresden durch eine abermals sinkende Präsenz der Linksextremisten in der Öffentlichkeit gekennzeichnet. Hatte sich die Anzahl öffentlicher Veranstaltungen von oder mit Beteiligung von Linksextremisten bereits im Vorjahr gegenüber 2015 von 80 auf 36 mehr als halbiert, setzte sich dieser deutliche Rückgang weiterhin fort. So waren im Jahr 2017 nur elf derartige Aktionen zu verzeichnen. Demonstrationen / Aufzüge / Gegenproteste von oder mit Beteiligung von Autonomen außerhalb von Leipzig und Dresden 100 80 80 60 40 36 31 20 11 6 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl klandestiner Aktionen im Freistaat Sachsen 40 35 30 25 22 20 15 10 10 10 10 7 2015 5 2016 2017 Leipzig Dresden andere Regionen 209 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden Auch der im Jahr 2016 zu verzeichnende starke Anstieg klandestiner Aktionen297 setzte sich nicht fort. So gab es 2017 zehn solcher Aktionen gegenüber 15 im Vorjahr bzw. fünf im Jahr 2015. Dennoch hat diese Aktionsform weiter große Bedeutung. Zu einer Häufung entsprechender Aktionen kam es im Umland von Leipzig. Hauptziel war der politische Gegner. Darüber hinaus zeigte sich insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit der Bundestagswahl im September 2017 eine Häufung von Straftaten gegen Funktionsträger und Büros der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Diese wurden vorwiegend in den ländlichen Regionen Sachsens und in der Region Ostsachsen begangen, obwohl diese Regionen keine bzw. nur schwach ausgeprägte linksextremistische Strukturen aufweisen. Dies muss sich jedoch nicht widersprechen, diese Taten bedingen nicht zwingend ein hohes linksextremistisches Personenpotenzial. Ein kleiner, aber fester Personenkreis mit hohem Konspirationsgrad ist eine hinreichende Voraussetzung. Die AfD gilt in der linksextremistischen Szene als "Erste-Klasse-Gegner"298; Angriffe auf sie werden daher als legitim angesehen. Region Westsachsen Die Region Westsachsen umfasst die Stadt Chemnitz, den Vogtlandkreis, den Landkreis Zwickau sowie den Erzgebirgskreis. In der Region existierten im Berichtsjahr im Vergleich zu Leipzig und Dresden lediglich kleine, weitgehend unstrukturierte autonome Szenen mit wenigen Personen, die sich nach wie vor in den Städten Chemnitz und Plauen konzentrierten. Dabei agierten Autonome jeweils ohne eigene lokale Gruppenbezeichnung. Ihre öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten waren im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt rückläufig. Insbesondere wandten sich Linksextremisten von den von Nichtextremisten organisierten Protestdemonstrationen gegen Versammlungen der PEGIDA Chemnitz-Westsachsen in Chemnitz ab. Bereits 2016 hatten sich ihre Aktivitäten nur auf verbale Proteste in Hörund Sichtweite der jeweiligen Gegenveranstaltung beschränkt, ohne diese nachhaltig zu stören. Auch der weitgehend ruhige Verlauf des Demonstrationsgeschehens am 5. März 2017 ist kennzeichnend für die personell gering aufgestellte und schwach vernetzte Chemnitzer autonome Szene. Anlässlich des 72. Jahrestages der Zerstörung von Chemnitz im Zweiten Weltkrieg beteiligten sich nur 20 Linksextremisten an dem Aufzug eines nicht extremistischen Veranstalters. Obwohl das Demonstrationsmotto "Chemnitz entnazifizieren [...]" für Linksextremisten attraktiv war, folgten die aktionsorientierten autonomen Gruppen dem Aufruf aus Chemnitz nicht. Alternativ sehen Linksextremisten im Outing299 mutmaßlicher Rechtsextremisten ein adäquates Mittel, dass es ihnen trotz geringer personeller Stärke ermöglicht, öffentlichkeitswirksam Akzente zu setzen. Dazu zählen das Plakatieren von Flyern in der Nähe der Arbeitsstelle von Betroffenen 297 siehe Glossar 298 "Als ...umsGanze!-Bündnis werden wir die AfD daher in diesem Jahr als 'Erste-Klasse-Gegner' angreifen, als einen Akteur, der sich anschickt, das organisatorische Rückgrat des neuen rechten Vormarsches zu werden.", https:// nationalismusistkeinealternative.net/artikel-im-lower-class-magazine/ (Stand: 11. Februar 2016) 299 Zur Aktionsform des "Outings" siehe Abschnitt II.3.3 A utonome 210 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden sowie Internetveröffentlichungen zu Personen aus Chemnitz und Plauen300 . Bereits im November 2016 fand ein umfangreiches Outing gegen mutmaßliche Rechtsextremisten in Chemnitz statt 301. Darüber hinaus blieb die Region anlassbezogen im Fokus auswärtiger Linksextremisten. Dazu zählte die Demonstration "Solidarität mit den inhaftierten Frauen und Gewerkschafterinnen!" am 8. März 2017, die zur Justizvollzugsanstalt Chemnitz führte und zu welcher Linkextremisten aus Thüringen, Leipzig und Dresden anreisten. Die Demonstration ist dem von Linksextremisten unterstützten Themenfeld "Antirepression" zuzuordnen. Es wurden szenetypische Parolen "für die Abschaffung aller Knäste" 302 skandiert. Die Mobilisierung war vor allem von der anarchosyndikalistischen F reien A rbeiterinnen - und A rbeiter - Union (FAU) forciert worden. Hauptereignis für Linksextremisten in der Region war erneut der vom 20. bis 23. April 2017 in Chemnitz durchgeführte "Antifaschistische Jugendkongress". Unter dem Motto: "GET ORGANIZED NOW" nahmen bis zu 250 Personen an verschiedenen Workshops und Vortragsveranstaltungen im "Alternativen Jugendzentrum Chemnitz" (AJZ) teil. 303 Quelle: Titelbild des FacebookProfils des Jugendkongresses (Stand: 24. April 2017) Bei der auch als "Antifaschistischer Jugendkongress #2" bezeichneten Tagung handelte es sich um die Folgeveranstaltung des ersten Jugendkongresses im April 2016. Während dieser unter dem Motto "time to act" vor allem auf die Mobilisierung des überregionalen linksextremistischen Gegenprotests gegen einen Aufzug der rechtsextremistischen Organisation Der Dritte Weg am 1. Mai 2016 in Plauen ausgerichtet war, lag die Zielstellung im Berichtsjahr in der stärkeren Vernetzung der linksextremistischen Szene innerhalb Sachsens. Als Kongressveranstalter trat "WASTELAND - Vernetzung antifaschistischer und antirassistische Gruppen Ost" 304 auf. Zu diesem Bündnis zählen die linksextremistischen Gruppen Undogmatische Radikale A ntifa Dresden (URA), the future is unwritten (tfiu) und A ntifa K lein-Paris (AKP), beide aus Leipzig. In der Selbstdarstellung von "WASTELAND" heißt es: 300 Chemnitz: Flyer "Arbeitsstelle eines gewaltbreiten Neo-NAZIs [...]" vom 31. März 2017 sowie Outing https:// linksunten.indymedia.org.de/node/214830 (Stand: 7. Juni 2017); Plauen: Outing https://linksunten.indymedia. org.de/node/205126 (Stand: 28. Februar 2017) 301 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016, S. 252 302 http://linksunten.indymedia.org/node/207707 (Stand: 27. März 2017) 303 Die Veranstaltungsübersicht findet sich im Programmheft des "Antifaschistischen Jugendkongresses" sowie auf der zugehörigen Veranstaltungsseite im Internet: https://timetoact.noblogs.org. 304 https://timetoact.noblogs.org (Stand: 24. April 2017); https://wasteland.noblogs.org (Stand: 22. Dezember 2017) 211 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden "Wir wollen eine Vernetzung zwischen ländlichen, kleinstädtischen und großstädtischen Strukturen etablieren. WASTELAND ist ein Versuch einer linksradikalen Organisierung mit langfristiger Perspektive." 305 Ziel ihrer Aktivitäten dürfte dabei neben dem Erfahrungsaustausch über linksextremistische Aktionen auch eine forcierte Zusammenarbeit dieser Gruppen gemäß dem Kongressmotto "GET ORGANIZED NOW" sein. Bisher führten die in Workshops vermittelten linksextremistischen Inhalte, Handlungsempfehlungen und Kontakte jedoch nicht zu einem nennenswerten Ausbau linksextremistischer Gruppen und Aktivitäten außerhalb der autonomen Zentren Leipzig und Dresden. Entsprechend der Zielstellung richtete sich der Kongress vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene mit, aber auch ohne Erfahrungen im linksextremistischen Umfeld. Nahezu alle linksextremistischen Gruppen aus Sachsen waren in die Gestaltung einzelner Workshops eingebunden. Dazu zählten eine "Aktionsund Kampagnenplanung", eine Bezugsgruppenarbeit, Vorträge zum Anarchosyndikalismus sowie der Vortrag "Seattle-Genua-Hamburg? - Geschichte und Kritik der globalisierungskritischen Bewegung", welcher als Mobilisierungsveranstaltung für linksextremistische Protestaktivitäten gegen den G20-Gipfel in Hamburg am 7. / 8. Juli 2017 diente, der Workshop "Was will die Antifa Recherche", bei dem die gezielte Auswertung und Verbreitung von Informationen über den politischen Gegner anhand konkreter Beispiele, anonyme Recherchemöglichkeiten in sozialen Netzwerken sowie Verhaltensgrundsätze bei der aktiven Vorortrecherche thematisiert wurden und das "gestellte" Gruppenfoto von rund 50 vermummten Personen im Außenbereich des AJZ, mit dem die Aktionswilligkeit, der Zusammenhalt und die Sympathie der Teilnehmer mit den gleichzeitig in Köln (Nordrhein-Westfalen) durchgeführten Protestaktivitäten gegen den Bundesparteitag der Partei Alternative für Deutschland (AfD) illustriert wurde306 . Bereits im Vorfeld des Kongresses hatte ein Pressesprecher in dem Artikel "Der JuKo ist ein Anfang!" 307 "die politischen Ziele und die Perspektiven für Antifa-Politik in Ostdeutschland" herausgestellt. Auf die Frage, welche Handlungsmacht organisierte Antifa-Strukturen besäßen, erläuterte er einige Optionen: "Rechte Hegemonie kann vielfältig versucht werden zu brechen. Du kannst als organisierte Quelle: www.facebook.com/timetoact Gruppe, offen oder verkappt, in zivilgeselljugendkongress (Stand: 5. Mai 2017) schaftliche/ bürgerliche Bündnisse gehen und 305 Antifaschistisches Info Blatt (AIB), https://www.antifainfoblatt.de/artikel/antifa-jigendkongress-chemnitz, (Stand: 16. Oktober 2017) 306 Die Partei AfD ist kein Beobachtungsobjekt der VS-Behörden. Bereits beim ersten Jugendkongress im April 2016 wurde ein ähnliches Teilnehmerfoto gefertigt und über Social-Media-Kanäle verbreitet. 307 http://sechel.it (Stand: 18. April 2017) 212 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden emanzipatorische Inhalte pushen. (...) Doch auch klassische Antifa-Arbeit kann wirken. Recherche und Outings. Antifa-Recherche dient der Presse nicht selten als Grundlage. Das "Rechte Plenum Outing" zum Beispiel scheint dieses empfindlich getroffen zu haben. Wir können den öffentlichen Fokus setzen." 308 In einem Interview gegenüber der Zeitung "Freie Presse" 309 äußerte sich ein anderer Pressesprecher aus linksextremistischer Perspektive zum Thema Gewalt: "Beim Kongress gibt es keine Aufrufe zu Gewalt." Allerdings sei Gewalt "in den Verhältnissen, in denen wir leben, strukturell bedingt". Von dem Sprecher wurden hierfür rassistische Gewalt und Gewalt gegen Frauen als Beispiele aufgeführt. Er ergänzte: "Insofern sehe ich mich nicht in der Position, Gewalt abzulehnen, die darauf gerichtet ist, diese Verhältnisse abzuschaffen." Deswegen gebe es auch einen "Militanz"-Workshop, in dem die Frage debattiert werden solle, wann Gewalt sinnvoll sei und wann nicht. Am 12. Juni 2017 schlossen sich in Annaberg-Buchholz (Erzgebirgskreis) rund 100 zugereiste Linksextremisten der Demonstration "Leben schützen! Abtreibung legalisieren! SS 218 abschaffen!" eines nicht extremistischen Bündnisses an. Dabei beschränkten sich ihre Aktivitäten größtenteils auf lautstarken Gegenprotest in Sichtund Hörweite des "8. Schweigemarsches für das Leben". 310 Vereinzelt vermummten sich Autonome , zündeten Pyrotechnik und störten den Schweigemarsch durch das Werfen von Gegenständen auf Teilnehmer und Polizeibeamte. Ihr Ziel, den "Schweigemarsch" zu verhindern oder zumindest erheblich zu stören, konnten sie jedoch nicht erreichen. Im Gegensatz zum Vorjahr beschränkte sich die Mobilisierung überwiegend auf linksextremistische Gruppen aus Leipzig, Dresden und Berlin. Die Thematik war auch Inhalt eines Workshops im Rahmen des "Antifaschistischen Jugendkongresses" im April 2017. Linksextremisten sehen in dem "Schweigemarsch" das Recht auf "Feminismus und Selbstbestimmung" beschränkt und bezeichnen die Initiatoren als "christliche Fundamentalist_innen" 311. Die Aktivitäten von Linksextremisten in Plauen (Vogtlandkreis) waren im Jahr 2017 rückläufig. Am 2. September 2017 beteiligten sich rund 20 Linksextremisten an der Veranstaltung eines nicht extremistischen Organisators, die sich gegen eine Demonstration der rechtsextremistischen Partei D er D ritte Weg richtete. Treffund Veranstaltungsort für Konzerte, an denen sich Linksextremisten beteiligten, ist das Objekt "Schuldenberg" in Plauen. 308 ebd. 309 http://freiepresse.de/lokales/Chemnitz/Verfassungsschutz-Linksextreme-veranstalten-Kongress-im-A JZ, (Stand: 24. April 2017; Schreibweise wie im Original) 310 Der "Schweigemarsch für das Leben" ist eine seit 2010 jährlich durchgeführte Veranstaltung christlicher Abtreibungsund Sterbehilfegegner in Annaberg-Buchholz. Organisator und Anmelder war im Jahr 2017 ein nicht extremistischer Verein. 311 twitter.com/abasletravail, Aufruf: "Schweigemarsch stoppen" von the future is unwirtten (Stand: 8. Juni 2017) 213 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden Region Mittelsachsen Zur Region Mittelsachsen zählen der Landkreis Mittelsachsen, der Landkreis Meißen sowie der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Das Aktionsniveau der autonomen Szene im Landkreis Mittelsachsen war im Berichtsjahr unverändert gering. Lediglich am 26. Februar 2017 störten Linksextremisten der Gruppe A ntifa RDL (Roßwein-Döbeln-Leisnig) die Durchführung eines Informationsstandes von Rechtsextremisten in Döbeln. Sie protestierten lautstark gegen die Durchführung des Standes und zeigten u. a. ein Banner mit der Aufschrift "NAZISTRUKTUREN ENTGEGENTRETEN / DEN RECHTEN VORMARSCH STOPPEN". Die Polizei verhinderte ein Aufeinandertreffen beider Gruppen. In den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge waren im Jahr 2017 lediglich Einzelpersonen der linksextremistischen Szene zuzurechnen. Im Landkreis Meißen fand keine öffentlichkeitswirksame Aktion mit linksextremistischen Bezügen statt. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge beteiligten sich einzelne Linksextremisten am 5. April 2017 in Pirna an einer störungsfreien nicht extremistischen Demonstration, die sich gegen eine Veranstaltung von Rechtsextremisten richtete. Region Ostsachsen Die Region Ostsachsen umfasst die Landkreise Bautzen und Görlitz. Im Landkreis Bautzen existieren bereits seit Jahren keine linksextremistischen Strukturen mehr. Anders als im Jahr 2016, in dem es noch im zweiten Halbjahr regelmäßig öffentliche Aktivitäten von Linksextremisten aus anderen Regionen in Bautzen gegeben hatte, die teilweise sogar eine bundesweite Resonanz auslösten, waren solche öffentlichen Aktivitäten im Berichtsjahr nicht zu verzeichnen. Das linksextremistische A ntifa Rechercheteam D resden (ART D resden) veröffentlichte im Dezember 2017 ein umfangreiches Outing unter dem Titel "Boxnacht Bautzen: Nazis vor und hinter den Kulissen" auf der Internetseite des ART. Es enthielt neben der Auflistung personenbezogener Daten zahlreicher tatsächlicher bzw. vermeintlicher Rechtsextremisten auch die Aufforderung: "Allesamt Gründe, die Auseinandersetzung mit der Bautzner Naziszene nicht den Behörden zu überlassen, sondern selbst genau hinzusehen! " 312 Das ART D resden beteiligte sich mit diesem und weiteren Outings aktiv an dieser Aktionsform der autonomen Szene313. Im Landkreis Görlitz entfaltete lediglich die A ntifaschistische A ktion Görlitz sporadisch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten durch Veröffentlichungen im Internet am Ende des Berichtsjahres. Das dortige Aktivitätsniveau war wie im Jahr 2016 abermals sehr niedrig. Lediglich eine öffentliche Aktion wurde durchgeführt. Für den Zeitraum vom 27. bis 30. Juli 2017 wurde auf linksunten. 312 https://naziwatchdd.noblogs.org/ (Stand: 14. Dezember 2017) 313 siehe Abschnitt II.3.3 A utonome 214 Linksex tremismus - A u tonome außerhalb der Städte Leipzig und Dresden indymedia.org die Durchführung eines sogenannten Faetzig-Camps 314 in Rothenburg/OL angekündigt. Die Undogmatische R adikale A ntifa D resden (URA D resden) hatte für das Camp geworben. Ebenso teilte das "Allgemeine Syndikat Dresden" der FAU mit, dass Angehörige der Gruppe im Camp einen Vortrag zum Thema "Anarchosyndikalismus auf dem Land" halten wollen. Da das Motto "Campen gegen Knast und Strafe" lautete, kann das Camp dem Themenfeld "Kampf gegen Repression" zugeordnet werden. Das zeigte sich auch deutlich in den dort geplanten Aktionen. So wurde für den 28. Juli 2017 eine "Rallye mit anschließender Versammlung" unter dem Motto "Gegen Knast und Strafe" angekündigt. Die im Aufruf angekündigten Aktivitäten wurden entsprechend umgesetzt. So kam es in Görlitz zu mehreren Aktionen u. a. gegen staatliche Einrichtungen und damit zu Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Beteiligt daran waren mutmaßliche CampTeilnehmer, die zumeist nicht aus Sachsen stammten. Region Nordsachsen In den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen gab es im Berichtsjahr keine aktive linksextremistische Szene. Während es im Landkreis Nordsachsen auch nicht zu öffentlichen Aktivitäten von Linksextremisten kam, beteiligten sich im Landkreis Leipzig an einer Demonstration am 2. September 2017 in Wurzen hauptsächlich Linksextremisten. Unter dem Motto "Gegen Rassismus in Wurzen und Sachsen" demonstrierten störungsfrei etwa 350 Personen unter maßgeblicher BeteiQuelle: https://linksunten.indymedia.org ligung von Linksextremisten. Dass die meisten (Stand: 27. Juli 2017) Teilnehmer aus Leipzig anreisten, verdeutlicht den Einfluss dieser Szene in den angrenzenden Regionen. In Redebeiträgen wurden typische linksextremistische Positionen vermittelt. So wurde Wurzener Bürgern pauschal eine Sympathie für "Nazis" unterstellt und die Veranstaltung "Tag der Sachsen" als rassistisch bezeichnet. Darüber hinaus erfolgten verbale Provokationen gegen den Staat und die Polizei. So gab es folgende Parolen und Transparente: "Wir sind hier aus purer Feindschaft, gegen eure Volksgemeinschaft", "Nazis Morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack!" und "BRD - Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt". Analog der Hamburger Demonstration "G20 - Welcome to hell" anlässlich des G20-Gipfels im Juli 2017 war auch die Demonstration in Wurzen spektrenübergreifend. Im Aufruf hieß es dazu, dass die Demonstration Bündnischarakter tragen solle, "der die verschiedensten antifaschistischen Ansätze bündelt: antifaschistische Jugendund Kulturarbeit, militantes Grundverständnis, 314 Der nicht extremistische Faetzig e. V. ist Organisator eines in den vergangenen Jahren bereits mehrfach durchgeführten Sommercamps bei Görlitz, das laut eigener Darstellung eine Mischung aus Festival und Sommercamp mit inhaltlich politischer Ausrichtung ist. 215 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen parlamentarische wie außerparlamentarische Aktivität " 315 . Mit dieser Formulierung sollten auch gewaltbereite Autonome angesprochen werden. Denn das Ziel der Demonstration bestand auch darin, "(...) den Nazis direkt entgegenzutreten, ihre Strukturen und Treffpunkte anzugreifen" 316 . 3.4 Anarchistische Gruppierungen Die anarchistischen Gruppierungen in Sachsen vertreten Positionen des Anarchosyndikalismus. Dabei sind fließende Übergänge zu ähnlichen oder verwandten Bewegungen oder Gruppen - wie den Autonomen - feststellbar. Dennoch weist der Anarchosyndikalismus einige spezielle Merkmale auf, durch die sich entsprechende Gruppen auch deutlich von den Autonomen unterscheiden. Ideologie Der Anarchosyndikalismus Anarchismus ist eine Form des AnarchisDer Anarchismus ist eine politische Bewegung und Weltanmus, der die Übernahme schauung, die in ihrem Kern die Herrschaft von Menschen der Produktionsmittel durch über Menschen sowie jede Art von Hierarchie als Form der Arbeiterassoziationen zum Unterdrückung ablehnt. Das Ziel besteht in der Errichtung Ziel hat. Dies beinhaltet die einer herrschaftsfreien Gesellschaft im Sinne einer GesellIdee einer gewerkschaftlichen schaftsordnung ohne Staat, Militär und Justiz. Der Anarchismus weist unterschiedliche Formen auf, die sich in Ideologie, Berufsgenossenschaft, die Organisation und Strategie voneinander unterscheiden. eine Kollektivierung der Produktionsmittel anstrebt. Der Staat soll zerschlagen werden und an dessen Stelle eine "Föderation der Syndikate" (basisdemokratische Gewerkschaften) treten. Das "Syndikat" wird als tragende Organisationseinheit des revolutionären Kampfes, wie auch der Zukunftsgesellschaft, erachtet. Diese Form des Anarchismus weist somit eine deutlich andere Qualität auf als jene der Autonomen . Zwar favorisieren auch Autonome ihrem Selbstverständnis entsprechend eine herrschaftsund gesetzlose Ordnung, jedoch ist es ihnen bislang nicht gelungen, eine feste theoretische Basis zu entwickeln. Organisation Die anarchosyndikalistischen Gruppen sind in ein föderales Netzwerk integriert. Die örtlichen / regionalen "Lokalföderationen" (Gesamtheit der "Syndikate" an einem Ort) bilden die bundesweite F reie 315 http://irgendwoindeutschland.org "Aufruf: Das Land - rassistisch, Der Frieden - völkisch, Unser Bruch - unversöhnlich." (Stand: 22. August 2017) 316 ebd. 216 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen A rbeiterinnenund A rbeiter-Union (FAU), welche ihrerseits als deutsche Sektion Mitglied der Internationalen A rbeiterinnen A ssoziation (IAA) war 317. Auch hier zeigt sich ein Unterschied zur autonomen Szene, die in verschiedene örtliche Strukturen und Kleingruppen zersplittert ist. Den verschiedenen Versuchen der Bildung einer überregionalen Organisation oder zumindest einer dauerhaften Vernetzung untereinander standen stets die den Autonomen eigene Organisationsfeindlichkeit sowie ideologische Differenzen entgegen. Strategie Das Handeln der Anarchosyndikalisten richtet sich nach strategischen Prinzipien, die Mitte 2015 in einem neuen Grundlagentext der FAU formuliert worden sind. Diese "Prinzipien und Grundlagen der Arbeit der F reien A rbeiterinnenund A rbeiter-Union (FAU)" ersetzten die bisherige "Prinzipiener318 klärung" aus dem Jahr 1990. In der bis Mitte 2015 gültigen Fassung hieß es, sie seien bestrebt, "(...) schrittweise eine neue Welt 319 in der Schale der alten zu entwickeln." Die Frage der Anwendung von Gewalt bei der Umsetzung ihrer Ziele wurde offen gelassen. Dazu hieß es: "In unserem Vorgehen legen wir uns weder auf Gewaltlosigkeit noch auf Gewalt fest! Die Wahl 320 unserer Mittel ergibt sich aus den konkreten Situationen und Zielen!" . Im Gegensatz zur Vorgängerfassung ist die aktuelle "Prinzipienerklärung" gemäßigter abgefasst. Das Ziel wird nach wie vor in der "Überwindung des Kapitalismus" gesehen, da er "auf der Ausbeutung durch diejenigen beruht, die über die Produktionsmittel verfügen". Zwar wird die Rolle der Gewalt für die Umsetzung dieser Ziele nicht mehr thematisiert. Eine explizite Abgrenzung erfolgt jedoch nicht. Stattdessen werden eher umfangreiche Reformen in Erwägung gezogen. Allerdings heißt es auch: "Wir lehnen jedoch Reformismus als eine Haltung ab, die nicht versucht, die bestehenden Ausbeutungsund Unterdrückungsverhältnisse grundlegend zu ändern, sondern sie stattdessen stabilisiert." 321 317 Ende 2016 wurde sie gemeinsam mit den Sektionen CNT (Spanien) und USI (Italien) aus der IAA ausgeschlossen. Dem Ausschluss gingen eigene Forderungen nach "Neuformierung der anarchosyndikalistischen Bewegung auf internationaler Ebene" voraus. So hatte die FAU u. a. der IAA vorgehalten, lediglich "abstrakte ideologische Fragen [zu diskutieren], anstatt die Klassenverhältnisse, in denen wir uns alltäglich bewegen, zu analysieren". Die FAU verfolgt aktuell ein neues internationales Projekt, über das zum Bundesdelegiertentreffen im Oktober 2017 entschieden werden sollte. Der Gründungskongress der "neuen Internationale" ist für 2018 vorgesehen. 318 http://fau.org/texte/; "Prinzipien und Grundlagen der Arbeit der F reien A rbeiterinnen - und A rbeiterunion (FAU)" (Stand: 25. Oktober 2016) 319 "Prinzipienerklärung" der F reien A rbeiterinnen - und A rbeiterunion , verfasst 1989/1990, geändert 2003, S. 7 320 ebd., S.11 321 http://fau.org/texte, "Prinzipien und Grundlagen der F reien A rbeiterinnen - und A rbeiterunion (FAU)" (Stand: 25. Oktober 2016) 217 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen Die neue "Prinzipienerklärung" hat vor allem das taktische Ziel der Gewinnung neuer Mitglieder. Erwartet wird, dass die meisten potenziellen Anhänger eher mittels Reformen zur Änderung der Gesellschaft zu gewinnen seien als auf revolutionärem Weg. In Sachsen sind es die anarchosyndikalistischen Kleingruppen FAU D resden und L eipzig sowie die A narchosyndikalistische Jugend L eipzig (ASJL), die fest in das bundesweite föderale Netzwerk integriert sind. Gemessen an ihrer geringen personellen Stärke sind diese Gruppierungen sehr aktiv. Besonders im Rahmen öffentlicher Aktionen versuchen die Akteure ihre extremistischen Zielsetzungen zu verbreiten und so neue Anhänger zu gewinnen. Indem sich die FAU vordergründig als gewerkschaftsähnliche Organisation darstellt, wird verschleiert, dass sie die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt. F reie A rbeiterinnen - und A rbeiter-Union - (FAU) Gründung / Sitz: 1977 / Berlin Vorsitz: unbekannt Teil-, Nebenorganisationen: "Syndikate", "Lokalföderationen": Allgemeines Syndikat Dresden der Fau, Fau Leipzig, Fau Sektion Chemnitz, Anarchosyndikalistische Jugend Leipzig (ASJL) Publikation: DIREKTE AKTION Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 45 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 45 Historie und Strukturentwicklung Die FAU ist die mitgliederstärkste anarchistische Gruppierung in Deutschland und ist in Sachsen spätestens seit Mitte der 1990er Jahre aktiv. Sie bezeichnet sich selbst als "Anarchistische Gewerkschaft" und war bis Ende 2016 der Internationalen A rbeiterinnen A ssoziation (IAA) angeschlossen. Ihre Finanzierung erfolgt über Mitgliedsbeiträge. Seit 2014 stagniert die Mitgliederzahl im Freistaat Sachsen bei ca. 45 Personen. Neueintritte gleichen die Verluste aus. Der starke Aktionswille, der sich in der Vielzahl eigener Veranstaltungen widerspiegelt, wird von nur wenigen lokalen Akteuren getragen. Die örtlichen "Syndikate" (lokale basisdemokratische Gewerkschaften) und Lokalföderationen bilden die organisatorische Basis der sächsischen Mitglieder in Dresden. Die 2015 aus der FAU-Initiative Chemnitz hervorgegangene FAUSektion Chemnitz konnte weiterhin nicht die Anforderungen für die Errichtung eines eigenständigen "Syndikats" erreichen und gehört daher nach wie vor dem "Dresdner Syndikat" an. Der Ausschluss der Leipziger Gruppe aus der FAU im März 2017 bewirkte eine Neugründung der FAU in Leipzig sowie die Bildung einer zweiten FAU-unabhängigen Gruppe ehemaliger Mitglieder. 218 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen Ideologie / Politische Zielsetzung Das Ziel der FAU ist die Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. In ihrem als "revolutionäre Gewerkschaftszeitung" bezeichneten Periodikum DIREKTE AKTION, die sich nach eigenen Angaben "auf die Grundlage des Klassenkampfes stützt", heißt es dazu unmissverständlich: "Wir Anarcho-SyndikalistInnen haben die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft zum Ziel. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus. [...] Zur Durchsetzung unserer Ziele und Forderungen dienen uns sämtliche Mittel der Direkten Aktion, wie z. B. Besetzungen, Boykotts, Streiks etc. Im 322 Gegensatz dazu lehnen wir die parlamentarische Tätigkeit in jeglicher Form ab." Mit diesem Selbstverständnis, welches die Anwendung sämtlicher Mittel zur Beseitigung der parlamentarischen Demokratie propagiert, steht die FAU in klarem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Aktivitäten Wie bereits in den Jahren zuvor traten anarchosyndikalistische Gruppen im Freistaat Sachsen mit eigenen Aktionen öffentlich auf. Dabei zeigten sich jedoch teilweise deutliche Unterschiede zwischen den in Dresden, Leipzig und Chemnitz ansässigen FAU-Akteuren sowohl betreffend Umfang und Intensität, als auch in der Wahl der Mittel. Dresden Die nach wie vor aktivste und zugleich mitgliederstärkste Gruppe ist das A llgemeine Syndikat D resden der FAU (FAU D resden). Insbesondere durch die Verteilung von Flugblättern, die Organisation eigener Demonstrationen und Seminare oder über die Beteiligung an sozialkritischen, nicht extremistischen Protestdemonstrationen unter Einsatz ihrer schwarz-roten Fahnen sowie Transparenten versuchte die FAU D resden, ihren Bekanntheitsgrad und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Dazu zählen: Teilnahme an der "Tanzdemo für eine solidarische Nachbarschaft" einer nicht extremistischen Gruppe am 28. Januar 2017 in Dresden. Die FAU D resden unterstützte die Veranstaltung logistisch und nutzte die Veranstaltung vor allem zur Eigenwerbung. Teilnahme an Demonstration mit dem Motto: "Solidarität mit den inhaftierten Frauen und Gewerkschafterinnen!" anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März 2017 vor der JVA in Chemnitz. 322 DIREKTE AKTION ANARCHOSYNDIKALISTISCHE ZEITUNG, Ausgabe 233 (Januar / Februar 2016), S.16 219 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen traditionelle Kundgebung mit Aufzug anlässlich des "workers memorial day" 323 am 28. April 2017 in Dresden mit dem Motto: "In Bewegung kommen - syndikalistisch, feministisch, antiautoritär". Die Versammlung war Teil der FAU-Themenreihe "Aktionen rund um den Libertären Frühling". Vernetzungstreffen im Elbsandsteingebirge im August/ September 2017. Zur Vernetzung von A narchisten veranstaltete die FAU D resden unter dem Motto "Schwarz-Rote Bergtage 2017" erneut Vorträge und Workshops mit anarchistischen Inhalten sowie Wanderungen und Übernachtungsmöglichkeiten in "selbstverwalteten Hütten" im Nationalpark Sächsische Schweiz. Das Projekt "libertäres Zentrum Elbsandsteingebirge" konnte aus finanziellen Gründen bisher nicht realisiert werden. Die Vielzahl der Veranstaltungen belegt erneut das hohe Aktionsniveau des "Dresdner Syndikats". Auch das zum FAU-Ausschluss des "Leipziger Syndikats" führende Delegiertentreffen der FAURegionalföderation Ost im März 2017 fand im Büro der FAU D resden statt und stärkt deren Einfluss auf den Dachverband. Themen der FAU sind vorrangig der Arbeitskampf und die Gewerkschaftsarbeit aus linksextremistischer Perspektive, die auch die FAU D resden aktiv verfolgt. Mit der personell gering besetzten FAU-Sektion Basisgewerkschaft Nahrung und G astronomie (BNG) ist sie seit Jahren im Dresdner Gastronomiesektor tätig und versucht Arbeitnehmer kleiner Gastro-Betriebe im Arbeitskampf zu unterstützen. Die FAU D resden stellt mit Streiks, Betriebsbesetzungen und Pressearbeit typische anarchosyndikalistische Druckmittel in Aussicht. Der von ihr erstellte Branchenlohnspiegel soll einerseits als Grundlage für "Lohnverhandlungen", andererseits als "Anreiz für Unternehmer_ 324 innen faire Löhne zu zahlen", dienen. Teil ihrer Strategie ist die Bildung "gewerkschaftlicher Kollektivbetriebe" mit Gemeinschaftseigentum, deren Branchenstandards durch die FAU D resden kontrolliert werden. Chemnitz Die FAU-Sektion Chemnitz , die organisatorisch dem "Syndikat Dresden" angehört, zeigte im Jahr 2017 nur marginale Aktivitäten mit klarer linksextremistischer Intention. Wie im Vorjahr trat sie nur einmal in der Öffentlichkeit auf, um politische Akzente zu setzen. Unter dem Motto: "Soziale Gerechtigkeit durch Basisdemokratie" demonstrierte die FAU-Sektion Chemnitz mit Unterstützung des "Dresdner Syndikats" am 11. November in Chemnitz "gegen das System und gegen die Lohnsklaverei". 325 Bereits im ersten Aufruf hatte sie klassische anarchosyndikalistische Inhalte wie den Wunsch nach einer Gesellschaft "frei [...] von Herrschaft, Konkurrenz und Ausbeutung" vermittelt. Auf ihrer Internetseite wurde sie noch konkreter: "Unsere Demo richtet sich gegen die bestehende Ordnung, die unser Leben beherrscht und unsere Zukunft bedroht. Wir werden für eine 323 Der "workers memorial day" wird von Anarchosyndikalisten regelmäßig zum Anlass für Aktivitäten genommen. 324 https://www.direkteaktion.org/verteilzeitung, Beitrag "Dem Kapitalismus in die Suppe spucken!" (Stand: 25. Oktober 2016) 325 https://de.eventbu.com/chemnitz/demo-ausbeutungen-beenden (Stand: 19. Oktober 2017) 220 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen radikale Veränderung der Gesellschaft demonstrieren und Wege zeigen, die uns gemeinsam aus dem kapitalistischen Irrgarten heraushelfen können." 326 Die Region Chemnitz weist im Vergleich zu Leipzig und Dresden ein nur sehr niedriges linksextremistisches Personenpotenzial auf, das nur schwach strukturiert ist. So ergaben sich für die FAU Chemnitz kaum Anschlussmöglichkeiten. Aber auch andere örtlich ansässige Linksextremisten suchten offenbar nicht die Zusammenarbeit mit der FAU Chemnitz . Eine eigenständige Struktur, losgelöst vom "Syndikat Dresden", wird bis auf Weiteres nicht zu erwarten sein. Leipzig Am 25. März 2017 wurde die FAU L eipzig auf dem Delegiertentreffen der Regionalföderation Ost in Dresden aus der FAU ausgeschlossen. Begründet wurde der Ausschluss aus dem Dachverband mit der seit mehreren Jahren konträren Entwicklung zwischen "Syndikaten" der Region Ost und den Leipzigern. 327 Den Antrag hatte das "Allgemeine Syndikat Dresden" der FAU (FAU D resden) eingebracht. Demnach wurden der FAU L eipzig strukturelle und organisatorische Mängel sowie Verstöße gegen die Grundsätze der FAU vorgeworfen, da die Interessen und das Ansehen der FAU in der Region Leipzig beschädigt worden seien. Hintergrund waren Vorhaltungen, dass sich das "Syndikat Leipzig" nicht ausreichend politisch engagiere und auch die Gewinnung von Neumitgliedern nur schleppend erfolge. Statt Demonstrationen organisierte die FAU L eipzig in Eigenregie Konzerte, so am 4. Februar 2017 in Leipzig. Die Mehreinnahmen sollten dabei in der politischen Arbeit der FAU VerwenQuelle: Flyer zur Neugründung der dung finden. Das Ausschlussverfahren vom März bewirkte zwei FAU-Leipzig (Stand: 20. April 2017, konträre Entwicklungen in Leipzig. Einerseits sahen sich brüsverteilt auf dem "Antifaschisten kierte Mitglieder zur Bildung einer FAU-unabhängigen GewerkJugendkongress" in Chemnitz) schaft veranlasst. Andererseits wurde am 20. Juni 2017 nach FAU-Regularien die Gruppe FAU L eipzig unter Beteiligung des "Syndikats Halle" neu gegründet. Die FAU L eipzig setzt weiterhin auf Beratungen zum Thema Arbeitsrecht. 326 http://fauchemnitz.blogsport.de, Aufruf: "11. Nov. Demo: Ausbeutung verhindern!" (Stand: 20. Oktober 2017) 327 http://fau.org/artikel (Stand: 3. Mai 2017) 221 Linksex tremismus - Anarchistische Gruppierungen A narchosyndikalistische J ugend L eipzig (ASJL) Historie und Strukturentwicklung Eigenen Angaben zufolge gründete sich die ASJL im November 2010. Sie gehört als Ortsverein zu der im Mai 2011 gegründeten Regionalföderation Ost der Organisation A narchosyndikalistische Jugend (ASJ). Ab Mitte 2007 entwickelte sich innerhalb der FAU-IAA eine Jugendvertretung, die auf dem FAUKongress 2008 eine Arbeitsgemeinschaft Jugend (AG Jugend) konstituierte. Hieraus bildeten sich schließlich regionale ASJ-Gruppen. Die Separierung der ASJL von der FAU-L eipzig im Jahr 2010 markierte keine Abgrenzung im inhaltlich-weltanschaulichen Sinne, sondern war Folge einer bundesweiten strukturellen Entwicklung. Ideologie / Politische Zielsetzung Ihrem Selbstverständnis entsprechend ist die ASJL "ein bundesweit organisierter, außerparlamentarischer Jugendverband", der "den Parlamentarismus nicht für das richtige Mittel [hält], um die gesellschaftlichen Bedingungen zu verbessern." Sie strebt eine "Welt ohne Nationen und Staaten 328 [an], in der alle individuell nach ihren Bedürfnissen leben können [...]". Eine Verwirklichung der Grundsätze der ASJL ist in einer Demokratie nicht umzusetzen. Mit der Formulierung, dass "[...] für die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit eine gemeinschaftliche Verwaltung der Produktionsmittel entscheidend notwendig ist", wird eine Grundforderung des Anarchosyndikalismus bedient. Darüber hinaus grenzte sich die ASJL - zumindest indirekt - deutlich vom Freiheitsbegriff der Autonomen ab, da aus ihrer Sicht "Freiheit nicht das 329 Ausleben egoistischer Vorstellungen auf Kosten Anderer" bedeute. Weiterhin nimmt sie zur Beseitigung jeder staatlichen und nichtstaatlichen Ordnung die Anwendung von Gewalt in Kauf: "Nichts wäre wünschenswerter, als dass dieser Konflikt friedlich ausgetragen werden könnte. Die Lehren aus der Geschichte und das Gebären der aktuell Machthabenden lässt uns diesen Wunsch 330 leider als unrealistisch erscheinen." Die ASJL lehnt jede Form der Herrschaft als Synonym der Ungleichheit und Unfreiheit ab. Das gilt auch für die von Marxisten angestrebte "Diktatur des Proletariats" nach erfolgreichem Klassenkampf. Unter Klassenkampf versteht die ASJL den "unmittelbaren Kampf gegen das Bestehen von 328 Selbstdarstellung, Flyer der ASJL, März 2016 329 http://asjl.blogsport.de, Rubrik "Grundsatz" (Stand: 20. Oktober 2017) 330 ebd.; Schreibweise wie im Original 222 Linksex tremismus - R e volu t ion 331 Klassen, als Ausdruck von Unterdrückung". Dieser sei nur zu verwirklichen, "indem die Bereit332 schaft aller zur Überwindung des Systems durch Aufklärung und Emanzipation gefördert wird". Quelle: asjl.blogsport.de (Stand: 10. August 2017) Aktivitäten Als eigenständige Organisation besaß die ASJL wie die FAU L eipzig im Jahr 2017 eine nur untergeordnete Rolle im linksextremistischen Spektrum von Leipzig. Im Unterschied zur Mutterorganisation FAU besteht bei deren Jugendvertretung in Leipzig jedoch - trotz partieller ideologischer Unterschiede - eine enge, fortwährende Verzahnung mit der örtlichen autonomen Szene. So war die ASJL. in deren Aktivitäten gegen die Innenministerkonferenz im Dezember 2017 in Leipzig mit eingebunden. Über ihre Internetseite lud sie regelmäßig zu offenen Plenen und Vortragsveranstaltungen zur Thematik des Anarchosyndikalismus ein. 3.5 R evolution (R evo) Gründung / Sitz: unbekannt / Berlin Vorsitz: unbekannt Teil-, Nebenorganisationen: unbekannt Publikation: REVOLUTION (unregelmäßig) Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 10 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 20 Mitglieder 2016 bundesweit: nicht bekannt 331 ebd. 332 ebd. 223 Linksex tremismus - R e volu t ion Historie und Strukturentwicklung Im Freistaat Sachsen zählen die Gruppen von Revolution - wie auch "Revolutionsgruppen" in anderen Städten - zu der Jugendorganisation der trotzkistischen Gruppierung Gruppe A rbeitermacht (GAM). Unter dem Titel "The road to revolution" veröffentlichte Revolution ihr internationales Programm. Demzufolge ist Revolution eine "internationale unabhängige Jugendorganisation mit Sektionen in 333 Deutschland, Österreich und den USA, sowie Aktivist_innen in England und Pakistan" . Im Freistaat Sachsen gehören nur noch etwa zehn Personen der Gruppierung an. Regional ist die Gruppe in Leipzig und Dresden verankert. Ideologie / Politische Zielsetzung Trotzkismus Trotzkistische Gruppierungen verfügen über ... ist eine auf den russischen Revolutionär zentralistische und hierarchische Strukturen, Leo Trotzki (1879 -1940) zurückgehende die von einer strengen Parteidisziplin geprägt Ausprägung des Marxismus-Leninismus. sind. Demzufolge ist auch das politische Wesentlich ist die Idee einer weltweiten und Programm, das unter dem Titel "The road to "permanenten" sozialistischen Revolution revolution" auf der Homepage von Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Das poliveröffentlicht wurde, für alle "Revolutionstische Ziel trotzkistischer Gruppen besteht gruppen" maßgebend und bindend. daher in der revolutionären Überwindung der freiheitlichen demokratischen GrundordPolitisches Ziel nung und dem Aufbau einer Rätedemokratie Das politische Ziel von Revolution besteht in mit anschließender Schaffung einer sozider revolutionären Beseitigung der freiheitlialistischen bzw. kommunistischen Gesellchen demokratischen Grundordnung und dem schaftsordnung. Trotzkistische Gruppen Aufbau einer Rätedemokratie mit anschliebesitzen zentralistische und hierarchische ßender Schaffung einer sozialistischen bzw. Strukturen, die durch eine strenge Parteidiskommunistischen Gesellschaftsordnung. Im ziplin geprägt sind. internationalen Programm heißt es: "Wir wollen den Kapitalismus durch eine proletarische Revolution überwinden und ihn durch eine sozialistische Gesellschaft ersetzen, [...]. Was wir brauchen, ist eine globale und demokratische Planwirtschaft, die auf demokratischen Räten der 334 Arbeiterklasse beruht." In einer Rätedemokratie wären wesentliche Elemente des demokratischen Rechtsstaates ausgehebelt. Da - nach trotzkistischer Auffassung - in einer Räterepublik alle Entscheidungen durch das Proletariat getroffen werden, läge die Souveränität nicht mehr beim gesamten Staatsvolk, 333 www.onesolutionrevolution.de, "The road to revolution", S. 2 (Stand: 25. August 2015) 334 ebd., S. 5 224 Linksex tremismus - R e volu t ion sondern ausschließlich bei der Arbeiterschaft. Dadurch wären Pluralismus und Mehrparteienprinzip beseitigt. Die "Räte" sind bei allen Entscheidungen an die Basis gebunden und können daher ihr Mandat nicht frei ausüben. Außerdem unterstehen die Exekutive, die Judikative und die Legislative den "Räten". Die "Rätedemokratie" verletzt damit elementare Prinzipien der parlamentarischen Demokratie und der Gewaltenteilung. Positionen zum demokratischen Rechtsstaat Aufgrund der politischen Zielsetzung verfügt Revolution über eine ausgesprochen antistaatliche Haltung. Diese zeigt sich in der kategorischen Ablehnung des bürgerlichen Rechtsstaates einschließlich des staatlichen Gewaltmonopols, welche auch unter Einsatz von Gewalt abgeschafft werden sollen. Im internationalen Programm heißt es dazu: "Es gibt keinen parlamentarischen Weg zum Sozialismus. [...] Gewalt wird ein Mittel sein müssen, um die Zentren der kapitalistischen Macht endgültig zu zerbrechen - die Armee, die Polizei und die 335 Geheimdienste." Revolution L eipzig formuliert diesbezüglich wie folgt: "Unsere Gewalt muss somit ins Herz dieses Systems treffen, das Privateigentum an Produktionsmit336 teln. [...] Unsere Zielsetzung kann somit nur einen Slogan haben: militant, massenhaft, organisiert!" Durchsetzung des politischen Ziels Die Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Errichtung von Räten soll mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden. Neben "Räten" sollen auch "Arbeitermilizen" eingesetzt und "Verteidigungsstrukturen" aufgebaut werden. Dazu heißt es: "Ebenso wie Arbeiterräte, werden wir Arbeitermilizen und Verteidigungsstrukturen brauchen, um Polizei und Militär daran zu hindern die Revolution mit Gewalt [zu] überziehen, den Staat zu zerschlagen und die 337 Kapitalisten daran zu hindern, die Macht durch einen Militärputsch zurück zu erlangen." Aktivitäten Im Jahr 2016 stand die Jugendarbeit im Mittelpunkt der politischen Aktivitäten. Im Gegensatz dazu führte Revolution im Berichtsjahr keine Aktionen durch, die eine Mitgliederwerbung unter Jugendlichen zum Ziel hatte. Die Ursache hierfür dürfte die Inhaftierung eines führenden Mitglieds von Revolution L eipzig wegen des Brandanschlages auf ein Polizeifahrzeug und ein Polizeirevier am 338 6. August 2015 sein. So mobilisierte Revolution L eipzig lediglich zum alljährlichen Sommercamp der "Revolutionsgruppen", das vom 26. bis 31. August 2017 in der Nähe von Berlin stattfand. Der Gruppe gelang es, sich 2017 deutlicher in die Leipziger linksextremistische Szene zu integrieren. 335 ebd., S. 26 336 www.onesolutionrevolution.de, "Antifaschistischer Widerstand - Notwendig und legitim! Aber wie? Kritik und Perspektiven des Kampfes in Leipzig" (Stand: 25. August 2015) 337 www.onesolutionrevolution.de, "The road to revolution", S. 33 (Stand: 25. August 2015) 338 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016, S. 269 225 Linksex tremismus - R e volu t ion Beispiele hierfür waren: die Teilnahme an einer Demonstration gegen LEGIDA am 9. Januar 2017, an der auch Autonome sowie die linksextremistischen Gruppierungen PRISMA und The F uture is unwritten teilnahmen. In einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite betonte Revo die Notwendigkeit "gemeinsamen antifaschistischen, antirassistischen Widerstand (zu) organisieren!". Für die Umsetzung dieses Zieles rief sie auf: "Organisiert euch und bildet dort Selbstverteidigungskomitees, wo es nötig ist: in Geflüchtetenunterkünften, Stadtteilen, Schulen und Betrieben!" 339, die Beteiligung an einer Mobilisierung zu einer Demonstration am 11. Februar 2017 unter dem Motto "Keine kahle Heine - Westwerk retten!" und die Teilnahme an einer Demonstration anlässlich des "Feministischen Kampftages 2017" am 11. März 2017 in Leipzig, bei der sie gemeinsam mit anderen linksextremistischen Gruppen demonstrierte. Quelle: Facebook-Profil Revo S achsen (Stand: 20. März 2017) Ein weiteres bedeutendes Ereignis für die linksextremistische Szene waren die Proteste gegen das G20-Gipfeltreffen im Juli 2017 in Hamburg, an denen sich auch Revolution S achsen beteiligte. Anlässlich der gewalttätigen Ausschreitungen bei den Protesten positionierte sich ein derzeit inhaftiertes Mitglied von Revolution L eipzig und rechtfertigte in seinem Beitrag die Gewaltanwendungen. Seiner Meinung nach war es legitim, das Schanzenviertel, die "Homezone der Autonomen Bewegung in Hamburg", zu verteidigen. Er formulierte: "Wenn die Kräfte des Staates versuchen den eigenen Kiez zu stürmen (Schanze), dann ist die Verteidigung dagegen legitim.". Das von den "Revolutionsgruppen" anvisierte Ziel - den Sturz des bürgerlichen Staates - brachte er deutlich zum Ausdruck: "Wir sind die unversöhnlichen Feinde des bürgerlichen Staates, der uns alle unterdrückt. Wir sind die wahre Alternative zum sogenannten Establishment, denn unsere Alternative heißt Klassenkampf und Revolution." 340 339 Facebook-Profil Revo S achsen , "Leipzig: LEGIDA läuft nicht mehr" (Stand: 12. Januar 2017) 340 http://freepat.blogsport.de, "Beitrag unseres Freundes Pat zu den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel vom 9. Juli 2017" (Stand: 11. September 2017) 226 Linksex tremismus - R ot e H il f e e . V. 3.6 Rote Hilfe e. V. (RH) Gründung / Sitz: 1975 / Bundesgeschäftsstelle in Göttingen (Niedersachsen) Vorsitz: unbekannt Teil-, Nebenorganisationen: unbekannt Publikation: DIE ROTE HILFE 341 (vierteljährlich und als Onlinemagazin) Mitglieder 2017 in Sachsen: ca. 380 Mitglieder 2016 in Sachsen: ca. 380 342 Mitglieder 2016 bundesweit: ca. 8.000 343 Historie und Strukturentwicklung Die Rote Hilfe war ursprünglich eine von der Kommunistischen Partei D eutschlands (KPD) im Jahr 1921 gegründete Gefangenenhilfsorganisation. Ihre Aufgabe bestand darin, Geldund Lebensmittel344 sammlungen "für die Opfer des proletarischen Befreiungskampfes zu organisieren" . Sie war eine der mitgliederstärksten KPD-nahen Massenorganisationen. Nachdem sich Anfang der 1970er Jahre in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland Rote-Hilfe-Gruppen gebildet hatten, wurde die Rote Hilfe D eutschlands (RHD) unter Bezugnahme auf den gleichnamigen Vorläufer im Jahr 1975 neu gegründet. Seit 1986 ist die Organisation ein eingetragener Verein. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands ging der Aufbau erster Strukturen der RH in Sachsen nur sehr schleppend voran. Neu gegründete Ortsgruppen lösten sich häufig bald wieder auf. Dennoch zählt die RH nunmehr zu den mitgliederstärksten linksextremistischen Gruppierungen in Sachsen. Der hier im Jahr 2016 erreichte Höchststand der Mitgliederzahl mit ca. 380 Personen blieb im Berichtsjahr unverändert. Ein Rückgang der Mitgliederzahl ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Aktivste und weiterhin mitgliederstärkste Gruppe bleibt Leipzig. Die personelle Konzentration in Leipzig ist auch auf das hohe linksextremistische Personenpotenzial der Stadt zurückzuführen. Dabei fördert die von der RH in Aussicht gestellte Unterstützung "politisch Verfolgte(r)" aus dem "linken Spektrum" auch die Organisationsbindung von zu Straftaten bereiten Linksextremisten. 341 Auflage: 8.950 Exemplare, Ausgabe 1/2017, Impressum S. 67 342 Die Mitgliederzahlen beruhen auf Eigenangaben der RH in: DIE ROTE HILFE, Ausgabe 2/2016, Beilage "Mitgliederrundbrief 02/2016", S. 6 (mit Mehrfachmitgliedschaften) 343 Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundesministerium des Innern, S. 138 344 ROTE FAHNE, 15. April 1921; "Die Situation in Deutschland und die Gründung der Roten Hilfe"; nadir.org/nadir/ archiv (Stand: 11. Januar 2017) 227 Linksex tremismus - R ot e H il f e e . V. Entwicklung der Mitgliederzahlen der RH 8.000 8.000 7.000 6.500 6.000 4.000 2.000 bundesweit 200 280 380 380 darunter Sachsen 2014 2015 2016 2017 Zahlreiche Mitglieder der RH sind zugleich Mitglied in anderen linksextremistischen Bestrebungen. Es verfolgen nicht alle Mitglieder des Vereins selbst verfassungsfeindliche Zielsetzungen. Bundesweit gliedert sich die RH in einen Bundesvorstand sowie in selbstständig arbeitende Ortsbzw. Regionalgruppen. Die Bundesdelegiertenversammlung tritt alle zwei Jahre zusammen, entscheidet über grundsätzliche Vereinsangelegenheiten und wählt den Bundesvorstand. Die dabei gefassten Beschlüsse setzen die Ortsgruppen eigenverantwortlich um. Sie sind gegenüber dem Bundesvorstand rechenschaftspflichtig. Die RH finanziert sich größtenteils über Mitglieds-, aber auch aus "Solibeiträgen", durch den Verkauf ihrer vierteljährlich erscheinenden überregionalen linksextremistischen Zeitung DIE ROTE HILFE sowie von Broschüren und Flyern. Dazu zählen die Flyer "Rote Hilfe Info zu Strafbefehlen" und "Was tun wenn's brennt?!" oder die sogenannte Aussageverweigerungsbroschüre. Ferner werden themenspezifische Spendenaktionen, wie die Kampagne "you can't break this movementBleiberecht für alle!", durchgeführt. Dem entspricht der Appell: "keine Duldung staatlicher Repression - spendet für den antirassistischen Widerstand". Damit stellt die RH die Unterstützung eines 345 jeden, "unabhängig eines Passes oder einer Herkunft", in Aussicht. Ideologie / Politische Zielsetzung Die RH ist ein zentraler Bestandteil der linksextremistischen Szene und betätigt sich in deren Themenfeld "Antirepression". Sie besitzt eine wichtige Funktion innerhalb des Linksextremismus aus der sich das Ziel dieser Organisation ableitet. Dieses besteht darin, den inneren Zusammenhalt im Linksextremismus zu stärken und seine Strukturen aktionsfähig zu halten. 345 Internetseite des Rote Hilfe e . V. (Stand: 21. Oktober 2016) 228 Linksex tremismus - R ot e H il f e e . V. Die RH wird von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragen. Sie versteht sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund 346 Solidaritätsorganisation" , die sich im "Kampf gegen die staatliche Repression" und "die politi347 sche Justiz" engagiert. Ihr vordergründiges Anliegen ist die finanzielle und politische Unterstützung von Strafund Gewalttätern des "linken" Spektrums, "die in der Bundesrepublik Deutschland 348 aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden" . Diese unterstützt sie im Strafverfahren mit Geldbeträgen und sichert ihnen Solidarität zu. Dazu betreut sie "politische Häftlinge", um deren Bindung an die linksextremistische Szene während der Haft und darüber hinaus zu erhalten. Bezeichnenderweise unterstützt die RH einen politisch motivierten Straftäter nur dann, wenn er auch weiterhin zu seiner Tat steht. Eine Zusammenarbeit mit Behörden z. B. zur Verringerung des zu erwartenden Strafmaßes wertet die RH als Preisgabe der politischen Positionen und als Verrat an der gemeinsamen Sache. So wird das Bestreiten eines Tatvorwurfes vom Bundesvorstand "[...] als Distanzierung 349 von der politischen Aktion bewertet und die beantragte Unterstützung nicht bewilligt." Bereits bei Tätigung von Aussagen der Betroffenen vor Gericht kürzt die Rote Hilfe ihren Unterstützungssatz.350 Die RH deutet z. B. die der Bekämpfung des Terrorismus dienenden Anti-Terror-Gesetze als "Feindstrafrecht, [...] das für Gegner*innen der bürgerlichen Ordnung geschaffen wurde, für die die Regeln einer 'normalen' Prozessführung und Ermittlung nicht mehr gelten" würden. Nach ihrer Auffassung dienten diese Gesetze vornehmlich dazu, jegliche "Politische Aktivität[en] gegen die herrschenden Zustände unmöglich zu machen". Die als Repression verstandenen Gesetze seien demnach nicht zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten beschlossen worden, sondern würden durch "die Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt [dazu Themenfeld "Antirepression" benutzt], um Menschen gefügig zu machen". 351 Unter "Repression" versteht die RH Maßnahmen der Polizei, der Justiz und des Aktivitäten Strafvollzugs als Mittel der Machthaber zur Herrschaftssicherung. Deren Handeln sei In ihren Ortsgruppen führt die RH regelmäßig rein politisch motiviert, willkürlich sowie Rechtsberatungen zu Themen wie "Umgang grundund menschenrechtswidrig. Wie die mit Staatspost, Polizeiübergriffen und andergewaltbereiten Autonomen lehnt die RH das weitiger Repression" durch. Mit Hinweisen staatliche Gewaltmonopol und die Aufrechtzum Schutz vor Strafverfolgung sowie dem in erhaltung von Sicherheit und Ordnung als Aussicht stellen politischer und materieller Hilfe sogenannte strukturelle Gewalt ab und zielt mindert sie auch die abschreckende Wirkung damit auf eine Abschaffung des demokratistrafrechtlicher Sanktionen. Sie flankiert die von schen Rechtsstaats. 346 Satzung des Rote Hilfe e . V., SS 2 Abs. 1 (Stand: September 2014) 347 "Vorwärts und nicht vergessen - 70/20 Jahre Rote Hilfe ", S. 58 f., Göttingen 1996 348 Satzung des Rote Hilfe e . V., SS 2 Abs. 2 Satz 1 (Stand: September 2014) 349 DIE ROTE HILFE, Ausgabe 3/2015, S. 6 350 DIE ROTE HILFE, Ausgabe 2/2016, S. 4 351 DIE ROTE HILFE, Sonderausgabe zum "18.03.2014 Tag der politischen Gefangenen", Beilage in der Tageszeitung JUNGE WELT vom 15. März 2014, S. 1 229 Linksex tremismus - R ot e H il f e e . V. ihr als besonders spektakulär empfundene Fälle von "Repression" durch Kampagnen, Presseerklärungen oder Solidaritätskundgebungen. So initiierte sie anlässlich der Proteste gegen das G20-Gipfeltreffen im Juli 2017 in Hamburg die Kampagne "United we stand!". 352 Diese richtet sich gegen die Strafverfolgungsmaßnahmen von Justiz und Polizei. In einer gemeinsamen Erklärung "Gegen die Kriminalisierung linker Medien!" solidarisierte sich die RH mit der vom Bundesminister des Innern verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia.org. Im Verbot vom 14. August 2017 sieht sie "ein[en] Angriff gegen die gesamte Linke", fordert "die sofortige Aufhebung der Verbotsverfügung" und richtete ein Spendenkonto ein.353 Zudem vertreibt die RH eine Vielzahl verschiedener Broschüren Quelle: Internetseite Rote Hilfe und Flyer, so zum Thema "Tipps der Roten Hilfe e. V. zum Umgang (Stand: 25. Oktober 2017) mit Strafbefehlen". Die RH stellt für konfrontativ ausgerichtete Veranstaltungen, wie Demonstrationen des "linken" Spektrums, häufig sogenannte Ermittlungsaus354 355 schüsse (EA) zur Verfügung . Leipzig Die RH Leipzig war im Jahr 2017 die aktivste sächsische Ortsgruppe der RH. Wie im Vorjahr fanden in Leipzig unter der Bezeichnung "Antirepressionsveranstaltungen" regelmäßig Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden statt. Dazu zählte auch die Veranstaltung am 15. Juni 2017 unter dem Motto "Was tun wenn's brennt? Einführende Rechtshilfetipps zum G20 Gipfel". 356 Bereits am 20. Mai 2017 fand eine von der RH organisierte Mobilisierungsveranstaltung mit dem Motto "G20-Gipfel in Hamburg - der Gipfel der Repression?" statt. 357 Der dort gehaltene Vortrag beinhaltete einen Überblick über mögliche staatliche Maßnahmen im Vorfeld und Verlauf des G20-Gipfels. Nach dem G20-Gipfel veröffentlichte die RH Leipzig "Tipps und Hinweise für G20-ProtestQuelle: antirepression.org Rückkehrer*innen". 358 Darin wurde insbesondere darauf hinge(Stand: 11. Mai 2017) 352 https://www.rote-hilfe.de/g20 (Stand: 9. Mai 2017) 353 Internetseite Rote Hilfe (Stand: 29. September 2017) 354 Während des Demonstrationsgeschehens und danach telefonisch erreichbare Ansprechpartner, die Personen, die in Konflikt mit der Polizei geraten sind, beraten und Anwälte vermitteln. 355 Interview mit einem Mitglied des Bundesvorstandes der RH, Artikel "die Rote Hilfe-ein Interview", http:// plastic-bomb.eu (Stand: 3. Juli 2014) 356 https://antirepression.noblogs.org (Stand: 19. Juni 2017) 357 https://antirepression.noblogs.org (Stand: 11. Mai 2017) 358 https://antirepression.noblogs.org (Stand: 10. Juli 2017) 230 Linksex tremismus - R ot e H il f e e . V. wiesen, Wohnungen aufzuräumen, um für mögliche polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen gewappnet zu sein. Empfohlen wurde, Kleidung und andere Gegenstände von Aktionen ebenso wie mitgebrachte "Souvenirs", etwa aufgesammelte Tränengaskartuschen, "verschwinden" zu lassen. Die Ortsgruppe beteiligte sich zudem aktiv an dem linksextremistisch dominierten Bündnis "No IMK", das sich anlässlich der Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK) am 7. und 8. Dezember 2017 in Leipzig gegründet hatte. Als Bündnispartner war sie Mitveranstalter von zwei Informationsveranstaltungen359 zum Bundeskriminalamt-Gesetz und "Smart Cities" im Vorfeld der Tagung. Zudem hielt ein Vertreter der RH eine Rede360 zur Demonstration gegen die IMK unter dem Motto "Kampf der inneren Sicherheit" am 7. Dezember 2017. Inhaltlich lag der Fokus dieses Beitrages auf Erfahrungen der Roten Hilfe mit umfangreichen Strukturermittlungsverfahren in den vergangenen Jahren, die als "antikommunistisches Feindstrafrecht" gegen die revolutionäre Politik der Linken verstanden werden. Die Polizei wolle damit linke Strukturen, "Freund*innen" und "Genoss*innen" "lähmen, verunsichern und in die Defensive drängen". Aber aus ihrer Sicht habe die radikale Linke in Leipzig "noch ein Wörtchen mitzureden". Damit waren aber ausdrücklich keine "Kaffeekränzchen" mit der Polizei und Vertretern des Staates gemeint, sondern es helfe - laut RH - nur eine "klare Kante gegen die Staatsmacht". Die Ortsgruppe Leipzig betreibt gemeinsam mit dem "Ermittlungsausschuss-Leipzig" (EA) eine Internetseite, auf der regelmäßig sogenannte Sprechstunden und Vortragsveranstaltungen 361 ankündigt werden. Regelmäßige Sprechstunden finden im "linXXnet" in Leipzig statt, das auch als Kontaktadresse der Ortsgruppe dient. 362 Dresden Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der Dresdner Ortsgruppe fanden im ersten Halbjahr 2017 nicht statt. Ursächlich dafür war deren heftige Kritik an in der vom Bundesvorstand herausgegeben Mitgliederzeitung DIE ROTE HILFE veröffentlichten Beiträgen "Siegerjustiz - zur Verfolgung und Delegitimierung eines sozialistischen Versuchs seit 1990" 363, die letztendlich zur Ausgründung der Ortsgruppe aus der Bundesorganisation der RH führte. Bereits im Dezember 2016 distanzierte sich die Gruppe ausdrücklich von den Beiträgen und forderte vom Bundesvorstand eine Stellungnahme. Nach Ansicht der Dresdner Ortsgruppe würden in mehreren Artikeln "die staatlichen Repressionen seitens der DDR gegen Andersdenkende" [...] heruntergespielt und "sogar gut geheißen". Insbesondere kritisierte sie, dass sich die "gegen staatliche Repression" stehende RH durch die Veröffentlichung mit Menschen solidarisiere, "die einerseits systematisch erhebliche Repression auch und gerade gegen linke/anarchistische Kräfte ausgeübt" hätten. 364 Später bezog auch die Leipziger Gruppe the future is unwritten (tfiu) dazu Stellung und verbündete sich mit der Dresdner Gruppe, indem sie die Ausgabe als "fatal" deklarierte, die "letztlich stalinistischen Konsens 359 noimk2017/blogsport.eu/veranstaltungen (Stand: 20. Dezember 2017) 360 Der Redebeitrag wurde am 11. Dezember 2017 auf der Seite https://antirepression.noblogs.org veröffentlicht. 361 Die Internetseite www.antirepression.noblogs.org bezeichnet sich selbst als Plattform des Leipziger Ermittlungsausschusses (EA) und der Roten Hilfe Leipzig, "der sich mit staatlicher Repression gegen linke Politik" befasst und Betroffene unterstützt. 362 https://antirepession.noblogs.org (Stand: 11. Januar 2018) 363 DIE ROTE HILFE, Ausgabe 04/2016 364 https://rotehilfedresden.noblogs.org (Stand: 1. Dezember 2016) 231 Linksex tremismus - Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen der DDR-Betrachtung in der Roten Hilfe durchzusetzen versucht". 365 Die RH Leipzig schlug im Juli 2017 eine Gegenausgabe vor. 366 Der Bundesvorstand versuchte mit einer Erklärung im Januar 2017 den Konflikt zu entschärfen. Demnach würden verschiedene Reaktionen "recht authentisch das strömungsübergreifende linke Spektrum" widerspiegeln, "aus dem wir als RH uns auch insgesamt zusammensetzen". Das führe zwangsläufig auch zu "unterschiedlichste[n] Auffassungen und Bewertungen zur Geschichte der Linken". 367 Die Thematik wurde im Oktober 2017 erneut aufgegriffen, als der "Ermittlungsausschuss Dresden (ehemals Rote-Hilfe Ortgruppe Dresden)" 368 unter dem Motto "Was heißt hier Siegerjustiz" eine Veranstaltungsreihe in Dresden mitgestaltete. Die Internetseite des Ermittlungsausschusses 369 verweist auf Publikationen der RH. Regelmäßige Sprechstunden finden nach wie vor im "AZ Conni" in Dresden statt. Südwestsachsen Die im Jahr 2015 zu den seit mehreren Jahren fest etablierten RH-Ortsgruppen in Leipzig und Dresden hinzugekommene Regionalgruppe Südwestsachsen mit Sitz in Chemnitz370 verfügt mit ca. 30 Mitgliedern weiterhin über eine nur geringe Gruppenstärke. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entwickelte die dritte selbstständig arbeitende Struktur für die Region im Südwesten des Freistaates allerdings nicht. 3.7 Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen Unter diesem Oberbegriff werden jene Bestrebungen zusammengefasst, die sich zu den Theorien von Marx, Engels und Lenin, der These vom Klassenkampf sowie zur Diktatur des Proletariats bekennen. Gemeinsamer weltanschaulich-politischer Nenner dieser orthodox-kommunistischen Gruppierungen ist die Negierung der Grundlagen und Wertvorstellungen des demokratischen Verfassungsstaates. Ziel ist die Auflösung der Institutionen der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie. Zwar weisen diese Gruppierungen unter allen linksextremistischen Bestrebungen das prägnanteste weltanschauliche und theoretische Fundament auf, welches zudem mit einer deutlichen Programmatik und klar konturierten Zielvorstellungen verbunden ist. Dennoch hat das Potenzial von ca. 200 Personen nur einen marginalen Einfluss auf den Linksextremismus in Sachsen. Zu den orthodoxen Gruppierungen zählen z. B. die Kommunistische P lattform der Partei DIE LINKE. (KPF), die Kommunistische Partei D eutschlands (KPD), die D eutsche Kommunistische Partei (DKP), die M arxistisch -L eninistische Partei D eutschlands (MLPD) und das K ommunistische A ktionsbündnis D resden (KAD). 365 https://ura-dresden.org (Stand: 18. Oktober 2017) 366 https://antirepession.noblogs.org (Stand: 23. August 2017) 367 DIE ROTE HILFE, Ausgabe 01/2017 368 https://ura-dresden.org (Stand: 18. Oktober 2017) 369 https://ea-dresden.site36.net/ (Stand: 26. Oktober 2017) 370 In der Zeitschrift DIE ROTE HILFE, Ausgabe 04/2017, fanden sich keine Angaben mehr zur Kontaktadresse der Regionalgruppe Südwestsachsen. Es liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Erkenntnisse zu einer etwaigen Inaktivität der Gruppe in Chemnitz vor. 232 Linksex tremismus - Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen Ideologie / Politische Zielsetzung Die Gruppierungen unterscheiden sich jedoch in ihrer ideologischen Ausrichtung. Die DKP, die KPD und die KPF - diese als linksextremistische Strömung innerhalb der Partei DIE LINKE. - bekennen sich zu den Lehren von Marx, Engels und Lenin und lehnen einen reformerischen Ansatz zugunsten eines revolutionären Weges zum Sozialismus ab. So heißt es im nach wie vor aktuellen Programm der DKP: "Der Sozialismus kann nicht auf dem Weg von Reformen, sondern nur durch tief greifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Eigentumsund Machtverhält371 nisse erreicht werden." Die geltende Gesellschaftsordnung und die freiheitliche demokratische Grundordnung können nach dieser Sichtweise nur auf revolutionärem Wege beseitigt werden. Die Präambel der MLPD weist in dieselbe Richtung: "Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr grundlegendes Ziel ist der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des 372 Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft." Im Unterschied zu anderen orthodox-kommunistischen Gruppierungen, die sich kaum noch offen zu Stalin oder Mao Tse-tung bekennen, ist bei der MLPD ein offensives Bekenntnis zu diesen Diktatoren festzustellen. Das unterstreicht, dass die MLPD im Gegensatz zu DKP oder KPF nicht nur marxistisch-leninistisch, sondern auch stalinistisch und maoistisch ausgerichtet ist. Diese politische Ausrichtung lässt sich an ihrer ideengeschichtlichen Selbstverortung ablesen. Mit ihrem ausgeprägten ideologischen Dogmatismus und dem exklusiven Anspruch auf den "wahren Sozialismus" stößt die MLPD jedoch - ebenso wie die eng am orthodoxen Marxismus orientierten Gruppierungen DKP und KPF - selbst im orthodox-kommunistischen Spektrum auf geringe Akzeptanz. Sie ist deswegen isoliert und befördert damit dessen weitere Zersplitterung. Aktivitäten Aufgrund ihres geringen Personenpotenzials aber auch wegen ihrer strukturellen Schwächen beschränken sich Aktionen dieser Gruppierungen überwiegend auf interne Treffen und Vortragsveranstaltungen. Gelegentlich treten orthodoxe linksextremistische Organisationen aber auch mit eigenen Kundgebungen oder Infoständen an die Öffentlichkeit. 371 Programm der DKP, 2006, S. 9 372 Präambel der organisationspolitischen Grundsätze der MLPD; www.mlpd.de -> Rubrik Partei/Grundsätze/ (Stand: 7. September 2017) 233 Linksex tremismus - Politisch motivierte Kriminalität "links" Im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 fanden Wahlkampfveranstaltungen der DKP und der MPLD statt. Zur Wahl trat nur die MLPD im Freistaat Sachsen als orthodoxe linksextremistische Partei mit einer Landesliste und zwei Direktkandidaten an. Die erzielten Wahlergebnisse unterstrichen die politische Bedeutungslosigkeit der Partei. Sie erreichte in Sachsen 0,1 % der Zweitstimmen, was rund 2.500 Wählern entspricht. Die MLPD-Direktkandidaten erhielten lediglich knapp 800 Stimmen. 3.8 Politisch motivierte Kriminalität "links" - Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund Die Anzahl der linksextremistischen Straftaten im Freistaat Sachsen hat sich im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht; die Fallzahl stieg um etwa 2 % auf 592 Delikte an (2016: 578). Die Anzahl der Gewaltdelikte stagnierte auf nahezu gleichem Niveau wie im Jahr 2016 (Verringerung um lediglich ca. 1 % auf 101 Delikte (2016: 102)). Der Anteil der Gewalttaten am linksextremistischen Straftatenaufkommen betrug damit im Berichtsjahr etwa 17 % (2016: ca. 18 %). Seit 2016 bewegen sich sowohl die Gesamtzahl der linksextremistischen Straftaten als auch der Anteil der Gewalttaten gegenüber den beiden Vorjahren 2014 und 2015 auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund 977 1.000 821 750 582 578 592 500 283 linksextremistische Straftaten 250 162 154 102 101 insgesamt darunter Gewalttaten 2013 2014 2015 2016 2017 Die Anzahl der Gewalttaten, die sich gegen den politischen Gegner ("rechts") richteten, ist im Jahr 2017 um ca. 11 % zurückgegangen (2016: 62; 2017: 55). Jedoch zeigt der Anteil dieser Delikte an der Gesamtzahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten, dass der politische Gegner nach wie vor im Fokus der linksextremistischen Szene steht. 234 Linksex tremismus - Politisch motivierte Kriminalität "links" Anzahl der gegen den politischen Gegner ("rechts") gerichteten Gewalttaten 207 200 150 104 100 79 62 55 50 2013 2014 2015 2016 2017 Die Entwicklung der Strafund Gewalttaten im Jahr 2017 differierte in den einzelnen Städten und Landkreisen. Wie schon in den Vorjahren wurden auch im Berichtsjahr die meisten der linksextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten in den Städten Leipzig und Dresden - den Zentren der autonomen Szene in Sachsen - verübt. In Leipzig kam es zu einem Anstieg der Straftaten um ca. 3 % auf 213 (2016: 207) und in Dresden um etwa 32 % auf 119 (2016: 90). Damit wurden im Berichtsjahr in diesen beiden Städten etwa 56 % (2016: ca. 49 %) aller Straftaten begangen. Mit deutlichem Abstand folgen die Landkreise Mittelsachsen (2017: 40; 2016: 24), Bautzen*(2017: 38; 2016: 51) und Görlitz (2017: 35; 2016: 27). Das Gewalttatenaufkommen entwickelte sich in den Städten Leipzig und Dresden unterschiedlich. Während die Gewalttaten in Leipzig etwa auf gleichem Niveau wie im Vorjahr blieben (2017: 56; 2016: 57), stiegen sie in Dresden um etwa 56 % auf 28 (2016: 18) an. Dies ist mit den Blockadeaktionen und Protesten u. a. gegen Aktionen von PEGIDA und der AfD zu erklären. In Leipzig und Dresden wurden damit etwa 83 % (2016: ca. 73 %) aller Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund verübt. 235 Linksex tremismus - Politisch motivierte Kriminalität "links" Straftaten, Aufteilung nach Regionen linksextremistische Strafdarunter taten Gewalttaten 2015 2016 2017 2015 2016 2017 Freistaat Sachsen 977 578 592 283 102 101 Leipzig (Stadt) 439 207 213 180 57 56 Dresden (Stadt) 168 90 119 69 18 28 Region Westsachsen Chemnitz (Stadt) 45 42 27 10 5 4 Vogtlandkreis 15 35 6 3 8 0 Landkreis Zwickau 2 13 33 0 1 1 Erzgebirgskreis 17 28 24 3 1 2 Region Mittelsachsen Landkreis Mittelsachsen 31 24 40 3 2 2 Landkreis Meißen 8 11 9 0 1 0 Landkreis Sächsische Schweiz43 9 7 9 0 0 Osterzgebirge Region Ostsachsen Landkreis Bautzen 23 51 38 0 0 1 Landkreis Görlitz 21 27 35 2 2 1 Region Nordsachsen Landkreis Leipzig 138 19 30 2 5 3 Landkreis Nordsachsen 27 22 11 2 2 3 236 Linksex tremismus - Ausblick 3.9 Ausblick Im Jahr 2017 sank das öffentliche Aktionsniveau sächsischer Linksextremisten. Dies führte zu einem weiteren Rückgang gewalttätiger Aktionen im Rahmen von Demonstrationsereignissen. Allerdings hatte der Rückgang nicht zwingend auch eine Minderung der Aktionsund Gewaltbereitschaft zur Folge. Linksextremisten begingen auch 2017 eine Vielzahl von klandestin373 verübten Strafund Gewalttaten. Insbesondere Leipziger Autonome verursachten mit Brandanschlägen hohe Sachschäden. Vor allem das gewaltbereite Kleingruppenspektrum sah diese Aktionsform als ein geeignetes Mittel an. Es ist davon auszugehen, dass sich auch künftig Gewalttaten weiter vom öffentlichen Geschehen in die Anonymität dezentraler Aktionen militanter Kleingruppen verlagern werden. Autonome Die Autonomen stellen - auch wenn sie im Jahr 2017 einen Rückgang ihres Potenzials um ca. 2 % auf ca. 415 Personen (2016: ca. 425) hinnehmen mussten - unverändert die größte Gruppe innerhalb der linksextremistischen Bestrebungen im Freistaat Sachsen dar. Der Rückgang resultiert aus einer leichten Verringerung des autonomen Personenpotenzials in den Landkreisen, während in den sächsischen Zentren Leipzig und Dresden das autonome Personenpotenzial gleichblieb. Die Bündnisstrategie Leipziger Linksextremisten, in die zunehmend Personen außerhalb der eigenen Klientel einbezogen werden, setzte sich im Berichtszeitraum fort und kann perspektivisch die Entwicklung des Linksextremismus in Leipzig beeinflussen: 1. Sie kann zu einem Anstieg des linksextremistischen Potenzials führen, mit der Folge eines Anwachsens des gewaltbereiten Spektrums. Ebenso erweitert sich durch die zunehmende Einbeziehung von Nichtextremisten auch das Mobilisierungspotenzial für die linksextremistischen Akteure und zwar sowohl für angemeldete als auch für Spontanaktionen. 2. Die Anschlussfähigkeit der Linksextremisten an die Zivilgesellschaft dürfte insbesondere mit dem Aufgreifen gesellschaftlich relevanter Themen weiter zunehmen. 3. Aktionsbezogene Bündnisse wie das Bündnis "No IMK" haben sich für linksextremistische Gruppierungen als geeignete Plattform erwiesen. Die zunehmend starke Kooperationsbereitschaft der Nichtextremisten verschafft Linksextremisten die Möglichkeit, ein Bündnis zu dominieren, zu radikalisieren und weltanschaulich zu bestimmen. Es muss damit gerechnet werden, dass solche Bündnisse dauerhaft installiert werden und so zu einer Struktur der linksextremistischen Szene werden. 4. Eine zunehmende Toleranz kann schließlich auch zur Akzeptanz sowohl linksextremistischer Weltanschauung als auch militanter Aktionsformen führen. Dadurch wäre für die 373 siehe Glossar 237 Linksex tremismus - Ausblick linksextremistische Szene die Problematik der Vermittelbarkeit auch nicht mehr relevant. Tendenziell zeigte sich dies bereits im Aufruf gegen die Innenminister-Konferenz, der von allen Bündnispartnern mitgetragen wurde. Der Aufruf weist darauf hin, dass polizeiliches Handeln als "staatliche Repression" definiert wird. Das spielt der linksextremistischen Interpretation des eigenen Handelns als notwendige Gegengewalt in die Hände. Das führt dazu, dass bei Aufrufen zu Demonstrationen wieder auf eine breite Beteiligung aller Protestformen Wert gelegt wird - der Trend zeigte sich bereits bei den Aufrufen gegen Demonstrationen von LEGIDA und der Partei D er D ritter Weg - und diese mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Bei den zu erwartenden Protestaktionen gegen die Demonstration der rechtsextremistischen Partei D er D ritte Weg am 1. Mai 2018 in Chemnitz ist deshalb wieder mit einem "arbeitsteiligen" Vorgehen zu rechnen. Große Bündnisse unter Beteiligung oder sogar Dominanz von Linksextremisten, melden Demonstrationen an, und geben damit gewaltbereiten Kleingruppen Raum für eigenständige Aktionen. Dadurch wird auch zunehmend die Rote Hilfe an Bedeutung gewinnen. Die wachsende Relevanz dieser Organisation zeichnete sich bereits 2017 durch ihre Mitarbeit im "No IMK"-Bündnis und ihrem öffentlichen Auftritt während der Demonstration ab, bei der sie besonders den "antirepressiven" Charakter dieser Aktion betonte. Perspektivisch wird somit die Leipziger Szene in Sachsen an Dominanz und bundesweit an Akzeptanz gewinnen. Hingegen wird vor allem die Dresdner Szene gegenüber der Szene in Leipzig weiter an Bedeutung verlieren. Sie ist allein kaum mehr in der Lage, eigenständig auf größere, aus ihrer Sicht relevante Ereignisse, angemessen zu reagieren. Sie ist mittlerweile offenbar auch nicht mehr fähig, eine spürbare überregionale Mobilisierung zu initiieren. Die autonome Szene in Chemnitz ist mit ca. 15 Personen nochmals kleiner und weniger strukturiert, aber anlassbezogen vergleichsweise aktiv. Sie wird weiterhin in hohem Maße auf die Unterstützung durch Leipziger Linksextremisten angewiesen sein. Da im Jahr 2018 Rechtsextremisten für ihre 1. Mai-Aktionen in Chemnitz mobilisieren wollen, ist davon auszugehen, dass antirassistische und antifaschistische Gruppen aus Leipzig die Gegenproteste in Chemnitz organisieren und auch daran teilnehmen werden. Die Entwicklung der autonomen Szene in Sachsen kann sich auch auf deren Aktionsfelder auswirken. Neben dem "Antifaschismuskampf" und dem "Kampf um Freiräume" dürften künftig die Themenfelder "Antirepression" und Antikapitalismus" schärfer als bisher in den Fokus der Linksextremisten rücken. Das signalisieren die Auseinandersetzungen der Szene anlässlich des G20-Gipfels, der von der Szene als "Gipfel der Repression" wahrgenommen wurde, aber auch die Aktionen gegen die Innenminister-Konferenz auf regionaler Ebene. Vor allem durch die zu erwartende zentrale Rolle des Themenfeldes "Antirepression" muss mit einer Erweiterung der Zielgruppen bei Outing-Aktionen gerechnet werden. Neben tatsächlichen und vermeintlichen Rechtsextremisten könnten zunehmend Personen aus Justiz und Polizei davon betroffen sein. Darauf weisen Plakatierungen hin, auf denen Politiker und Polizeibeamte abgebildet waren, welche im Zusammenhang mit dem G-20 Gipfel in Hamburg bzw. wegen ihres Einsatzes bei der Räumung eines von Linksextremisten besetzten Hauses in Berlin gebracht wurden. Auf der Webseite "g 20doku-org" wird dazu aufgefordert, Namen und Adressen öffentlich zu machen. 238 Linksex tremismus - Ausblick A narchisten und sonstige linksextremistische Gruppierungen Die Anhängerschaft von Gruppierungen, die den Anarchisten und sonstigen linksextremistischen Gruppierungen zugeordnet werden können, hat sich im Jahr 2017 nur minimal verringert und liegt bei ca. 160 Personen (2016: 170). Die Mitgliederzahl anarchistischer Gruppierungen blieb mit etwa 45 Personen ebenso wie die des Rote Hilfe e . V (RH) mit ca. 380 Personen in Sachsen konstant. Durch die zu erwartende steigende Bedeutung dieser Organisation könnte es zu einem Mitgliederzuwachs kommen. Bei den Mitgliedern der RH handelt es sich jedoch nach wie vor vielfach um Mehrfachmitgliedschaften. Hingegen hat die seit 2015 bestehende trotzkistische Gruppe unter der Bezeichnung Revolution ihre Strukturen im Jahr 2017 nicht weiter ausbauen können. Vielmehr kam es zu einem Rückgang der Mitgliederzahl auf etwa zehn Personen (2016: ca. 20). Regional ist sie in Leipzig und Dresden verankert. Allerdings konnte sie Anschluss in der linksextremistischen Szene Leipzigs finden und verfügt über Kontakte zu anderen Leipziger linksextremistischen Gruppierungen. Dabei wird Revo - lution L eipzig in Leipzig von anderen Linksextremisten mittlerweile scheinbar akzeptiert, nachdem sie im vergangenen Jahr allenfalls geduldet wurde. Sie wird auch im Jahr 2018 bemüht sein, ihre Akzeptanz in Leipzig zu festigen und sich noch stärker in die linksextremistische Szene zu integrieren. Darüber hinaus wird auch die Thematik Rojava374 aufgegriffen, was die Möglichkeit eröffnet, mit linksextremistischen - in diesem Fall kurdischen - Ausländerorganisationen zu kooperieren. Das Personenpotenzial der linksextremistischen Parteien sank 2017 auf ca. 200 Personen (2016: ca. 250). Im Vergleich zu anderen linksextremistischen Strömungen besitzen sie nur marginale Bedeutung. Ihre bisweilen eng am orthodoxen Marxismus orientierte Programmatik und straffe Parteidisziplin ist nicht geeignet, auf Akzeptanz in breiten Kreisen der Bevölkerung oder bei anderen Linksextremisten, wie z. B. Autonomen, zu stoßen. In Verbindung mit dem altersbedingten Rückgang führt dies zu einer deutlichen Reduzierung des Personenpotenzials in diesem Bereich. Eine Abkehr von dieser Entwicklungstendenz ist nicht zu erwarten. Linksextremistische Musikszene Das Medium Musik wird von Extremisten aller Art schon lange für die Vermittlung ihrer jeweiligen politischen Anschauungen genutzt. Allerdings müssen linksextremistische Musiker - im Unterschied zu rechtsextremistischen Interpreten - kaum mit gesellschaftlicher Ächtung rechnen. Häufig finden Musikveranstaltungen mit aktiver Beteiligung von Linksextremisten - ob als auftretende Künstler oder als Veranstalter - in öffentlichen Einrichtungen statt oder werden als große Festivals unter freiem Himmel durchgeführt. Linksextremistischen Musikgruppen bietet sich damit die Möglichkeit, öffentliche nicht extremistische Veranstaltungen für die Vermittlung ihrer politischen Ideen zu nutzen, sich dort zu 374 siehe Abschnitt II.5.3. A rbeiterpartei K urdistans (PKK) 239 Linksex tremismus - Ausblick präsentieren und gesellschaftliche Akzeptanz zu finden, um schließlich im Kontext ihrer extremistischen Ideologie auf Nichtextremisten einzuwirken. 240 4. Islamismus XX Personenpotenzial steigt auf ca. 390 Islamisten XX Salafismus hat weiterhin Zulauf XX Muslimbruderschaft versucht weiter zu expandieren XX Gefahr von Terroranschlägen bleibt hoch 241 Islamismus - Verfassungsfeindliche Zielsetzungen 4. Islamismus 4.1 Verfassungsfeindliche Zielsetzungen Der Islamismus stellt kein einheitliches Phänomen dar. Alle Strömungen des Islamismus instrumentalisieren jedoch die Religion des Islam für ihre politischen Zielsetzungen. Islamistische Organisationen verfolgen das Ziel, Salafismus: Strömung innerhalb die westlichen, freiheitlichen demokratischen des Islamismus Gesellschaftsordnungen durch ein auf Koran und Eine besonders radikale Erscheinungsform des Scharia (islamisches Rechtsund Wertesystem) Islamismus stellt der Salafismus dar. Salafisten basierendes Gesellschaftssystem zu ersetzen. versuchen, den Islam der ersten drei GeneratiNach ihren Vorstellungen regelt der Islam alle onen nach dem Religionsgründer Mohammed Lebensbereiche einer Gesellschaft. Insofern (570 bis 632 n. Chr.), der sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (as-salaf as-salih), entspringe auch alle staatliche Herrschaft nicht unverändert als Gesellschaftsordnung in der dem menschlichen Willen, sondern habe ihren Gegenwart durchzusetzen. Ursprung einzig in Gottes (Allahs) Willen. Dementsprechend widerspricht eine Trennung von Staat und Religion ihrer Auffassung von einer Staatsund Gesellschaftsordnung und wird als unislamisch verurteilt. Innerhalb des Islamismus gibt es zur Errichtung der angestrebten "islamischen" Herrschaft unterschiedliche Strategien: Dabei sind entweder Organisationen aktiv, die terroristische Taten begehen oder solche die zwar Gewalttaten befürworten, jedoch aus unterschiedlichen Gründen selber keine Gewalt zur Erreichung ihres Ziels einsetzen, und schließlich Organisationen, die sowohl Terror als auch Gewalteinsatz verurteilen. Letztere setzen u. a. mit politischen Mitteln darauf, die Gesellschaft allmählich mit ihren ideologischen Vorstellungen zu durchdringen. Auch sie bekämpfen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dazu gehört neben der Abschaffung der Trennung von Staat und Religion oder der Gleichheitsgrundrechte auch die Abschaffung der Volkssouveränität, des Mehrparteienprinzips und des Rechts auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Im Phänomenbereich Salafismus differenzieren die Sicherheitsbehörden zwischen politischen und jihadistischen Salafisten. Erstere lehnen - zumindest in Deutschland - Gewalt als politisches Mittel ab. Jihadistische Salafisten dagegen propagieren und befürworten Gewalt zur Durchsetzung bzw. Erreichung politischer Ziele. Die Übergänge zwischen beiden Strömungen sind fließend. Zu den bedeutendsten salafistisch-jihadistischen Terrororganisationen zählen u. a. der sogenannte Islamische Staat und A l-Q aida . Beide Organisationen haben auch lokal bzw. regional agierende Ableger. 242 Islamismus - Personenpotenzial 4.2 Personenpotenzial Wie in den Vorjahren bewegte sich das islamistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen auf bundesweit vergleichsweise niedrigem Niveau. Gegenüber 2016 ergab sich allerdings eine weitere Steigerung von rund 11 % auf ca. 390 Islamisten (2016: 350). Hiervon werden ca. 200 Personen dem salafistischen Milieu zugeordnet. In Zukunft dürfte sich dieser auch bundesweit seit Jahren zu beobachtende Trend fortsetzen. Im Berichtsjahr gingen im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen zunehmend Hinweise auf islamistische Sachverhalte ein. Die Spannweite reichte hierbei von Verleumdungen bis hin zu wertigen und relevanten Informationen. Der erhöhte Eingang dieser Meldungen ist u. a. auf die stärkere Sensibilisierung deutscher Behörden wie auch der Gesellschaft im Allgemeinen zurückzuführen. Die Bearbeitung erfolgt in einer speziell für diese Sachverhalte eingerichteten Organisationseinheit des LfV Sachsen. Islamistisches Personenpotenzial im Freistaat Sachsen 400 390 350 350 300 300 250 210 200 190 190 190 200 150 170 130 Islamismus insgesamt 100 50 darunter Salafismus 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Anmerkung: Das salafistische Personenpotenzial im Freistaat Sachsen wird erst seit dem Jahr 2014 gesondert erhoben, so dass für die Jahre zuvor diesbezüglich keine Werte vorliegen. 4.3 Salafistische Bestrebungen Der Salafismus ist nach wie vor die dynamischste und mit dem meisten Zulauf zu beobachtende islamistische Bewegung in Deutschland. Auch in Sachsen war ein Zuwachs zu verzeichnen. Salafisten richten ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Korans, dem Vorbild des Propheten Mohammed und der ersten drei muslimischen Generationen, den sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arab.: as-salaf as-salih) aus. Sie streben die Errichtung eines "Gottesstaates" nach ihrer Auslegung der Regeln der Scharia (islamische Rechtsordnung) an, in dem die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Geltung mehr hat. 243 Islamismus - Salafistische Bestrebungen Kennzeichnende Merkmale für die salafistische Ideologie sind insbesondere die Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat, der absolute Geltungsanspruch der Scharia, die Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abgrenzungsmechanismen gegenüber anderen Religionen bzw. vermeintlich Ungläubigen bis hin zu deren Verteufelung. Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat Salafisten lehnen die Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ab. Grundlage der staatlichen HerrQuelle: heplev.files.wordpress.com/ schaftsordnung ist nach ihrer Auffassung nicht die Selbstbestim2011/04/sharia-solution.jpg mung des Volkes, sondern der Wille Gottes. Danach ist Gott allein (Stand: 13. Dezember 2017) der Souverän, nicht jedoch das Volk. Gesetze, Normen und die Ergebnisse demokratischer Prozesse sind nach salafistischem Verständnis illegitim, denn sie gelten als Verletzung der Souveränität Gottes. Parlamentarische Systeme und ihre gewählten Repräsentanten werden folglich abgelehnt. Salafisten bezeichnen die gewählten Vertreter des Volkes als Götzen (taghut), die den Platz Gottes als absolutem Herrscher und Gesetzgeber widerrechtlich in Anspruch nähmen. Jene Muslime, die menschengemachte Gesetze anerkennen, stehen nach Auffassung der Salafisten außerhalb des Islam und werden deshalb als Apostaten (Glaubensabtrünnige) betrachtet. Die Ablehnung der Teilnahme am demokratischen Willensbildungsprozess geht in weiten Teilen des salafistischen Milieus so weit, dass viele Salafisten selbst religiös inspirierte Parteien ablehnen. Absoluter Geltungsanspruch der salafistischen Rechtsordnung (Scharia) Als Basis ihrer religiös begründeten rechtlichen, sozialen und politischen Ordnungsund Herrschaftsvorstellungen ziehen Salafisten die Scharia als Ausdruck des göttlichen Willens heran. Nach ihrem Verständnis bezeichnet der Begriff "Scharia" zusammengefasst sämtliche von Koran und Prophetenüberlieferung (Sunna) abgeleiteten religiösen und weltlichen Rechtsvorschriften. Jeder Muslim hat nach salafistischem Verständnis die Normen der Scharia als gottgewollt zu befolgen. Andere politische und rechtliche Modelle werden entweder als zweitrangig verstanden oder grundsätzlich abgelehnt. Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann und Frau Die von Salafisten häufig thematisierte Ablehnung der Gleichberechtigung von Mann Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes und Frau widerspricht dem in Artikel 3 Absatz 2 Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchdes Grundgesetzes garantierten Grundsatz. setzung der Gleichberechtigung von Frauen Es wird stattdessen von einer gottgegebenen und Männern und wirkt auf die Beseitigung Überordnung des Mannes über die Frau ausgebestehender Nachteile hin. gangen, die mit zwei Argumentationssträngen begründet wird: 244 Islamismus - Salafistische Bestrebungen Zum einen wird diese Ungleichheit mit physischen UnterschieArtikel 2 Absatz 2 des den gerechtfertigt, weswegen Frauen ein bestimmtes als traGrundgesetzes ditionell und ehrenhaft gedeutetes Rollenbild zugewiesen wird Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche und sie auf ihre häuslichen Aufgaben beschränkt werden. Ihre Unversehrtheit. Die Freiheit öffentliche Betätigung (wie z. B. ein politisches Engagement) der Person ist unverletzlich. wird abgelehnt. Zum anderen besitzt der Ehemann - nach salaIn diese Rechte darf nur auf fistischer Auslegung des Korans - gegenüber seiner Ehefrau ein Grund eines Gesetzes einZüchtigungsrecht zur Erziehung und Disziplinierung. Derartige gegriffen werden. "Körperstrafen" verstoßen gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. Feindbilder Die salafistische Ideologie ist insbesondere durch zahlreiche Abgrenzungsmechanismen geprägt. Salafisten verbreiten aktiv Bilder von muslimischen wie nicht-muslimischen "Feinden", die zur Stärkung einer eindeutigen, salafistischen Identität beitragen sollen. Sie bezeichnen Andersdenkende mit diffamierenden Begriffen wie Kuffar ("Ungläubige") und fordern beispielsweise, dass Muslime ausschließlich mit Muslimen zu verkehren haben; sämtliche Beziehungen zu "Ungläubigen" sollen unterbunden werden. Salafisten verstehen sich als Opfer in der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft. Dazu werden Szenarien von Bedrohungen und Angriffen gegen den Islam und die Muslime gezeichnet, die weltpolitische Ereignisse, wie die Konflikte in Syrien, Irak oder Afghanistan, aber auch eine vermeintliche Diskriminierung in westlichen Ländern, verarbeiten. Diese bilden ein hohes Mobilisierungspotenzial für die Rekrutierung von Anhängern. Die Sicherheitsbehörden unterscheiden zwischen politischem und jihadistischem Salafismus. Zwar beruhen beide Strömungen auf der gleichen ideologischen Grundlage, unterscheiden sich aber bei der Wahl ihrer Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen. Vertreter des politischen Salafismus betonen den friedlichen Charakter des Islam und positionieren sich teilweise ausdrücklich gegen Terrorismus. Zwar wird zur Anwendung von Gewalt nicht explizit aufgerufen, jedoch wird dies dennoch in bestimmten Fällen für zulässig erklärt, so z. B. wenn sich die Gewalt gegen Nichtmuslime richtet. Von jihadistischem Salafismus sprechen die Sicherheitsbehörden, wenn die Anwendung von terroristischer Gewalt ideologisch legitimiert wird. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistSalafismus und Radikalisierung ische Ideologie durch intensive PropagandaakEine große Gefahr besteht in dem radikalitivitäten, die sogenannte Missionierung (Dawa), sierenden Einfluss salafistischer Propaganda zu verbreiten. Ihr Ziel ist es, neue Anhänger auf Heranwachsende. Diese befinden sich in zu gewinnen, um die Gesellschaft von unten einer Identitätsfindungsphase und sind daher schrittweise nach islamistischen Vorstellungen besonders anfällig für salafistische Missionumzubauen. Die Menschen sollen auf verschieierungsund Indoktrinierungsversuche der dene Weise vom vermeintlich richtigen Islam oftmals charismatischen salafistischen Prediger. 245 Islamismus - Salafistische Bestrebungen überzeugt werden bzw. zum Islam konvertieren. Das so verbreitete Gedankengut ist geeignet, den ideologischen Nährboden für eine islamistische Radikalisierung zu bilden. Die Angehörigen des politischen Salafismus verbreiten ihre Thesen nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern auch in Seminaren, öffentlichen Veranstaltungen sowie im Rahmen der Verteilung von Koranübersetzungen in Fußgängerzonen (sogenannte Street-Dawa). So fand in der Leipziger Innenstadt im Zeitraum April bis Oktober 2016 verschiedentlich die Koranverteilaktion "Lies!" statt. Mittels dieser Propagandamethode sollten gezielt Passanten angesprochen werden. Die "Lies!"-Kampagne war zugleich ein Beispiel für den fließenden Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus. Im November 2016 verbot der Bundesinnenminister die Vereinigung D ie wahre Religion , welche die "Lies!"-Kampagne initiierte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vereinigung den bewaffneten Jihad befürworte und ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für Personen darstelle, welche aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien bzw. in den Irak ausreisen wollen. Seit dem Verbot wurden im Freistaat Sachsen keine derartigen Verteilaktionen mehr bekannt. Verbreitet wird die salafistische Ideologie darüber hinaus im Rahmen von Vortragsveranstaltungen und "Islamseminaren" in salafistischen Moscheen. Durch die Übertragung ins Internet wird ein großer Personenkreis erreicht. Zur Lage in Sachsen Im Freistaat Sachsen liegt das salafistische Personenpotenzial bei ca. 200 Personen (2016: ca. 190). 375 Den Schwerpunkt salafistischer Bestrebungen in Sachsen bildet seit Jahren der Verein Islamische Gemeinde in S achsen - A l-R ahman-Moschee e . V. Die Anzahl der Besucher in der A l-R ahman-Moschee zum Freitagsgebet belief sich im Jahr 2017 regelmäßig auf bis zu etwa 1.000 Personen, nachdem sie in den Jahren 2015 und 2016 im Zuge der Migrationsströme stark angestiegen war. Es gehören jedoch nicht sämtliche Besucher dem salafistischen Personenpotenzial an. Der Imam dieser Einrichtung, Hassan DABBAGH, ist ein überregional bekannter Vertreter des politischen Salafismus in Deutschland. In dieser Funktion verbreitet er die salafistische Ideologie, u. a. mittels der Freitagspredigten und dem wöchentlich mehrfach stattfindenden Unterricht. Auch Vortragsveranstaltungen und Seminare, die DABBAGH im Jahr 2017 als Referent in salafistischen Moscheen, u. a. in der El-Salam-Moschee in München und As-Sahaba-Moschee in Berlin, bestritt, wurden hierfür genutzt. Sowohl die Ankündigung als auch die Inhalte dieser Veranstaltungen wurden größtenteils über soziale Netzwerke und andere Internetplattformen veröffentlicht. 376 Wie auch in den Vorjahren wurden Mitschnitte von Vorträgen DABBAGHs auf der Internetplattform YouTube veröffentlicht, welche vom salafistischen A s-Sunna-Verlag Berlin produziert wurden. 375 siehe Abschnitt II.4.2 Personenpotenzial 376 www.youtube.com - "Das schlechte Benehmen & seine Auswirkungen (Teil 7)" (Stand: 12. September 2017); www.facebook.com - "Sheikh Hassan Dabbagh Kommt" von El-Salam-Moschee (Stand: 11. September 2017); www.leipziger-moschee.de/aktivitaeten/unterrichte/ (Stand: 12. September 2017) 246 Islamismus - Salafistische Bestrebungen Auch wenn DABBAGH in seinen Äußerungen nicht explizit zur Gewalt aufruft, sind diese jedoch geeignet, eine Spaltung der Gesellschaft zu fördern, zur Bildung von Parallelgesellschaften außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen sowie mittelbar Hass und Gewalt zu schüren. Wie schon in den Vorjahren waren DABBAGHs Verlautbarungen auch im Berichtsjahr von einer ablehnenden Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geprägt. So relativierte er während eines Vortrags in der As-Sahaba-Moschee Berlin am 12. Mai 2017 zum Thema "Die Entislamisierung Deutschlands nimmt ihren Lauf" die Geltung deutscher Gesetze und unterstellte die Rechtlosigkeit der Muslime in Deutschland bzw. in den westlichen Staaten. Ferner bezeichnete er den Westen als "verdorben" und "schmutzig", stellte Muslime als Opfer dar, dämonisierte westliche Nachrichtendienste und säte Misstrauen gegen den deutschen Staat 377. Weiterhin verbreitete DABBAGH in verschwörungstheoretischer Weise seine Auffassung über eine angeblich islamfeindliche Medienberichterstattung378 . Die "ungläubigen Deutschen" wollten die Muslime unterdrücken und den Islam vernichten. Zu den Feindbildern DABBAGHs gehören nach wie vor auch andere muslimische Glaubensrichtungen, wie die Ahmadiyya-Gemeinde, die er als "Ungläubige" bezeichnet. In den genutzten Argumentationsmustern finden sich zahlreiche für die salafistische Ideologie typische Merkmale. Es werden bei den Zuhörern Ressentiments verstärkt, Ängste geschürt und eine Abgrenzung zum Leben nach demokratischen Grundsätzen ausdrücklich befürwortet. In der Gesamtschau sind seine Aussagen geeignet, bei einem bestimmten Personenkreis eine ablehnende Haltung zur Demokratie zu begründen oder zu verfestigen, Integrationsbemühungen zu unterlaufen und somit auch der möglichen Radikalisierung von Personen Vorschub zu leisten. Um eine Indoktrinierung von Kindern mit salafistischem Gedankengut soweit möglich zu verhindern, wurde dem Betrieb einer Kindertagesstätte im Gebäude der A l-R ahman-Moschee seitens der zuständigen Behörden die Genehmigung versagt, wogegen der Antragsteller / Betreiber - eine Unternehmensgesellschaft, vertreten durch Hassan DABBAGH - den Klageweg beschritt. Das Verwaltungsgericht Leipzig kam im Jahr 2016 zu dem Schluss, dass die Versagung der Betriebserlaubnis im Jahr 2014 rechtmäßig gewesen sei379. Die durch den Kläger hiergegen eingelegte Berufung beim Oberverwaltungsgericht Bautzen (OVG) wurde mit Beschluss 380 vom 21. August 2017 nicht zugelassen. Das VG Leipzig führte in seiner Begründung aus, dass DABBAGH als Imam der A l-R ahman-Moschee in Leipzig sowie als bundesweit und in sozialen Netzwerken tätiger Referent nicht nur ein einfacher Anhänger, sondern ein Multiplikator der salafistischen Szene sei. Bereits die Zugehörigkeit zu dieser religiösen Strömung, zumindest in dieser herausgehobenen Position, lasse darauf schließen, 377 www.youtube.com - Präsentation Al-Sunna-Verlag, Vortrag vom 12. Mai 2017 378 www.youtube.com - Präsentation Al-Sunna-Verlag, Vortrag vom 21. April und 4. August 2017 379 VG Leipzig, Urteil vom 18. April 2016, Az.: 5 K 2362/14 380 OVG Bautzen, Beschluss vom 21. August 2017, Az.:4 A 372/16 247 Islamismus - Salafistische Bestrebungen dass eine gesellschaftliche Integration in einer von einem entsprechenden Träger geführten Einrichtung nicht im Sinne des Gesetzes unterstützt werde. Dies ergebe sich daraus, dass Salafisten eine Rechtsordnung befürworteten, welche ausschließlich auf Koran und Sunna (dem Leben des Propheten Mohammed) basiere. Außerdem werde ein gesellschaftlicher Ansatz gerade nicht verfolgt. Dies allein rechtfertige bereits die Versagung der Betriebserlaubnis. Im Übrigen stünden aber auch verschiedene Äußerungen DABBAGHs der Annahme einer auf Integration hin ausgerichteten Erziehung der betreuten Kinder entgegen. So werde auf einer mit dem Internetauftritt von DABBAGH direkt verlinkten Seite, Eltern empfohlen, die Kinder zum Schutz vor der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft frühzeitig eng an die salafistische Moschee zu binden, indem es dort heiße: "Ihre Kinder sollen zu Hause schlafen und sollten so viel wie möglich zu Hause bleiben, um sie von den Einflüssen der schlechten Umwelt draußen zu beschützen". Im Jahr 2017 wurde zudem ein seit Jahren andauernder Rechtstreit zwischen dem Verein Islamische Gemeinde in S achsen - A l-R ahman-Moschee e . V. und dem Freistaat Sachsen beendet. Das Klagebegehren beinhaltete die Streichung von Ausführungen zum Verein und dem dort tätigen Imam Hassan DABBAGH im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2014 sowie die Unterlassung der Verbreitung dieser Passagen in gedruckter Form und im lnternet. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 29. März 2017381 abgewiesen, die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht damit für rechtens erklärt. Das Urteil ist rechtskräftig. Darin wurde ausgeführt, dass die Darstellung des Klägers zu den religiösen Lehren des Koran im Verfassungsschutzbericht keineswegs falsch interpretiert worden sei. DABBAGH selbst habe vor einer Anpassung an die pluralistische demokratische Gesellschaft gewarnt, die Vielehe befürwortet und außerdem gemahnt, man dürfe von der salafistischen Lebensweise nicht abweichen. Auch sei die Feststellung, DABBAGH behaupte anhand von näher bezeichneten Verschwörungstheorien eine Diskriminierung von Muslimen durch Medien, Politik, Polizei und Geheimdienste, nicht zu beanstanden. Der Verfassungsschutzbericht habe hier zutreffend dargelegt, dass derartige Aussagen dazu beitragen könnten, Muslimen eine angebliche Opferrolle zuzuweisen. Dies könne zu einer der deutschen Gesellschaft schadenden Radikalisierung von insbesondere jungen Muslimen führen. 381 Aktenzeichen 6 K 1370/15 248 Islamismus - M usl imbruderscha f t 4.4 Muslimbruderschaft (MB) Die Muslimbruderschaft (MB), von Hassan al-BANNA 1928 in Ägypten gegründet, gilt als weltweit älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Von den Verfassungsschutzbehörden wird sie als extremistisch eingestuft. Ziel der MB ist die Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Wie auch ihr Leitspruch zeigt, wird ein säkularer Staat, d. h. eine Trennung von Staat und Religion, von der MB ausdrücklich abgelehnt: "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser Wunsch." Wachsende Spannungen zwischen dem ägyptischen Regime und der MB, insbesondere aufgrund ihres Machtstrebens und eines Umsturzversuchs, führten seit Ende der 1940er Jahre zu einem jahrzehntelangen Verfolgungsdruck in Ägypten; viele Anhänger der MB flüchteten ins Exil. Dies hatte zur Folge, dass sich die Ideologie durch zahlreiche Tochterorganisationen in anderen arabischen Staaten, aber auch in der westlichen Welt verbreitete. Nach eigenen Angaben ist die Organisation der MB in mehr als 70 Ländern vertreten. Darüber hinaus sind aus der MB zahlreiche islamistische und islamistisch-terroristische Organisationen hervorgegangen. Beispielhaft sei hier die palästinensische HAMAS erwähnt, die das Existenzrecht des Staates Israel ablehnt und Israel aktiv bekämpft. Seit den 1970er Jahren formuliert die MB den Verzicht auf Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Davon ausgenommen sei jedoch der Widerstand gegen sogenannte "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. In Ägypten wurde die Muslimbruderschaft nach der Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter dem jetzigen Präsidenten al-Sisi im Juli 2013 verboten und als Terrororganisation eingestuft. Islamische G emeinschaft in D eutschland e . V. (IGD) In Deutschland wird die Zahl der Anhänger auf über 1040 geschätzt. Für sie ist die ISLAMISCHE GEMEINSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V. (IGD) die zentrale und wichtigste Organisation in Deutschland. Sie hat ihren Hauptsitz in Köln und gilt gleichzeitig als die inoffizielle Deutschlandvertretung der MB-Anhänger. Die IGD ist Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD), der sich selbst als "unabhängiger" Dachverband bezeichnet und somit auch die Interessen der IGD vertritt. Die IGD wird von den Verfassungsschutzbehörden als extremistisch eingestuft. Nach eigenen Angaben koordiniert sie ihre Aktivitäten mit mehr als 50 Moscheegemeinden. Bekenntnisse zur Muslimbruderschaft und verfassungsfeindliche Äußerungen werden bei öffentlichen Auftritten aus taktischen Gründen vermieden. Dieses Vorgehen ist kennzeichnend für die Doppelstrategie der MB: Zum einen werden islamische Gemeinden organisatorisch und ideologisch beeinflusst und unterwandert; zum anderen sollen offen erkennbare Bezüge zur MB bewusst vermieden werden. Die Einbeziehung von hochrangigen Akteuren aus 249 Islamismus - M usl imbruderschaf t dem Umfeld der MB in organisatorische Belange des Aufbaus neuer Gebetsräume bzw. Auftritte dieses Personenkreises als Gast-Imame stellen konkrete Anhaltspunkte für die Einflussnahme der MB dar. Situation im Freistaat Sachsen S ächsische Begegnungsstätte (SBS) Im Frühjahr 2016 wurde im Freistaat Sachsen die S ächsische Begegnungsstätte gUG382 (SBS) gegründet. Sie wird aufgrund vorliegender Erkenntnisse als extremistische Bestrebung den Gruppierungen MB und IGD zugeordnet. Vorstand und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der SBS mit ihrem Hauptsitz in Dresden und damit deren maßgeblicher Entscheidungsträger ist Dr. Saad ELGAZAR383; er ist zudem Vorsitzender des Marwa Elsherbiny Kulturzentrums Dresden e. V. Im Vorfeld der Eröffnung des Objektes des SBS in Pirna am 19. August 2016 besuchte auch Khaled HANAFY - auf eine entsprechende Einladung hin - die Einrichtung384. HANAFY ist nicht nur als Berater für die IGD tätig, sondern übt darüber hinaus verschiedene leitende Funktionen in Organisationen aus, die der MB bzw. der IGD zugeordnet werden, so z. B. im R at der Imame und Gelehrten in D eutschland e . V. (RIGD) und dem Europäischen Institut für Humanwissenschaften . Eine weitere Verbindung war zudem einem Werbeflyer für eine SBS-Veranstaltung am 18. und 19. November 2016 zu entnehmen; er enthielt auch die Logos der IGD und des RIGD. Eigenen Angaben zufolge versteht sich die SBS als "multikulturelle und religionsübergreifende Einrichtung". "Wir wollen eine Verbindung zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und den Migranten auf lokaler und regionaler Ebene herstellen." 385 . Muslimischen Einwanderern solle u. a. die Integration erleichtert werden. Dazu gehören zwei Ansatzpunkte: der Erwerb und Betrieb von Immobilien und die Nutzung als "Begegnungsstätte". Quelle: Facebook-Profil Dr. Saad ELGAZAR Durch die Schaffung von vermeintlich seriösen (Stand: 24. September 2013); Fotomontage Angeboten für Muslime versucht die SBS ins"Inhaftierte Muslimbrüder" besondere im ländlichen Raum im extremistischen Sinne Einfluss auf die islamische Gemeinschaft zu erlangen und die mit der Doppelstrategie der MB und IGD verbundenen Ziele (s. o.) umzusetzen. Neben ihrem Hauptsitz in Dresden verfügt 382 Sächsische Begegnungsstätte gemeinnützige Unternehmergesellschaft (SBSgUG) 383 Homepage SBS - www.sbs-net.de; Handelsregister 384 Werbung auf Facebook-Profil von Dr. Saad ELGAZAR zur Moschee-Eröffnung in Pirna; Artikel Sächsische Zeitung zur SBS Pirna vom 26. Mai 2017 385 Homepage SBS - www.sbs-net.de 250 Islamismus - M usl imbruderscha f t die SBS in Sachsen über Objekte u. a. in Görlitz, Meißen, Pirna, Riesa und Zittau sowie über Einrichtungen in Brandenburg und Baden-Württemberg, die angemietet, gepachtet oder käuflich erworben wurden. Exemplarisch ist hier das Objekt in Pirna zu nennen, das die SBS unmittelbar nach ihrer Gründung erwarb. Nach ihren Angaben soll dort ein "multikulturelles Begegnungszentrum" gegründet werden. Im April 2017 veranstaltete die SBS in diesem Objekt ein sogenanntes Kinderund Jugendferiencamp. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren veröffentlichte der Geschäftsführer ELGAZAR im Internet in öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken vielfältige Beiträge, in denen er ein eindeutiges Bekenntnis zur MB abgab, ihre Aktivitäten begrüßte und darüber hinaus auch eine antisemitische Weltanschauung erkennen ließ. ELGAZAR verbreitete zudem im Internet Beiträge von MB-Größen und berichtete über diese, so z. B. über Yusuf AL-QARADAWI, der inoffiziellen Leitfigur und aktuellen Chefideologen der MB und über Hassan al-BANNA, den Gründer der MB und Sayyid QUTB, den ehemaligen Hauptideologen der MB. In seinen Äußerungen und Kommentaren unterstrich ELGAZAR die religiösen Leistungen dieser Personen für die MB und rief die Muslime dazu auf, nach dem wahren Islam zu leben. Gemeint war in diesem Zusammenhang das Islamverständnis der zitierten MB-Ideologen386 . ELGAZAR verfasste darüber hinaus auch Artikel, in denen die MB als die beste Lösung für alle derzeitigen Probleme in Ägypten dargestellt wurde (Stichwort: "Die Lösung ist die Muslimbruderschaft".) Auf seinem Facebook-Profilbild verwendete ELGAZAR eine Fotomontage von bekannten Vertretern der MB in Ägypten. Darauf wurden die vier prominentesten Vertreter der in Ägypten inhaftierten Führungsriege der MB dargestellt und mit der Bezeichnung "Muslimbrüder" sowie dem Symbol der Organisation versehen. Der untere Schriftzug zitiert Sure 3, Vers 139 des Korans (einen der Leitsprüche der MB): Quelle: Facebook-Profil Dr. Saad ELGAZAR (Stand: "Und gebt nicht nach und werdet nicht traurig! 28. September 2016); Landkarte Palästinas ohne Israel Wenn ihr gläubig seid, seid ihr diejenigen, die überlegen sind!" Im Hintergrund der Fotomontage befinden sich wiederum Flaggen mit dem MB-Symbol. 386 Facebook-Profil Dr. Saad ELGAZAR; Sämtliche Facebook-Einträge wurden inzwischen aufgrund diverser Pressemeldungen über die Aktivitäten der MB in Sachsen seit Jahresbeginn 2017 entfernt bzw. sind nicht mehr zugänglich. 251 Islamismus - M usl imbruderschaf t Einige seiner Äußerungen in sozialen Netzwerken spiegeln zudem seine dezidiert antisemitische Grundeinstellung wider. Auch wird in einem von ihm geteilten Video, das eine Landkarte Palästinas ohne Israel zeigte, der Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete Mahmud ABBAS als Verräter bezeichnet. ELGAZAR kommentierte das Video: "Es gab für uns ein Land mit dem Namen Palästina - und wird es (wieder) werden." Das Video steht im Einklang mit der Ideologie der MB und der HAMAS, dem palästinensischen Zweig der MB. In einem selbstverfassten Beitrag auf Facebook bringt ELGAZAR u. a. den Gedanken der jüdischen Weltverschwörung ins Spiel. So schreibt er: "Wenn die neue Generation (der Muslimbrüder) nicht anders agiert und wieder 60 Jahre im Gefängnis sitzt, werden unsere Feinde keine Araber mehr in Kairo platzieren, sondern Juden, die über den Nil (Ägypten) herrschen, nachdem sie die Unterwerfung des Euphrats abgeschlossen haben." ELGAZAR spricht in diesem Beitrag die Geschichte der MB ab dem Jahr 1952 an (Machtergreifung des Militärs bzw. Machtübernahme von Gamal ABD AL-NASR). Es ist ein kritischer Aufruf dazu, zu den Grundlagen (gemeint ist der Koran) zurückzukehren, da ansonsten wieder 60 Jahre Gefängnis und sogar eine jüdische Herrschaft drohen könnten. Indem ELGAZAR mehrfach die "Wir-Form" wählte (z. B.: "unsere Feinde") zeigte er eine klare Identifikation mit der MB und eine starke Verbundenheit mit der Ideologie der Organisation. Zudem verbreitete er in diesem Beitrag eine antisemitische Weltanschauung. Der Hauptsitz der SBS ist identisch mit der Geschäftsadresse des Marwa Elsherbiny Kulturund Bildungszentrums Dresden e. V. (MKBD). Sowohl beim SBS als auch bei MKBD hat ELGAZAR als Vorstand und Geschäftsführer sowie als Vereinsvorsitzender eine führende Funktion inne. 387 In den Räumlichkeiten des MKBD wurden zum "Tag der offenen Moschee" am 3. Oktober 2016 u. a. die Publikationen "Botschaft des Islam" und "Missverständnisse über Menschenrechte im Islam" für die Besucher ausgelegt. Diese Schriften stammen aus der Feder von Abdulrahman AL-SHEHA, eines islamistischen Autors aus Saudi-Arabien. Sie wurden bereits zuvor von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) als jugendgefährdend eingestuft und indiziert, da in den Büchern etwa die Tötung vom Islamabtrünnigen sowie die Unterdrückung der Frauen propagiert wurde. Darüber hinaus wiesen weitere der ausgelegten Publikationen eine islamistische Prägung auf. 387 Vereinsregister; Homepage MKBD 252 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen Bewertung und Ausblick Die Mehrheit der bisher bei Veranstaltungen der SBS bzw. in deren Objekten aufgetretenen Redner, Referenten oder Gastimame wiesen Bezüge zur MB oder ihr zuzurechnender bzw. nahestehender Organisationen auf. Es besteht Grund zu der Annahme, dass es sich hierbei nicht nur um sporadische Netzwerkkontakte handelt. Vielmehr deuten diese Umstände darauf hin, dass den Auftritten eine entsprechende Koordinierung mit Verantwortlichen der MB bzw. IGD vorausging. Die Beteiligung verschiedener Organisationen mit MB-Bezug und die wiederholte Einbeziehung hochrangiger Akteure aus dem Umfeld der MB bzw. der IGD beim Aufbau neuer Gebetsräume in Sachsen stellen belegen eine Einflussnahme der MB auf die SBS. Im Hinblick auf die Entstehung neuer islamischer Gebetsstätten ist davon auszugehen, dass die SBS auch weiterhin ihren Expansionskurs fortsetzen wird. Sie ist bestrebt, auch in sächsische Regionen vorzudringen, in denen sie bislang noch nicht vertreten ist. Entsprechende Aussagen wurden bereits mehrfach von Verantwortlichen der SBS getroffen. Auch über die Landesgrenze Sachsen hinaus sind weitere Expansionsbestrebungen zu erwarten bzw. bereits erfolgt. 4.5 Jihadistische Bestrebungen Der Islamische Staat (IS) stellte im Jahr 2017 weiterhin die größte jihadistische Terrorgefahr dar. Allgemeiner Sachverhalt / Lage Der Islamische Staat erlitt im 2. Halbjahr 2017 in den Kriegsgebieten Syrien und Irak zahlreiche militärische Verluste. Am 9. Juli 2017 erklärte der irakische Premier Haydar Al-Abadi die erfolgreiche Rückeroberung von Mossul, der zweitgrößten Stadt im Irak, aus den Händen des IS. Drei Jahre zuvor hatte Abu Bakr AL-BAGHDADI in Mossul das sogenannte IS-Kalifat ausgerufen und in einer Freitagspredigt in der AL-NURI-Moschee die Muslime aufgefordert, ihn als Führer anzuerkennen und ihm zu folgen. Mit der Eroberung der Stadt Mossul konnte ein Ort eingenommen werden, der auf die IS-Anhängerschaft eine besonders starke Symbolkraft ausübt. Nach dem Verlust Mossuls als Hochburg des IS im Nordirak folgte kurz darauf auch der Fall der wichtigsten Hochburg des IS in Syrien. Am 17. Oktober 2017 konnte die syrische Stadt Al-Raqqa durch ein kurdisch geführtes Bündnis erobert werden. Al-Raqqa ist zwar wesentlich kleiner als Mossul, hatte für den IS aber dennoch eine starke strategische Bedeutung. Bereits drei Tage zuvor war die weiter östlich gelegene und für den IS gleichfalls wichtige Verwaltungsstadt Al-Mayadin an das syrische Assad-Regime gefallen. Im weiteren Verlauf der Kämpfe gegen den IS konnte am 3. November 2017 die syrische Provinzhauptstadt Deir al-Zour durch syrische Streitkräfte zurückerobert werden. Die nachfolgende Karte verdeutlicht die territorialen Verluste des IS zwischen dem 5. Januar 2015 und dem 13. November 2017. 253 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen Quelle: picture-alliance/dpa-infografik (Stand: 15. Januar 2018); Die Stadt Dabiq wurde auf der Karte hinzugefügt. Die militärischen Verluste des IS hatten auch Auswirkungen auf Form und Inhalt der jihadistischen Propaganda. Bereits im September 2016 stellte der IS sein Online-Magazin DABIQ ein und ersetzte dieses durch das neue Hochglanzmagazin RUMIYAH (arab. für "Rom"). Diese Umbenennung wurde vollzogen kurz bevor die syrische Stadt Dabiq aus den Händen des IS zurückerobert werden konnte. Dabiq, ein kleiner syrische Grenzort mit starker islamischer Symbolkraft, wurde vom IS als Namensgeber für das Online-Magazin verwendet. Nach einem Mythos der islamischen Eschatologie388 soll an diesem Ort die Endzeitschlacht gegen die Christenheit stattfinden, aus der die Muslime als Gewinner hervorgehen würden. Der Niedergang des "Kalifats" hatte auch konkrete Auswirkungen auf die Inhalte der Magazine. So propagierte der IS im Jahr 2017 aufgrund der territorialen Verluste in seinen Online-Magazinen deutlich zurückhaltender als bisher ein pseudo-staatlich regiertes "Kalifat". Stattdessen lag der Fokus auf religiös formulierten Durchhalteparolen. Deutlich wird dies z. B. bei dem Vergleich zweier Artikel389: In einem Beitrag vom Juli 2014 wird freudig der Ausruf des Kalifats verkündet. Etwa drei Jahre später forderte der IS dagegen dazu auf, entweder die "Beigeseller" (hier: die Schiiten) zu töten oder aber jedenfalls bei dem Versuch diese zu töten, zu sterben. 388 Lehre religiöser Vorstellungen von den letzten Dingen, d. h. vom Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt 389 DABIQ Ausgabe 1, S. 7, Juli 2014 und RUMIYAH Ausgabe 11, S. 4, Juli 2017 254 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen Quelle: DABIQ Ausgabe 1, S. 7, Juli 2014 Quelle: RUMIYAH Ausgabe 11, S. 4, Juli 2017 Die militärischen Niederlagen führten auch dazu, dass die bisher generierten finanziellen Einnahmen des IS aus Steuern, Ölverkauf und räuberischen Handlungen zurückgingen. Ausreisen aus Deutschland ins Kriegsgebiet Eng verknüpft mit der Entwicklung der Lage in Syrien und im Irak ist die Entwicklung der Ausreisen nach Syrien und Irak Anzahl der Ausreisen in diese Regionen. Seit Der Rückgang der Ausreisebewegung dürfte dem Beginn der Erfassung im Juni 2013 bis zum verschiedene Ursachen haben. Neben der 22. Januar 2018 wurden 970 Fälle bekannt, in prekären wirtschaftlichen Situation und den denen deutsche Islamisten bzw. Islamisten aus militärischen Niederlagen des IS wird ein Deutschland in diese Region gereist sind, um weiterer Grund in den erfolgreichen Bemüdort auf Seiten des IS, aber auch anderer terrohungen der Sicherheitsbehörden gesehen, Ausreiseplanungen in die Kampfgebiete ristischer Gruppierugen, an Kampfhandlungen frühzeitig und effektiv zu unterbinden. Die teilzunehmen oder diese auf sonstige Weise zu Anzahl der behördlich verhängten Ausunterstützen. Im Jahr 2017 sind die Ausreisereiseverbotsverfügungen bewegt sich im fälle im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück niedrigen dreistelligen Bereich. gegangen (2017: 70 Ausreisefälle; 2016: 220). Der überwiegende Teil der ausgereisten Personen ist jünger als 30 Jahre und etwa ein Fünftel der Betroffenen ist weiblich. Etwa ein Drittel der 970 ausgereisten Personen befand sich im Januar 2018 wieder in Deutschland. Bei der Mehrzahl dieser Rückkehrer liegen keine belastbaren Informationen zu einer aktiven Beteiligung an Kampfhandlungen in Syrien / Irak oder zu einer Ausbildung hierfür vor. Entsprechende Erkenntnisse liegen den Sicherheitsbehörden lediglich zu ca. 80 Personen vor. Ferner gibt es Hinweise darauf, dass etwa 150 Personen in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Für Sachsen sind drei Ausreisefälle (2014: 2, 2016: 1) bestätigt. Davon ist eine Person zwischenzeitlich zurückgekehrt. Das Strafverfahren zu dieser Person wurde mit Beschluss des Landgerichtes Dresden vom 2. August 2017 eingestellt. 255 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen Insbesondere der Ausreisefall der aus Pulsnitz stammenden Linda W. wurde im Jahr 2017 medial stark thematisiert. Die damals 15-jährige war am 1. Juli 2016 unbemerkt mit einem Flug von Dresden über Frankfurt/ Main nach Istanbul ausgereist, wo sich ihre Spur zunächst verlor. Im Vorfeld der Reise hatte sich ihr Wesen deutlich verändert: Sie war zum Islam konvertiert, hatte ein Kopftuch und lange Kleidung getragen und begonnen, die arabische Sprache zu lernen. Auch hatte sie sich aus ihrem familiären und bisherigen persönlichen Umfeld zurückgezogen und über soziale Netzwerke Kontakte zu neuen Freunden aus dem islamistischen / jihadistischen Milieu gepflegt. Dabei war sie vermutlich zur Ausreise in das "Kalifat" des IS animiert worden. Die Minderjährige wurde am 16. Juli 2017 in Mossul vom irakischen Militär aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Unter anderem wegen mutmaßlicher Unterstützung der Terrororganisation IS wurde Linda W. im Februar 2018 in Bagdad zu sechs Jahren Haft verurteilt. In Deutschland war am 24. Juli 2017 durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ein Strafverfahren eingeleitet worden. Anschläge Den territorialen und militärischen Verlusten des IS in Syrien und im Irak stand die für 2017 prognostizierte hohe abstrakte Gefährdungslage in Europa und Deutschland gegenüber. So forderten die Anschläge auf einen Nachtclub in Istanbul (1. Januar), in einer Metrostation in St. Peterburg (3. April), auf einem Konzert in Manchester (22. Mai) und in einer belebten Einkaufsstraße in Barcelona (17. August) mit insgesamt über 90 Toten viele Opfer. Ein mutmaßlicher Anschlag größeren Ausmaßes in Deutschland konnte durch die deutschen Sicherheitsbehörden am 1. November verhindert werden: Am frühen Morgen wurde in Schwerin (MV) ein 19-jähriger Syrer durch Spezialkräfte der Polizei festgenommen. Er wird dringend verdächtigt, einen islamistisch motivierten Anschlag mit hochexplosivem Sprengstoff geplant zu haben. In anderen Städten, wie Stockholm, Paris und London, gab es weitere Terrorattacken, durchgeführt mit leicht zu beschaffenden Tatwerkzeugen, wie Fahrzeugen und Stichoder Hiebwaffen. In dieses Muster fiel auch der Messerangriff durch Ahmad A. am 28. Juli 2017 in Hamburg, Barmbek-Nord. In einem Supermarkt erstach der islamistisch motivierte Täter eine Person mit einem Messer und verletzte vier weitere Personen. Bei nahezu allen genannten Anschlägen übernahm die Terrororganisation IS die Verantwortung bzw. gaben die überlebenden Attentäter an, durch die Propaganda des IS entsprechend inspiriert worden zu Quelle: RUMIYAH Nr. 2, Okt. 2016 / Nr. 3, Nov. 2016 / Nr. 10, Juni 2017 / Nr. 11, Juli 2017 256 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen sein. Sowohl der IS, als auch Al-Q aida wirken darauf hin, Anschläge von autonom agierenden, aber gesteuerten Kleingruppen oder Einzeltätern begehen zu lassen. Als Impuls hierfür dient u. a. jihadistische Propaganda im Internet, z. B. über die Magazine INSPIRE390 oder RUMIYAH. Hier finden sich neben religiös-ideologischen Rechtfertigungen jihadistischer Gewalttaten gegen "Ungläubige" auch Aufrufe und Anleitungen, um mit einfachsten Mitteln Anschläge zu verüben bzw. zu Nachahmungstaten anzuregen. Propagiert werden z. B. Angriffe mit Stichwaffen und Fahrzeugen, aber auch Geiselnahmen. Mitte Juli 2017 wurde die 11. deutschsprachige Ausgabe von RUMIYAH im Internet veröffentlicht. In einem Exklusivkapitel mit dem Titel "Gerechte Terrortaktiken" wird das Mittel der Brandstiftung als Möglichkeit, "sich der gerechten Terrorkampagne anzuschließen", propagiert. Im Zusammenhang mit der Schilderung der Auswirkungen eines Brandanschlags in Russland sowie von Brandanschlägen in Israel im Herbst 2016 wird detailliert dargelegt, welche Arbeitsschritte und Komponenten zur Herstellung von Brandsätzen notwendig sind. Des Weiteren wird beispielhaft eine Vielzahl - je nach regionaler Ausgabe unterschiedlicher - allgemeiner Angriffsorte, wie z. B. Tankstellen, Schulen, Fabriken und Kirchen, benannt, die für Quelle: RUMIYAH Nr. 11, S. 50, Juli 2017 einen Anschlag "prädestiniert" seien. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Foto der Dresdner Frauenkirche veröffentlicht, welches die Unterschrift trägt: "Die Frauenkirche in Dresden - ein beliebter Versammlungsort der Kreuzzügler, der darauf wartet, niedergebrannt zu werden." Konkrete Umsetzungsschritte wurden im Artikel nicht dargestellt. Eine solche Nennung spezifischer Anschlagsziele bzw. Mordaufrufe gegen konkrete Personen in IS-Magazinen ist nicht ungewöhnlich. In der im März 2017 erschienenen 7. Ausgabe des 390 englischsprachiges Online-Magazin des Terrornetzwerkes A l-Q aida (frei: "das Erleuchten / die Erleuchtung" (engl.: to inspire - inspirieren, beflügeln, erleuchten) 257 Islamismus - Jihadistische Bestrebungen deutschsprachigen RUMIYAH Magazins wird unter dem Titel "Tötet die Imame des Kufrs in Deutschland und Österreich" zum Mord an den beiden in Sachsen aktiven Salafisten Hesham SHASHAA und Hassan DABBAGH aufgerufen. SHASHAA wird vorgeworfen, ein "Agent der Kreuzzügler" zu sein, DABBAGH wird beschuldigt, zur Friedlichkeit gegenüber "Taghutpolizisten"391 aufzurufen. Nach dem Verständnis des IS sind dies schwere Verbrechen, die mit dem Tod geahndet werden müssen: "Tötet sie und ihresgleichen allesamt, indem ihr sie schlachtet, sie in die Luft sprengt, mit dem Auto überfährt oder auf eine andere Weise eliminiert, auf dass die Murtaddprediger von ihrem Übel gestoppt werden. Tötet sie, denn wahrlich ihre Tötung ist wichtiger als die Tötung der Kreuzzügler selbst! Unterstützt die Mudschahidin des Islamischen Staates wo auch immer ihr seid und schneidet die Köpfe ab, die die Kreuzzügler gegen sie unterstützen." 392 Auch im Jahr 2017 waren weltweit die meisten Opfer des Islamischen Staates bzw. des islamistischen Terrorismus Muslime. Im Gegensatz zum IS ist es der Terrororganisation A l-Q aida im Jahr 2017 nicht gelungen, einen Anschlag in Deutschland bzw. Sachsen durchzuführen. Verbreitung von jihadistischer Propaganda über Mobilfunkmessenger Einzelne Messengerdienste bieten neben Einzelund Gruppenchats auch die Möglichkeit zur Erstellung sogenannter Kanäle. Jeder Nutzer und damit jeder Smartphonebesitzer kann derartige Kanäle erstellen und administrieren. Diese dienen - im Unterschied zu Gruppenchats - nur zur einseitigen Verbreitung von Informationen, welche ausschließlich von den Administratoren zur Verfügung gestellt werden. Nutzer können daher ausschließlich Nachrichten empfangen; zur direkten Kommunikation sind die Kanäle hingegen nicht geeignet. Die Nutzer können die Inhalte zudem nicht kommentieren, bearbeiten oder löschen. Dies obliegt allein den Administratoren, welche die Informationen weitgehend anonym - d. h. nur unter der Kanal-Bezeichnung - an eine unbegrenzte Zahl von Nutzern weitergeben können. Salafisten, Jihadisten und besonders die Sympathisanten des IS nutzen solche Messengerdienste zur Verbreitung jihadistischer Inhalte. Sie posten ihre Propaganda in Form von Text-, Audiooder Videobeiträgen. Es existiert eine große Vielfalt salafistischer Kanäle. Das Repertoire der Inhalte reicht vom direkten Aufruf zur Ausreise ("Bruder, pack Deinen Rucksack und wander aus") über Kampf-Naschids 393 bis hin zu brutalen Hinrichtungsszenen. Oft werden auch typische Bilder des Islamischen Staates , wie z. B. des IS-Anführers Abu Bakr AL-BAGHDADI oder Symbole der Terrororganisation, kommentarlos verbreitet. 391 Nach dem Verständnis des IS dient die deutsche Polizei nicht nur einem unislamischen Staat und macht sich deswegen des Götzendienstes schuldig ("Taghut", arab.: "Götze"), sondern bekämpft auch die "wahren Muslime", d. h. die Anhänger des Islamischen Staates . 392 RUMIYAH Nr. 7, S. 9 393 Naschids sind Kampflieder für den gewaltsamen Jihad gegen die sogenannten Ungläubigen. 258 Islamismus - Sonstige islamistische Bestrebungen Die Kanäle unterliegen einer relativ hohen Fluktuation, auch weil sie von den Anbietern der Messengerdienste immer wieder gelöscht werden. Durch die Einrichtung von Ersatzkanälen vor einer Löschung versuchen die Administratoren, den Informationsfluss dennoch sicherzustellen. 4.6 Sonstige islamistische Bestrebungen Türkische Hizbullah (TH) Die sunnitische, kurdisch dominierte Türkische Hizbullah (TH) wurde 1979 in Batman (Türkei) gegründet. Ihr Hauptziel ist die Abschaffung des laizistischen Staatssystems 394 in der Türkei sowie die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates und dessen kontinuierliche globale Ausweitung. Die TH sieht die Uneinigkeit der islamischen Welt und die Herrschaft nicht islamischer Regime als Ursache aller Probleme an. Sie erklären interne Abweichler, die A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die Republik Türkei zu ihren Feinden. Dazu zählen sie auch die "westliche Welt", insbesondere die USA und den Staat Israel. Diese werden für die Unterdrückung der Muslime verantwortlich gemacht. Die ideologischen Leitlinien, besonders antisemitische und antidemokratische Äußerungen, finden regelmäßig Eingang in Magazine, die der TH nahestehen oder dieser zuzurechnen sind. Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH für legitim. Deutschland wird von der Organisation als Rückzugsgebiet zur Gewinnung neuer Mitglieder, für Spendensammlungen sowie zur Veranstaltung religiöser und kultureller Treffen genutzt. Im Berichtsjahr zählte die TH in Deutschland ca. 400 Mitglieder. Bedeutende TH-nahe Moscheen in Deutschland gibt es in Wiesbaden, Hamburg und Leipzig. Dem LfV Sachsen liegen lediglich Einzelerkenntnisse über TH-Aktivitäten in Sachsen vor. Tablighi Jama'at 395 (TJ) Bei der im Jahr 1926 in Indien gegründeten Tablighi Jama'at (TJ) handelt es sich um eine transnationale Massenbewegung mit weltweit etwa 12 Millionen Anhängern. Sie wird von einem Führungszirkel (Schura) sowie den drei religiösen Zentren in Dhaka (Bangladesch), Neu-Delhi (Indien) und Raiwind (Pakistan) geleitet. Die TJ orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. TJ-Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna; Frauen werden politisch und gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Errichtung eines islamistischen Regimes ist ihr langfristiges Ziel. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und 394 Wichtigstes Merkmal eines laizistischen Staatssystems bildet die strenge Trennung zwischen Religion und Staat. 395 Urdu für: "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission" 259 Islamismus - Ausblick individuelle Radikalisierungsprozesse begünstigen. Die Koordinierung der Aktivitäten der TJ in Deutschland erfolgt durch informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure. Die Werbung neuer Anhänger sowie die Missionierung und Durchführung ideologischer Schulungen bilden dabei den Schwerpunkt. Zur Missionierung nutzen TJ-Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zur TJ haben. Dort organisieren sie Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hindurch beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Deutschlandweit zählte die TJ im Berichtsjahr ca. 650 Mitglieder. Dem LfV Sachsen liegen lediglich Einzelerkenntnisse über TJ-Aktivitäten in Sachsen vor. 4.7 Ausblick Salafismus und Muslimbruderschaft Die Zahl der Muslime ist seit dem Jahr 2015 sowohl bundesweit als auch in Sachsen kontinuierlich gestiegen. Damit geht auch ein erhöhter Bedarf an islamisch-religiösen Einrichtungen einher. Diese bereits existierenden bzw. neu entstehenden islamischen Gemeinden laufen nun Gefahr, ins Blickfeld von Islamisten zu geraten und durch diese für deren Zwecke missbraucht werden. Es ist davon auszugehen, dass islamistische Organisationen auch im Jahr 2018 anstreben werden, ihren Einfluss auf im Freistaat Sachsen lebende Muslime auszuweiten. Der Salafismus ist die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland. Ihr werden deutschlandweit etwa 10.700 Personen zugeordnet (2016: 9.200). Im Freistaat Sachsen lag das salafistische Personenpotenzial im Berichtsjahr bei ca. 200 Personen (2016: ca. 190). Diese steigende Tendenz dürfte sich im Jahr 2018 fortsetzen. Im Jahr 2017 gab es Versuche der Muslimbruderschaft, islamische Gemeinden ideologisch zu unterwandern. Dies geschah häufig unbemerkt von der Öffentlichkeit und war auch für die Gläubigen nicht immer erkennbar, da direkte Bezüge zur Muslimbruderschaft bewusst vermieden wurden. Diese Verfahrensweise ist typisch für die von Vertretern der islamistischen MB praktizierte Doppelstrategie. Es wird daher eingeschätzt, dass die MB bzw. die ihr zuzuordnende S ächsische Begegnungsstätte (SBS) in Sachsen weiterhin versuchen werden, ihren Einflussbereich auszubauen, um so an Bedeutung zu gewinnen. 260 Islamismus - Ausblick Jihadismus Trotz der militärischen Niederlagen des IS in Syrien und im Irak bleibt die Gefährdungslage für Deutschland und folglich auch für Sachsen hoch. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird ein vollständiger Gebietsverlust des IS mit dem Ende der Pseudo-Staatlichkeit des "Kalifats" einhergehen und eine Verschiebung zu einem verstärkt im Untergrund agierenden Akteur stattfinden. Aufgrund des Verlustes finanzieller und personeller Mittel sowie des bestehenden Verfolgungsdrucks dürfte es für den IS zunehmend schwieriger werden, gut koordinierte und geplante Operationen aus Syrien heraus in Europa zu steuern. Dafür spricht, dass der IS seine Unterstützer und Sympathisanten wiederholt aufrief, gezielt Terroranschläge in den jeweiligen Aufenthaltsländern durchzuführen. So wurde im Mai 2016, kurz vor Beginn des Fastenmonats Ramadan, über Twitter ein Video von dem im August 2016 getöteten IS-Sprecher Abu Mohammad AL-ADNANI verbreitet, in dem er zu Terroranschlägen aufrief und sinngemäß erklärte, dass auch jede "kleinste Aktion" das Herz des Westens intensiver und nachhaltiger treffe, als eine direkte Unterstützung des IS in Syrien. Auch sein Nachfolger ABU AL-HASSAN AL-MUHAJIR rief in einer Botschaft im Juni 2017 gezielt Anhänger in Russland, Europa, Amerika und Australien dazu auf, Terroranschläge in ihren Heimatländern durchzuführen. Das bereits in Europa bzw. in Deutschland vorhandene islamistisch-terroristische Personenpotenzial wird voraussichtlich weiterhin zunehmen, da nach wie vor mit Rückkehrern aus dem "Kalifat" zu rechnen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Personen, die dem IS bis zuletzt treu geblieben sind, weiterhin dessen Islamverständnis und damit auch dessen Aufrufe zu Mord und Gewalt ernst nimmt. Von weiteren Terroranschlägen in Europa und Deutschland muss mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Ein hohes Risiko dürfte dabei von Sympathisanten bzw. Unterstützern des IS ausgehen. Zudem hat auch das AL-Q aida-Netzwerk weiterhin ein Interesse, terroristisch im Westen aktiv zu werden. 261 5. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug XX Personenpotenzial bleibt mit ca. 160 Personen konstant XX Bundesministerium des Innern (BMI) weitet das Betätigungsverbot für die PKK auf Kennzeichen ihrer Teilund Nebenorganisationen aus XX verstärkte Solidarisierung sächsischer Linksextremisten 262 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - Zielsetzungen 5. 5.1 Zielsetzungen Die sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von GruppierunLinksextremistisch-separatistische Orgagen mit Auslandsbezug richten sich gegen nisationen Diese streben - häufig gewalttätig - eine den Gedanken der Völkerverständigung und radikale Veränderung der politischen Vergefährden die öffentliche Sicherheit, die hältnisse im Heimatland an. Hierdurch wird öffentliche Ordnung sowie die auswärtigen auch die innere Sicherheit in Deutschland Belange der Bundesrepublik Deutschland. gefährdet. Von diesem sicheren RückzugsDabei handelt es sich um ein uneinheitliches raum aus werden die gesteckten Ziele durch Spektrum. Politik, Strategie und Aktionen der Agitation, Rekrutierung neuer Anhänger und nicht islamistischen extremistischen Organiideologische Indoktrination verfolgt. Auch sationen mit Auslandsbezug in Deutschland werden die Heimatorganisationen propaganwerden ganz entscheidend von den Entwickdistisch, vor allem aber auch materiell und lungen in den jeweiligen Herkunftsländern finanziell von Deutschland aus unterstützt. bestimmt. In Sachsen konnten solche Gruppierungen aus dem linksextremistisch-separatistischen Bereich festgestellt werden. Diese streben - nach revolutionärer Beseitigung der jeweiligen Staatsordnung in ihren Herkunftsländern - die Errichtung eines sozialistischen bzw. kommunistischen Systems an. Einige dieser Organisationen verfolgen dabei eine ethnisch motivierte Unabhängigkeit vom bekämpften Staat. 5.2 Personenpotenzial Das Personenpotenzial von sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug im linksextremistischen Spektrum umfasste, wie im Vorjahr, konstant ca. 160 Personen. Es setzte sich ausschließlich aus Mitgliedern und Anhängern der Nachfolgeund Nebenorganisationen der A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) zusammen. Die seit Mitte 2014 wieder verstärkt zu beobachtenden öffentlichkeitswirksamen Aktionen dieser Gruppen dauerten auch im Berichtsjahr an. Neben den kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem mit dem sogenannten Islamischen Staat wirkten hauptsächlich die drastischen Reaktionen der türkischen Regierung auf den gescheiterten Putschversuch in der Türkei vom Juli 2016 mobilisierend. Das Mobilisierungspotenzial der PKK kann deren Anhängerzahl deutlich überschreiten. Hierzu zählen regelmäßig auch Personen aus dem linksextremistischen Spektrum in Sachsen oder aus benachbarten Bundesländern. 263 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - A rbei t erpa rt ei K urdis ta ns Personenpotenzial von sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug im Freistaat Sachsen 180 170 20 160 160 160 160 150 150 10 160 160 150 150 150 150 140 120 100 80 60 40 gesamt 20 darunter PKK darunter Sonstige 2012 2013 2014 2015 2016 2017 5.3 A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) Gründung / Sitz: 1978 / Nordirak - Kandilgebirge Vorsitz: Abdullah ÖCALAN Teil-, Nebenorganisationen: u. a. Koordination der kurdischen demokratischen G esellschaft in Europa (CDK), C iwanen A zad Publikation: SERXWEBUN (Unabhängigkeit), YENI ÖZGÜR POLITIKA (Neue Freie Politik) Historie und Strukturentwicklung in der Türkei Die PKK wurde im Jahr 1978 gegründet. Ziel war die Schaffung eines autonomen Kurdenstaates unter ihrer Führung. Zu den Gründern gehörte Abdullah ÖCALAN. Er übte von Beginn an die Funktion des Generalsekretärs aus. Seine bis heute unumstrittene Führungsposition setzte er gegen interne Widerstände durch und behielt diese auch nach seiner Inhaftierung und Verurteilung im Jahr 1999 bei. Die PKK entwickelte sich sowohl in der Türkei als auch in Europa zur anhängerstärksten und militantesten Kurdenorganisation. 1984 nahm sie den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat 264 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - A rbei t erpart ei K urdis tans auf. Ihr militärischer Arm firmiert heute unter der Bezeichnung Volksverteidigungskräfte (HPG). Für terroristische Anschläge, von denen auch die Zivilbevölkerung und Touristen betroffen sind, waren die F reiheitsfalken Kurdistans (TAK) verantwortlich. Diesen Auseinandersetzungen fielen bisher mehr als 45.000 396 Menschen zum Opfer. Seit dem Jahr 2002 führt der Rat der Europäischen Union die PKK - und später auch deren Nachfolgeorganisationen - als terroristische Organisationen. Die PKK bezeichnet sich seit 2007 offiziell als Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK). Zwischen 2013 und 2015 schien sich eine neue Entwicklung abzuzeichnen. Die türkische Regierung führte Verhandlungen mit Abdullah ÖCALAN mit dem Fernziel der Waffenniederlegung und eines Gewaltverzichts der PKK. Im Gegenzug erwartete die PKK-Führung die Erfüllung ihrer Forderungen nach Verankerung politischer und kultureller Rechte für die Kurden in einer neuen Verfassung der Türkei. Dennoch begann Mitte 2015 eine neue Ära der terroristischen Anschläge durch Militante der PKK. Für einen Anschlag im Juli 2015 auf eine Veranstaltung kurdischer Jugendlicher in Suruc im Südosten der Türkei durch den Islamischen Staat (IS) schrieb die PKK der türkischen Regierung die mittelbare Schuld zu. Der Konflikt mit dem IS im Gebiet Westkurdistans (Nordsyrien) hatte auch Einfluss auf die Aktivitäten der PKK. Der syrische Zweig der PKK, die Partei der D emokratischen Union (PYD), setzte sich mit ihrem im Juli 2012 gegründeten militärischen Arm, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), für den Schutz des Gebietes und den Kampf gegen den IS ein. Sie wurde dabei von den HPG unterstützt. Sie agieren in einem politisch fragilen Umfeld, in dem geopolitische Interessen und die Interessen der lokalen Akteure äußerst unübersichtlich und von hoher Dynamik geprägt sind. Aktuelle Entwicklung in der Türkei Der gescheiterte Putschversuch von Juli 2016 prägte auch im Jahr 2017 die Situation in der Türkei. Der daraufhin verhängte Ausnahmezustand ermöglichte die Verfolgung und Inhaftierung zehntausender Personen in der Türkei. Hiervon sind nicht zuletzt auch Kurden betroffen, namentlich Angehörige der D emokratischen Partei der Völker (HDP). Dies verschärfte den Konflikt zwischen der Türkei und der PKK zusätzlich. Die in den Jahren 2015 und 2016 beobachtete Spirale der Gewalt setzte sich allerdings 2017 nicht weiter fort. Es wurden nur noch vereinzelt Anschläge auf türkische Polizisten und Militärangehörige bekannt. Nach wie vor stehen die seit 2015 forcierten Autonomiebestrebungen der Kurden in ihren Siedlungsgebieten im Südosten der Türkei im Zentrum des Konflikts. Historie und Strukturentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Westeuropa Aufgrund der Kampfhandlungen in ihren Siedlungsgebieten seit den 1980er Jahren wanderten hunderttausende Kurden aus. Ihr Hauptziel war Westeuropa, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland. 396 http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54641/kurdenkonflikt (Stand: 9. Januar 2016); Die Zahl der Opfer hat sich seitdem erhöht. Die letzte belegbare Zahl stammt jedoch aus dem Jahr 2016. 265 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - A rbei t erpa rt ei K urdis ta ns Mitglieder und Anhänger der PKK setzten hier den Kampf fort und gründeten 1985 die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK). Sie verübten terroristische Anschläge auf türkische Einrichtungen und Gewerbe. Ohne Rücksicht auf Leib und Leben griffen sie ebenfalls deutsche Polizisten an. Dies führte im November 1993 zu einem Betätigungsverbot der PKK und der ihr angeschlossenen Nebenorganisationen in der Bundesrepublik. Das Verbot umfasst auch die daraufhin gegründeten Nachfolgeorganisationen der ERNK, nämlich die seit dem Jahr 2000 verbotene Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) und die seit 2004 verbotene Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK). Mit Erlass vom 2. März 2017 weitete das Bundesministerium des Innern (BMI) das Betätigungsverbot für die PKK auf Kennzeichen ihrer Teilund Nebenorganisationen aus. Folgende Symbole sind der PKK zuzuordnen und daher verboten: Die streng hierarchisch und territorial gegliederten Organisationsstrukturen sichern der PKK den ideologischen Einfluss und bilden die Grundlage für die erfolgreiche Durchführung jährlicher Spendenkampagnen. Letztere sind eine unverzichtbare Grundlage für die Finanzierung des gesamten Parteiapparates und aller Aktivitäten einschließlich des bewaffneten Kampfes. Westeuropa und die Bundesrepublik Deutschland sind ein wesentliches Rekrutierungsgebiet für den Nachwuchs des Guerillakampfes in den Kurdengebieten. 266 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - A rbei t erpart ei K urdis tans In der Bundesrepublik befindet sich mit ca. 800.000 397 Personen die größte Gruppe der kurdischen Diaspora. Weniger als 2 % dieses Personenkreises sind Anhänger der PKK oder ihrer Nachfolgebzw. Nebenorganisationen. Die PKK ist jedoch sehr daran interessiert, möglichst alle Kurden in ihre Organisation einzugliedern. Sie hält für sie deshalb eine Vielzahl von zielgruppenorientierten Teilorganisationen bereit, z. B. für Frauen und Jugendliche sowie Berufsoder religiöse Gruppen. In den jeweiligen westeuropäischen Staaten existieren darüber hinaus Föderationen "demokratischer Gesellschaftszentren", in denen sich Mitglieder und Anhänger der PKK versammeln. Die entsprechende Föderation in der Bundesrepublik Deutschland ist das D emokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in D eutschland e . V. (NAV-DEM). NAV-DEM ist die bedeutendste Organisation der PKK in Deutschland. Die angeschlossenen örtlichen Vereine nennen sich entsprechend D emokratisches kurdisches Gesellschaftszentrum (DKTM). Dieser Begriff wird auch von dem sächsischen Verein D resdner V erein deutsch kurdischer Begegnungen e . V. gelegentlich verwendet. Struktur der PKK 398 Basis: Militärischer Arm Zentrale Führung unterhält Nordirak Volksverteidigungskräfte Generalversammlung Türkei HPG Präsidium Exekutivrat steuert Politischer Arm Verdeckte Ülke-Büro unterstützt KCDK-E 398 Struktur in Schleusungen Koordinierung der ÖffentDeutschland Passfälschungen lichkeitsarbeit beeinflusst Offene Struktur Vereine Teilorganisationen Medien in Deutschland Dachverband YJA (Frauen), Med Nuce TV und z. T. in NAV-DEM C iwanen A zad (Freie Jugend), und Printmedien Sachsen YXK (Studenten), YMK (Lehrer), YRK (Journalisten), YHK (Juristen), YNK (Schriftsteller, CIK, YEK, KAB (religiöse Gruppen) 397 Die Zahl stellt nur einen Schätzwert dar. Es gibt keine offizielle Statistik zu Personen kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie werden gemäß ihrer Staatsangehörigkeit als Türken, Iraner, Iraker oder Syrer geführt. 398 Die europäische Konföderation "Kongress der kurdischen demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa" (KCDK-E) hat die Aufgabe, sich für das soziale und kulturelle Wohl der Kurden in Europa einzusetzen. 267 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - A rbei t erpa rt ei K urdis ta ns Historie und aktuelle Situation im Freistaat Sachsen Das Territorium der Bundesrepublik Deutschland ist in neun "Eyalets" (Gebiete) untergliedert. Diese setzen sich wiederum aus "Bölge" (Gebiete/Zonen) zusammen. Aktuell gibt es um die 30 "Bölge", die ihrerseits aus mehreren Teilgebieten bestehen. Das "Bölge" Sachsen wird dem "Eyalet" Berlin zugerechnet. Es besteht hauptsächlich aus den "Teilgebieten" Leipzig, Dresden und Chemnitz. Darüber hinaus gehören angrenzende Teile umliegender Bundesländer und der Nachbarstaaten Polen und der Tschechischen Republik dazu. In den "Teilgebieten" wurden in den 1990er Jahren bis in die ersten Jahre des Folgejahrzehnts PKK-Vereine gegründet. Zwischen 2009 und 2015 kam das Vereinsleben jedoch vollständig zum Erliegen. Die Mitglieder und Sympathisanten beteiligten sich lediglich an PKK-initiierten überregionalen Kampagnen und Großveranstaltungen. Dies dürfte nicht zuletzt auf das konsequente Vorgehen der sächsischen Sicherheitsbehörden zurückzuführen sein. Die Vereinslokale der PKK waren mehrfach von Exekutivmaßnahmen der Polizei betroffen. Den PKK-Strukturen im Freistaat Sachsen sind folgende Personenzusammenschlüsse zuzurechnen: D resdner Verein deutsch kurdischer Begegnungen e . V. Ciwanen A zad D resden (F reie Jugend D resden) UTA F rauenrat D resden e . V. Im Jahr 2017 zeigten der Dresdner Verein deutsch kurdischer Begegnungen e. V.399 wie auch der UTA Frauenrat e. V. in Dresden jedoch wieder kontinuierlich Präsenz durch Kundgebungen und Demonstrationen. Die PKK-Tageszeitung YENI ÖZGÜR POLITIKA berichtete über Veranstaltungen im Vereinslokal, das von beiden Gruppen genutzt wird. In diesem Zusammenhang wurde erstmals die Beteiligung von Verantwortlichen der Partei der demokratischen Union (PYD), der Schwesterpartei der PKK in Syrien, erwähnt. Fast monatlich fanden Demonstrationen oder Kundgebungen statt. Informationsstände waren mit Propagandamaterial der PKK ausgestattet. Alle Aktivitäten standen stets im Zusammenhang mit zumindest deutschlandweiten Aktionen. In den meisten Fällen konnten diese Veranstaltungen auf in den PKK-Medien veröffentlichte Aufrufe des NAV-DEM oder auch des KCDK-E zurückgeführt werden. Themen waren insbesondere die Situation in der Türkei und das Schicksal Abdullah ÖCALANs. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildete die "Revolution in Rojava". Rojava ist ein Gebiet aus drei kurdisch geprägten Kantonen in Nordsyrien, in dem die Vorstellungen Abdullah 399 Der D resdner Verein deutsch kurdischer B egegnungen e . V. tritt seit 2016 auf seiner Facebook-Seite unter der Bezeichnung N avend (kurdisches Wort für "Zentrum") auf und verwendet das Logo des NAV-DEM. 268 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - P ol i t isch mot i v iert e K rimin al i tät ÖCALANs von einer Autonomie der Kurden umgesetzt und seine Idee des "Demokratischen Konföderalismus" verwirklicht werden soll.400 Im überregionalen Bereich ist davon auszugehen, dass auch im Berichtsjahr Anhänger der PKK aus Sachsen an PKK-initiierten Großveranstaltungen teilgenommen haben. Außerdem sollen sich im April 2017 vier Kurden aus Sachsen an der Mahnwache für die Freilassung Abdullah ÖCALANs in Straßburg (F) beteiligt haben.401 Die Aktion war am 25. Juni 2012 von Aktivisten der PKK vor dem Gebäude des Europarates in Straßburg unter dem Motto "Free Öcalan" begonnen worden. Sie wird jede Woche von einer neuen Gruppe fortgesetzt. 5.4 Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten mit ausländerextremistischem402 bzw. islamistischem Hintergrund In den bisherigen Verfassungsschutzberichten wurden die Straftaten von Personen im Zusammenhang mit sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug in der Rubrik "Politisch motivierte Ausländerkriminalität - Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund" dargestellt. Auch Straftaten aus dem Extremismusbereich "Islamismus" wurden hier registriert. Ab dem diesjährigen Verfassungsschutzbericht wird bei den Strafund Gewalttaten nach ausländischer (d. h. politischer) und religiöser Ideologie unterschieden. Die nun als "Politisch motivierte Kriminalität (PMK) - ausländische Ideologie / - religiöse Ideologie" bezeichnete Kriminalitätsstatistik ist im Vergleich zu anderen Extremismusbereichen äußerst niedrig. Der Anteil dieser Fälle betrug im Jahr 2017 weniger als 4 % des Gesamtaufkommens von politisch motivierten Straftaten in Sachsen. Im Berichtsjahr wurden 103 Straftaten mit ausländerextremistischem bzw. islamistischem Hintergrund festgestellt (2016: 54). Gegenüber dem Vorjahr ist damit ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Die regionalen Schwerpunkte lagen in den Städten Dresden und Leipzig. Die Anzahl der Gewalttaten ist dagegen leicht gesunken (2017: 12; 2016: 14). Die seit vier Jahren steigende Tendenz der Straftaten steht zum einen im Zusammenhang mit der Eskalation der Lage in der Türkei. Dort hat der Friedensprozess zwischen der A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der türkischen Regierung ein Ende gefunden. Es folgten verschärfte Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär. Dies spiegelte sich auch in den 400 siehe Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2010, S. 63 401 YENI ÖZGÜR POLITIKA, 20. April 2017, S. 6 402 Hierunter zählen Straftaten von Personen im Zusammenhang mit sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug. 269 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - Politisch motivierte Kriminalität Aktivitäten der PKK-Mitglieder und -Anhänger in Deutschland wider. Dabei kam es vornehmlich zu Propagandadelikten. Zum anderen verursachten die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten, besonders in Syrien, massive Migrationsbewegungen in Richtung Westeuropa, vorwiegend nach Deutschland. Das Aufeinandertreffen von Personen verschiedener Religionen oder eine so empfundene ungerechte Behandlung durch deutsche Behörden waren Auslöser für die Begehung von Straftaten. Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund (Darstellungsweise im Sächsischen Verfassungsschutzbericht bis 2016) 60 54 50 40 32 30 20 20 14 Straftaten insgesamt 10 8 7 3 3 1 2 darunter Gewalttaten 2012 2013 2014 2015 2016 Straftaten mit ausländerextremistischem bzw. islamistischem Hintergrund Neues Kategoriensystem 38 3 65 9 Straftaten insgesamt - ausländ./relig. 103 Gewalttaten insgesamt - ausländ./relig. 12 darunter Straft aten relig. Ideologie 65 darunter Gewaltt aten relig. Ideologie 9 darunter Straft aten ausländ. Ideologie 38 darunter runter Gewaltt aten ausländ. Ideologie3 270 Sicherheitsgefährdende & extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug - Ausblick 5.5 Ausblick Das Personenpotenzial von sicherheitsgefährdenden und extremistischen Gruppierungen mit Auslandsbezug setzt sich in Sachsen ausschließlich aus Anhängern der Nachfolgeund Nebenorganisationen der A rbeiterpartei Kurdistans (PKK) zusammen. Deren Gründungsmitglied, Abdullah ÖCALAN, behielt seinen Status als Führungspersönlichkeit trotz seiner Inhaftierung im Jahr 1999 bei. Es ist davon auszugehen, dass seiner strategischen Vorgabe - dem Streben nach einem eigenen Kurdenstaat auch mit Mitteln der Gewalt - in der Türkei weiterhin gefolgt wird. In Westeuropa war die PKK jedoch bislang bemüht, von sich das Bild einer gewaltlosen Befreiungsbewegung zu vermitteln. Sie versprach sich davon, das ihr anhaftende Stigma einer Terrororganisation zu verlieren und so die Unterstützung demokratischer Kräfte zu gewinnen. Da sie in den letzten Jahren hierbei durchaus beachtliche Erfolge für sich verbuchen konnte, sind auch künftig keine gravierenden Abweichungen in ihrem Auftreten zu erwarten. Das Bestreben der PKK, in Deutschland friedlich aufzutreten, zeigte sich auch in den überwiegend gewaltfreien Reaktionen auf die Vorwürfe, dass die türkische Regierung den Islamischen Staat (IS) unterstütze sowie im Zusammenhang mit der Eskalation zwischen türkischem Militär und der PKK im Südosten der Türkei seit Mitte 2015. Auch auf die Verhaftung von Funktionären der kurdischtürkischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), insbesondere im Nachgang zum gescheiterten Putsch im Juli 2016, wurde nicht mit Gewalt geantwortet. Indes wird die Situation Abdullah ÖCALANs von seinen Anhängern weltweit aufmerksam beobachtet. Schon bei vagen Anhaltspunkten für gesundheitliche Beeinträchtigungen oder schlechte Haftbedingungen ist die Organisation in der Lage, in ganz Westeuropa ad hoc tausende Anhänger zu mobilisieren. Dies zeigte sich nach einer Mitte Oktober 2017 verbreiteten Nachricht über eine drastische Verschlechterung des Gesundheitszustandes ÖCALANs. Insofern wären auch die Reaktionen der PKK-Anhängerschaft auf ein mögliches Ableben von Abdullah ÖCALAN unvorhersehbar. Sollte der türkischen Regierung auch nur entfernt ein Mitverschulden hieran angelastet werden, wären massive gewalttätige Ausschreitungen in der Türkei und gegen türkische Einrichtungen in ganz Europa denkbar. Darüber hinaus ist zu beachten, dass seit einigen Jahren eine verstärkte Solidarisierung linksextremistischer Bestrebungen in Sachsen mit Teilund Nebenorganisationen der PKK eingetreten ist. Künftig ist daher auch mit strukturellen Allianzen zwischen deutschen und kurdischen Linksextremisten zu rechnen. Dies könnte auch Auswirkungen auf das Gewaltpotenzial beider Spektren bei öffentlichen Aktionen haben. In diesem Zusammenhang muss damit gerechnet werden, dass Institutionen oder Personen in Deutschland, die die türkische Politik gutheißen oder denen dies unterstellt wird, Ziele von Anschlägen werden. 271 III. Spionage und Sabotage in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft XX Hauptakteure im Freistaat Sachsen: russische und chinesische Nachrichtendienste XX Kontaktanbahnung erfolgt vermehrt auch über soziale Netzwerke XX elektronische Angriffe als Mittel moderner Spionage und Sabotage XX Prävention: Verfassungsschutz als Sicherheitspartner für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 272 Spionage und Sabotage - Begriffe, Bedeutung und Adressaten 1. Begriffe, Bedeutung und Adressaten Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte im Geltungsbereich des Grundgesetzes (SS 2 SächsVSG) spielten auch im Jahr 2017 eine bedeutende Rolle und erregten in der Öffentlichkeit zum Teil erhebliche Aufmerksamkeit. Von zentraler Bedeutung war erneut die staatlich gelenkte Spionage, also die nachrichtendienstlich organisierte Beschaffung von Informationen. Die spionagerelevanten Aufklärungsinteressen gegnerischer Nachrichtendienste sind vielfältig und betreffen u. a. das politische Geschehen (Politikspionage) oder aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen in Wirtschaft und Wissenschaft (Wirtschaftsspionage). Ein Spezialfall der Wirtschaftsspionage ist die Proliferation, die neben der Aufklärung der Technologie auch die vollständige oder teilweise Beschaffung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen mit deren Trägersystemen umfasst. Neben der Spionage erfordert die staatlich gelenkte Sabotage ein besonderes Augenmerk. Gemeint sind damit vor allem elektronische Angriffe, die nicht mehr nur der Informationsgewinnung, sondern auch der Informationsbeeinträchtigung dienen, sowie Beeinflussungsmaßnahmen auf politischer Ebene. Von der Politikspionage können in erster Linie Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen sowie Mandatsträger politischer Parteien Da jedes Detail relevant und deren unmittelbare Mitarbeiter betroffen sein. Darüber sein kann, gilt grundsätzhinaus können auch Mitglieder von Oppositionsbewegungen aus lich: "Keiner ist zu klein, um Zielperson zu sein." dem Ausland, die in Deutschland leben, von den Maßnahmen des jeweiligen Herkunftslandes betroffen sein. Im Bereich der Wirtschaft stehen vor allem Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen im Fokus. Staat und Verwaltung, insbesondere Universitäten und technische Hochschulen, können ebenfalls berührt sein. Die politische Bedeutung sowie die wirtschaftliche und wissenschaftliche Leistungsund Innovationskraft Deutschlands begründen ein intensives Aufklärungsund Beeinflussungsinteresse fremder Mächte. Davon ist auch der Freistaat Sachsen betroffen. Die aufgrund von Spionage eintretenden Schäden sind schwerwiegend. Im Bereich der Wirtschaft besteht die Gefahr empfindlicher Forschungsoder Auftragsverluste. Vertreter der deutschen Wirtschaft gehen mittlerweile von einem durch Wirtschaftsspionage verursachten jährlichen Schaden in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro und - wegen einer hohen Dunkelziffer an Spionageaktivitäten - einem Schadenspotenzial von etwa 100 Milliarden Euro aus. Insgesamt können Spionage und Sabotage auf Dauer spürbare Auswirkungen auf Staat und Wirtschaft haben. Ein funktionierendes Staatswesen und eine funktionierende Wirtschaft sind eine wesentliche Grundlage für die innere Stabilität von Staat und Gesellschaft. Die Abwehr von hiergegen gerichteten Spionageund Sabotageaktivitäten ist deshalb ein wichtiges Aufgabenfeld der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. 273 Spionage und Sabotage - Akteure - Schwerpunkte und Methoden ihres Wirkens 2. Akteure - Schwerpunkte und Methoden ihres Wirkens 2.1 Akteure und Schwerpunkte In Deutschland, so auch im Freistaat Sachsen, Als Hauptakteure im Freistaat Sachsen sind zahlreiche ausländische Nachrichtengelten weiterhin die Nachrichtendienste dienste mit ganz unterschiedlichen Interessen Russlands und Chinas. Daneben stehen aktiv. Hoch entwickelte Staaten wollen mithilfe türkische, nahöstliche und asiatische Staaten im Verdacht, sicherheitsgefährdende oder ihrer Nachrichtendienste vor allem im politigeheimdienstliche Aktivitäten zu entfalten. schen und wirtschaftlichen Wettbewerb weiter Schritt halten oder sogar Wettbewerbsvorteile erzielen. Krisenländern geht es beim Einsatz ihrer Nachrichtendienste in politischer Hinsicht um die Aufklärung und Unterwanderung von Oppositionsgruppen, deren Mitglieder in Deutschland leben. In wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht entwickeln diese Länder vor allem proliferationsrelevante Aktivitäten. 2.1.1 Russische Föderation Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation waren auch im Jahr 2017 für die russische Staatsführung von hoher Bedeutung. Ihre Bemühungen, nachrichtendienstlich im Inund Ausland aktiv zu werden, erstreckten sich sowohl auf gesellschaftliche und politische als auch auf wirtschaftliche und wissenschaftliche Bereiche. Die russischen Nachrichtendienste greifen dabei zunehmend auch auf ehemalige Mitarbeiter zurück, die mittlerweile in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft engagiert sind. Dadurch verschwimmt die Grenze zwischen zivilen und nachrichtendienstlichen Aktivitäten im Inund Ausland. Vor allem der russische zivile Auslandsnachrichtendienst403, der militärische Auslandsnachrichtendienst404 und der Inlandsnachrichtendienst405 waren gegen deutsche Sicherheitsinteressen aktiv. Nachrichtendienstliche Aktivitäten gingen mit einer weiterhin sehr offensiven russischen Außenpolitik einher, die sich in der fortgesetzten völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim, der Aufrechterhaltung des Ukraine-Konfliktes und dem massiven militärischen Eingreifen in den SyrienKonflikt deutlich zeigte. Da die internationale Staatengemeinschaft weiterhin Druck sowohl auf 403 Sluzhba Vneshnei Pazvedki Rossiiskoi Federatsii (SVR) / Sluschba Wneschnei Raswedki Rossijskoj Federazii (SWR); Übersetzung: Dienst der Außenaufklärung der Russischen Föderation 404 Glavnoe razvedyvatel'noe upravlenie General'nogo shtaba VS (GRU) / Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije Generalnowo Staba WS (GRU); Übersetzung: Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation 405 Federal'naia Cluzhba Bezopasnosti Rossiiskoi Federatsii (FCB) / Federalnaja Sluschba Besopasnosti Rossijskoj Federazii (FSB); Übersetzung: Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation 274 Spionage und Sabotage - Volksrepublik China die russische Politik als auch auf die russische Wirtschaft ausübte, hielt die russische Seite an dem Versuch nachrichtendienstlicher Entlastungsmaßnahmen fest. Dafür boten die russischen Nachrichtendienste ein breites Spektrum an Aktivitäten auf. Für die politische Aufklärung von Interesse waren die deutsche Haltung zu Fragen der Außenund Sicherheitspolitik sowie der Finanzund Energiepolitik, aber auch die Rolle Deutschlands in der NATO. Ansatzpunkte für dahingehende Aufklärungsmaßnahmen waren politische Mandatsträger, Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und Vereine mit Bezügen zu Russland oder anderen osteuropäischen Staaten. Vorrangiges Ziel von Beeinflussungsaktivitäten war es, die Politik der russischen Staatsführung zu rechtfertigen sowie den Westen für die angespannte politische Situation in Osteuropa und dem Nahen Osten verantwortlich zu machen. Dabei erhöhte man auch den Druck auf in Russland tätige Ausländer und Nichtregierungsorganisationen. In wirtschaftlicher Hinsicht ging es darum, die angeschlagene russische Wirtschaft mit neuem Know-how zu versorgen. Vor diesem Hintergrund war und ist der Freistaat Sachsen als Bestandteil der deutschen Politiklandschaft und als innovativer und leistungsstarker Forschungsund Wirtschaftsstandort in Deutschland ein relevantes Ziel russischer Nachrichtendienste. 2.1.2 Volksrepublik China Die Volksrepublik China hat ihre Nachrichtendienste im Jahr 2017 weiter zur Informationsgewinnung in den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft eingesetzt. Ziel war es, strategische Vorteile zu gewinnen und die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu fördern. Gleichzeitig intensivierte China, wie die Russische Föderation, den Ausbau einer flächendeckenden Kommunikationsund Internetüberwachung. Dafür verfügen die chinesischen Nachrichtendienste über eine starke Personalausstattung und umfangreiche rechtliche Befugnisse. Die verschiedenen nachrichtendienstlichen Maßnahmen werden durch das Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security - MSS) organisiert. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind an den amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland (sogenannte Legalresidenturen) präsent und oft als Diplomaten oder Journalisten getarnt. Auch der militärische Nachrichtendienst (Military Intelligence Department - MID) und das Ministerium für öffentliche Sicherheit (Ministry of Public Security - MPS) als Leitungsebene der Polizei führten Aufklärungsmaßnahmen gegen Deutschland durch. Besondere Aufmerksamkeit erregten im Berichtsjahr die Versuche chinesischer Nachrichtendienste, u. a. über sogenannte Karriereplattformen zu Beamten des Freistaates Sachsen Kontakt aufzunehmen.406 Daneben standen innovative deutsche - auch sächsische - Unternehmen und Hochschuleinrichtungen mit ihren Spitzentechnologien im Blickfeld chinesischer Nachrichtendienste. 406 siehe unter Abschnitt III. 2.2.2 Einsatz menschlicher Quellen 275 Spionage und Sabotage - Türkei, nahöstliche und asiatische Staaten Praktizierende Ein weiterer nachrichtender dienstlicher Schwerpunkt Falun-Gongwar das Ausspähen und die Bewegung Unterwanderung von in Deutschland lebenden oppoAnhänger einer Anhänger einer sitionellen Kräften, die von Eigenständigkeit Eigenstaatlichkeit Taiwans der chinesischen Regierung Tibets "Fünf Gifte" unter der diffamierenden Bezeichnung "Fünf Gifte" zusammengefasst werden. Verstärkte innerstaatliche Konflikte mit Oppositionellen Mitglieder der Angehörige der Vereinigung der Demoraktieund nationalen Minderheiten Uiguren bewegung in einigen Provinzen werden in chinesischen Sicherheitskreisen als wachsende Bedrohung der staatlichen Sicherheit wahrgenommen. Da sich im Freistaat Sachsen Angehörige der chinesischen Opposition aufhalten, ist davon auszugehen, dass chinesische Nachrichtendienste hier ebenfalls entsprechende Aktivitäten entfalten. 2.1.3 Türkei, nahöstliche und asiatische Staaten Nachrichtendienste aus der Türkei, dem Nahen Osten und aus asiatischen Staaten führten im Berichtsjahr in Deutschland in erster Linie Maßnahmen gegen hier lebende Oppositionelle aus ihren Heimatländern durch. Damit bildeten auch die in Sachsen lebenden Einwanderer und Flüchtlinge aus diesen Ländern ein potenzielles Ziel der jeweiligen Nachrichtendienste. Aufsehen erregten in diesem Zusammenhang die Aktivitäten des türkischen Auslandsnachrichtendienstes MIT407. Der MIT war u. a. im Bereich der Aufklärung und Verfolgung der GülenAnhänger in Deutschland aktiv, da die türkische Regierung diese Bewegung für den gescheiterten Militärputsch vom Sommer 2016 verantwortlich macht. Neben tatsächlichen oder vermeintlichen Anhängern der Gülen-Bewegung waren vor allem kurdische Oppositionelle von den Aktivitäten des MIT betroffen. Im Herbst 2017 verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg einen Journalisten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) zu zwei Jahren Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte die kurdische Szene in Deutschland im Auftrag des MIT ausgeforscht hatte. 407 Milli Istihbarat Teskilati (MIT); Übersetzung: Nationaler Nachrichtendienst 276 Spionage und Sabotage - Westliche Staaten Auch syrische Nachrichtendienste haben ein starkes Interesse an Erkenntnissen über den Verbleib bekannter Oppositioneller und über deren Rolle im syrischen Bürgerkrieg. Die Ausforschung persönlicher Umstände kann zu Repressionen gegen spätere Rückkehrer oder gegen in der Heimat verbliebene Verwandte genutzt werden. Als Agenten kommen vor allem seit längerem in Deutschland lebende Landsleute zum Einsatz. Iranische Nachrichtendienste waren vor allem gegen (pro-)israelische und jüdische Einrichtungen aktiv. Seit spätestens Juli 2015 forschte etwa ein Pakistaner für Iran den israelischen Professor einer Wirtschaftshochschule in Paris und den damaligen Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e. V. (DIG) in Berlin gegen Zahlung eines Agentenlohns aus. Das Kammergericht Berlin verurteilte den Angeklagten im Frühjahr 2017 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) für Iran zu einer Freiheitsstrafe. Nachrichtendienste der Sozialistischen Republik Vietnam sollen im Berichtszeitraum vietnamesische Staatsbürger gegen ihren Willen in ihre Heimat verbracht haben, um sie dort einer Strafverfolgung zuzuführen. Die Rückführung soll über die vietnamesische Botschaft in Berlin abgewickelt worden sein. Die Bundesanwaltschaft hat im Sommer 2017 Ermittlungen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) und Freiheitsberaubung (SS 239 StGB) aufgenommen. Hintergrund war die auf offener Straße erfolgte Entführung zweier Vietnamesen in Berlin, für die Vietnam zuvor bereits ein bis dahin erfolgloses Auslieferungsersuchen gestellt hatte. 2.1.4 Westliche Staaten Das Aufgabenspektrum der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder erstreckt sich auch auf die Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten westlicher Staaten gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die fortwährenden Veröffentlichungen interner Dokumente haben das breite Spektrum der Aktivitäten amerikanischer Nachrichtendienste und anderer westlicher Dienste verdeutlicht. Aus den sogenannten Snowden-Enthüllungen folgte der Verdacht, westliche Dienste würden ihre technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten nutzen, um weltweit Kommunikationsdaten abzuschöpfen. In diesem Bereich sollen vor allem US-amerikanische und britische Auslandsnachrichtendienste408 in enger Zusammenarbeit entsprechende Maßnahmen gegen Deutschland richten. Unabhängig davon kam es weiterhin zu "klassischen" Spionageaktivitäten westlicher Nachrichtendienste. Der Verfassungsschutz geht in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages jedem Anfangsverdacht von Spionageaktivitäten auch westlicher Dienste nach. 408 Das sind insbesondere die US-amerikanische National Security Agency (NSA; Übersetzung: Nationale Sicherheitsbehörde) und die britische Government Communications Headquarters (GCHQ; Übersetzung: Regierungskommunikationszentrale), die beide im Bereich der technischen Aufklärung aktiv sind. 277 Spionage und Sabotage - Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 2.2 Methoden und Arbeitsweisen ausländischer Nachrichtendienste 2.2.1 Beschaffung öffentlich zugänglicher Informationen Ausländische Nachrichtendienste können einen großen Teil ihrer Informationen bereits aus offen zugänglichen Quellen gewinnen. Sie ergeben sich etwa bei dem Besuch öffentlicher Tagungen, Vortragsveranstaltungen oder Messen, bei der Lektüre von Werbebroschüren oder Tageszeitungen sowie aus Radio und Fernsehen. Selbst brisante Informationen sind oft ohne Weiteres und legal zugänglich, etwa über Fachzeitschriften und -bücher, über Bachelor-, Masteroder Diplomarbeiten oder auch über Dissertationsoder Habilitationsschriften, für die im Regelfall sogar eine Veröffentlichungspflicht besteht. Nicht zuletzt erweitert die rasante technische Entwicklung im Bereich der Digitalisierung das Spektrum frei zugänglicher Informationen in einem stetig wachsenden Ausmaß. Das reguläre Informationsangebot der digitalen Medien bietet fremden Nachrichtendiensten zahlreiche Informationen, die als Grundlage und Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten von erheblicher Bedeutung sein können. 2.2.2 Beschaffung nicht öffentlich zugänglicher Informationen Daneben gehört die Beschaffung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen zu den Zielen ausländischer Nachrichtendienste. Die konspirative Informationsbeschaffung erfolgt über den Einsatz menschlicher Quellen, durch technische Mittel oder durch eine Kombination beider Wege. Einsatz menschlicher Quellen Als menschliche Quelle kommt in Betracht, wer Social Engineering aktuell über nachrichtendienstlich relevante Wann immer die Agenten fremder NachInformationen verfügt oder künftig solche richtendienste mit potenziellen Informanten Informationen gewinnen kann. Der möglichen Kontakt aufnehmen, greifen sie auf die MögBandbreite sind keine Grenzen gesetzt. Sie lichkeiten zwischenmenschlicher Beeinflusreicht von einflussreichen Politikern oder Wirtsung zurück, um Informationen zu erhalten. schaftslenkern über Wissenschaftler, Großund Dabei werden oft menschliche Eigenschaften, wie Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Habgier, Kleinunternehmern, leitenden Beamten und Autoritätshörigkeit, Geltungssucht, UnsicherOffizieren bis hin zu "einfachen" Angestellten, heit oder Bequemlichkeit ausgenutzt, um so Studenten und Praktikanten. Keine Position ist Zugang zu sensiblen Daten zu erhalten. zu unbedeutend, um nicht Ziel der Ausspähung zu sein. Die Gewinnung menschlicher Quellen kann u. a. durch den Aufbau von langjährigen persönlichen Kontakten oder durch die unmittelbare Einschleusung von Quellen in relevante Bereiche geschehen. Der in der Öffentlichkeit 278 Spionage und Sabotage - Beschaffung nicht öffentlich zugänglicher Informationen 409 nach wie vor prominente Fall "Anschlag" , der in Deutschland zu einem der bedeutendsten Strafverfahren in Spionagesachen geführt hat, belegt das immer noch eindrucksvoll. Nicht in jedem Fall betreiben Nachrichtendienste einen solchen Aufwand. Auch kleiner angelegte Spionageaktionen können Wirkung entfalten. So treten etwa Mitarbeiter russischer und chinesischer Nachrichtendienste als Diplomaten, Journalisten oder als Mitglieder von Wirtschaftsdelegationen auf, die mögliche Informanten auf Tagungen, Fachmessen oder diplomatischen Empfängen zunächst in scheinbar unverfängliche Gespräche verwickeln. Meist chinesische Nachrichtendienste bedienen sich dabei vor allem ihrer Landsleute, die im jeweiligen Ausland als Wissenschaftler, Studenten oder Praktikanten leben und in ihren Arbeitsbereichen über ein erhebliches Wissens potenzial verfügen. Verstärkt setzen chinesische Nachrichtendienste auch auf eine zunächst weitgehend unauffällige Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke wie LinkedIn oder Facebook. Dafür kommen gefälschte Nutzerprofile zum Einsatz, die eine Ansprache durch Wissenschaftler, Headhunter oder Manager von Consulting Firmen vortäuschen. Der Absender gibt vor, sich für das Arbeitsgebiet der Zielperson zu interessieren und bietet einen fachlichen Austausch an. Verläuft die Ansprache erfolgreich, wird die Zielperson alsbald um eine großzügig vergütete Probearbeit gebeten. Dem folgt eine Einladung nach China mit Übernahme sämtlicher Reisekosten. Erst in China kommt es zum ersten offenen oder verdeckten Kontakt mit dem handelnden Nachrichtendienst. Die Zielperson wird dann je nach Verlauf des Kontaktes zur Übermittlung weiterer bezahlter Berichte mit zunehmend sensibleren Informationen aus ihrem Arbeitsgebiet aufgefordert. Verstärkt werden auch politische oder wissenschaftliche Denkfabriken in die nachrichtendienstliche Informationsgewinnung eingebunden. Vor allem China verfügt über eine Vielzahl solcher Einrichtungen und fördert sie gezielt. Weltweit haben nur die USA noch mehr Denkfabriken als China. Die erlangten Informationen werden auf unterschiedlichste Art und Weise weitergegeben. Nur exemplarisch sei auf die sogenannte Legalresidenturen der Nachrichtendienste in Deutschland verwiesen. Solche Legalresidenturen sind regelmäßig in Botschaften und Konsulaten angesiedelt, wo Mitarbeiter von Nachrichtendiensten getarnt als reguläre Mitarbeiter auftreten. Einsatz technischer Mittel, insbesondere elektronische Angriffe Die Informationsbeschaffung ausländischer Nachrichtendienste durch den Einsatz technischer Mittel, insbesondere über moderne Kommunikationsmedien, hat erneut an Bedeutung gewonnen. Dies gilt umso mehr, als auch nicht öffentlich zugängliche Informationen in Zeiten zunehmender Digitalisierung oft leicht und ohne größere Risiken erreichbar sind. Vor allem elektronische Angriffe, also gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen, sind ein probates und wichtiges Mittel 409 Der Fall zeigt eine übliche Vorgehensweise russischer Nachrichtendienste. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte ein unter den Namen Andreas und Heidrun ANSCHLAG auftretendes Agentenpaar u. a. zu mehrjährigen Haftstrafen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland in einem besonders schweren Fall. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR in Deutschland tätig waren (OLG Stuttgart vom 2. Juli 2013, Az. 4b-3StE 5/12). 279 Spionage und Sabotage - Beschaffung nicht öffentlich zugänglicher Informationen der Informationsgewinnung und -beeinträchtigung. Die Möglichkeiten reichen vom Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten (z. B. von Kundenlisten oder Strategiepapieren) über den Missbrauch von Identitäten bis hin zur Übernahme und Sabotage von Produktionsund Steuerungseinrichtungen. Derartige technische Maßnahmen können zügig erfolgen, sind kostengünstig und weitgehend risikoarm, auch wenn eine Identifizierung der Urheber durchaus möglich ist. Im 410 411 Rahmen solcher Cyberangriffe werden u. a. klassische Trojaner-E-Mails , Wasserloch-Angriffe 412 mit Drive-By-Infektionen eingesetzt. Ausgangspunkt ist auch hier oft ein ausgefeiltes "Social Engineering". Das Sächsische Verwaltungsnetz413 ist nachweislich seit Jahren und mit steigender Tendenz Ziel zahlreicher Cyberangriffe414, bei denen ein nachrichtendienstlicher Hintergrund nicht auszuschließen ist und die Anlass zu größter Wachsamkeit geben. Obwohl vergleichbare Erhebungen zu elektronischen Angriffen außerhalb der Verwaltung in Sachsen noch fehlen, besteht Grund zu der Annahme, dass Wirtschaft und Wissenschaft in vergleichbarem Ausmaß betroffen sind. In dieselbe Richtung deutet die Entwicklung in Russland, wo die Nachrichtendienste zunehmend Möglichkeiten zur Überwachung und Beeinflussung des Internetverkehrs erhalten, etwa durch Zugriffsmöglichkeiten auf IPund E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Daten aus sozialen Netzwerken oder durch datenschutzrechtliche Restriktionen im Internet. Russische Nachrichtendienste gelten als Initiatoren verbreiteter und berüchtigter Angriffskampagnen, wie Sofacy415 , Sandworm416 , Snake417 und Energetic Bear418 . Solche hochkomplexen und mit hoher Professionalität geführten Kampagnen können über Jahre verborgen bleiben. Die Schadsoftware Snake etwa soll bereits seit 2005 aktiv sein, wurde aber erst im Jahr 2012 erkannt. Die Bundesverwaltung der Schweiz wurde noch im Juli 2017 Opfer eines Angriffs, der auf die Kampagne Snake zurückging.419 410 Als Trojaner-E-Mails gelten hier E-Mails, die zumeist im Anhang eine Schadsoftware enthalten. Diese als nützliche Datei getarnte Schadsoftware wird beim Öffnen der Datei aktiviert, um den betroffenen Rechner dann im Hintergrund zu manipulieren. 411 Bei Wasserloch-Angriffen (Watering-Hole-Attacks) manipuliert der Angreifer bestimmte Webseiten, bei denen er mit einem Aufruf durch das Opfer rechnen darf. Die Manipulation entfaltet im Regelfall erst dann ihre Wirkung, wenn das Opfer die Seite aufruft. 412 Eine Drive-By-Infektion ist die Infektion eines Rechners mit Schadsoftware allein durch das Aufrufen einer mit Schadsoftware manipulierten Webseite. Die Manipulation kann ohne Wissen und Wollen des Betreibers geschehen sein. Drive-By-Infektionen sollen nach Meinung von Experten in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen und die E-Mail als Hauptverbreitungsweg für Schadsoftware abgelöst haben. 413 Das Sächsische Verwaltungsnetz ist die Kommunikationsinfrastruktur des Freistaates Sachsen. Es versorgt die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen flächendeckend mit hochleistungsfähiger und sicherer Sprachund Datenkommunikation für ein modernes Verwaltungshandeln; siehe www.egovernment.sachsen.de 414 siehe dazu exemplarisch für den Berichtszeitraum 2016, Quelle: Karl Otto Feger, Jahresbericht des Beauftragten für die Informationssicherheit des Landes 2016, in: Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hrsg.), Informationsund Cybersicherheit in Sachsen, 2016, S. 6 ff. und 9 ff. 415 Auch bekannt als APT 28, Sofacy, Pawn Storm, Sednit, Group 74, Tsar Team, Fancy Bear oder Strontium. 416 Auch bekannt als Sandworm Team, TEMP.Noble, Electrum oder TeleBots. 417 Auch bekannt als Uroburos, Turla Group, Turla Team, Venomous Bear, Group 88, Waterbug oder Krypton. 418 Auch bekannt als Dragonfly, Crouching Yeti, Group 24, Koala Team, Bersek Bear oder Anger Bear. 419 Bei diesem Angriff kam der Windows-Trojaner Turla zum Einsatz. 280 Spionage und Sabotage - Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen Die Angreifer haben einzelne technische Komponenten offensichtlich mehrfach geändert, so dass sie die Kampagne in abgewandelter Form auch weiterhin einsetzen konnten. Diese neue Qualität von elektronischen Angriffen überschreitet durchaus die Schwelle zur Sabotage. Die ebenfalls den russischen Nachrichtendiensten zugeschriebenen elektronischen Angriffe auf den Deutschen Bundestag und auf den französischen Fernsehsender TV5 Monde aus dem Jahr 2015 belegen diese Einschätzung. In diesem Zusammenhang zeigt sich deutlich, dass sich ein elektronischer Angriff keineswegs in einer einmaligen punktuellen Maßnahme erschöpfen muss, sondern zu einer länger andauernden, komplexen und herausfordernden Bedrohung heranwachsen kann, die mit großem Aufwand betrieben wird (Advanced Persistent Threat [APT]). Chinesische Nachrichtendienste stehen ebenfalls weiter im Verdacht, einen erheblichen Teil der elektronischen Angriffe gegen Einrichtungen in Deutschland initiiert zu haben. Diese Angriffe richteten sich sowohl gegen staatliche Institutionen als auch gegen Wirtschaftsunternehmen aus den Bereichen Rüstung, Satellitentechnik, Maschinenund Anlagenbau sowie Chemieund Pharmaindustrie. Bekannte Akteure sind Cybergruppierungen wie Gothic Panda420 oder Stone Panda421, die weltweit operieren und im Verdacht stehen, in Sachsen möglicherweise einen Internetdienstleister angegriffen zu haben. Mit den Auslandsaktivitäten chinesischer Nachrichtendienste im Internet korrespondiert die Errichtung einer immer stärkeren elektronischen Mauer zur Abschottung des Internets in China. Besondere Brisanz erhalten elektronische Angriffe letztendlich dadurch, dass sie selbst bei ausgeprägtem Sicherheitsbewusstsein der Betroffenen und trotz der Nutzung aktueller Schutzprogramme gegen Schadsoftware oft über längere Zeit unbemerkt bleiben können. 2.2.3 Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte galten im Jahr 2017 auch wieder der Beeinflussung gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen in Deutschland. Das Portfolio der eingesetzten Mittel ist vielfältig und reicht von dem bereits aus der Vergangenheit bekannten Einsatz von Einflussagenten über den zielgerichteten Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Multiplikatoren in Politik und Wirtschaft bis hin zu regelrechten Propagandaoffensiven und dem damit verbundenen Versuch der Instrumentalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen. 420 Auch bekannt als APT 3, Buckeye oder Group 6. 421 Auch bekannt als APT 10, Menu Pass oder Cloud Hopper. 281 Spionage und Sabotage - Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen Der aus dem Kalten Krieg bekannte Einsatz von Einflussagenten dient zum einen der Desinformation der Bevölkerung in den Heimatländern. Dafür geben diese Personen bevorzugt in Presse und Rundfunk, aber auch durch elektronische Rundschreiben Erklärungen ab, mit dem Ziel, die Politik ihrer Heimatländer zu unterstützen. Die Bevölkerung soll annehmen, dass "Experten" im Ausland die eigene Regierungspolitik befürworten. Der Einsatz von Einflussagenten kann sich zum anderen auch auf relevante Entwicklungen in Deutschland richten. Der zielgerichtete Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Multiplikatoren in Politik und Wirtschaft erfolgt im Regelfall sehr langfristig. Die Zielpersonen müssen im Zeitpunkt der Anbahnung noch nicht die vom fremden Nachrichtendienst erhofften Kontakte, Beziehungen und Einflussmöglichkeiten haben. Oft genügt es, dass dafür in Zukunft eine hinreichende Aussicht besteht. Erst zu diesem Zeitpunkt kommen dann die eigentlich beabsichtigen Maßnahmen zum Tragen. Die Versuche ausländische Nachrichtendienste, ganze Bevölkerungsgruppen zu instrumentalisieren, kommen vor allem bei nunmehr in Deutschland lebenden Bürgern aus dem jeweiligen Ausland in Betracht. Dies gilt etwa mit Blick auf die Aktivitäten russischer Provokateure in sozialen Medien. In Rede stehen aber auch von Russland finanzierte Medien wie Russia Today (RT) oder Sputnik, deren Auftritte im Berichtszeitraum jedoch weniger emotional ausfielen als in den vergangenen Jahren. Die US-amerikanischen und französischen Präsidentschaftswahlen zeigen, dass der Versuch einer Instrumentalisierung nicht auf Bürger aus dem jeweiligen Ausland beschränkt sein muss. Im Verdacht stehen russische Nachrichtendienste, die durch den vorangegangenen Diebstahl und die anschließende Veröffentlichung von Daten versucht haben sollen, Einfluss auf das Vorund Nachwahlgeschehen zu nehmen. Im Umfeld der Bundestagswahl waren solche Versuche bislang nicht festzustellen, auch wenn mutmaßlich russische elektronische Angriffe auf den Deutschen Bundestag und politische Parteien in den vergangenen Jahren Anlass zur Sorge gegeben hatten. Der Verfassungsschutzverbund hat deshalb präventiv eine Vielzahl von Sensibilisierungsgesprächen mit relevanten Parteien, Einrichtungen und Wahlleitungen geführt. 282 Spionage und Sabotage - Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft 3. Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft Eine effektive Prävention ist die wichtigste Abwehrmaßnahme gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte. Sowohl Staat und Verwaltung als auch Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgerufen, sich und ihre Umgebung bereits im Vorfeld von solchen Tätigkeiten hinreichend zu schützen. Prävention heißt vor diesem Hintergrund, sich in Bezug auf Angriffsmethoden und -ziele fremder Nachrichtendienste zu sensibilisieren, die eigenen Einrichtungen und deren Umgebung auf spionagerelevante Schwachstellen systematisch zu analysieren, passgenaue Abwehrlösungen zu entwickeln, die Entwicklungen auf dem "Spionagemarkt" fortlaufend zu beobachten und Verdachtsfällen nachzugehen. Zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Herausforderungen bietet das LfV Sachsen allen sächsischen Behörden, Verbänden, Vereinigungen, Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine Sicherheitspartnerschaft an. Das LfV Sachsen geht zu diesem Zweck aktiv auf potenziell gefährdete Institutionen zu. Bestand422 teil einer Sicherheitspartnerschaft können Vorträge, Individualberatungen, Onlineangebote und Broschüren sein. Darüber hinaus unterstützt das LfV Sachsen alle Interessenten bei der Analyse ihrer Einrichtungen auf spionagerelevante Schwachstellen, bei der Entwicklung individueller Abwehrlösungen und bei der Aufklärung von Verdachtsfällen. Die vertrauliche Behandlung der jeweiligen Sicherheitspartnerschaft und ihres Inhaltes ist dabei selbstverständlich. Bei alldem kann das LfV Sachsen auf starke Partner zurückgreifen. Dazu gehören das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die weiteren 15 Landesbehörden für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD), das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das Nationale Cyber-Abwehrzentrum, die Polizei und viele andere Sicherheitsbehörden. Unabhängig davon engagiert sich das LfV Sachsen gemeinsam mit der Sächsischen Polizei und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) Sachsen e. V. in dem Präventionsangebot "Sicheres Unternehmen", einem ebenfalls kostenlosen Beratungsangebot zum Schutz der äußeren und inneren Sicherheit von Unternehmen. Unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) betreut das LfV Sachsen außerdem Unternehmen 423 mit geheimhaltungsbedürftigen Aufträgen. Des Weiteren hat der Verfassungsschutzverbund gemeinsam mit anderen Behörden und Wirtschaftsverbänden die "Initiative Wirtschaftsschutz" weiterentwickelt. Ziel ist es, die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft mittels eines umfassenden 422 siehe u. a. http://www.verfassungschutz.sachsen.de 423 siehe Abschnitt IV. Geheimund Sabotageschutz 283 Spionage und Sabotage - Abwehrmaßnahmen und Sicherheitspartnerschaft Schutzkonzeptes noch effektiver vor SpionaEin eigens geschaffenes Internetportal geaktivitäten zu bewahren. bietet unter der Adresse www.wirtschaftsschutz.info Im Jahr 2017 konnte das LfV Sachsen durch erste Informationen und Einschätzungen zu Presseberichte, Vorträge und Individualaktuellen Fragen der Unternehmenssicherberatungen wieder eine erhebliche Zahl an heit und ermöglicht eine schnelle KontaktInteressenten und Multiplikatoren erreichen. aufnahme mit den Sicherheitsbehörden. Der Außerdem haben ausgewählte Unternehmen, Wirtschaftsschutz des LfV Sachsen ist unter Forschungseinrichtungen und Behörden in der Telefonnummer anlassbezogenen Rundschreiben mehrfach 0351/8585-5333 Informationen über aktuelle elektronische Angriffskampagnen erhalten, verbunden mit für Fragen erreichbar. konkreten Handreichungen zu Abwehrmaßnahmen. Die vielfältigen Präventionsmaßnahmen zeigen Wirkung: Auch im Berichtsjahr gab es mehrfach Hinweise auf mögliche spionagerelevante Sachverhalte, denen das LfV Sachsen nachging. Darüber hinaus konnte es zahlreiche potenzielle Adressaten auf die Möglichkeit von elektronischen Angriffen hinweisen und sie so beim Schließen von Sicherheitslücken unterstützen. Kontakt zu Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz des LfV Sachsen erhalten Sie über: Landesamt für Telefon: 0351/8585-0 und Verfassungsschutz -5333 (Wirtschaftsschutz) Neuländer Straße 60 Fax: 0351/8585-500 01129 Dresden E-Mail: wirtschaftsschutz@lfv.smi.sachsen.de 284 IV. Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben XX Geheimschutz: Geheimhaltungsgrade von Verschlusssachen - STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH XX Sicherheitsüberprüfung ermittelt, ob bei der betreffenden Person ein Sicherheitsrisiko vorliegt XX 32.895 Mitwirkungsanfragen im Jahr 2017 285 Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben - Sicherheitsüberprüfungen 4. Sicherheitsüberprüfungen Allgemein Der Geheimschutz gewährleistet, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen aus Verschlusssachen geheim bleiben und nicht an Unbefugte gelangen. Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse. Die Einstufung als Verschlusssache ist unabhängig von der Form, in der die geheimhaltungsbedürftige Information vorliegt. Das Spektrum der Verschlusssachen reicht vom gesprochenen Wort über Schriftstücke und Zeichnungen bis zu elektronischen Datenträgern und technischen Einrichtungen. Sie werden je nach dem erforderlichen Schutz in die Geheimhaltungsgrade STRENG GEHEIM, GEHEIM, VSVERTRAULICH und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft. Ihre Bearbeitung wird als sicherheitsempfindliche Tätigkeit bezeichnet. Der Zugang zu Verschlusssachen und der Umgang mit ihnen sowie die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit sind im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SächsSÜG) vom 19. Februar 2004 und in der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung - VSA) vom 4. Januar 2008 geregelt. 1. Sicherheitsüberprüfungen (Personeller Geheimschutz) und Sabotageschutzüberprüfungen 1.1 Sicherheitsüberprüfungen Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben sollen, müssen sich vorher einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung wird ermittelt, ob bei der betreffenden Person ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das dem Zugang zu Verschlusssachen bzw. der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Nach der gesetzlichen Regelung (SS 5 Abs. 1 SächsSÜG) liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsund Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste oder 3. Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. 286 Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben - Materieller Geheimschutz Ein derartiges Sicherheitsrisiko in Bezug auf die zu überprüfende Person kann sich auch ergeben, wenn entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte zu anderen Personen, insbesondere Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten, vorliegen. Werden bei einer Sicherheitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse - z. B. Straftaten, Hinweise auf übermäßigen Alkoholgenuss, Hinweise auf eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - bekannt, wird geprüft, ob sich daraus ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. Zuständig für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung ist die Behörde, bei der die sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt wird. Auch für Personen in Wirtschaftsunternehmen, die im Rahmen von staatlichen Aufträgen sächsischer Behörden mit Verschlusssachen umgehen, werden Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. In diesen Fällen ist die Landesdirektion Sachsen zuständig. Die Sicherheitsüberprüfung wird erst nach schriftlicher Zustimmung des Betroffenen eingeleitet. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen wirkt im Auftrag der zuständigen Stelle bei der Sicherheitsüberprüfung mit. Es überprüft die Personen und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. In Abhängigkeit von der auszuübenden sicherheitsempfindlichen Tätigkeit gibt es verschiedene Stufen der Sicherheitsüberprüfung (Ü 1 bis Ü 3). 1.2 Sabotageschutzüberprüfungen Der Sabotageschutz dient dem Schutz der für das Gemeinwesen lebenswichtigen Einrichtungen. In der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Feststellung lebenswichtiger Einrichtungen im Freistaat Sachsen (Sächsische Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung) vom 22. September 2010 (SächsGVBl. 2010 Nr. 12, S. 271) werden lebenswichtige Einrichtungen im Sinne des Sabotageschutzes benannt. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt werden, üben eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach dem SächsSÜG aus und müssen sich daher einer einfachen Sicherheitsüberprüfung Ü1 unterziehen. 2. Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen gegen die unbefugte Kenntnisnahme von Verschlusssachen und gewährleistet die Einhaltung der Bestimmungen der Verschlusssachenanweisung. Dazu zählen die rechtlichen Maßgaben zur Herstellung, Kennzeichnung und Vervielfältigung von Verschlusssachen sowie Regelungen zu Aufbewahrung, Verwaltung, Transport und Vernichtung von Verschlusssachen. Wird ein Geheimnisverrat bekannt, ist das LfV Sachsen zu beteiligen. 287 Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben - Zuverlässigkeitsüberprüfungen Das LfV Sachsen berät und unterstützt die Behörden des Freistaates Sachsen in Fragen des materiellen Geheimschutzes, damit Verschlusssachen sicher erstellt, bearbeitet und aufbewahrt werden können. Bei Wirtschaftsunternehmen, die im Auftrag sächsischer Landesbehörden tätig sind und dabei Zugriff auf Verschlusssachen haben, führt die Landesdirektion Sachsen als zuständige Stelle unter Mitwirkung des LfV Sachsen ein Geheimschutzverfahren durch. Dabei werden Sicherheitsstandards geschaffen, um die Kenntnisnahme von Verschlusssachen durch Unbefugte zu verhindern. Im Rahmen dieses Verfahrens berät das Landesamt für Verfassungsschutz die Unternehmen. 3. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sowie Prüfung von Versagungsoder Ausschlussgründen Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit des Bundes und der Länder nimmt der Verfassungsschutz neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr. Auf Anfrage der zuständigen Behörden wird geprüft, ob den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse zu den angefragten Personen vorliegen und ob diese gemäß den gesetzlichen Regelungen mitgeteilt werden dürfen. Im Einzelnen unterstützte das LfV Sachsen die Behörden im Jahr 2017 bei folgenden Überprüfungen: Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) für Personen, die zum sicherheitsempfindlichen Bereich des Luftverkehrs Zutritt haben sollen 6.946 Anfragen Beteiligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vor der Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln 20.151 Anfragen Beteiligung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) bei Einbürgerungen 2.231 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe - Sprengstoffgesetz (SprengG) für Personen, die gewerbsmäßig, selbstständig im Rahmen eines wirtschaftlichen Unternehmens oder eines landoder forstwirtschaftlichen Betriebes oder bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen oder den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreiben wollen 443 Anfragen 288 Geheimund Sabotageschutz, Mitwirkungsaufgaben - Zuverlässigkeitsüberprüfungen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Gesetz über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG) für Personen, die beim Umgang mit radioaktiven Stoffen oder bei der Beförderung von radioaktiven Stoffen oder bei der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen tätig sind 51 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Waffengesetz (WaffG) für Personen, die Umgang mit Waffen oder Munition haben 92 Anfragen Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach der Verordnung über das Bewachungsgewerbe - Bewachungsverordnung (BewachV) für Wachpersonen, die mit Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Falle eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann, beauftragt werden sollen 2.979 Anfragen Im Jahr 2017 wurden insgesamt 32.895 solcher Mitwirkungsanfragen bearbeitet. 289 Anhang XX Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen XX Glossar XX Abkürzungsverzeichnis XX Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen XX Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) XX Register 290 Anhang - Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Rechtsextremismus Aktionsbündnis gegen das Vergessen (AgdV) Anti-Antifa-Gruppe Antikapitalistisches Kollektiv Artam (Band) Aryan Brotherhood E astside (ABE) Bildungswerk für Heimat und Nationale Identität e. V. (s. Nationaldemokratische Partei Deutschlands) Blitzkrieg (Band) Blutzeugen (Band) Brainwash (Band) Brigade 8 Weisswasser Bürgerwehr FTL/360 Camulos (Band) Die Rechte Der Dritte Weg (III. Weg) Der Weisse Rabe Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH Deutschland muss leben e. V. Dryve by Suizhyde (Vertrieb) Endless Struggle (Band) Entropie (Band) Erzlichter Faust des Ostens Feuerbefehl (Band) Freie Aktivisten Dresden Freie K ameradschaft Dresden Freie Kräfte Mittel /Ostsachsen (FKMO) Freigeist e. V. Front Records (Vertrieb) Frontmusik (Vertrieb) GefangenenHilfe (GH) Hammerskins Heilige Jugend (Band) Heiliger Krieg (Band) Heiliges Reich (Band) Heimattreue Deutsche Jugend (verboten seit 31. Mai 2009) Hermannsland-Versand (Vertrieb) 291 Anhang - Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Hilfsorganisation für nationale und politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG, verboten seit 21. September 2011) Hope for the Weak (Band) Identitäre Bewegung (IB) bzw. Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) Interessengemeinschaft (IG) Chemnitz (siehe Nationale Sozialisten Chemnitz) Junge Nationaldemokraten (JN) K aotic Chemnitz Killuminati (Band) Kollektiv Oberlausitz Kommunalpolitische Vereinigung (KPV, s. Nationaldemokratische Partei Deutschlands) Kopfsteinpflaster Leichenzug (Band) Libergraphix (Verlag) Moshpit (Band) Mudhater (s. Dryve by Suizhyde) Nation & Wissen (Verlag) Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC, verboten seit 28. März 2014) Nationale Sozialisten Döbeln (NSD, verboten seit 18. Februar 2013) Nationaler Jugendblock e. V. (NJB) Nationales und soziales Aktionsbündnis 1. Mai (s. Der Dritte Weg) Nationales Versandhaus (Vertrieb) Neubeginn (Band) New Society Oldschool Society (OSS) O verdressed (Band) Paranoid (Band) PC-Records (Vertrieb) Peckerwood Brotherhood Pionier (Band) Pro Patria (Band) Rac'N'Roll Teufel (Band) REpro-Medien (Vertrieb) Revolutionäre Nationale Jugend (RNJ, Vogtland) Ring Nationaler Frauen (RNF, s. Nationaldemokratische Partei Deutschlands) Sachsenblut (Band) Sachsonia (Band) Scenario Lok Schlesische Jungs Niesky Selbststeller (Band) Sista Bataljen (Band) Stahlfront (Band) Stahlwerk (Band) 292 Anhang - Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Stereotyp (Band) Thematik 25 (Band) THÜGIDA & Wir lieben Sachsen e. V. Treueschwur (Band) True Aggression (Band) Überzeugungstäter Vogtland (Band) Verboten (Band) Volksnah 2.0 (Band) Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT, verboten seit 16. März 2016) White Resistance (Band) Wir für Leipzig W.U.T. ("WHITE UNITED TERROR", Band) Reichsbürger und S elbstverwalter Bundesstaat Sachsen Die E xil-Regierung Deutsches Reich E xilregierung Deutsches Reich Freie Wählergemeinschaft Einiges Deutschland staatenlos .info Linksextremismus Anarchisten Anarchosyndikalistische Jugend Leipzig (ASJL) Antifa Klein-Paris (AKP) Antifa Plauen AntifaRechercheTeam Dresden (ART Dresden) Antifa Rosswein-Döbeln-Leisnig (Antifa RDL) Antifaschistische Aktion Görlitz (AFA Görlitz) Autonome Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union - Internationale Arbeiter A ssoziation (FAU) mit Regionalgruppen Allgemeines Syndikat Dresden, FAU-Sektion Chemnitz und FAU-Leipzig Interventionistische Linke (IL) Kommunistische Partei Deutschlands (KPD-Ost) Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF) Kommunistisches Aktionsbündnis Dresden (KAD) Marxistisches Forum (MF) 293 Anhang - Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Prisma - Interventionistische Linke Leipzig (Prisma) Revolution (Revo) mit Regionalgruppen in Leipzig und Dresden Rote Hilfe e. V. (RH) mit Ortsgruppen in Dresden, Leipzig und Chemnitz Tabula Rasa the future is unwritten (tfiu) ...ums Ganze! Undogmatische Radikale Antifa Dresden (URA Dresden) Islamismus / Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus, insbesondere Al-Q aida (AQ) und Islamischer Staat (IS) Muslimbruderschaft (MB) mit ihrer Deutschlandvertretung Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) Salafistische Bestrebungen, insbesondere Islamische Gemeinde in Sachsen - Al-RahmanMoschee e. V. in Leipzig Sächsische Begegnungsstätte gemeinnützige Unternehmergesellschaft (SBS) Tablighi Jama'at (TJ) Türkische Hizbullah (TH) Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug (ohne Islamismus) Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Ciwanen A zad (Freie Jugend) Ciwanen A zad Dresden (Freie Jugend Dresden) Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.(NAV-DEM) Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum (DKTM) Dresdner Verein deutsch kurdischer Begegnungen e. V. Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) Kongress der kurdischen demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa (KCDK-E) Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) Kurdische Demokratische Volksunion (YDK) Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) Partei der Demokratischen Union (PYD) UTA Frauenrat Dresden e. V. Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) Volksverteidigungseinheiten (YPG) Volksverteidigungskräfte (HPG) 294 Anhang - Extremistische Organisationen und Gruppierungen im Freistaat Sachsen Darüber hinaus werden die Massenorganisationen der CDK erwähnt (s. Strukturkasten zu PKK-Beitrag): YJA (Frauen) YXK (Studenten) YMK (Lehrer) YRK (Journalisten) YHK (Juristen) YNK (Schriftsteller) CIK, YEK, KAB (religiöse Gruppen) 295 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Glossar der Verfassungsschutzbehörden Anti-Antifa Unter dem Begriff "Anti-Antifa" verfolgen Neonationalsozialisten in Anlehnung an Terminologie und Vorgehensweise von Linksextremisten ein Konzept zur Erfassung und Veröffentlichung von Daten über politische Gegner. Mit der Begriffswahl wollen sie verdeutlichen, dass ihr Handeln eine Reaktion auf linksextremistische Aktivitäten darstellt und als solche auch militante Aktionsformen umfassen kann. Ihre Aktivitäten weisen bisher in der Regel einen propagandistischen Charakter auf und zielen vornehmlich auf die Verunsicherung des Gegners. Als Gegner werden dabei auch Angehörige der Sicherheitsbehörden angesehen. Antideutsche Anhänger einer antideutschen Ideologie bilden eine Besonderheit innerhalb der gewaltbereiten linksextremistischen Szene und tragen zu einer deutlichen Polarisierung im linksextremistischen Gefüge bei. Hauptbestandteil antideutscher Ideologie ist die bedingungslose Solidarität mit der Politik des Staates Israels und dem jüdischen Volk. Antideutsche sprechen sich - aus Sorge vor einem neuerlichen, von Deutschland ausgehenden Holocaust - für eine massive Unterstützung des Staates Israels und des Judentums aus. Sie stehen oft positiv zu den USA als Schutzmacht Israels. Antideutsche befürchten ein Erstarken des deutschen Nationalismus und ein großdeutsches "Viertes Reich", sie lehnen daher einen deutschen Nationalstaat insgesamt ab. Im linksextremistischen Umfeld treten Antideutsche verstärkt durch Antisemitismusvorwürfe gegen rivalisierende linksextremistische Gruppierungen hervor. Antifa, Autonome Der "antifaschistische Kampf" ist ein Hauptagitationsfeld von Autonomen . Aus ihrer Sicht ist es geboten, den Kampf gegen "Faschisten" und "Rassisten" in die eigenen Hände zu nehmen. In autonomen Publikationen und Stellungnahmen wird für Gegenveranstaltungen zu rechtsextremistischen Kundgebungen geworben. Die Agitation richtet sich auch gegen bestimmte staatliche Einrichtungen oder ihre Repräsentanten. Darüber hinaus werden Adressen und "Steckbriefe" von politischen Gegnern veröffentlicht, die nicht selten mit der Aufforderung verbunden sind, diese Personen auch anzugreifen. Im Rahmen der "antifaschistischen Selbsthilfe" werden auch militante Aktionen befürwortet, die sich in erster Linie gegen den politischen Gegner, insbesondere tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, richten. Dadurch kommt es regelmäßig zu hohen Sachschäden, teilweise aber auch zu Personenschäden. 296 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Antifaschismus Der Begriff "Antifaschismus" wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern immer auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Asylbezogene Veranstaltungen mit erkennbaren und relevanten rechtsextremistischen Bezügen Dabei handelt es sich um solche Veranstaltungen, die zwar nicht von Rechtsextremisten organisiert oder bestimmt wurden, auf denen Rechtsextremisten jedoch in relevantem Maße in Erscheinung traten. Dies kann etwa durch einen rechtsextremistischen Redner oder auch eine Mitwirkung von einzelnen Rechtsextremisten an der Durchführung der Veranstaltung geschehen sein. Hierbei werden auch asylkritische Veranstaltungen statistisch erfasst, sofern diese erkennbare und relevante rechtsextremistische Bezüge aufweisen. Asylfeindliche Veranstaltungen Asylfeindlich sind Veranstaltungen oder Aktivitäten mit Asylbezug, die direkt oder indirekt, ausschließlich oder mit überwiegender Beteiligung von Rechtsextremisten durchgeführt werden. Asylkritische Veranstaltungen Asylkritisch bezeichnet eine nicht extremistische, asylbezogene Veranstaltung oder sonstige Aktivität. Eine Veranstaltung bleibt auch dann asylkritisch, wenn Rechtsextremisten daran teilnehmen, aber weder die Organisation noch der Gesamtcharakter der Veranstaltung als rechtsextremistisch einzuschätzen sind. Autonome Kennzeichnend für die Bewegung der Autonomen, die über kein einheitliches ideologisches Konzept verfügt, ist die Ablehnung staatlicher und gesellschaftlicher Normen und Zwänge, die Suche nach einem freien, selbstbestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen und der Widerstand gegen den demokratischen Staat und seine Institutionen, wobei Gewalt von Autonomen grundsätzlich als Aktionsmittel ("militante Politik") akzeptiert ist. Autonome bilden den weitaus größten Anteil des gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotenzials. 297 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Das Selbstverständnis der heterogenen autonomen Bewegung ist geprägt von Anti-Einstellungen ("antikapitalistisch", "antifaschistisch", "antipatriarchal"). Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente ("Klassenkampf", "Revolution" oder "Imperialismus") bilden den Rahmen ihrer oftmals spontanen Aktivitäten. Eine klassische Form autonomer Gewalt ist die sogenannte Massenmilitanz. Dies sind Straßenkrawalle, die sich im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluss daran entwickeln. Hierbei kommt es regelmäßig auch zu Gewaltexzessen. Autonome Nationalisten Mit den autonomen Nationalisten trat in den letzten Jahren eine weitere Strömung innerhalb des deutschen Neonationalsozialismus öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Angehörige der autonomen Nationalisten traten oft mit einem hohen Maß an Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte und politische Gegner auf, dies insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen, wo sie sich bisweilen vermummt zu sogenannten Schwarzen Blöcken zusammenschlossen. Zudem übernahmen sie in Teilen Stilelemente anderer Jugendsubkulturen und traten ähnlich gekleidet auf wie militante Linksextremisten (Autonome). Innerhalb der Neonazi-Szene waren autonome Nationalisten vor allem wegen ihres öffentlichen Erscheinungsbildes und ihrer Gewaltbereitschaft umstritten. In jüngerer Vergangenheit ist ein öffentlichkeitswirksames Auftreten von autonomen Nationalisten im Freistaat Sachsen nicht mehr zu beobachten. Bestrebungen, extremistische Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichtete Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Es ist zu unterscheiden zwischen Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes, Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. 298 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, welcher darauf gerichtet ist, einen der zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählenden Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder eines Landesverfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen. Extremismus / Radikalismus Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen "Radikalismus" und "Extremismus", obwohl beide Begriffe oft synonym gebraucht werden. Bei Radikalismus handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denkund Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits "von der Wurzel (lat. radix) her" anpacken will. Im Unterschied zum Extremismus sollen jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt. Als extremistisch werden dagegen die Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. FANZINE Der Begriff setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen und bezeichnet in der Regel subkulturelle Publikationen. In der rechtsextremistischen Szene informieren diese Publikationen über Musikgruppen, Tonträger, Konzerte sowie sonstige Szeneveranstaltungen. Einzelpersonen und rechtsextremistische Gruppierungen erhalten in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres Gedankengutes. Das Medium verlor mit der Verlagerung der Kommunikation in das Internet sehr stark an Bedeutung. Zwar erscheinen weiterhin Fanzines, herausgegeben von zumeist langjährigen Szeneangehörigen, diese Publikationen haben jedoch eher traditionellen, nostalgischen Charakter, als dass sie der Information breiter Szenekreise dienen. 299 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden F reie Nationalisten / F reie K räfte Das Konzept der F reien Nationalisten (bzw. F reien K räfte) wurde Mitte der 1990er Jahre von Neonationalsozialisten als Reaktion auf die zahlreichen Vereinsverbote entwickelt. Ziel war es, die zersplitterte neonationalsozialistische Szene unter Verzicht auf vereinsmäßige Strukturen ("Organisierung ohne Organisation") zu bündeln, ihre Aktionsfähigkeit zu erhöhen und gleichzeitig Verbotsmaßnahmen zu verhindern. Ein Großteil der F reien Nationalisten sammelte sich in rechtsextremistischen Kameradschaften. Ab Mitte der 2000er Jahre setzte ein erneuter Strukturwandel in der Kameradschaftsszene ein, der von einer weiteren Lockerung der Organisationsstrukturen gekennzeichnet war. Damit wurde das Ziel verfolgt, dem Staat noch weniger Angriffsfläche zu bieten. So existieren in Sachsen nur noch vereinzelt organisierte und eine Struktur aufweisende F reie K räfte . Freiheitliche demokratische Grundordnung Damit ist nicht die Verfassung bzw. das Grundgesetz in seiner Gesamtheit gemeint, sondern die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie. Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien: das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft, die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Fremdenfeindlichkeit Fremdenfeindlichkeit richtet sich gegen Menschen, die sich durch Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe von der als "normal" erachteten Umwelt unterscheiden. Die mit dieser Zuweisung typischerweise verbundenen vermeintlich minderwertigen Eigenschaften werden als Rechtfertigung für einschlägige Straftaten missbraucht. Insbesondere das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. 300 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) Das GETZ wurde im November 2012 zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/-terrorismus, der Spionage sowie der Proliferation eingerichtet. Im Rahmen des Gremiums tauschen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern Informationen zu den genannten Phänomenbereichen aus. Dabei soll die Fachexpertise der Sicherheitsbehörden gebündelt und ein möglichst lückenloser Informationsfluss gewährleitet werden. Gemeinsames Internetzentrum (GIZ) Im GIZ beobachten seit 2007 sprachkundige Experten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder das Internet hinsichtlich islamistischer und islamistisch-terroristischer Inhalte. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das im Jahr 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst (MAD), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird durch die dortige Zusammenarbeit erleichtert und beschleunigt. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des Grundgesetzes, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. 301 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Islamistische Organisationen - mit Ausnahme islamistisch-terroristischer Organisationen - lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Organisationen, die in ihren Herkunftsländern die konsequente Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen nach ihrem Verständnis der islamischen Rechtsordnung (Scharia) anstreben. In Deutschland liegt ihr Schwerpunkt auf propagandistischen Aktivitäten sowie der Sammlung von Spendengeldern, um die Mutterorganisationen in den Herkunftsländern zu unterstützen. Andere islamistische Gruppierungen in Deutschland verfolgen eine umfassendere, auch politisch motivierte Strategie. Auch sie streben eine Änderung der Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Staatswesens an. Sie bemühen sich jedoch im Rahmen einer legalistischen Strategie, ihren Anhängern in Deutschland größere Freiräume für ein schariakonformes Leben zu schaffen. Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für islamistische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Unter "Homegrown"-Terrorismus sind islamistische Strukturen oder Strukturansätze zu verstehen, die sich aus radikalisierten Personen ab der zweiten Einwanderergeneration sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Die Personen sind zumeist in europäischen Ländern geboren und/ oder aufgewachsen, stehen jedoch aufgrund religiöser, gesellschaftlicher, kultureller oder psychologischer Faktoren dem hiesigen Wertesystem ablehnend gegenüber und erachten die Errichtung einer islamistischen Gesellschaftsordnung für erstrebenswert. Gemeinsames Kennzeichen dieses Personenkreises ist, dass er von der pan-islamischen A l-Q aida-Ideologie beeinflusst wird. Lediglich ein sehr kleiner Teil zum Islam konvertierter Personen macht sich islamistisches Gedankengut zu eigen und engagiert sich für islamistische Ziele. Die Rolle von Konvertiten in islamistischen / islamistisch-terroristischen Strukturen erklärt sich u. a. aus der Motivation, sich gegenüber Glaubensbrüdern als besonders gute Muslime (hier: Islamisten) beweisen zu wollen. Sie weisen zudem aufgrund ihrer Kenntnis der westlichen Gegebenheiten strategische Vorteile auf. Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation 302 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf / "heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. Kameradschaften, rechtsextremistische (im Freistaat Sachsen) Bei Kameradschaften handelt sich um Gruppierungen, die einen abgegrenzten Personenstamm mit beabsichtigter geringer Fluktuation besitzen, eine lediglich lokale oder maximal regionale Ausdehnung aufweisen, eine zumindest rudimentäre Struktur besitzen und die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit auf Basis einer rechtsextremistischen, insbesondere neonationalsozialistischen Grundorientierung haben. Die Kameradschaften sind im Wesentlichen von zwei Formen bestimmt: Subkulturell geprägte Kameradschaften Diese besitzen keine festen Führungsstrukturen und sind von Spontaneität und Aktionismus geprägt. Dementsprechend beschränken sich ihre Aktivitäten hauptsächlich auf den regionalen Bereich und oft auf die Teilnahme an rechtsextremistischen Konzerten. Neonationalsozialistische Kameradschaften Diese weisen klar erkennbare Führungsstrukturen auf und sind stark politisch ausgerichtet. In ihren weltanschaulichen Grundpositionen werden zunehmend antikapitalistische Elemente sichtbar. Gefordert werden ein Nationaler Sozialismus und die Volksgemeinschaft. Darüber hinaus bestehen auch kameradschaftsähnliche Strukturen, die in Sachsen u. a. unter wechselnden Bezeichnungen wie Freie Kräfte, Nationale Sozialisten etc. in Erscheinung treten. Dabei verwenden sie oft einen auf einen Ort oder eine Region hinweisenden Namenszusatz. Klandestine Aktionen Diese Aktionsform findet unabhängig vom Demonstrationsgeschehen Anwendung. Es handelt sich um Aktionen, bei denen es entweder zum Einsatz von Gewalt kommt bzw. es sich um herausgehobene Zielobjekte des politischen Gegners bzw. Einrichtungen des "Repressionsapparates" handelt. Taktisch setzt man dabei auf das Überraschungsmoment und die Anonymität der Akteure. Dadurch wird für die Handelnden das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung minimiert. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kleiner, aber fester Personenkreis mit hohem Konspirationsgrad. Es sollen hierdurch politische Aufmerksamkeit erreicht und politischer Einfluss ausgeübt werden. Daher werden die Aktionen in der Regel auch durch Bekennerschreiben flankiert. 303 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao und andere, Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzende Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: Dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, Autonome , Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre: In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität an. Mujahidin Als Mujahidin (Plural für: "Kämpfer im Jihad") werden Islamisten bezeichnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich am "gewaltsamen Jihad" selbst beteiligen oder beteiligt haben oder für die Teilnahme am "gewaltsamen Jihad" ausbilden lassen oder bereits haben ausbilden lassen oder am "gewaltsamen Jihad" beteiligen werden, z. B. aufgrund entsprechender Äußerungen. Arabische Muslime verschiedener Nationalität stellen einen überproportional großen Teil der Mujahidin. Muslimbruderschaft Die Muslimbruderschaft ist die weltweit älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Sie wird von den Verfassungsschutzbehörden als extremistisch kategorisiert. Angestrebt werden die Bildung einer islamischen Gesellschaft sowie die Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Zahlreiche islamistische und 304 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden islamistisch-terroristische Organisationen, z. B. die palästinensische HAMAS, die das Existenzrecht des Staates Israels negiert und diesen aktiv bekämpft, sind aus ihr hervorgegangen. Seit den 1970erJahren formuliert die MB den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Ausgenommen davon sei jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Neonationalsozialismus / "Neonazismus" Der Neonationalsozialismus bezieht sich auf die Weltanschauung des "Dritten Reiches" und macht diese zur Grundlage seiner politischen Zielvorstellungen. Elementare Bestandteile der neonationalsozialistischen Weltanschauung sind Nationalismus und Rassismus sowie die Forderung nach einem autoritären "Führerstaat" unter Ausschaltung wesentlicher Elemente demokratischer Gewaltenteilung. Abgrenzungskriterien zum subkulturell geprägten Rechtsextremismus sind bei Neonationalsozialisten der stärker ausgeprägte Wille zur politischen Arbeit sowie eine intensivere Auseinandersetzung mit inhaltlichen Aspekten des Weltbildes der Neonationalsozialisten . Neue Rechte Bei der "Neuen Rechten" handelt es sich um eine in den 1970er Jahren in Frankreich aufgekommene geistige Strömung, die sich um eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus bemüht. Sie beruft sich u. a. auf antidemokratische Denker, die bereits zur Zeit der Weimarer Republik unter der Bezeichnung "Konservative Revolution" aktiv waren. Die Aktivisten der "Neuen Rechten" beabsichtigen die Beseitigung oder zumindest die Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates und versuchen, zunächst einen bestimmenden kulturellen Einfluss zu erlangen, um letztlich den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren und das politische System grundlegend zu verändern. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Das Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" wurde zum 1. Januar 2001 eingeführt. Erfasst werden alle Straftaten, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, sowie Straftaten, bei denen Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind. Die Daten werden im Polizeibereich erhoben und zentral durch das Bundeskriminalamt unter verschiedenen Gesichtspunkten differenziert dargestellt. Die Straftaten werden folgenden Bereichen zugeordnet: Politisch motivierte Kriminalität - rechts, Politisch motivierte Kriminalität - links, Politisch bzw. religiös motivierte Ausländerkriminalität, Sonstige politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund. 305 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Quelle / Quellenschutz Im nachrichtendienstlichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Quelle" die Herkunft einer Information. Quellen können Personen (z. B. V-Leute), aber auch Medien (z. B. Internet, Druckerzeugnisse) oder andere Behörden sein. Unter "Quellenschutz" versteht man alle Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, eine nachrichtendienstliche Quelle vor einer Enttarnung und deren Folgen zu schützen. Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Rechtsextremismus Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u. a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder "Rasse" bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer "volksgemeinschaftlicher" Konstrukte zurück (Antipluralismus). siehe auch: Autonome Nationalisten, FANZINE, Kameradschaften, F reie N ationalisten / F reie K räfte , Neonationalsozialismus / Neonazismus, Skinheads Rechtsterrorismus Rechtsterrorismus ist eine rechtsextremistisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die durch Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter im Rahmen längerfristiger Strategien das Ziel verfolgt, mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern oder das Ziel einer ethnisch und politisch homogenen Gesellschaft durchzusetzen. 306 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Salafismus Die salafistische Bewegung strebt eine Rückkehr zum Vorbild der "lauteren Vorfahren" (as-Salaf as-salih) und damit zu einem fiktiven "Urislam" an. Zentrale Merkmale dieser Religionsinterpretation sind die strikte Konzentration auf Koran und Prophetentradition (Sunna) als handlungsweisende Texte, die Ablehnung aller Neuerungen, die als unvereinbar mit dem "wahren islamischen Geist" gelten, das unbedingte Bekenntnis zur Einheit Gottes (Tauhid), die Durchsetzung des religiösen Gesetzes (Scharia) sowie eine Vielzahl an Kleidungsund Verhaltensvorschriften. Viele der dabei vertretenen Ansichten sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug (ohne Islamismus) Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die häufig durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Dabei handelt es sich um linksextremistische Organisationen, soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte A rbeiterpartei Kurdistans . Derartige Organisationen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, indem sie z. B. versuchen, hier eine ihren Grundsätzen entsprechende Parallelgesellschaft zu errichten, sie ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder unterstützen und dadurch auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten gefährden, sich ihre Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, richten. 307 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Skinheads, rechtsextremistische Rechtsextremistische Skinheads sind heute nur noch marginal Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in Deutschland. Ihr Anteil und ihre Bedeutung sind im Vergleich zu den 1990er Jahren deutlich zurückgegangen. Ihr Lebensstil ist subkulturell geprägt (s. auch Subkulturell geprägte Rechtsextremisten). Das Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Skinheads entspricht heute nicht mehr dem eines typischen Skinheads in den 1980er und 1990er Jahren. Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Ihr Lebensstil ist subkulturell geprägt und häufig mehr auf Freizeitgestaltung als auf politische Arbeit ausgerichtet. Auch verfügen die meisten subkulturell geprägten Rechtsextremisten nicht über ein gefestigtes rechtsextremistisches Weltbild. Sie vertreten jedoch rechtsextremistische Anschauungen, die sich durch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und der Verherrlichung des Nationalsozialismus zeigen. Sie stellen ihre Zugehörigkeit zur "weißen Rasse" und deren angebliche Überlegenheit in den Mittelpunkt und definieren ihre Feindbilder auf diese Weise. Die rassistische Einstellung wird mit dem Schlagwort "white power" zusammengefasst. Die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene zeichnet sich größtenteils durch eine erhöhte Gewaltbereitschaft aus, die maßgeblich zu den rechtsextremistischen Strafund Gewalttaten beiträgt. Jugendliche finden auch über die Zugehörigkeit zur rechtsextremistischen Subkultur und insbesondere über die für die Szene wichtige rechtsextremistische Musik Zugang zu einer nationalistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Gedankenwelt. Musik spielt nicht nur für die subkulturell geprägte rechtsextremistische Bewegung eine wichtige identitätsstiftende Rolle. Texte von rechtsextremistischen Musikgruppen prägen weltanschauliche Vorstellungen, Konzerte spielen eine bedeutende Rolle für den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Szene. Oft sind Musik und Konzerte Anknüpfungspunkte für rechtsextremistische Parteien oder Neonazis, die hierüber versuchen, Jugendliche an ihre politischen Vorstellungen heranzuführen. Weltweite Strömungen innerhalb der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene mit einer szeneinternen Bedeutung sind Blood & Honour und die Hammerskins , beides rassistische Bewegungen, die ein elitäres Selbstverständnis pflegen. Vor allem Blood & Honour , dessen deutscher Zweig, die Blood & Honour-Division Deutschland, im Jahr 2000 durch den Bundesinnenminister verboten 308 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden wurde, trat in der Vergangenheit immer wieder durch die Organisation von rechtsextremistischen Konzerten in Erscheinung. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus. Hierdurch sollen Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste gewonnen werden. Die Spionageabwehr gehört gemäß SS 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Terrorismus Terrorismus ist nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Verfassungsfeindlich Verfassungsfeindlich (= extremistisch) sind politische Aktivitäten, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind und darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. "Verfassungsfeindlichkeit" ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der "Verfassungswidrigkeit" (siehe unten). Verfassungsschutzbehörden Das Bundesverfassungsschutzgesetz verpflichtet Bund und Länder, eigene Verfassungsschutzbehörden aufzubauen. Der Bund kam dieser Pflicht durch Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz am 7. November 1950 nach. Die Länder folgten alsbald. Auch in den neuen Bundesländern wurden nach der Wiedervereinigung Deutschlands schrittweise Behörden für Verfassungsschutz aufgebaut, so dass es nun 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz in Deutschland gibt. Einige Länder errichteten eigenständige Verfassungsschutzbehörden, andere wiesen die Aufgabe des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes einer Abteilung ihres Innenministeriums/-senats zu. Hierfür gelten die jeweiligen Verfassungsschutzgesetze der Länder. 309 Anhang - Glossar der Verfassungsschutzbehörden Verfassungswidrig Umgangssprachlich häufig synonym mit "verfassungsfeindlich" zu finden. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 GG; SSSS 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Parteien sind verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es genügt nicht, wenn die Partei die freiheitliche demokratische Ordnung nicht anerkennt, sie ablehnt oder ihr andere Prinzipien entgegenhält. Es muss vielmehr eine aktiv-kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung hinzukommen. Die Organisation muss also planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen und im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen. Im Urteil zum NPD-Verbotsverfahren vom 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, forderte das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung der von einer Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen (so z. B. die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, oder die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen) oder konkrete Anhaltspunkte von Gewicht für ein deutliches Überschreiten der Grenzen des zulässigen politischen Meinungskampfes. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-howAbfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage beinhaltet die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 310 Anhang - Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A ABE A ryan Brotherhood E astside AgdV A ktionsbündnis gegen das Vergessen AJZ A lternatives Jugendzentrum Chemnitz AFA Görlitz A ntifaschistische A ktion Görlitz AKK A ntikapitalistisches Kollektiv AKP A ntifa K lein-Paris A ntifa RDL A ntifa Rosswein-D öbeln-L eisnig ASJL A narchosyndikalistische Jugend L eipzig AQ A l-Q aida B BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BND Bundesnachrichtendienst BNG FAU-Sektion Basisgewerkschaft N ahrung und G astronomie BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik C CA Ciwan A zad CDK Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa CIA Central Intelligence Agency CIMS C onveying Islamic Message S ociety D DASS D emokratischer Aufbruch S ächsische S chweiz DKP D eutsche Kommunistische Partei DKTM D emokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum DVU D eutsche Volksunion E ERNK N ationale Befreiungsfront Kurdistans F FAU-IAA F reie A rbeiterinnenund A rbeiter-Union - Internationale A rbeiter A ssoziation FKMO F reie K räfte Mittel /O stsachsen FNS F reies Netz Süd FSB Federalnaja Sluschba Besopasnosti Rossijskoj Federazii G GAM Gruppe A rbeitermacht 311 Anhang - Abkürzungsverzeichnis GCHQ Government Communications Headquarters GH GefangenenHilfe H HBDH Bund der revolutionären Bewegung der Völker HNG Hilfsorganisation für nationale Gefangene und deren A ngehörige e . V. HPG Volksverteidigungskräfte HSK Kurdischer Roter Halbmond e . V. I IB Identitäre Bewegung IBD Identitäre Bewegung D eutschland IG Interessengemeinschaft Chemnitz IGD Islamische Gemeinschaft in D eutschland e . V. IL Interventionistische L inke IS Islamischer Staat J JN Junge N ationaldemokraten K KAD Kommunistisches A ktionsbündnis D resden KCD-E Kurdischer demokratischer Gesellschaftskongress in Europa KCK Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans KON-KURD Konföderation der Kurdischen vereine in Europa KPD Kommunistische Partei D eutschlands KPF Kommunistische P lattform der Partei DIE LINKE KPV Kommunalpolitische Vereinigung L LfV Landesamt für Verfassungsschutz M MAD Militärischer Abschirmdienst MB Muslimbruderschaft MEK Volksmodjahedin Iran-O rganisation MF M arxistisches F orum MID Military Intelligence Department MLPD M arxistisch-L eninistische Partei D eutschlands MND Mitteldeutsche N ationaldemokraten MSS Ministry of State Security 312 Anhang - Abkürzungsverzeichnis N N aO Neue antikapitalistische O rganisation NAV-DEM Kurdischer D emokratischer Gesellschaftskongress in D eutschland, D emokratisches Gesellschaftszentrum der K urd Innen in D eutschland NJB Nationaler Jugendblock e . V. NPD Nationaldemokratische Partei D eutschlands NSC Nationale S ozialisten Chemnitz NSD N ationale S ozialisten D öbeln NWRI N ationaler Widerstandsrat Iran O OfD O ffensive für D eutschland OSS O ldschool S ociety P PKK A rbeiterpartei Kurdistans PKK Parlamentarische Kontrollkommission PMK Politisch motivierte Kriminalität P risma P risma - Interventionistische L inke L eipzig PYD Partei der D emokratischen Union R Revo Revolution RH Rote Hilfe e . V. RHD Rote Hilfe D eutschland RNF Ring N ationaler F rauen RNJ Revolutionäre N ationale Jugend Vogtland S SBS S ächsische Begegnungsstätte gemeinnützige Unternehmergesellschaft SWR Sluschba Wneschnei Raswedki Rossijskoj Federazii T TAK F reiheitsfalken Kurdistans TddZ Tag der deutschen Zukunft TFIU The future is unwritten TH Türkische Hizbullah TJ Tablighi Jama'at YPG Volksverteidigungseinheiten U URA D resden Undogmatische R adikale A ntifa D resden 313 Anhang - Abkürzungsverzeichnis W WWT Weisse Wölfe Terrorcrew Y YDK Kurdische D emokratische Volksunion YEK-KOM F öderation kurdischer Vereine in D eutschland e . V. YPG Volksverteidigungseinheiten YXK Verband der Studierenden aus Kurdistan 314 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz - SächsVSG) Vom 16. Oktober 1992 Rechtsbereinigt mit Stand vom 31. Dezember 2013 Inhaltsübersicht Erster Abschnitt: Organisation, Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes SS 1 Organisation, Zuständigkeit SS 2 Aufgaben SS 3 Begriffsbestimmungen SS 4 Allgemeine Befugnisse SS 5 Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel SS 5a Besondere Befugnisse Zweiter Abschnitt: Datenschutzrechtliche Bestimmungen SS 6 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 7 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 7a Löschung von nach SS 5a erhobenen personenbezogenen Daten SS 8 Errichtungsanordnung SS 9 Auskunft an Betroffene Dritter Abschnitt: Übermittlungsvorschriften SS 10 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz ohne Ersuchen SS 11 Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen SS 11a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen SS 11b Weitere Informationsübermittlungen durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen SS 12 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 12a Übermittlung von nach SS 5a erhobenen personenbezogenen Daten SS 13 Übermittlungsverbote SS 14 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit 315 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Vierter Abschnitt: Parlamentarische Kontrolle, Einschränkung von Grundrechten SS 16 Parlamentarische Kontrollkommission SS 17 Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission SS 18 Einschränkung von Grundrechten Fünfter Abschnitt: Schlussbestimmung SS 19 Inkrafttreten Der Sächsische Landtag hat am 17. September 1992 das folgende Gesetz beschlossen: Erster Abschnitt Organisation, Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes SS1 Organisation, Zuständigkeit (1) Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder wird ein Landesamt für Verfassungsschutz errichtet. Es untersteht als obere Landesbehörde unmittelbar dem Staatsministerium des Innern. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist zuständig für 1. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 2 und 2. die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern und dem Bund in Angelegenheiten der Nummer 1. (3) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Freistaat Sachsen nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz und Polizeibehörden oder Polizeidienststellen dürfen einander nicht angegliedert werden. SS2 Aufgaben (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche 316 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 3a. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, 4. fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Sammlung und Auswertung von Informationen nach Satz 1 setzen im Einzelfall voraus, dass für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach Satz 1 Nrn. 1 bis 4 tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. auf Ersuchen der Einstellungsbehörden bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wenn der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, dass sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, 5. auf Ersuchen der für Einbürgerung zuständigen Behörden bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern sowie 6. bei Überprüfungen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist. Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Satz 1 erfolgt in der Weise, dass es eigenes Wissen oder bereits vorhandenes Wissen der für die Überprüfung zuständigen Behörde oder sonstiger öffentlicher Stellen auswertet. Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach den Nummern 1 und 2 sind im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SächsSÜG) vom 19. Februar 2004 (SächsGVBl. S. 44), in der jeweils geltenden Fassung, geregelt. (3) Die Mitwirkung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach Absatz 2 setzt voraus, dass Betroffene und andere in die Überprüfung einbezogene Personen über Zweck und Verfahren der Überprüfung einschließlich der Verarbeitung der erhobenen Daten durch die beteiligten Dienststellen unterrichtet werden. Darüber hinaus ist im Falle der Einbeziehung anderer Personen in die Überprüfung 317 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen deren Einwilligung und im Falle weitergehender Ermittlungen die Einwilligung von Betroffenen erforderlich. Die Sätze 1 und 2 gelten nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet das Staatsministerium des Innern über seine Tätigkeit. SS3 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv sowie zielund zweckgerichtet unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretungen in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen; 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht; 3. das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung; 5. die Unabhängigkeit der Gerichte; 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 318 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen SS4 Allgemeine Befugnisse (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit keine besonderen Regelungen getroffen sind, nach den Vorschriften des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz - SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), in der jeweils geltenden Fassung. (2) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben und bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 4 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber anderen Behörden und Dienststellen stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (4) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt für Verfassungsschutz diejenige zu wählen, die Betroffene voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS5 Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf, insbesondere unter Beachtung des SS 4 Abs. 4, Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bildund Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Diese sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern und der Parlamentarischen Kontrollkommission. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten und sonstige Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass 1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder 2. dies zum Schutz oder zur Abschirmung von Mitarbeitern, Einrichtungen, Gegenständen und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 319 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist. Eine geringere Beeinträchtigung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch Auskünfte nach SSSS 11 oder 11a gewonnen werden kann. Die Anwendung eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn der Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (3) Wird der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen oder zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes oder der Einsatz eines Verfassungsschutzbediensteten, der unter einer ihm verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität ermittelt, zur Erfüllung von Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 länger als 72 Stunden dauern, ist dies unverzüglich der Parlamentarischen Kontrollkommission anzuzeigen. (4) Die Zulässigkeit von Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239, 241), in der jeweils geltenden Fassung, bleibt unberührt. (5) aufgehoben ... (11) aufgehoben (12) Nachrichtendienstliche Mittel, die sich gezielt gegen einen Abgeordneten des Sächsischen Landtages richten, dürfen nur angewandt werden, wenn sie zuvor vom Präsidenten des Landtages genehmigt worden sind. SS 5a Besondere Befugnisse (1) Der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes und des Artikels 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen> ist nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Abs. 1 und SS 3 Abs. 1 G 10 vorliegen und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sachoder Vermögenswerte erforderlich ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (2) Die Maßnahme darf sich nur gegen den Betroffenen richten und nur in Wohnungen des Betroffenen durchgeführt werden. In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn aufgrund 320 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sich der Betroffene dort aufhält und die Maßnahme in Wohnungen des Betroffenen allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts führen würde. (3) Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räume und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen oder Handlungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Gespräche oder Handlungen in Betriebsoder Geschäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen. (4) Die Maßnahme ist unverzüglich abzubrechen, wenn sich während der Überwachung erste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen oder Handlungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Im Zweifel ist unverzüglich eine gerichtliche Entscheidung über den Abbruch der Maßnahme und eine Löschung der bisher erhobenen Daten herbeizuführen. Das anordnende Gericht ist über den Verlauf und die Ergebnisse der Maßnahme zu unterrichten. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so hat das Gericht den Abbruch der Maßnahme unverzüglich anzuordnen, sofern das Landesamt für Verfassungsschutz die Maßnahme nicht bereits abgebrochen hat. (5) Erkenntnisse über Äußerungen oder Handlungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, dürfen nicht verwertet werden. Soweit ein Verwertungsverbot in Betracht kommt, hat das Landesamt für Verfassungsschutz unverzüglich eine Entscheidung des anordnenden Gerichts über die Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse herbeizuführen. (6) Die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhobenen Daten sind dergestalt zu kennzeichnen, dass jederzeit erkennbar bleibt, aus welchen Eingriffen sie stammen. Sie dürfen durch das Landesamt für Verfassungsschutz zu keinen anderen Zwecken als der Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten, auf die Absatz 1 Anwendung findet, weiter verarbeitet werden. Eine Übermittlung darf nur unter den Voraussetzungen von SS 12a erfolgen. (7) In den Fällen des SS 53 StPO ist eine Maßnahme nach Absatz 1 unzulässig. Ergibt sich während oder nach der Durchführung einer Maßnahme nach Absatz 1, dass ein Fall des SS 53 StPO vorliegt, gelten Absatz 4 Satz 1, Absatz 5 Satz 1 und SS 7a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entsprechend. In den Fällen der SSSS 52 und 53a StPO dürfen aus einer Maßnahme nach Absatz 1 gewonnene Erkenntnisse nur verwendet werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts steht. (8) Auf Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz trifft die in SS 74a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Landesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz hat, die Entscheidung über die Anordnung der Maßnahme nach Absatz 1. Die Maßnahme ist auf höchstens drei Monate zu befristen und kann um jeweils nicht mehr als drei Monate verlängert werden. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, 321 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Gliederungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4c des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809, 2819), in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ergeht ohne vorherige Anhörung des Betroffenen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an ihn. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch den Vorsitzenden getroffen werden. Dessen Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen von der Kammer bestätigt wird. (9) In der schriftlichen Anordnung sind anzugeben: 1. soweit bekannt, der Name und die Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet, 2. die tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1, aufgrund derer die Maßnahme nach Absatz 1 angeordnet wird, 3. die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume, 4. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, 5. die Erwartungen an die zu erhebenden Informationen. In der Begründung der Anordnung oder Verlängerung sind deren Voraussetzungen und die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte darzulegen. Insbesondere sind anzugeben: 1. die tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1, 2. die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, 3. die tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des Absatzes 3 Satz 1. (10) Die Betroffenen sind von den nach Absatz 1 durchgeführten Maßnahmen zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme, im Fall des Absatzes 11 ohne Gefährdung der für den Verfassungsschutz tätigen Person, geschehen kann. Die Mitteilung obliegt dem Landesamt für Verfassungsschutz. Sind Daten aus Maßnahmen nach Absatz 1 an Dritte übermittelt worden, erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit dem Empfänger. Betroffene im Sinne des Satzes 1 sind: 1. Betroffene, gegen die sich die Maßnahme nach SS 5a richtet, 2. Inhaber und Bewohner der Wohnung, in der die Maßnahmen durchgeführt worden sind, 3. sonstige überwachte Personen. Eine Unterrichtung von Betroffenen nach Satz 4 Nr. 2 und 3 unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Belange anderer Betroffener entgegenstehen oder die Identität von Betroffenen nach Satz 4 Nr. 2 und 3 nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden könnte. Erfolgt die Benachrichtigung nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der gerichtlichen Zustimmung. Die gerichtliche Entscheidung ist vorbehaltlich einer anderen gerichtlichen Anordnung jeweils nach einem Jahr erneut einzuholen. (11) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 ausschließlich zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit der bei einem Einsatz in Wohnungen für den Verfassungsschutz tätigen Person anordnen. Eine weitere Verarbeitung der hierbei erhobenen Daten, insbesondere eine Übermittlung nach SS 12a, ist nur zulässig, wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nach Maßgabe von Satz 1 und Absatz 1 zuvor gerichtlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzug ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. In diesen Fällen gelten die Absätze 5 bis 7 und 10 entsprechend. 322 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (12) Auch nach Erledigung einer in den Absätzen 1 und 11 genannten Maßnahme können Betroffene binnen vier Wochen nach ihrer Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung sowie der Art und Weise des Vollzugs beantragen. Über den Antrag entscheidet das Gericht, das über die Anordnung der Maßnahme entschieden hat. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. Zweiter Abschnitt Datenschutzrechtliche Bestimmungen SS6 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1 erforderlich ist oder 3. das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 2 Abs. 2 tätig werden wird. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 2 Abs. 2 dürfen vorbehaltlich des Satzes 2 in automatisierten Dateien nur Daten über die Personen gespeichert werden, die der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden. Zur Erledigung von Aufgaben nach SS 2 Abs. 2 Nr. 4 und 5 dürfen in automatisierten Dateien nur Daten solcher Personen erfasst werden, über die bereits Erkenntnisse nach SS 2 Abs. 1 vorliegen. Bei der Speicherung in Dateien muss erkennbar sein, welcher der in SS 2 Abs. 1 und 2 genannten Personengruppe Betroffene zuzuordnen sind. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht gespeichert werden. Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 2 Abs. 1 Nr. 1 angefallen sind. Personenbezogene Daten über das Verhalten einer Person nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind zwei Jahre nach dem Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung in Dateien zu überprüfen und spätestens fünf Jahre nach dem Verhalten zu löschen, es sei denn, dass weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 2 Abs. 1 Nr. 1 über ein Verhalten nach Eintritt der Volljährigkeit angefallen sind. 323 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen SS7 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Akten oder Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; in Akten ist dies zu vermerken. Wird die Richtigkeit der Daten von Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Belange der Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der Betroffenen übermittelt werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 2 Abs. 1 Nr. 1 sind spätestens 10 Jahre, über Bestrebungen nach SS 2 Abs. 1 Nr. 3 und 3a spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz oder sein Vertreter stellt fest, dass die weitere Speicherung zur Aufgabenerfüllung oder aus den in Absatz 2 Satz 2 genannten Gründen erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die nicht in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten gemäß Absatz 2 zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren. Die Daten sind zu sperren, wenn die Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Sie dürfen nicht mehr genutzt oder übermittelt werden. Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. (5) Für die Archivierung gelten die Vorschriften des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 17. Mai 1993 (SächsGVBl. S. 449), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Juni 1999 (SächsGVBl. S. 398), in der jeweils geltenden Fassung. SS 7a Löschung von nach SS 5a erhobenen personenbezogenen Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat personenbezogene Daten, die durch eine Maßnahme nach SS 5a erhoben wurden, unverzüglich zu löschen, 1. wenn Äußerungen oder Handlungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst wurden, 2. wenn die Daten für die in SS 5a Abs. 6 Satz 2 genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind; soweit die Daten für eine gerichtliche Überprüfung nach SS 5a Abs. 12 von Bedeutung sein 324 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen können, ist die Löschung der Daten zurückzustellen, sie sind zu sperren und dürfen nur zu diesem Zweck verwendet werden. Im Falle von Satz 1 Nr. 2 hat die Prüfung der Erforderlichkeit der Datenspeicherung unverzüglich nach ihrer Erhebung und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten zu erfolgen. Die Erhebung und Löschung der Daten ist zu dokumentieren. (2) Im Falle der Datenübermittlung nach SS 12a prüft der Empfänger unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die Daten für die Zwecke, zu deren Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind, noch erforderlich sind. Sind die Daten für die bestimmten Zwecke nicht mehr erforderlich, gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 entsprechend. Die Löschung ist zu dokumentieren. Der Empfänger unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz unverzüglich über die erfolgte Löschung. SS8 Errichtungsanordnung (1) Für jede beim Landesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner in SS 2 genannten Aufgaben einzurichtende automatisierte Datei, in der personenbezogene Daten verarbeitet werden, sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Art der Daten), 4. Anlieferung oder Eingabe, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer und 7. Protokollierung. Die Zugangsberechtigung nach Satz 1 Nr. 5 ist auf Personen zu beschränken, die die Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz benötigen. Die Errichtungsanordnung bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern. (2) Vor Erlass und vor wesentlichen Änderungen der Errichtungsanordnung ist der Sächsische Datenschutzbeauftragte zu hören. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat in angemessenen Abständen die Erforderlichkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. SS9 Auskunft an Betroffene (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz erteilt Betroffenen über die zu ihrer Person gespeicherten Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. 325 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (1a) Auskunft aus Akten, die nicht zur Person des Betroffenen geführt werden, wird erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Akten ermöglichen und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Satz 1 findet auf personenbezogene Daten in nicht-automatisierten Dateien, die nicht zur Übermittlung an Dritte bestimmt sind, entsprechende Anwendung. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, 2. durch die Auskunftserteilung nachrichtendienstliche Zugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe für die Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Sächsischen Datenschutzbeauftragten wenden können. Dem Datenschutzbeauftragten ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern dieses nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. Dritter Abschnitt Übermittlungsvorschriften SS 10 Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz ohne Ersuchen (1) Die Behörden und Gerichte des Freistaates Sachsen, die Gemeinden, Landkreise und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts übermitteln von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihnen bekannt gewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Informationen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Nr. 2 oder zur Beobachtung von Bestrebungen erforderlich sind, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 3a genannten Schutzgüter gerichtet sind. 326 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeidienststellen übermitteln darüber hinaus von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. SS 11 Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen (1) Die in SS 10 genannten öffentlichen Stellen haben dem Landesamt für Verfassungsschutz auf dessen Ersuchen die ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben bekannt gewordenen personenbezogenen Daten und Informationen zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 oder Abs. 2 erforderlich ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Ersuchen aktenkundig zu machen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Akten anderer öffentlicher Stellen und amtliche Register unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 und vorbehaltlich der in SS 13 getroffenen Regelung einsehen, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 und 2 oder zum Schutz von Mitarbeitern und Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Gefahren für Leib und Leben erforderlich ist und die sonstige Übermittlung von Informationen aus den Akten oder den Registern den Zweck der Maßnahmen gefährden oder das Persönlichkeitsrecht von Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Über die Einsichtnahme nach Satz 1 hat das Landesamt für Verfassungsschutz einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck und die Veranlassung, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen. Die Nachweise sind fünf Jahre gesondert aufzubewahren und gegen ungerechtfertigten Zugriff zu sichern und anschließend zu vernichten. (3) Die Übermittlung personenbezogener Daten und sonstige Informationen, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 G 10 genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Satz 1 übermittelten Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 3 G 10 entsprechende Anwendung. SS 11a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen (1) Ein Ersuchen des Landesamtes für Verfassungsschutz um Übermittlung personenbezogener Daten darf nur diejenigen personenbezogenen Daten enthalten, die für die Erteilung der Auskunft unerlässlich sind. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 327 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3a erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die dort genannten Schutzgüter vorliegen. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3a unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 G 10 bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3a erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die dort genannten Schutzgüter vorliegen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3a unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 G 10 bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten einholen. Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummern oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienste, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (6) Auskünfte nach den Absätzen 2 bis 5 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, im Falle seiner Verhinderung durch seinen Vertreter, schriftlich zu stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheidet der Staatsminister des Innern, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter. (7) Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Kommission nach SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Freistaat Sachsen (SächsAG G 10) vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 464), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. August 2003 (SächsGVBl. S. 313, 317), über die gemäß Absatz 6 beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug darf das Staatsministerium des Innern den Vollzug der Entscheidung bereits vor Unterrichtung der Kommission anordnen. In diesen Fällen ist die Unterrichtung innerhalb von zehn Tagen nachzuholen. Die 328 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit der Einholung von Auskünften. Entscheidungen über Auskünfte, die die Kommission für unzulässig oder für nicht notwendig erklärt, hat das Staatsministerium des Innern unverzüglich aufzuheben. (8) SS 2 Abs. 2 SächsAG G 10 ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten erstreckt. (9) Für die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist SS 4 G 10 entsprechend anzuwenden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. Für die Mitteilungen an Betroffene findet SS 12 Abs. 1 und 3 G 10 entsprechende Anwendung. (10) Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission (SS 16) und das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes in Abständen von höchstens sechs Monaten über die nach den Absätzen 2 bis 5 durchgeführten Maßnahmen; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. SS 11b Weitere Informationsübermittlungen durch nicht-öffentliche Stellen an das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen (1) Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz im Einzelfall erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), Auskunft über die nach den SSSS 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154, 3200) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erhobenen Daten verlangt werden (SS 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (SS 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der geschützten Daten vorliegen. (2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (SS 113 Abs. 1 Satz 3 TKG). Für Auskunftsverlangen nach Satz 1 und Absatz 1 Satz 2 gilt SS 11a Abs. 6 Satz 1 und 2 sowie Abs. 7 bis 9 Satz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass über den Antrag das Staatsministerium des Innern entscheidet. (3) Die betroffene Person ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 Satz 1 durch das Landesamt für Verfassungsschutz von der Beauskunftung zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald eine Gefährdung des Zwecks der Auskunft und der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden können. Wurden personenbezogene Daten an eine andere Stelle übermittelt, erfolgt die 329 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen Benachrichtigung im Benehmen mit dieser. Die Benachrichtigung unterbleibt, sofern einer der Hinderungsgründe in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach Beauskunftung nicht ausgeschlossen werden kann, er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, und die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. Die Benachrichtigung unterbleibt auch, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 4 oder Satz 5 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen. (4) Aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder 2 hat der Diensteanbieter die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln. (5) Der Diensteanbieter erhält für Auskünfte nach den Absätzen 1 und 2 eine Entschädigung, deren Umfang sich nach SS 23 und Anlage 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz - JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586, 2681), in der jeweils geltenden Fassung, bemisst; die Vorschriften über die Verjährung in SS 2 Abs. 1 und 4 JVEG finden entsprechende Anwendung. SS 12 Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Behörden sowie andere öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigen. Soweit die Daten Verwendungsbeschränkungen unterliegen, hat das Landesamt für Verfassungsschutz die Daten zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. Empfänger dürfen die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat der Staatsanwaltschaft und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen die ihm bekannt gewordenen personenbezogenen Daten zu übermitteln, wenn im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung nach SS 2 zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies zur Verhinderung oder Verfolgung folgender Straftaten erforderlich ist: 1. von Staatsschutzdelikten nach SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie von Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, der Motive der Täter oder deren Verbindungen zu einer Organisation zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, und 330 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen 2. von Straftaten, die gegen das Leben oder in erheblichem Maße gegen die körperliche Unversehrtheit oder gegen Sachund Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung gerichtet sind. Soweit die Daten Verwendungsbeschränkungen unterliegen, hat das Landesamt für Verfassungsschutz die Daten zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an andere als öffentliche Stellen nicht übermitteln, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes, zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeit für eine fremde Macht oder zur Gewährleistung der Sicherheit einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung nach SS 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322, 3329), in der jeweils geltenden Fassung, oder nach SS 1 Abs. 3 Nr. 4 SächsSÜG in der jeweils geltenden Fassung erforderlich ist und der Staatsminister des Innern oder sein Vertreter zugestimmt hat. Die Zustimmung kann auch für eine Mehrzahl gleichartiger, sachlich zusammenhängender Fälle vorweg erteilt werden. Sie ist nicht erforderlich für den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Übermittlung aktenkundig zu machen. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. Er ist verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz auf Verlangen Auskunft über die vorgenommene Verwendung zu geben. Der Empfänger ist auf die Verpflichtungen nach den Sätzen 5 und 6 hinzuweisen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Belange der Länder oder überwiegende schutzwürdige Interessen von Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Empfänger sind darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie übermittelt wurden, und das Landesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. (5) Der Empfänger prüft, ob die übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. 331 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen SS 12a Übermittlung von nach SS 5a erhobenen personenbezogenen Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 5a erhobene personenbezogene Daten den in SS 12 genannten Behörden nur zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Lebensgefahr oder einer dringenden Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für herausragende Sachoder Vermögenswerte übermitteln. Für personenbezogene Daten nach SS 5a Abs. 7 Satz 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass es sich um Gegenstände von bedeutendem Wert, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, um Gegenstände von kulturell herausragendem Wert oder um die in SS 305 StGB genannten Bauwerke handeln muss. (2) Zur Verfolgung von Straftaten darf das Landesamt für Verfassungsschutz unter den Voraussetzungen des SS 5a erhobene personenbezogene Daten den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidienststellen nur übermitteln, soweit die Voraussetzungen des SS 100c StPO vorliegen und für die Straftat eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe angedroht wird. (3) Die Übermittlung nach den Absätzen 1 und 2 ist nur zulässig, soweit 1. sie zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist, 2. nach eigenen Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz ausgeschlossen werden kann, dass der Empfänger die Daten für andere Zwecke nutzt, 3. die bisherige Kennzeichnung der Daten aufrechterhalten bleibt, 4. sichergestellt ist, dass der Empfänger SS 7a Abs. 2 entsprechend anwendet, und 5. die Übermittlung an ausländische Behörden nur im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgt. SS 13 Übermittlungsverbote (1) Die Übermittlung von Informationen nach den SSSS 10, 11, 12 und 12a unterbleibt, wenn 1. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen oder überwiegende Belange der Strafverfolgung dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. 332 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (2) Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 14 Besondere Pflichten des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft unverzüglich, ob die ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat es die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. (2) Erweisen sich personenbezogene Daten, nachdem sie durch das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt worden sind, als unrichtig oder unvollständig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist. SS 15 Unterrichtung der Öffentlichkeit Das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichten die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 1. Dabei dürfen personenbezogene Daten bekannt gegeben werden, wenn dies für die Unterrichtung erforderlich ist und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen. Vierter Abschnitt Parlamentarische Kontrolle, Einschränkung von Grundrechten SS 16 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Die Sächsische Staatsregierung unterliegt hinsichtlich der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern über das Landesamt für Verfassungsschutz und hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtages. Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern, die zu Beginn jeder Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte einzeln mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Zwei Mitglieder müssen der parlamentarischen Opposition angehören. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie tritt 333 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen mindestens zweimal jährlich zusammen. Die Einberufung und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission kann von mindestens zwei Mitgliedern verlangt werden. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte kann, soweit personenbezogene Daten Gegenstand der Beratung sind, beteiligt werden; die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend. Satz 1 gilt nicht für die Bewertung aktueller Vorgänge, wenn die Mehrheit der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt hat. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus oder wird es Mitglied der Staatsregierung, endet auch seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für ein ausgeschiedenes Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen. (5) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch nach Ablauf der Wahlperiode des Landtages so lange aus, bis der nachfolgende Landtag eine neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt hat. SS 17 Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über die Vorgänge von besonderer Bedeutung. Hierzu gehört auch die Unterrichtung über die nach SS 5 Abs. 3 und SS 5a Abs. 1 und 10 angeordneten Maßnahmen und die nach SS 5a Abs. 9 getroffenen Entscheidungen. Ebenso umfasst die Unterrichtung auch das Tätigwerden von Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer sowie das Herstellen des Benehmens für das Tätigwerden des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach SS 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3202, 3217), in der jeweils geltenden Fassung. Auf Verlangen der Parlamentarischen Kontrollkommission berichtet das Staatsministerium des Innern zu konkreten Themen aus dem Aufgabenbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission hat das Recht auf Erteilung von Auskünften. Der Staatsminister des Innern kann einem Kontrollbegehren widersprechen, wenn es im Einzelfall die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz oder den notwendigen Schutz des Nachrichtenzugangs gefährden würde; er hat dies zu begründen. Entfallen die Gründe für Satz 2, so ist die Auskunftserteilung unverzüglich nachzuholen. 334 Anhang - Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (3) Die Unterrichtung umfasst nicht Angelegenheiten, über die das Staatsministerium des Innern die Kommission nach Artikel 10 des Grundgesetzes zu unterrichten hat. SS 18 Einschränkung von Grundrechten Durch dieses Gesetz können im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Sachsen das Grundrecht des Brief, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel 27 der Verfassung des Freistaates Sachsen), das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen) und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen) eingeschränkt werden. Fünfter Abschnitt Schlussbestimmung SS 19 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden. Dresden, den 16. Oktober 1992 335 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) Vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. November 2015 (BGBl I S. 1938) Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Gegenstand des Gesetzes (1) Es sind 1. die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages, 2. der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 des BND-Gesetzes auch zu den in SS 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 8 und SS 8 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Zwecken berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, in den Fällen der Nummer 1 auch die dem Briefoder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen. (2) Soweit Maßnahmen nach Absatz 1 von Behörden des Bundes durchgeführt werden, unterliegen sie der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und durch eine besondere Kommission (G 10-Kommission). SS2 Pflichten der Anbieter von Postund Telekommunikationsdiensten (1) Wer geschäftsmäßig Postdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt, hat der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über die näheren Umstände des Postverkehrs zu erteilen und Sendungen, die ihm zum Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern anvertraut sind, auszuhändigen. Der nach Satz 1 Verpflichtete hat der berechtigten Stelle auf Verlangen die zur Vorbereitung einer Anordnung erforderlichen Auskünfte zu Postfächern zu erteilen, ohne dass es hierzu einer gesonderten Anordnung bedarf. Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt, hat der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über die näheren Umstände der nach Wirksamwerden der Anordnung durchgeführten Telekommunikation zu erteilen, Sendungen, die ihm zur Übermittlung auf dem Telekommunikationsweg anvertraut sind, auszuhändigen sowie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen. SS 8a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, SS 4a des MAD-Gesetzes und SS 2a des BND-Gesetzes bleiben unberührt. 336 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Ob und in welchem Umfang der nach Satz 3 Verpflichtete Vorkehrungen für die technische und organisatorische Umsetzung der Überwachungsmaßnahme zu treffen hat, bestimmt sich nach SS 110 des Telekommunikationsgesetzes und der dazu erlassenen Rechtsverordnung. (2) Der nach Absatz 1 Satz 1 oder 3 Verpflichtete hat vor Durchführung einer beabsichtigten Beschränkungsmaßnahme unverzüglich die Personen, die mit der Durchführung der Maßnahme betraut werden sollen, 1. auszuwählen, 2. einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterziehen zu lassen und 3. über Mitteilungsverbote nach SS 17 sowie die Strafbarkeit eines Verstoßes nach SS 18 zu belehren; die Belehrung ist aktenkundig zu machen. Mit der Durchführung einer Beschränkungsmaßnahme dürfen nur Personen betraut werden, die nach Maßgabe des Satzes 1 überprüft und belehrt worden sind. Nach Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, bei Beschränkungsmaßnahmen einer Landesbehörde des zuständigen Landesministeriums, kann der Behördenleiter der berechtigten Stelle oder dessen Stellvertreter die nach Absatz 1 Satz 1 oder 3 Verpflichteten schriftlich auffordern, die Beschränkungsmaßnahme bereits vor Abschluss der Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. Der nach Absatz 1 Satz 1 oder 3 Verpflichtete hat sicherzustellen, dass die Geheimschutzmaßnahmen nach den Abschnitten 1.1 bis 1.4, 1.6, 2.1 und 2.3 bis 2.5 der Anlage 7 zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen vom 29. April 1994 (GMBl S. 674) getroffen werden. (3) Die Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 ist entsprechend dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz durchzuführen. Für Beschränkungsmaßnahmen einer Landesbehörde gilt dies nicht, soweit Rechtsvorschriften des Landes vergleichbare Bestimmungen enthalten; in diesem Fall sind die Rechtsvorschriften des Landes entsprechend anzuwenden. Zuständig ist bei Beschränkungsmaßnahmen von Bundesbehörden das Bundesministerium des Innern; im Übrigen sind die nach Landesrecht bestimmten Behörden zuständig. Soll mit der Durchführung einer Beschränkungsmaßnahme eine Person betraut werden, für die innerhalb der letzten fünf Jahre bereits eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung nach Bundesoder Landesrecht durchgeführt worden ist, soll von einer erneuten Sicherheitsüberprüfung abgesehen werden. Abschnitt 2 Beschränkungen in Einzelfällen SS3 Voraussetzungen (1) Beschränkungen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1 dürfen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand 1. Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats (SSSS 80 bis 83 des Strafgesetzbuches), 2. Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (SSSS 84 bis 86, 87 bis 89b, 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuches, SS 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes), 337 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses 3. Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (SSSS 94 bis 96, 97a bis 100a des Strafgesetzbuches), 4. Straftaten gegen die Landesverteidigung (SSSS 109e bis 109g des Strafgesetzbuches), 5. Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages (SSSS 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g des Strafgesetzbuches in Verbindung mit SS 1 des NATO-Truppen-Schutzgesetzes), 6. Straftaten nach a) den SSSS 129a bis 130 des Strafgesetzbuches sowie b) den SSSS 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308 Abs. 1 bis 3, SS 315 Abs. 3, SS 316b Abs. 3 und SS 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches, soweit diese sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, 7. Straftaten nach SS 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes oder 8. Straftaten nach den SSSS 202a, 202b und 303a, 303b des Strafgesetzbuches, soweit sich die Straftat gegen die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere gegen sicherheitsempfindliche Stellen von lebenswichtigen Einrichtungen richtet, plant, begeht oder begangen hat. Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. (1a) Beschränkungen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1 dürfen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen für den Bundesnachrichtendienst auch für Telekommunikationsanschlüsse, die sich an Bord deutscher Schiffe außerhalb deutscher Hoheitsgewässer befinden, angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass jemand eine der in SS 23a Abs. 1 und 3 des Zollfahndungsdienstgesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. (2) Die Anordnung ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Verdächtige ihren Anschluss benutzt. Maßnahmen, die sich auf Sendungen beziehen, sind nur hinsichtlich solcher Sendungen zulässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie von dem, gegen den sich die Anordnung richtet, herrühren oder für ihn bestimmt sind. Abgeordnetenpost von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder darf nicht in eine Maßnahme einbezogen werden, die sich gegen einen Dritten richtet. SS 3a Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung Beschränkungen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1 sind unzulässig, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass durch sie allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erfasst würden. Soweit im Rahmen von Beschränkungen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1 neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich 338 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. Automatische Aufzeichnungen nach Satz 3 sind unverzüglich einem bestimmten Mitglied der G10-Kommission oder seinem Stellvertreter zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. Die Entscheidung des Mitglieds der Kommission, dass eine Verwertung erfolgen darf, ist unverzüglich durch die Kommission zu bestätigen. Ist die Maßnahme nach Satz 2 unterbrochen worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist, fortgeführt werden. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Beschränkung nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt. SS 3b Schutzzeugnisverweigerungsberechtigter Personen (1) Maßnahmen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 1, die sich gegen eine in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 der Strafprozessordnung genannte Person richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, sind unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist zu dokumentieren. Die Sätze 2 bis 3 gelten entsprechend, wenn durch eine Maßnahme, die sich nicht gegen eine in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 der Strafprozessordnung genannte Person richtet, von einer dort genannten Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte. (2) Soweit durch eine Beschränkung eine in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 der Strafprozessordnung genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Soweit hiernach geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit die in SS 53a der Strafprozessordnung Genannten das Zeugnis verweigern dürften. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, sofern die zeugnisverweigerungsberechtigte Person Verdächtiger im Sinne des SS 3 Abs. 2 Satz 2 ist oder tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass sie dessen in SS 3 Abs. 1 bezeichnete Bestrebungen durch Entgegennahme oder Weitergabe von Mitteilungen bewusst unterstützt. 339 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS4 Prüf-, Kennzeichnungsund Löschungspflichten, Übermittlungen, Zweckbindung (1) Die erhebende Stelle prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten im Rahmen ihrer Aufgaben allein oder zusammen mit bereits vorliegenden Daten für die in SS 1 Abs. 1 Nr. 1 bestimmten Zwecke erforderlich sind. Soweit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich sind und nicht für eine Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Löschung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Durchführung der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Protokolldaten sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. Die Löschung der Daten unterbleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung nach SS 12 Abs. 1 oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahme von Bedeutung sein können. In diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet werden. (2) Die verbleibenden Daten sind zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. Die Daten dürfen nur zu den in SS 1 Abs. 1 Nr. 1 und den in Absatz 4 genannten Zwecken verwendet werden. (3) Der Behördenleiter oder sein Stellvertreter kann anordnen, dass bei der Übermittlung auf die Kennzeichnung verzichtet wird, wenn dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungsmaßnahme nicht zu gefährden, und die G 10-Kommission oder, soweit es sich um die Übermittlung durch eine Landesbehörde handelt, die nach Landesrecht zuständige Stelle zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzuge kann die Anordnung bereits vor der Zustimmung getroffen werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. (4) Die Daten dürfen nur übermittelt werden 1. zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten, wenn a) tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 und 1a genannten Straftaten plant oder begeht, b) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine sonstige in SS 7 Abs. 4 Satz 1 genannte Straftat plant oder begeht, 2. zur Verfolgung von Straftaten, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine in Nummer 1 bezeichnete Straftat begeht oder begangen hat, oder 3. zur Vorbereitung und Durchführung eines Verfahrens nach Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes oder einer Maßnahme nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 des Vereinsgesetzes, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich sind. (5) Sind mit personenbezogenen Daten, die übermittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffenen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig; eine Verwendung 340 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses dieser Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren. (6) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für die Zwecke verwenden, zu deren Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Er prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die übermittelten Daten für diese Zwecke erforderlich sind. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Empfänger unterrichtet die übermittelnde Stelle unverzüglich über die erfolgte Löschung. Abschnitt 3 Strategische Beschränkungen SS5 Voraussetzungen (1) Auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes dürfen Beschränkungen nach SS 1 für internationale Telekommunikationsbeziehungen, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt, angeordnet werden. Die jeweiligen Telekommunikationsbeziehungen werden von dem nach SS 10 Abs. 1 zuständigen Bundesministerium mit Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bestimmt. Beschränkungen nach Satz 1 sind nur zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr 1. eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland, 2. der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland, 3. der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie des unerlaubten Außenwirtschaftsverkehrs mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien in Fällen von erheblicher Bedeutung, 4. der unbefugten gewerbsoder bandenmäßig organisierten Verbringung von Betäubungsmitteln in das Gebiet der Europäischen Union in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland, 5. der Beeinträchtigung der Geldwertstabilität im Euro-Währungsraum durch im Ausland begangene Geldfälschungen, 6. der international organisierten Geldwäsche in Fällen von erheblicher Bedeutung, 7. des gewerbsoder bandenmäßig organisierten Einschleusens von ausländischen Personen in das Gebiet der Europäischen Union in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland a) bei unmittelbarem Bezug zu den Gefahrenbereichen nach Nr. 1 bis 3 oder b) in Fällen, in denen eine erhebliche Anzahl geschleuster Personen betroffen ist, insbesondere wenn durch die Art der Schleusung von einer Gefahr für ihr Leib oder Leben auszugehen ist, oder c) in Fällen von unmittelbarer oder mittelbarer Unterstützung oder Duldung durch ausländische öffentliche Stellen oder 8. des internationalen kriminellen, terroristischen oder staatlichen Angriffs mittels Schadprogrammen oder vergleichbaren schädlich wirkenden informationstechnischen Mitteln auf 341 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses die Vertraulichkeit, Integrität oder Verfügbarkeit von IT-Systemen in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. In den Fällen von Satz 3 Nr. 1 dürfen Beschränkungen auch für Postverkehrsbeziehungen angeordnet werden; Satz 2 gilt entsprechend. (2) Bei Beschränkungen von Telekommunikationsbeziehungen darf der Bundesnachrichtendienst nur Suchbegriffe verwenden, die zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet sind. Es dürfen keine Suchbegriffe verwendet werden, die 1. Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen, oder 2. den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen. Dies gilt nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden. Die Durchführung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. SS 5a Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung Durch Beschränkungen nach SS 1 Abs. 1 Nr. 2 dürfen keine Kommunikationsinhalte aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erfasst werden. Sind durch eine Beschränkung nach SS 1 Abs. 1 Nr. 2 Kommunikationsinhalte aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erfasst worden, dürfen diese nicht verwertet werden. Sie sind unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. SS 3a Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zum Zwecke der Durchführung der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich sind, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt. SS6 Prüf-, Kennzeichnungsund Löschungspflichten, Zweckbindung (1) Der Bundesnachrichtendienst prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten im Rahmen seiner Aufgaben allein oder zusammen mit bereits vorliegenden Daten für die in SS 5 Abs. 1 Satz 3 bestimmten Zwecke erforderlich sind. Soweit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich sind und nicht für eine Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Löschung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Durchführung der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Protokolldaten sind am Ende des Kalenderjahres zu löschen, das dem Jahr der Protokollierung folgt. Außer in den Fällen der erstmaligen Prüfung nach Satz 1 unterbleibt die 342 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Löschung, soweit die Daten für eine Mitteilung nach SS 12 Abs. 2 oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahme von Bedeutung sein können. In diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet werden. (2) Die verbleibenden Daten sind zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. Die Daten dürfen nur zu den in SS 5 Abs. 1 Satz 3 genannten Zwecken und für Übermittlungen nach SS 7 Abs. 1 bis 4a und SS 7a verwendet werden. (3) Auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes dürfen zur Prüfung der Relevanz erfasster Telekommunikationsverkehre auf Anordnung des nach SS 10 Abs. 1 zuständigen Bundesministeriums die erhobenen Daten in einem automatisierten Verfahren mit bereits vorliegenden Rufnummern oder anderen Kennungen bestimmter Telekommunikationsanschlüsse abgeglichen werden, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in einem Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich stehen, für den die Überwachungsmaßnahme angeordnet wurde. Zu diesem Abgleich darf der Bundesnachrichtendienst auch Rufnummern oder andere Kennungen bestimmter Telekommunikationsanschlüsse im Inland verwenden. Die zu diesem Abgleich genutzten Daten dürfen nicht als Suchbegriffe im Sinne des SS 5 Abs. 2 Satz 1 verwendet werden. Der Abgleich und die Gründe für die Verwendung der für den Abgleich genutzten Daten sind zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu vernichten. SS7 Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst (1) Durch Beschränkungen nach SS 5 erhobene personenbezogene Daten dürfen nach SS 12 des BNDGesetzes zur Unterrichtung über die in SS 5 Abs. 1 Satz 3 genannten Gefahren übermittelt werden. (2) Durch Beschränkungen nach SS 5 erhobene personenbezogene Daten dürfen an die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie an den Militärischen Abschirmdienst übermittelt werden, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Daten erforderlich sind zur Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 2. bestimmte Tatsachen den Verdacht sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht begründen oder 3. im Falle des SS 5 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 Nummer 8 tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Angriffe von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ausgehen. (3) Durch Beschränkungen nach SS 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 Nr. 3 erhobene personenbezogene Daten dürfen an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 343 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kenntnis dieser Daten erforderlich ist 1. zur Aufklärung von Teilnehmern am Außenwirtschaftsverkehr über Umstände, die für die Einhaltung von Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs von Bedeutung sind, oder 2. im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung einer ausfuhrrechtlichen Genehmigung oder zur Unterrichtung von Teilnehmern am Außenwirtschaftsverkehr, soweit hierdurch eine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Gütern begründet wird. (4) Durch Beschränkungen nach SS 5 erhobene personenbezogene Daten dürfen zur Verhinderung von Straftaten an die mit polizeilichen Aufgaben betrauten Behörden übermittelt werden, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand a) Straftaten nach den SSSS 89a, 89b, 89c Absatz 1 bis 4 oder SS 129a, auch in Verbindung mit SS 129b Abs. 1, sowie den SSSS 146, 151 bis 152a oder SS 261 des Strafgesetzbuches, b) vorsätzliche Straftaten nach den SSSS 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes, SSSS 19 bis 21 oder SS 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder c) Straftaten nach SS 29a Abs. 1 Nr. 2, SS 30 Abs. 1 Nr. 1, 4 oder SS 30a des Betäubungsmittelgesetzes plant oder begeht oder 2. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine der in SS 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 7, Satz 2 oder Absatz 1a dieses Gesetzes oder eine sonstige der in SS 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung genannten Straftaten plant oder begeht. (4a) Durch Beschränkungen nach SS 5 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 Nummer 8 erhobene personenbezogene Daten dürfen an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Daten erforderlich sind zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Informationstechnik des Bundes oder zur Sammlung und Auswertung von Informationen über Sicherheitsrisiken auch für andere Stellen und Dritte. (5) Die Übermittlung ist nur zulässig, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Sind mit personenbezogenen Daten, die übermittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffenen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter des Bundesnachrichtendienstes, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren. (6) Der Empfänger darf die Daten nur für die Zwecke verwenden, zu deren Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Er prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die übermittelten Daten für diese Zwecke erforderlich sind. SS 4 Abs. 6 Satz 4 und SS 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 gelten entsprechend. 344 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 7a Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst an ausländische öffentliche Stellen (1) Der Bundesnachrichtendienst darf durch Beschränkungen nach SS 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3, 7 und 8 erhobene personenbezogene Daten an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten ausländischen öffentlichen Stellen übermitteln, soweit 1. die Übermittlung zur Wahrung außenoder sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist, 2. überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt, und 3. das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt ist. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramtes. (2) Der Bundesnachrichtendienst darf unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 durch Beschränkungen nach SS 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3, 7 und 8 erhobene personenbezogene Daten ferner im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in deren Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist. (3) Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter des Bundesnachrichtendienstes, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren. Der Bundesnachrichtendienst führt einen Nachweis über den Zweck, die Veranlassung, die Aktenfundstelle und die Empfänger der Übermittlungen nach Absatz 1 und 2. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (4) Der Empfänger ist zu verpflichten, 1. die übermittelten Daten nur zu dem Zweck zu verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden, 2. eine angebrachte Kennzeichnung beizubehalten und 3. dem Bundesnachrichtendienst auf Ersuchen Auskunft über die Verwendung zu erteilen. (5) Das zuständige Bundesministerium unterrichtet monatlich die G10-Kommission über Übermittlungen nach Absatz 1 und 2. (6) Das Parlamentarische Kontrollgremium ist in Abständen von höchstens sechs Monaten über die vorgenommenen Übermittlungen nach Absatz 1 und 2 zu unterrichten. 345 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS8 Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland (1) Auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes dürfen Beschränkungen nach SS 1 für internationale Telekommunikationsbeziehungen im Sinne des SS 5 Abs. 1 Satz 1 angeordnet werden, wenn dies erforderlich ist, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland rechtzeitig zu erkennen oder ihr zu begegnen und dadurch Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar in besonderer Weise berührt sind. (2) Die jeweiligen Telekommunikationsbeziehungen werden von dem nach SS 10 Abs. 1 zuständigen Bundesministerium mit Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bestimmt. Die Zustimmung bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder. Die Bestimmung tritt spätestens nach zwei Monaten außer Kraft. Eine erneute Bestimmung ist zulässig, soweit ihre Voraussetzungen fortbestehen. (3) Die Anordnung ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Bundesnachrichtendienst darf nur Suchbegriffe verwenden, die zur Erlangung von Informationen über die in der Anordnung bezeichnete Gefahr bestimmt und geeignet sind. SS 5 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Ist die Überwachungsmaßnahme erforderlich, um einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für Leib oder Leben einer Person zu begegnen, dürfen die Suchbegriffe auch Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung der Rufnummer oder einer anderen Kennung des Telekommunikationsanschlusses dieser Person im Ausland führen. (4) Der Bundesnachrichtendienst prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten im Rahmen seiner Aufgaben allein oder zusammen mit bereits vorliegenden Daten zu dem in Absatz 1 bestimmten Zweck erforderlich sind. Soweit die Daten für diesen Zweck nicht erforderlich sind, sind sie unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Löschung ist zu protokollieren. SS 6 Abs. 1 Satz 4 und 5, Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Daten dürfen nur zu den in den Absätzen 1, 5 und 6 genannten Zwecken verwendet werden. (5) Die erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nach SS 12 des BND-Gesetzes zur Unterrichtung über die in Absatz 1 genannte Gefahr übermittelt werden. (6) Die erhobenen personenbezogenen Daten dürfen zur Verhinderung von Straftaten an die zuständigen Behörden übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass jemand eine Straftat plant oder begeht, die geeignet ist, zu der Entstehung oder Aufrechterhaltung der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr beizutragen. Die Daten dürfen zur Verfolgung von Straftaten an die zuständigen Behörden übermittelt werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine in Satz 1 bezeichnete Straftat begeht oder begangen hat. SS 7 Abs. 5 und 6 sowie SS 7a Abs. 1 und 3 bis 6 gelten entsprechend. 346 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Abschnitt 4 Verfahren SS9 Antrag (1) Beschränkungsmaßnahmen nach diesem Gesetz dürfen nur auf Antrag angeordnet werden. (2) Antragsberechtigt sind im Rahmen ihres Geschäftsbereichs 1. das Bundesamt für Verfassungsschutz, 2. die Verfassungsschutzbehörden der Länder, 3. der Militärische Abschirmdienst und 4. der Bundesnachrichtendienst durch den Behördenleiter oder seinen Stellvertreter. (3) Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen. Er muss alle für die Anordnung erforderlichen Angaben enthalten. In den Fällen der SSSS 3 und 8 hat der Antragsteller darzulegen, dass die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. SS 10 Anordnung (1) Zuständig für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen ist bei Anträgen der Verfassungsschutzbehörden der Länder die zuständige oberste Landesbehörde, im Übrigen das Bundesministerium des Innern. (2) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind der Grund der Anordnung und die zur Überwachung berechtigte Stelle anzugeben sowie Art, Umfang und Dauer der Beschränkungsmaßnahme zu bestimmen. (3) In den Fällen des SS 3 muss die Anordnung denjenigen bezeichnen, gegen den sich die Beschränkungsmaßnahme richtet. Bei einer Überwachung der Telekommunikation ist auch die Rufnummer oder eine andere Kennung des Telekommunikationsanschlusses oder die Kennung des Endgerätes, wenn diese allein diesem Endgerät zuzuordnen ist, anzugeben. (4) In den Fällen der SSSS 5 und 8 sind die Suchbegriffe in der Anordnung zu benennen. Ferner sind das Gebiet, über das Informationen gesammelt werden sollen, und die Übertragungswege, die der Beschränkung unterliegen, zu bezeichnen. Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des SS 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen. 347 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (5) In den Fällen der SSSS 3 und 5 ist die Anordnung auf höchstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (6) Die Anordnung ist dem nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 oder 3 Verpflichteten insoweit mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtungen zu ermöglichen. Die Mitteilung entfällt, wenn die Anordnung ohne seine Mitwirkung ausgeführt werden kann. (7) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die jeweilige Landesbehörde für Verfassungsschutz über die in deren Bereich getroffenen Beschränkungsanordnungen. Die Landesbehörden für Verfassungsschutz teilen dem Bundesamt für Verfassungsschutz die in ihrem Bereich getroffenen Beschränkungsanordnungen mit. SS 11 Durchführung (1) Die aus der Anordnung sich ergebenden Beschränkungsmaßnahmen sind unter Verantwortung der Behörde, auf deren Antrag die Anordnung ergangen ist, und unter Aufsicht eines Bediensteten vorzunehmen, der die Befähigung zum Richteramt hat. (2) Die Maßnahmen sind unverzüglich zu beenden, wenn sie nicht mehr erforderlich sind oder die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen. Die Beendigung ist der Stelle, die die Anordnung getroffen hat, und dem nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 oder 3 Verpflichteten, dem die Anordnung mitgeteilt worden ist, anzuzeigen. Die Anzeige an den Verpflichteten entfällt, wenn die Anordnung ohne seine Mitwirkung ausgeführt wurde. (3) Postsendungen, die zur Öffnung und Einsichtnahme ausgehändigt worden sind, sind dem Postverkehr unverzüglich wieder zuzuführen. Telegramme dürfen dem Postverkehr nicht entzogen werden. Der zur Einsichtnahme berechtigten Stelle ist eine Abschrift des Telegramms zu übergeben. SS 12 Mitteilungen an Betroffene (1) Beschränkungsmaßnahmen nach SS 3 sind dem Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen. Die Mitteilung unterbleibt, solange eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung nicht ausgeschlossen werden kann oder solange der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist. Erfolgt die nach Satz 2 zurückgestellte Mitteilung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Zustimmung der G10-Kommission. Die G10-Kommission bestimmt die Dauer der weiteren Zurückstellung. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn die G10-Kommission einstimmig festgestellt hat, dass 1. eine der Voraussetzungen in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch vorliegt, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft vorliegt und 348 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für Beschränkungsmaßnahmen nach den SSSS 5 und 8, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht wurden. Die Frist von fünf Jahren beginnt mit der Erhebung der personenbezogenen Daten. (3) Die Mitteilung obliegt der Behörde, auf deren Antrag die Anordnung ergangen ist. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit dem Empfänger. SS 13 Rechtsweg Gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen nach den SSSS 3 und 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und ihren Vollzug ist der Rechtsweg vor der Mitteilung an den Betroffenen nicht zulässig. Abschnitt 5 Kontrolle SS 14 Parlamentarisches Kontrollgremium (1) Das nach SS 10 Abs. 1 für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen zuständige Bundesministerium unterrichtet in Abständen von höchstens sechs Monaten das Parlamentarische Kontrollgremium über die Durchführung dieses Gesetzes. Das Gremium erstattet dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den SSSS 3, 5, 7a und 8; dabei sind die Grundsätze des SS 10 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (2) Bei Gefahr im Verzug kann das zuständige Bundesministerium die Bestimmungen nach den SSSS 5 und 8 vorläufig treffen und das Parlamentarische Kontrollgremium durch seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter vorläufig zustimmen. Die Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist unverzüglich einzuholen. Die Bestimmung tritt außer Kraft, wenn die vorläufige Zustimmung nicht binnen drei Tagen und die Zustimmung nicht binnen zwei Wochen erfolgt. SS 15 G 10-Kommission (1) Die G 10-Kommission besteht aus dem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, und drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern, die an den Sitzungen mit Redeund Fragerecht teilnehmen können. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Mitglieder der G 10-Kommission sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Sie nehmen ein öffentliches Ehrenamt wahr und werden von dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach Anhörung der Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode des 349 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Deutschen Bundestages mit der Maßgabe bestellt, dass ihre Amtszeit erst mit der Neubestimmung der Mitglieder der Kommission, spätestens jedoch drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode endet. (2) Die Beratungen der G 10-Kommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission. (3) Der G 10-Kommission ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personalund Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; sie ist im Einzelplan des Deutschen Bundestages gesondert auszuweisen. Der Kommission sind Mitarbeiter mit technischem Sachverstand zur Verfügung zu stellen. (4) Die G 10-Kommission tritt mindestens einmal im Monat zusammen. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bedarf. Vor der Zustimmung ist die Bundesregierung zu hören. (5) Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach diesem Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Der Kommission und ihren Mitarbeitern ist dabei insbesondere 1. Auskunft zu ihren Fragen zu erteilen, 2. Einsicht in alle Unterlagen, insbesondere in die gespeicherten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Beschränkungsmaßnahme stehen, und 3. jederzeit Zutritt in alle Diensträume zu gewähren. Die Kommission kann dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. (6) Das zuständige Bundesministerium unterrichtet monatlich die G 10-Kommission über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzuge kann es den Vollzug der Beschränkungsmaßnahmen auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Anordnungen, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat das zuständige Bundesministerium unverzüglich aufzuheben. In den Fällen des SS 8 tritt die Anordnung außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen vom Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter bestätigt wird. Die Bestätigung der Kommission ist unverzüglich nachzuholen. (7) Das zuständige Bundesministerium unterrichtet monatlich die G 10-Kommission über Mitteilungen von Bundesbehörden nach SS 12 Abs. 1 und 2 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Hält die Kommission eine Mitteilung für geboten, ist diese unverzüglich vorzunehmen. SS 12 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt, soweit das Benehmen einer Landesbehörde erforderlich ist. 350 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 16 Parlamentarische Kontrolle in den Ländern Durch den Landesgesetzgeber wird die parlamentarische Kontrolle der nach SS 10 Abs. 1 für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen zuständigen obersten Landesbehörden und die Überprüfung der von ihnen angeordneten Beschränkungsmaßnahmen geregelt. Personenbezogene Daten dürfen nur dann an Landesbehörden übermittelt werden, wenn die Kontrolle ihrer Verarbeitung und Nutzung durch den Landesgesetzgeber geregelt ist. Abschnitt 6 Strafund Bußgeldvorschriften SS 17 Mitteilungsverbote (1) Wird die Telekommunikation nach diesem Gesetz oder nach den SSSS 100a, 100b der Strafprozessordnung überwacht, darf diese Tatsache von Personen, die Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, anderen nicht mitgeteilt werden. (2) Wird die Aushändigung von Sendungen nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 oder 3 angeordnet, darf diese Tatsache von Personen, die zur Aushändigung verpflichtet oder mit der Sendungsübermittlung betraut sind oder hieran mitwirken, anderen nicht mitgeteilt werden. (3) Erfolgt ein Auskunftsersuchen oder eine Auskunftserteilung nach SS 2 Abs. 1, darf diese Tatsache oder der Inhalt des Ersuchens oder der erteilten Auskunft von Personen, die zur Beantwortung verpflichtet oder mit der Beantwortung betraut sind oder hieran mitwirken, anderen nicht mitgeteilt werden. SS 18 Straftaten Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen SS 17 eine Mitteilung macht. SS 19 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. einer vollziehbaren Anordnung nach SS 2 Abs. 1 Satz 1 oder 3 zuwiderhandelt, 2. entgegen SS 2 Abs. 2 Satz 2 eine Person betraut oder 3. entgegen SS 2 Abs. 2 Satz 3 nicht sicherstellt, dass eine Geheimschutzmaßnahme getroffen wird. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzehntausend Euro geahndet werden. 351 Anhang - Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (3) Bußgeldbehörde im Sinne des SS 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die nach SS 10 Abs. 1 zuständige Stelle. Abschnitt 7 Schlussvorschriften SS 20 Entschädigung Die nach SS 1 Abs. 1 berechtigten Stellen haben für die Leistungen nach SS 2 Abs. 1 eine Entschädigung zu gewähren, deren Umfang sich nach SS 23 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes bemisst. In den Fällen der SSSS 5 und 8 ist eine Entschädigung zu vereinbaren, deren Höhe sich an den nachgewiesenen tatsächlichen Kosten orientiert. SS 21 Einschränkung von Grundrechten Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt. 352 Anhang - Register Register A Ahmadiyya-Gemeinde............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 47 Aktionsbündnis gegen das Vergessen (AGDV)...................................................................................................................................................................................................................................... 62, 291, 311 "Aktionswoche"........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 62, 108 AL-BAGHDADI, Abu Bakr............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 2 53, 258 Al-Rahman-Moschee........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 246 ff., 294 Al-Q aida.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 42, 257 ff., 294, 302, 311 Allgemeines Syndikat Dresden der FAU............................................................................................................................................................................................................................................................ 218, 293 Alternatives Jugendzentrum Chemnitz (AJZ Chemnitz)........................................................................................................................................................ 2 11 f., 240, 311 Alternative für Deutschland (AfD) 43 ff., 61, 170, 173, 180 f., 200 ff., 208, 210, 212, 235 ALTMIEKS, Nils............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 68 f. Anarchisten................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 163 f., 220, 239, 293, 304 Anarchosyndikalisten................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 17 Anarchosyndikalistische Jugend Leipzig (ASJL)............................................................................................................................................................................. 185, 218, 222, 293, 311 Annaberg-Buchholz (Erzgebirgskreis)............................................................................................................................................................................................................................................................... 1 11 f., 213 Anti-Antifa-Gruppe.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 66, 291 Antifa Klein-Paris (AKP)........................................................................................................................................................................................................................................ 176, 190, 196 f., 211, 293, 311 Antifa Plauen............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 293 Antifa RDL (Roßwein-Döbeln-Leisnig)............................................................................................................................................................................................................................................... 214, 293, 311 AntifaRechercheTeam Dresden (ART Dresden)............................................................................................................................................................................................................................ 206, 214, 293 Antifaschistische Aktion Görlitz..................................................................................................................................................................................................................................................................................... 214, 293, 311 Antikapitalistisches Kollektiv (AKK)....................................................................................................................................................................................................................................................... 59, 120, 291, 311 Apostaten...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 244 Arbeiterassoziationen.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 2 16 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).......................................................................................................................................................................... 13, 185, 259, 264 ff., 294 f., 307, 313 ARMSTROFF, Klaus........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 2 8, 32 ff. ARNOLD, Maik...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 58, 101, 104, 113 Artam (Band)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78 f., 87, 145, 291 Aryan Brotherhood E astside.................................................................................................................................................................................................................................................................................. 66 f., 99, 291, 311 A s-Sunna-Verlag Berlin............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 246 Aue-Schwarzenberg (Erzgebirgskreis)................................................................................................................ 4 4, 58, 79 f., 83, 86 ff., 105, 112, 115, 145 Autonome 164, 166 ff., 171 ff., 226, 237 f., 293, 296 ff., 304, 306 B Bad Schandau (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) .......................................................................................................................................................................... 137 Bad Schlema (Erzgebirgskreis)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 115 Barny (Liedermacher)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 85 f., 105 Barricades (Band)......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 87, 137 BAUR, Jens...................................................................................................................................................................................................................................................................................... 3 5, 45 f., 98, 102, 107, 112, 136 Bautzen (Landkreis Bautzen) 25 f., 37, 44 f., 49, 64 ff., 69, 73, 78, 90 f., 95 f., 97 ff., 130, 137, 149 ff., 159, 165, 169, 206, 214, 235 f., 247 353 Anhang - Register BAYER, Uli-Carsten................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 4 9 BENDER, Julian..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 34 Bildungswerk für Heimat und Nationale Identität e. V......................................................................................................................................................................................................................... 38, 291 Blitzkrieg (Band).............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 78 f., 87, 105, 291 Blutzeugen (Band)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78 f., 86, 110, 291 Borna (Landkreis Leipzig).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 1 20 BÖHM, Enrico..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 57, 123 Brainwash (Band)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78 f., 110, 291 Brandenburg............................................................................................................................................................................. 28, 43, 59, 67, 80, 99, 104, 109 f., 123, 137, 139, 251 Brigade 8 Weisswasser 66, 117, 291 Bundesstaat Sachsen......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 159, 293 Bundesverfassungsgericht.............................................................................................................................................................................................................................................................................................. 9 , 38, 42, 310 Bürgerwehr FTL/360............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 291 C Camulos (Band)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 80, 86, 145, 291 Chemnitz 25 ff., 33, 37, 40, 44 ff., 54, 58, 63, 67, 78 ff., 85, 90, 94, 101 ff., 131, 142, 149 f., 159 f., 165, 169, 197, 199, 210 f., 218 ff., 232, 236, 238, 240, 268, 292 ff. China.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 275, 279, 281 Ciwanen A zad..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 264, 267 f., 294 Ciwanen A zad Dresden............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 268, 294 Connewitz (Stadtteil in Leipzig).................................................................................................................................................................... 51, 96, 176 f., 182 f., 188, 190 f., 194 Conveying Islamic Message Society (CIMS, Gesellschaft zur Vermittlung der islamischen Botschaft)......................................... 311 D DABBAGH, Hassan............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 246 ff., 258 DABIQ (Online-Magazin des IS).............................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 254 f. Delitzsch (Landkreis Nordsachsen)................................................................................................................................................................................................................................................................................. 1 33, 188 Demokratischer Aufbruch Sächsische Schweiz (DASS)......................................................................................................................................................................................................................................... 311 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM)............................................................................................. 294, 313 Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum (DKTM).............................................................................................................................................. 267, 294, 311 Der Dritte Weg (III. Weg) 24, 26 ff., 47, 57, 64 f., 75, 88 f., 101 f., 104, 111, 119, 122, 128 f., 133, 138 ff., 146, 152, 211, 213, 238, 291 f. Der Weisse Rabe 291 Deutsche Kommunistische Partei (DKP).............................................................................................................................................................................................................................................. 232 ff., 293, 311 DEUTSCHE STIMME.......................................................................................................................................................................................................................................................................................... 35, 38, 78, 126 f., 291 Deutsche Volksunion (DVU).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 50, 311 "Deutsches Sportund Familienfest"............................................................................................................................................................................................................................................................................ 68, 116 Deutschland muss leben e. V............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 98, 291 Die E xil-Regierung Deutsches Reich............................................................................................................................................................................................................................................................................................ 160, 293 Die Lunikoff-Verschwörung.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 124 354 Anhang - Register Die Rechte 24, 27, 49 ff., 103, 116, 120 ff., 174, 177, 181 f., 291, 307 Die wahre Religion (verboten)....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 246 DIREKTE AKTION.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 202, 218 f. Döbeln (Landkreis Mittelsachsen)......................................................................................................................................................................................... 29, 44, 85, 128 ff., 214, 292 f. DÖHLER, Rico............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 33 ff., 102, 138, 143 Dresden 17, 25 f., 37, 44 ff., 54, 59 ff., 67, 69 f., 73, 78 ff., 88 ff., 95 f., 99, 106 ff., 120, 122, 130, 140, 144 f., 149 ff., 158 f., 164 f., 169 ff.,187, 197 ff., 218 ff., 224, 231 f., 235 ff., 248, 250 ff., 268 f., 284, 291, 293 f. Dresdner Verein deutsch kurdischer Begegnungen e.V........................................................................................................................................................................................................... 267 f., 294 DREWER, Christoph................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 4 9 Dryve by Suizhyde............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 93, 110, 291 f. E Endless Struggle (Band)....................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 80, 110, 291 Entropie (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 78, 80, 291 Erzgebirge.............................................................................................................................................................................................................................................................................................. 28, 58, 81, 83, 104, 112 f., 142 Erzgebirgskreis 24 ff., 37, 45, 58, 69, 78, 84, 90, 104 f., 111 ff., 149, 151, 159, 165, 169, 210, 213, 236, 240 Erzlichter......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 03 f., 113, 291 E xilregierung Deutsches Reich.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 1 60, 293 F FAU-Leipzig.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 218, 221 ff., 293 FAU-Sektion Chemnitz........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 218, 220, 293 Feuerbefehl (Band).................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 78, 80, 85 ff., 118, 291 FISCHER, Matthias....................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 8, 33 f., 140 f., 143 Flöha (Landkreis Mittelsachsen).................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 80, 131 Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V. (YEK-KOM)................................................................................................................................................................................................. 314 Frankreich................................................................................................................................................................................................................................................................................ 59, 69, 73, 79 f., 86, 88, 108, 305 FRANZ, Frank......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 35, 42 f., 102, 112 Freiberg (Landkreis Mittelsachsen).................................................................................................................................................................................................................................. 2 9, 82, 128 f., 131 f. Freie Aktivisten Dresden........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 08, 291 Freie Arbeiterinnen - und Arbeiter - Union (FAU)................................................................................................................................ 207, 211, 215, 217 ff., 293, 311 Freie K ameradschaft Dresden............................................................................................................................................................................................................................................................................. 54, 95 f., 108, 291 Freie Kräfte Mittel /Ostsachsen (FKMO)...................................................................................................................................................................................................................................................... 116, 291, 311 Freies Netz Süd (FNS/verboten).............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 311 Freie Wählergemeinschaft Einiges Deutschland............................................................................................................................................................................................................................................... 160, 293 Freigeist e. V........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 24, 58, 112, 291 Freiheitsfalken Kurdistans (TAK)................................................................................................................................................................................................................................................................................... 265, 294, 313 FreilichFrei (Liedermacher)........................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 85, 88 f., 134, 145 f. 355 Anhang - Register Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge).......................................................................................................................................... 83, 95 f., 136 f., 199 Frontmusik.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 93, 121, 291 Front Records.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 67, 91, 93, 121, 291 Fünf Gifte........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 76 Fylgien (Liedermacher)....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 88 G GANSEL, Jürgen................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 4 0, 42 GEBURTIG, Steve............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 9 4 GefangenenHilfe (GH).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 61, 291, 312 GENTSCH, Tony................................................................................................................................................................................................................................................................................. 28, 32, 34 f., 139, 141, 143 f. GERBER, Tony.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 68, 74, 145 Glauchau (Landkreis Zwickau).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 7 9 Gohrisch (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge).................................................................................................................................................................................... 94, 137 Görlitz (Landkreis Görlitz) 26, 37, 44 f., 49, 59, 64, 66 ff., 78, 90, 98 f., 115 ff., 149 ff., 159, 165, 169, 214 f., 235 f., 251, 293 Grimma (Landkreis Leipzig)............................................................................................................................................................................................................................. 68, 75, 82, 86, 89, 120, 146 Gruppe Arbeitermacht (GAM)...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 224, 311 Gröditz (Landkreis Meißen)......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 91, 127 H Hamburg 1 70, 173 ff., 192 f., 195, 198 f., 208, 212, 226, 230, 238, 256, 259, 276 Hammerskins................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 67, 105, 291, 308 HÄNTZSCHEL, Jan........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 85 HARTUNG, Stefan.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 5 8, 112 "Haus Montag"........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 66, 135, 137 "Haus Wieland".................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 3 8 HAVERBECK, Ursula..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 63, 117, 131 Heidenau (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge)........................................................................................................................................................................................................ 96 Heiliger Krieg (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 80, 105, 291 Heiliges Reich (Band).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 80, 131, 291 HEISE, Thorsten................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 4 9 Hermannsland-Versand............................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 91, 93, 124, 291 HESS, Rudolf.............................................................................................................................................................................................................................................................................. 22, 63, 120, 123, 130, 133, 136 Hilfsorganisation für nationale Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG)................................................................................................... 61, 292, 312 HITLER, Adolf........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 7 1, 115 Hope for the Weak (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 81, 110, 292 Hoyerswerda (Landkreis Bautzen)....................................................................................................................................................................................................................................................................... 4 4, 88, 97 f. I Identitäre Bewegung (IB) 24, 27, 52, 55, 68 ff., 99 f., 108 f., 113 f., 123 f., 145, 154, 197, 292, 312 356 Anhang - Register Interessengemeinschaft Chemnitz (IG Chemnitz)...................................................................................................................................................................................................................................................................... 312 Internationale Arbeiterinnen A ssoziation (IAA)................................................................................................................................................................................................................... 2 17 f., 222, 311 INSPIRE (Online-Magazin des IS)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 57 Interventionistische Linke (IL)........................................................................................................................................................ 1 70 f., 177, 182, 185, 190, 193 ff., 293 f., 312 Irak................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 245 f., 253, 255 f., 261 Iran.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 277, 312 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD)........................................................................................................................................................................... 249 f., 253, 294, 312 Islamischer Staat (IS).............................................................................................. 170, 185 f., 194 f., 211, 226, 231, 253 ff., 261, 265, 271, 294, 312 Israel.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 249 ff., 257, 259, 305 J Jesewitz (Landkreis Nordsachsen).................................................................................................................................................................................................................................................. 63, 88, 123, 133 Jihad/Jihadismus........................................................................................................................................................................................................................................................................................ 246, 249, 253 ff., 302 ff. Junge Nationaldemokraten (JN) 24, 27, 35 f., 39 f., 46 ff., 57, 62 ff., 85, 97, 102 f., 106 ff., 112, 115, 119 ff., 125 f., 129 f., 133, 135 f., 141, 144, 152, 292, 312 JUNGE WELT........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 229 K K aotic Chemnitz................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 292 K ategorie C (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 88 f. Killuminati (Band)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 81, 292 Klandestine Aktion............................................................................................................................................................................................................................................................................. 172, 187 f., 203, 207, 303 Kommunalpolitische Vereinigung (KPV)...................................................................................................................................................................................................................................... 35, 37 f., 292, 312 Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).................................................................................................................................................................................................... 227, 232 f., 293, 312 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF)............................................................................................................................................................................... 232 f., 293, 312 Kommunistisches Aktionsbündnis Dresden (KAD)................................................................................................................................................................................................................. 2 32, 293, 312 Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa (KON-KURD).................................................................................................................................................................................................... 312 Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK)....................................................................... 264, 266, 294 f., 311 Kopfsteinpflaster........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 104, 292 KÖCKERT, David................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 59 KÖTZING, Jürgen.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 97 Kurdische Demokratische Volksunion (YDK).................................................................................................................................................................................................................................... 2 66, 294, 314 Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Deutschland (NAV-DEM)......................................................................... 2 67 f., 294, 313 Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa (KCD-E)....................................................................................................................................................................... 312 Kurdischer Roter Halbmond e. V. (HSK).................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 312 KURTH, Alexander....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 5 9 L LANGER, Matthias................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 76, 116 LEGIDA.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 88, 174, 181 f., 196, 226, 238 Legalresidentur....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 75, 279 Leichenzug (Band).......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 81, 145 f., 292 357 Anhang - Register Leipzig 2 6, 28, 33, 37, 40, 45, 50 f., 57, 59, 63 f., 67 ff., 72, 78, 83 f., 88 f., 93, 95, 119 ff., 122 ff., 131, 133, 137, 146, 149 ff., 159, 164 f., 168 ff., 172 f., 175 ff., 201, 207, 209 ff., 218 f., 221 ff., 230 ff., 235 ff., 247, 259, 268 f., 293 f. Leisnig (Landkreis Mittelsachsen)....................................................................................................................................................................................................................................................................................... 214, 293 Libergraphix............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 91, 127, 292 Limbach-Oberfrohna (Landkreis Zwickau)........................................................................................................................................................................................................................................................................ 1 47 linksunten.indymedia.org......................................................................................................................... 104, 168, 175, 183 f., 189 ff., 197 f., 205, 214 f., 230 Löbau (Landkreis Görlitz)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 99, 116, 122 Lunikoff (Liedermacher)............................................................................................................................................................................................................... 75, 82, 86, 88 f., 110, 120, 124, 146 M MARXISTISCHES FORUM............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 293, 312 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)......................................................................................................................................................................... 232 ff., 294, 312 Med Nuce TV............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 267 Meißen (Landkreis Meißen) 2 5 f., 37 f., 44 f., 78, 90 f., 125 ff., 150, 159, 165, 169, 214, 236, 251 Merseburg (Sachsen-Anhalt)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 28, 119 Ministry of State Security (MSS)........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 275, 312 Mititary Intelligence Department (MID)........................................................................................................................................................................................................................................................... 275, 312 MITTEILUNGEN DER KOMMUNISTISCHEN PLATTFORM DER PARTEI DIE LINKE...................................................... 232, 293, 312 Mittweida (Landkreis Mittelsachsen)...................................................................................................................................................................................................... 29, 63 f., 88 f., 128, 131 Moritzburg (Landkreis Meißen)....................................................................................................................................................................................................................................................................................... 8 4, 87, 127 Moshpit (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 81, 292 Mudhater....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 110, 292 "Muldentaler Kameradschaftslauf".................................................................................................................................................................................................................................................................................... 68, 120 Muslimbruderschaft (MB)....................................................................................................................................................................................................................................... 249 ff., 260, 294, 304 f., 312 Mücka (Landkreis Görlitz)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 66, 87, 117 MÜLLER, Maik................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 48 f., 62, 107 f. N Nation & Wissen........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 27, 292 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)................................................. 24, 26 ff., 35 ff., 57 f., 61, 64 f., 71, 75, 78, 88 f., 97 f., 102, 106 f., 112, 115 f., 119, 122 f., 125 ff., 133, 135 f., 141, 144, 152, 205, 207, 291 f., 310, 313 Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK).......................................................................................................................................................................................................................... 266, 294, 311 Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC)................................................................................................................................................................................................................................ 5 8, 102 ff., 292, 313 Nationale Sozialisten Döbeln (NSD)........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 92, 313 "Nationale Streife"................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 32, 141, 144, 154 Nationaler Jugendblock e.V. (NJB).............................................................................................................................................................................................................................................................................. 117, 292, 313 Nationales und Soziales Aktionsbündnis 1. Mai................................................................................................................................................................................................................................................... 33, 292 Nationales Versandhaus................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 94, 292 358 Anhang - Register Neonationalsozialisten 2 4 f., 27, 31, 35, 50 f., 52 ff., 63 ff., 98, 117, 120, 122, 130 ff., 138, 142, 144, 296, 300, 305 Neubeginn (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 81, 134, 292 Neuensalz (Vogtlandkreis)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 74 New Society............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 67, 104, 292 Niederkaina (Landkreis Bautzen)..................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 64, 98 Niesky (Landkreis Görlitz)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 2 92 NSDAP............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 29 ff., 38, 41 N. S. HEUTE............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 30, 52 f., 55 O ÖCALAN, Abdullah.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 64 f., 269, 271 Oelsnitz (Vogtlandkreis)........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 58, 113 Offensive für Deutschland (OfD)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 3 13 Oiram (Liedermacher)............................................................................................................................................................................................................................................................................ 59, 78, 80, 85, 116, 118 OLDSCHOOL RECORDS............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 1 32 Oldschool Society (OSS)........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 95 f., 121, 292, 313 Orthodoxe linksextremistische Parteien und Organisationen................................................................................................................................................................................. 2 32 Ostritz (Landkreis Görlitz)............................................................................................................................................................................................................................................................................. 49, 68, 78, 87, 116 Österreich.................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 73, 108 f., 116, 123, 224, 258 Outing......................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 04, 178, 188, 205 f., 210 f., 213 f., 238 O verdressed (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 81, 131 f., 292 P Paranoid (Band).................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 77 f., 81, 114, 292 Paris (Frankreich)...................................................................................................................................................................................................................................................................... 190, 196, 211, 256, 277, 293 Partei der Demokratischen Union (PYD)............................................................................................................................................................................................................................. 265, 268, 294, 313 PC-Records.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 67, 90 ff., 94, 105, 292 Peckerwood Brotherhood...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 66, 137, 292 PEGIDA..................................................................................................................................................................................... 43, 61, 66, 72, 108, 159, 173, 199 ff., 205, 208, 210, 235 Phil von FLAK (Sänger von A3stus).............................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 8 9 Piattmar (Liedermacher)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 85 Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge)................................................................................................... 4 4, 66, 89, 135 ff., 214, 250 f. Pionier (Band)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 82, 105, 292 Plauen (Vogtlandkreis)...................................................................................................................... 32 f., 44, 59, 85, 88 f., 139 ff., 146, 210 f., 213, 240, 293 Polen..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 41, 79, 110, 268 Prisma - Interventionistische Linke Leipzig (PRISMA).................................................................................................................... 167, 170, 176 f., 182, 185, 190, 193 ff., 199, 226, 294, 313 Pro Patria (Bandprojekt)....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 82, 292 R Rac'N'Roll Teufel (Bandprojekt)..................................................................................................................................................................................................................................... 78, 89, 114, 145 f., 292 Radeberg (Landkreis Bautzen).................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 91, 100 f. 359 Anhang - Register Rätedemokratie..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 224 f. Rechtes Plenum..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 04 REGENER, Michael...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 75 Reichsbürger und Selbstverwalter................................................................................................................................................................................................................................................ 10, 15, 156 ff., 293 RENNICKE, Frank............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 5 8, 88 f., 112 RePro-Medien................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 91, 100, 292 Revolutionäre Nationale Jugend (RNJ).......................................................................................................................................................................................................................................................... 138, 292, 313 Revolution (Revo).............................................................................................................................................................. 7 1, 163 f., 206, 223 ff., 239, 268, 294, 298, 305, 313 RICHTER, Simon.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 41, 58, 100 Riesa (Landkreis Meißen)................................................................................................................................................................................................. 3 8, 43 f., 49, 75, 82, 88 f., 126 f., 251 Ring Nationaler Frauen............................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 35, 37, 292, 313 Rojava............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 239, 268 Rommel (Liedermacher).............................................................................................................................................................................................................................................................................................. 78, 85 f., 105, 145 Rosenthal-Bielatal (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge).................................................................................................................. 87, 100, 137 ROTE FAHNE..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 27, 355 Rote Hilfe e. V. (RH).................................................................................................................................................................................................................................... 163 f., 185, 227 ff., 238 f., 294, 313 RUMIYAH (Online-Magazin des IS)........................................................................................................................................................................................................................................................................................... 254 ff. Russische Föderation............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 2 74 f. Russland................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 57, 261, 275, 280, 282 RZEHACZEK, Paul........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 46, 49 S Sachsenblut (Band)...................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 82, 131, 137, 292 Sächsische Begegnungsstätte gemeinnützige Unternehmergesellschaft (SBS)............................................................... 250 ff., 260, 294, 313 Sachsonia (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 7 8, 82, 88, 110, 292 Salafismus.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 17, 241, 243 ff., 260, 307 SATTELBERG, Thomas.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 139 Scenario Lok................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 6 7, 292 Scharia............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 2 42 ff., 249, 302, 304, 307 SCHIMMER, Arne.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 46, 98, 102, 112 Schlesische Jungs Niesky............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 92 Schneeberg (Erzgebirgskreis)...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 81, 84 SCHREIBER, Peter................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 46, 125 Selbststeller (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 82, 89, 100, 126, 292 SELLNER, Martin................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 109, 123 Sicherheitsüberprüfung............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 285 ff. Sista Bataljen (Band).............................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 83, 105, 114, 292 SKODA, Sven................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 3 0 Social Engineering......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 278, 280 Spionage...................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 9 f., 15 f., 272 f., 301, 308, 310 staatenlos .info........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 159 f., 293 Stahlfront (Band)................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 78, 83, 86 f., 145 f., 292 360 Anhang - Register Stahlwerk (Band)..................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 83, 86, 88, 110, 131, 137, 292 Staupitz (Ortsteil von Torgau, Landkreis Nordsachsen)............... 74 f., 82 ff., 100, 105, 110, 114, 124, 134, 137 Stereotyp (Band)...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 83, 137, 293 STROHMEIER, Walter........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 34 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten........................................................................................................... 2 7, 51, 65, 111, 115, 118, 142, 153, 308 SUNIC, Dr. Tomislav........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 103 Syrien................................................................................................................................................................................................................................................................................... 245 f., 253, 255 f., 261, 268, 270, 274 T Tablighi Jama'at (TJ)............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 259 f., 294, 313 Tabula Rasa............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 198, 294 The future is unwritten (tfiu)................................................................................................................................................................. 170, 185 f., 194 ff., 211, 226, 231, 294, 313 Themar (Thüringen)....................................................................................................................................................................................................................................................................... 67, 74 f., 79, 110, 122, 145 Thematik 25........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 83 f., 110, 124, 131, 293 THÜGIDA & Wir lieben Sachsen e. V................................................................................................................................................................................................................................. 59 ff., 120, 206, 293 Thüringen 28, 33, 36, 38, 43, 50, 59, 74 f., 79, 81, 83, 104, 122, 127, 139, 141, 145, 203, 211 Torgau (Landkreis Nordsachsen)................................................................................................................................................................. 6 0 f., 74 f., 81, 86 ff., 124, 130, 133 f. Treueschwur (Bandprojekt)............................................................................................................................................................................................................................................................................... 78, 82 f., 105, 293 True Aggression (Band).......................................................................................................................................................................................................................... 76 ff., 84, 86 f., 100, 127, 137, 293 Tschechische Republik.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 59 Türkei........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 2 59, 263 ff., 267 ff., 271, 276 Türkische Hizbullah (TH)........................................................................................................................................................................................................................................................ 67, 86 f., 89, 259, 294, 313 U Überzeugungstäter Vogtland (Band).............................................................................................................................................................................................................................. 78, 84, 86 f., 141, 293 (...) ums Ganze!-Bündnis................................................................................................................................................................................................................................. 170 f., 177, 195, 198 f., 204, 294 Undogmatische Radikale Antifa (URA Dresden)...................................................... 170, 174, 177, 199, 201, 203 f., 211, 215, 294, 313 UTA Frauenrat Dresden e. V....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 268, 294 V Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK)........................................................................................................................................................................................................................ 267, 295, 314 Verboten (Band)..................................................................................................................................................................................................................................... 36, 84, 105, 114, 249, 266, 291 f., 308 Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK)................................................................................................................................................................................................................................... 265, 294, 312 Vogtland........................................................................................................................................................................................................... 28, 33 f., 78, 84, 86 f., 102, 138 ff., 143, 292 f., 313 Vogtlandkreis 2 5 f., 28, 33, 37, 45, 59, 74, 78, 90, 138 ff., 150, 158 f., 165, 169, 210, 213, 236 Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK)..................................................................................................................................................................................................................................................................................... 312 Volksnah 2.0............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 84, 293 Volksverteidigungseinheiten (YPG)........................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 65, 294, 313 Volksverteidigungskräfte (HPG).............................................................................................................................................................................................................................................................. 265, 267, 294, 312 361 Anhang - Register W Weisse Wölfe Terrorcrew (WWT) 293, 314 Weißwasser (Landkreis Bautzen)................................................................................................................................................................................................ 66, 80, 85 ff., 89, 116 ff., 291 Wir für Leipzig.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 57, 63 f., 123, 133, 293 Wirtschaftsschutz................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 10, 15, 283 f., 310 White Resistance (Band)............................................................................................................................................................................................................... 78, 84, 86 f., 114, 127, 137, 146, 293 WORCH, Christian........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 4 9 WRUCK, Marco..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 97 WULFF, Thomas................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 34 Wurzen (Landkreis Leipzig)...................................................................................................................................................................................................................................................................................... 1 20 f., 196, 215 W. U. T. (WHITE UNITED TERROR)........................................................................................................................................................................................................................................ 78, 85, 87, 100, 293 Y YENI ÖZGÜR POLITIKA....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 2 64, 268 Z Zittau (Landkreis Görlitz)...................................................................................................................................................................................................................................................... 67, 85, 87, 100, 117, 251 Zwickau (Landkreis Zwickau) 25 f., 29, 37, 44 f., 60, 69, 78, 80 ff., 85, 89 f., 103, 140 ff., 142 ff., 158 f., 165, 169, 210, 236 362 Herausgeber und Redaktion: Sächsisches Staatsministerium des Innern und Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Gestaltung und Satz: SV SAXONIA VERLAG für Recht, Wirtschaft und Kultur GmbH / SAXONIA Werbeagentur - www.saxonia-werbeagentur.de Druck: Neue Druckhaus Dresden GmbH Redaktionsschluss: 6. April 2018 Bezug: Diese Druckschrift kann kostenfrei bezogen werden beim: Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60, 01129 Dresden Telefon: +49 351 85850 Telefax: +49 351 8585500 E-Mail: verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.verfassungsschutz.sachsen.de Verteilerhinweis: Diese Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidaten oder Helfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung bei der Wahlwerbung. 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April 2018 Bezug: Diese Druckschrift kann kostenfrei bezogen werden beim: Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Neuländer Straße 60, 01129 Dresden telefon: +49 351 85850 telefax: +49 351 8585500 E-Mail: verfassungsschutz@lfv.smi.sachsen.de www.verfassungsschutz.sachsen.de