MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2018 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2018 ISSN 0948-8723 1 2 Vorwort Im Jahr 2018 instrumentalisierte in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Kandel eine diffuse Protestszene ohne Berührungsängste zum rechtsextremistischen Spektrum die Ermordung einer jungen Frau durch einen afghanisch-stämmigen Flüchtling für fremdenfeindliche Hetze. Im sächsischen Chemnitz versammelten sich im August 2018 in kürzester Zeit mehrere Tausend rechtsgerichtete Demonstranten und tragen menschenverachtenden Hass auf die Straße. Zwei Tage vor dem 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, wurden sieben Mitglieder der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppierung "Revolution Chemnitz" festgenommen. Ein afghanischer Asylbewerber mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz verübte am 31. August 2018 im niederländischen Amsterdam ein Messerattentat auf zwei amerikanische Touristen; kurz vor Silvester wurde in Mainz ein in den Niederlanden wohnhafter syrischer Staatsangehöriger festgenommen, der mutmaßlich in eine Anschlagplanung in den Niederlanden verwickelt ist. In beiden Fällen wird von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen. In Nordrhein-Westfalen mischten sich 2018 bei Protesten gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst gewaltorientierte Linksextremisten unter die Demonstranten. An Silvester 2018 verübten offenkundig Linksextremisten einen Brandanschlag auf ein Gebäude des Bundesgerichtshofs in Leipzig. In Bremen wurde Anfang Januar 2019 ein Politiker auf offener Straße angegriffen. In Hessen wurde nahezu zeitgleich ein zwanzigjähriger Schüler festgenommen, der in sozi- 3 alen Netzwerken mutmaßlich persönliche Daten von Personen des öffentlichen Lebens "gehackt" und dann via Internet verbreitet hat. Dies sind nur einige wenige schlagzeilenträchtige Ereignisse, die bis in das Jahr 2019 hinein für öffentliche Aufmerksamkeit sorgen. Allesamt wirken sie sich auf unterschiedliche Weise auf die Innere Sicherheit aus und stehen gleichsam stellvertretend für eine Reihe gesellschaftspolitischer Herausforderungen. Die Geschehnisse führen uns aber auch vor Augen, wie gefährdet Freiheit und Demokratie, das Fundament unseres friedlichen Zusammenlebens, sind. Gerade in Deutschland wissen wir aus leidvoller historischer Erfahrung, dass die freiheitliche Demokratie nicht selbstverständlich ist. Soll sie von Dauer sein, muss sie, bildlich gesprochen, jeden Tag aufs Neue erstritten und verteidigt werden. Die Wahrung der Inneren Sicherheit ist dabei ein Schlüsselfaktor, der Verfassungsschutz ein Schlüsselelement. Der Verfassungsschutz ist zugleich Aufklärer wie auch Frühwarninstrument für Politik und Gesellschaft. Seine Beobachtungsergebnisse und Analysen über die unterschiedlichen extremistischen und sicherheitsrelevanten Gefahrenpotenziale bilden eine wichtige Grundlage für die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung und exekutive Maßnahmen. In diesem Sinne lässt sich der vorliegende Bericht wie folgt zusammenfassen: Im Bereich des Islamismus sind vermehrt Hinweise auf mögliche Angehörige terroristischer Organisationen eingegangen und ein kontinuierlicher Zuwachs der salafistischen Szene zu beobachten. Im Ganzen gilt es, wachsam zu sein gegenüber individuellen Radikalisierungsverläufen, die zur Unterstützung, Planung oder gar Begehung von Terroranschlägen führen können. Darüber hinaus sind die zielgerichteten und sehr beharrlichen Bemühungen islamistischer Organisationen um verstärkte politische und öffentlich-gesellschaftliche Einflussnahme im Auge zu behalten. Während das zugrundeliegende Weltbild sowohl radikalisierter Einzelpersonen als auch gewaltfreier islamistischer Organisationen durch eine Ablehnung wesentlicher Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie durch antiwestliche Feindbilder charakterisiert ist, so unterscheiden sich doch ihre Vorgehensweisen. Mithin bedarf die Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen entsprechend angepasste Aufklärungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. 4 Auch dem Rechtsextremismus gilt weiterhin die ungeteilte Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Ganz unterschiedliche Entwicklungen prägen das aktuelle Lagebild. Während auf der einen Seite weitgehend abgeschottet und damit abseits der öffentlichen Wahrnehmung eine Radikalisierung einzelner Akteure und vergleichsweise kleinerer, überregionaler Netzwerke via sozialer Medien stattfindet, haben andere Teile des rechtsextremistischen Spektrums ihre Bemühungen um gesellschaftliche Anschlussfähigkeit verstärkt. Letztere nutzen gezielt den öffentlichen Raum, indem sie gesellschaftspolitische Reizthemen instrumentalisieren, um Ressentiments gegenüber "Fremden" zu befeuern. Dabei wahren sie vordergründig verbale Zurückhaltung, verschleiern und vertuschen ihre Ziele. Es steht außer Frage, dass es zwischen dem rechtsextremistischen Gewalttäter und dem rechtsextremistischen Provokateur in Nadelstreifen keine weltanschauliche Divergenz gibt. Sie beide vereint ein menschenverachtendes Gesellschaftsbild, getragen vor allem von Rassismus und Antisemitismus. Daher gibt es aus Sicht der Landesregierung keinerlei Veranlassung, in der Bekämpfung des Rechtsextremismus nachzulassen. Entschiedenes Vorgehen, umfassende Prävention und Hilfen für Ausstiegswillige bleiben dabei die Eckpunkte. Letzteres gilt ebenso für das so genannte Reichsbürger-Spektrum. Die intensive Beobachtung dieser Klientel durch den Verfassungsschutz und deren landesweite Erfassung sind nicht ohne Folgen geblieben. Als Ergebnis der Arbeit der Sicherheitsbehörden wurden im engen Schulterschluss mit der Verwaltung mit Priorität Einzelfallprüfungen mit dem Ziel des Entzugs waffenrechtlicher Erlaubnisse und dem Einzug von Waffen angestrengt. Ein in diesem Zusammenhang Ende 2018 ergangenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, das das Vorgehen der Verwaltung für rechtens erklärt, wertet die Landesregierung als positives Signal und bestärkt sie in ihrem konsequenten Vorgehen gegen diese Staatsund Rechtsverweigerer. Der Linksextremismus ist im Fokus des Verfassungsschutzes. Sorgen bereitet insbesondere die bei gewaltorientierten Szeneangehörigen kontinuierlich gesunkene Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegenüber dem politischen Gegner sowie Vertretern des Staates wie insbesondere Polizeibeamtinnen und -beamte. Dabei bekämpfen die Linksextremisten unter dem Deckmantel des "Antifaschismus" letzthin unseren freiheitlichen Rechtsstaat. Exemplarisch ist das Auftreten 5 linksextremistischer Kreise bei Protesten im Jahr 2018 im südpfälzischen Kandel, die sich gegen Aufmärsche aus Anlass eines Tötungsdelikts an einer 15-jährigen Jugendlichen richteten. Bei extremistischen Bestrebungen von ausländerbezogenen Organisationen ohne Bezug zum Islamismus wie beispielsweise der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die bundesweit mit einem Betätigungsverbot belegt ist, besteht weiterhin die latente Gefahr, dass sich die in der Heimat ausgetragenen Konflikte und gewalttätigen Auseinandersetzungen auch in Deutschland im Rahmen demonstrativer Aktionen eskalierend ausbreiten. Die Spionageabwehr bleibt eine wichtige Aufgabe des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes. Fremde Nachrichtendienste sind auf dem Gebiet der Bundesrepublik unvermindert aktiv. Sie sammeln sicherheitssensible Informationen über (militär-)politische und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse oder spähen zum Beispiel Oppositionelle aus, die politisches Asyl erhalten haben. Neben den bekannten Hauptakteuren, wie beispielsweise die Russische Föderation oder die Volksrepublik China, verstärken die Türkei und einzelne Länder des Nahen Ostens ihre Spionageaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch Ausspähungsbemühungen gegen die Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung finden auf hohem Niveau statt. Dabei spielt der Einsatz elektronischer Medien mittlerweile eine Schlüsselrolle. Unterschiedlichste Cyber-Angriffskampagnen richten sich gegen Behörden und Unternehmen. Dabei kann oftmals aufgrund der Angriffsmethode das eigentliche Ziel, Cyber-Spionage oder -Sabotage, nicht eindeutig identifiziert werden. Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes wird die Beratung und Sensibilisierung rheinland-pfälzischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz fortgeführt. Roger Lewentz Minister des Innern und für Sport 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 12 II. Verfassungsschutzbericht 2018 14 III. Strukturdaten 14 IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit 15 1. Extremismusprävention 15 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft 20 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen I. Brennpunktthemen 23 1. Beeinflussen, mobilisieren, radikalisieren - die digitale Welt im Fokus von Extremisten, Terroristen und fremden Nachrichtendiensten 24 2. Auf dem Weg in die Mitte - Extremisten auf der Suche nach Anschlussfähigkeit 33 3. Kampfsport im Rechtsextremismus 36 II. Rechtsextremismus 41 1. Überblick und Entwicklungen 2018 42 2. Personenpotenzial 44 3. Rechtsextremistisches Spektrum 44 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus 45 "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan" (NSK-KKK) 47 "Combat 18" (C18) 48 7 3.2 Rechtsterrorismus 49 3.3 Rechtsextremistische Parteien 50 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 51 "Junge Nationalisten" (JN) 56 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 57 3.3.2 "Der III. Weg" 58 3.3.3 "Die Rechte" 62 3.4 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 65 3.4.1 "Neue Rechte" 65 "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 67 3.4.2 Neonationalsozialisten 71 3.5 Weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial 74 3.5.1 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 74 "Hammerskins" 75 3.5.2 Rechtsextremistische Musikszene 76 III. "Reichsbürger"-Spektrum 79 1. Überblick und Entwicklungen 2018 80 2. Personenpotenzial 81 3. Soziologie und Strukturen 81 4. Weltanschauung und Strömungen 83 5. Aktivitäten und Vorgehensweisen 86 IV. Linksextremismus 87 1. Überblick und Entwicklungen 2018 88 2. Linksextremistisches Personenpotenzial 90 3. Gewaltbereiter Linksextremismus 90 8 3.1 Autonome 91 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 92 V. Islamismus 95 1. Überblick und Entwicklungen 2018 96 2. Islamistisches Personenpotenzial 97 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 98 3.1 International 98 3.2 Bundesrepublik Deutschland 100 3.2.1 Anschlagsgefahr 100 3.2.2 Reisebewegungen 101 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 102 4.1 Salafistische Bestrebungen 104 4.2 HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") 107 4.3 Hizb Allah ("Partei Gottes") 108 4.4 "Kalifatsstaat" 109 4.5 Muslimbruderschaft 110 4.6 Türkische Hizbullah 112 VI. Sicherheitsgefährdende und extremistische 113 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick und Entwicklungen 2018 114 2. Personenpotenzial 115 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK 115 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 120 9 VII. Spionageabwehr 123 1. Aufgabe und allgemeine Lage 124 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 125 2.1 Themenfeld Spionage 125 2.2 Themenfeld Proliferation 130 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 132 2.4 Cyberangriffe 133 VIII. Geheimund Sabotageschutz 135 C. Anhang 137 I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 138 II. Register 139 III. Rechtliche Grundlagen 142 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 11 I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Verfassungsschutzbehörde in Rheinland-Pfalz ist das Ministerium des Innern und für Sport, dort eingerichtet als Abteilung 6. Als "Frühwarnsystem" hat die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz den gesetzlichen Auftrag, insbesondere alle politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen zu beobachten und auszuwerten, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen - vereinfacht gesagt, die zum Ziel haben, die bestehende Rechtsordnung zu beseitigen (vgl. SSSS 4 und 5 Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG). Gemeint sind damit verfassungsfeindliche, also extremistische Bestrebungen. Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Ja, ich möchte weiter gehen. Ich möchte sagen: Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen. Carlo Schmid, Auszug der Rede im Parlamentarischen Rat am 8. September 1948 Vom gesetzlichen Beobachtungsauftrag nicht umfasst sind hingegen radikale Bestrebungen oder Verlautbarungen sowie bloße Meinungsbekundungen und politische Einstellungen. Entsprechende Äußerungen, erst recht populistische, mögen provokativ und polemisch sein; gleichwohl sind sie von der grundgesetzlich verbürgten Meinungsfreiheit gedeckt. 12 Insofern beschränken sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen, Lagebilder und Operativmaßnahmen des Verfassungsschutzes sind wichtige Beiträge für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz in einem nicht geringen Maße aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und auf der Basis der einschlägigen gesetzlichen Regularien - nachrichtendienstliche Mittel zur verdeckten Informationsbeschaffung ein (z.B. Vertrauenspersonen). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer vielschichtigen Kontrolle. Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der Kommission auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit umfassende Kontrollrechte. Über Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz entscheidet die vom Landtag eingesetzte unabhängige G10-Kommission im Einzelfall. 13 II. Verfassungsschutzbericht 2018 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht bedeutet, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat. Die Zahlenangaben sind daher teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2018. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Der vom Landtag Rheinland-Pfalz beschlossene Haushaltsplan der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz weist für 2018 insgesamt 193 Stellen (2019: 195) aus. 14 Das Budget für Sachausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2018 betrug 1.450.000 EUR und 850.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit Unter der Prämisse "Prävention durch Information" betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit umfassend informiert, so auch im jährlichen Verfassungsschutzbericht. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einem gesetzlichen Auftrag Folge. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu AufHaben Sie Interesse an einer Vortragsgaben und Befugnissen des Verfasveranstaltung? Bitte wenden Sie sich an: sungsschutzes sowie zu allen verfassungsschutzrelevanten Themenfeldern Ministerium des Innern und für Sport durchgeführt. Allein im Jahr 2018 nahAbteilung Verfassungsschutz men an insgesamt 60 Vortragsund Schillerplatz 3-5 Diskussionsveranstaltungen des rhein55116 Mainz Tel.: 06131/16-3773 land-pfälzischen Verfassungsschutzes Fax: 06131/16-3688 oder unter dessen Beteiligung rund Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de 4.250 Personen teil. Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. 1. Extremismusprävention In Rheinland-Pfalz hat die frühzeitige, dauerhafte und vielgestaltige Prävention gegen jede Form des Extremismus einen hohen Stellenwert, denn Repression allein trocknet den Nährboden für Extremismus nicht aus. Ausrichtung und 15 Schwerpunkte der Prävention orientieren sich dabei stets an den aktuellen Gefährdungsund Gefahrenlagen. Bei der Prävention wird in Rheinland-Pfalz ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Wichtig unter dem Aspekt der Generalprävention ist beispielsweise allgemein die Verbesserung von Lebenssituationen, denn Menschen in prekärer Lage gehören bekanntermaßen zu den bevorzugten Zielgruppen extremistischer Agitation. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht. Dies zielt darauf ab, Demokratiebewusstsein, Toleranz und Zivilcourage zu stärken, um den Gefahren menschenverachtender Ideologien begegnen und widerstehen zu können. Ebenso wichtig sind zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement als gelebte Demokratie sowie die Festigung und Verstetigung der Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Zu den vielfältigen Präventionsmaßnahmen zählt nicht zuletzt auch die intensive Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes über extremistische Umtriebe unter dem Motto "Prävention durch Information". Präventionsagentur gegen Extremismus Mit Ministerratsbeschluss vom 10. Juni 2008 wurde beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz zur Intensivierung der themenbezogenen Präventionsarbeit die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus eingerichtet. Die Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten lagen bislang auf den Feldern Koordination, Kooperation, Dokumentation und nicht zuletzt der Information. Eine Fokussierung allein auf das Thema Rechtsextremismus reicht nicht aus. Um den aktuellen Anforderungen einer umfassenden Information über alle relevanten extremistischen und sicherheitsgefährdenden Erscheinungsformen gerecht zu werden, bedarf es einer Einrichtung, die in konzentrierter Form die Präventionsmaßnahmen fortführt. Um dies seitens des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes zu gewährleisten, besteht die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus daher mit im Wesentlichen gleicher Aufgabenkonstellation seit 2017 als Präventionsagentur gegen Extremismus fort. 16 Auch künftig gilt für die Präventionsarbeit des Verfassungsschutzes: Es wird schwerpunktmäßig über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen informiert, damit die Adressaten der Informationen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen können. Die Aufmerksamkeit gilt dabei auch und gerade dann, wenn "nur" von einer abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" führt die Präventionsagentur mit Schwerpunkt die Aufklärung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche fort. Die Präventionsagentur steht Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie hierdurch über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit extremistischem Bezug in Landkreisen, Städten und Gemeinden, werden diese, auf Wunsch auch vor Ort, individuell informiert. 1.1 Programme des Landes gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfen für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial oder Konzertveranstaltungen werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch werden der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. 17 Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 4546 000) und über ein Internetportal (www.komplexrlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Zudem besteht seit Ende 2010 daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Seit 2001 wurden annähernd 19.000 Beratungsund Auskunftsgespräche geführt. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 1.2 Programme des Landes gegen Antisemitismus Am 2. Mai 2018 nahm der neu berufene Beauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz seine Arbeit auf. Er fungiert als Ansprechpartner für Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer jüdischen Glaubens, als ein Bindeglied zwischen der Landesregierung und den jüdischen Gemeinden im Land und als Koordinator aller Bemühungen zur Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus. 1.3 Programme des Landes gegen Islamismus Der Ministerrat hat im September 2015 das "Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in Rheinland-Pfalz" beschlossen. Es wurde unter Federführung des Jugendministeriums in enger Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium, dem Justizministerium und dem Innenministerium erarbei18 tet. Ausgangspunkt für diesen ressortübergreifenden Ansatz war die Überzeugung, dass die Komplexität des Islamismus ein Präventionskonzept erfordert, in dem die Expertise unterschiedlicher Behörden gebündelt ist. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der allgemeinen und spezifischen Prävention einerseits und einer Beratungsstelle zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung und einzelfallbezogener Intervention andererseits. Die Koordinierung der Präventionsprojekte obliegt dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Der Verfassungsschutz leistet im Bereich der allgemeinen Prävention einen Beitrag, indem er Informationen zum Islamismus zur Verfügung stellt: # im Internet unter www.mdi.rlp.de, # in der Broschüre "Salafistische Radikalisierung - Ursachen und Auswege", die gemeinsam mit der Polizei erstellt wurde, # in Fachvorträgen, Informationsveranstaltungen und Workshops für unterschiedliche Berufsund Zielgruppen. Zweck der Informationsvermittlung ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Behörden und Einrichtungen für die Thematik der islamistischen Radikalisierung zu sensibilisieren und sie bei der frühzeitigen Erkennung von Radikalisierungsverläufen oder einer bereits eingetretenen Radikalisierung zu unterstützen. Seit März 2016 existiert in Rheinland-Pfalz die Beratungsstelle "Salam" mit folgenden Aufgaben: # Beratung von Angehörigen und pädagogischen Einrichtungen, # Beratung und Deradikalisierung von Radikalisierten, # Ausstiegshilfen, z.B. für Syrienrückkehrer. Träger der Beratungsstelle ist das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Mainz (Telefon: 0800-7252610, Email: salam@lsjv.rlp.de). 19 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft Zum Schutz der rheinland-pfälzischen Unternehmen haben die Landesregierung, die Kammern und Unternehmensverbände sowie die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft im Jahr 2005 eine förmliche Sicherheitspartnerschaft vereinbart, deren Wurzeln bis zur Mitte der 90er Jahre zurückreichen und die bundesweit hohe Beachtung findet. In der Gemeinsamen Erklärung zur Bildung einer Sicherheitspartnerschaft haben sich die Unterzeichner darauf verständigt, insbesondere die mittelständischen und exportorientierten Betriebe im Handel, Handwerk und Gewerbe hinsichtlich der Gefährdungen durch Wirtschaftsspionage, Proliferation, Sabotage, Extremismus und Terrorismus zu sensibilisieren und durch vielfältige Informationsangebote die erforderliche betriebliche Eigenvorsorge zu fördern. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz nimmt dabei eine koordinierende Rolle wahr. Weitere Informationen zur Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft sind unter https://mdi.rlp.de/de/unsere-themen/sicherheit/verfassungsschutz/spionageabwehr-und-wirtschaftsschutz/ abrufbar. 20 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 21 22 I. Brennpunktthemen 23 Mehrere Brennpunktthemen sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes auf längere Sicht von besonderer Relevanz. Mit den Beiträgen über Meinungsmanipulation durch Extremisten und Geheimdienste mittels sozialer Medien und den Versuchen von Extremisten, Anschluss an das bürgerliche Lager zu finden, werden zwei Querschnittsthemen aufgegriffen. Die Thematik Kampfsport wird fokussiert am Beispiel Rechtsextremismus beleuchtet. 1. Beeinflussen, mobilisieren, radikalisieren - die digitale Welt im Fokus von Extremisten, Terroristen und fremden Nachrichtendiensten Die digitale Welt beeinflusst mit großer Dynamik unser Leben und das gesellschaftliche Miteinander. Insbesondere die sozialen Medien haben hieran großen Anteil und sind ungebrochen auf dem Vormarsch. Eine stetig wachsende Zahl von Menschen weltweit kommuniziert über soziale Medien; im Januar 2019 nutzten allein Facebook annähernd 2,27 Milliarden Menschen, gefolgt von YouTube mit 1,9 und WhatsApp mit 1,5 Milliarden Nutzerinnen und Nutzern.1 Die Vorteile dieser Entwicklung sind unbestritten, allerdings gibt es auch Schattenseiten. Die starke Verbreitung und Nutzung sozialer Medien, verbunden mit der Möglichkeit, Informationen nicht nur zu konsumieren, sondern für einen großen Empfängerkreis zu produzieren, weckt bei Extremisten, Terroristen und fremden Nachrichtendiensten Interesse und Begehrlichkeiten. Schon ihre bloße Präsenz, aber vor allem ihr aktives Verhalten in der digitalen Welt sind zu einer zunehmenden Herausforderung für die Sicherheitsbehörden und für die freiheitliche Gesellschaft insgesamt geworden. Die Gründe liegen auf der Hand: Viele Verfassungsfeinde mögen zwar in weltanschaulicher Sicht rückwärtsgewandt sein, in technischen Belangen und in Fragen zeitgemäßer Kommunikation sind sie es nicht; sie sind von Beginn an "online". Die sozialen Medien sind für sie dabei in vielfacher Hinsicht ideale Instrumente im politischen Kampf und Spiegelbild für die Aufstellung der Szene. 1 Vgl. Statistikdatenbank https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181086/umfrage/die-weltweit-groessten-social-networks-nach-anzahl-der-user/, aufgerufen am 4. Februar 2019. 24 Dabei schreitet in dem Zuge, wie sich die digitale Welt rasant weiterentwickelt, auch die Professionalisierung auf extremistischer Seite voran. Während man sich anfangs - und dies ist lange her - mit den bescheidenen Möglichkeiten einer Mailbox und Homepage begnügte, bestimmen heute multimediale Profile in sozialen Netzwerken und Interaktion das Bild. Selbstverständlich werden alle Darstellungsund Kommunikationsformen wie Blogs und Messenger-Dienste genutzt. Extremisten profitieren von den Vorteilen sozialer Medien wie Reichweite, Multimedialität, Zugänglichkeit und nicht zuletzt der Aktualität. Ein (vorläufiges) Fanal war die Verbreitung von Liveaufnahmen des Massakers an Muslimen in einer Moschee im neuseeländischen Christchurch am 15. März 2019 in sozialen Medien. Die Gefahren, die durch den manipulativen Missbrauch im digitalen Raum heraufbeschworen werden können, sind vielschichtig. Verfassungsfeinde, die sich untereinander mit "Fake News" und Hetze "befeuern", festigen die eigenen Reihen und ihre weltanschauliche Beschaffenheit. Propaganda und Agitation können bislang Unbeteiligte in einen Strudel individueller Selbstradikalisierung ziehen. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Neben den mannigfaltigen Aktivitäten von Extremisten und Terroristen in der digitalen Welt stechen die Machenschaften von fremden Nachrichtendiensten besonders hervor. Der Schwerpunkt ihres Tuns ist - neben der "klassischen" Die beste und sicherste Tarnung Gewinnung von Informationen - die ist immer noch die blanke und Meinungsbeeinflussung mit dem langnackte Wahrheit. Die glaubt niefristigen Ziel der Destabilisierung von mand! Gesellschaften und ganzen Staaten. Max Frisch Die in diesem Sinne agierenden staatlich gelenkten fremden Nachrichtendienste, die quasi als global Player auftreten, verfügen über das hierfür nötige Know-how und die Ressourcen. Dabei spielt ihnen die technische Entwicklung in die Hände. Social Bots, selbständig agierende Computerprogramme, die in sozialen Medien kommunizieren und "Nachrichten" generieren können, sind nur ein Beispiel für Maschinen gesteuerte Manipulation, um ein Meinungsbild zu verzerren und politisch Einfluss zu nehmen. Viele Faktoren formen demnach das Bild eines facettenreichen, sicherheitsre25 levanten Teils der digitalen Welt. Auf einige dieser Faktoren wird im Folgenden vertiefend eingegangen. Kommunikation, Vernetzung und Mobilisierung Von wesentlicher Bedeutung in der digitalen Welt ist für extremistische Kreise die Kommunikation unter ihresgleichen. Sie dient der Vernetzung, der Mobilisierung und der Bestätigung bzw. der gegenseitigen weltanschaulichen Festigung. Nicht zuletzt dient sie damit intern der Meinungsbildung und -verstetigung. Im extremistischen Spektrum sind durch intensive interne Kommunikation und Vernetzung im Laufe der Zeit quasi virtuelle "Parallelwelten" entstanden. Während die Vernetzung in der Vergangenheit vornehmlich aufgrund persönlicher Kontakte ("Face to Face") erfolgte, vollzieht sie sich heute deutlich intensiver und geografisch weitreichender über die sozialen Medien aber auch dezentral strukturierte Peer-to-Peer-Netzwerke. Hieraus resultiert allerdings nicht in allen Fällen eine ebenso intensive wie dauerhafte strukturelle Vernetzung oder organisatorische Verzahnung in der "Realwelt". Die zunehmende Vernetzung auch von Terrororganisationen in der digitalen Welt hat weitreichende sicherheitspolitische Folgen, wie am Beispiel der Terrorfinanzierung deutlich wird. Gerade international agierende Terrororganisationen wie der "Islamische Staat" (IS) sind auf Finanzmittel angewiesen, um ihre Netzwerke aufrechtzuerhalten, Anhänger zu rekrutieren, ihre Logistik zu organisieren und Anschläge zu begehen. Zur anonymen Abwicklung von Transaktionen bedienen sich diese nicht ohne Grund digitaler Währungssysteme (Kryptowährungen). Virtuelle Währungen wie Bitcoin stellen die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung vor neue Herausforderungen, weil sie keiner zentralen oder staatlichen Kontrolle unterliegen - das Bitcoin-Netzwerk steuert sich selbst. Verbindungen zu Personen oder einem bestimmten Rechner herzustellen, ist mit den Informationen allein aus dem Bitcoin-System nicht möglich. Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse vor, dass Kryptowährungen von verschiedenen Terrororganisationen für grenzüberschreitende Finanztransaktionen herangezogen werden. Eine verlässliche Einschätzung des Umfangs der 26 Nutzung von Bitcoin für Terrorfinanzierung in Deutschland und Europa ist derzeit zwar nicht möglich. Bekannt sind aber Aufrufe im Internet, terroristische Organisationen finanziell zu unterstützen, meist verbunden mit genauen Anweisungen, über welche Netzwerke und an welche Konten die Gelder überwiesen werden sollen. Es spricht einiges dafür, dass das hohe virtuelle Vernetzungsniveau in extremistischen Kreisen auch ein gesteigertes Mobilisierungsvermögen mit bedingt. Dies zeigt sich nicht zuletzt im Rechtsextremismus durch anlassbezogene, spontane öffentlichkeitswirksame Aufmärsche wie im sächsischen Chemnitz im August 2018.2 Durch Aufrufe in sozialen Medien konnte dort in kürzester Zeit ein beträchtliches, mehrere Tausend Personen umfassendes Protestpotenzial mobilisiert werden. In diesem Zuge ist zu beobachten, dass von rechtsextremistischer Seite auch und gerade parallel zu Demonstrationsaufrufen des bürgerlichen Lagers via sozialer Medien mobilisiert wird. Die Präsenz von Rechtsextremisten wie bei einer Reihe von Aufmärschen im rheinland-pfälzischen Kandel im Jahr 2018 ist dabei Ausdruck eines Bemühen um Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Mitte (vgl. Brennpunktthema Nr. 2.). Ein vergleichbares Vorgehen ist im Linksextremismus zu beobachten. Auch Linksextremisten nutzen zunehmend soziale Medien zur Aktionsplanung, Kampagnenarbeit und Mobilisierung zu Großaktionen, so geschehen im Jahr 2017 gegen den G 20-Gipfel in Hamburg oder 2018 im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen den Braunkohletagebau im Hambacher Forst in NordrheinWestfalen. Im Fall des G 20-Gipfels gelang es der gewaltorientierten linksextremistischen Szene, weit über die Landesgrenzen hinaus im europäischen Raum zu mobilisieren. 2 Aus Anlass eines mutmaßlich durch ausländische Täter verübten Tötungsdelikts in Chemnitz am 26. August kam es dort und in mehreren anderen deutschen Städten zu massiven Protesten, zu denen auch Rechtsextremisten aufgerufen hatten. In Kaiserslautern fand am 29. August eine angemeldete Kundgebung unter dem Motto: "Es reicht - Abschieben statt integrieren - Merkel muss weg!" statt, an der sich ca. 50 Personen beteiligten. Die Veranstaltung wurde über soziale Medien als "Gedenkveranstaltung" für die "zwei Opfer von Chemnitz" und mit dem Aufruf zur "Solidarität mit Chemnitz" beworben. 27 Nachwuchswerbung Besonderen Wert legen Extremisten bei ihren Aktivitäten in der digitalen Welt auf die Nachwuchswerbung. Sie setzen dabei auf eine jugendaffine Ansprache und auf jugendgerechte Angebote als Teile einer Werbeund Beeinflussungsstrategie. Zum Angebot gehören gestalterisch professionelle Propagandavideos über provokante öffentlichkeitswirksame Aktionen. Im Bereich des Rechtsextremismus sind dies oftmals Musikvideos und Werbung für rechtsextremistische Veranstaltungen mit Eventcharakter (z.B. Konzerte und Kampfsportveranstaltungen, s.a. Brennpunktthema 3.). Islamisten versuchen oftmals, jungen Muslimen und Musliminnen mit Zusammenkünften, Freizeitveranstaltungen und religiöser Unterweisung ein kulturelles "Heimatgefühl" inmitten einer "islamfeindlichen" Umgebung zu vermitteln. Ziel ist, dass aus anfänglicher Aufmerksamkeit Empfänglichkeit wird, die zu einer Bindung an die Szene führt. Ein Beispiel für die "digitale Nachwuchswerbung" durch jihadistische, d.h. gewaltorientierte Islamisten ist die im Oktober 2018 vom sogenannten Islamischen Staat (IS) veröffentlichte erste Ausgabe des neuen arabischsprachigen Online-Magazins "Shabab al-Khilafa" ("Jugend des Kalifats"). Schon der Titel deutet darauf hin, dass vor allem junge Menschen erreicht werden sollen, um sie für den IS und sein Weltbild zu gewinnen. Neben Drohbildern und gewaltverherrlichenden Gedichten enthält das Magazin auch Aufrufe zu Einzeltäteranschlägen. Im Sinne eines interaktiven Ansatzes ruft das Magazin IS-Anhänger ausdrücklich dazu auf, sich mit eigenen Beiträgen einzubringen. IS-Anhänger können ihre Beiträge in Form von Videos, Artikeln oder Ideen an den Telegramkanal des Magazins schicken. Agitation und Propaganda Neben Kommunikation und Nachwuchswerbung ist die Präsentation für Extremisten in der digitalen Welt der sozialen Medien von besonderer Bedeutung. 28 Agitation und Propaganda entfalten sich dort mit hohem Verbreitungsgrad und großer Reichweite - über die Wirkung kann nur spekuliert werden. Schon immer leben Agitation und Propaganda von der Lüge, Halbwahrheiten eingeschlossen. Die Aufdeckung von "Fake News" ist nicht in allen Fällen einfach. Gerade Rechtsextremisten haben in dieser Hinsicht dazugelernt. Sie verschleiern oder führen in die Irre; nicht selten bleibt ihre Propaganda in der digitalen Welt (zunächst) unterschwellig, indem beispielsweise allzu "harte" Aussagen vermieden werden. Rechtsextremisten stellen ihr Gedankengut und ihre Positionen zudem in den Kontext mit scheinbar unverfänglichen gesellschaftspolitischen Brennpunktthemen wie Umweltund Naturschutz oder Globalisierung. Sie generieren rege Hashtags oder docken sich an vorhandene an. In der Summe entsteht somit der vordergründige Eindruck breiter Unterstützung für ihre Stellungnahmen zu besagten gesellschaftspolitischen Themen und die Bevölkerung berührenden Ereignissen. Für Linksextremisten sind die Begriffe Agitation und Propaganda ebenso keine Fremdworte. In der digitalen Welt dokumentiert dies nicht zuletzt die vornehmlich von gewaltorientierten Linksextremisten betriebene umfängliche, tendenziöse Berichterstattung über Veranstaltungsabläufe und -geschehnisse. Ereignisse wie die erwähnten Proteste anlässlich des G 20-Gipfels oder im Hambacher Forst werden regelmäßig genutzt, um gegen den Staat (d.h. die staatliche Ordnung) und seine Repräsentantinnen und Repräsentanten zu agitieren. Auch Islamisten nutzen die gesamte Bandbreite digitaler Angebote von Internetseiten über soziale Netzwerke bis hin zu Messenger-Diensten und Blogs für ihre Agitation und zu Propagandazwecken. Dabei decken die Inhalte verschiedene Themenspektren ab. Je nach individueller Neigung überwiegen religiöse, gesellschaftliche oder politische Themen, wobei oftmals - und dies ist typisch für das islamistische Weltbild - eine Vermischung dieser Themenkomplexe festzustellen ist. 29 Zu den häufigsten Themen islamistischer Internetseiten und Profile gehören die starke Betonung der Zugehörigkeit zum Islam, oftmals in bewusster Abgrenzung gegenüber den "Ungläubigen", das Posten von rigiden Bekleidungsund Verhaltensvorschriften, das Gedenken an Schlachten muslimischer Glaubenskämpfer und Eroberer in der Vergangenheit, die Darstellung von Gewalt an Muslimen und die Trostspendung für die "Märtyrer", einhergehend mit dem Appell, vor dem Märtyrertod nicht zurückzuschrecken. Feindbildpflege und Radikalisierung Feindbilddenken ist in allen extremistischen Erscheinungsformen tief verwurzelt. Im Rechtsextremismus fußt es auf einer rassistischen, menschenverachtenden Weltanschauung, im Linksextremismus u.a. auf realitätsfernen Ideologien und auf einem per se staatsfeindlichen Grundverständnis, beim Islamismus auf einer religiös begründeten Überhöhung gegenüber "Ungläubigen" (kuffar) sowie gegen den "Westen". Das Propagieren von Feindbildern und mithin die Feindbildpflege durch Extremisten sind längst in der digitalen Welt angekommen. Stigmatisieren und Diffamieren erfolgen in signifikanter Dichte und in Echtzeit. Öffentlichkeitswirksame Ereignisse erhöhen die Dynamik. So instrumentalisieren Rechtsextremisten regelmäßig medienwirksame Gewalttaten, die von "Ausländern" begangen wurden, für klischeehafte, polarisierende Hetze. Dies geschieht innerhalb der Szene beispielsweise durch permanente Kolportage und den Austausch von ausgewählten "Nachrichten". Gerüchte, Mutmaßungen, "Fake News" und sich ständig wiederholende "Berichte" über echte oder vermeintliche "Schandtaten" von Menschen mit Migrationshintergrund sind an der Tagesordnung und bestimmen das interne Kommunikationsverhalten entscheidend mit. Dies gilt auch in nicht öffentlich zugänglichen Kommunikationsräumen ("Dark Social"), die als "Echokammern" für rechtsextremistisches Gedankengut dienen und damit die weitere Radikalisierung unter "Gleichgesinnten" bewirken sowie 30 die Herausbildung und Verstetigung rechtsextremistischer subkultureller Strukturen und Aktivitäten vorantreiben. Ein von Linksextremisten seit geraumer Zeit bevorzugtes Feindbildklischee ist der politische Gegner von "rechts". Linksextremisten bedienen sich intensiv der digitalen Welt, um unter dem Deckmantel des "Antifaschismus" gegen echte oder vermeintliche Rechtsextremisten und -populisten vorzugehen. So werden umfangreiche Recherchen zu Organisationen und Einzelpersonen mit Bildmaterial als sogenannte Outings im Internet veröffentlicht. Mit diesen "Outings" erreicht man über die sozialen Medien mit vergleichsweise geringem Aufwand einen großen Adressatenkreis. Betroffene sind über ihr regionales Umfeld hinweg zum Teil erheblichen Problemen ausgesetzt. Das Weltbild von Islamisten ist durch die Vorstellung eines andauernden Kampfes der "Ungläubigen" gegen die Muslime und mithin den Islam geprägt. Repräsentiert werden die "Ungläubigen" aus ihrer Sicht durch "den Westen" und hierbei ganz besonders die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel. In regionalen Kontexten gilt das Feindbild von Islamisten auch anderen Staaten. Die islamistische Weltsicht wird durch einseitige Berichte, drastisches Bildmaterial und polemische Karikaturen in den digitalen Medien unterlegt. Hiermit soll keineswegs nur Betroffenheit hervorgerufen werden, sondern es wird gezielt Stimmung gegen die "Feinde des Islam" gemacht. In diesem Zusammenhang werden auch Aufrufe zur Boykottierung Israels festgestellt. Die Posts gehen mitunter aber noch weiter, indem zur Unterstützung von "Mujahidin" oder gar zum Kampf gegen "die Islamfeinde" aufgerufen wird, teilweise in unterschwelliger, teilweise in offener Form. Meinungsbildung und -beeinflussung Die Meinungsbildung in unserem demokratischen System findet mehr und mehr im Internet und in den sozialen Medien statt. Es ist unter Sicherheitsexperten unstreitig, dass in diese Prozesse von interessierter Seite manipulativ eingegriffen wird. Als mutmaßliche Initiatoren politisch motivierter Manipulationen gelten Extremisten unterschiedlicher Couleur und nicht zuletzt fremde Nachrichtendienste und staatlich unterstützte Akteure. 31 Im Diskurs um die Frage, ob politische Debatten oder sogar Wahlen durch "Meinungsroboter" nachhaltig beeinflusst werden können, stehen vor allem Social Bots. Diese verbreiten u.a. "Fake-News"; Nachrichten, die nicht auf wahren Fakten basieren, jedoch dem Anschein nach echt wirken. Im Gegensatz zu ihrem menschlichen Pendant, den sogenannten Trollen, haben Social Bots einen Vorteil: Sie reagieren rund um die Uhr und in Echtzeit, auf aktuelle Diskussionen und Debatten in den sozialen Netzwerken. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass real existierende Personen über die entsprechenden Social-Media-Profile kommunizieren. Gefährlich werden Social Bots, wenn sie von Algorithmen gesteuert als automatisierte Stimmungsverstärker in den demokratischen Diskurs eingreifen und versuchen, die Deutungsrichtung von politischen Themen zu beeinflussen. Das Potenzial von Social Bots in Bezug auf die Möglichkeiten zur Manipulation politischer Prozesse wird von Experten überwiegend als hoch bewertet. Seit einigen Jahren werden Social Bots in diesem Sinne immer mehr zur politischen Einflussnahme genutzt. In den sozialen Netzwerken wird praktisch keine politische Debatte geführt, die nicht von den "künstlichen Meinungsmachern" begleitet wird. Vorzugsweise im Vorfeld von Wahlen können Social Bots eingesetzt werden, um gezielte Desinformationen zu verbreiten, öffentliche Propaganda zu betreiben, das Wahlgeschehen zu polarisieren oder Konkurrenten öffentlich zu diffamieren. Dies geschieht, um Wahlergebnisse spürbar zu beeinflussen. Beispiele für den manipulativen Einsatz von Social Bots gibt es viele. So liegen starke Indizien vor, dass im Zuge der Bundespräsidentenwahl 2017 Social Bots eine stärkere Verbreitung fanden, als bisher vielfach angenommen wurde.3 Nahezu jeder fünfte über Multimediakanäle abgesetzte Tweet verbreitete gezielte Falschinformationen. Auch im US-Wahlkampf 2016 und beim Brexit-Referendum im selben Jahr spielten "Meinungsroboter" eine gewichtige Rolle.4 3 Deutschlandfunk: Social-Media-Studie zur Bundespräsidentenwahl, https://www.deutschlandfunk.de/social-mediastudie-zur-bundespraesidentenwahl-mit-jedem.2907.de.html?dram:article_id=382668, 4 Deutschlandfunk: Die Macht der Social Bots https://www.deutschlandfunk.de/wahlkampf-die-macht-der-social-bots.2852.de.html?dram:article_id=369303 und t3n: Digitalisierung vs. Demokratie: Social Bots sollen Brexit verursacht haben: https://t3n.de/news/social-bots-brexit-verursacht-749882 32 Um Social Bots zu entlarven, sind zeitaufwendige Recherchen und umfassende Datenanalysen notwendig. Gut gemachte Varianten legen zum Beispiel gezielte Ruhepausen ein und erzeugen bewusst Tippfehler, um menschliches Verhalten zu simulieren. Man muss schon lange Zeit mit einem Bot kommunizieren, um Auffälligkeiten im Kommunikationsverhalten zu bemerken. Als Fazit bleibt festzuhalten: Wenn es um politische Themen geht, werden Social Bots auch in Zukunft sehr präsent bleiben und bedürfen einer erhöhten Aufmerksamkeit (nicht allein) seitens der Sicherheitsbehörden. Zudem eröffnet die stärkere Nutzung von Social Media Plattformen zur politischen Meinungsbildung ein größeres Einfallstor für Manipulationen. 2. Auf dem Weg in die Mitte - Extremisten auf der Suche nach Anschlussfähigkeit Extremisten bemühen sich zunehmend um gesellschaftliche Akzeptanz Die "Mitte der Gesellschaft" und Anschlussfähigkeit, indem sie verist nicht nur einfach ein Wahlsuchen, ideologische Tabus zwischen kampfschlagwort, sondern für ihren Positionen und denen der demodas Bestehen unserer Gesellkratischen Mehrheit ("Mitte") abzuschaftsordnung unabdingbar. bauen. Es geht ihnen vor allem darum, Bundeszentrale für politische Bildung bestehende Ressentiments aufzuwei(http://www.bpb.de/shop/lernen/thechen und den innergesellschaftlichen menblaetter/36488/mitte-der-gesellDiskurs zu beeinflussen, um so langschaft) fristig die Deutungshoheit zu erlangen. Fernziel eines solchen Unterfangens ist die politische Macht. Dieses Vorgehen der Extremisten folgt durchweg taktischem Kalkül. Weder ist ihnen daran gelegen, die eigenen einschlägigen weltanschaulichen Überzeugungen durch das Suggerieren von Anpassungsfähigkeit an demokratische Positionen in Frage zu stellen, noch sind sie geneigt, sich in Gänze oder auf Dauer den Spielregeln der Demokratie zu unterwerfen. Extremisten bleiben bei aller Täuschung und Vertuschung erklärtermaßen Feinde des demokratischen Rechts33 staats; an ihrer grundlegenden Zielsetzung, diesen Staat letztlich überwinden zu wollen, lassen sie keine Zweifel. Rechtsextremismus Rechtsextremisten versuchen in diesem Sinne in jüngerer Zeit verstärkt, entlang von Brennpunktthemen wie den Flüchtlingsbewegungen, Globalisierung und Umweltschutz ihr Gedankengut und ihre politischen Vorstellungen auch (und gerade) in der Mitte der Gesellschaft zu verankern oder zumindest eine Enttabuisierung in der politischen Diskussion herbeizuführen. Zugleich kokettieren Populisten am äußersten rechten Rand des demokratischen Spektrums mehr oder weniger unverhohlen mit rechtsextremistischen Ideologiefragmenten, wenn zum Beispiel die Rede von "Umvolkung" oder "Überfremdung" ist. Auch mehren sich Erkenntnisse über Kontakte aus diesen Kreisen zu Rechtsextremisten. Die Bestrebungen der Rechtsextremisten bleiben offenkundig nicht ohne Wirkung. Jüngere Ereignisse wie eine Reihe von Protestaufmärschen in einigen deutschen Städten und Gemeinden, so im vergangenen Jahr beispielsweise wiederholt im rheinland-pfälzischen Kandel, mit zum Teil erheblicher wechselseitiger Beteiligung unterstreichen, dass zumindest in Teilen der Gesellschaft Berührungsängste zum rechtsextremistischen Spektrum und dessen Ideenwelt ein Stück weit schwinden. Dabei wird am Beispiel der Aufmärsche in Kandel deutlich, dass Rechtsextremisten bei aus ihrer Sicht passender Gelegenheit aktiv werden und sich einem entwickelnden, überwiegend bürgerlichen Protest anschließen. Auch wenn es ihnen dabei nicht zwingend gelingt, sogleich einen steuernden Einfluss auf das Geschehen auszuüben, nutzen sie situativ jede Chance auf Anschlussfähigkeit. Neben der "klassischen" rechtsextremistischen Szene gilt dabei das Augenmerk vor allem dem heterogenen Spektrum der "Neuen Rechten". Diese in Teilen dem Rechtsextremismus zuzurechnenden Kreise (s.a. Kapitel II. 3.4.1) versuchen, Einfluss auf die Mitte der Gesellschaft zu nehmen. Sie formieren sich nicht als Parteien und stellen sich keiner Wahl, um sich politisch zu etablieren. Vielmehr pflegen sie nach außen das Bild einer meinungsbildend agierenden Bewegung. Dabei kaschieren und verschleiern die Protagonisten der "Neuen Rechten" ein34 schlägiges Gedankengut, demokratische Werte werden von ihnen umgedeutet und damit ihres eigentlichen Charakters beraubt ("Umwertung der Werte"). Das Vorgehen dieser und ihnen gleichtuender Rechtsextremisten ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Vom "klassischen" Rechtsextremismus grenzt man sich beispielsweise durch Fokussierung auf den Kulturbegriff und Vermeidung des Rassebegriffs ab. Als zentrales Identifikationskonzept wird die ethnokulturelle Identität propagiert. Diese bezeichnet ein konstruiertes Zusammenspiel aus Herkunft und kulturellen Werten, die jedes Individuum innerhalb eines Kollektivs mit anderen Individuen dieses Kollektivs deckungsgleich teile. Ungeachtet aller sprachlichen Verschleierung bleibt die Analogie zum für Rechtsextremisten typischen völkisch-rassistischen Denkmuster unverkennbar. Ebenso signifikant im Bemühen von Rechtsextremisten um Anschlussfähigkeit sind die Faktoren Antiliberalismus und Antipluralismus. Diese kommen vor allem im Kampf gegen "political correctness", "Islamisierung" und nicht zuletzt die etablierten (politischen) "Eliten" zum Tragen. Ziel ist die langfristige Delegitimierung demokratisch gewählter Politikerinnen und Politiker der "Systemparteien" und des freiheitlich-demokratischen Systems als solchem, ohne dafür den Weg über die Parlamente einschlagen zu müssen. Stattdessen soll dies über eine Prägung des kulturellen und medialen Raums gelingen ("Eroberung des kulturellen Raums"). Linksextremismus Auch im Bereich Linksextremismus haben sich in den letzten Jahren die Tendenzen verstärkt, nicht nur eigene Bündnisstrukturen bei gesellschaftspolitisch relevanten Themen aufzubauen, sondern sich mit dem Ziel deren Unterwanderung und Beeinflussung auch mit demokratischen Bündnissen zu verzahnen. Exemplarisch sind die bundesweiten Ereignisse rund um den G 20-Gipfel im Jahr 2017 in Hamburg und die Geschehnisse in den Jahren 2017 und 2018 im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen hervorzuheben. Bei den Aktionen im Hambacher Forst (Nordrhein-Westfalen) tat sich vor allem die "Interventionistische Linke" (IL) hervor, die 2005 als bundesweites Netzwerk 35 mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet wurde und der im Bundesgebiet annähernd 900 Personen angehören. An ihrem Beispiel wird die Vorgehensweise von Linksextremisten bei ihrem Bemühen um Anschlussfähigkeit deutlich: Linksextremisten wie die IL versuchen den Spagat, sich als eine Art Scharnier zwischen militanten und nicht gewaltorientierten linksextremistischen Gruppen, aber auch und gerade zu nichtextremistischen Bündnissen und Initiativen zu inszenieren. Dabei verzichtet man aus taktischen Erwägungen auf die offene Propagierung von Militanz im Vorfeld von Protestaktionen; im Nachgang von Gewalttaten verweigert man eine klare Distanzierung. Diese scheinbare Ambivalenz ist Kalkül. Fernziel der IL bleibt die Überwindung des "Kapitalismus" im Wege eines revolutionären Umsturzes. Erfolg in diese Richtung verspricht man sich, wenn es gelingt, linksextremistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft zu implementieren und "auf der Straße" eskalierend wirken zu können. Letztlich will man erreichen, dass Gewalt auch als Mittel des "zivilen Protests" gegen den Staat als legitim angesehen wird. Schlussfolgerungen Bei der Thematik "Anschlussfähigkeit" handelt es um ein weitreichendes und komplexes Phänomen. Fest steht, dass diesem Themenfeld - auch und gerade seitens des Verfassungsschutzes - weiterhin erhöhte Aufmerksamkeit zukommen wird. Bei einem Fortdauern des Bemühens extremistischer Kreise um Anschlussfähigkeit besteht langfristig die Gefahr, dass sich Teile der Gesellschaft von den entsprechenden Bestrebungen nicht mehr konsequent abgrenzen oder nicht mehr zu erkennen vermögen, wo legitimer demokratischer Protest endet und der Extremismus beginnt (Stichwort: "Entgrenzung"). 3. Kampfsport im Rechtsextremismus Kampfsport stößt seit einigen Jahren in Teilen der Gesellschaft offenkundig auf vermehrtes Interesse. Insbesondere die Kampfart "Mixed Martial Arts" (MMA) sorgt angesichts der Kombination aus verschiedenen Techniken wie Kickboxen und Taekwondo für entsprechende Aufmerksamkeit und Resonanz. 36 Diese Entwicklung zeigt sich auch im Rechtsextremismus. Während dabei früher vor allem der Boxsport populär war, ist es heute auch hier die aktionsgeladene Kampfart MMA. Im Zuge dessen hat sich eine rechtsextremistische Kampfsportszene geformt und etabliert, die bereits seit Jahren im Fokus der Verfassungsschutzbehörden ist. Die Medien haben sie 2018 zum Gegenstand einer intensiveren öffentlichen Berichterstattung gemacht. Auch Rheinland-Pfalz ist von der allgemeinen Entwicklung betroffen, es stellt im bundesweiten Vergleich aber keinen Schwerpunkt der rechtsextremistischen Kampfsportszene dar. Allerdings gibt es hier einzelne Aktivisten, die hervorstechen, so der Initiator der Kampfsportveranstaltung "Ring bzw. Kampf der Nibelungen" (s.u.), der von Fall zu Fall auch in organisatorischer Hinsicht in Erscheinung tritt. Bekannt ist zudem, dass Kämpfer aus Rheinland-Pfalz aktiv an rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen teilnehmen. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne dieser Rechtsextremisten unerkannt in KampfsportStudios, die selbst keinen Szenebezug haben, trainieren, um ihre Fertigkeiten auszubauen. Die Gründe für die Attraktivität des Kampfsports im rechtsextremistischen Spektrum liegen auf der Hand: Zum einen spielen im Rechtsextremismus Aspekte wie Gewalt und Aggression seit jeher generell eine zentrale Rolle. Die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten ist dementsprechend bundesweit seit Jahren signifikant hoch, Gewaltdarstellungen und -agitation sind allgegenwärtig. Gewalt wird mehr oder weniger offen als Mittel zu Erreichung politischer Ziele propagiert oder stillschweigend als Option vorbehalten. Nicht zuletzt sehen Rechtsextremisten den Kampfsport aber auch unter weltanschaulichen Prämissen, so indem sie mit ihm und ihren Kampfsportaktivitäten die Vorstellung von der "Volksgesundheit" verbinden.5 Für Rechtsextremisten ist der Kampfsport als Gemeinschaftserlebnis zudem gleichbedeutend mit der bewussten Abgrenzung vom "Individualismus und Materialismus" der demokratischen Gesellschaft. Man wähnt sich gar in der Rolle einer Art rechtsextremistischer Avantgarde. 5 Weltanschaulich-historisch steht der Begriff "Volksgesundheit" im engen Kontext mit der von den Nationalsozialisten betriebenen "Rassenhygiene", in deren exzessiver Umsetzung systematisch die "Vernichtung unwerten Lebens" betrieben wurde. 37 Entsprechend attraktiv können einschlägige rechtsextremistische Kampfsportveranstaltungen mit ihrem Eventcharakter auf deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer und vor allem auf Szeneneulinge wirken. Parallelen zu rechtsextremistischen Musikveranstaltungen sind insofern unverkennbar. Wie auch dort schaffen solche Veranstaltungen einen Zugang zur Szene, fördern das gegenseitige Kennenlernen und insbesondere die Vernetzung. Unter den rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen richtet sich ein Hauptaugenmerk auf den "Kampf der Nibelungen". Das in Deutschland zentrale rechtsextremistische Kampfsportereignis, das 2013 noch unter der Bezeichnung "Ring der Nibelungen" ins Leben gerufen wurde, findet seitdem jährlich statt und bildet den zentralen Anlaufpunkt in der rechtsextremistischen Kampfsportszene. Die erste Veranstaltung "(Ring) Kampf der Nibelungen" fand 2013 im rheinland-pfälzischen Vettelschoß statt. Initiator des Events war ein bekannter, kampfsportbegeisterter und weit über die Landesgrenzen hinaus sehr gut vernetzter Rechtsextremist. Im Jahr 2014 war die Veranstaltung erneut in Vettelschoß. Seitdem sind Aktivisten aus der Region Dortmund um die neonazistische Partei "DIE RECHTE" an der Organisation beteiligt. Die Organisatoren von "Kampf der Nibelungen" machen seit dem Beginn der Veranstaltungen keinen Hehl aus ihrer einschlägigen politisch-weltanschaulichen Ausrichtung, wie folgende Aussage auf der Internetseite des Events verdeutlicht: Während bei den meisten 'Fight Nights' im bundesweiten Raum die Teilnahme des jeweiligen Sportlers allzu oft mit dem abverlangten Bekenntnis zur freien demokratischen Grundordnung steht oder fällt, will der Kampf der Nibelungen den Sport nicht als Teil eines faulenden politischen Systems verstehen, sondern diesen als fundamentales Element einer Alternative zu eben jenem etablieren und in die Breite tragen! Diese Haltung hat sich bis heute im rechtsextremistischen Kampfsport verfestigt und etabliert. In den Jahren 2015 bis 2017 war zudem eine stetige Professionalisierung, verbunden mit kontinuierlich steigenden Zuschauerzahlen, 38 zu beobachten. Im Jahr 2017 nahmen im nordrheinwestfälischen Kirchhundem Medienberichten zufolge rund 500 bis 600 Personen an der Veranstaltung "Kampf der Nibelungen" teil. Das Jahr 2018 bildet den bisherigen Höhepunkt: Am 9. Juni nahmen an der Kampfsportveranstaltung "TIWAZ - Kampf der freien Männer" in Grünhain-Beierfeld (Sachsen) rund 450 Personen teil; am 13. Oktober 2018 fand im sächsischen Ostritz das Event "Kampf der Nibelungen" unter Beteiligung von ca. 850 Zuschauerinnen und Zuschauern statt. Das rechtsextremistische Kampfsportspektrum wird angesichts dieser Entwicklung weiter sehr genau vom Verfassungsschutz beobachtet. Dies umso mehr, als die erlernten Fähigkeiten der kampfsportaffinen Rechtsextremisten "auf die Straße" getragen werden können. So haben sich an den gewalttätigen Demonstrationen Ende August 2018 in Chemnitz viele aktive rechtsextreme Kampfsportler beteiligt. 39 40 II. Rechtsextremismus 41 1. Überblick und Entwicklungen 2018 Der Rechtsextremismus steht im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit zum Wertefundament unserer Verfassung. Die Weltanschauung der Rechtsextremisten ist rassistisch, antisemitisch, naWer sich nicht an die Vergangentionalistisch und demokratiefeindlich heit erinnern kann, ist dazu ver- - sie ist ein Angriff auf die Menschendammt, sie zu wiederholen. würde. Namens dieser Weltanschauung wurden während des dunkelsten George Santayana (1863-1952), PhiloKapitels der deutschen Geschichte, soph und Schriftsteller der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft von 1933 bis 1945, unbeschreibliche Menschheitsverbrechen begangen. Dieser Zivilisationsbruch lässt sich nicht relativieren. Längst nicht alle haben aus der Geschichte gelernt. Auch heute, mehr als 70 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur, sind Rechtsextremisten auf vielerlei Weise aktiv. Hinzu kommt, dass Rechtspopulisten verstärkt verbal mit dem "Feuer spielen" und vermeintlich Trennendes zwischen beiden Spektren an Konturenschärfe verliert. Das zeigt: Der Rechtsextremismus unterliegt einem steten Wandel. Das bringt immer wieder neue Herausforderungen neben den bereits bestehenden, wie der Gefahr des Entstehens neuer terroristischer Zusammenschlüsse, mit sich. Aus Sicht des Verfassungsschutzes stellt sich für das Jahr 2018 bezogen auf Rheinland-Pfalz die Entwicklung des Rechtsextremismus wie folgt dar: Auch im Jahr 2018 blieb das rechtsextremistische Potenzial mit rund 650 Personen, von einzelnen marginalen Verschiebungen abgesehen, in seiner Gesamtheit weitestgehend konstant. Dabei kann das in der Gesamtzahl enthaltene Potenzial gewaltorientierter Rechtsextremisten auf anhaltend etwa 150 Personen beziffert werden. Mit diesen Zahlen ragt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich nicht hervor. Die zahlenmäßig weiterhin stärkste rechtsextremistische Organisation in Rheinland-Pfalz ist die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), deren Mitgliederzahl mit aktuell weniger als 200 Personen allerdings rückläufig 42 ist. Auf konstantem Niveau sind 2018 die öffentlichen Aktionen des Landesverbandes der NPD geblieben. Auch an dessen programmatischer Ausrichtung hat sich nichts geändert. Nach wie vor unterstützen die Führungsspitze des Landesverbandes und die Kreisverbände Westpfalz und Mittelrhein den "völkischen Flügel" der Bundespartei um den stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Neonazi Thorsten Heise. Entsprechend deutlich fremdenfeindlich und nationalistisch ist die Agitation des NPD-Landesverbandes geblieben. Besonderes Augenmerk richtete die NPD in Rheinland-Pfalz 2018 auf die Umsetzung der von der Partei initiierten Kampagne "Schutzzone". Dort, wo "der Staat nicht fähig oder willens ist, seine Bürger zu schützen", sollen u.a. bürgerwehrähnliche Patrouillen das vermeintliche Vakuum schließen. Die Mitgliederzahl der nunmehr seit fünf Jahren bestehenden neonazistischen Kleinpartei "Der III. Weg" blieb in Rheinland-Pfalz 2018 mit rund 50 konstant. Die Organisation setzte 2018 ihre Aktivitäten zur innerparteilichen, weltanschaulichen Festigung und Stärkung des Gemeinschaftsgefühls fort, so mit Arbeitsgruppen wie der AG "Körper und Geist". Nach außen trat der "III. Weg" anhaltend mit einer dezidiert fremdenund asylfeindlichen Agitation in Erscheinung. Zudem versuchte man auch 2018 wieder, sich als "Kümmerer"-Partei zu inszenieren, die vermeintlich am Wohl der "kleinen Leute" interessiert ist. Ebenfalls auf zahlenmäßig gleichbleibendem Stand blieb 2018 in RheinlandPfalz mit ca. 15 Personen die zweite neonazistische Kleinpartei "DIE RECHTE". Öffentlichkeitswirksame Aktionen der Partei fanden wiederum mit Schwerpunkt in der Region Rheinhessen statt. Dabei zeigten sich Verbindungen der Partei "DIE RECHTE" zu Teilen der rheinland-pfälzischen neonazistischen "Kameradschafts-Szene". Bei den parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen stellt in Rheinland-Pfalz die Neonaziszene mit etwa 200 Personen konstant den größten Anteil. Dem Neonazispektrum kommt schon aus weltanschaulicher Sicht besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes zu. Dieser heterogene Personenkreis verteilt sich u.a. auf eine Reihe informeller, cliquenhafter Gruppierungen mit Überschneidungen zur subkulturellen rechtsextremistischen Szene, auf 43 so genannte Kameradschaften und auf Parteien wie "Der III. Weg" oder "DIE RECHTE". Der in den vorausgegangenen Jahren in der Neonaziszene in Rheinland-Pfalz zu beobachtende Trend, feste Organisationsformen wie beispielsweise die überwiegend straff strukturierten "Kameradschaften" zugunsten loser, informeller Zusammenschlüsse aufzugeben, setzte sich 2018 nicht fort. Dies zeigen Neugründungen nach dem "Kameradschafts-"Modell wie die "Kameradschaft Rheinhessen". 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2018 2017 Gesamt 650 650 Gewaltorientierte* 150 150 Parteien (gesamt) 250 250 * NPD <200 200 * "Der Dritte Weg" 50 50 * "DIE RECHTE" 15 einzelne Parteiunabhängige Strukturen 200 200 Unstrukturiertes Personenpotenzial 200 200 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltorientierten ist eine Schnittmenge und beinhaltet vor allem subkulturelle (unstrukturierte) Rechtsextremisten sowie Neonazis. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Das rechtsextremistische Spektrum bildet keine homogene Einheit. Es existieren seit jeher verschiedene Organisationsformen (z.B. Parteien, Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (z.B. feste Strukturen mit hierarchischer Führung oder lose, informelle Zusammenschlüsse). Ebenso unterschiedlich ist das Verhalten von Rechtsextremisten, das aktions-, diskursoder parlamentsori44 entiert sein kann. Während die einen versuchen, im klassischen Sinne politische Ziele zu verfolgen, legen nicht wenige Rechtsextremisten eher Wert auf den Erlebnisfaktor in einer Weltanschauungsgemeinschaft. Weite Teile der rechtsextremistischen Szene sind durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng miteinander vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. Dies zeigt sich nicht zuletzt im öffentlichen Raum bei Aufmärschen und Kundgebungen, wie auch bei szenetypischen rechtsextremistischen Konzertoder Kampfsportveranstaltungen (s. hierzu die Kapitel B.I.3 und B.II.3.5.2). Heterogenität erschwert eine Kategorisierung des rechtsextremistischen Personenpotenzials. Gemessen an Organisationsform und -grad lassen sich drei Kategorien festmachen: # Parteien, # parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen, # weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial. Extra ausgewiesen wird die Gruppe der gewaltorientierten Rechtsextremisten (vgl. Statistik unter Nr. 2). Dabei handelt es sich nicht um eine eigenständige, geschlossene Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich in Rheinland-Pfalz vornehmlich aus subkulturellen Rechtsextremisten und Neonazis zusammensetzt. 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus Zu den gewaltorientierten Rechtsextremisten zählen Personen, die Gewalt befürworten, die Anwendung von Gewalt unterstützen, gewaltbereit oder als Gewalttäter in Erscheinung getreten sind. Bundesweit kann mittlerweile etwa jeder zweite Rechtsextremist diesem Potenzial zugerechnet werden, in RheinlandPfalz ist es etwa jeder vierte. 45 Diese Zahlen und die in den polizeilichen Kriminalstatistiken Jahr für Jahr ausgewiesenen Fallzahlen rechtsextremistisch motivierter Gewalt (s. Anhang, I.1) verdeutlichen, dass Gewalt im weltanschaulichen Koordinatensystem der Rechtsextremisten einen festen Platz einnimmt. Rassismus, Sozialdarwinismus und Antisemitismus nebst einem daraus resultierenden, exzessiven Feindbilddenken sind dabei die Haupttriebfedern für das im Rechtsextremismus tief verwurzelte, militante Politikverständnis. Genährt wird dieses nicht zuletzt auch durch die unter Rechtsextremisten verbreitete Selbstsicht eines "politischen Kämpfertums". Das zumindest militante Denken der Rechtsextremisten zeigt sich regelmäßig in einschlägiger Agitation und Propaganda, in programmatischen Äußerungen und Visionen sowie traditionell durch die Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus und der Relativierung der im Namen dieser Ideologie begangenen Verbrechen. Taktisches Kalkül spielt zumeist eine Rolle, wenn Rechtsextremisten der Theorie nicht zwingend Taten folgen lassen. Oft genug wird die vordergründige Zurückhaltung aber doch aufgegeben. Die Formen rechtsextremistischer Gewalt reichen dann von der spontanen, situativen Tat bis hin zum planvoll vorbereiteten und durchgeführten terroristischen Akt; die Übergänge sind mitunter fließend. Mehrheitlich werden Gruppentaten begangen, immer wieder aber auch solche, bei denen radikalisierte Einzeltäter in Erscheinung treten. Ein wesentlicher Faktor bei der Radikalisierung ist die intensive Kommunikation in der virtuellen Welt der sozialen Medien. Dort finden sich Gleichgesinnte - immer wieder auch dem Zufall geschuldet - weit über örtliche Zusammenhänge hinaus, um sich auszutauschen. Prozesse des Kennenlernens, der gegenseitigen Bestätigung in weltanschaulichen Fragen und der (zunächst) verbalen Eskalation, die beispielsweise in einer exzessiven fremdenfeindlichen Hetze Ausdruck finden kann, verlaufen in der Regel in kurzer zeitlicher Folge. Hieraus können sich, wie in der jüngeren Vergangenheit wiederholt geschehen, Treffen und die Bildung von Strukturen in der Realwelt entwickeln. 46 "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan" (NSK-KKK) Zum gewaltorientierten rechtsextremistischen Spektrum zählt u.a. die Gruppierung NSK-KKK. Ursprünglich handelte es sich beim "Ku-Klux-Klan" um einen rassistischen und gewalttätigen Geheimbund, der zunächst in den Zeiträumen von 1865 bis 1875 und 1915 bis 1944 überwiegend in den Südstaaten der USA existierte. Die Organisation, die sich als radikal protestantisch sah, verfolgte durch verbale Einschüchterung sowie Gewalttaten eine Politik der weißen Vorherrschaft gegenüber Afroamerikanern sowie eines militanten Antikatholizismus und Antisemitismus. Erkennungszeichen waren und sind bis heute das Tragen von weißen Kutten mit weißen Spitzhauben, die das Gesicht verdecken, sowie das ritualhafte Verbrennen von Kreuzen. Seit den 1950er Jahren gibt es den Geheimbund nicht mehr als übergeordnete Organisation, vielmehr firmieren seitdem diverse Einzelgruppen unter dem weltweit bekannten historischen Namen. Da dieser nicht geschützt ist, sind Kontakte oder Abhängigkeiten untereinander nicht zwangsläufig. Männliche Mitglieder nennen sich "Klansmen", weibliche "L.O.T.I.E." ("Lady of the Invisible Empire"). In Deutschland wurde zuletzt die Gruppierung "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan" (NSKKKK) bekannt. Die bundesweit agierende Gruppe präsentiert sich vorrangig im Internet auf sozialen Medien wie z.B. der russischen Seite "vk". Dort bekennt man sich zu einer rassistischen Ideologie, wirbt um Mitgliedschaften und bietet Aufkleber mit KKK-, bzw. feindbildbezogenen Motiven an. Am 16. Januar 2019 fanden in acht Bundesländern, so auch in Rheinland-Pfalz, polizeiliche Durchsuchungen bei Mitgliedern der NSK-KKK statt, in deren Zuge über 100 Waffen und eine Vielzahl von Dokumenten beschlagnahmt wurden. Danach verkündete der Leiter der Organisation deren Auflösung. Die Ermittlungen gegen die Gruppierung dauern an. 47 "Combat 18" (C18) Ebenso zum gewaltorientierten rechtsextremistischen Spektrum gerechnet wird die Gruppierung "Combat 18".6 Die Gruppe als solche wird zwar nicht als gewalttätig oder gar bewaffnet eingestuft, allerdings ist einzelnen Mitgliedern eine grundsätzliche individuelle Gewaltbereitschaft zu unterstellen. Daher wird im Fall C18 von einem prinzipiellen Gefährdungspotenzial ausgegangen. Ihre Wurzeln hat die Gruppierung C18 in England. Dort wurde sie 1992 von Angehörigen der rechtsextremistischen "British National Party" als "Saalschutz" gegründet und erlangte mediale Bekanntheit durch Gewaltakte und gezielte Einschüchterung politischer Gegner. Später wurde C18 in der rechtsextremistischen Musikszene um die ebenso in England gegründete neonazistische Skinheadorganisation "Blood & Honour" (B&H) aktiv.7 Von England aus entwickelte sich ein Netzwerk, das sich über viele europäische Länder erstreckt. Nach Kenntnis der Bundesregierung existiert in Deutschland seit 2013 eine C18Gruppe. In den 2000er-Jahren hatte es immer wieder vereinzelte Hinweise auf lokale C18-Sektionen in Deutschland gegeben. Diese hatten sich über einen längeren Zeitraum nicht weiterentwickelt und zunächst keinen Bestand. Im September 2017 wurden von der Bundespolizei in Bayern zwölf deutsche Neonazis, die "Combat 18" Deutschland zugerechnet werden, auf deren Rückweg von Schießübungen in der Tschechischen Republik kontrolliert. Die Polizei beschlagnahmte unter anderem Patronen und Gewehrmunition. Im Jahr 2018 verdichteten sich Hinweise, dass sich die Gruppe neu formiert. Mehrere Medien berichteten über diese Entwicklung. Den Enthüllungen nach hatte sich C18 Richtlinien gegeben, die einer Vereinssatzung ähneln und in denen die Mitgliedschaft, die Gliederung in sogenannte Sektionen und Verhaltensregeln 6 "Kampfgruppe Adolf Hitler", die Zahl 18 verweist auf den ersten und achten Buchstaben des Alphabets und damit auf die Initialen Adolf Hitlers. 7 Das B&H-Netzwerk spielt seit seiner Gründung in den 1980er Jahren eine wichtige Rolle in der rechtsextremistischen Musikszene. Die 1994 gegründete "Division Deutschland" von B&H wurde im Jahr 2000 verboten. In Szenekreisen galt C18 als "bewaffneter Arm" von B&H. 48 definiert sind. Außerdem zeigten die Recherchen, dass C18-Mitglieder Beiträge auf ein Konto eines mutmaßlichen Funktionärs gezahlt haben. 3.2 Rechtsterrorismus Am 11. Juli 2018 ergingen im sogenannten NSU-Prozess beim Oberlandesgericht München die Urteile. Gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe verhängte der Senat eine lebenslange Freiheitsstrafe, drei Mitangeklagten erhielten Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und bis zu 10 Jahren, ein Mitangeklagter wurde zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Senat hat die Hauptangeklagte unter anderem wegen Mordes in 9 Fällen (sogenannte Ceska-Serie), wegen versuchten Mordes in 32 tateinheitlichen Fällen (Nagelbombenattentat in der Keupstraße), wegen versuchten Mordes (Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse), wegen Mordes und Mordversuchs (an zwei Polizeibeamten in Heilbronn), wegen Raubüberfällen sowie wegen eines versuchten Mordes durch eine schwere Brandstiftung (Brandlegung in der Frühlingsstraße in Zwickau) sowie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (NSU) schuldig gesprochen. Auszug aus der Pressemitteilung 78 des OLG München vom 11. Juli 2018 Für die Sicherheitsbehörden bedeuten die Urteile keinen Schlussstrich. Die zuvor beschriebene Eskalationsspirale aus weltanschaulicher Verblendung, unkontrolliertem Hass und Gruppenbildung (vgl. 3.1) kann nicht nur in situative, spontane Gewalt z.B. am Rande von Aufmärschen oder anderen Gelegenheiten münden. Sie kann auch bis zur Gründung rechtsterroristischer Strukturen und zur Begehung terroristischer Taten führen. In der Zeit nach dem Aufdecken des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) konnten mehrere solcher Gruppierungen zerschlagen werden. Es zeigt sich auch bezogen auf das Jahr 2018, dass diese Gefahr keineswegs geringer geworden ist, wie folgendes Beispiel dokumentiert: Im Herbst des Jahres 49 wurde von den Sicherheitsbehörden in Sachsen die Gruppe "Revolution Chemnitz" zerschlagen; sechs Personen wurden festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft diesen, nebst einer weiteren Person vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben. Die Beschuldigten, die der Hooligan-, Skinheadund Neonazi-Szene im Raum Chemnitz angehören, sollen gewalttätige Angriffe und bewaffnete Anschläge auf Ausländer und politisch Andersdenkende beabsichtigt haben. Vor diesem Hintergrund, so die Bundesanwaltschaft in einer Pressemitteilung, sollen sie sich bereits darum bemüht haben, sich halbautomatische Schusswaffen zu besorgen. In Rheinland-Pfalz haben sich im Jahr 2018 keine Hinweise auf mögliche rechtsterroristische Ansätze ergeben. 3.3 Rechtsextremistische Parteien Dass sich Rechtsextremisten in Parteien organisieren, ist im Grunde ein Widerspruch. Schließlich verachten und bekämpfen sie die parlamentarische Demokratie. Parteien, als ein Eckpfeiler der Demokratie und des Parlamentarismus, sind aus rechtsextremistischer Sicht Teil des "Systems", das sie zu Fall bringen wollen. Gleichwohl weiß man die Vorzüge des "Systems" zu nutzen - und zu missbrauchen. Bereits die Nationalsozialisten machten daraus in den 1920er Jahren keinen Hehl: Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. Der NSDAP-Chefpropagandist Joseph Goebbels in einem Leitartikel des "Völkischen Beobachters" am 30. April 1928 50 Heute ist den Rechtsextremisten bewusst, dass sie unter dem Schutz des grundgesetzlich garantierten Parteienprivilegs mehr Entfaltungsmöglichkeiten haben und sich mehr Gehör verschaffen können. Das erklärt die Tatsache, dass rechtsextremistische Parteien ungeachtet ihrer Ablehnung der Parteiendemokratie einen Platz in der politischen Landschaft einnehmen. 3.3.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationalisten" (JN)8 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: ca. 4.500 (2017) Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 200 (2017: ca. 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit drei Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) Hintergrund Im Jahr 1964 gegründet ist die NPD die älteste und aktuell auch mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie verfügt mit 16 Landessowie diversen Kreisverbänden über bundesweite Strukturen und ist im gesamten Bundesgebiet aktiv. Zudem ist die NPD in allen Bundesländern mit Kommunalmandaten vertreten, zahlenmäßig mit Schwerpunkt in Ostdeutschland. Nach dem Verlust ihrer Landtagsmandate in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2016 hat die Partei keine Sitze mehr in Landtagen. Zur NPD zählt ihre Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN), als Nebenorganisationen fungieren die 2003 gegründete "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV), die bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger, und der 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF). 8 Vormals "Junge Nationaldemokraten" (JN), umbenannt im Januar 2018. 51 NPD-Bundesvorsitzender ist seit dem 1. November 2014 der Saarländer Frank Franz, der seitdem versucht, der Partei ein modernes und ansprechendes Erscheinungsbild zu geben. Er wurde beim Bundesparteitag am 11./12.März 2017 in seinem Amt bestätigt. Zu einem der drei gleichberechtigten Stellvertreter wurde der thüringische NPD-Landesvorsitzende und Neonazi Thorsten Heise gewählt. Seit 2017 ist der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Markus Walter Beisitzer im Bundesvorstand, als Beisitzerin bestätigt wurde die rheinland-pfälzische NPD Funktionärin Ricarda Riefling. Sie ist zugleich stellvertretende RNFBundesvorsitzende. Ungeachtet aller Bemühungen um Modernisierung bekennt sich die NPD zu einer völkisch-exkludierenden Weltsicht. Diesem Selbstverständnis folgend, sieht sie sich als "einzige Partei, die sich zum deutschen Volk bekennt und dabei am Abstammungsprinzip festhalten wird". Dieses Konzept einer konstruierten, ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" ist ein wesentlicher Bestandteil der rechtsextremistischen Weltanschauung. Es ist ein Nährboden für die von der NPD betriebene fortwährende Agitation und Hetze gegen Minderheiten wie Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, politisch Andersdenkende und viele mehr. Nicht zuletzt trifft diese Hetze Menschen jüdischen Glaubens. So äußert sich die rheinland-pfälzische NPD regelmäßig auf ihren Facebook-Profilen antisemitisch und tituliert Israel offen als "Judenstaat" oder "zionistischen Terrorstaat". NPD-Finanzentziehungsverfahren Am 20. Juli 2017 trat eine Grundgesetzänderung in Kraft, wonach verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteifinanzierung gemäß Art. 21 Abs. 3 GG ausgeschlossen werden können. Sodann fasste der Bundesrat am 2. Februar 2018 (gefolgt von der Bundesregierung am 18. April und vom Bundestag am 26. April 2018) den Beschluss, beim Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der NPD von der staatlichen Finanzie52 rung für sechs Jahre zu beantragen. Die Antragstellung wird derzeit bundesweit u.a. in den Verfassungsschutzbehörden vorbereitet. Wahlen Die rheinland-pfälzische NPD beteiligt sich weiterhin an regionalen und überregionalen Wahlen und plant dies auch für das Jahr 2019. So wurde auf dem Europaparteitag der Bundespartei am 17. November 2018 im hessischen Büdingen Ricarda Riefling auf den NPD-Listenplatz drei für die Europawahl am 26. Mai 2019 gewählt. Nach Veröffentlichungen des Landesverbandes und des Kreisverbandes Westpfalz auf Facebook sei die Kandidatin genau die Richtige, "um den EU-Moloch zu zerschlagen" und das "EU-System zu Fall (zu) bringen". Zudem tritt die NPD mit einer Liste von 15 Kandidaten bei den Kommunalwahlen 2019 für den Stadtrat in Pirmasens an. Zum Spitzenkandidaten der Partei wurde erneut Markus Walter, der die NPD seit 2009 im Stadtrat Pirmasens vertritt, gewählt. Ideologische Radikalisierung Das Bundesverfassungsgericht betonte in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 im Rahmen des vom Bundesrat Ende 2013 gegen die Partei beantragten Verbotsverfahrens die Verfassungsfeindlichkeit der NPD.9 Die obersten Richterinnen und Richter hielten fest, dass die NPD mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt sei und verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Die NPD zeigt sich von den deutlichen Worten des Bundesverfassungsgerichts nicht nur unbeeindruckt. Seit der Urteilsverkündung ist sogar eine anhaltende ideologische Radikalisierung der Partei festzustellen. Diese zeigt sich in zunehmend offensiv vertretenen völkischen Positionen und einer teils unverhohlenen rassistischen Rhetorik. Die Hinwendung zum Image einer "Weltanschauungspartei", weg von der "Wahlpartei", passt dabei ins Bild.10 9 Der Antrag selbst wurde zurückgewiesen. 10 Mit dem Begriff "Weltanschauungspartei" verbindet die NPD die Vorstellung, ihre eigenen weltanschaulichen Positionen durchzusetzen. 53 Im Zusammenhang mit dieser ideologischen Radikalisierung ist auch die am 30. Januar 2018 erfolgte "Proklamation des Völkischen Flügels" zu sehen. Dabei handelt es sich nach eigener Aussage um einen "[...] Zusammenschluss von Mitgliedern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Freunden derselben und parteilosen Kräften. Der Völkische Flügel ist ein nationalistisch und völkisch orientiertes Bündnis innerhalb der NPD, welches auch eine parteiübergreifende Zusammenarbeit mit anderen, gleichgesinnten Organisationen und Personen, anstrebt."11 Zu den Erstunterzeichnern zählen der rheinland-pfälzischen NPD Landesvorsitzende Markus Walter, seine Stellvertreterin Ricarda Riefling sowie die Kreisverbände Mittelrhein und Westpfalz. Die Gründung des "Völkischen Flügels" und die Proklamation brachten Unruhe in die Partei. Die Gruppierung als solche entfaltet seither allerdings keine Außenwirkung und tritt nicht mit Veröffentlichungen in Erscheinung. Rheinland-Pfalz Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz besteht seit der Gründung der Partei im Jahr 1964. Im Landesgebiet ist die NPD derzeit mit den drei Kreisverbänden Mittelrhein, Trier und Westpfalz vertreten. Als Landesvorsitzender fungiert seit 2013 Markus Walter. Er wurde auf dem NPD Landesparteitag am 5. November 2017 in seinem Amt bestätigt. Alleinige Stellvertreterin ist Ricarda Riefling. Aus allen drei Kreisverbänden (KV) wurden sieben Beisitzer in den Landesvorstand gewählt. Aktivitäten Auch im Jahr 2018 gingen von den rheinland-pfälzischen NPD-Kreisverbänden öffentlichkeitswirksame Aktionen aus, um die parteieigenen weltanschaulichen Überzeugungen zu verbreiten und um neue Mitglieder zu werben. Mitglieder der Kreisverbände nahmen 2018 an Aufmärschen bürgerlicher Protestbündnisse, wie in Kandel am 3. März und 7. April, teil. Durch die Präsenz wur11 Facebook-Seite "Völkischer Flügel", aufgerufen am 1. Februar 2018. 54 de versucht, Anschlussfähigkeit zu demonstrieren (siehe Brennpunktthema 2.). Des Weiteren beteiligte man sich an szenetypischen Veranstaltungen wie dem "Rudolf-Hess-Gedenkmarsch" in Berlin am 18. August 2018. Regional aktiv ist insbesondere der KV Westpfalz, der seit Jahren in Pirmasens wöchentlich sogenannte Bürgersprechstunden und auch über die Kreisgrenzen hinaus monatlich politische Gesprächskreise durchführt, die sich nicht nur an NPD-Mitglieder, sondern auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger richten. Die Gesprächskreise finden seit geraumer Zeit auch regelmäßig in Rheinhessen und der Südpfalz statt. Im Juni 2018 initiierte der NPD-Bundesverband die deutschlandweite Kampagne "Schutzzone". Begründet wird die Kampagne mit der "dramatischen Gefährdung" der inneren Sicherheit in Deutschland durch "massive Zunahme von Gewaltkriminalität und Einbrüchen und dem gleichzeitigen Abbau von Polizeistellen", die zur "weitgehenden Kapitulation des Rechtsstaats" führten. Man sei der "importierten Kriminalität" oder der "Dominanz von Fremden in vielen Regionen" oft schutzlos ausgeliefert. Die Bürger müssten sich dagegen selbst schützen, indem beispielsweise "Schutzzonen von Deutschen für Deutsche" geschaffen werden und Bürgerwehren bundesweit Streife laufen. Durch die Aktion solle die NPD "verstärkt als Macherpartei in Erscheinung" treten. Die Kreisverbände Mittelrhein und Westpfalz beteiligten sich an der Kampagne und richteten im zweiten Halbjahr 2018 elf Aktionen in den rheinland-pfälzischen Städten Alzey, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Niederzissen, Pirmasens, Remagen und Worms aus. Neben "Streifen" in den Innenstädten oder Veranstaltungen in Kleingruppen wurden u.a. Flyer an Grundschüler auf deren Schulweg verteilt. Es steht außer Frage, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Bürgerinnen und Bürger sind nicht legitimiert, Aufgaben zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu übernehmen. Letztendlich ist dies auch nicht das eigentliche Ziel der NPD. Vielmehr sollen durch das Auftreten von "Bürgerwehren" Ressentiments gegen Ausländer geschürt und subjektive Ängste, Opfer von Kriminalität 55 zu werden, bei den Bürgerinnen und Bürgern verstärkt werden. Die Polizei geht daher mit Nachdruck gegen solche Bestrebungen vor und ermittelt wegen des Verdachts der Amtsanmaßung (SS 132 Strafgesetzbuch) und des Verdachts einer nicht angemeldeten Versammlung (SS 14 Abs. 1 i.V.m. SS 26 Nr. 2 Versammlungsgesetz). "Junge Nationalisten" (JN) Gründung: 1969 als "Junge Nationaldemokraten" (JN) Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: ca. 280 (2017) Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 Organisation in Rheinland-Pfalz: Ein "Stützpunkt" Die JN sind integraler Bestandteil der NPD. Mit ihrer Zielsetzung, nationalistische und völkische Positionen zu verbreiten, richtet sich die Gruppierung vornehmlich an Jugendliche sowie an Erstwählerinnen und -wähler. Den Bundesvorsitz der am 13. Januar 2018 von "Junge Nationaldemokraten" in "Junge Nationalisten" umbenannten Gruppierung hat der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Mittelrhein, Christian Häger, inne. Ihren Schwerpunkt sehen die JN im vorpolitischen Raum. Die Gruppierung setzt dabei auf jugendgerechte Angebote. Kurz vor der hessischen Landtagswahl und der gleichzeitig stattfindenden Juniorwahl12 am 28. Oktober 2018 veröffentlichte sie den unter der Bezeichnung "Schulhof CD 2.0" neu aufgelegten Tonträger, der sich an Kinder und Jugendliche als "Jugend Europas" richtet. Das erstmalig neben dem CD-Format via Internet in digitaler Form verbreitete Material enthält Musik und Videos, in denen die rechtsextremistische Weltanschauung und die "Rückeroberung unserer Heimat" altersgerecht propagiert werden. 12 Informationen zu Juniorwahlen zu finden unter: www.juniorwahl.de 56 Einer Jugend, die immer weiter vernachlässigt wird, stets weiter verblödet und zu Opfern erzogen wird, stehen zehntausende gewaltbereite Islamisten und ein sich immer weitere Macht sichernder Herrschaftsapparat gegenüber. (...) Während du diesen Text liest, wird gerade ein Deutscher in Frankfurt, Offenbach oder Darmstadt Opfer eines Verbrechens der vielen in Deutschland lebenden Kulturbereicherer. Website zur "Schulhof CD 2.0" der "Jungen Nationalisten" Rheinland-Pfalz Durch die Ernennung von Christian Häger zum JN-Bundesvorsitzenden wurden auch die JN Strukturen im nördlichen Rheinland-Pfalz wiederbelebt, nachdem lange Zeit keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des dortigen, landesweit einzigen "Stützpunktes JN Ahrtal" mehr bekannt geworden waren. Im Jahr 2018 machte der "Stützpunkt" mit der Beteiligung am bundesweiten Aktionsund Wandertag unter dem Motto "Stärke durch Einheit" wieder auf sich aufmerksam. An der Wanderung der JN Ahrtal in der Region Ahrweiler beteiligten sich zehn Personen. Über Facebook und die Homepage der JN wurde über diese - und die weiteren Veranstaltungen im Rahmen der Aktion - berichtet. Die "JN Rheinland-Pfalz" beteiligte sich zudem erneut an der bundesweiten JNKampagne "Jugend packt an" und verteilte am 8. und 9. Dezember 2018 kostenfrei Kleidung, Kaffee, Kuchen und warmes Essen an hilfsbedürftige Deutsche in Pirmasens. Die Aktion wurde zudem als Teil der Bundeskampagne "Schutzzone" beworben. Ziel der Kampagne soll sein, sich für seine Nächsten einzusetzen und "[...] der Heuchelei der Politik handfeste Solidarität entgegen zu stellen [...]". Die Kampagne, die dazu dient, sich als "Kümmerer" in Szene zu setzen, wird durch Berichterstattungen im Internet und sozialen Netzwerken begleitet. "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der im Jahr 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF) wurde 2013 formal als integraler Bestandteil der NPD in der Parteisatzung verankert. Von März 57 2014 bis Mai 2017 war die stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, RNF-Bundesvorsitzende. Sie gehört dem Bundesvorstand weiterhin als Beisitzerin an. In Rheinland-Pfalz sind auch im Jahr 2018 keine öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. 3.3.2 "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: ca. 500 (2017, inkl. Fördermitglieder) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2017: ca. 50) Organisation: "Gebietsverbände" und "Stützpunkte" Publikationen/Internet: Website Am 28. September 2018 feierte die neonazistisch geprägte Partei "Der III. Weg" ihr fünfjähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung gelang es der Kleinpartei weder ihren Mitgliederbestand signifikant zu vergrößern noch nennenswerte Ergebnisse bei Wahlen zu erzielen. Ungeachtet dessen bleibt sie schon wegen ihrer ideologischen Ausrichtung in Anlehnung an das Gedankengut des historischen Nationalsozialismus und ihrer unverminderten Hetze gegen Asylsuchende und andere Minderheiten im Fokus des Verfassungsschutzes. Zum Jahresabschluss 2018 resümierte der stellvertretende Vorsitzende der Partei zu deren Selbstverständnis und Zielen: Das Jahr 2018 war ein weiteres Jahr der inneren Ausrichtung, der Festigung der vorhandenen Strukturen und der Weichenstellung politischer Notwendigkeiten....Das Jahr 2019 wird im Gegensatz zu den vergangenen fünf Jahren unseren Bestehens ein Jahr der Kraftanstrengung nach außen.....Idealismus und eiserne Gemeinschaft sind unser Rüstzeug im Kampf gegen ein liberalkapitalistisches System mit über 20 Millionen Fremden, Millionen von Armut betroffener Landsleute und einer parteiübergreifenden Armee von antideutschen Vaterlandsverrätern. 58 Der zentrale Agitationsschwerpunkt der Partei "Der III. Weg" war im Jahr 2018 die Sammlung von Unterstützungsunterschriften zum Antritt bei der Europawahl 2019. Die Sammlung der erforderlichen 4.000 Unterschriften erfolgte mehrheitlich in Kombination mit Informationsständen und Flugblattverteilaktionen. Im April 2018 wurden die Kandidaten für die Europawahl aufgestellt; Klaus Armstroff, ein rheinland-pfälzischer Rechtsextremist und Bundesvorsitzender der Partei, nimmt den Listenplatz 1 ein. Am 12. Dezember 2018 wurden dem Bundeswahlleiter in Wiesbaden ca. 4.600 Unterschriften übergeben. Neben der Europawahl erfolgt 2019 auch die Teilnahme an weiteren Wahlen. Aus Sicht der Partei ist dies wichtig, denn jede Wahlteilnahme führt zu einer Festigung des Parteienstatus. Weiterentwickelt wurde im Jahr 2018 die interne Ausrichtung der Partei "Der III. Weg". So wurden Arbeitsgruppen mit den Bezeichnungen "Körper & Geist", "Feder & Schwert" sowie der Frauenblog "Die Weggefährtin" ins Leben gerufen. Insbesondere die AG "Körper & Geist" wird auf der parteieigenen Homepage verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Sie soll der körperlichen Ertüchtigung von Parteimitgliedern und "interessierten Deutschen", insbesondere durch das Antrainieren von Kampfsporttechniken (vgl. Brennpunktthema 3.), dienen. Rheinland-Pfalz Die Mitgliederzahl der Partei "Der III. Weg" verharrte 2018 in Rheinland-Pfalz bei rund 50 Personen. Rheinland-Pfalz bildet mit drei sogenannten Stützpunkten (zwei davon mit Überschneidungen nach Hessen) den Schwerpunkt innerhalb des "Gebietsverbandes West" der Partei "Der III. Weg", der zudem das Saarland, Hessen sowie Nordrhein-Westfalen umfasst. Der zweite Gebietsparteitag fand am 5. Januar 2019 in der Vorderpfalz statt. Im Vorfeld der internen Veranstaltung wurde eine Kundgebung in Speyer unter dem Motto: "Wir werden aktiv! Komm und mach mit! - UN Migrationspakt und Multikulti-Chaos stoppen!" abgehal59 ten, an der sich ca. 50 Parteiaktivisten beteiligten. Eine gewünschte Resonanz in der Bevölkerung blieb gänzlich aus. Im Laufe des Jahres 2018 wurden u.a. in Rheinland-Pfalz und den angrenzenden Ländern des "Gebietsverbandes West" mehrere "Nationale Streifen" durchgeführt. Diese sollen nach Aussagen der Partei die Bürgerinnen und Bürger vor "kriminellen Flüchtlingen" und ihnen zuzuschreibenden Straftaten schützen. Durch ein martialisches Auftreten soll ein Sicherheitsgefühl vermittelt werden. Suggeriert wird damit aber vielmehr der Eindruck einer "Bürgerwehr". Erstmals wurde diese Aktionsform am 20. April 2018 (Jährung des Geburtstages von Adolf Hitler) im nördlichen Rheinland-Pfalz in Westerburg praktiziert. In den darauffolgenden Monaten wurden weitere "Nationale Streifen" in Montabaur, Idstein (Hessen) und Wiesbaden (Hessen) durchgeführt. Einem gängigen Muster folgend, wurde über die Aktionen anschließend auf der parteieigenen Homepage berichtet. Dies dient neben Propagandazwecken auch dazu, nach außen das Bild fortwährender Aktivitäten zu vermitteln. Entwicklung und Aktivitäten Die Partei "Der III. Weg" legte auch im Jahr 2018 großen Wert auf Agitation und Propaganda im Zuge öffentlichkeitswirksamer Auftritte. Im Mittelpunkt standen dabei wiederum die Themenfelder Asyl und Zuwanderung. Neben eigeninitiativ durchgeführten Aktionen wie Demonstrationen oder Flugblattverteilungen fand nicht zuletzt auch wiederholt eine anlassbezogene Beteiligung an Protesten statt, die jeweils von einem breiteren Bürgerspektrum getragen wurden. Letzteres zeigte sich 2018 insbesondere Ende August in Chemnitz (Sachsen) bei über mehrere Tage anhaltenden Demonstrationen mit Ausschreitungen, bei denen einige Aktivisten der Partei "Der III. Weg" in den vorderen Protestreihen festgestellt werden konnten. Anlass der Aktionen war ein mutmaßlich von zwei Asylbewerbern begangenes Tötungsdelikt. Seitens der Partei wurde kontinuier60 lich dazu beigetragen, die Situation anzuheizen. Bereits am 1. Mai 2018 Wir machen gar keinen Hehl wurde in Chemnitz vom "III. Weg" eine aus unseren Zielen: Die Zeit für Reformen ist längst abgelaufen; Veranstaltung zum "Arbeiterkampfunser Kampf gilt der nationalen tag" mitinitiiert. Revolution, da nur eine grundlegende Wende unser Volk noch Im sächsischen Plauen konnte am 1. retten kann. September 2018 bei einer fremdenfeindlichen Demonstration ein ge"Der III. Weg" im Vorfeld einer Demonswisser Solidarisierungseffekt von Teitration am 1. Mai 2018 im Sächsischen Chemnitz len der rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Parteiaktivisten wahrgenommen werden. Hier dürften die vorangegangenen Ereignisse in Chemnitz ausschlaggebend gewesen sein. In Rheinland-Pfalz beteiligten sich vereinzelt Aktivisten der Partei "Der III. Weg" 2018 an Protestaufzügen im südpfälzischen Kandel aus Anlass der Ermordung einer Fünfzehnjährigen durch einen Asylbewerber. Auch 2018 wurde seitens der Partei "Der III. Weg" versucht, sich als "Kümmererpartei" in Szene zu setzen, d.h. als Sachwalterin der Interessen "der kleinen Leute". Bereits zum vierten Mal führten Parteiaktivisten in diesem Sinne die Aktion "Tierfutter statt Böller!" durch, so auch zum Jahreswechsel in RheinlandPfalz. Im Rahmen dieser Kampagne werden Spendensammlungen initiiert und diese sodann öffentlichkeitswirksam an bedürftige Tierheime übergeben. Neben solchen öffentlichkeitswirksamen Aktionen spielen nach wie vor gemeinschaftliche Aktivitäten innerhalb der Partei eine große Rolle. So bestritten Ende Mai 2018 Parteimitglieder einen Segeltörn in der Ostsee. Dieser mehrtägige Ausflug wurde auch zur Knüpfung von Kontakten zu ausländischen Rechtsextremisten genutzt. Man traf sich in Dänemark mit dem dänischen Ableger der neonazistisch geprägten "Nordischen Widerstandsbewegung". Auch mit der 61 entsprechenden schwedischen Gruppierung pflegt man weiterhin Kontakt und unterstützt sich gegenseitig. Regelmäßig reisen einzelne rheinland-pfälzische Aktivisten nach Schweden. Zudem wurden seitens des "III. Weges" die Kontakte in die Ukraine weiter intensiviert. So nahm erneut eine Parteidelegation im Oktober 2018 am "Marsch der Nation" in der Ukraine teil (s. Bild). Im Juli 2018 nahm umgekehrt eine ukrainische Aktivistin des politischen Arms der "Asov-Bewegung" als Rednerin an dem Parteifestival "Jugend im Sturm" teil. 3.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund Teil- / Nebenorganisation: keine Mitglieder Bund: ca. 650 (2017) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 15 (2017: einzelne) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Südwest Publikationen/Internet: Webseite Der im Mai 2012 in Hamburg gegründeten Partei werden bundesweit ca. 650 Personen zugerechnet, darunter zahlreiche bekannte gewalttätige bzw. gewaltbereite Personen aus der neonazistischen Kameradschaftsszene.13 Die Partei gibt zwar weiter vor, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. Die am 1. April 2018 erfolgte Listenaufstellung für die Europawahl 2019 13 Die im Januar 2019 vorgestellte neue Parteifahne der Partei "DIE RECHTE" (s. Abb.) dokumentiert mit ihren deutlichen Anklängen an die Hakenkreuzfahne der NSDAP eine Wesensverwandtschaft mit der Ideologie des historischen Nationalsozialismus. 62 zeigt jedoch, dass weiterhin nationalistische, fremdenfeindliche und geschichtsrevisionistische Positionen vertreten werden. So wurde die wohl aktuell einflussreichste Revisionistin Ursula Haverbeck-Wetzel auf Listenplatz 1 gewählt. Sie wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung verurteilt. In Ihrer Bewerbungsrede vor der Wahl, kündigte sie an, sich aktiv für die Abschaffung des Volksverhetzungsparagraphen einzusetzen.14 Auf Platz 2 der Liste zur Europawahl folgt der Düsseldorfer Rechtsaktivist Sven Skoda. Bei ihm handelt es sich um einen der Hauptangeklagten des "Aktionsbüro-Mittelrhein-Prozesses" in Koblenz. Skoda wurde darüber hinaus im Ich möchte diesen UnheilsparaRahmen des 10. Bundesparteitages am graphen kippen. 5. Januar 2019 als gleichberechtigter Bundesvorsitzender einer neuen DopUrsula Haverbeck-Wetzel, beim Listenpelspitze gewählt. Ein Vorsitzender der aufstellungsparteitag am 1. April 2018 im Rheinland seitherigen Doppelspitze hatte vorher auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Mit der Wahl wird die innerparteiliche Dominanz des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen untermauert. Rheinland-Pfalz Die bisherige Zusammensetzung des Landesverbandes Südwest (RheinlandPfalz und Saarland) der Partei "DIE RECHTE" bestand im Jahr 2018 fort; die für Rheinland-Pfalz relevante Mitgliederzahl stagnierte bei rund 15 Personen. Den Schwerpunkt der Parteiaktivitäten bildeten, wie bereits in der Vergangenheit, vornehmlich öffentlichkeitswirksame Aktionen im rheinhessischen Raum. So wurde am 20. April 2018 in Alzey eine Mahnwache unter dem Motto "Mul14 Gemeint ist SS 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung). 63 tikultur tötet! Überfremdung stoppen!" durchgeführt. Am 21. April folgte unter identischem Motto eine Kundgebungstour mit Stationen in den rheinhessischen Gemeinden Sprendlingen, Wöllstein und Wörrstadt. Am 4. August 2018 fand in Alzey eine Demonstration unter dem Motto "Deutsche Zukunft schaffen: Gegen Überfremdung und Sozialabbau" statt. Auffällig hierbei war, dass erstmals bei einer Veranstaltung des Landesverbandes Südwest ein organisationsübergreifender Zusammenschluss festzustellen war. Statt der üblichen Teilnehmerzahlen von durchweg weniger als 20 Personen wurden etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt. Bereits bei der nächsten Demonstration der Partei "DIE RECHTE" am 8. September 2018 (erneut in Alzey) unter dem Motto "Gegen Polizeiwillkür, gegen Repressionen: Für Meinungsfreiheit!" fiel die Teilnehmerzahl allerdings wieder auf das vorherige Maß zurück. Am 27. Oktober 2018 und am 24. November 2018 beteiligten sich Aktivisten der Partei "DIE RECHTE" jeweils an in Kaiserslautern durchgeführten Demonstrationen der neonazistischen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Zweibrücken". Im Zuge der Aktionen traten wiederum Kontakte und Kooperationen der Partei "DIE RECHTE" mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen zu Tage. Über die bereits bekannte Kooperation mit der Kameradschaft "Nationaler Widerstand Zweibrücken" hinaus, konnten an den o.g. Veranstaltungen neben Aktivisten von deren Seite auch Teilnehmer und Plakate der "Kameradschaft Rheinhessen" (s.a. 3.4.2) festgestellt werden. Durch die augenscheinliche Kooperation dieser drei Organisationen und ein gemeinsames Auftreten bei Demonstrationen sollen der Bevölkerung Geschlossenheit und eine hohe Schlagkraft bei der Verbreitung des eigenen Gedankenguts suggeriert werden. Faktisch herrscht zumindest zwischen dem Landesverband Südwest der Partei "DIE RECHTE" und der "Kameradschaft Rheinhessen" größtenteils Personenidentität. 64 3.4 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 3.4.1 "Neue Rechte" Ursprünglich umfasste der Begriff "Neue Rechte" Gruppierungen innerhalb des organisierten Rechtsextremismus', die sich gegen die am Nationalsozialismus oder am Deutschnationalismus orientierte "Alte Rechte" richteten. Mittlerweile sind in erster Linie die an der Konservativen Revolution der Weimarer Republik orientierten intellektuellen Vordenker der extremen Rechten gemeint.15 In der Politikwissenschaft wird die "Neue Rechte" u.a. als "ein Netzwerk ohne feste Organisationsstrukturen" verstanden, das mit einer "Kulturrevolution von rechts" einen grundlegenden politischen Wandel vorantreiben wolle.16 In Deutschland entstand die "Neue Rechte" in den 1970er Jahren in Anlehnung an die französische "Nouvelle Droite"-Bewegung. Sie trat als Gegenpol zur linken "68er Bewegung" und mit dem Anspruch einer im Gegensatz zum damaligen "klassischen" rechtsextremistischen Spektrum ausgeprägten Intellektualität auf. Seit ihren Anfängen werden ihre Bedeutung und Einflussmöglichkeiten unterschiedlich gewichtet und bewertet. Dies trifft auch für ihre Verortung im politischen Koordinatensystem zu. Im wissenschaftlichen Diskurs ist u.a. von einem rechtsextremistischen Phänomen, einer "Grauzone" oder einem "Brückenspektrum" zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus die Rede. Aus Sicht des Verfassungsschutzes, der sich nach der Gesetzeslage ausschließlich der Beobachtung und Analyse des Extremismus widmet, können nach vorliegenden Erkenntnissen Teile der "Neuen Rechten" dem Rechtsextremismus zugerechnet werden. Deren Anhängerschaft hat ein Interesse, ihr Gedankengut in die gesellschaftliche Mitte einsickern zu lassen. 15 Der in diesem Kontext verwendete Begriff "Konservative Revolution" bezeichnet eine antiliberale, antidemokratische und nationalistische Strömung in der Zeit der Weimarer Republik. Sie gilt als ein geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus. 16 Vgl. u.a. Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber. 65 Ziele und Ideologie der "Neuen Rechten" Wesentliche weltanschauliche Bezugsgrößen der "Neuen Rechten" sind nicht neu. Leitbildcharakter in geistiger Hinsicht und mit Blick auf politische Zielsetzungen genießt immer noch das antiliberale, antidemokratische Gedankengut der "Konservativen Revolution" in der Weimarer Republik. Im Kern zielen die "Neuen Rechten" auf die Erringung der kulturellen Hegemonie ab. Sie wollen im Staat die Deutungsund die Meinungshoheit erlangen und langfristig für sich in Anspruch nehmen, um politische Macht zu gewinnen. Diese soll nicht durch parteipolitische Machtpositionen und Regierungsbeteiligungen gewonnen werden, sondern durch eine schleichende gesellschaftliche Akzeptanz und dauerhafte Verankerung einschlägiger weltanschaulicher Standpunkte. Fernziel der "Neuen Rechten" ist eine grundlegende Transformation des Staates. Im Mittelpunkt des in diesem Spektrum gängigen Staatsverständnisses steht das Modell des nach innen wie außen starken Staates, dessen Legitimation auf plebiszitären, zumeist nicht näher präzisierten Elementen beruhen soll. Die repräsentative, parlamentarische Demokratie würde somit bis zur Unkenntlichkeit erodieren. An der Spitze des Staates stünde ein "starker", integrativ wirkender Staatsmann mit Kompetenzen, ähnlich denen der Reichspräsidenten während der Weimarer Republik. In ideologischer Sicht gibt sich die "Neue Rechte" gegenüber der "Alten Rechten" zurückhaltender. Ein wichtiges Ideologieelement dieser Kreise ist der Ethnopluralismus, scheinbar als Alternative zum Ethnozentrismus.17 Die Protagonisten der "Neuen Rechten" wollen den Begriff Ethnopuralismus nach eigenem Bekunden zwar nicht im biologischen Sinne verstanden wissen; sie sprechen beispielsweise nicht offen von Rassen unterschiedlicher Wertigkeiten. Ethnopluralismus gründet nach dem Verständnis der "Neuen Rechten" aber auf Abstammungsgemeinschaften und bedeutet letztlich eine Separierung von Ethnien bezogen auf ihre vermeintlich angestammten Räume. Nationale Identität und völkische Verwurzelung werden gleichgesetzt, die "Verschiedenheit von Ethnien und Kulturen" 17 Im Ethnozentrismus - als einer Form des Nationalismus - wird das eigene Volk als im Mittelpunkt stehend und anderen Völkern überlegend verstanden. 66 und deren Bewahrung propagiert. Damit wird letzthin zumindest unterschwellig einem dem Rechtsextremismus immanenten Rassedenken Vorschub geleistet. Vorgehensweisen Das Wirken der "Neuen Rechten" findet in erster Linie auf der politischen Metaebene statt. Es geht den Akteuren vor allem darum, Kultur und Sprache als weltanschauliche Ideenträger punktgenau einzusetzen, um die Wahrnehmung der Menschen im eigenen Sinne zu formen und zu verändern. Auf lange Sicht soll so eine neue Realität geschaffen werden, konform mit den einschlägigen neurechten weltanschaulichen Determinanten. Um diese Ziele zu erreichen, werden politische Täuschung und Tarnung betrieben. Durch terminologisches "Weichspülen" werden typische rechtsextremistische Positionen verschleiert und kaschiert. Ein Beispiel für diese sprachliche Tarnstrategie ist der von Kreisen der "Neuen Rechten" nahezu durchgängig propagierte Ethnopluralismus. Öffentlich ist die Rede von der vermeintlichen Gleichwertigkeit der Ethnien, sofern diese in ihren angestammten Kulturräumen verbleiben. Aus der Geschichte des Rechtsextremismus weiß man jedoch, dass es nur ein kleiner Schritt von der Segmentierung zur Selektierung und Stigmatisierung ist. Ethnopluralismus bedeutet dem Grunde nach nichts anderes als die Vorstellung von homogenen Volksgemeinschaften. Eine solche unzweideutige Positionierung nach Außen wäre allerdings nicht salonfähig. Um ihre Thesen und Überzeugungen zu verbreiten, bedient sich die "Neue Rechte" traditionell des gesprochenen Wortes und gedruckter Veröffentlichungen. Im Laufe der Zeit haben allerdings Online-Aktivitäten im Internet immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mit der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) hat die "Neue Rechte" in den zurückliegenden Jahren ein aktionistisches, öffentlichkeitswirksames Gesicht bekommen. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) gibt es seit 2012. Zunächst bestand sie als eine rein virtuelle Facebook-Gruppe. Erst 2014 gab sich die IBD einen formellen Rahmen, indem sie sich als Verein registrieren ließ. 67 Die deutsche IB sieht sich in der Tradition der Nouvelle Droite in Frankreich und insbesondere als Ableger der französischen "Generation Identitaire" (GI). Die "Generation Identitaire" bzw. der "Bloc Identitaire" gelten als rechtsextreme Bewegungen. Ideologischer Mittelpunkt ihres Weltbilds sind ein strikter Ethnopluralismus sowie eine Ablehnung des Islams. Die IBD übernimmt diese Positionen ihres französischen Vorbilds fast nahtlos. Struktur der IBD Die IBD besteht aus "Regionalgruppen", die sich ursprünglich nicht an den Grenzen der einzelnen Bundesländer orientierten. Erst 2017 passte die IB ihre Gliederung an die Grenzen der Länder an und machte dies auch auf ihrer Internetseite publik. Unterhalb der Regionalgruppen existieren lokale Gruppen, von denen viele regelmäßig Stammtische ausrichten, um neue Unterstützer zu gewinnen. Es ist davon auszugehen, dass die IBD international und national gut vernetzt ist. Besonders zwischen der IBD und IB in Österreich (IBÖ) existieren enge Verbindungen. So ist beispielsweise der Co-Vorsitzende der IBÖ, Martin S., mehrmals auf Demonstrationen der IBD aktiv gewesen. Die zweite Handlungsebene der IB stellt immer noch das Internet dar. Zwar wurden im Mai 2018 große Teile "identitärer" Medienkonten gesperrt oder gelöscht. Ungeachtet dessen schafft es die IB nach wie vor, auch ohne Facebook und Instagram eine Öffentlichkeit zu generieren. Ideologie Die IB betrachtet ihren "Kampf" vor allem als einen Kampf um die Kultur. Zuerst geht es der IB nicht um die "Eroberung der Parlamente", sondern um kulturelle Einflussmöglichkeiten. Die IB beruft sich dabei auf die ursprünglich linke Theorie der "kulturellen Hegemonie" des italienischen Philosophen Antonio Gramsci, der dazu riet, erst den "Kampf um die Köpfe" zu führen und so der Revolution das Feld zu bereiten. In diesem Sinne spricht die IB davon, dass sie einen "Kampf um Begriffe, um das Sagbare, letztlich auch um das Denken" führe. 68 Dieser "kulturelle Kampf" findet sich in anderem Zusammenhang im Begriff des Ethnopluralismus wieder. Den Ethnopluralismus definiert die IB als Vorstellung, in der jedes Volk mitsamt seiner ureigenen Kultur einen angestammten Lebensraum hat. Dabei wird den europäischen Ethnien der Kontinent Europa zugeordnet und jeder einzelnen Ethnie wiederum ein Vaterland. "Volk und Kultur haben einen grundlegenden Wert, der aus ihrer Einzigartigkeit wächst. Diese ethnokulturelle Einzigartigkeit ergibt sich notwendig aus der Abgrenzung zu anderen ebenso einzigartigen und eigentlichen Lebenswelten". Aus dieser Vorstellung der IB folgt, dass Migrantinnen und Migranten von außerhalb Europas nicht in eine europäische Gesellschaft gehören. Massenmigration verstößt demnach gegen die Vorstellung eines "Europas der Vaterländer", wie es die IB anstrebt. Um diese "Umvolkung" aufzuhalten, müsse eine Remigration stattfinden. Diese Remigration ist Teil der Reconquista (Wiedereroberung). Das heißt, dass bereits hier lebende Migranten, die sich nach Ansicht der IB nicht assimiliert haben, umgehend abgeschoben werden sollen. Dabei sieht sich die IB als Speerspitze einer imaginären europäischen Armee und stellt sich in die Tradition Karl Martells, der im Jahr 732 dem Vormarsch muslimischer Araber in das Frankenreich militärisch Einhalt gebot. Durchgehend versucht die IBD zudem das Wort Rasse zu vermeiden. Diese Vorsicht rührt daher, dass die "Neue Rechte" um Abgrenzung von der "alten" Rechten bemüht ist, die sich nicht zuletzt des Vokabulars des historischen Nationalsozialismus bedient. Am Ende läuft allerdings auch der von der IB propagierte Ethnopluralismus auf eine völkisch definierte Blut-und-Boden-Ideologie hinaus. Drehund Angelpunkt identitärer Agitation ist eine vermeintliche Islamisierung Deutschlands. Ungeachtet des starken Rückgangs der Zahl der Asylsuchenden seit 2015 steht die Flüchtlingskrise nach wie vor im Fokus der IBD. Ein Teil der ideologischen Grundlagen der IB ist die Aufteilung der Welt in Westen und Osten. Das Abendland, also der Westen, müsse sich gegen ein Eindringen des Ostens wehren, wie schon in der Antike die Spartaner und im 17ten Jahrhundert die Verteidiger Wiens gegen die Türken. 69 Erscheinungsform, Aktivitäten, Vorgehen Die IB präsentiert sich als eine junge, zeitgemäße Organisation. Charakteristika ihrer "Marke" sind Jugendlichkeit, ein popkulturelles Verständnis und Medienaffinität. Massive Präsenz der IB im Internet soll sowohl für neue Mitglieder sorgen als auch das Bild einer modernen Bewegung vermitteln. Zu den Aktivitäten der IB zählen vornehmlich Flugblattund Plakataktionen sowie kleineren Demonstrationen. Manchmal werden dabei Protestveranstaltungen linker oder bürgerlicher Gruppen gezielt gestört. Grundsätzlich gilt es mit möglichst wenigen Aktivisten blitzartige und öffentlichkeitswirksame Aktionen zu inszenieren. Diese werden dann unverzüglich über alle Social-Media-Kanäle verbreitet. 2018 organisierte die IB erstmalig ein "Straßenfestival", bei dem etliche StänWir brechen in den Bunker der de aufgebaut wurden und "Identitäre" linken politischen Korrektheit aus ganz Deutschland und Europa anund enttarnen mittels provoreisten. Das Festival mit dem Namen kativer Aktionen, die Heuchelei "Europa Nostra" (Unser Europa) fand eines selbstgerechten Establisham 25. August 2018 in Dresden statt. ments, welches frechen und kreativen Aktivismus nur feiert, soGenerell geschehen Aktionen wie die lange er von links kommt. oben genannten ohne Gewaltanwendung. Die IB lehnt nach eigenen AngaIB (Unsere Prinzipien - Provokation) ben Gewalt ab, da sie ihrem Ziel widerspreche, sich als intellektuelle und elitäre Jugendbewegung zu präsentieren. Die führenden Funktionäre verurteilen Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Trotzdem ist die IBD in der Vergangenheit mit gewalttätigen Aktionen einzelner aufgefallen. Dazu zählt z.B. der Angriff von IB-Aktivisten auf Polizeibeamte in Zivil in Halle (Saale) 2017. Zudem ist es bei Aktionen der IB immer wieder zu Sachbeschädigungen gekommen. Rheinland-Pfalz Es wird davon ausgegangen, dass sich die Mitgliederzahl der IB in Rheinland-Pfalz konstant im niedrigen zweistelligen Bereich bewegt. Erste Aktivitäten entfaltete 70 die IB im Jahr 2015 in Trier und ab 2016 auch in anderen Teilen von Rheinland-Pfalz. 2017 wurden weitere IB-Aktivitäten in Trier und Mainz bekannt. Im September 2018 verwendeten IB Aktivisten in Konz Aufkleber mit der Aufschrift "732. 1529. 1571. 1683. Islamisierung nicht mit uns". Damit wird eine Parallele zwischen muslimischen Invasionsarmeen früherer Jahrhunderte und den Geflüchteten von heute gezogen, die selbst vor Kriegen fliehen. Das Auftreten reiht sich in Aktionen der IB ein, die sich auf deren Selbstverständnis als Verteidiger des Abendlandes gründet. Sie sollen einen imaginären Kampf zwischen Deutschen und "Invasoren" suggerieren. Außerdem fiel die IB 2018 in Rheinland-Pfalz durch mehrere Flugblattverteilungen und Plakataktionen auf, so in Limburgerhof (April), Neuhofen (Mai), Kruft (September) und in Ludwigshafen am Rhein (November). Im Dezember 2018 beteiligten sich Angehörige der IB in Trier an einem Protestmarsch gegen den UN-Migrationspakt. Bei diesem Marsch gingen auch Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Trier mit. Bis zur Sperrung ihrer Accounts 2018 berichtete die IBD über solche Aktionen auch auf ihren jeweiligen Facebook-Accounts und auf Instagram. 3.4.2 Neonationalsozialismus / Neonazis Neonationalsozialisten (Neonazis) bekennen sich zur Ideologie des historischen Nationalsozialismus und sehen darin sowie in der Programmatik der ehemaligen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) Vorbildcharakter für ihre politischen Zielsetzungen. Die weltanschauliche Nähe zum Nationalsozialismus zeigt sich in vielfacher Weise, wie vor allem in der Verwendung einschlägiger Begriffe, Parolen oder Kennzeichen.18 18 Ein Beispiel zeigt die Abbildung der neonazistischen Theorieschrift "N.S. HEUTE". Der darauf ersichtliche Begriff "Blutzeugen" ist identisch mit einem Propagandabegriff der Nationalsozialisten, mit dem die im politischen Kampf Getöteten (auch: "Gefallene der Bewegung"), quasi zu Märtyrern verklärend, bezeichnet wurden. 71 Die in ihren wesentlichen Zügen weitgehende ideologische Geschlossenheit suggeriert das Bild einer einheitlichen Bewegung. Allerdings ist die Szene nicht in Gänze homogen. Es gibt verschiedene Ausprägungen des Neonazismus, die von erklärten Hitler-Anhängern bis zu linksnationalistischen, nationalrevolutionären Strömungen reichen. Auch in struktureller Hinsicht gibt es eine gewisse Diversität. Während eine nicht unbeträchtliche Zahl der Neonazis vergleichsweise kleineren regionalen, eher informellen Gruppierungen angehört, zeigt sich ein Teil der Szene in Strukturen mit höherem Organisationsgrad (z.B. "Kameradschaften" oder Parteien wie "Der III. Weg"). Was die politischen Zielsetzungen anbelangt, herrscht weitestgehend Einigkeit: Nahezu alle Neonazis streben einen nach dem Führerprinzip19 diktatorisch gelenkten Staat nach dem Vorbild des "Dritten Reichs" an, der auf dem rassistischen Gesellschaftsmodell einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" fußt. Der Einzelne wird in diesem Gesellschaftsmodell seiner Individualrechte - insbesondere der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung - beraubt. Demokratische Entscheidungsprozesse auf der Grundlage einer pluralistischen Meinungsbildung haben in einem Staat nach neonazistischem Muster keinen Platz. Signifikant ist in Neonazikreisen zudem, wie beim historischen Vorbild, ein durchgängig exzessives Feindbilddenken. Mit im Fokus steht dabei auch heute noch eine rassistisch motivierte Feindschaft gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, die von neonazistischer Seite systematisch diffamiert und stigmatisiert werden. Offener wie versteckter Antisemitismus oder auch sekundärer Antisemitismus20 sind dauerhafte Bestandteile der neonazistischen Lebenswelt und in Propaganda und Agitation gleichbleibend präsent. Ohne dass sich daran etwas 19 Politisches Konzept des Faschismus und des Nationalsozialismus von der unumschränkten, allumfassenden und keiner Kontrolle unterliegenden Befehlsgewalt des politischen (An)-Führers. 20 In der Wissenschaft als solches bezeichnetes Phänomen, dessen Argumentationsmuster der Erinnerungsabwehr dienen sollen (Stichwort: Weg vom "Schuldkult"). 72 grundlegend geändert hat, ist in jüngerer Zeit auch das Feindbild Muslime verstärkt in den Vordergrund gerückt. Insbesondere im Kontext mit Reaktionen auf medienwirksame kriminelle Handlungen von einzelnen Flüchtlingen islamischen Glaubens werden der Islam als Gewalt generierend gebrandmarkt und Muslime unter Generalverdacht gestellt. Rheinland-Pfalz Bundesweit umfasst das Neonazipotenzial mehrere Tausend Personen (Stand 2017: rund 6.000). Rheinland-Pfalz ist mit konstant etwa 200 Neonazis auch im Jahr 2018 kein Brennpunkt der Szene. Aufgrund der seit dem Jahr 2012 in mehreren Ländern verstärkt durchgeführten Verbotsmaßnahmen gegen "Kameradschaften" sind seitdem neue Organisationsformen in den Vordergrund getreten. Charakteristisch sind dabei lose Strukturen, von denen man sich weniger Ansatzpunkte für Verbote oder strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Gruppen verspricht. Auch in Rheinland-Pfalz zeigte sich dieser Trend. Zwischen 2014 und 2017 war ein deutlicher Auflösungsprozess der "Kameradschaftsszene" wahrnehmbar. Eine noch verbliebene "Kameradschaft" ist die seit 2003 existierende Gruppierung "Nationaler Widerstand Zweibrücken". Obgleich sich auch deren Unterstützerzahl mittlerweile auf unter zehn Personen verringert hat, zeigt die Gruppierung mit der Durchführung von Demonstrationen und Mahnwachen zumindest noch Präsenz in der Öffentlichkeit. So führte die Kameradschaft "Nationaler Widerstand Zweibrücken" am 14. März 2018 in Kaiserslautern einen Fackelmarsch mit rund 30 Beteiligten durch. Am 27. Oktober 2018 fand in Kaiserslautern eine Kundgebung der "Kameradschaft" unter dem Motto "Gestern Chemnitz und Köthen, morgen Kaiserslautern?" mit ca. 30 Teilnehmern statt. Unterstützung erhielt die "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" im Jahr 2018 von den rechtsextremistischen Gruppierungen "Landesverband Südwest" der Partei "DIE RECHTE" und der im gleichen Jahr neu gegründeten "Kameradschaft Rheinhessen". Dieser Gruppe sind - mit Überschneidungen zum "Landesverband Südwest" der Partei "DIE RECHTE" - rund 10 Personen zuzurech73 nen. Die drei genannten Gruppierungen führten 2018 in Kooperation verschiedene Demonstrationen durch (s.a. Kapitel 3.2.3). Die Zusammenarbeit kann dabei auch als eine Art Interessengemeinschaft verstanden werden, die der Öffentlichkeit Nähe zu gesellschaftspolitischen Brennpunktthemen und ein so nicht vorhandenes, großes Personenpotential der Szene suggerieren soll. Darüber hinaus bestimmen aktuell informelle, lose Zusammenschlüsse von regionalem Zuschnitt das Bild der Neonaziszene in Rheinland-Pfalz. Ein Schwerpunkt ist die Vorderpfalz mit Überschneidungen zum Rhein-Neckar-Raum. 3.5 Weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial Unter dem Begriff weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial werden alle organisationsungebundenen Rechtsextremisten sowie rechtsextremistische Internetaktivisten zusammengefasst, die keiner Organisation zugeordnet werden.21 Wesentliche Teile dieses Spektrums umfassen subkulturell geprägte Rechtsextremisten und die rechtsextremistische Musikszene. 3.5.1 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Das subkulturell geprägte rechtsextremistische Spektrum eint vor allem ein erlebnisorientiertes Lebensgefühl, bei dem insbesondere die Musik eine wichtige, Identität und Zusammenhalt stiftende Rolle spielt. Weltanschauliche Inhalte bleiben überwiegend fragmentarisch und floskelhaft, politische Ambitionen sind - wenn vorhanden - zumeist unkonkret. Strukturen kennzeichnet ein niedriger, 21 Der Begriff weitgehend unstrukturiert bedeutet nicht, dass in allen Fällen zwingend von einer völligen Strukturlosigkeit ausgegangen werden kann. Die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz zählt zu diesem Spektrum auch Personenzusammenschlüsse wie die "Hammerskin-Szene" oder rechtsextremistische Musikgruppen, die für sich genommen zwar jeweils einen gewissen Organisationsgrad aufweisen, zu deren Selbstverständnis aber zugleich gehört, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit bzw. Eigenständigkeit zu bewahren. 74 bis nicht vorhandener Organisationsgrad. Informelle, lose Gruppierungen mit lokalem oder regionalem Zuschnitt prägen das Bild. Ungeachtet dessen darf nicht verkannt werden, dass es bei den Protagonisten dieses Spektrums auch keiner tiefergehenden politischen Reflexion oder Programmatik bedarf, um Verbundenheit zur Szene zu schaffen. Rassistische, antisemitische, fremdenund demokratiefeindliche Überzeugungen reichen in aller Regel, um in Verbindung mit vielerlei Freizeitaktivitäten ein Zusammengehörigkeitsgefühl hervorzurufen und zu verdichten. Das Aggressionsund Gewaltpotenzial ist dabei hoch. Letzteres tritt regelmäßig dann zu Tage, wenn Aktivitäten im größeren Stil entwickelt werden, so beispielsweise anlassbezogen bei Aufmärschen (auch) von organisierten Rechtsextremisten oder bei Konzertveranstaltungen. In Rheinland-Pfalz umfasst die subkulturelle rechtsextremistische Szene konstant schätzungsweise weniger als 50 Personen, die als gewaltorientiert gelten. Eine Reihe von ihnen fühlt sich - entgegen des bundesweiten Trends - nach wie vor dem Lebensstil der Skinheads verbunden. Kontakte bestehen vornehmlich in das Neonazilager. "Hammerskins" Innerhalb der subkulturellen rechtsextremistischen Szene nimmt die "Hammerskin-Bewegung" aufgrund ihres straffen Organisationsgefüges eine Sonderrolle ein. Gegründet wurde sie Anfang der 1990er-Jahre in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das seither von den "Hammerskins" benutzte Symbol der überkreuzten Zimmermannshämmer (vgl. Abbildung) soll sinnbildlich für die vermeintliche (geistige) Nähe zur Arbeiterschaft stehen. Rassismus und Neonationalsozialismus prägen das Weltbild den "Hammerskins"; die den "Erhalt der weißen Rasse" propagieren. Heute gilt die "Hammerskin-Bewegung" als eines der wichtigsten rechtsextremistischen Netzwerke weltweit. Die internationale Vereinigung verfügt mit 75 gleichberechtigten Regionalgruppen, so genannten Chaptern, über Ableger in einer Reihe von Ländern auf verschiedenen Kontinenten. Ein Auftreten von "Hammerskins" in der Öffentlichkeit findet nahezu nicht statt; man agiert weitgehend konspirativ und lässt auch politische Intentionen nach außen nicht erkennen. Die Gruppierung trägt damit ihrem Selbstverständnis als elitäre Sammlungsbewegung innerhalb der rechtsextremistischen SkinheadSubkultur Rechnung. 3.5.2 Rechtsextremistische Musikszene Musik spielt für das gesamte rechtsextremistische Spektrum eine zentrale Rolle. Sie trägt auf hoch emotionalisierende Weise dazu bei, dass sich einschlägiges, menschenverachtendes Gedankengut bei seinen Protagonisten verfestigt. Das mobilisierungsmächtige Geschehen rund um die Musik, d.h. vor allem Konzertveranstaltungen von rechtsextremistischen Bands, die besonders Anklang finden, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und den Szenezusammenhalt.22 Zudem trägt es dem erlebnisorientierten Charakter gerade des subkulturellen rechtsextremistischen Spektrums Rechnung und fördert die Vernetzung dieser ansonsten eher lose formierten Kreise. Mithin stellen subkulturelle Rechtsextremisten einen erheblichen Teil der Anhängerschaft rechtsextremistischer Musik(-gruppen). Die im Laufe der Jahre gewachsene, bundesweite rechtsextremistische Musikszene setzt sich aus einer Reihe von zum Teil bereits seit langem aktiven Musikgruppen und Einzelinterpreten (zumeist Balladensängern) zusammen. Fluktuation unter Bandmitgliedern und sich verändernde Hörgewohnheiten bei der Anhängerschaft sorgen immer wieder für Neugründungen oder Umbenennungen von Musikgruppen. Wichtige Rollen in den Szenestrukturen spielen neben den eigentlichen Akteuren die Organisatoren von Konzerten und Versandhändler szenetypischer Musikpro22 In den vergangenen zwei Jahren nahmen an einzelnen rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen im Bundesgebiet und im benachbarten Ausland bis zu mehrere Tausend Personen teil, so am 8. und 9. Juni 2018 im Thüringischen Themar. In Rheinland-Pfalz fanden in den vergangenen Jahren keine Großveranstaltungen statt. 76 dukte. Sie sorgen für die reibungslose Durchführung von Veranstaltungen und für ein stetes Angebot an Tonträgern nebst vielerlei einschlägiger Devotionalien und Merchandising-Produkten. Zumeist wird für den Versandhandel das Internet genutzt; ansonsten findet regelmäßig ein Verkauf am Rande von Konzertveranstaltungen statt. Die rechtsextremistische Musikszene mit ihren Anhängerinnen und Anhängern ist überregional wie auch in das Ausland auf vielfältige Weise vernetzt. Am Rande von Konzertveranstaltungen geknüpfte persönliche Kontakte werden insbesondere in Internetforen und sozialen Netzwerken regelmäßig fortgesetzt und intensiviert. Dies wirkt im subkulturellen rechtsextremistischen Milieu mit seinem insgesamt sehr niedrigen Organisationsgrad integrativ. Die stilistische Bandbreite des rechtsextremistischen Musikangebots ist im Laufe der Zeit stetig gewachsen. Heute nutzt man nahezu jede Stilrichtung, um den Geschmack der Zuhörerschaft zu treffen. Getragene Balladenklänge, unterschiedliche Interpretationen des Genres Rockmusik, harte Black-Metal-Rhythmen, "National Socialist Hardcore", nordisch-mythisch eingefärbter Viking-Rock, Neofolk oder auch dem ersten Eindruck nach nicht mit dem Rechtsextremismus kompatible Stile wie Hip-Hop (auch "NS-RAP") oder Techno gehören längst zum Repertoire der rechtsextremistischen Musikszene. In einem Interview äußerte der szenebekannte Gründer der rechtsextremistischen Band "Die Lunikoff Verschwörung", Michael Regner, auf die Frage, ob es für ihn musikalische Grenzen gebe oder Nationalisten jedes Medium - gemeint sind Musikstile - zum Transport ihrer Inhalte nutzen sollten: "Auf jeden Fall, auf jeden Fall sollten wir jedes Medium nutzen".23 Die Liedtexte - wie im Übrigen auch viele Bezeichnungen von rechtsextremistischen Musikgruppen - lassen in der Regel keine Zweifel an deren Urheberschaft 23 Aufzeichnung des Interviews, www.youtube.com/watch?v=7q1Fcj8yad4, aufgerufen am 28. Januar 2019. 77 zu. In den Texten spiegelt sich die rassistische, nationalistische und antidemokratische rechtsextremistische Weltanschauung in expliziter und exzessiver Weise. Menschengruppen werden pauschal mit einer jedes Maß überschreitenden Hetze überzogen und nicht selten wird in diesem Zusammenhang Gewalt verherrlicht. Zu den bevorzugten Feindbildern zählen Menschen jüdischen Glaubens und Zuwanderinnen und Zuwanderer. Im Jahr 2018 wurden in RheinlandPfalz sechs rechtsextremistische Musikveranstaltungen durchgeführt, an denen insgesamt rund 250 Personen teilnahmen (2017: Fünf Musikveranstaltungen mit ca. 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern). In unterschiedlicher Intensität waren im Land acht rechtsextremistische Bands aktiv (2017: Fünf), darunter die bundesweit bekannte und überregional auftretende Formation "FLAK" sowie drei Liedermacher (2017: Einer). 78 III. "Reichsbürger"-Spektrum und "Selbstverwalter" 79 1. Überblick und Entwicklungen 2018 Ende November 2016 erfolgte die Einstufung des "Reichsbürger"-Spektrums nebst "Selbstverwaltern" als Sammelbeobachtungsobjekt24 des Verfassungsschutzes. Die Erkenntnislage hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt soweit verdichtet, dass sich daraus hinreichende Anhaltspunkte u.a. für politisch motivierte Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ergaben. In der Vergangenheit waren diese Voraussetzungen nur bei vergleichsweise wenigen, der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Gruppen und Akteuren des "Reichsbürger"-Spektrums erfüllt. In den ganz überwiegenden Fällen bestanden hingegen Zweifel, dass die einschlägigen Aktivitäten einer im engeren Sinne - d.h. ernsthaften - politischen Motivation folgten.25 Das Verhalten der "Reichsbürger" irritierte allerdings bereits damals nicht zuletzt die öffentliche Verwaltung, die immer wieder Ziel kruder Schriftsätze oder ebensolcher persönlicher, teils aggressiver Einlassungen wurde. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren auch in Rheinland-Pfalz verstärkt und im Jahr 2018 fortgesetzt. Das Agieren der "Reichsbürger" mag vordergründig abstrus und verstörend wirken. Es ist aber keineswegs harmlos. Verschwörungstheoretisches Denken und Während die Mitläufer im Anfangsstadium noch über eine relativ große Teilhabe an der realen Welt verfügen, leben die wahnhaft Kranken zum Ende zunehmend in einer geschlossenen Gesinnungsblase, die sie nur noch mit Gleichgesinnten teilen können. Jan-Gerrit Keil, Zwischen Wahn und Rollenspiel - das Phänomen der "Reichsbürger" aus psychologischer Sicht, in: "Reichsbürger" Ein Handbuch, Demos - Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung, 3. Auflage, 2017 24 Unter dem Arbeitsbegriff "Sammelbeobachtungsobjekt" werden Bewegungen ansonsten lose formierter / strukturierter Personen und Gruppierungen zusammengefasst, bei denen von einer einheitlichen weltanschaulich-ideologischen Ausrichtung gesprochen werden kann. 25 Erst wenn die Voraussetzung eines gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten politisch motivierten Handelns erfüllt ist, kann von Extremismus gesprochen werden und eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgen. Bloße Meinungsäußerungen, weltanschauliche Vorstellungen etc. reichen für sich genommen hierfür nicht aus. 80 Verhaltensauffälligkeiten wie insbesondere Realitätsverkennung, erhöhte Delinquenz und Waffenaffinität unter "Reichsbürgern" bedingen nicht von der Hand zu weisende Gefahren. Seit dem Beginn der systematischen Beobachtung des "Reichsbürger"-Spektrums ist die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz daher intensiv mit dessen umfänglicher Erhebung und der Analyse der gewonnenen Daten befasst. Die Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für exekutive Maßnahmen, so in Verfahren mit dem Ziel der Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse. 2. Personenpotenzial Das "Reichsbürger"-Potenzial wurde erstmals im Jahr 2017 landesweit umfänglich erfasst, sodass für die vorausgegangenen Jahre keine Aussagen über dessen Größenordnung getroffen werden können. Im Zuge der Erfassung belief sich die Zahl Anfang April 2017 in Rheinland-Pfalz auf rund 400 und zum Jahresende 2017 auf etwa 500 Personen. Mit ca. 550 Personen zum Stand Ende 2018 ergibt sich gegenüber 2017 zwar eine Steigerung. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit dies noch der Erhellung des Dunkelfelds geschuldet ist. Insoweit wäre es verfrüht, bereits von einer längerfristigen Entwicklung zu sprechen. Rheinland-Pfalz 2018 2017 Gesamt 550 500 Gewaltorientierte 77 - Angaben gerundet, Gesamtzahl ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltorientierten wird erstmals 2018 ausgewiesen.. 3. Soziologie und Strukturen Mit rund 69 Prozent dominieren Männer in Rheinland-Pfalz das "Reichsbürger"Spektrum, während Frauen einen Anteil von ca. 31 Prozent stellen. Bemerkenswert ist der vergleichsweise höhere Altersdurchschnitt der "Reichsbürger": Von den etwa 550 dem "Reichsbürger"-Spektrum in Rheinland-Pfalz zuzurechnen81 den Personen sind ca. sieben Prozent bis 30 Jahre alt, ca. 29 Prozent über 30 bis 50 Jahre und ca. 63 Prozent über 50 Jahre. In den weit überwiegenden Fällen handelt es sich bei den Angehörigen des "Reichsbürger"-Spektrums um Einzelpersonen, nur ca. 12 % sind in RheinlandPfalz organisiert. Diese gehören mit Schwerpunkt den im fiktiven "Staatenbund Deutsches Reich" mit anderen Gruppen zusammengeschlossenen, überregional agierenden Organisationen "Freistaat Preußen" und "Volksstaat Bayern" an. Die im Mai 2016 gegründete "Heimatgemeinde Kaiserslautern" entfaltet derzeit keine Aktivitäten. Des Weiteren gehören Einzelpersonen aus Rheinland-Pfalz den beiden bundesweit aktiven namensgleichen Gruppierungen "Exilregierung Deutsches Reich" an. "Freistaat Preußen" Bei der Gruppierung "Freistaat Preußen", der in Rheinland-Pfalz etwa 20 Personen angehören, handelt es sich um eine Abspaltung der im Oktober 2012 gegründeten gleichnamigen Organisation. Zusammen mit anderen Gruppen wie dem "Volksstaat Bayern" bildet sie den fiktiven "Staatenbund Deutsches Reich", der sich auf die Reichsverfassung von 1871 beruft. Die "Zentrale Verwaltung" des "Freistaates Preußen" befindet sich nach den Angaben auf dessen Internetseite in der Gemeinde Königsfeld (Eifel). Von dort wurden 2018 regelmäßig und bundesweit einschlägige Schriftstücke an diverse Behörden und andere Institutionen versandt. Am 16. Oktober 2018 wurden bei Verantwortlichen des "Freistaates Preußen" umfangreiche polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (SS 90a Strafgesetzbuch - StGB) durchgeführt. Die Gruppierung versandte daraufhin ein Protestschreiben an die Landesregierung sowie an die Abgeordneten des Landtages RheinlandPfalz. Darin werden in Anspielung auf die Durchsuchungen die "Beseitigung von völkerrechtlichem Unrecht nach dem Preußenschlag am 16. Oktober 2018", die 82 Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände und Ermittlungen gegen die verantwortlichen Personen bei Staatsanwaltschaft und Polizeibehörden gefordert.26 Der bundesweite Versand einschlägiger Schriftstücke an Behörden wurde auch nach den Durchsuchungsmaßnahmen fortgesetzt. "Volksstaat Bayern" Die im Dezember 2015 zunächst unter der Bezeichnung "Bundesstaat Bayern" gegründete Gruppierung mit Sitz in Landsham bei München strebt die Einleitung der "Reorganisation des Bundesstaates Bayern" an. Am 25. September 2018 erfolgte per "Notbeschluss zur Reorganisation des Staates Bayern" die Umbenennung in "Volksstaat Bayern". Die Gruppierung zählt auch Teile von Rheinland-Pfalz zu ihrem "Territorium". So wird auf der Internetseite u.a. ein "Regierungsbezirk Pfalz" namentlich erwähnt. Im Land gehören ihr etwa 20 Mitglieder an. Auf seiner Internetseite bietet der "Volksstaat Bayern u.a. Informationsveranstaltungen in Ludwigshafen am Rhein an. Im Jahr 2018 wurden die bereits im Vorjahr begonnenen Durchsuchungsmaßnahmen gegen Führungspersonen als auch Sympathisanten und Bezieher diverser, selbst erstellter Ausweise der Gruppierung in den Bundesländern Bayern und Rheinland-Pfalz fortgeführt. Hintergrund für die Vollstreckung der Durchsuchungsbeschlüsse war der dringende Tatverdacht der bandenund gewerbsmäßig begangenen Urkundenfälschung sowie der Amtsanmaßung. 4. Weltanschauung und Strömungen Es existiert keine spezifische, in sich geschlossene "Reichsbürger"-Ideologie. Die weltanschaulich-ideologische Prägung der heterogenen Szene beruht vielmehr auf einer Reihe von individuell uneinheitlich verdichteten Versatzstücken 26 In einem u.a. an die Präsidenten Putin und Trump gerichteten Schreiben vom 17. Oktober 2018 erstattete die Gruppierung "Strafantrag und Strafanzeige zur Erhebung der öffentlichen Klage..." gegen mehrere an der Durchsuchung am 16. Oktober beteiligte Polizeibedienstete, einen Bediensteten der Verbandsgemeindeverwaltung Brohltal und eine Richterin am Amtsgericht Koblenz. 83 und variierenden Argumentationsmustern. Kleinster gemeinsamer Nenner des "Reichsbürger"-Spektrums ist die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und in dieser Konsequenz die Ablehnung ihrer Verfassungsund Rechtsordnung. Die Legitimität staatlicher Institutionen sowie ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten wird folglich negiert. Mit dieser Vorstellung geht regelmäßig die Zielsetzung einher, die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch Schaffung institutionalisierter Organe und dessen territoriale Integrität wieder herzustellen ("Reichsgedanke"). In letzterem Punkt gibt es unterschiedliche Auffassungen, orientiert an verschiedenen historischen Daten. Das Deutsche Reich und seine wechselnden Bezeichnungen 962-1806 Heiliges Römisches Reich (seit 1512 mit dem offiziellen Zusatz "Deutscher Nation", auch als "Altes Reich" bezeichnet) Staatsbzw. Herrschaftsform: Monarchie 1871-1918 Deutsches Reich (auch als "Deutsches Kaiserreich", "Wilhelminisches Reich" oder "Zweites Reich" bezeichnet) Staatsbzw. Herrschaftsform: Monarchie 1918-1933 Deutsches Reich (auch als "Weimarer Republik" oder "Deutsche Republik" bezeichnet) Staatsbzw. Herrschaftsform: Republik 1933-1945 Deutsches Reich (auch als "Drittes Reich", "Großdeutsches Reich", "Hitler-Reich" oder "Tausendjähriges Reich" bezeichnet) Staatsbzw. Herrschaftsform: Diktatur Laut Bundesverfassungsgericht ist das Deutsche Reich nicht untergegangen und die Bundesrepublik Deutschland nicht sein Rechtsnachfolger, sondern mit ihm identisch (hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung allerdings nur "teilidentisch"). 84 In der Gesamtschau ergeben sich dabei zwar einzelne Berührungspunkte oder auch gewisse Parallelen zur rechtsextremistischen Weltanschauung (z.B. Gebietsrevisionismus). Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass das gesamte "Reichsbürger"-Spektrum entsprechend weltanschaulich ausgerichtet ist. Wesentliche, für den Rechtsextremismus typische Ideologieelemente, wie insbesondere der Rassismus, der vornehmlich rassistisch motivierte Antisemitismus oder eine geistige Nähe zum historischen Nationalsozialismus, können nach bisherigem Erkenntnisstand nur in einzelnen Fällen / Ansätzen festgestellt werden.27 Ein dem "Reichsbürger"-Spektrum verwandtes Phänomen ist die "Selbstverwalter"-Szene. Ihre Anhängerschaft leugnet zwar ebenso die Existenz der Bundesreplik Deutschland, sie fühlt sich aber dem "Reichsgedanken" im engeren Sinne nicht verbunden. Typisch für "Selbstverwalter" sind beispielsweise "Austrittserklärungen" aus der Bundesrepublik Deutschland, einhergehend mit der Feststellung der administrativen und rechtlichen Autonomie. So definieren "Selbstverwalter" beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als "souveränes Staatsgebiet" und machen dies nach außen entsprechend kenntlich. Eine den "Selbstverwaltern" ähnliche Gruppierung sind die sogenannten Germaniten, die sich als Weltanschauungsgemeinschaft und eigenständiges Volk ("Binnenflüchtlinge") betrachten. Sie vertreten die Auffassung, sich als Angehörige eines eigenen Staates ("Germanitien") nicht dem deutschen Rechtssystem und den Gesetzen unterwerfen zu müssen. Vergleichsweise weniger bekannt sind "Zivilrechtler" und "Heimatgemeinden". Unter den Begriff "Zivilrechtler" fallen Personen, die sich zu der aus ihrer Sicht tatsächlich existierenden Bundesrepublik Deutschland in einem ausschließlich zivilrechtlichen Verhältnis wähnen. Sie leugnen die Staatlichkeit in ihrem ureigenen Sinn und sehen in der Bundesrepublik Deutschland wechselweise z. B. eine Nichtregierungsorganisation (NGO) oder eine GmbH. Bei den sogenannten Heimatgemeinden handelt es sich um fiktive Gebietskörperschaften, quasi als Parallelstrukturen zu real existierenden Gemeinden. Mit27 In Rheinland-Pfalz weist nur eine geringe Schnittmenge von etwa 2,5 Prozent der rund 550 dem "Reichsbürger"-Spektrum zuzurechnenden Personen zugleich Bezüge zum Rechtsextremismus auf. Aktivitäten von dem "Reichsbürger"-Spektrum zuzurechnenden rechtsextremistischen Gruppierungen sind in Rheinland-Pfalz 2018 nicht bekannt geworden. 85 tels Pseudoverwaltung, selbst verfassten "Urkunden" und dem Anschein nach "offiziellen" Internetauftritten unter besagter Firmierung soll ein amtlicher Charakter suggeriert werden. Die entsprechenden Akteure grenzen sich mit diesem Konstrukt von der gesamtstaatlichen Ordnung ab, die sie negieren. 5. Aktivitäten und Vorgehensweisen Die offenkundig gängigste Vorgehensweise ist das Abfassen von an staatliche Einrichtungen - in erster Linie Behörden - gerichteten Schriftstücken. Die Diktion solcher Schreiben ist regelmäßig belehrend-"missionarisch" und um Imitation der Behördensprache bemüht. Man ergeht sich in zumeist weitschweifigen, pseudojuristischen (-wissenschaftlichen) Ausführungen, die bar jeder rechtlichen und sachlichen Grundlage sind. Damit werden u. a. die Ziele verfolgt, Behörden in einen letztlich sinnentleerten, permanenten Schriftverkehr zu verwickeln und Verunsicherung bei den Bediensteten zu bewirken. Immer wieder treten "Reichsbürgerinnen" und "Reichsbürger" auch persönlich in Erscheinung, so aktiv durch Vorsprache bei Behörden oder in Fällen behördlicher Maßnahmen. Sie nehmen dabei, wie die Erfahrungen der Verwaltung zeigen, regelmäßig eine aggressiv-ablehnende Haltung ein und versuchen, behördliche Maßnahmen auch durch Widerstandshandlungen oder Provokationen wie dem unerlaubten Fotografieren von Vollstreckungspersonen zu behindern. 86 IV. Linksextremismus 87 1. Überblick und Entwicklung 2018 Linksextremistische Bestrebungen haben das Ziel, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen und durch ein sozialistisches, kommuMarx und Engels begreifen die nistisches oder anarchistisches GesellGeschichte als einen voranschaftsmodell zu ersetzen. Revolutioschreitenden, gesetzmäßigen, när-marxistisch ausgerichtete Parteien aber auch widerspruchsvollen und Organisationen setzen dabei auf Prozess, der eine Weiterentwicktraditionelle Konzepte eines langfristig lung und ein Endziel aufweist: betriebenen Klassenkampfes. Anarchidie klassenlose, kommunistische sten hingegen lehnen jegliche Form Gesellschaft. von staatlichen und gesellschaftlichen Hans-Gerd Jaschke, Politischer ExtremisNormen ab und streben nach einem mus, Schriftenreihe der Bundeszentrale freien, selbstbestimmten Leben in für politische Bildung, Band 621, 2007, "herrschaftsfreien Räumen". Die unS. 57 terschiedlichen Aktionsformen von Linksextremisten reichen von offener Agitation bis hin zu massiver Gewaltanwendung als zentraler Bestandteil ihres Kampfes gegen "staatliche Repression". Im Jahr 2018 beteiligten sich Linksextremisten wiederum in breiten, von zivilgesellschaftlichen Gruppen getragenen Bündnissen und versuchten diese zu instrumentalisieren und im Sinne ihrer systemüberwindenden Ziele zu beeinflussen (s. Kapitel B I.2.). In Rheinland-Pfalz zeigte sich dies in Ansätzen bei Protestaktionen in der südpfälzischen Gemeinde Kandel als Reaktion auf Demonstrationen rechtsextremistischer/rechtspopulistischer Parteien und Organisationen aus Anlass eines am 27. Dezember 2017 begangenen Tötungsdelikts an einem 15-jährigen Mädchen. An den überwiegend bürgerlichen Gegenprotesten waren teilweise bis zu 1.600 Personen beteiligt, darunter Linksextremisten aus RheinlandPfalz und benachbarten Bundesländern. Das Veranstaltungsgeschehen in Kandel führte im Jahr 2018 zu einer deutlichen Zunahme des linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten Aktionsaufkommens in Rheinland-Pfalz. Wichtigstes Aktionsfeld rheinland-pfälzischer Linksextremisten ist weiterhin der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung rechtsextremistischer 88 und rechtspopulistischer Strukturen. Vor allem öffentliche Veranstaltungen der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD), die nach linksextremistischen Verständnis als Hauptverantwortliche der Flüchtlingshetze in Deutschland gesehen wird, waren das Ziel zahlreicher Protestveranstaltungen. Ein weiterer Themenschwerpunkt rheinland-pfälzischer Linksextremisten waren 2018 die Proteste gegen die Räumung und geplante Rodung des Hambacher Forstes im rheinischen Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen. An Versammlungen und Kundgebungen gegen die RWE Power AG und Partnerfirmen nahmen auch Szeneangehörige aus Rheinland-Pfalz teil. In diesem Kontext kam es am 17. und 20. September 2018 im Bereich Koblenz und Umgebung zu Sachbeschädigungen in Form von diversen Farbschmierereien ("FUCK RWE - HAMBI BLEIBT"). In Mainz wurden am 13. September die Schaufensterscheibe des RWE-Premium-Stores durch Unbekannte durchlöchert und im Bereich der Eingangstür die Graffito "FCK RWE" aufgesprüht. Die "Gutmenschliche Aktion Mainz", eine der örtlichen autonomen Antifa-Szene zuzurechnende Gruppierung, veröffentlichte am 17. September auf ihrer Facebook-Seite mehrere Bilder zu dieser Sachbeschädigung. Weitgehend unauffällig blieben im Jahr 2018 revolutionär-marxistische Organisationen wie die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) in Rheinland-Pfalz. Einzelne Angehörige solcher Gruppierungen beteiligten sich an den alljährlichen Aktionswochen gegen den Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel. Als Protestformen wurden vom 20. bis 22. Juli 2018 Sitzblockaden und sogenannte GoIn-Aktionen durchgeführt. Hierbei gelang es mehreren Aktivisten in den Sicherheitsbereich des Fliegerhorsts einzudringen. Zu den Feierlichkeiten anlässlich des 200. Geburtstages von Karl Marx führten die DKP und die ihr nahestehende Jugendorganisation "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) vom 4.bis 6.Mai 2018 in Trier verschiedene Veranstaltungen unter dem Motto "Marx hat Zukunft" durch. 89 2. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2018 2017 Gesamt 500 500 Gewaltorientierte 100 100 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 400 400 Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Gewaltorientierter Linksextremismus Die von Linksextremisten begangenen Gewalttaten (z.B. Sachbeschädigungen, Brandanschläge und Körperverletzungen) sind zum größten Teil den sogenannten Autonomen als Mittel in ihrem Kampf gegen die "strukturelle Gewalt eines Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung" zuzurechnen. Die kontinuierlich gesunkene Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegenüber Vertretern des Staates oder tatsächlichen bzw. vermeintlichen Rechtsextremisten ist weiterhin besorgniserregend. Grundsätzlich werden unter Autonomen bereits die bloße Anwesenheit von Polizeikräften auf Demonstrationen oder auch behördlich erlassene Auflagen als Provokation empfunden. Sobald die Polizei bei Demonstrationen einschreitet, agitieren Autonome quasi reflexartig gegen angeblichen "Polizeiterror" oder subjektiv wahrgenommene überzogene Polizeipräsenz. Die gewaltorientierte linksextremistische Szene orientiert sich vor allem an tagespolitischen Entwicklungen. Emotional aufgeladene und in der Szene vermittelbare Themen können zu massiven Gewaltausprägungen führen, insbesondere im Kontext von Großveranstaltungen oder auch Straßenkrawallen wie beispielsweise beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Besonders ausgeprägte gewaltaffine Szenen findet man insbesondere in den Großstädten Hamburg, Berlin und Leipzig. Die Anzahl der gewaltorientierten Linksextremisten in Rheinland-Pfalz ist mit ca. 100 Personen gegenüber den letzten Jahren gleich geblieben. Die linksextre90 mistisch motivierten Gewalttaten (33) sind allerdings im Vergleich zum Vorjahr (vier) signifikant angestiegen. Im Rahmen der umfänglichen Protestaktionen in Kandel sind allein 27 Gewaltdelikte zu verzeichnen gewesen. Die Mobilisierungsfähigkeit der linksextremistischen gewaltorientierten Szene in Rheinland-Pfalz bewegt sich weiterhin auf einem eher niedrigen Niveau und erfolgt hauptsächlich anlassbezogen und reaktiv. Weniger eine organisierende Gruppe, sondern vielmehr das Veranstaltungsthema und Aktionsniveau bestimmen den Mobilisierungsgrad. Ideologische Schwerpunkte sind nur bedingt auszumachen. Häufig genutzte Aktionsformen gewaltorientierter Linksextremisten sind Störund Blockadeaktionen. Hierbei ging auch im Berichtsjahr der Aktionismus regelmäßig von örtlichen Aktivisten aus, die im Rahmen von bürgerlichen Protesten gegen Veranstaltungen rechtsextremistischer oder rechtspopulistischer Parteien/Organisationen mobilisierten und mehrfach durch gewaltorientierte Szeneangehörige aus angrenzenden Bundesländern unterstützt wurden. So geschehen am 24.März 2018 in Kandel, wo es zu gewalttätigen Angriffen des linksextremistischen "Antifa"-Spektrums gegenüber den eingesetzten Polizeikräften kam. Etwa 250 Aktivisten versuchten Polizeisperren zu durchbrechen und bewarfen zum Teil vermummt aus der Gruppe heraus die Einsatzkräfte mit Böllern und Knallkörpern. Mehrere Beamte und Versammlungsteilnehmer wurden dabei verletzt. Der Großteil der gewalttätigen Akteure war aus Baden-Württemberg angereist. Am 24. März 2018 kam es zu einem Brandanschlag auf die Bahnstrecke Kandel - Wörth. Im Nachgang dazu wurde am 31. März 2018 auf der Internet-Seite "de.indymedia.org" eine Tatbekennung unter der Überschrift "Unser Beitrag: Kabelschachtbrand" veröffentlicht. Ziel der mutmaßlich von Linksextremisten begangenen Sabotage war die Verhinderung der Anreise von Rechtsextremisten zu Demonstrationen in Kandel. 3.1 Autonome Autonome stellen die personenstärkste Gruppe unter den gewaltorientierten Linksextremisten dar. Ihr Kernziel ist die Überwindung des "herrschenden Sys91 tems". Ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten bedeutet für sie den Idealzustand. Die Ausübung von Gewalt rechtfertigen sie als legitimes und unverzichtbares Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" des "kapitalistischen" Staates und dessen "System von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Autonome gelten als organisationsund hierarchiefeindlich, die in der Regel strukturlose, informelle Formen der Zusammenarbeit bevorzugen. Gleichwohl gibt es innerhalb der autonomen Szene immer wieder Bestrebungen, sich stärker zu vernetzen und den Aufbau von regionalen und überregionalen Organisationsstrukturen voranzutreiben. 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Linksextremisten versuchen insbesondere Themenbzw. Aktionsfelder mit einer breiten gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit zu besetzen. Ziel ist dabei, Personen aus dem zivilgesellschaftlichen Spektrum an Aktionen heranzuführen, sie einzubinden und im eigenen Sinne zu politisieren und nach Möglichkeit auch zu radikalisieren. Die Übergänge zwischen Aktionsfeldern wie "Antifaschismus", "Antirassismus" und "Antirepression" werden bewusst fließend gestaltet, um so für Szeneaktivisten neue Handlungsoptionen gegen das zu bekämpfende "herrschende System" zu eröffnen. Antifaschismus / Antirassismus Insbesondere gewaltbereite Linksextremisten bekämpfen unter dem Deckmantel des Antifaschismus nicht nur vordergründig rechtsextremistische oder rechtspopulistische Bestrebungen, sondern vielmehr noch die als "kapitalistisches System" bezeichnete staatliche Ordnung - d.h. letzthin die freiheitliche demokratische Grundordnung - als angebliche Ursache und Wurzel des Faschismus. Die Partei AfD ist dabei in den vergangen Jahren zum zentralen Feindbild der linksextremistischen Szene geworden. Die Aktionen gegen die Partei reichten von 92 Flugblattverteilung über Sachbeschädigungen bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen. Insbesondere Parteitage bildeten für (gewaltorientierte) Linksextremisten einen willkommenen Anlass, um entsprechende Gegenaktionen zu starten. Durch gezielte Agitation wurde zudem Druck auf Gastronomiebetriebe ausgeübt, um die Vermietung von Räumlichkeiten an die AfD zu verhindern. Gegen eine am 1. September 2018 im Kurfürstlichen Schloss in Mainz stattgefundene Informationsveranstaltung der AfD protestierten unter Beteiligung von Linksextremisten ca. 1.500 überwiegend dem bürgerlichen Spektrum zuzurechnende Personen. Im Vorfeld dazu kam es bei einer Spontandemonstration der örtlichen Antifa-Szene an einem Informationsstand der AfD zu wechselseitigen Beleidigungen und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Anlässlich des schon traditionellen "Trauermarschs" von Rechtsextremisten zur Erinnerung an die in westalliierter Kriegsgefangenschaft in den sogenannten Rheinwiesenlagern gestorbenen deutschen Wehrmachtsangehörigen kam es am 17. November 2018 in Remagen zu vielfältigen Gegenaktionen unter Beteiligung von gewaltorientierten Linksextremisten aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz und aus Nordrhein-Westfalen. An der von Linksextremisten beworbenen Demonstration des Bündnisses "NS-Verherrlichung stoppen" beteiligten sich rund 250 Personen. Im Vorfeld kam es im Verbindungstunnel unterhalb des Bahnhofs von Remagen zu einer Sitzblockade durch ca. 80 linksextremistische Szeneangehörige, mit dem Ziel die Anreise der rechten Demonstrationsteilnehmer zu beeinträchtigen. Einsatzkräften der Polizei gelang es, ein Aufeinandertreffen der beiden Lager zu verhindern und die Blockade friedlich aufzulösen. Antirepression Linksextremisten diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, indem sie ihm fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Der Staat wird als Unrechtsund Unterdrückungssystem wahrgenommen, 93 das es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Gerade Autonome suchen in diesem Themenfeld den Anschluss an die gesellschaftliche Mitte. In der Zeit von März bis September 2018 demonstrierten in Mainz zahlreiche asyl-/regierungskritische, zum Teil rechtspopulistische "Wutbürger" unter dem Motto "Merkel muss weg" gegen die Politik der Bundesregierung. Nach dem gewaltsamen Tod eines 14-jährigen Mädchens aus Mainz durch einen irakischen Flüchtling wurde das Demonstrationsmotto im Mai umgeändert in "Beweg was". An den jeweiligen Kundgebungen, an denen bis zu 500 Personen teilnahmen, kam es regelmäßig zu Gegenprotesten und Behinderungsaktionen unter Beteiligung des linksextremistischen Spektrums. Gegen die "Merkel muss weg"-Kundgebung am 30. April 2018 in Mainz demonstrierten mehrere hundert Personen, darunter Angehörige der örtlichen linksextremistischen Szene. Aus dieser Gruppe heraus versuchten mehrere Personen den Zugang zur Kundgebung zu blockieren. Die Polizei konnte dies verhindern; es kam zu mehreren Personenkontrollen. Im Nachgang zur Veranstaltung veröffentlichte die Mainzer Antifa-Szene im Internet ein entsprechendes Bild mit der Überschrift "Cops mit Repression gegenüber einer Gruppe des Gegenprotests". Ausblick Die Betätigung von gewaltorientierten rheinland-pfälzischen Linksextremisten wird sich auch weiterhin anlassbezogen auf Aktionen und Kampagnen gegen erkannte und vermeintliche Rechtsextremisten konzentrieren. Durch die Unterstützung von Szeneangehörigen aus angrenzenden Bundesländern besteht die latente Gefahr sich verdichtender Gewaltaktionen. 94 V. Islamismus 95 1. Überblick und Entwicklung 2018 Islamismus ist ein Sammelbegriff, unter dem stark politisierte, extremistische Strömungen innerhalb des Islam zusammengefasst werden. Gemeinsam ist Islamisten die Überzeugung, dass aus den islamischen Überlieferungen eine eindeutige, absolut gültige Staatsund Gesellschaftsform abgeleitet werden kann. Andere Ordnungssysteme lassen sie nicht gelten. Die Verfassungsschutzbehörden beobachten nicht den Islam in seiner Vielfalt an Traditionen oder "die" Muslime. Der Islam ist eine Weltreligion, deren Anhänger ihren Glauben in ganz großer Mehrheit friedlich praktizieren und selbst unter islamistischem Dogmatismus und Terrorismus leiden. Für Muslime gilt in Deutschland wie für alle anderen Anhänger einer Religion auch das Grundrecht auf Religionsfreiheit. In den Blick der Verfassungsschutzbehörden geraten nur Islamisten, die danach streben, eine religiös verabsolutierte und totalitäre Staatsund Rechtsordnung zu errichten, die mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar ist. Islamisten behaupten, den einzig wahren Islam zu vertreten. CharakDer Islam ist eine vollständige teristisch für ihre Weltsicht ist die Lebensordnung, die alle Angelegenheiten des menschlichen Lerigorose Bewertung von privater Lebens behandelt und klar, selbstbensführung, gemeinschaftlichem verständlich gehört da ein poliZusammenleben und Politik anhand tisches System auch dazu. religiöser Kriterien. So werden etwa Wert und Würde der Menschen daGruppierung "Realität Islam" in einem nach beurteilt, welcher Religion sie youtube-Video angehören. Weltliche Gesetze haben aus Sicht von Islamisten keine Geltung. Ihr Ziel ist die Errichtung eines Staates, der allein den Maßgaben "der" Scharia folgt. Als Quellen der Scharia dienen Islamisten wortwörtlich verstandene, mitunter aus dem Kontext gerissene Passagen aus dem Koran oder den Überlieferungen zum Leben Muhammads. 96 Ein weiteres ideologisches Merkmal des Islamismus ist der Gedanke eines andauernden Kampfes zwischen Muslimen und "Ungläubigen" (kuffar), der erst beendet werden wird, wenn die gesamte Welt unter die Herrschaft islamischen Rechts gebracht worden ist. Oft wird dieser Glaube an eine beständige Feindschaft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen mit diversen Verschwörungstheorien verbunden. Ebenso ist Antisemitismus ein fester Bestandteil islamistischer Weltsicht. Um ihre Vision einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung umzusetzen, verfolgen Islamisten keine einheitliche Strategie. Ihr Vorgehen lässt sich zum einen danach unterscheiden, ob sie zur Erreichung ihrer Ziele Gewalt einsetzen oder nicht. Einige Akteure und Gruppierungen halten Gewalt für ein probates und von Gott legitimiertes Mittel, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Dieses Personenspektrum wird zumeist unter dem Begriff Jihadisten zusammengefasst. Die Mehrheit der Islamisten lehnt Gewalt ab und ist bestrebt, durch Mission und/ oder politische Aktivitäten (zuerst) eine Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu schaffen. Aus dieser heraus soll dann ein islamischer Staat entstehen. Zum anderen lassen sich islamistische Gruppierungen danach unterscheiden, ob sich ihr Vorgehen primär auf eine bestimmte Region (in der Regel das Herkunftsland nebst Nachbarstaaten) konzentriert oder global ausgerichtet ist. 2. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2018 2017 Gesamt 650 580 Gewaltorientierte 65 55 Salafisten 230 200 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. Insbesondere im salafistischen Spektrum ist ein anhaltender Zulauf zu verzeichnen. Mit einer weiteren Steigerung ist zu rechnen. Darüber hinaus konnte bei einzelnen islamistischen Organisationen ein Zuwachs festgestellt werden. Die hö97 heren Zahlenwerte beruhen teilweise aber auch auf den laufenden Aufklärungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. Im Zuge dessen haben sich bei mehreren Personen die Anhaltspunkte für islamistische Bestrebungen verdichtet. 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 3.1 International Die Zahl der von jihadistischen Terroristen weltweit verübten Anschläge nahm 2018 gegenüber den Vorjahren ab. Es wäre allerdings verfrüht, daraus einen dauerhaften Trend abzuleiten. Vielmehr stellte terroristische Gewalt auch 2018 weiterhin eine maßgebliche Bedrohung für die innere Sicherheit mehrerer Staaten dar. Verheerende Anschläge und Angriffe mit mehr als 100 Todesopfern ereigneten sich 2018 u.a. in Kabul (Afghanistan), im syrischen Regierungsbezirk AsSuwayda und im nordnigerianischen Metele. Ein großer Teil der Gewalt geht seit einigen Jahren von den folgenden Gruppierungen aus: # "Islamischer Staat" (IS; bekannt auch als DAESH, dem arabischen Akronym für "Islamischer Staat im Irak und in Syrien", transnational), # den Taliban (Afghanistan und Pakistan), # "al-Shabab" (Ostafrika, insbesondere Somalia), # "Boko Haram" (Westafrika, insbesondere Nigeria), # dem regionalen Ableger von "al-Qaida" in Westafrika und auf der Arabischen Halbinsel sowie "al-Qaida"-nahestehende Gruppierungen in Nordsyrien, insbesondere in der Region Idlib. In Europa wurden 2018 weitaus weniger Anschläge verübt als in den Vorjahren. Großanschläge wie 2015 in Paris oder 2016 in Brüssel, Nizza und Berlin fanden nicht statt. In abgeschwächtem Maße setzte sich jedoch der Trend der Vorjahre fort, wonach jihadistisch motivierte Einzeltäter und Kleinstgruppen sogenannte weiche Ziele ins Visier nahmen und mit einfachen Tatmitteln Zivilisten, gelegentlich auch Polizisten, angriffen. Bei einer entsprechenden Messerattacke wurde am 12. Mai 2018 in Paris ein Passant getötet und vier weitere 98 verletzt. Im belgischen Lüttich kamen bei einem Messerund SchusswaffenEs ist im Islam verboten, Unangriff am 29. Mai zwei Polizisten und schuldige zu töten. ein Passant ums Leben. Am 11. DeAuszug aus "Offener Brief an al-Baghdazember ereignete sich am Rande des di", Schriftstück von mehr als 120 musliWeihnachtsmarktes in Straßburg ein mischen Religionsgelehrten als Antwort Angriff, bei dem der Attentäter fünf auf den IS-Terror Passanten mit einer Schusswaffe und einem Messer tötete. Die Ermittlungen ergaben, dass der radikalisierte und bereits zuvor allgemeinkriminell in Erscheinung getretene Attentäter einen Treueeid auf den IS abgelegt hatte. In Amsterdam kam es am 31. August zu einer Messerattacke auf zwei US-amerikanische Touristen. Der Täter konnte als afghanischer Flüchtling identifiziert werden, der im September 2015 in die Bundesrepublik eingereist und zuletzt in Ingelheim am Rhein amtlich gemeldet war. Die im Anschluss durchgeführten sicherheitsbehördlichen Ermittlungen haben hierbei keine Hinweise auf weitere Tatbeteiligte ergeben. Es handelte sich nach aktuellem Kenntnisstand vielmehr um einen selbstradikalisierten, islamistisch motivierten Einzeltäter, der einen im August 2018 in Amsterdam von dem Politiker Geert Wilders initiierten Mohammed-Karikaturenwettbewerb als gezielten Angriff auf die Religion des Islam interpretierte und daher spontan zur Tat schritt. Im Ganzen ist zu konstatieren, dass die verstärkten Aufklärungsund erhöhten Sicherheitsmaßnahmen die operativen Möglichkeiten von terroristischen Einzelakteuren und Gruppierungen eingeschränkt haben, sie gleichwohl aber nicht gänzlich unterbinden können. Ursächlich für den Rückgang an Anschlägen dürfte auch die zwischenzeitlich herbeigeführte Zerschlagung weiter Teile der Organisationsstruktur des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) in Syrien und Irak sein. Davon betroffen ist auch die IS-interne Abteilung, die für die Planung, Organisation und Durchführung von Anschlägen außerhalb des IS-Territoriums verantwortlich zeichnete. Die Gefährdung der internationalen Sicherheit durch den IS ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht gebannt. Ein Teil der IS-Kämpfer hat die militärischen Auseinandersetzungen überlebt und könnte 99 # im Untergrund weiterhin terroristisch aktiv sein, # versuchen, neue Kämpfer zu rekrutieren und den Wiederaufbau von ISStrukturen zu betreiben, # die Aktivitäten von den zeitweiligen Kernregionen Syrien und Irak in ein anderes Land/in eine andere Region zu verlagern oder # sich als dezentrale Organisation neu aufstellen und als solche den Kampf gegen westliche Staaten fortsetzen. 3.2 Bundesrepublik Deutschland 3.2.1 Anschlagsgefahr Die Sicherheitsbehörden konstatieren für die Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahren eine hohe abstrakte Gefährdung durch den internationalen islamistisch motivierten Terrorismus. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die hohe Zahl von Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus bei der Generalbundesanwaltschaft (855 Verfahren gegen insgesamt 905 Tatverdächtige; Stand: 10. Dezember 2018) und vereitelte Anschläge, dass die Bedrohungssituation weiterhin Bestand hat und sich möglicherweise auch wieder erhöhen kann. Zu nennen sind hier konkret die folgenden Vorkommnisse: # Im Juni 2018 wurde ein in Köln wohnhafter Islamist festgenommen. Er ist dringend verdächtig, vorsätzlich biologische Waffen hergestellt zu haben. Im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen wurden in seiner Wohnung neben anderen Utensilien und Materialien mehr als 3.000 Rizinussamen sowie 84,3 mg Rizin sichergestellt. Rizin unterfällt als biologische Waffe dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Darüber hinaus besteht gegen ihn der Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. # Im September 2018 wurde im hessischen Florstadt ein 17-Jähriger festgenommen, der im Verdacht steht, einen Sprengstoffanschlag im RheinMain-Gebiet geplant zu haben. Die Ermittlungen hierzu dauern an. 100 # Im Oktober 2018 hatten Unbekannte auf der Bahnstrecke NürnbergMünchen ein Stahlseil über die Trasse gespannt, das von einem ICE durchtrennt wurde, ohne dass hierbei ein größerer Schaden entstand. Im Dezember wurde ein Oberleitungsschaden in Berlin festgestellt. In beiden Fällen waren in der Nähe des Tatorts arabische Schreiben mit IS-Bezug aufgefunden worden. Derzeit laufen Ermittlungsverfahren gegen drei Beschuldigte wegen versuchten Mordes, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. 3.2.2 Reisebewegungen Die Entwicklungen im Jihadismus-Bereich hierzulande sind von den Ereignissen in der Nahostregion nicht zu trennen. Es liegen Erkenntnisse zu mehr als 1.050 Islamisten aus Deutschland vor, darunter 18 aus Rheinland-Pfalz, die in den vergangenen Jahren in Richtung Syrien/Irak gereist sind. Bei etwa der Hälfte der ausgereisten Personen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass sie auf Seiten des IS oder anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilnehmen/ teilgenommen haben oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen/unterstützt haben (Stand: Dezember 2018). Zuletzt wurden Ausreisesachverhalte nur noch vereinzelt nachträglich bekannt. Neue Ausreisen in Richtung Syrien/Irak sind dagegen nicht mehr bekannt geworden und sind vor dem Hintergrund der aktuellen regionalen Lageentwicklung höchstens in Einzelfällen zu erwarten. Ungefähr ein Drittel der ausgereisten Islamisten kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück, darunter drei Personen nach Rheinland-Pfalz (davon ist eine Person mittlerweile in ein anderes Bundesland verzogen). Bei mindestens 110 Rückkehrern liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, dass sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien/Irak beteiligt haben oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Diese Personen stehen unverändert im Fokus polizeilicher und justizieller Ermittlungen. Die Zahl bisheriger rechtskräftiger Verurteilungen aus Syrien/Irak zurückgekehrter Personen bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. Zu etwa 200 Personen liegen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind, darunter drei Personen aus Rheinland-Pfalz. Vor dem 101 Hintergrund der Bürgerkriegswirren ist allerdings in Betracht zu ziehen, dass tatsächlich noch mehr ausgereiste Personen verstorben sein könnten. 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Das islamistische Spektrum in Rheinland-Pfalz setzt sich aus unterschiedlichen Gruppierungen und Akteuren zusammen. Entsprechend variieren deren Agenda und Aktivitäten: 1. Langfristig angelegte und gewaltfreie Strategie zur Durchsetzung eigener Interessen und politischer Ziele, z.B. durch Mitwirkung in Gremien oder die Herstellung von Kontakten zu Politikern und öffentlichen Stellen. Diese Kontakte sollen den Weg zur Bewilligung eigener Vorhaben ebnen und bezwecken keine echte gesellschaftliche Integration, da diese als Gefahr für die Bewahrung der muslimischen Identität angesehen wird. Zugleich wird durch Erziehungsund Bildungsarbeit eine ideologische Festigung der Anhänger betrieben und die Gewinnung neuer Anhänger angestrebt. Entsprechende Feststellungen lassen sich bei der Muslimbruderschaft (4.5) und der Milli Görüs-Bewegung treffen. 2. Finanzielle, organisatorische und ideologische Unterstützung der Organisation im Herkunftsland ohne unmittelbaren Deutschland-Bezug. Dies trifft insbesondere für die HAMAS (4.2) und Hizb Allah (4.3) zu, teilweise auch für den "Kalifatsstaat" (4.4). 3. Die Etablierung einer Gemeinschaft von Muslimen, die in gesellschaftlicher Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft ihre Vorstellung von der frühislamischen Zeit in die Gegenwart implantiert, ihre eigene Lebensgestaltung danach ausrichtet und sie unter Muslimen propagiert, u.a. im Internet und in Predigten. Diese Haltung wird vor allem von Salafisten (4.1) eingenommen. 4. Insbesondere innerhalb des salafistischen Spektrums agieren Personen, die über das salafistische Gedankengut hinaus mit Terrororganisationen sympathisieren und Kontakte in jihadistisch-terroristische Personenkreise im Inoder Ausland unterhalten. Darüber hinaus stehen einige von ihnen im Verdacht, Terrororganisationen zu unterstützen, sich ihnen angeschlossen oder 102 gar an terroristischen Aktivitäten in Syrien/im Irak beteiligt zu haben. Auch die bekannt gewordenen Ausreisen in Jihad-Regionen sind diesem Bereich zuzuordnen. In den vergangenen Jahren sind bei den rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden in erhöhtem Maße Hinweise auf mutmaßliche Kämpfer, Angehörige, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen eingegangen. Diese Hinweise beziehen sich vielfach auf Personen, die im Zuge der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland eingereist und hiervor möglicherweise in Aktivitäten für im Ausland agierende terroristische Gruppierungen (zumeist in Syrien, Afghanistan oder Somalia) involviert gewesen sind. Der Verfassungsschutz hat darüber hinaus vermehrt Kenntnis über zumeist junge Erwachsene erlangt, bei denen Anhaltspunkte für einen individuellen Radikalisierungsprozess vorliegen. Es handelt sich bei diesem Personenkreis überwiegend um in Deutschland sozialisierte junge Männer und Frauen islamischen Glaubens (mitunter Konvertiten), die sich vor dem Hintergrund individueller, gruppendynamischer und gesellschaftlicher Erfahrungen einer rigorosen salafistischen Weltanschauung zuwenden. Das ideologische Nahverhältnis zu Gruppierungen bzw. zum Gedankengut des jihadistischen Salafismus wird hierbei vielfach auch in sozialen Netzwerken propagiert. Verschärft wird diese Entwicklung durch zunehmende Internetaktivitäten von im Ausland befindlichen Hintermännern, die Kontakt zu hiesigen Salafisten und Jihadisten suchen, um sie zu Anschlägen anzustiften, sie dabei anzuleiten und logistisch zu unterstützen. Nachfolgend werden die wichtigsten Akteure und Organisationen vorgestellt, die in Rheinland-Pfalz in Erscheinung treten. Darüber hinaus existieren in Deutschland weitere Gruppierungen. Sie werden im vorliegenden Bericht jedoch nicht dargestellt, da sie in Rheinland-Pfalz entweder nur über eine geringe Anhängerzahl verfügen, sie keine oder keine nennenswerten Organisationsstrukturen aufweisen oder es aktuell nur vereinzelte Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen gibt. 103 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: ca.11.300 (2017: ca. 10.800) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 230 (2017: ca. 200) Salafismus ist eine Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Salafisten sind bestrebt, die religiöse Praxis und überlieferte Lebensweise der muslimischen Urgemeinde (salaf) sowie die damals geltenden Vorschriften möglichst umfassend in die heutige Zeit zu transplantieren. Demgegenüber lehnen Salafisten später entstandene Formen der Religiosität wie die Heiligenverehrung ebenso strikt ab wie weltliche Gesetze. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzeswidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande. Prinzipiell aber streben Salafisten eine Rechtsordnung - mitunter auch Staatsordnung - an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islam beruht. Herrschern, die nichtislamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab. Weitere charakteristische Forderungen und Positionen von Salafisten sind unter anderem: # strikte Trennung von Frauen und Männern im öffentlichen Leben, # Bekleidungsvorschriften für Männer, aber insbesondere für Frauen (in der Regel die Vollverschleierung), # Distanzierung von Nichtmuslimen und ihre abwertende Bezeichnung als kuffar (Ungläubige), # die selbstbewusste und religiös begründete Behauptung der eigenen Höherwertigkeit gegenüber "Ungläubigen", # Erklärung von Schiiten, Sufis (Mystikern) und weltlich eingestellten Muslimen ebenfalls zu kuffar. Mehrheitlich sind Salafisten bestrebt, ihre Vorstellung einer islamischen Lebensführung und Gesellschaftsordnung anderen Muslimen mittels da'wa (Aufruf, Missionierung) nahezubringen, sei es im persönlichen Kontakt, in sozialen Netz104 werken im Internet, durch Predigten und Vorträge, auf Islamseminaren oder bei Veranstaltungen. Auch Nichtmuslime sind Adressaten und sollen zum Übertritt zum Islam salafistischer Prägung bewogen werden. Die da'wa-Arbeit wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend professionalisiert. Das bekannteste Beispiel hierfür war das bundesweit betriebene Missionierungsprojekt "Lies!", das mit dem Verbot der als verfassungswidrig eingestuften Vereinigung "Die wahre Religion" im November 2016 beendet wurde. Nicht selten fließen bei Salafisten religiös-missionarische Aktivitäten und politische Propaganda ineinander; eine Betätigung im politischen Sinne ist bei ihnen jedoch die Ausnahme. Die Propaganda richtet sich gegen alle als "islamfeindlich" deklarierten Kräfte. Dieser Vorwurf gilt dem "Westen" im Allgemeinen und den USA im Besonderen. Als Drahtzieher der US-Politik sehen politisch orientierte Salafisten vielfach "die" Juden und die israelische Regierung. Neben den "äußeren Feinden", zu denen anlassbezogen auch weitere Staaten zählen, richtet sich die Propaganda auch gegen die "inneren Feinde", denen die Repression gläubiger Muslime vorgeworfen wird. Gemeint sind hiermit weltlich orientierte Herrscher (sogenannter taghut, "Götze") in muslimischen Ländern selbst sowie Staaten unter schiitischer Führung wie Iran und Syrien. Die Argumentationskette verleitet einen Teil der Salafisten zu einer emotioEin Fanatiker ist jemand, der nalen und verbalen Solidarisierung mit nicht seine Meinung ändern den Mujahidin (Glaubenskämpfern) kann und nie das Thema wechin Kriegsund Krisenländern. Manche seln wird. Salafisten gehen noch weiter, indem sie den Jihad bestehender GruppieWinston Churchill (1874 bis 1965), eherungen unterstützen oder sich ihnen maliger Premierminister Großbritannianschließen. Die Vertreter dieser Richens tung werden aufgrund der inflationären Verwendung des Begriffs Jihad, mit dem sie ihre Taten "religiös legitimieren", als jihadistische Salafisten bezeichnet. Die große Mehrzahl der Attentäter und der nach Syrien zwecks Kampfbeteiligung ausgereisten Personen ist diesem salafistischen Teilspektrum zuzurechnen. 105 Die salafistische Bewegung in Deutschland setzt sich aus unabhängigen Vereinen, informellen Personenzusammenschlüssen und Netzwerken, Internetauftritten und Initiativen zusammen. Zwischen den einzelnen Akteuren bestehen teilweise Kennund Kontaktverhältnisse sowie mitunter auch Formen der Zusammenarbeit. Ein salafistischer Dachverband mit Hauptsitz, Vorstand, Satzung und zugehörigen Ortsvereinen existiert indessen nicht. Die bundesweite salafistische Szene zeichnet sich gegenwärtig vielmehr durch eine organisatorische Dezentralisierung und personelle Fragmentierung aus. Auch in Rheinland-Pfalz bestehen demzufolge zumindest keine festen salafistischen Organisationsstrukturen. Die ca. 230 salafistischen Anhänger verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen. Ein Teil von ihnen nutzt einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen. Der bundesweiten Situation entsprechend weisen nicht alle Salafisten Bezüge zu örtlichen Moscheevereinen auf, sondern treffen sich im privaten Rahmen, nutzen Internetangebote und agieren in sozialen Netzwerken. Bei einigen Akteuren bestehen Verbindungen zu Organisationen, die innerhalb des Verfassungsschutzverbundes insgesamt als salafistisch eingestuft werden, z.B. zur Hilfsorganisation "Ansaar International" mit Hauptsitz in Düsseldorf. Seit dem Verbot der Koranverteilungsaktion "LIES!" und dem Verbot der Vereinigung "Die wahre Religion" im Jahr 2016 hat die öffentliche Sichtbarkeit salafistischer Aktivitäten in Deutschland erheblich nachgelassen. Öffentlich zugängliche "Straßenmissionierungen" sind nur noch vereinzelt festzustellen, religiöse Indoktrinierung und Radikalisierung findet weniger in Moscheen oder in größeren (über-)regionalen salafistisch geprägten Gruppierungen, sondern in kleinen konspirativ agierenden Personenzusammenschlüssen und Zirkeln vor allem im Internet statt. Die Aktivitäten salafistischer Akteure haben sich also mehr in geschlossene Räumlichkeiten - sowohl realweltlich als auch virtuell - verlagert, wo das salafistische Weltbild jedoch unverändert propagiert wird. Projekte mit einer starken Anziehungskraft sind nach dem Erliegen der Ausreisebewegung nach Syrien und in den Irak sowie dem Verbot von "LIES!" aktuell nicht zu identifizieren. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass das grundsätzliche Ziel der Überwindung einer nichtislamischen Ordnung aufgegeben worden wäre. 106 Der Verfassungsschutz rechnet etwa 165 Salafisten in Rheinland-Pfalz dem missionarisch-politischen und etwa 65 dem gewaltorientierten Salafismus zu. Dieser Begriff deckt ein Spektrum ab, das von gewaltlegitimierend bis gewaltanwendend reicht. 4.2 HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") Gründung: Ende 1987 Mitglieder Bund: 320 (2018: ca. 320) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 40 (2018: ca. 40) Die im Dezember 1987 im Gaza-Streifen gegründete HAMAS ist eine palästinensische sunnitischislamistische Organisation. Sie ging aus der Muslimbruderschaft hervor und teilt deren Islamverständnis bis heute (s. 4.5). Neben politischen und sozialen Aktivitäten verfügt die HAMAS auch über einen bewaffneten Arm, die Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden. Seit dem Jahr 2007 kontrolliert die de facto HAMAS-Regierung den Gazastreifen und agiert insofern in Teilbereichen wie ein staatlicher Akteur. Die Organisation strebt die Errichtung eines islamischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas, d.h. unter Einschluss des Territoriums des Staates Israel, an. Hierbei setzt sie gegenüber Israel auch militärische und terroristische Mittel ein. Die HAMAS hat in einer Vielzahl von Staaten, darunter in Deutschland, Aktivitäten und Organisationsstrukturen entwickelt. Unter den HAMAS-Vereinigungen im Bundesgebiet ist an erster Stelle die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD) mit Sitz in Berlin zu nennen. Die Verbindungen zur HAMAS sind bei den Vereinigungen aus taktischen Gründen nach außen nicht erkennbar. Grundsätzlich verfolgt die HAMAS hierzulande die folgenden Ziele: # Unterstützung der Mutterorganisation in den palästinensischen Gebieten mit Spendensammlungen, 107 # Festigung des Einflusses auf die palästinensische Diaspora, bewusst auch gegenüber konkurrierenden palästinensischen Gruppierungen, # pro-palästinensische Lobbyarbeit in der europäischen Öffentlichkeit. Auch in Rheinland-Pfalz leben HAMAS-Mitglieder, die sich für die Organisation in unterschiedlichem Maße engagieren, beispielsweise durch die aktive Mitwirkung oder die Teilnahme an Kongressen in Deutschland und Europa, die Beteiligung an antiisraelischen Kundgebungen oder Einstellung von HAMAS-Propaganda im Internet. 4.3 Hizb Allah ("Partei Gottes") Gründung: 1982 Mitglieder Bund: 1.050 (2018: ca. 1.050) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 55 (2018: 55) Bei der Hizb Allah handelt es sich um eine schiitisch-islamistische Organisation. Sie verfügt in ihrem Heimatland Libanon über einen bewaffneten Arm, der für militärische Auseinandersetzungen mit Israel sowie für die Durchführung von Anschlägen, insbesondere gegen israelische und jüdische Ziele, verantwortlich ist. Die Hizb Allah negiert das Existenzrecht Israels und propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel. Insoweit handelt es sich bei ihr um eine Organisation, deren Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Seit 2013 kämpfen Hizb Allah-Einheiten darüber hinaus in Syrien auf der Seite der Regierungstruppen von Bashar al-Assad gegen die oppositionellen Verbände. Die Hizb Allah ist von den USA, Kanada und Israel als Terrororganisation eingestuft. In Reaktion auf einen Anschlag in Bulgarien im Juli 2012, bei dem fünf Israelis getötet wurden, beschlossen die Außenminister der EU am 22. Juli 2013, den militärischen Flügel der Hizb Allah in die "EU-Terrorliste" aufzunehmen. 108 Deutschland stellt für die Hizb Allah einen Raum für logistische und finanzielle Unterstützungsleistungen dar. Ihre Anhängerschaft in Deutschland tritt nach außen allerdings nur wenig in Erscheinung. Verschiedene Ortsvereine dienen ihr als Anlaufstellen, wobei eine Zugehörigkeit zur Hizb Allah äußerlich in der Regel nicht erkennbar ist. 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: 2001 Anhänger Bund: ca. 730 (2018: ca. 700) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 90 (2018: ca. 60) Der "Kalifatsstaat" war eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Unterschwellig unterhalten Anhänger der "Kalifatsstaat"-Ideologie jedoch weiterhin Strukturen, allerdings nicht im Sinne einer einheitlichen Organisation. Zudem sind Fraktionierungen innerhalb der "Kalifatsstaat"-Gemeinde festzustellen, die vor allem die Frage spaltet, ob Metin Kaplan weiterhin als Kalif anzusehen ist. Intern wird die charakteristische "Kalifatsstaat"-Lehre sowohl in Predigten als auch mittels elektronischer Medien weiterhin propagiert. Zu ihren zentralen 109 Punkten gehören die Etablierung eines islamischen Staates unter der Führung An diejenigen Sektenanhänger, eines Kalifen sowie die Anwendung des die nur die Rezitation nehmen islamischen Rechts (Scharia). Demgeund den Glaubenskampf außer genüber wird die Demokratie zurückAcht lassen oder die beiden vongewiesen. Gegenüber dem Westen einander trennen, sollten wir bei der Verkündung verdeutlichen: und Juden wird eine ablehnende HalIhr macht die Sache verkehrt! tung eingenommen. Diese beiden Aufgaben sind zweierlei Bereiche, die einander Das Vereinsverbot verhindert eine ergänzen. Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Auszug aus einer Kalifatsstaat-PublikaGleichwohl ist die "Kalifatsstaat"-Protion von 2018 paganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder eigene Anhänger und weitere Personen für ideologisch verwandte Strömungen wie den Salafismus empfänglich zu machen. 4.5 Muslimbruderschaft (offiziell: Gemeinschaft der Muslimbrüder) Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.040 (2018: ca. 1.040) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2018: ca. 50) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete Muslimbruderschaft markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in mehr als 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. 110 Programmatischer Kernpunkt der Muslimbruderschaft ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. In Schriften der Muslimbruderschaft wird weltlichen Gesetzen zugunsten der angestrebten islamischen Ordnung zumeist ebenso eine Absage erteilt wie Reformen auf dem Gebiet des islamischen Rechts. Der Gestaltungsfreiraum menschlichen Handelns wird damit erheblich eingeschränkt. Angehörige der Muslimbruderschaft schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der Muslimbruderschaft zugerechnet. Am 9. September 2018 erfolgte die offizielle Umbenennung der IGD in "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG). Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Lehre der Muslimbruderschaft folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Ebenso liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne Moscheevereine Bezüge zur Muslimbruderschaft aufweisen und durch sie beeinflusst sind. Typisch ist das Engagement der Muslimbruderschaft im Bildungsbereich. Dem Verfassungsschutz liegen hierbei Erkenntnisse vor, dass die Erziehungsarbeit dem Gedanken einer gesellschaftlichen Integration entgegensteht und auf eine Ausweitung des islamischen Einflusses - gemäß dem Islamverständnis der Muslimbruderschaft - im öffentlichen Leben ausgerichtet ist. Konkret gehören dazu u.a. eine verstärkte gesellschaftliche Segregation von Männern und Frauen sowie die Forcierung von Verhüllungsgeboten bei muslimischen Frauen. Aufrufe zu gewaltsamem Handeln oder der Beteiligung am Jihad sind hierzulande nicht bekannt. 111 4.6 Türkische Hizbullah Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Mitglieder Bund: ca. 400 (2018: ca. 400) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2018: ca. 25) Nicht zu verwechseln mit der schiitischen Hizb Allah/Hizbullah im Libanon (siehe 4.3) ist die gleichnamige, aber sunnitisch geprägte und in der Türkei entstandene Hizbullah. Zur entsprechenden Abgrenzung wird sie im vorliegenden Bericht als Türkische Hizbullah bezeichnet, auch wenn ihre Mitglieder und Anhänger tatsächlich kurdischer Volkszugehörigkeit sind. In der Programmatik der Türkischen Hizbullah überschneiden sich islamistische Ziele, nämlich insbesondere die Errichtung einer islamischen Herrschaft und Rechtsordnung, mit einer kurdisch-nationalen Agenda. Wie für das islamistische Spektrum allgemein typisch, sind auch in den Verlautbarungen der Türkischen Hizbullah massive Schuldzuweisungen gegenüber "imperialistischen" und "zionistischen Mächten", also die westliche Staatengemeinschaft und Israel, festzustellen. In der Vergangenheit, d.h. insbesondere in den 1990er Jahren, war die Türkische Hizbullah für zahlreiche Gewalttaten in der Türkei verantwortlich. Diesbezüglich ist es zu einem Strategiewechsel hin zu einer vor allem politischen, propagandistischen und religiösen Betätigung gekommen, wobei das Mittel der Gewalt zur Erreichung der eigenen Ziele prinzipiell nicht ausgeschlossen wird. Die Organisation nutzt Deutschland als Rückzugsraum zur Gewinnung neuer Mitglieder, Spendensammlungen sowie die Veranstaltung religiöser und kultureller Treffen. In jüngerer Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass rheinlandpfälzische Anhänger der Türkischen Hizbullah nicht nur einschlägige Anlaufstellen in benachbarten Bundesländern aufsuchen, sondern auch in Rheinland-Pfalz Organisationsstrukturen gebildet haben. 112 VI. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 113 1. Überblick und Entwicklung 2018 Der nichtislamistische Ausländerextremismus in Rheinland-Pfalz wird durch eine Vielzahl von Organisationen unterschiedlichster Ideologie, Struktur und Größe geprägt, von denen überwiegend linksextremistische oder ethnisch motivierte Autonomiebestrebungen ausgehen. Insgesamt werden extremistischen Ausländerorganisationen rund 600 Personen zugerechnet. Politik, Strategie und Aktivitäten extremistischer Ausländerorganisationen werden maßgeblich von den Entwicklungen und Ereignissen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Dort zum Teil terroristisch agierende Organisationen nutzen Deutschland als sicheren Rückzugsraum, von dem aus heimatliche, zentrale Organisationseinheiten sowohl propagandistisch als auch materiell und finanziell unterstützt werden. Besondere Bedeutung kommt der seit 1993 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten und seit 2002 von der EU als terroristische Organisation gelisteten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu, die zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele in der Türkei auf terroristische Mittel zurückgreift. Die Aktivitäten der PKK wurden im Jahr 2018 wesentlich von fortwährenden kämpferischen Auseinandersetzungen mit dem türkischen Militär und damit verbundenen repressiven Maßnahmen des türkischen Staates gegen die Organisation und ihr nahestehender Gruppierungen bestimmt. Thematisiert wurde auch die ständige Sorge um den Gesundheitszustand und die Sicherheit des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan. Die PKK-Anhängerschaft nahm diesen Umstand zum Anlass für eine Reihe von bundesweiten Protestveranstaltungen, die überwiegend friedlich verliefen. 114 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2018 2017 Gesamt 600 600 Linksextremisten / Separatisten 500 500 Extreme Nationalisten 100 100 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) - PKK Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennungen: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel) HPG Führung in Europa: "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa" (KCDK-E) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 14.500 (2017: ca. 14.500) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2017: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 Listung durch die EU als seit 2002 terroristische Organisation: Politische Ausgangslage Die 1978 in der Türkei von Abdullah Öcalan gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft für eine erweiterte politische und kulturelle Eigenständig115 keit innerhalb der angestammten kurdischen Siedlungsgebiete. Zur Durchsetzung ihrer Ziele verfolgt die Organisation weiterhin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa/Deutschland um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei, der nordirakischen Grenzregion sowie im Norden Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten auf die Anwendung von Gewalt. In der Vergangenheit waren zwischen PKK und türkischer Regierung wiederholt Ansätze zu einer Lösung des bestehenden Kurdenkonflikts zu beobachten. Nachdem beide Seiten eine zwei Jahre währende Waffenruhe im Jahr 2015 beendeten, ist seit Dezember 2015 der Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Staat mit zahlreichen Toten offen ausgebrochen. Auch die weiter anhaltenden Auswirkungen des gescheiterten Putschversuchs Mitte 2016, die Bekämpfung des "Islamischen Staat" (IS) in Syrien durch kurdische, zum Teil PKKzugehörige Kampfverbände sowie die türkische Militäroffensive im Norden Syriens, insbesondere die am 20. Januar 2018 gestartete sogenannte Operation Olivenzweig, führten zu einer weiteren Verschärfung der Lage. Der Konflikt wirkte sich auch auf die Sicherheitslage in Deutschland aus und führte in den vergangenen Jahren insbesondere zu einer hohen Emotionalisierung sowohl unter der kurdischen Bevölkerung als auch unter den nationalistischen Türken / Deutsch-Türken. Anlässlich der "Operation Olivenzweig" fanden bereits zum Jahresbeginn im ganzen Bundesgebiet Großdemonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern statt, so am 27. Januar in Köln und am 3. März in Berlin, in deren Rahmen es sowohl zu Auseinandersetzungen mit nationalistischen Türken als auch mit Polizeikräften kam. Als im März 2018 bekannt wurde, dass türkische Truppen kurz vor der syrischen Stadt Afrin stehen, kam es neben spontanen bundesweiten demonstrati116 ven Protestkundgebungen unter reger Beteiligung von Personen aus dem deutschen und türkischen linksextremistischen Spektrum auch zu einer Vielzahl von Farbund Brandanschlägen. Weiterhin kam es in diesem Zusammenhang zu mehreren Sachbeschädigungen, die sich u.a. gegen türkische Einrichtungen wie Kulturvereine und Moscheen richteten, darüber hinaus gegen Gebäude von Parteien und Unternehmen, die mit Rüstungsgeschäften mit der Türkei in Verbindung gebracht werden. Für die militanten Aktionen der PKK ist in erster Linie die PKK-Jugend (Komalen Ciwan) verantwortlich, die in der Regel spontan agiert. Die konfliktbeladene Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten nutzte die PKK fortgesetzt dazu, um in Deutschland vorwiegend Jugendliche für den bewaffneten Kampf in der Heimat zu rekrutieren. Entsprechende Aufrufe wurden nach wie vor über die von der PKK beeinflussten Medien, insbesondere durch das Internet, sowie im Rahmen von Veranstaltungen verbreitet. Hierarchie / Organisationsstrukturen Die PKK ist eine straff organisierte Organisation und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Nach der 2013 eingeleiteten Neustrukturierung der PKK bildet der "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa" (KCDK-E) die PKK-Europaführung und vereinigt alle europäischen PKK-nahen Vereine. Darüber hinaus integriert er die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) als politischen Arm. In Deutschland unterhält die PKK weiterhin konspirative Organisationsformen. Im Jahr 2016 erfolgte eine bundesweite strukturelle Neugliederung in neun Regionen, u.a. "Saarland/Rheinland-Pfalz", "Nordrhein" und "Hessen". Den Regionen gehören 31 Gebiete (Unterbereiche) an, die jeweils von regelmäßig 117 wechselnden PKK-Führungsfunktionären (Kadern) geleitet werden. Ihr maßgeblicher Einfluss erstreckt sich auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine bzw. Gesellschaftszentren. Als Dachverband fungiert nach wie vor das "Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum" (NAV-DEM), dem deutschlandweit über 40 PKK-nahe Ortsvereine angehören, darunter auch das "Kurdische Gemeinschaftszentrum e.V." in Ludwigshafen am Rhein sowie das "Demokratisch-Kurdische Gesellschaftszentrum Mainz e.V.". NAV-DEM koordiniert zudem die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen und verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften. In Rheinland-Pfalz werden der PKK ca. 450 Personen zugerechnet. Bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen wird ein deutlich größerer Personenkreis erreicht. Finanzen Im Jahr 2018 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne sowie durch Sonderspenden europaweit erneut mehrere Millionen Euro. Dabei konnte die Organisation abermals Zuwächse erzielen. Das gesammelte Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Gewinne aus Feiern und Veranstaltungen. Aktivitäten Die im Jahr 2018 von der PKK bundesund europaweit durchgeführten Propagandaaktionen thematisierten neben Forderungen nach der Freilassung Öcalans, den Mord an mehreren PKK-Aktivistinnen in Paris im Januar 2013, die Aufhebung des PKK-Verbots, die Auseinandersetzungen der PKK mit dem türkischen Staat und die Politik des türkischen Präsidenten Erdogans sowie die Parlamentswahlen am 24. Juni 2018. Im Vordergrund stand 2018 die türkische Militäroffensive im Norden Syriens. 118 Das zentrale kurdische Neujahrsfest "Newroz" fand am 17. März 2018 in Hannover unter dem Motto "Newroz heißt Widerstand - der Widerstand heißt Afrin" mit etwa 11.000 Teilnehmern statt. Im Mai und Juni 2018 unterstützte die PKK-Anhängerschaft bundesweit den Wahlkampf der türkischen, prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) für die am 24. Juni stattgefundenen vorgezogenen Parlamentsund Präsidentschaftswahlen in der Türkei durch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen. Als Ersatz für das untersagte, ursprünglich für den 8. September 2018 in Dinslaken mit etwa 25.000 Teilnehmern geplante, "26. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan, Demokratie für den Mittleren Osten" fand am gleichen Tag in Düsseldorf eine Großkundgebung unter Beteiligung von lediglich 3.500 Anhängern statt. Außerdem führten PKK-Anhänger im September 2018 deutschlandweit zahlreiche Aktionen wie Demonstrationen, Informationsstände oder Pressekonferenzen als Protest gegen den Deutschlandbesuch des türkischen Staatspräsidenten Erdogan durch. Am 1. Dezember 2018 fand in Berlin eine bundesweite Demonstration anlässlich des 25. Jahrestages des PKK-Betätigungsverbots in Deutschland unter dem Motto "Der Wunsch nach Freiheit lässt sich nicht verbieten - Gemeinsam gegen Polizeigesetze, PKK-Verbot und Nationalismus" mit rund 900 Personen statt. Im Mittelpunkt der Aktionen von rheinland-pfälzischen PKK-Anhängern stand 2018 die Militäroffensive in Afrin. Hierzu fanden, teils spontan, mehrere überwiegend friedlich verlaufene Demonstrationen statt, so im Zeitraum März / April in Kaiserslautern, Koblenz und Mainz. Die Kundgebungen des Gebiets Ludwigshafen/Mannheim zum Thema Afrin fanden an vier Tagen im März - wie für öffentlichkeitswirksame Aktionen üblich - in Mannheim statt. Daneben beteiligte sich die rheinland-pfälzische PKK-Anhängerschaft auch 2018 wieder an den zahlreichen überregionalen und bundesweiten Veranstaltungen. Insgesamt gelang es der PKK im Jahr 2018 allerdings nicht, ihre Anhängerschaft in dem bisherigen Maß zur Teilnahme an den bekannten Großveranstaltungen zu mobilisieren. 119 Ausblick Das Verhalten der PKK-Anhängerschaft in Deutschland ist nach wie vor stark beeinflusst durch die aktuellen Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebieten. Bei einer weiteren Zuspitzung des dortigen Konflikts, ist von einem weiter steigenden Emotionalisierungsgrad der unterschiedlichen türkischen politischen Lager auszugehen. In diesem Fall könnte es neben unmittelbar erhöhtem Demonstrationsaufkommen auch zu gewalttätigem Aktionismus kommen. Eine gleichgelagerte Situation könnte auch bei einem Ableben von Abdullah Öcalan entstehen. 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 2018: 650 (2017: 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2017: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Listung durch EU als terroristische Organisation: seit 2002 Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi") verfolgt fortgesetzt die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei und strebt die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus an. Nachdem die DHKP-C in den Vorjahren zahlreiche terroristische Anschläge in der Türkei durchführte, blieben öffentlichkeitswirksame Anschläge im Jahr 2018 aus. Gründe hierfür dürften die generell strenge Sicherheitslage nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 in der Türkei sowie die Festnahmen wichtiger 120 DHKP-C-Führungskader im November 2017 sein. So reduzierten sich 2018 auch die in den Vorjahren in der Türkei verstärkt gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der DHKP-C. In Deutschland konzentriert sich die DHKP-C vorwiegend auf Propagandaaktivitäten und Geldbeschaffung. Die Anhängerschaft zeigte sich weiterhin solidarisch mit ihren inhaftierten Mitgliedern ("revolutionäre Gefangene"), ebenso mit den DHKP-C-Attentätern in der Türkei. Aktivitäten der DHKP-C und ihrem Umfeld waren auch im Jahr 2018 in Rheinland-Pfalz nur marginal zu verzeichnen Ausblick Während die DHKP-C in der Türkei weiterhin versuchen wird Gewalt auszuüben, dürfte sie sich in Deutschland auch in Zukunft an ihren 1999 für Westeuropa erklärten Gewaltverzicht halten, um ihren sicheren Rückzugsraum nicht zu gefährden. 121 122 VII. Spionageabwehr 123 1. Aufgabe und allgemeine Lage Die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz hat gemäß SS 5 Nr. 2 LVerfSchG die Aufgabe, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht zu beobachten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Tätigkeiten vorliegen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein prioritäres Ausspähungsziel fremder Nachrichtendienste, wie die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an den sogenannte Legalresidenturen28 fremder Staaten in Deutschland belegt. Das Aufklärungsinteresse richtet sich wegen der verschiedenen Krisenherde in Europa sowie dem Nahen und Fernen Osten vor allem auf (militär-)politisch und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse Deutschlands und seine Rolle in der EU und der NATO. Weiterhin stehen die wissenschaftlichtechnologischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland im Zielspektrum fremder Nachrichtendienste. Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur Informationsgewinnung und des illegalen Gütertransfers, mitunter zu Zwecken der Wirtschaftsspionage und der Proliferation.29 Neben dem unverzichtbaren Einsatz menschlicher Quellen zur Informationsgewinnung setzen die Nachrichtendienste fremder Staaten vermehrt auf die Sammlung elektronischer Daten, die durch die zunehmende Vernetzung offen zugänglich sind oder durch Cyberattacken illegal beschafft werden. Durch die stetig wachsende Nutzung sogenannter smarter Technologien in allen Lebensund Arbeitsbereichen verschieben sich Informationen aus der realen in die digitale Welt und werden zu weltweit verfügbaren und begehrten Daten. Nahezu alle Nachrichtendienste der Welt nutzen mittlerweile die sozialen Medien um ihre Ziele zu erreichen. Weitestgehend anonym ist es im digitalen 28 Stützpunkt eines fremden Nachrichtendienstes, abgetarnt in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (z.B. Botschaft, Generalkonsulat, Presseagentur oder Fluggesellschaft) seines Landes im Gastland. 29 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-how. 124 Raum mit weniger Aufwand möglich, mutmaßliche "Freundschaften" zu schließen und Netzwerke aufzubauen als es in der realen Welt der Fall wäre. Darüber hinaus werden die sozialen Medien auch zur Beeinflussung von gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland benutzt. Auf diesem Weg versuchen fremde Nachrichtendienste zunehmend, mit Falschinformationen auf gesellschaftliche und politische Meinungsbildungsprozesse und indirekt auf politische Entscheidungen in Inund Ausland Einfluss zu nehmen. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Themenfeld Spionage Die Spionageabwehr geht gemäß ihres gesetzlichen Auftrags allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach. Ziel ist es, illegale Aktivitäten fremder Mächte aufzuklären und zu verhindern. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Aber auch Staaten aus dem Nahen Osten und Afrika sind nachrichtendienstlich aktiv. Russische Nachrichtendienste Die russischen Nachrichtendienste haben den Auftrag, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlich-technischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung zur Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. Dazu steht der Russischen Föderation ein großer nachrichtendienstlicher Apparat zur Verfügung. In nahtloser Fortsetzung des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB verfügen seine heutigen Nachfolger (der zivile Auslandsnachrichtendienst Logo des SWR 125 SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB) nahezu über die gleichen, umfassenden Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt hierbei entweder direkt aus der Zentrale in Moskau oder über die Legalresidenturen. Es kann weiterhin festgestellt werden, dass die Russische Föderation versucht, unter Einbindung ihrer Nachrichtendienste Einfluss auf die deutsche Öffentlichkeit und gesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse auszuüben. Mit Falschinformationen und einseitigen Berichterstattungen russischer Medienanstalten zu Sicherheitsvorfällen wird versucht, die Bundesrepublik zu diskreditieren um die hier lebende russischsprachige Bevölkerung negativ zu beeinflussen. Neben den gängigen sozialen Netzwerken werden auch zunehmend Videoplattformen genutzt. Chinesische Nachrichtendienste Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen, die sogenannten fünf Gifte, vor. Hierzu zählen die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong30, die Mitglieder der Demokratiebewegung, die Befürworter der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Uiguren und der Tibeter. Chinas Nachrichtendienste sind hierbei mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) Logo des MSS entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutsch30 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt. 126 land. Das sogenannte Büro 61031 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt vorrangig in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Ende des Jahres 2017 wandte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz an die Öffentlichkeit und warnte vor Anwerbungsversuchen chinesischer Nachrichtendienste über soziale Netzwerke. Bekannt geworden ist insbesondere eine große Kampagne über das Internetportal LinkedIn. Mit sogenannten Fake-Profilen wurde hierbei versucht, in Deutschland insbesondere hochrangige Beamte, Soldaten oder auch Parlamentarier zu kontaktieren und letztlich zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Bundesweit ist es bei mehr als 10.000 deutschen Staatsangehörigen zu solchen Kontaktversuchen gekommen. Mit ca. 200 identifizierten Betroffenen hat der Verfassungsschutz Gespräche geführt. Bekannte Kontaktpersonen in Rheinland-Pfalz wurden vom rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz in persönlichen Gesprächen sensibilisiert. Alle Betroffenen sind weiterhin aufgerufen sich mit den zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen. Türkische Nachrichtendienste Im Berichtszeitraum gab es erneut Ausspähungsversuche des türkischen Nachrichtendienstes Milli Istihbarat Teskilati (MIT) in Deutschland. Der MIT als Inund Auslandsnachrichtendienst der Türkei nimmt mit seinen Exekutivbefugnissen die herausgehobene Stellung in der türkischen Sicherheitsarchitektur ein und ist dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan direkt unterstellt. Die innenpolitische Lage in der Türkei hat auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und somit auf die Spionageabwehr im Bund und in den Ländern. Der Logo des MIT Putschversuch im Sommer 2016 in der Türkei führt immer noch dazu, dass die verschiedenen türkischen Lager in Deutschland 31 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10.06.1999. 127 ihre Konflikte austragen. Seit diesem Zeitpunkt registriert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz teilweise statuswidrige Aktionen des MIT und zahlreiche Einflussnahmen auf die türkischstämmige Gemeinschaft in Deutschland: Ausspähungen und Bespitzelungen zugunsten türkischer Nachrichtendienste finden statt. Neben den bekannten Aktivitäten von Imamen in DITIB-Moscheen verfassen auch andere Zuträger Berichte und melden Oppositionelle an die konsularischen Vertretungen der Türkei. Der MIT unterhält Legalresidenturen in unterschiedlichen konsularischen Vertretungen in Deutschland. Sie fertigen Stimmungsund Lagebilder und versuchen, auch über die türkische Gemeinde hinaus, Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. In den vergangenen Jahren standen in Deutschland verstärkt die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und die Aufklärung der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen im Fokus des MIT. Die von der Türkei als "Fethullahistische Terrororganisation" (FETÖ) oder "Parallele Staatsstruktur" (PDY) bezeichnete Organisation ist aus Sicht der türkischen Regierung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich. Aus dem Personenkreis von tatsächlichen und vermeintlichen Anhängern des Predigers Fethullah Gülen ist eine steigende Zahl von Asylantragstellern zu verzeichnen die auch in Rheinland-Pfalz teils aus hochrangigen Kreisen des türkischen Militärs und des türkischen Beamtenapparats stammen. Aus Angst vor Repressalien oder Verfolgung wenden sich diese Personen von der Türkei ab. Von einzelnen Personen und Funktionsträgern türkischer Personenzusammenschlüsse in Rheinland-Pfalz werden seit dem Putschversuch teilweise offen und über soziale Netzwerke stetig Aufforderungen zur Denunziation von Gülen-Anhängern und Oppositionellen veröffentlicht, die den Aufrufen in türkischen Tageszeitungen ähneln. Sonstige Nachrichtendienste Auch andere Länder entfalten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland illegale geheimdienstliche Tätigkeiten. Die Geheimdienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika forcieren ihre Aktivitäten gegen 128 Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Iranische Spionageaktivitäten in Deutschland Anfang 2018 fanden Durchsuchungen von Wohnungen und Geschäftsräumen mehrerer Personen statt, die im Verdacht stehen, im Auftrag einer dem Iran zuzurechnenden geheimdienstlichen Einheit Institutionen und Personen ausgespäht zu haben. Hierbei handelt es sich mutmaßlich um Angehörige der sogenannten Quds Force, einer Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarden. Erst 2017 verurteilte das Berliner Kammergericht in diesem Zusammenhang einen pakistanischen Staatsangehörigen, der über Jahre im Auftrag der "Quds Force" (pro-)jüdische beziehungsweise israelische Ziele ausgespäht hatte. Aufgrund eines Europäischen Haftbefehls der belgischen Strafverfolgungsbehörden wurde am 1. Juli 2018 im Landkreis Aschaffenburg ein 46-jähriger iranischer Staatsangehöriger festgenommen. Der Haftbefehl wurde seitens der Bundesanwaltschaft unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord erwirkt. Der Beschuldigte, der als 3. Botschaftsrat an der iranischen Botschaft in Wien akkreditiert war, soll ein in Belgien lebendes Ehepaar beauftragt haben, einen Sprengstoffanschlag auf die jährliche "Große Versammlung" der iranischen Auslandsopposition am 30. Juni 2018 in Frankreich zu verüben. Er gilt Logo des MOIS als mutmaßlicher Mitarbeiter des iranischen Nachrichtenministeriums "MOIS (Ministry of Intelligence and Security)", zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und außerhalb des Irans gehört. Des Weiteren wurde im September 2018 ein Anschlag auf eine Gruppe in Dänemark lebender Iraner verhindert. Die dänischen Behörden machten hierfür 129 den iranischen Geheimdienst verantwortlich. In den Niederlanden rechnet man zwei Morde an Regimegegnern ebenfalls dem Iran zu. In der Folge verhängte die Europäische Union neue Sanktionen gegen den Iran und setzte den iranischen Geheimdienst auf die EU-Terrorliste. Im Bereich der militärischen Sicherheit kam es im Januar 2019 zur Festnahme eines in einer Bundeswehrkaserne in Daun (Eifel) beschäftigten deutsch-afghanischen Sprachauswerters. Der Beschuldigte soll im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr Informationen an einen iranischen Nachrichtendienst weiter gegeben habe. Die Ermittlungen hierzu dauern noch an. In den letzten Jahren wurden in verschiedenen westlichen Staaten verstärkte iranische Cyberangriffe auf diverse Ziele festgestellt. Hiervon waren unter anderem auch deutsche Universitäten betroffen. Agententätigkeit für den jordanischen Geheimdienst Am 7. August 2018 wurde ein 33-jähriger deutscher Staatsangehöriger wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen und Anklage durch die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Thüringer Oberlandesgerichts Jena erhoben. Der Beschuldigte soll von März 2016 bis Anfang Mai 2018 Informationen über die DIK-Moschee in Hildesheim sowie über mehrere in Deutschland lebende Personen an den jordanischen Geheimdienstes übermittelt haben. Hierbei ging es um Erkenntnisse zu Angehörigen aus dem salafistischen Spektrum und Personen, die mutmaßlich der "Hamas" und den "Muslimbrüdern" nahe stehen. 2.2 Themenfeld Proliferation Ein wichtiger Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes ist die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten32 in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie 32 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie atomare, biologische und chemische Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. 130 sowie des dafür erforderlichen Know-hows zu gelangen. Da sie zur eigenen Entwicklung und Herstellung häufig nicht in der Lage sind, versuchen sie, sich notwendiges Wissen, Produkte und Güter u. a. mit geheimdienstlichen Methoden illegal zu beschaffen. Die rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbehörde ist im Zusammenwirken mit anderen Sicherheitsbehörden damit befasst, einschlägige Aktivitäten und Methoden zu erkennen und zu ihrer Verhinderung beizutragen. Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte am 16. Januar 2016, dass Iran seine wichtigsten Verpflichtungen aus der Atomvereinbarung erfüllt habe und in der Folge die E3+3 Staaten33 ihre Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben haben. Zuvor hatten sich diese Staaten und Iran auf technische Beschränkungen und Kontrollmechanismen geeinigt, die gewährleisten, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient und nicht für die Entwicklung von Nuklearwaffen verwendet werden kann. Die Vereinbarung betrifft ausschließlich das Nuklearprogramm; das iranische Trägerund Raketentechnologieprogramm ist dabei nicht umfasst. Im Gegenzug sollen die seit 2006 gegen Iran verhängten Sanktionen schrittweise aufgehoben werden. Nach dem der Iran die vereinbarten Rückbaumaßnahmen an seinem Atomprogramm vorgenommen und die internationale Atomenergiebehörde dies bestätigt hat, wurden nun die gegen das iranische Atomprogramm gerichteten VNund EU-Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben. Die USA haben ihre extraterritorial wirkenden Sanktionen gelockert. Der Iran kann nun wieder Öl und Gas exportieren und erhält Zugang zu seinen eingefrorenen Exporterlösen. Außerdem kann er internationale Finanzkanäle nutzen.34 Für weitere detaillierte Informationen zu den aktuellen Sanktionslockerungen und den weiterhin bestehenden Exportbeschränkungen wird auf das Merkblatt 33 China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland sowie USA. 34 Quelle: Auswärtiges Amt. 131 "Aktuelle Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran" verwiesen, welches auf der Homepage des Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle veröffentlicht wurde.35 Der Ausstieg der USA aus dem "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPoA) am 8. Mai 2018 hat derzeit keinen Einfluss auf die europäische und deutsche Rechtslage. 2.3 Wirtschaftsspionage/-sabotage Die große Wirtschaftskraft mit zahlreichen innovativen Unternehmen und eine weltweite Anerkennung deutscher Wissenschaftsund Forschungsleistungen rücken die Bundesrepublik ins Zentrum nachrichtendienstlicher Aufklärungsbestrebungen. Generell liegt der Fokus bei jeder Form von Wirtschaftsspionage36 darauf, Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen sowie bestehende Rückstände in der eigenen wissenschaftlichen bzw. technischen Entwicklung aufzuholen. Im Gegensatz zu Ländern mit Forschungsund Wirtschaftsdefiziten liegt der Ausforschungsschwerpunkt für Staaten mit einer bereits eigenen entwickelten Wirtschaft zumeist in den Bereichen der wirtschaftspolitischen Strategien und den zukünftigen sozialökonomischen Trends. Insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik China betreiben intensive Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik. Diese erfolgt unmittelbar bzw. mittelbar durch die jeweiligen Nachrichtendienste. Im Fokus der nachrichtendienstlichen Ausspähungsbemühungen stehen hier im speziellen Hochund Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaften und bei der Erschließung von zukunftsträchtigen Märkten von Bedeutung sein können. Der Nationale Volkskongress der Volksrepublik China verabschiedete im März 2016 das "Konzept des 13. Fünfjahrprogramms für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung" welches in den Jahren 2016 bis 2020 umgesetzt werden soll. 35 Quelle: http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Iran/iran_node.html 36 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 132 Als Schwerpunkte des Fünfjahrprogramms wurden u.a. Biound Medizintechnik, Elektromobilität, Luftund Raumfahrt, Umweltschutz und erneuerbare Energien gesetzt. Zur Erreichung der gesteckten Ziele werden auch die Nachrichtendienste der VR China eingebunden und mit Wirtschaftsspionage beauftragt. Nicht immer stehen die Nachrichtendienste im Vordergrund, vielmehr treten Staatsunternehmen als Akteure auf. Dies insbesondere, wenn Joint Ventures als Basis für gezielte Wirtschaftsspionage genutzt werden. Beispielsweise werden deutschen Unternehmen Joint Ventures angeboten, um somit einen Marktzugang in China zu erreichen. Bereits zu Beginn der Verhandlungen werden Cyberattacken aus dem chinesischen IP-Raum auf das Firmennetzwerk festgestellt. Es folgen Delegationsbesuche, Einladungen der deutschen Firmenvertreter nach China, Abschlussverhandlungen und Vertragsunterzeichnungen. Die Operation wird seitens des chinesischen Partners auf die Zulieferer des deutschen Unternehmens ausgeweitet und endet möglicherweise mit einer vollständigen Indigenisierung37. 2.4 Cyberangriffe Wie in den Vorjahren waren 2018 Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmen unterschiedlicher Bereiche Ziele von elektronischen Attacken. So waren im Rahmen einer als Berserk-Bear-Kampagne bekannt gewordenen Angriffswelle zahlreiche Unternehmen der Energiebranche als Teil der kritischen Infrastruktur betroffen. Dabei bedienten sich die Akteure öffentlich zugänglicher Angriffswerkzeuge und unzureichend gesicherter IT-Systeme oder leiteten die Attacke mit Spear-Phishing Mails38 ein. Darüber hinaus waren zahlreiche deutsche Medienunternehmen und Organisationen im Bereich der Chemiewaffenforschung von Angriffen mit Spear-Phisching-Mails betroffen, die der Hackergruppe SANDWORM zugerechnet werden. Ziele der Angriffswellen waren die Datenausspähung (als Teil der CyberSpionage) und die Sabotage von IT-Systemen (Cyber-Sabotage). 37 Aufkauf der Firmen und Produktionsstätten, Verlagerung nach China. 38 Spear-Phishing Mails führen mit manipulierten Anhängen Schadprogramme aus. 133 Angriffen mit Spear-Phishing-Mails waren zudem Hochschulen ausgesetzt. Diese hatten zum Ziel, Informationen nicht zuletzt über Forschungsergebnisse, Dissertationen und Konferenzberichte abzuschöpfen, um sie für eigene Zwecke zu nutzen. Die beschriebenen Vorfälle sind nur ein Teil der im Jahr 2018 hochprofessionell durchgeführten Cyberangriffe. In der Summe zeigen sie, dass seitens der Angreifer dem "Faktor Mensch" bevorzugte Aufmerksamkeit gilt. Bei der Abwehr von Cyberangriffen kommt daher der Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Unternehmensbereiche als ein sehr wirksames Mittel große Bedeutung bei. Dem kommt der Bereich Wirtschaftsschutz des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes nach und steht Unternehmen im Rahmen von Informationsveranstaltungen und persönlichen Gesprächen unterstützend zur Verfügung. 134 VIII. Geheimund Sabotageschutz 135 Informationen, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder eines seiner Länder gefährden könnten, dürfen nur einem kleinen Personenkreis zugänglich gemacht werden. Aufgabe des Geheimund Sabotageschutz ist es, mögliche Sicherheitsrisiken zu minimieren. Dazu überprüft der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz diese Personen nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz. Überprüft werden - mit ihrem Einverständnis - vor allem Bedienstete, die in Landesoder Kommunalbehörden mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Aber auch Beschäftigte von Firmen, die Zugang zu sicherheitsempfindlichen Stellen in lebenswichtigen Einrichtungen haben. Die stetig wachsende Zahl der Überprüfungen bestätigt, dass die Bedeutung des Geheimschutzes in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Auch in anderen sicherheitskritischen Bereichen gilt die Zuverlässigkeit als Beschäftigungsvoraussetzung. So werden vom Verfassungsschutz - mit ihrem Einverständnis - auch Personen überprüft, die zum Beispiel nach dem Luftsicherheitsgesetz Zugang zu sicherheitskritischen Bereichen auf Flughäfen bekommen oder nach dem Sprengstoffgesetz beruflich mit explosivem Material umgehen. Allein nach dem Luftsicherheitsgesetz wurden im Jahr 2018 von der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz rund 3.124 Überprüfungen durchgeführt. Im Rahmen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen werden ebenso Personen überprüft, die als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Sicherheitsfirmen im privaten Bewachungsgewerbe tätig sein sollen. 136 C. Anhang 137 I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Die Gesamtzahl der in Rheinland-Pfalz im Jahr 2018 registrierten PMK-Straftaten stieg gegenüber dem Vorjahr um 43 Fälle auf 1.041 Straftaten (2017: 998).39 Die Anzahl der Gewaltdelikte stieg von 42 in 2017 auf 94 in 2018. Im Einzelnen (Auszüge Polizeiliche Kriminalstatistik Rheinland-Pfalz): I.1 Lagebild Politisch motivierte Kriminalität - rechts Die Zahl politisch motivierter Straftaten - rechts - stieg im Jahr 2018 in Rheinland-Pfalz auf 698 (2017: 635). Von den 698 registrierten Straftaten waren 417 (60 %) sogenannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2017: 424). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) stieg auf 52 (2017: 32). In 40 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2017: 28). Gewalttaten: 2018 2017 Gesamt 52 32 Körperverletzungen 40 28 Landfriedensbruch 6 - Andere Gewaltdelikte 6 4 I.2 Lagebild Politisch motivierte Kriminalität - links Die Zahl politisch motivierter Straftaten - links - belief sich im Jahr 2018 in Rheinland-Pfalz auf 187 Taten (2017: 69), die der darin enthaltenen Gewaltdelikte auf 33 Taten (2017: vier). Insgesamt 85 der 187 Straftaten und 27 der 33 Gewalttaten wurden i. Z. m. dem Demonstrationsgeschehen in Kandel registriert. 39 Von den 1.041 PMK-Straftaten können 87 keinem der nachfolgend genannten Phänomenbereiche zugeordnet werden. 138 Gewalttaten: 2018 2017 Gesamt: 33 4 Körperverletzungen 15 1 Brandund Sprengstoffanschläge 1 3 Landfriedensbruch 1 - Widerstandsdelikte 13 - Gefährliche Eingriffe i. d. Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 2 - Andere Gewaltdelikte 1 - Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. I.3 Lagebild Strafund Gewalttaten politisch motivierte Ausländerkriminalität Insgesamt wurden 2018 im Bereich politisch motivierte Ausländerkriminalität (ausländische und religiöse Ideologie) in Rheinland-Pfalz 69 Straftaten gezählt, davon drei Gewalttaten (2017: 107, davon vier Gewalttaten). I.4 Lagebild antisemitische Strafund Gewalttaten Im Jahr 2018 wurden landesweit 32 antisemitische Straftaten festgestellt, darunter zwei Gewalttaten (2017: 22 Straftaten, darunter eine Gewalttat). II. Register Das Register enthält die Bezeichnungen der im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2018 genannten Gruppierungen, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und aufgrund dessen als extremistisch bezeichnet werden können. 139 Gruppierungen Seite A "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) 115 C "Combat 18" (C 18) 48 D "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 58 "DIE RECHTE" 62 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 89 E "Exilregierung Deutsches Reich" 82 F "FLAK" 78 "Freistaat Preußen" 82 G "Gutmenschliche Aktion Mainz" 89 H HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung") 107 "Hammerskins" 75 "Heimatgemeinde Kaiserslautern" 82 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 108 I "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 67 "Interventionistische Linke" (IL) 35 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 111 J "Junge Nationalisten" (JN) 56 140 Seite K "Kalifatsstaat" 109 "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" 73 "Kameradschaft Rheinhessen" 73 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) 51 M "Milli Görüs"-Bewegung 102 "Muslimbruderschaft" 110 N "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 51 "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan" (NSK-KKK) 47 "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) 47 R "Revolution Chemnitz" 50 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 120 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 57 S "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 89 "Staatenbund Deutsches Reich" 82 T "Türkische Hizbullah" 112 V "Volksstaat Bayern" (ehem. "Bundesstaat Bayern) 83 141 III. Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 142 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) Vom 6. Juli 1998 Stand: zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22.12.2015 (GVBl. S. 461) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz 143 SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 144 Teil 1 Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse Allgemeine Bestimmungen zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Der Verfassungsschutz dient dem Schutz Begriffsbestimmungen der freiheitlichen demokratischen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Grundordnung, des Bestandes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Sicherheit des Bundes und der Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichteSS2 te Verhaltensweisen in einem oder für einen Verfassungsschutzbehörde Personenzusammenschluß, der darauf gerich(1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes tet ist, die Freiheit des Bundes oder eines dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dür2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des fen einander nicht angegliedert werden. Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für SS3 einen Personenzusammenschluß, der darauf Zusammenarbeit in Angelegenheiten gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren des Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist vererheblich zu beeinträchtigen; pflichtet, mit dem Bund und den Ländern in 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demoAngelegenheiten des Verfassungsschutzes zusamkratische Grundordnung menzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht politisch bestimmte, zielund zweckgeinsbesondere in gegenseitiger Unterstützung richtete Verhaltensweisen in einem oder und im Informationsaustausch sowie in der für einen Personenzusammenschluß, der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. darauf gerichtet ist, einen der in diesem (2) Die Behörden für Verfassungsschutz andeGesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu rer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes Für einen Personenzusammenschluß hannur im Einvernehmen, das Bundesamt für delt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachVerfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 1 des drücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Einzelpersonen, die nicht in einem oder für Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), einen Personenzusammenschluß handeln, sind zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938), nur im sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, in den anderen Ländern tätig werden, soweit diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in b oder c des Grundgesetzes stehen der Wahlen und Abstimmungen und durch beson145 dere Organe der Gesetzgebung, der voll4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der ziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Bundesrepublik Deutschland, die gegen den auszuüben und die Volksvertretung in Gedanken der Völkerverständigung (Artikel allgemeiner, unmittelbarer, freier, glei- 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedcher und geheimer Wahl zu wählen, liche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die soweit tatsächliche Anhaltspunkte für Bindung der vollziehenden Gewalt und der den Verdacht solcher Bestrebungen oder Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung 3. das Recht auf Bildung und Ausübung und Auswertung von Informationen, insbeeiner parlamentarischen Opposition, sondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenSS6 über der Volksvertretung, Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 6. der Ausschluß jeder Gewaltund 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Willkürherrschaft und Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, 7. die im Grundgesetz konkretiGegenstände oder Erkenntnisse anversierten Menschenrechte. traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, Teil 2 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verSS5 teidigungswichtigen Einrichtungen Beobachtungsaufgaben beschäftigt sind oder werden sollen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche zum Schutze von im öffentlichen Interesse demokratische Grundordnung, den Bestand geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, oder die Sicherheit des Bundes oder eines Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Landes gerichtet sind oder eine ungesetzKenntnisnahme durch Unbefugte sowie liche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, SS7 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstUnterrichtung der Landesregierung liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik und der Öffentlichkeit Deutschland für eine fremde Macht, (1) Die Verfassungsschutzbehörde unter3. Bestrebungen in der Bundesrepublik richtet die Landesregierung regelmäßig Deutschland, die durch Anwendung und umfassend über Art und Ausmaß von von Gewalt oder darauf gerichteBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5. te Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder Deutschland gefährden, und der fachlich zuständige Minister unterrich146 tet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und SS 10 Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Besondere Befugnisse Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach und Gegenstände einschließlich technischer Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. für das Verständnis des Zusammenhanges oder Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesonder Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten dere der Einsatz von verdeckt eingesetzten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige und Gewährspersonen, das Anwerben Interesse der betroffenen Person überwiegt. und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Teil 3 Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift SS8 zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Allgemeine Rechtsgrundsätze Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde wozu insbesondere das heimliche Mithören oder diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinöffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur paroder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen (3) Polizeiliche Befugnisse oder des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477), zuletzt stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege Dezember 2015 (GVBl. S. 461), BS 12-1, gebilder Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, deten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist zu denen sie selbst nicht befugt ist. unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die Verarbeitung der SS9 durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen persoAllgemeine Befugnisse nenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 die nach zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938). Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verar(3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes beiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. 147 (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend Mittel ist zur Erhebung personenbezobeurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt gener Daten nur zulässig, wenn ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den ausgeschlossen werden kann. Die nach Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten dem Landesgesetz zur parlamentarischen nach SS 5 oder dafür vorliegen, daß die Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, zur Erforschung solcher Erkenntnisse Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete erforderlichen Nachrichtenzugänge Kommission ist über die Gründe, die einer gewonnen werden können, Mitteilung entgegenstehen, zu unterrich2. er sich gegen Personen richtet, von denen ten; hält sie eine Mitteilung für geboten, auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzuso ist diese unverzüglich zu veranlassen. nehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen SS 10 a entgegennehmen oder weitergeben oder Weitere Einzelfallbefugnisse sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt (1) Die Verfassungsschutzbehörde zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfoldarf im Einzelfall bei Kreditinstituten, gen, um auf diese Weise Erkenntnisse über Finanzdienstleistungsinstituten und sicherheitsgefährdende oder geheimFinanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte dienstliche Tätigkeiten für eine fremde zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Macht oder gewalttätige Bestrebungen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, Beteiligten und zu Geldbewegungen und 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung und Mitarbeiter, Einrichtungen, ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforGegenstände und Nachrichtenzugänge der derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für Verfassungsschutzbehörde gegen sicherschwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 heitsgefährdende oder geheimdienstliche Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte und der hieraus gewonnenen Informationen zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme zwingend erforderlich ist. von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordie Erforschung des Sachverhaltes auf andere, derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für Betroffene weniger beeinträchtigende Weise mögschwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 lich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im werden kann. Der Einsatz eines nachrichtenEinzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS dienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzügPersonen und Unternehmen, die geschäftslich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder mäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht bei denjenigen, die an der Erbringung dieser oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. 2 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 148 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. von Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 an 1 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die die Betroffenen findet das Landesgesetz zur pargeschäftsmäßig Telekommunikationsdienste lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen und Teledienste erbringen oder daran mitdes Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses wirken, unentgeltlich Auskünfte über entsprechende Anwendung. Telekommunikationsverbindungsdaten und (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft Teledienstenutzungsdaten einholen. Die selbst dürfen den Betroffenen oder Dritten vom Auskünfte können auch in Bezug auf zukünfAuskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. tige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt wer(7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 den. Telekommunikationsverbindungsdaten bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 und Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichStandortkennungen sowie Rufnummer oder tet über die durchgeführten Maßnahmen nach Kennung des anrufenden und angerufenen den Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Anschlusses oder der Endeinrichtung, Kontrollgremium des Bundes unter entspre2. Beginn und Ende der Verbindung chender Anwendung des SS 8b Abs. 3 Satz 1 nach Datum und Uhrzeit, Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Berichte nach SS 8 b Abs. 3 Satz 2 3. Angaben über die Art der vom Kunden in des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Einsatz technischer Mittel zur Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. Überwachung von Wohnungen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondeG10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. re einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, 3 des Landesgesetzes zur parlamentarischen technische Mittel zur optischen und akustischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise zu begründen. Über den Antrag entscheidet die aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Leiterin oder der Leiter oder die stellvertretende Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließden Verfassungsschutz zuständigen Abteilung lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen erforderlich erscheint und des Ministeriums des Innern, für Sport und vom Leiter der Verfassungsschutzbehörde Infrastruktur. Die fachlich zuständige Ministerin oder seinem Vertreter angeordnet ist. oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur par(2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen nur gegen eine Person richten, gegen die aufdes Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses grund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht gebildete Kommission über die beschiedenen von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug besteht. Gleiches gilt für eine Person, die mit kann die fachlich zuständige Ministerin oder der einer Person im Sinn von Satz 1 in einer Weise fachlich zuständige Minister den Vollzug der in Verbindung steht, die aufgrund konkreter Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung Tatsachen die Annahme rechtfertigt, dass sie in der Kommission anordnen. Für die Aufgaben und einem objektiven Bezug zu den in SS 5 genannten Befugnisse der Kommission sowie die Mitteilung Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht 149 (Kontaktoder Begleitperson). Die Maßnahme Räumlichkeit und des Verhältnisses der überwachdarf im Übrigen auch durchgeführt werden, wenn ten Personen zueinander, anzunehmen ist, dass andere Personen unvermeidbar betroffen werden. durch die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung (3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der zuzurechnen sind. Die Maßnahme ist unverin Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen züglich zu unterbrechen, soweit sich während durchgeführt werden. Wohnungen anderer der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte Personen dürfen nur überwacht werden, wenn dafür ergeben, dass Inhalte oder Handlungen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich erfasst werden, die dem Kernbereich privater eine Person nach Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufLebensgestaltung zuzurechnen sind. Bestehen hält und die Überwachung der Wohnung allein insoweit Zweifel, darf nur eine automatisiert dieser Person zur Erforschung des Sachverhalts erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt werden. nicht Erfolg versprechend erscheint. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz 3 (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur 1 Satz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 durch das Gericht angeordnet werden. Bei unterbrochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Verfassungsschutzbehörde oder sein Vertreter (7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und den Einsatz technischer Mittel anordnen; eine 53 a der Strafprozessordnung geschütztes richterliche Entscheidung ist unverzüglich Vertrauensverhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt nachzuholen. Soweit die Anordnung des Leiters entsprechend. Satz 1 findet keine Anwendung, der Verfassungsschutzbehörde oder seines sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, Vertreters nicht binnen drei Tagen durch das dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person Gericht bestätigt worden ist, tritt sie außer Kraft; selbst im Verdacht von Bestrebungen oder bereits erhobene Daten dürfen nicht verwertet Tätigkeiten nach SS 5 steht oder eine Kontaktwerden und sind unverzüglich zu löschen. oder Begleitperson (Absatz 2 Satz 2) ist. (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die zu überwachende Wohnung und die Person, gegen SS 10 c die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeichBesondere Bestimmungen für nen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorMaßnahmen nach SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu (1) Daten aus dem Kernbereich privater bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen Lebensgestaltung oder aus Eingriffen entgegen Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils SS 10 b Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. einen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse Daten und der Löschung sind zu dokumentiefortbestehen. In der Begründung der Anordnung ren. Die Dokumentation ist zu löschen, wenn sind die Voraussetzungen und die wesentlichen sie für Zwecke einer etwaigen gerichtlichen Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen Überprüfung nicht mehr erforderlich ist. Soweit die die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr Verarbeitung von Daten nach SS 10 b der gerichtvor, so sind die aufgrund der Anordnung ergriflichen Kontrolle unterliegt, fällt sie nicht in die fenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insnach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum besondere hinsichtlich der Art der überwachten Zweck der Abwehr von Gefahren für die öffentliche 150 Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitso verbunden, dass eine Trennung nicht oder liche demokratische Grundordnung, ist zulässig, nur mit unvertretbarem Aufwand möglich wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im zulässig; eine Verwendung dieser Daten ist Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden (3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Stelle, der die Befähigung zum Richteramt Verfassungsschutzbehörde ihren Sitz hat. Für hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren. das Verfahren gelten die Bestimmungen des (8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung und in den Angelegenheiten der freiwildes der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks ligen Gerichtsbarkeit entsprechend. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie gewonnenen personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen. Soweit die Löschung zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die durch diese aufrechtzuerhalten. Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem Zweck verwendet werden; sie sind (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde entsprechend zu sperren. Die Löschung ist aktenoder sein Vertreter kann anordnen, dass bei kundig zu machen. Die Akten sind gesondert der Übermittlung auf die Kennzeichnung nach aufzubewahren, durch technische und organisaAbsatz 4 verzichtet wird, soweit und solange torische Maßnahmen zu sichern und am Ende des dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungsmaßnahme nicht zu Kalenderjahres, das dem Jahr der Löschung folgt, gefährden und das Gericht zugestimmt hat. Bei zu vernichten. SS 11 Abs. 5 gilt entsprechend. Gefahr im Verzug kann die Anordnung bereits (9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen vor der Zustimmung getroffen werden. Wird gelten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung der Maßgabe, dass die Zurückstellung der durch den Übermittlungsempfänger unverBenachrichtigung der gerichtlichen Entscheidung züglich nachzuholen; die übermittelnde bedarf, sofern eine Benachrichtigung nicht Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. binnen sechs Monaten nach Beendigung (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b der Maßnahme erfolgt ist. Über die Dauer erhobene personenbezogene Daten an öffentliche der weiteren Zurückstellungen, die zwölf Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach für die öffentliche Sicherheit, insBeendigung der Maßnahme getroffen werden. besondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, oder 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Teil 4 nach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. Datenverarbeitung SS 11 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu Erhebung, Speicherung und Nutzung dem sie ihm übermittelt wurden. personenbezogener Daten (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung übermittelt werden dürfen, weitere Daten ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, des Betroffenen oder eines Dritten in Akten in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 151 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (5) Personenbezogene Daten, die ausschließVerdacht von Bestrebungen oder lich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer 2. dies für die Erforschung und Bewertung Datenverarbeitungsanlage gespeichert wervon Bestrebungen oder Tätigkeiten den, dürfen für andere Zwecke nur insoweit nach SS 5 erforderlich ist oder verarbeitet werden, als dies zur Abwehr 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben erheblicher Gefährdungen der öffentlichen nach SS 6 erforderlich ist. Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SSSS 5 und 6 dienen sollen, müssen durch Berichtigung, Löschung und Sperrung Akten oder andere Datenträger belegbar sein. personenbezogener Daten (2) Daten über Personen, bei denen keine tat(1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in sächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten gespeicherte personenbezogene Daten zu im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, 1. dies für die Erforschung von daß in Akten gespeicherte personenbezogene Bestrebungen oder Tätigkeiten im Daten unrichtig oder unvollständig sind. Sinne des SS 5 erforderlich ist, (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien 2. die Erforschung des Sachverhaltes im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte auf andere Weise aussichtslos oder personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre wesentlich erschwert wäre und Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der die Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 betroffenen Person nicht entgegenstehen. nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen Informationen personenbezogenen Daten entsprechenden Akten untrennbar verbunden sind. Daten, die für das oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn Verständnis der zu speichernden Informationen eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhin erforlöschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht derlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonlich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. stige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde (3) Werden personenbezogene Daten bei die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall festBetroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der stellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur perso(3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der nenbezogene Daten über die Personen gespeichert Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetwerden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung zenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 unterliegen oder in diese einbezogen werden. und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den 152 Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Informationen nicht aus allgemein zugänglichen 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte oder nur durch eine die Betroffenen stärker belapersonenbezogene Daten über Bestrebungen und stende Maßnahme erhoben werden können. Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konspätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der krete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS letzten gespeicherten relevanten Information 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Übermittlung personenbezogener Informationen Abteilung des Ministeriums des Innern, für Sport oder Informationsbestände von öffentlichen und Infrastruktur stellt im Einzelfall fest, daß die Stellen des Landes und der kommunalen weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung schutzerforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgewürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. fährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf SS 13 gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die Informationsübermittlung an die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Verfassungsschutzbehörde Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange kommunalen Gebietskörperschaften übermitder Bundesrepublik Deutschland gefährden oder teln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde gegen den Gedanken der Völkerverständigung Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung oder das friedliche Zusammenleben der Völker zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien durch Anwendung von Gewalt oder darauf und sonstigen Informationsbestände nehmen, gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennsoweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich ten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen erforderlich ist und durch eine andere Art der Stellen des Landes und der kommunalen Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet Gebietskörperschaften von sich aus auch alle oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen würden. Die Übermittlung personenbezogener einschließlich personenbezogener Daten überDaten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort mitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächEinzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde liche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die festzulegende Merkmale zu beschränken. Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der (4) Die Übermittlung personenbezogener Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworAngelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung den sind, ist für Zwecke der Aufgabenerfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erfordernach diesem Gesetz nur dann zulässig, wenn lich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, und der kommunalen Gebietskörperschaften dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel Informationen und die Vorlage von Unterlagen ver10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht langen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. 153 SS 14 die Übermittlung zur Abwehr einer im Informationsübermittlung durch die Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr Verfassungsschutzbehörde oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an von Verbrechen, für deren Vorbereitung öffentliche Stellen personenbezogene Daten konkrete Hinweise vorliegen, dient, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf Erfüllung der Aufgaben der empfangenden personenbezogene Daten nur zu dem Zweck Stelle erforderlich ist und diese die personutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, nenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, (2) Zu anderen Zwecken darf die Gesundheit oder Freiheit einer Person Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzoder dem Schutz von Sachen von bedeulich nichts anderes bestimmt ist, personentendem Wert oder der Gewährleistung bezogene Daten nur übermitteln an der Sicherheit von lebensoder verteidi1. die Dienststellen der gungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dienen und dies mit den Aufgaben dem Abkommen zwischen den Parteien der Verfassungsschutzbehörde nach des Nordatlantikvertrages über die den SSSS 5 und 6 vereinbar ist. Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des der in der Bundesrepublik Deutschland staBundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die tionierten ausländischen Truppen vom 3. Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der -), zuletzt geändert durch Abkommen vom staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), den Polizeibehörden des Landes Informationen 2. die Staatsanwaltschaften und die einschließlich personenbezogener Daten unter den Polizeibehörden zur Verfolgung von Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. der Strafprozeßordnung und SS 131 des (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und auf begründete Anfrage von öffentlichen sonstigen Straftaten im Rahmen der orgaStellen des Landes und der kommunalen nisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich sind die in den SSSS 74a und 120 des personenbezogener Daten aus vorhandenen Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren Motivs der Täterin oder des Täters oder und in den Fällen, in denen dies durch eine der Verbindung zu einer Organisation Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliewird. Die Auskunft muß zur Erfüllung der Aufgaben gen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, Bundesverfassungsschutzgesetzes dem soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, Bundesnachrichtendienst und dem wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der Militärischen Abschirmdienst Informationen empfangenden Stelle erforderlich ist und einschließlich personenbezogener Daten. 154 (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbeoder des fachlich zuständigen Ministers zogene Daten an ausländische Nachrichtendienste oder der Leiterin oder des Leiters der für den angrenzender Staaten, an andere ausländische Verfassungsschutz zuständigen Abteilung öffentliche Stellen sowie an überund zwides Ministeriums des Innern, für Sport und schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Infrastruktur. Sie ist aktenkundig zu machen. Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweiden SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher sen, daß die übermittelten personenbezogenen Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle Daten nur zu dem Zweck genutzt werden erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen und daß die Verfassungsschutzbehörde sich mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie vorbehält, Auskunft über die Nutzung der unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtipersonenbezogenen Daten zu verlangen. ge Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist SS 15 aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Übermittlungsverbote ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, wenn genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde 1. überwiegende schutzwürdige Interessen sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der der Betroffenen dies erfordern, personenbezogenen Daten zu verlangen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen (6) Personenbezogene Daten dürfen an dies erfordern, insbesondere Gründe nichtöffentliche Stellen nicht übermitdes Quellenschutzes, des Schutzes telt werden, es sei denn, dies ist operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes 3. besondere gesetzliche Übermittlungsreoder der Sicherheit der Bundesrepublik gelungen entgegenstehen; die VerDeutschland oder eines ihrer Länder pflichtung zur Wahrung gesetzlicher oder zur Gewährleistung der Sicherheit Geheimhaltungspflichten oder von Berufsvon lebensoder verteidigungswichoder besonderen Amtsgeheimnissen, tigen Einrichtungen im Sinne des die nicht auf gesetzlichen Vorschriften Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, beruhen, bleibt unberührt. 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher SS 16 Tätigkeiten für eine fremde Macht, Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheim(1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach dienstlichen Tätigkeiten oder vor ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen der planmäßigen Unterwanderung dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichvon Wirtschaftsunternehmen durch tig, so sind sie unverzüglich gegenüber der die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei genannten Bestrebungen oder denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Freiheit oder Vermögen einer Person Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten erforderlich. Die Übermittlung bedarf der personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß 155 sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und wenn die Trennung von anderen personenbeauf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. zogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben Über personenbezogene Daten in nichtautomaerforderlich sind, nicht oder nur mit unvertrettisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person barem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft die personenbezogenen Daten zu sperren. nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen SS 17 Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Minderjährigenschutz Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit von Minderjährigen vor Vollendung des 14. 1. durch sie eine Gefährdung der Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfaßten oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung Landes Nachteile bereiten würde oder zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. überwiegenden berechtigten Interessen (3) Personenbezogene Daten über das Dritter geheimgehalten werden müssen. Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermitDie Entscheidung trifft die Leiterin oder telt werden, solange die Voraussetzungen der der Leiter der für den Verfassungsschutz Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese zuständigen Abteilung des Ministeriums Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine des Innern, für Sport und Infrastruktur Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr oder hierzu besonders Beauftragte. einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenLebensjahres dürfen nach den Bestimmungen diekundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung ses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 18 und die Informationsfreiheit wenden können. Auskunft an Betroffene Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeiErkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde cherte Daten sowie über den Zweck und die zulassen, sofern diese nicht einer weiterRechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag gehenden Auskunft zugestimmt hat. 156 SS 19 Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverDatenschutzkontrolle züglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche Der oder dem Landesbeauftragten für den gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Datenschutz und die Informationsfreiheit ist Kontrollkommission ausscheidet. auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft SS 21 zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten Befugnisse der Parlamentarischen und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit Kontrollkommission nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der feststellt, daß dadurch die Sicherheit des fachlich zuständige Minister unterrichtet die Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde Teil 5 und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Parlamentarische Kontrolle Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz 1 und, soweit richterlich SS 20 überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Parlamentarische Kontrollkommission Satz 2 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zustänüber Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und digen Ministerin oder dem fachlich zustänKosten der im Berichtszeitraum durchgeführten digen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiund die umfassende Unterrichtung der ner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur Parlamentarischen Kontrollkommission verparlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen langen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. gebildeten Kommission bleiben unberührt. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Parlamentarischen Kontrollkommission werden besteht aus drei Mitgliedern, die vom unter Beachtung des notwendigen Schutzes Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit des Nachrichtenzugangs durch die politische seiner Mitglieder gewählt werden. Die Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin Parlamentarische Kontrollkommission wählt oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Teil 6 Kontrollkommission sind geheim. Ihre Schlußbestimmungen Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im SS 22 Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde fin(4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag den SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des oder seiner Fraktion aus, so verliert es seiLandesdatenschutzgesetzes keine Anwendung ne Mitgliedschaft in der Parlamentarischen 157 SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25* Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) 158 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 159 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Satz: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Druck: PRINZ-DRUCK Media GmbH & Co. KG Der Verfassungsschutzbericht 2018 ist auch über das Internet abrufbar unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 160 MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de