MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2017 Meinungsfreiheit Freiheit Religionsfreiheit Freizügigkeit Unantastbarkeit Menschenrecht Achtung und Schutz Menschenwürde Toleranz Vielfalt Wehrhaftigkeit Gleichheit Demokratie Offenheit Parlament Wahlrecht Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2017 ISSN 0948-8723 1 Vorwort Die Sicherheitslage blieb 2017 angesichts vielfältiger Gefahrenpotenziale angespannt. Im Fokus der Sicherheitsbehörden standen insbesondere der internationale Terrorismus, der Islamismus und der Rechtsextremismus. Die Gewaltexzesse im Verlauf des G20 Gipfels in Hamburg dokumentieren, dass daneben auch der militante Linksextremismus nach wie vor ein hohes Gefahrenpotenzial birgt. Ebenso von Belang für die Innere Sicherheit sind politische Spannungen und kriegerische Konflikte außerhalb der europäischen Grenzen, die auch hier zu Reaktionen bis hin zur Anwendung von Gewalt führen können. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial sind Angriffe zur Ausspähung von Informationssystemen mit erheblichen Auswirkungen auf die Datensicherheit. Der Verfassungsschutz verfolgt diese und weitere sicherheitspolitisch relevante Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit und informiert Politik und Gesellschaft regelmäßig über seine Beobachtungsergebnisse. In diesem Sinne lässt sich der vorliegende Bericht wie folgt zusammenfassen: Der Islamismus stellt den Verfassungsschutz weiterhin vor vielfältige Herausforderungen. Zum einen gilt es, Gefährdungshinweise und -sachverhalte aufzuklären sowie radikalisierte Einzelpersonen und Netzwerke frühzeitig zu identifizieren. Zum anderen sind auch solche islamistischen Organisationen im Auge zu behalten, die mit gewaltfreien Mitteln eine langfristige Strategie der kontinuier- 3 lichen Einflussnahme verfolgen, Mitbestimmung einfordern, aber zugleich der gesellschaftlichen Integration von Muslimen entgegenwirken. Anders als im Vorjahr blieb Deutschland 2017 weitestgehend von Terroranschlägen verschont. Entsprechend dem Bundestrend hat allerdings auch in Rheinland-Pfalz die Zahl derjenigen Islamisten zugenommen, die dem salafistischen Teilspektrum zuzuordnen sind. Dies ist insoweit in höchstem Maße bedenklich, da gerade in diesem Spektrum teilweise fließende Übergänge zum Jihadismus, d.h. dem militanten bis terroristischen Islamismus, bestehen. Angesichts der mitunter emotional geführten öffentlichen Debatte zum Thema Islam ist es mir ein Anliegen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass muslimisches Leben in Deutschland und Rheinland-Pfalz keineswegs von Islamisten und Salafisten dominiert wird. Auch der Rechtsextremismus hat an Gefährlichkeit nichts eingebüßt. Fremdenfeindliche Hetze, offener oder verdeckter Antisemitismus, Gewalt gegen Minderheiten und Andersdenkende sind Ausfluss einer Menschen verachtenden Weltanschauung. Hier kann und darf es keine Toleranz geben. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus - nicht zuletzt durch eine stete Präventionsarbeit - bleibt daher ein Schwerpunkt. Wichtig ist und bleibt, Entwicklungen in der rechtsextremistischen Szene frühzeitig zu erkennen und zu analysieren. Hierzu zählt nicht zuletzt die latente Gefahr der individuellen Radikalisierung bis hin zum möglichen Entstehen terroristischer Strukturen. Wir dürfen uns aber nicht nur auf die militanten Formen des Rechtsextremismus konzentrieren. An der Schnittstelle zu neuen gesellschaftlichen Protestbewegungen und kritischen Strömungen versuchen Rechtsextremisten verstärkt einzuwirken, um Anschluss zu finden und um das Meinungsbild in ihrem Sinne zu beeinflussen. Diese Rechtsextremisten setzen nicht auf Gewalt, sondern auf eine langfristig angelegte Erosion des demokratischen Rechtsstaats. Im Jahr 2017 wurde das "Reichsbürger"-Spektrum landesweit erfasst und vom Verfassungsschutz intensiv analysiert. Eine Reihe, sich von Beginn an abzeichnender Auswertungsergebnisse hat sich im Verlauf des Jahres bestätigt und 4 verdichtet. Diese überwiegend von Männern der Altersgruppe über 50 Jahre geprägte Erscheinungsform weist in Rheinland-Pfalz eine anhaltend geringe Schnittmenge mit dem rechtsextremistischen Milieu auf. Weit überwiegend handelt es sich um Einzelpersonen, die den Rechtsstaat in Gänze ablehnen und es darauf anlegen, vor allem die Verwaltung und die Gerichte zu behelligen, um deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verunsichern. Nicht wenige treten dabei aggressiv in Erscheinung. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wurde die Präventionsarbeit gegen die Aktivitäten des "Reichsbürger"-Spektrums nachhaltig intensiviert. Linksextremistische Bestrebungen blieben weiterhin im Blickfeld des Verfassungsschutzes. Insbesondere die in Teilen ausgeprägte Gewaltbereitschaft stellt eine fortwährende Gefährdung der Inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Beispielhaft sei der im Juli 2017 in Hamburg durchgeführte G20 Gipfel, das Treffen der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenstaaten, genannt. In dessen gesamten Verlauf kam es - auch unter Beteiligung zahlreicher ausländischer Gewalttäter - zu massiven Gewaltexzessen. Hiervon unmittelbar betroffen waren vor allem Polizeibeamtinnen und -beamte, die zum Teil schwere Verletzungen davontrugen. Das Ausmaß der darüber hinaus wahllos zerstörten Sachwerte war signifikant. Anlass zur Sorge gibt ebenso der nichtislamistische auslandsbezogene Extremismus. Dies ist in erster Line der geopolitischen Lage im Nahen und Mittleren Osten geschuldet. Insbesondere bei Organisationen wie der mit einem Betätigungsverbot belegten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) besteht angesichts der verschärften Konfliktsituation in den Kurdengebieten der Türkei, des Irak und Syriens zunehmend die Gefahr, dass die bestehenden Spannungen zwischen den entsprechenden Akteuren auch in Deutschland bis hin zur Gewaltanwendung weiter eskalieren. Für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz bleibt die Spionageabwehr eine zentrale Herausforderung. Neben den klassischen Spionagefeldern Politik und Militär zählt auch die Beobachtung der zu den jeweiligen Regierungen in Opposition stehenden Personengruppen zum Aufgabenbereich fremder Nachrichtendienste. Darüber hinaus richten sich Ausspähungsbemühungen verstärkt gegen die Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Der Einsatz elektronischer 5 Mittel spielt dabei mittlerweile eine Schlüsselrolle. Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes wird die Beratung und Sensibilisierung rheinland-pfälzischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz daher fortgeführt und intensiviert. Roger Lewentz Minister des Innern und für Sport 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 12 II. Verfassungsschutzbericht 2017 13 III. Strukturdaten 14 IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit 14 1. Extremismusprävention 15 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft 19 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen I. Brennpunktthemen 23 1. Antisemitismus 24 2. Radikalisierung - Hintergründe und Ursachen 31 3. Cyber Sicherheit 34 II. Rechtsextremismus 37 1. Überblick und Entwicklungen 2017 38 2. Personenpotenzial 41 3. Rechtsextremistisches Spektrum 41 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus und 42 Rechtsterrorismus 3.2 Rechtsextremistische Parteien 45 3.2.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 45 "Junge Nationalisten" (JN) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 3.2.2 "Der III. Weg" 54 7 3.2.3 "DIE RECHTE" 58 3.3 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 60 3.3.1 "Neue Rechte" 60 "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 63 3.3.2 Neonationalsozialisten 67 3.4 Weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial 68 3.4.1 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 68 3.4.2 Rechtsextremistische Musikszene 69 III. "Reichsbürger"-Spektrum 73 IV. Linksextremismus 81 1. Überblick und Entwicklungen 2017 82 2. Linksextremistisches Personenpotenzial 83 3. Gewaltbereiter Linksextremismus 83 3.1 Autonome 85 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 86 V. Islamismus 91 1. Überblick und Entwicklungen 2017 92 2. Islamistisches Personenpotenzial 94 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des 95 Jihadistischen Terrorismus 3.1 International 95 3.2 Bundesrepublik Deutschland 96 3.2.1 Durchgeführte und vereitelte Anschläge 96 3.2.2 Reisebewegungen 97 3.2.3 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern 98 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 99 8 4.1 Salafistische Bestrebungen 100 4.2 HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") 103 4.3 Hizb Allah ("Partei Gottes") 104 4.4 "Kalifatsstaat" 105 4.5 Muslimbruderschaft 107 VI. Sicherheitsgefährdende und extremistische 109 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick und Entwicklungen 2017 110 2. Personenpotenzial 111 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" 111 (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 116 VII. Spionageabwehr 119 1. Allgemeine Lage 120 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 121 2.1 Spionage 121 2.2 Proliferation 126 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 127 VIII. Geheimund Sabotageschutz 131 C. Anhang I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 136 II. Register 137 III. Rechtliche Grundlagen 140 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 9 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 11 I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Verfassungsschutzbehörde in Rheinland-Pfalz ist das Ministerium des Innern und für Sport, dort eingerichtet als Abteilung 6. Als "Frühwarnsystem" hat die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz Der Verfassungsschutz dient den gesetzlichen Auftrag, insbesondedem Schutz der freiheitlichen re alle politisch bestimmten, zielund demokratischen Grundordnung, zweckgerichteten Verhaltensweisen zu des Bestandes und der Sicherheit beobachten und auszuwerten, die auf des Bundes und der Länder. eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratiSS 1 Landesverfassungsschutzgesetz schen Grundordnung der BundesrepuRheinland-Pfalz blik Deutschland zielen - vereinfacht gesagt, die zum Ziel haben, die bestehende Rechtsordnung zu beseitigen (vgl. SSSS 4 und 5 Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG). Gemeint sind damit verfassungsfeindliche, also extremistische Bestrebungen. Vom gesetzlichen Beobachtungsauftrag nicht umfasst sind hingegen radikale Bestrebungen oder Verlautbarungen sowie bloße Meinungsbekundungen und politische Einstellungen. Entsprechende Äußerungen, erst recht populistische, mögen provokativ und polemisch sein; gleichwohl sind sie von der grundgesetzlich verbürgten Meinungsfreiheit gedeckt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen beschränken, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) fokussierten Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. 12 Die Analysen, Lagebilder und Operativmaßnahmen des Verfassungsschutzes sind wichtige Beiträge für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz in einem nicht geringen Maße aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und auf der Basis der einschlägigen gesetzlichen Regularien - nachrichtendienstliche Mittel zur verdeckten Informationsbeschaffung ein (z.B. Vertrauenspersonen). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer vielschichtigen Kontrolle. Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der Kommission auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit umfassende Kontrollrechte. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2017 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es 13 wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht bedeutet, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat. Die Zahlenangaben sind daher teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2017. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Der vom Landtag Rheinland-Pfalz beschlossene Haushaltsplan der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz weist für 2017 insgesamt 184 Stellen (2018: 193) aus. Das Budget für Sachausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2017 betrug 1.450.000 EUR und 850.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit Unter der Prämisse "Prävention durch Information" betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit umfassend informiert, so auch durch den jährlichen Verfassungsschutzbericht. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den 14 verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einem gesetzlichen Auftrag Folge. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen. Wenn Sie an einer solchen Veranstaltung interessiert sind, nehmen Sie bitte Kontakt auf unter: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Abteilung Verfassungsschutz Tel.: 06131/16-3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. 1. Extremismusprävention In Rheinland-Pfalz hat die frühzeitige, dauerhafte und vielgestaltige Prävention gegen jede Form des Extremismus einen hohen Stellenwert, denn Repression allein trocknet den Nährboden für Extremismus nicht aus. Ausrichtung und Schwerpunkte der Prävention orientieren sich dabei an den aktuellen Gefährdungsund Gefahrenlagen. Bei der Prävention wird in Rheinland-Pfalz ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Wichtig unter dem Aspekt der Generalprävention ist beispielsweise allgemein die Verbesserung von Lebenssituationen, denn Menschen in prekärer Lage gehören bekanntermaßen zu den bevorzugten Zielgruppen extremistischer Agita15 tion. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht. Dies zielt darauf ab, Demokratiebewusstsein, Toleranz und Zivilcourage zu stärken, um den Gefahren menschenverachtender Ideologien begegnen zu können. Ebenso wichtig sind zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement als gelebte Demokratie sowie die Festigung und Verstetigung der Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Zu den vielfältigen Präventionsmaßnahmen zählt nicht zuletzt auch die intensive Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes über extremistische Umtriebe unter dem Motto "Prävention durch Information". Präventionsagentur gegen Extremismus Mit Ministerratsbeschluss vom 10. Juni 2008 wurde unter dem Eindruck der damaligen Lageentwicklung beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz zur Intensivierung der themenbezogenen Präventionsarbeit die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus eingerichtet. Die Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten lagen bislang auf den Feldern Koordination, Kooperation, Dokumentation und nicht zuletzt der Information. Eine Fokussierung allein auf das Thema Rechtsextremismus reicht nicht mehr aus. Um den aktuellen Anforderungen einer umfassenden Information über alle relevanten extremistischen und sicherheitsgefährdenden Erscheinungsformen gerecht zu werden, bedarf es einer Einrichtung, die nunmehr in konzentrierter Form die Präventionsmaßnahmen fortführt. Um dies seitens des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes zu gewährleisten, besteht die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus daher mit im Wesentlichen gleicher Aufgabenkonstellation nunmehr als Präventionsagentur gegen Extremismus fort. Auch künftig gilt für die Präventionsarbeit des Verfassungsschutzes: Es wird schwerpunktmäßig über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen informiert, damit die Adressaten der Informationen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen können. Die Aufmerksamkeit gilt dabei auch und gerade dann, wenn "nur" von einer abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" führt die Präventionsagentur vor allem die Aufklärung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fort. 16 Die Präventionsagentur steht Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie hierdurch über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit extremistischem Bezug in Landkreisen, Städten und Gemeinden, werden diese, auf Wunsch auch vor Ort, individuell informiert. 1.1 Programme des Landes gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfen für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial oder Konzertveranstaltungen werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch wird der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 4546 000) und über ein Internetportal (www.komplexrlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremi17 stischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 1.2 Programme des Landes gegen Antisemitismus Am 2. Mai 2018 nahm der neu berufene Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung seine Arbeit auf. Zu seinen Aufgaben zählt die ressortübergreifende Koordination der Maßnahmen der Antisemitismusbekämpfung und -prävention. Er fungiert zudem als ein Bindeglied zwischen der Landesregierung und der in Rheinland-Pfalz lebenden Juden sowie den jüdischen Gemeinden. 1.3 Programme des Landes gegen Islamismus Der Ministerrat hat im September 2015 das "Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in Rheinland-Pfalz" beschlossen. Es wurde unter Federführung des Jugendministeriums in enger Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium, dem Justizministerium und dem Innenministerium erarbeitet. Ausgangspunkt für diesen ressortübergreifenden Ansatz war die Überzeugung, dass die Komplexität des Islamismus ein Präventionskonzept erfordert, in dem die Expertise unterschiedlicher Behörden gebündelt ist. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der allgemeinen und spezifischen Prävention einerseits und einer Beratungsstelle zur Verhinderung isla18 mistischer Radikalisierung und einzelfallbezogener Intervention andererseits. Die Koordinierung der Präventionsprojekte obliegt dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Der Verfassungsschutz leistet im Bereich der allgemeinen Prävention einen Beitrag, indem er Informationen zum Phänomenbereich Islamismus zur Verfügung stellt: # im Internet unter www.mdi.rlp.de, # mit der Broschüre "Salafistische Radikalisierung - Ursachen und Auswege", die gemeinsam mit der Polizei erstellt wurde, # im Rahmen von Fachvorträgen, Informationsveranstaltungen und Workshops für unterschiedliche Berufsund Zielgruppen. Zweck der Informationsvermittlung ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Behörden und Einrichtungen für die Thematik der islamistischen Radikalisierung zu sensibilisieren und sie bei der frühzeitigen Erkennung von Radikalisierungsverläufen oder einer bereits eingetretenen Radikalisierung zu unterstützen. Seit März 2016 existiert in Rheinland-Pfalz die Beratungsstelle "Salam" mit folgenden Aufgaben: # Beratung von Angehörigen und pädagogischen Einrichtungen, # Beratung und Deradikalisierung von Radikalisierten im frühen Stadium, # Ausstiegshilfen, z.B. für Syrienrückkehrer. Träger der Beratungsstelle ist das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Mainz (Telefon: 0800-7252610, Email: salam@lsjv.rlp.de). 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft Zum Schutz der rheinland-pfälzischen Unternehmen haben die Landesregierung, die Kammern und Unternehmensverbände sowie die Vereinigung für die 19 Sicherheit der Wirtschaft im Jahr 2005 eine förmliche Sicherheitspartnerschaft vereinbart, deren Wurzeln bis zur Mitte der 90er Jahre zurückreichen und die bundesweit hohe Beachtung findet. In der Gemeinsamen Erklärung zur Bildung einer Sicherheitspartnerschaft haben sich die Unterzeichner darauf verständigt, insbesondere die mittelständischen und exportorientierten Betriebe im Handel, Handwerk und Gewerbe hinsichtlich der Gefährdungen durch Wirtschaftsspionage, Proliferation, Sabotage, Extremismus und Terrorismus zu sensibilisieren und durch vielfältige Informationsangebote die erforderliche betriebliche Eigenvorsorge zu fördern. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz nimmt dabei eine koordinierende Rolle wahr. Weitere Informationen zur Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft sind unter https://mdi.rlp.de/de/unsere-themen/sicherheit/verfassungsschutz/spionageabwehr-und-wirtschaftsschutz/ abrufbar. 20 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 21 22 I. Brennpunktthemen 23 Der Verfassungsschutzbericht 2017 beinhaltet erstmals das Kapitel Brennpunktthemen. Es widmet sich Themenfeldern von aktuell besonderer Bedeutung und dient in erster Line der allgemeinen Hintergrundinformation und Sensibilisierung. 1. Antisemitismus1 Das Judentum sieht sich nahezu seit Anbeginn seiner mehr als 3000 Jahre währenden Geschichte Anfeindungen und Ressentiments ausgesetzt, die im Laufe der Epochen immer wieder auch in Pogromen mündeten. Der von den Nationalsozialisten in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entfachte Völkermord war das Fanal. Die Motive für den bisweilen tief ausgeprägten Hass gegen Juden sind mannigfaltig. Sie reichen von religiösen über politische, soziale und nationalistische bis hin zu solchen, die von einer biologistisch-rassistischen Überzeugung getragen sind. Der im Zeitalter der Moderne im 19. Jahrhundert entstandene Rasseantisemitismus war Teil der Parteiund Staatsdoktrin der späteren Nationalsozialisten. Ebenso wie es unterschiedliche Motive für den Antisemitismus gibt, gibt es verschiedene Varianten. Unterschieden werden kann im Wesentlichen zwischen offensiv artikuliertem Antisemitismus und einem chiffrierten Antisemitismus durch verbale und nonverbale Andeutungen. Eine weitere verbreitete Variante ist der sekundäre (diskursive) Antisemitismus. Dieser zielt im Kern auf eine Schuldabwehr und eine Relativierung des Holocaust ab, so durch subtile Versuche einer Täter-Opfer-Umkehr. Mittels haltloser Kritik wird beispielsweise unterstellt, "jüdische Kreise" betrieben einen "Schuldkult", um dauerhaft finanzielle Vorteile zu sichern. Darüber hinaus existiert (seit der Staatsgründung im Jahr 1948) eine 1 Der heute gebräuchliche Begriff Antisemitismus steht vor allem als Synonym für eine exzessive Judenfeindlichkeit. Vom durch Bundestagsbeschluss eingerichteten Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus wird er als "Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden wahrgenommenen Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen", definiert ("Feindschaft gegen Juden als Juden"), vgl. Bundestagsdrucksache 18/11970 vom 7. April 2017, Seite 24. 24 Form, die als israelbezogener Antisemitismus bezeichnet werden kann.2 Dieser ist gegeben, wenn die Grenzen legitimer Kritik an Israel zugunsten einer Dämonisierung und Delegitimierung überschritten werden, d.h. insbesondere dann, wenn Israel das grundlegende Existenzrecht abgesprochen wird. Antisemiten bedienen sich einer Reihe gängiger Vorgehensweisen, die auch Vorurteile und Stereotype über in anderen gesellschaftspolitisch-hisMinderheiten bilden die Voraustorischen Zusammenhängen relevant setzung für Feindbilder, die sich sind. Zu den augenfälligsten Elemenwirkungsvoll instrumentalisieren ten antisemitischer Agitation gehören lassen. bis heute Verschwörungstheorien.3 Weitere sind u.a. Vorurteile, StereoWolfgang Benz, "Gewalt und Ideolotype, unzulässige Vergleiche und hisgie", Vortrag im Wiener Rathaus am torisch nicht haltbare Narrative. Alle 2. März 1995 diese Vorgehensweisen zielen in der Konsequenz auf Stigmatisierung, Diffamierung und Ausgrenzung ab. Eine besonders schlimme Folge solcher Prozesse sind Strafund Gewalttaten, denen eine antisemitische Motivation zu Grunde liegt. Diese sind mit Blick auf den historischen Kontext besonders verwerflich. Rheinland-Pfalz ist dabei im Ländervergleich kein Schwerpunkt; jede einzelne Tat ist aber eine zu viel. Im Jahr 2017 wurden landesweit 22 antisemitische Straftaten festgestellt, darunter eine Gewalttat (2015: 25 Straftaten, davon keine Gewalttat; 2016: 26 Straftaten, davon eine Gewalttat). In der öffentlichen Wahrnehmung wird Antisemitismus - aus naheliegenden Gründen - in erster Linie dem Rechtsextremismus zugeordnet. Ungeachtet der im Folgenden näher erläuterten Umstände, wäre eine solche fokussierte Sichtweise aber ebenso verfehlt wie die Annahme, es handele sich beim Antisemitis- 2 Dem ideengeschichtlich vorausgegangen war ein antizionistischer Antisemitismus, der sich gegen die gleichnamige jüdische Nationalbewegung richtete. 3 Eine der bekanntesten beruht auf der Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen und 1921 als Fälschung enttarnten antijüdischen Propagandaschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion". Deren fiktionaler Text beschreibt die angebliche jüdische Planung zur Erlangung der Weltherrschaft. Das Pamphlet diente den Nationalsozialisten als Propagandaschrift und kursiert auch heute noch in rechtsextremistischen Kreisen. 25 mus ausschließlich um ein deutsches Phänomen. Auf den Punkt gebracht: Antisemitismus hat einen gesellschaftlichen Nährboden in Deutschland, in Europa und in weiteren Teilen der Welt. Er findet seinen Niederschlag in typischen Einstellungsmustern und / oder Verhaltensweisen.4 Im Folgenden wird auf die aktuelle Erkenntnislage bezogen auf unterschiedliche extremistische Phänomene eingegangen. Antisemitismus im Rechtsextremismus Der Antisemitismus ist im rechtsextremistischen Denken seit jeher tief verwurzelt und beruht hier primär auf einer rassistischen Motivation. Rechtsextremisten sehen generell in den Juden nicht Angehörige einer Religionsgemeinschaft, sondern definieren sie völkisch als eine aus ihrer Sicht (minderwertige) Rasse.5 Diese rassistisch motivierte Judenfeindlichkeit vermischt sich mit vordergründigen politischen und sozialen Motiven. Breiten Raum nimmt beispielsweise heute die Fundamentalkritik am Staat Israel ein. "Die" Juden (in aller Welt) werden per se für dessen Politik verantwortlich gemacht, dem Staat als solchen wird das Existenzrecht abgesprochen. Besonders verwerflich ist in diesem Zusammenhang der Versuch von Rechtsextremisten, die israelische Palästinenserpolitik mit den beispiellosen Naziverbrechen gegen Juden gleichzusetzen, was einer Relativierung der Terrorherrschaft im "Dritten Reich" gleichkommt. "Der Jude" verkörpert in der rechtsextremistischen Weltanschauung das "Übel" schlechthin. Im Sinne des dem Rechtsextremismus immanenten Feindbilddenkens dienen die Juden immer wieder als Projektionsfläche für von Rechtsextremisten ausgemachte gesellschaftliche und politische Missstände. Reflexartige verbale Ausfälle sind ebenso an der Tagesordnung, wie das fortwährende Pflegen von Vorurteilen und Verschwörungstheorien. 4 Siehe hierzu u.a. Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus vom 7. April 2017, Bundestagsdrucksache 18/11970. 5 Hitler führte im September 1919 in einer von ihm verfassten antisemitischen Schrift u.a. aus: "Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse...". Vgl. Thomas Ripper, "Vom Vorurteil zur Vernichtung - Hitler und die 'Endlösung der Judenfrage'", in Studien zu Politik und Wissenschaft, 2001, Seite 7. 26 Unterschieden werden kann im Rechtsextremismus zwischen einem leichthin erkennbaren offenen und einem schwerer auszumachenden chiffrierten Antisemitismus. Offener Antisemitismus6, auch unter Verwendung einschlägiger Phrasen aus der Zeit der Nazidiktatur (z.B. "Kauft nicht bei Juden" etc.) oder bildhaft durch herabwürdigende Darstellungen (z.B. das Bild "des" Juden mit Hakennase), bemüht sich nicht um Verschleierung und wirkt auf die meisten Menschen abstoßend. Der versteckte Antisemitismus hingegen zeigt sich auf subtile Weise und unterschwellig. Er bedient sich der in Teilen der Gesellschaft (noch) latent vorhandenen Vorurteile und zielt darauf ab, diese zu konservieren und zu verdichten. Mitunter zeigt sich der chiffrierte Antisemitismus nur in einzelnen Begriffen oder Andeutungen, so wenn vom übermäßigen "Einfluss der (US-amerikanischen) Ostküste auf die Politik Washingtons" die Rede ist. Hinter dieser Phrase verbirgt sich eine böswillig unterstellte, angeblich entscheidende Einflussnahme von Juden auf die amerikanische Regierungspolitik und letztlich auf die Weltpolitik. Ein aktuelles Beispiel für die antisemitische Agitation von Rechtsextremisten ist ein von der Partei "Der III. Weg" via Internet verbreiteter Aufruf zum Israel-Boykott ("IsraelBoykott: Was jeder gegen den zionistischen Völkermord tun kann"). Der Staat Israel wird in dem Artikel u.a. als "zionistisches Geschwür im Nahen Osten" und als "zionistischer Raubstaat" diffamiert, die Politik der israelischen Regierung als "verbrecherische Völkermordmaßnahmen der Zionisten im Nahen Osten", die Regierung selbst als "zionistisches Terror-Regime" und als "teuflisches Völkermordsystem". Aufmachung, Parolen ("Boykottiert Produkte aus Israel") und sprachliche Eigenart des Artikels 6 Offener Antisemitismus zeigt sich nicht allein in publizistischer oder verbaler Weise. Hierzu zählen auch die immer wieder stattfindenden Schändungen jüdischer Grabstätten, Synagogen und anderer Einrichtungen. 27 lassen signifikante Parallelen zur judenfeindlichen Hetze der Nationalsozialisten erkennen. Antisemitismus unter Islamisten Der Antisemitismus ist ein fester Bestandteil im Weltbild von Islamisten. Antisemitische Äußerungen finden sich in den Schriften und Reden vieler islamistischer Gelehrter und Meinungsführer. Zumeist werden hierbei Juden negative Charaktereigenschaften sowie feindliche Handlungen gegenüber den Muslimen zugeschrieben. Bei Vertretern des jihadistischen, d.h. militanten Islamismus sind darüber hinaus auch Aufrufe festzustellen, Juden zu bekämpfen. Die Ausrufung der "Internationalen Front für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" aus dem Jahr 1998 unter der Führung Usama Bin Ladins legt hierfür ein aussagekräftiges Zeugnis ab. Dem Antisemitismus von Islamisten liegt zumeist eine politische Motivation zugrunde. Konkret steht er im Zusammenhang mit dem ungelösten Nahostkonflikt und der Situation der Palästinenser, mit denen sich Islamisten vor allem aufgrund der gemeinsamen Religionszugehörigkeit solidarisch erklären. Anders als in anderen Konfliktsituationen herrscht in dieser Frage Einigkeit zwischen sunnitischen und schiitischen Islamisten, nicht zuletzt hinsichtlich des Feindbildes Zionisten sowie, hiervon nur unscharf abgegrenzt, Juden. Der politisch motivierte Antisemitismus wird von Islamisten häufig religiös untermauert. Sie verweisen auf Textpassagen im Koran, in denen Juden negativ dargestellt werden, und ziehen eine Parallele zwischen den "Feindseligkeiten der Juden" gegenüber der frühislamischen Gemeinde um Muhammad und den Muslimen der heutigen Zeit. Dabei beschränken sie sich nicht auf das Schicksal der Palästinenser, sondern sehen Zionisten/ Juden/ Israel als Drahtzieher hinter vielen Konflikten und Krisensituationen im muslimischen Raum, ohne hierbei Beweise vorzulegen. Insoweit stehen Zionisten/ Juden/ Israel vielfach im Zentrum islamistischer Verschwörungstheorien. Die Unterscheidung zwischen den drei Begriffen ist im Übrigen häufig rein rhetorischer Natur; tatsächlich wird im längeren Verlauf der Ausführungen oftmals eine Vermengung deutlich. Im Rahmen der Beobachtung islamistischer Bestrebungen in Rheinland-Pfalz stellt der Verfassungsschutz immer wieder antisemitische Aussagen fest. Ihre 28 Häufigkeit steht in Abhängigkeit von politischen Anlässen. Das heißt, Ereignisse wie der Gaza-Krieg im Jahr 2014 führten zu einem starken periodischen Anstieg antiisraelischer und zugleich antijüdischer Äußerungen. Zuletzt - im Dezember 2017 - provozierte die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, mehrere antiisraelische Aussagen, die zugleich gegen Juden gerichtet waren. Hierbei mischten sich im Wesentlichen Protest gegen den US-Präsidenten und die israelische Politik mit abwertenden Beschreibungen von Juden, so z.B. ihre Bezeichnung als Hauptfeinde der Muslime. Darüber hinaus wurde zur Teilnahme an Kundgebungen in Koblenz, Mainz und Trier aufgerufen. Im Nachhinein ist ein Einzelhinweis auf antiisraelische Äußerungen bei der Kundgebung in Trier eingegangen, darunter Parolen wie "Israel Kindermörder" und "Nieder mit Israel". Da hierzu bisher keine bestätigenden Informationen erlangt werden konnten, ist eine abschließende Bewertung noch nicht möglich. Antisemitische Einstellungen und Handlungen haben bei Muslimen nicht in allen Fällen einen islamistischen Hintergrund. Antisemitismus existiert ebenso im Bereich des arabischen Nationalismus und kann insoweit mitunter auch bei arabischen Muslimen festgestellt werden, die wenig oder gemäßigt religiös sind. Auch unter palästinensischen (und anderen arabischen) Christen bestehen zuweilen antisemitische Einstellungen. Mit der Bedeutungszunahme des Islamismus in den vergangenen Jahrzehnten und der gleichzeitigen Abschwächung eines eher säkular ausgerichteten arabischen Nationalismus hat der Antisemitismus aber vermehrt eine islamistische Färbung angenommen. Antisemitismus im Linksextremismus Antisemitismus ist auch dem Linksextremismus nicht gänzlich wesensfremd, wenngleich in der Dimension bei weitem nicht vergleichbar mit dem Islamismus oder dem Rechtsextremismus. Er nährt sich heute in erster Linie aus einem in der linksextremistischen Szene herrschenden "antiimperialistischen" Grundverständnis und dem propagierten Dualismus von "imperialistischen Ausbeutern" und "Unterdrückten". Rassistische Motive, wie zutiefst im Rechtsextremismus verwurzelt oder religiöse, wie im Islamismus, spielen - soweit erkennbar - keine nennenswerte Rolle. 29 Von Linksextremisten praktizierter Antisemitismus zeigt sich in erster Linie in betont antizionistischen und antiisraelischen Positionen, einhergehend mit einer unreflektierten bzw. undifferenzierten Parteinahme für die Palästinenser und ihrer Belange. Israel wird als "imperialistische Macht" diffamiert; Kritik an der israelischen Politik pauschal und unsachlich geübt. Letzthin wird das Existenzrecht des Staates Israel verneint. Ähnlich wie in anderen extremistischen Milieus bedienen sich auch einzelne Linksextremisten dabei unangemessener Vergleiche, so indem beispielsweise Palästinenser als "Opfer der Opfer" tituliert werden. 30 2. Radikalisierung - Hintergründe und Ursachen Unter Radikalisierung ist die zunehmende Hinwendung von Personen oder Gruppen zu einer extremistischen Denkund Handlungsweise zu verstehen. Radikalisierung impliziert eine steigende Bereitschaft zur Durchsetzung extremistischer Ziele, in letzter Konsequenz auch durch die Anwendung von Gewalt. Die Verfassungsschutzbehörden stellen Radikalisierungsprozesse in allen Radikalisierung beschreibt den beobachteten Phänomenbereichen Prozess, in dem ein Individufest, d.h. im Rechts-, Linksund Ausum oder eine Gruppe radikale länderextremismus sowie im Islamisoder extreme politische, soziale mus. oder religiöse Einstellungen und Überzeugungen entwickelt oder In der Regel werden Radikalisierungsübernimmt und sich gegebeverläufe durch ein Zusammenwirken nenfalls eine dementsprechende mehrerer, sehr unterschiedlicher FakIdeologie zu Eigen macht. toren begünstigt. Sie reichen von der Ebene der persönlichen LebensumWikipedia - Die freie Enzyklopädie stände bis zu gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Auf der persönlichen Ebene können folgende Umstände den Anschluss an eine extremistische Gruppierung und in der Folge die Aneignung extremistischen Gedankenguts fördern: # Familiäre Probleme, soziale Isolation und Ausgrenzungserfahrungen. Die salafistisch orientierte Gemeinschaft von Glaubensbrüdern bzw. Glaubensschwestern kann in solchen Situationen ebenso als Ersatzgemeinschaft fungieren wie die rechtsextremistische "Kameradschaft" (Gruppe). # Schulische und berufliche Probleme. Ähnlich wie familiäre Probleme führen auch schulische und berufliche Probleme zu Unzufriedenheit. Das Engagement für außerschulische oder außerberufliche Anliegen kann eine willkommene Ablenkung von oder gar Flucht vor Misserfolgen sein. In der neuen Ersatzgemeinschaft zählen schulischer und beruflicher Erfolg weitaus weniger als die Identifikation mit den Positionen und Zielen der Gemeinschaft. 31 # Suche nach Halt, Orientierung und Identität. Mit der Zuwendung zu einer geschlossenen Ideologie und einer entsprechend ausgerichteten Gruppe ist die Sinnund Identitätssuche zumindest vermeintlich oder vorerst beendet. Extremistische Ideologien halten in der Regel einfache Antworten auf komplexe Fragen bereit. Gut und schlecht, Rechte und Pflichten, Freunde und Feinde - dies ist entsprechend der jeweiligen Ideologie meist im Sinne klarer dualistischer Erklärungsmuster festgelegt. # Persönliche Diskriminierungserfahrungen. Bei Islamisten können persönliche Diskriminierungserfahrungen oder zumindest eine subjektiv wahrgenommene Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit, eventuell auch der ethnischen Zugehörigkeit ein zusätzlicher oder gar ein vorrangiger Auslöser für eine Antihaltung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und der Zuwendung zur islamistischen Ideologie und Gruppe sein. Diese bestärken sie zumeist in ihrer bestehenden Wahrnehmung und ordnen die persönliche Erfahrung bewusst in ein vermeintlich allgemeingültiges Muster ein, demzufolge Ungläubige einen "Kreuzzug gegen den Islam und Muslime" führen. Über Ursachen auf persönlicher Ebene hinaus haben bestimmte politische und gesellschaftspolitische Ereignisse, Entwicklungen und Umstände sowie deren Wahrnehmung vielfach einen entscheidenden Einfluss auf Radikalisierungsverläufe. Im Bereich des Ausländerextremismus spielen Diskriminierung oder gar die Unterdrückung ethnischer Minderheiten im Ausland eine Rolle. Islamisten beziehen viele ihrer Argumente aus militärischen Interventionen insbesondere westlicher Staaten in muslimischen Ländern, ihrer politischen Positionierung im Nahostkonflikt oder aus islamfeindlichen Vorfällen. Insbesondere bei radikalisierten Flüchtlingen können Negativerfahrungen mit einem repressiven Regime im Herkunftsland maßgeblich sein. Die rechtsextremistische Ideologie kann ihrerseits bei Personen verfangen, bei denen die verstärkte Zuwanderung subjektive Ängste vor "Überfremdung", erhöhter Kriminalität oder Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt hervorruft. 32 Extremistische Meinungsführer wissen um vorhandene, latente und diffuse Stimmungen und Ängste in der Bevölkerung, genauer gesagt, in ihrer eigenen ethnischen, nationalen oder religiösen Bezugsgruppe. Sie treten als "Kümmerer" auf, bestätigen die Wahrnehmung der neuen Anhänger durch die stete Wiederholung von entsprechenden Einzelfällen, bis daraus ein vermeintlich allgemeingültiges Erklärungsmuster entsteht. Letzteres wird durch die gleichzeitige Ausblendung von Gegenbeispielen, das Verschweigen komplexer Zusammenhänge oder auch des konfliktschürenden Handelns gerade der eigenen - d.h. der militant-extremistischen - Bewegung erzielt. Die vermeintliche Attraktivität extremistischer Gruppierungen ergibt sich für ihre Anhänger oder Interessenten schließlich daraus, dass sie Aktivitäten organisieren, um gegen die angeprangerten Missstände vorzugehen und zugleich für das entworfene Ideal einer "richtigen Ordnung" oder die "eigenen Rechte" einzutreten. Im engen Kontext mit den beschriebenen Ursachen stehen das Internet und die sozialen Medien. Einschlägige Inhalte und Botschaften, Propaganda und Agitation verbreiten sich in hoher Frequenz und Dichte. Die Funktion besagter Medien als Beschleuniger von Radikalisierungsprozessen ist anhand vieler Fälle aus unterschiedlichen Phänomenbereichen belegbar. 33 3. Cyber-Sicherheit Das digitale Zeitalter eröffnet Hackern weitreichende Möglichkeiten, um elektronisch gespeicherte Informationen auszuspähen (Cyber-Spionage) oder IT-Infrastrukturen zu schädigen (Cyber-Sabotage). Es handelt sich hierbei um CyberAngriffe, also gezielte, aktive Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen. Im Fokus dieser Angriffe stehen sowohl staatliche Stellen, Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen, als auch Betreiber Kritischer Infrastrukturen7. Für die Öffentlichkeit wahrnehmbar war beispielsweise eine Angriffsserie Cyber-Sicherheit befasst sich mit im Mai 2017. Weltweit infizierte eine allen Aspekten der Sicherheit in Verschlüsselungssoftware Computer der Informationsund Kommuu.a. von Kliniken, Banken bis hin zu nikationstechnik. Verkehrsunternehmen. Dies hatte zur Das Aktionsfeld der klassischen Folge, dass tausende Computer lahmIT-Sicherheit wird dabei auf den gelegt wurden, was erhebliche Schägesamten Cyber-Raum ausgeden bewirkte. Zur Durchführung der weitet. Cyber-Attacke nutzten die Angreifer eine Sicherheitslücke in Windows-SysBundesamt für Sicherheit in der Infortemen mit veralteten Versionen des mationstechnik Windows-Freigabedienstes für Dateien und Drucker. Spektakulär waren auch zwei Angriffe auf Internetrouter eines deutschen Telekommunikationsanbieters in den Jahren 2016 und 2017. Rund 1,25 Millionen Kunden mussten zeitweise ohne Telefonund Internet-Anschlüsse auskommen. Über eine Sicherheitslücke in der Fernwartungsschnittstelle wurde dauerhaft versucht, Schadsoftware auf den betroffenen Internetroutern zu installieren. Dadurch verweigerten sie irgendwann ihren "Dienst" und stellten alle NetzwerkAktivitäten ein. Hinter dem Angriff steckte ein sogenanntes Botnetz, von dem in der Vergangenheit bereits mehrfach Hackerangriffe ausgingen. Der mutmaßli- 7 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden (Definition des Bundesministeriums des Innern [KRITIS-Strategie]). 34 che Täter konnte zwischenzeitlich gefasst und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden. Die dem jeweiligen Angriff zugrundeliegende Motivation ist unterschiedlich geprägt. Neben nachrichtendienstlichen werden auch politische oder wirtschaftliche Ziele verfolgt. Bei der Wahl ihrer Angriffswerkzeuge sind die Täter kreativ und suchen nach immer effektiveren Möglichkeiten, um in Computer-Netzwerke einzudringen. Vielfach wird das Risiko unterschätzt, selbst Opfer einer Cyber-Attacke oder eines Hackerangriffs zu werden. Bei einem erfolgreichen Cyber-Angriff können neben dem Reputationsverlust bei Unternehmen auch wirtschaftliche Schäden sowie Umsatzeinbußen drohen. Im schlimmsten Fall kann ein Cyber-Angriff bis hin zur Insolvenz führen. Unternehmen sollten ihre IT-Landschaft daher vollständig absichern und die Sicherheitsvorkehrungen regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Doch auch wenn alle IT-Systeme stets auf dem aktuellen Stand gehalten werden, gibt es eine Komponente, die man niemals unterschätzen darf - den Risikofaktor Mensch. Seine "Digitale Sorglosigkeit" begünstigt den Erfolg von Cyber-Angriffen, denn kein IT-Sicherheitssystem ist in der Lage, Daten zu schützen, die von ihren rechtmäßigen Eigentümern "freiwillig" herausgegeben werden. Unter dem Einsatz psychologischer Tricks (Social-Engineering-Methoden) versuchen die Angreifer ihre potenziellen Opfer zu manipulieren und so zur Preisgabe vertraulicher oder sensibler Informationen zu bewegen. Die dadurch gewonnenen Informationen nutzen sie üblicherweise zum unbefugten Eindringen in ITInfrastrukturen oder zum Kompromittieren von IT-Systemen. Der Einsatz von Social-Engineering-Methoden hat sich für Angreifer mittlerweile zu einem Standardinstrument entwickelt. Die Erfolgsquote ist sehr hoch, die Aufklärungsquote gering. Eine Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema ist daher entscheidend für die Abwehr solcher Angriffe. Digitale Informationen gelten als der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Daher wird der Schutz von Know-how eines Unternehmens im Zeitalter der Digitalisierung immer wichtiger und anspruchsvoller. Unternehmen sollten aktiv daran arbei35 ten, die Erkennung von erfolgreichen Angriffen auf die eigene IT-Infrastruktur zu beschleunigen und damit die Verweilzeiten der Hacker im Unternehmensnetzwerk zu minimieren. Vor dem Hintergrund zunehmender IT-basierter Angriffe steht der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz als zentraler und kompetenter Ansprechpartner für Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen und Behörden in Rheinland-Pfalz mit Informationen, Sensibilisierungsmaßnahmen und Beratungsgesprächen zu Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage als auch -sabotage zur Verfügung. Im Rahmen dieser präventiven Maßnahmen und Gespräche werden auch Informationen zu erkannten Angriffsmustern zur Verfügung gestellt. Diese Bedrohungsanalysedaten werden insbesondere von rheinland-pfälzischen Wirtschaftsunternehmen zunehmend nachgefragt, um selbst geeignete Schutzmaßnahmen einzuleiten. Aber auch bei der Behandlung von IT-Sicherheits-Vorfällen bietet der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz seine Unterstützung an. Gemeinsam mit den Betroffenen berät er - unter Wahrung der Vertraulichkeit - über das weitere Vorgehen und leistet mit seiner Arbeit einen nicht unerheblichen Beitrag zur Förderung der Cyber-Sicherheit und der Abwehr digitaler Angriffe. 36 II. Rechtsextremismus 37 1. Überblick und Entwicklungen 2017 Der Rechtsextremismus ist ein komplexes Phänomen von historischer Tragweite. Er zeigt sich, wissenschaftlich hinlänglich belegt, vielgesichtig und -schichtig in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Zusammenhängen. Im Wesentlichen zu betrachten sind dabei entsprechende weltanschaulich geprägte Einstellungen und Verhaltensweisen, die erst in der Gesamtschau die Dimension dieser andauernden zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderung deutlich machen. Einer neueren Studie zufolge sollen 5,4 % der Gesamtbevölkerung über Unter Rechtsextremismus werein "geschlossenes rechtsextremes den Bestrebungen verstanden, Weltbild" verfügen.8 Wenngleich dies die sich gegen die im Grundgeeine Minderheit darstellt und gegensetz konkretisierte fundamentale über vorausgegangenen Erhebungen Gleichheit der Menschen richten die Tendenz rückläufig ist, gibt eine und die universelle Geltung der solche Größenordnung Anlass zu steMenschenrechte ablehnen. ter Wachsamkeit. Die Zahl dokumentiert, dass Demokratieund FremGlossar der Behörden für Verfassungsdenfeindlichkeit, Antisemitismus und schutz (Auszug) Nationalismus auch heute, mehr als siebzig Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur, noch immer die Einstellungswelt eines Teils der Bevölkerung prägen. Bei weitem nicht jede rechtsextreme Einstellung führt zu einem entsprechenden politisch motivierten Verhalten. Die Zahl derer, die als Extremisten auch aktiv werden und damit vom Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes umfasst sowie Gegenstand der weiteren Ausführungen sind, ist deutlich geringer als das rechtsextreme Einstellungspotenzial. Gerade von dieser Verhaltensebene gehen aber zumeist unmittelbare und vielfach auch erhebliche Gefahren für die Innere Sicherheit und den gesellschaftlichen Frieden aus. 8 Vgl. "Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland. Die Leipziger Mitte-Studie 2016", Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler (Hrsg.), ISBN 978-3-8379-2630-9, S. 48 38 Das rechtsextremistische Personenpotenzial blieb in Rheinland-Pfalz auch im Jahr 2017 mit rund 650 Personen weitestgehend konstant. Dies trifft auch für den Anteil der gewaltorientierten Rechtsextremisten zu. Innerhalb einer strukturell heterogenen Bandbreite lassen sich eine Reihe von Entwicklungen und Veränderungsprozessen feststellen. Insgesamt hielt in Teilen des rechtsextremistischen Spektrums der Trend an, feste Organisationsformen zugunsten loser, informeller Zusammenschlüsse aufzugeben, wie sie ansonsten vor allem für subkulturell geprägte Rechtsextremisten (z.B. rechtsextremistische Skinheads) charakteristisch sind. Dies gilt nicht zuletzt für die vormals überwiegend in "Kameradschaften" straff organisierten Neonazis. Heute kann in Rheinland-Pfalz angesichts marginaler Strukturen nicht mehr von einer "Szene" gesprochen werden. Nicht alle Rechtsextremisten - auch nicht aus dem Neonazilager (vgl. Nr. 3.3.2) - folgen jedoch dieser Entwicklungstendenz. Neben strukturund organisationsarmen Gruppierungen bleiben solche mit vergleichsweise hohem Organisationsgrad bis hin zum Kadercharakter eine feste, etablierte Größe im Rechtsextremismus. Ein Beispiel ist die 2013 gegründete, nach eigenem Verständnis "nationalrevolutionäre" Partei "Der III. Weg" (vgl. Nr. 3.2.2), die auch 2017 ihre Strukturen im Bundesgebiet weiter ausgebaut hat. Zahlenmäßig stärkste rechtsextremistische Organisation ist in Rheinland-Pfalz mit ungefähr 200 Mitgliedern die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) geblieben. Die Partei rückte auch 2017 von ihrem Kurs nicht ab. Sie bestätigte damit ihre vom Bundesverfassungsgericht am 17. Januar 2017 im Urteil zum letztlich gescheiterten Verbotsantrag des Bundesrates festgestellte Verfassungsfeindlichkeit. Das Gericht stützt diese Feststellung u.a. auf eine Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus sowie auf das von ihr propagierte Modell eines, an einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" ausgerichteten, autoritären Nationalstaats. Die NPD hält an ihren Positionen nach dem Urteilsspruch nicht nur unvermindert fest; sie hat sich ideologisch sogar weiter radikalisiert. Der sogenannte völkische Flügel der Partei, der unverhohlen eine rassistisch definierte "Volksgemeinschaft" propagiert, hat in der Partei an Anhängerzahl und Bedeutung gewonnen. 39 Neben den seit Langem das Bild des Rechtsextremismus prägenden Erscheinungsformen wie dem Neonazispektrum oder Organisationen wie der NPD hat sich zwischenzeitlich die in Teilen extremistische Strömung der sogenannten Neuen Rechten ein Stück weit wiederbelebt. Zu diesem Phänomen zählt beispielsweise die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD). Charakteristisch für die Protagonisten der "Neuen Rechten" sind u.a. ihr intellektueller Anspruch und die Zielsetzung, durch langfristige Beeinflussung des gesellschaftlichen Meinungsbilds Veränderungen im eigenen Sinne herbeizuführen. Augenfällig ist dabei, dass einschlägige rechtsextreme Denkmuster systematisch sprachlich verschleiert werden. Was Agitation und Aktionismus der Rechtsextremisten anbelangt, konnte - auch in Rheinland-Pfalz - im Jahr 2017 ein gemessen an den Vorjahren signifikanter Rückgang an Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Themenfeld Zuwanderung und Asyl festgestellt werden. Die Abnahme der Agitation im öffentlichen Raum zeigt sich in einem stark gesunkenen Demonstrationsaufkommen. Ebenso weist die polizeiliche Kriminalstatistik einen erheblichen Rückgang der diesbezüglichen Fallzahlen aus. Solche punktuellen Tendenzen einer stagnierenden bis rückläufigen Entwicklung dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rechtsextremismus an Gefährlichkeit in keiner Weise eingebüßt hat. Weder hat sich etwas an der menschenverachtenden grundlegenden weltanschaulichen Prägung der Rechtsextremisten, noch an deren Feindbilddenken geändert. Beredte Beispiele sind die unverhohlene, im Berichtszeitraum wieder verstärkt zu Tage getretene antisemitische Agitation (vgl. Kapitel B 1.) und die fortwährende Hetze gegen Muslime. Es ist angesichts dieser Faktenlage auch unstreitig, dass die Gefahr des Entstehens rechtsterroristischer Strukturen oder terroristisch geprägter Aktivitäten Einzelner nicht kleiner geworden ist. Die Affinität zu Waffen und nicht zuletzt die Bereitschaft, wenn dies geboten erscheint, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen, war und ist unter Rechtsextremisten weiter hoch. 40 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2017 2016 Gesamt 650 650 Gewaltorientierte* 150 150 Parteien (gesamt) 250 250 * NPD 200 200 * "Der Dritte Weg" 50 40 * "DIE RECHTE" einzelne einzelne Parteiunabhängige Strukturen 200 200 Unstrukturiertes Personenpotenzial 200 200 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltorientierten ist eine Schnittmenge und beinhaltet vor allem subkulturelle (unstrukturierte) Rechtsextremisten sowie Neonazis. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Das rechtsextremistische Spektrum bildet keine homogene Einheit. Es existieren seit jeher verschiedene Organisationsformen (z.B. Parteien, Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (wie z.B. feste Strukturen mit hierarchischer Führung oder lose, informelle Zusammenschlüsse). Ebenso unterschiedlich ist das Verhalten von Rechtsextremisten, das beispielsweise aktions-, diskursoder parlamentsorientiert sein kann. Während die einen versuchen, im klassischen Sinne politische Ziele zu verfolgen, legen nicht wenige Rechtsextremisten eher Wert auf den Erlebnisfaktor in einer Weltanschauungsgemeinschaft. Weite Teile der rechtsextremistischen Szene sind durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. Diese Heterogenität erschwert eine Kategorisierung des rechtsextremistischen Personenpotenzials. Bislang wurden seitens der Verfassungsschutzbehörden folgende Kategorien unterschieden: 41 # subkulturell geprägten Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Dieses Mischsystem aus Organisationsform, Ideologie und Habitus wurde weiterentwickelt und weist nunmehr folgende, an Organisationsform und -grad festgemachte drei Kategorien aus: # Parteien, # parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen, # weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial. Extra ausgewiesen wird nach wie vor die Gruppe der gewaltorientierten Rechtsextremisten (vgl. Statistik unter Nr. 2). Dabei handelt es sich nicht um eine eigenständige, geschlossene Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich in Rheinland-Pfalz vornehmlich aus subkulturellen Rechtsextremisten und Neonazis zusammensetzt. 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus9 und Rechtsterrorismus Die rechtsextremistische Weltanschauung und das aus ihr resultierende Feindbilddenken bedingen von sich heraus ein hohes Maß an Aggressionsbereitschaft und aggressivem Verhalten unter der Anhängerschaft. Von der Gewaltbefürwortung und ihrer Propagierung bis zur Gewalttat ist es dabei oft nur ein kleiner Schritt. Wenngleich längst nicht jeder Rechtsextremist zum Täter wird, bleibt die Gefahr stets akut. In der Gesamtschau der Entwicklung der letzten Jahre bestätigt sich, dass die Intensität rechtsextremistischer Gewalt insbesondere dann zunimmt, wenn echte oder vermeintliche gesellschaftliche Konflikte und Krisen an Dynamik gewinnen. 9 Hierzu zählen Gewalttäter und Personen, die Gewalt unterstützen und/oder befürworten sowie und tatverdächtige Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zur Gewaltanwendung vorliegen. 42 Das zeigte sich mit Nachdruck im Kontext mit den Flüchtlingsbewegungen in den Jahren 2015 und 2016. Augenfällig im Zuge der neueren Entwicklung war und ist das bundesweit Gewalt ist allgegenwärtig, sei es zu beobachtende Sinken von Hemmals Handlungsoption oder mögschwellen, sei es in sozialen Medien - liche Gefahr. die im Übrigen auch der szeneinternen Mobilisierung dienen - oder bei der Bundeszentrale für politische Bildung - Tatausübung selbst. Das belegen nicht AUS POLITIK UND ZEITGESCHICHTE zuletzt die bundesweit hohen Zahlen (APUZ 4/2017) von Körperverletzungen, aber auch Delikte wie versuchte Tötungen und Brandstiftungen, die im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Flüchtlinge begangen wurden. Insofern kann und darf auch angesichts sinkender Fallzahlen, wie 2017 zu verzeichnen, nicht von einer Entwarnung gesprochen werden. Das gewaltorientierte rechtsextremistische Spektrum als solches besteht überwiegend aus informellen Gruppierungen mit niedrigem Organisationsgrad und geringer Mitgliederzahl. Hiervon umfasst sind insbesondere subkulturelle Rechtsextremisten (z.B. rechtsextremistisches Skinheadmilieu). Hinzu kommen Einzelpersonen, die in anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen wie der Neonaziszene aktiv sind. In Rheinland-Pfalz umfasst das Potenzial gewaltorientierter Rechtsextremisten seit mehreren Jahren relativ konstant etwa 150 Personen. Dies entspricht etwas mehr als ein Prozent der bundesweiten Anzahl dieses Personenkreises. Insofern ist Rheinland-Pfalz im Ländervergleich unter Berücksichtigung der Gesamteinwohnerzahl kein Schwerpunkt des gewaltorientierten Rechtsextremismus. Rechtsterrorismus Neben der Gefahr, die von spontanen, situativen Gewalttaten ausgeht, bleibt die Bedrohung durch planvoll vorbereitete und durchgeführte terroristische Taten bestehen. Dabei können terroristisch geprägte Aktivitäten von entsprechend motivierten Gruppierungen, wie auch von Einzelpersonen ausgehen. 43 Nach dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Ende 2011 konnten von den Sicherheitsbehörden wiederholt neue rechtsterroristische Ansätze aufgedeckt und zerschlagen werden. Hierzu zählte beispielsweise die Gruppierung "Oldschool Society" (OSS), die auch Bezüge nach Rheinland-Pfalz hatte.10 Gegen sieben Angehörige der im Jahr 2016 in Sachsen aufgelösten "Gruppe Freital" verhängte das Oberlandesgericht Dresden am 7. März 2018 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchten Mordes und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren; eine Person wurde zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt.11 Signifikant ist, dass in einzelnen Fällen nur ein sehr kurzer Zeitraum zwischen Kontaktaufnahme, Formierung und Willen zur Tatausübung lag. Dabei spielte in der Anfangsphase und im weiteren Verlauf der Entwicklung vor allem die Nutzung sozialer Medien eine zentrale Rolle. Unter dem Aspekt der Früherkennung bleibt dies von großer Wichtigkeit. Im Jahr 2017 haben sich in Rheinland-Pfalz keine Hinweise auf mögliche rechtsterroristische Ansätze ergeben. 10 Vier Führungsmitglieder der Gruppe wurden am 15. März 2017 vom Oberlandesgericht München wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung und deren Mitgliedschaft zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. 11 Homepage Oberlandesgericht Dresden, https://www.justiz.sachsen.de/olg/content/2273.php, aufgerufen am 8. März 2018. 44 3.2 Rechtsextremistische Parteien 3.2.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationalisten" (JN)12 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: 2016: ca. 5.000 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 200 (2016: 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit drei Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) Hintergrund Die NPD wurde 1964 gegründet und ist damit die älteste und derzeit bedeutendste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie ist flächendeckend im gesamten Bundesgebiet aktiv und verfügt über gefestigte Strukturen. In allen Bundesländern ist die NPD mit Kommunalmandaten vertreten, so auch in Rheinland-Pfalz mit drei Mandatsträgern. Die NPD hat mit den "Jungen Nationalisten" (JN) eine eigene Jugendorganisation. Weitere Nebenorganisationen sind die 2003 gegründete "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) als bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger und der 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF). NPD-Bundesvorsitzender ist seit dem 1. November 2014 der Saarländer Frank Franz, der weiterhin versucht, der NPD ein modernes und sympathisches Gesicht zu geben. Er wurde beim Bundesparteitag am 11./12.März 2017 in seinem Amt bestätigt. Zu einem der drei gleichberechtigten Stellvertreter wurde der thüringische NPD-Landesvorsitzende und Neonazi Thorsten Heise gewählt. 12 Vormals "Junge Nationaldemokraten" (JN), umbenannt im Januar 2018. 45 Als Beisitzer im Bundesvorstand neu gewählt wurde der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Markus Walter, als Beisitzerin bestätigt wurde die rheinland-pfälzische NPD-Funktionärin Ricarda Riefling. Sie ist zugleich stellvertretende Bundesvorsitzende des "Rings Nationaler Frauen" (RNF). Die Partei sieht sich als "einzige Partei, die sich zum deutschen Volk bekennt und dabei am Abstammungsprinzip festhalten wird". Die Weltanschauung der NPD basiert auf der Ausgrenzung von Menschen, die nicht in ihr Konzept der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" passen. Hierzu zählen insbesondere Menschen, die als Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen. Diese werden diskriminiert und mit Vorurteilen belegt. Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist, und das wird auch immer und ewig so bleiben! Denn Deutschland ist eine ethnische Herkunftsbezeichnung und keine Bezeichnung des zufälligen Geburtsortes, momentanen Wohnortes oder des Passes, Deutscher ist man von Geburt oder eben nicht. (...) Kameraden, dann lass sie doch deutsche Pässe holen, eines Tages werden sie auch wieder Schlange stehen, um sie wieder abzugeben, fertig. Thorsten Heise, stellvertretender NPD Bundesvorsitzender, beim Politischen Aschermittwoch am 1. März 2017 in Saarbrücken NPD-Verbotsverfahren und Finanzentziehungsverfahren Der Bundesrat beantragte im Dezember 2013 beim Bundesverfassungsgericht, die NPD nach Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz zu verbieten. Mit Urteil vom 17. Januar 2017 2 (BvB 1/13) wies das Gericht den Antrag zurück. Die Richterinnen und Richter stellten zwar ausdrücklich fest, dass die NPD mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt sei und verfassungsfeindliche Ziele verfolge, so indem # sie beabsichtigt, die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären Nationalstaat zu ersetzen, # ihr politisches Konzept die Menschenwürde missachtet und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar ist und 46 # sie planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer Ziele hin arbeitet, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Allerdings bestünden, so das Bundesverfassungsgericht, keine "konkreten Anhaltspunkte von Gewicht", die eine Umsetzung der Ziele der Partei als möglich erscheinen ließen; "Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen". Die Partei bewertete das Urteil erwartungsgemäß als uneingeschränkten Erfolg und reagierte mit Kritik am höchsten deutschen Gericht, dessen Aussage, der seitens der Partei vertretene ethnische Volksbegriff verletze die Menschenwürde, nichts anderes als eine "Kriegserklärung an das deutsche Volk" darstelle.13 Am 20. Juli 2017 trat eine Grundgesetzänderung in Kraft, wonach verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteifinanzierung gemäß Art. 21 Abs. 3 GG ausgeschlossen werden können. Aufgrund der neuen Rechtslage fasste der Bundesrat am 2. Februar 2018 den Beschluss, beim Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der NPD von der staatlichen Finanzierung für sechs Jahre zu beantragen. Inzwischen haben auch der Bundestag und die Bundesregierung beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung zu beantragen. 13 Facebook-Seite Frank Franz vom 19. Januar 2017 47 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 21 (1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. (2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. (3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien. (4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht. (5) Das Nähere regeln Bundesgesetze. 48 Wahlen Bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 erzielte die NPD 0,4% (176.020 Zweitstimmen, 45.169 Erststimmen). Damit unterschritt sie die für die Teilhabe an der staatlichen Parteifinanzierung relevante Schwelle von 0,5% und verfehlte damit ihr Minimalziel. In Rheinland-Pfalz erhielt die NPD lediglich 0,3% der Zweitstimmen, dies entspricht 7.025 Wählerinnen und Wählern. Nach diesem Misserfolg erklärte die NPD ihr Wahlergebnis mit der bestehenden Konkurrenz durch die Parteien "Alternative für Deutschland" und "Die Linke". Der NPD-Landesvorsitzende trat bei der Bundestagswahl im Wahlkreis 210 - Pirmasens - als Bundestagskandidat mit Wir brauchen eine Zukunft für einem 11-Punkte-Wahlprogramm an. unser deutsches Volk! Und nicht Themenschwerpunkte waren u.a. die für Nafris, nicht für Neger und Agitation gegen Ausländer, verbunden Zigeuner, die zu Millionen irmit der Forderung, ihnen den Zugang gendwo aus dem Busch fallen. zu den Sozialsystemen zu verwehren sowie die antiamerikanische FordeFrank Franz, NPD Bundesvorsitzender, rung nach Schließung aller US-Basen beim Wahlkampfauftakt am 22. Juli 2017 in Riesa samt Ausweisung der Soldatinnen und Soldaten. Ideologische Radikalisierung Unmittelbar nach der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts am 17. Januar 2017 trat eine deutliche ideologische Radikalisierung der NPD ein. Insbesondere bekräftigt die Partei seitdem zunehmend offensiv völkische Positionen mit teils unverhohlener rassistischer Rhetorik. Diese Radikalisierung setzte sich nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl im September 2017 unvermindert fort. Führungsfunktionäre machten sich für einen Kurswechsel der NPD von einer reinen, wenig erfolgreichen und erfolgversprechenden "Wahlpartei" hin zu einer "Weltanschauungspartei" stark. 49 Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz trägt diese Politik mit. So stellt der Bericht über die Jahreshauptversammlung des Kreisverbands Westpfalz vom 25. Oktober 2017 klar, dass die NPD wieder "mehr Weltanschauungspartei statt reine Wahlpartei werden müsse. Die Stärkung und Vergrößerung der Gemeinschaft müssen mehr in den Vordergrund gerückt werden." 14 Als vorläufiger Höhepunkt dieser ideologischen Radikalisierung ist die am 30. Januar 2018 erfolgte "Proklamation des Völkischen Flügels" zu werten. Bei diesem handelt es sich nach eigener Aussage um einen "[...] Zusammenschluss von Mitgliedern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Freunden derselben und parteilosen Kräften. Der Völkische Flügel ist ein nationalistisch und völkisch orientiertes Bündnis innerhalb der NPD, welches auch eine parteiübergreifende Zusammenarbeit mit anderen, gleichgesinnten Organisationen und Personen, anstrebt." 15 Zu den Erstunterzeichnern dieser Proklamation zählen auch der rheinland-pfälzischen NPD-Landesvorsitzende, seine Stellvertreterin sowie die Kreisverbände Mittelrhein und Westpfalz. Der "völkische Flügel" grenzt sich offenkundig vom vordergründig moderaten Kurs des NPD-Bundesvorsitzenden Franz ab. Allerdings wird bekräftigt, Teil der NPD zu sein; Spekulationen über eine mögliche Spaltung wird entgegen getreten. Gleichwohl wird seitens des "völkischen Flügels" deutliche Kritik geübt und eine Reformation der Partei als zwingend angesehen. Rheinland-Pfalz Der Landesverband Rheinland-Pfalz ist seit der Gründung der NPD im Jahr 1964 aktiv. Die Partei ist aktuell im gesamten Landesgebiet mit den Kreisverbänden 14 Facebook-Seite NPD KV Westpfalz, aufgerufen am 3. November 2017. 15 Facebook-Seite Völkischer Flügel, aufgerufen am 1. Februar 2018. 50 Mittelrhein, Trier und Westpfalz vertreten. Landesvorsitzender ist seit dem Jahr 2013 Markus Walter. Er wurde im Rahmen des NPD-Landesparteitages am 5. November 2017 in seinem Amt bestätigt, Stellvertreterin ist Ricarda Riefling. Die drei Kreisverbände stellen sieben Beisitzer. Ich will dieses System überwinden, um unserem Volk eine selbstbestimmte und gesunde Heimat zu bieten, in der wir wachsen und gedeihen können. Markus Walter, NPD Landesvorsitzender, auf seiner Facebook-Seite am 7. September 2017 Aktivitäten Die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der rheinland-pfälzischen Kreisverbände sind weiterhin unterschiedlich ausgeprägt; wie bereits in den Vorjahren ist der Kreisverband Westpfalz vergleichsweise aktiver. Er führt seit Jahren in Pirmasens wöchentlich sogenannte Bürgersprechstunden und über die Kreisgrenzen hinaus monatliche politische Gesprächskreise durch, die sich jeweils nicht nur an NPD-Mitglieder, sondern auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger richten. Seit geraumer Zeit finden die Gesprächskreise auch regelmäßig in der Region Rheinhessen statt. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 war die NPD mit Infoständen zum Sammeln von Unterstützungsunterschriften aktiv und veranstaltete vom 4. bis 10. September 2017 eine Wahlkampfaktionswoche. In deren Zuge fanden Kundgebungen in Adenau, Daaden, Hermeskeil, Montabaur, Remagen, Spangdahlem, Traben-Trarbach, Trier und Westerburg statt. Eine weitere Veranstaltung in Pirmasens stand unter dem Motto "Allahu Akbar? Nein! Pirmasens erwache!". Der Slogan "Pirmasens erwache!" lehnt sich offensichtlich an die seitens der NSDAP benutzte Propagandaparole "Deutschland erwache!" an. Im Zusammenhang mit der medialen Diskussion über den Umgang mit einer 1934 in der pfälzischen Gemeinde Herxheim eingeweihten Kirchenglocke, auf 51 der sich die Inschrift "Alles fürs Vaterland - Adolf Hitler" sowie ein Hakenkreuz befindet, organisierte die NPD Rheinland-Pfalz am 9. September und 30. Dezember 2017 Demonstrationen unter dem Motto "Laßt die Kirche im Dorf - und die Glocke im Turm". Der NPD-Landesverband beteiligte sich darüber hinaus auch 2017 an bundesweiten Demonstrationen wie dem "Tag der Deutschen Zukunft" am 3. Juni 2017 in Karlsruhe sowie dem "Gedenkmarsch für die Toten der Rheinwiesenlager" am 18. November 2017 in Remagen. "Junge Nationalisten" (JN) Gründung: 1969 als "Junge Nationaldemokraten" (JN) Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: 2016: ca. 320 Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 Organisation in Rheinland-Pfalz: Ein "Stützpunkt" Ein Ziel der JN als integraler Bestandteil der NPD ist die Verbreitung nationalistischer und völkischer Positionen. Dabei richtet sie sich vornehmlich an Jugendliche und Erstwähler. Ihren Schwerpunkt sieht die Gruppierung im vorpolitischen Raum. Am 13. Januar 2018 wurde der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Mittelrhein, Christian Häger, zum Bundesvorsitzenden der JN gewählt. Zeitgleich wurden die "Jungen Nationaldemokraten" in "Junge Nationalisten" umbenannt. Von dem rheinland-pfälzischen Stützpunkt "JN Ahrtal" gingen - wie in den Vorjahren - in erster Linie virtuelle Aktivitäten aus. Allerdings hat die JN insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2017 versucht, ihre Strukturen auszubauen. Im Dezember 2017 beteiligte sich die "JN Rheinland-Pfalz" an der bundesweiten JN-Kampagne "Jugend packt an - Wir helfen, wo der Staat versagt", in deren 52 Verlauf kostenfrei Kleidung, Kaffee, Kuchen und warmes Essen an hilfsbedürftige Deutsche in Pirmasens sowie Plätzchen an deutsche Kinder und Familien auf dem Weihnachtsmarkt in Speyer verteilt wurden. Eine weitere Verteilaktion von Kleiderspenden fand am 18. Februar 2018 in Ludwigshafen am Rhein statt. Ziel der Kampagne ist es, sich für seine Nächsten einzusetzen und "[...] der Heuchelei der Politik handfeste Solidarität entgegen zu stellen [...]". Die Kampagne wird durch Berichterstattungen im Internet und sozialen Netzwerken begleitet. "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der im Jahr 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF) wurde 2013 formal als integraler Bestandteil der NPD in der Parteisatzung verankert. Die Organisation, mit bundesweit unter 100 Mitgliedern (Stand 2016), sieht sich als "Sprachrohr und Ansprechpartner für nationale Frauen". Sie propagiert frauenund familienpolitische Themen im Sinne der NPD. Von März 2014 bis Mai 2017 war die stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, RNF-Bundesvorsitzende. Sie gehört dem Bundesvorstand weiterhin als Beisitzerin an. In Rheinland-Pfalz sind auch im Jahr 2017 keine öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. 53 3.2.2 "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: ca. 500 (inkl. Fördermitglieder) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2016: ca. 40) Organisation: "Gebietsverbände" und "Stützpunkte" Publikationen/Internet: Website Die rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" wurde im September 2013 in Heidelberg gegründet. Dem Bundesvorstand steht nach dem 4. Bundesparteitag am 30. September 2017 weiterhin der rheinland-pfälzische Rechtsextremist Klaus Armstroff vor. Laut Satzung gliedert sich die Partei in die Gebietsverbände West, Süd, Mitte und Nord. Seit ihrer Gründung bildet neben Bayern auch Rheinland-Pfalz einen Schwerpunkt der Aktivitäten. "Der III Weg" ist neben dem kontinuierlichen Ausbau ihrer Strukturen in Deutschland bestrebt, die internationale Vernetzung weiter auszubauen. So wurden die Kontakte zu ausländischen neonazistischen Organisationen im Jahr 2017 insbesondere nach Schweden und in die Ukraine intensiviert. Weltanschaulich lehnt sich die Partei "Der III. Weg" an das Gedankengut des historischen Nationalsozialismus an, was sich insbesondere an deren "ZehnPunkte-Programm" zeigt. So fordert die Partei unter anderem die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus" und die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes" (Motto: "national, revolutionär und sozialistisch"). Sich selbst versteht "Der III. Weg" in diesem Sinne als ganzheitliche politische Bewegung, die die Grundlage für eine lebensnotwendige Gesellschaftsordnung des deutschen Volkes darstelle. Die drei Säulen der Partei stehen für den "kulturellen Kampf", den "politischen Kampf" und den "Kampf um die Gemeinschaft". Die Partei "Der III. Weg" verfolgt langfristig das Ziel, eine revolutionäre Veränderung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse her54 beizuführen. Fernziel dürfte demnach ein Staat sein, in dessen Zentrum eine Wir wollen geistiger Sprengstoff ethnisch homogene Volksgemeinsein und das sein, was das polischaft unter autoritärer Führung steht. tische Establishment einen Extremisten nennt, weil wir GrundDie Vorgehensweise der Partei folgt sätze haben, weil wir radikal und der für Rechtsextremisten typischen konsequent sind. In unseren HerStrategie der Stigmatisierung und einzen schlägt, in unseren Seelen seitigen Schuldzuweisung. Somit werbrennt, in unseren Adern pulsiert den systematisch Feindbilddenken und der Wille zum Kampf und zur ReFremdenfeindlichkeit geschürt. Die Fivolution. xierung auf die Themenfelder Asyl und Zuwanderung dienen dabei dazu, unInternetpublikation "Der III. Weg" vom terschwellige subjektive Ängste inner25. September 2016 halb der Bevölkerung zu instrumentalisieren. Mittels dieses Vorgehens zielt man auf einen Solidarisierungseffekt ab. Rheinland-Pfalz Der Sitz der Partei "Der III. Weg" befindet sich im rheinland-pfälzischen Weidenthal. Rheinland-Pfalz bildet zusammen mit Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland den Gebietsverband West. Dieser Gebietsverband beinhaltet unter anderem die für Rheinland-Pfalz relevanten Stützpunkte "Rheinhessen", 55 "Pfalz" und "Westerwald/Taunus". Zum Gebietsverbandsleiter wurde im November 2016 ein nordrhein-westfälischer Neonazi gewählt. Am 27. Januar 2018 fand der erste Gebietsparteitag des Gebietsverbandes West in Ludwigshafen am Rhein statt. Diese Jahresauftaktveranstaltung sollte dazu dienen, die Parteimitglieder auf das "Kampfjahr" einzustimmen und ideologisch zu festigen. Entwicklung und Aktivitäten Im Jahr 2017 organisierte "Der III. Weg" eine Reihe öffentlichkeitswirksamer Aktionstage oder -wochen zu aus Parteisicht relevanten Themen, so am 20. Mai 2017 unter dem Motto "Umwelt & Heimat" im gesamten Gebietsverband West. Mit solchen Themen, von denen angenommen wird, sie finden gemeinhin Interesse, wird mehr oder weniger beiläufig versucht, rechtsextremistisches Denken zu vermitteln und - wenn dies gelingt - zu verfestigen. Zu diesen Themen zählt auch die im Bundestag im Juli 2017 beschlossene "Ehe für alle". Die Partei agitierte im gesamten Bundesgebiet gegen die "ausufernde Homopropaganda" und die "GenderIdeologie". In Rheinland-Pfalz wurden in Bingen und Ingelheim Flugblätter verteilt sowie Plakate an Türen von Kirchen angebracht. Ein weiteres Schwerpunktthema der Partei im Jahr 2017 war ein zum zweiten Mal durchgeführtes Aktionswochenende unter dem Motto "Verzicht ist Verrat". In diesem Zusammenhang wurde vordergründig den "Heimatvertriebenen" des Zweiten Weltkrieges gedacht und zugleich die im Parteiprogramm enthaltene Forderung der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 kämpferisch propagiert. Im zweiten Halbjahr 2017 häuften sich in mehreren Bundesländern durch die Partei initiierte "Nationale Streifen". Durch die Bestreifung verschiedener Innen56 städte soll "kriminellen Handlungen" von Flüchtlingen und Ausländern vorgebeugt und der deutschen Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit suggeriert werden. Das martialische Auftreten der Beteiligten vermittelt hierbei den Eindruck einer "Bürgerwehr". In Rheinland-Pfalz konnte ein solches Vorgehen erstmals im April 2018 in Westerburg beobachtet werden. Des Weiteren wurden im Jahr 2017 bereits aus den Vorjahren bekannte Aktivitäten durchgeführt. So wurde die 2015 ins Leben gerufene "Deutsche Winterhilfe" der Partei fortgesetzt, in deren Rahmen sie Sachspendenaktionen für deutsche Obdachlose organisiert und sich als "Interessenvertreter und Kümmerer" der angeblich vernachlässigten deutschen Minderheiten in Not darstellt. Ein wichtiger Faktor waren daneben Demonstrationen und Kundgebungen. Das Jahr 2017 verlief in dieser Hinsicht in Rheinland-Pfalz selbst vergleichsweise ruhig. Rheinland-pfälzische Parteimitglieder nahmen jedoch an überregionalen Demonstrationen teil, so im Februar in Dresden, am 1. Mai in Gera und am 26. August abschließend in Fulda. Besonderes Augenmerk legt die Partei weiterhin auch auf ihre virtuelle Präsenz, was sich insbesondere im professionellen Aufbau und der Aktualität ihrer Veröffentlichungen im Internet zeigt. Die parteieigene Homepage, im Jahr 2017 optisch neu aufbereitet, wird täglich mit neuen, dem rechtsextremistischen Weltbild entsprechenden Artikeln versehen. Intellektuell bewegen sich diese teilweise auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Zudem bedient sich die Partei seit 2017 einer neuen App als Informationsmedium. Ihre Inhalte entsprechen der der Homepage. Auch die sozialen Netzwerke spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle, um zeitnah auf aktuelle Geschehnisse reagieren und im Austausch mit Gleichgesinnten agieren zu können. Ergänzend wurde im November 2017 erstmals via Internet auch eine Radiosendung ausgestrahlt. Der Name "Revolution auf Sendung" lässt keine Zweifel über die wahren politischen Absichten der Akteure aufkommen, die Überwindung des bestehenden Verfassungsund Gesellschaftssystems. Eine Ausstrahlung der Sendung erfolgt seitdem monatlich. 57 3.2.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund Teil- / Nebenorganisation: keine Mitglieder Bund: ca. 650 Mitglieder Rheinland-Pfalz: einzelne Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Südwest Publikationen/Internet: Webseite Der im Mai 2012 in Hamburg gegründeten Partei werden bundesweit ca. 650 Personen zugerechnet, darunter zahlreiche bekannte gewalttätige bzw. gewaltbereite Personen aus der neonazistischen Kameradschaftsszene. Die Partei gibt zwar vor, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. Das Parteiprogramm sowie Veröffentlichungen auf der Webseite enthalten allerdings eindeutig nationalistische, fremdenfeindliche und geschichtsrevisionistische Züge sowie antisemitische Positionen. Im Jahr 2017 nahm "DIE RECHTE" bei Wahlen lediglich in Baden-Württemberg an der Bundestagswahl und an der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen teil. Anlässlich des Bundesparteitags am 28. Oktober 2017 trat der bisherige Illegale Einwanderer nicht in Bundesvorsitzende Christian Worch Wohnungen, sondern in Contaizurück. Vorausgegangen war ein innern unterbringen! nerparteilicher Streit über die künftige Ausgangssperre für AsylbewerAusrichtung der Partei. Die beabsichber ab 22 Uhr! tigte, auf dem Parteitag verabschiedete radikalere Formulierung des ParAuszug Wahlprogramm 2017 Nordrhein-Westfalen, Partei "DIE RECHTE" teiprogramms wurde von ihm nicht mitgetragen. Interimsweise fungierte nach dem Parteitag der zuvor als Stellvertreter Worchs gewählte Christoph D. 58 als Bundesvorsitzender. Beim Bundesparteitag am 1. April 2018 wurden zwei nordrhein-westfälsche Parteifunktionäre als Doppelspitze zu Bundesvorsitzenden gewählt. Damit wird auch formell die Dominanz des Landesverbandes im Gesamtgefüge der Partei verankert. Rheinland-Pfalz Dem Landesverband Südwest der Partei "DIE RECHTE" werden Rheinland-Pfalz und das Saarland zugerechnet. Weitere Strukturen wie z.B. Kreisverbände existieren in Rheinland-Pfalz nicht. Ein Werben von Neumitgliedern kann seit längerer Zeit nicht mehr festgestellt werden. Die Partei findet in der rheinland-pfälzischen rechtsextremistischen Szene nur wenig Resonanz und entfaltet ausschließlich im rheinhessischen Raum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten mit Teilnehmerzahlen konstant im unteren zweistelligen Bereich. So wurde am 4. Februar 2017 eine Kundgebung in Wöllstein unter dem Motto "Nicht mit uns!! Deutsche Zukunft erhalten! Asylflut stoppen!!" abgehalten. Am 5. August 2017 wurde in Alzey eine Demonstration unter dem Motto "Schluss mit dem Volksbetrug 2.0" durchgeführt. Durch nacheinander stattfindende Kundgebungen soll der Bevölkerung offensichtlich eine - in Wirklichkeit nicht vorhandene - Präsenz suggeriert werden. Exemplarisch hierfür steht eine erstmals am 14. Oktober 2017 durchgeführte Kundgebungstour von Alzey über die rheinhessischen Gemeinden Wörrstadt nach Wöllstein. Diese Aktionsform wurde am 27. Januar 2018 in Saulheim, Wörrstadt und Wöllstein wiederholt. Darüber hinaus beteiligten sich Aktivisten der Partei "Die Rechte" am 14. März 2017 an einem "Trauermarsch" in Zweibrücken in Kooperation mit der neonazistischen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Zweibrücken". 59 3.3 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 3.3.1 "Neue Rechte" In Deutschland entstand die "Neue Rechte" in den 1970er Jahren in Anlehnung an die französische "Nouvelle Droite"-Bewegung quasi als Gegenpol zur linken "68er Bewegung" und mit dem Anspruch einer im Gegensatz zum damaligen "klassischen" rechtsextremistischen Spektrum ausgeprägten Intellektualität. Von ihren Anfängen bis heute wird sie, was ihre Bedeutung und Einflussmöglichkeiten anbelangt, unterschiedlich gewichtet und bewertet. Dies trifft auch für ihre Verortung im politischen Koordinatensystem zu. Im wissenschaftlich-gesellschaftspolitischen Diskurs ist u.a. von einem rechtsextremistischen Phänomen, einer "Grauzone" oder einem "Brückenspektrum" zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus die Rede. Weitgehend Konsens besteht zumindest dahingehend, dass es sich bei der "Neuen Rechten" offenkundig um eine intellektuelle, antipluralistische Strömung handelt, deren Protagonisten danach streben, Einfluss auf das öffentliche Meinungsbild zu nehmen. Aus Sicht des Verfassungsschutzes, der sich nach der Gesetzeslage ausschließlich der Beobachtung und Analyse des Extremismus widmet, können Teile der sogenannten Neuen Rechten nach vorliegenden Erkenntnissen dem Rechtsextremismus zugerechnet werden. Offenkundig ist, dass deren Anhängerschaft auch und gerade ein Interesse hat, ihr Gedankengut in den gesellschaftlichen Mainstream - d.h. in nichtextremistische Spektren - einsickern zu lassen. Ideologie und Ziele der "Neuen Rechten" Im Zentrum der Ideologie steht der Ethnopluralismus als scheinbare Alternative zum Ethnozentrismus.16 Der Begriff Ethnopuralismus wird zwar nicht an einer im biologischen Sinne konstruierten Wertigkeitsskala vermeintlicher menschlicher 16 Ethnozentrismus: Form des Nationalismus, bei der das eigene Volk (die eigene Nation) als Mittelpunkt und zugleich als gegenüber anderen Völkern überlegen angesehen wird (aus https://www.duden.de/rechtschreibung/Ethnozentrismus, aufgerufen am 9. März 2018). 60 Rassen festgemacht. Er gründet aber auf Abstammungsgemeinschaften Aber der Nationalsozialismus und bedeutet letzthin eine Separiewar geistig auf den Wellen rung von Ethnien bezogen auf ihre verder antidemokratischen Stimmeintlich angestammten Räume. Dies mung geschwommen und hatte käme dem Grunde nach einer globalen trotz seiner ideologischen VerApartheid gleich. Nationale Identität schwommenheit eine wesentund völkische Verwurzelung werden liche Stütze an ihr. gleichgesetzt ("Recht jeden Volkes auf Bewahrung seiner Identität"), die "VerKurt Sontheimer über die Konservative Revolution in der Schrift Antidemokraschiedenheit von Ethnien und Kultutisches Denken in der Weimarer Repuren" und deren Bewahrung propagiert. blik Damit wird letzthin zumindest unterschwellig einem dem Rechtsextremismus immanenten Rassedenken Vorschub geleistet. Dass die weltanschaulichen Bezugsgrößen der "Neuen Rechten" nicht neu im eigentlichen Sinne sind, wird dadurch belegt, dass in diesen Kreisen das von der antiliberalen, antidemokratischen Strömung "Konservative Revolution" in der Zeit der Weimarer Republik vertretene Gedankengut (immer noch) Leitbildcharakter genießt.17 Im Kern zielen die "Neuen Rechten" (zunächst) auf die Erringung der kulturellen Hegemonie ab. Sie wollen im Staat die Deutungsund die Meinungshoheit gewinnen und langfristig für sich in Anspruch nehmen, um politische Macht zu generieren. Selbige soll demnach nicht durch Erringung parteipolitischer Machtpositionen und / oder Regierungsverantwortung gewonnen werden, sondern vielmehr durch eine schleichende gesellschaftliche Akzeptanz und dauerhafte Verankerung einschlägiger weltanschaulicher Standpunkte. Fernziel der "Neuen Rechten" ist eine grundlegende Transformation des Staates. Im Mittelpunkt des in diesem Spektrum gängigen Staatsverständnisses steht das Modell des nach innen wie außen starken Staates, dessen Legitimation auf 17 Nicht ohne Grund wird die Strömung der "Konservativen Revolution" in der Politikwissenschaft auch als "Ideenspender" (Kurt Sontheimer) und geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus bezeichnet. 61 plebiszitären, zumeist nicht näher präzisierten Elementen beruhen soll. Die repräsentative, parlamentarische Demokratie würde somit bis zur Unkenntlichkeit erodieren. An der Spitze des Staates stünde ein "starker", integrativ wirkender Staatsmann mit Kompetenzen, ähnlich denen der Reichspräsidenten während der Phase der Weimarer Republik. Vorgehensweisen Das Wirken der "Neuen Rechten" findet in erster Linie auf der politischen Metaebene statt. Es geht den Akteuren vor allem darum, Kultur und Sprache als weltanschauliche Ideenträger punktgenau einzusetzen, um die Wahrnehmung der Menschen im eigenen Sinne zu formen und zu verändern. Auf lange Sicht soll so eine neue Realität geschaffen werden, konform mit den einschlägigen neurechten weltanschaulichen Determinanten. Um diese Ziele zu erreichen, werden politische Mimikry und Camouflage Der Begriff Ethnopluralismus ist betrieben. Durch terminologisches ein aus griechischen und latei"Weichspülen" werden typische rechtsnischen Wortteilen zusammenextremistische Positionen verschleiert gesetztes Kunstwort und lässt und kaschiert. Man bedient sich einer sich mit "Völkervielfalt" übersprachlichen Tarnstrategie. Ein prägsetzen. Als politischer Kampfnantes Beispiel ist der von Kreisen der begriff der sogenannten Neuen "Neuen Rechten" nahezu durchgängig Rechten wird er verwendet, um propagierte Ethnopluralismus. Öffentrassistische Forderungen zu verlich ist die Rede von der vermeintlischleiern. chen Gleichwertigkeit der Ethnien, sofern diese in ihren angestammten Bundesministerium für Familie, SeniKulturräumen verbleiben. Aus der Georen, Frauen und Jugend - Programm Demokratie leben!, Glossartisches Denschichte des Rechtsextremismus weiß ken in der Weimarer Republik man jedoch, dass es nur eines kleinen Schrittes von der Segmentierung zur Selektierung und Stigmatisierung bedarf. Ethnopluralismus bedeutet dem Grunde nach nichts anderes als die Vorstellung von homogenen Volksgemeinschaf62 ten. Eine solche unzweideutige Positionierung nach Außen wäre allerdings nicht salonfähig. Zur Verbreitung ihrer Thesen und Überzeugungen bedient sich die "Neue Rechte" traditionell des gesprochenen Wortes und gedruckter Veröffentlichungen. Im Laufe der Zeit haben allerdings Online-Aktivitäten im Internet immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mit der "Identitären Bewegung Deutschland - IBD" hat die "Neue Rechte" in jüngerer Zeit auch ein aktionistisches, öffentlichkeitswirksameres Gesicht bekommen. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) wurde 2012 zunächst als rein virtuelle Gruppe auf Facebook gegründet; zwischenzeitlich hat sie sich mit Strukturen und Aktionismus auch in der realen Welt etabliert. Laut eigener Aussage versteht sich die IDB dabei als deutscher Ableger der französischen Bewegung "Generation Identitaire" (GI), die durch islamund fremdenfeindliche sowie teils rassistische und nationalistische Positionen in Erscheinung tritt. Struktur Die IBD setzt sich bundesweit aus "Regionalgruppen" zusammen, die sich ursprünglich nicht an den Ländergrenzen orientierten. Im Jahr 2017 wurde die "Regionalgruppen"-struktur an die Grenzen der Länder angepasst und auf der Internet-Webseite der IBD veröffentlicht. Neben den "Regionalgruppen" existieren Gruppen auf lokaler Ebene. Nach eigener Aussage ist die IBD international vernetzt und pflegt besonders intensive Kontakte zur "Identitären Bewegung Österreich". Weiterhin verfügt die IBD über eine anhaltend große Bandbreite an Internetstrukturen, so eigene Webseiten, Blogs, Twitter-, YouTubeund Instagram-Accounts. Darüber hinaus ist die IBD in diversen sozialen Netzwerken aktiv, wobei noch immer Facebook den Schwerpunkt darstellt. 63 Ideologie Die IBD zeigt Bezüge zum intellektuellen Rechtsextremismus. So wird bekundet: "Wir führen einen Kampf um Begriffe, um das Sagbare, letztlich auch um das Denken".18 Signifikant sind dabei die sich gleichenden Vorstellungen von an bestimmten Territorien gebundenen Völkern mit homogener ethnischer Prägung. Wenngleich der Begriff "Rasse" nach außen vermieden wird, ist die Parallele zur rechtsextremistischen "Blut-und-Boden" Ideologie offenkundig. Die Idealvorstellung der IBD von einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung ist insofern das Nebeneinander von ethnisch-kulturell homogenen Staaten (Kernthese: "Jedem Staat/Volk seine eigene Kultur"). Dabei gelte es, alle fremden Einflüsse fernzuhalten; der Realität multikultureller Gesellschaften verweigert man sich strikt. Als wesentliche Bedrohung für den Erhalt und die Stärke des eigenen Volkes wird die "unkontrollierte Masseneinwanderung" gesehen. Insbesondere wird propagiert, dass die islamische Religion und Kultur unvereinbar mit den Werten der europäischen Kultur seien. "Islamisierung", wie sie aktuell stattfinde, führe zum Verfall europäischer Gesellschaften, zu Gewalt, Kriminalität und Terrorismus. Im Zentrum ihrer Agitation und ihres Aktionismus steht demnach die Kritik an einem vermeintlichen Verlust der kulturellen Identität der Deutschen in einer "seelenlosen Konsumgesellschaft", bedingt durch zunehmende "Masseneinwanderung", "Islamisierung" und "Überfremdung". Vorgehen und Aktivitäten Die IBD sieht sich als Organisation von und für Jugendliche(n) bzw. junge(n) Erwachsene(n). Darauf abgestimmt sind sowohl das moderne und breit gefä18 Säulen unserer politischen Arbeit - Metapolitk", www.identitaere-bewegung.de, aufgerufen am 13. März 2018. 64 cherte Auftreten im Internet sowie die abwechslungsreichen Aktionsformen Den Opfern von Multikulti und in der Öffentlichkeit. Hierzu zählen Islamismus eine Stimme geben! Demonstrationen, FlugblattverteiAm heutigen Jahrestag des islalungen, das Zeigen von Transparenten mistischen Anschlags auf dem (z. B. Banneraktionen an Brücken und Berliner Breitscheidplatz haben Häusern), Störungen von Veranstalidentitäre Aktivisten stellvertretungen des politischen Gegners sowie tend für alle Opfer der multikulFlashmobs und andere überraschend turellen Ideologie und des isladurchgeführte Aktionen an symbolmistischen Terrors ein Denkmal trächtigen Stellen (z.B. dem Brandenam Brandenburger Tor gesetzt. burger Tor in Berlin oder der Porta NigKommentar auf der Facebook-Seite der ra in Trier). Zudem finden interne VerIB Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember anstaltungen für die Anhängerschaft 2017 statt. Einen hohen Stellenwert misst die IBD nach wie vor ihren Internetauftritten bei. Diese dienen vor allem dem Zweck, mit Texten, Videos und Fotos über Aktionen in der realen Welt sowie über die Ziele der Organisation zu informieren und zur ureigenen Meinungsbildung im Sinne der metapolitischen Ausrichtung der IBD beizutragen. Herausragendes Element der IBD-Aktivitäten ist die Kampagnen-Arbeit. Im Jahr 2017 startete man am 12. Mai 2017 die Kampagne "Defend Europe", die sich gegen Hilfsaktionen von Nichtregierungsorganisationen (NGO) für Flüchtlinge im Mittelmeerraum richtete. Hierzu agitiert die IBD: "Mit dieser Kampagne will die Identitäre Bewegung auf den kriminellen Schlepperwahnsinn im Mittelmeer hinweisen. Denn seit Monaten schleppen durch Spenden finanzierte NGOs unter dem Deckmantel humanitärer Rettungsaktionen hunderttausende illegale Migranten nach Europa und schrecken auch nicht davor zurück, dafür mit kriminellen Menschenhändlern zusammen zu arbeiten".19 19 Internet-Homepage https://www.identitaere-bewegung.de/kampagnen/mission-defend-europe/#more-532, aufgerufen am 14. März 2018 65 Propagandawirkung versprach sich die IBD im Laufe der Kampagne "Defend Europe" vor allem von dem Einsatz eines gecharterten Schiffes vor der libyschen Küste in der Zeit vom 5. bis 17. August 2017. Das Schiff wurde von einer international besetzten "identitären" Crew, der auch deutsche Staatsangehörige angehörten, gefahren. Entgegen anfangs geäußerter Absichtserklärungen führte die Crew lediglich Symbolhandlungen durch, indem beispielsweise das Schiff einer NGO per Funk "angesprochen", Funksprüche von NGO-Schiffen aufgezeichnet oder spontane Aufkleberaktionen an einem NGO-Schiff durchgeführt wurden. IBD in Rheinland-Pfalz Eine konkrete Einschätzung der Zahl der aktiven Mitglieder mit Bezug zur "Regionalgruppe Rheinland-Pfalz" der IBD ist bislang nicht möglich, sie dürfte sich jedoch schätzungsweise im unteren zweistelligen Bereich bewegen. Erste Aktivitäten der IBD fanden in Rheinland-Pfalz Ende 2015 - vornehmlich in der Region Trier - und sodann ab 2016 auch in anderen Landesteilen statt. Im Jahr 2017 wurden weitere IBD-Aktivitäten in Trier sowie auch in Mainz bekannt. Am 27. Oktober 2017 wurden im Bereich der Porta Nigra in Trier Pappfiguren, Stellwände und Spruchbänder mit den Aufschriften "Festung Europa" und "Ausreise genehmigt" aufgestellt. Im sozialen Netzwerk Facebook wird regelmäßig auch über Aktivitäten der IBD in Rheinland-Pfalz berichtet. 66 3.3.2 Neonationalsozialismus / Neonazis Im Neonationalsozialismus vereinigen sich die menschenverachtenden Kernelemente der rechtsextremistischen Weltanschauung wie Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus auf besonders dogmatische und belastende Weise. Neonationalsozialisten (Neonazis) bekennen sich nämlich zur Ideologie des historischen Nationalsozialismus. Sie streben nahezu unisono einen diktatorisch gelenkten Staat nach Vorbild des "Dritten Reichs" an, der ebenso auf einer nach rassistischem Muster ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" fußt. Allerdings gibt es verschiedene Ausprägungen des Neonazismus. Sie reichen von erklärten Hitler-Anhängern bis zu linksnationalistischen, nationalrevolutionären Strömungen. Weite Teile des Neonazispektrums sind in den vergangenen Jahren, was ihre Strukturen anbelangt, zunehmend konturloser geworden. Insbesondere die vormals prägende, vergleichsweise straff strukturierte "Kameradschafts-"Szene hat kontinuierlich an Bedeutung verloren. Eine noch verbliebene "Kameradschaft" in Rheinland-Pfalz ist die Gruppierung "Nationaler Widerstand Zweibrücken". Ihre Mitgliederzahl ist niedrig; ihr öffentlicher Aktionismus beschränkte sich 2017 - wie in den Vorjahren - auf kleinteilige Aktionen mit geringer Teilnehmerzahl wie sporadische "Mahnwachen" im Stadtgebiet von Zweibrücken. Demgegenüber bestimmen aktuell vermehrt informelle, lose Zusammenschlüsse von regionalem Zuschnitt das Bild. Ein Schwerpunkt ist die Vorderpfalz mit Überschneidungen zum Rhein-Neckar-Raum. Die Zahl der Neonazis lag 2017 in Rheinland-Pfalz konstant bei rund 200, von denen etwa 100 als gewaltorientiert gelten. 67 3.4 Weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial 3.4.1 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Kennzeichnend für das subkulturelle rechtsextremistische Spektrum sind eine weitgehende Organisationslosigkeit und eine in der Regel nur oberflächliche weltanschauliche Prägung, getragen von rassistischem, antisemitischem und demokratiefeindlichem Gedankengut. Hinzu kommt ein signifikanter Mangel an auf Dauer angelegter politischer Befassung. Der Zusammenhalt der das Milieu prägenden informellen Gruppierungen zumeist lokalen oder regionalen Zuschnitts wird vielmehr durch Faktoren wie ein erlebnisorientiertes Lebensgefühl und szenetypische Musik gewährleistet. Die typischen, überwiegend jüngeren männlichen Protagonisten fühlen sich als Teil einer gegen den gesellschaftlichen Mainstream und die etablierte Politik gerichteten "verschworenen Gemeinschaft" von Gleichgesinnten. Die weltanschaulich-politischen Defizite der subkulturellen Rechtsextremisten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Szene ein hohes Maß an Aktionsund auch Gewaltbereitschaft an den Tag legt. In zentralen Fragen, wie nicht zuletzt der ausnahmslos feindseligen Haltung gegenüber Fremden (insb. Flüchtlingen und Zuwanderern), unterscheidet man sich nicht von den übrigen Rechtsextremisten. Dies erklärt, dass anlassbezogen bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen immer wieder der wechselseitige Schulterschluss auch mit organisierten Rechtsextremisten gesucht wird, wie dies beispielsweise in der jüngeren Zeit wiederholt im Zusammenhang mit Protestund Gewaltaktionen gegen Flüchtlinge und deren Einrichtungen der Fall war. Für Außenstehende ist es nicht immer leicht, subkulturelle Rechtsextremisten als solche zu erkennen. Das vormals vorherrschende martialische Erscheinungsbild - vor allem repräsentiert von rechtsextremistischen Skinheads mit deren typischen, augenfälligen Attributen - ist mittlerweile deutlich differenzierter. Viele subkulturelle Rechtsextremisten unterscheiden sich äußerlich kaum oder gar nicht mehr von unpolitischen Jugendli68 chen gleichen Alters. Andere wiederum scheuen sich nicht, auch Merkmale eher links(extremistisch) orientierter Bewegungen zu übernehmen, wie politische Parolen oder Symbole in sodann abgewandelter Form (z.B. "Anti-Antifa" statt "Antifa"). In Rheinland-Pfalz umfasst die subkulturelle rechtsextremistische Szene konstant schätzungsweise weniger als 50 Personen, die als gewaltorientiert gelten. Eine Reihe von ihnen fühlt sich - entgegen des bundesweiten Trends - nach wie vor dem Lebensstil der Skinheads verbunden. Kontakte bestehen vornehmlich in das Neonazilager. 3.4.2 Rechtsextremistische Musikszene Ein großer Teil des bundesweiten subkulturellen Personenpotenzials wird seit geraumer Zeit durch die rechtsextremistische Musikszene - d.h. in erster Linie durch Musikgruppen nebst Einzelakteuren (z.B. Balladensänger) und deren Anhängerschaft - repräsentiert. Hinzu kommen Betreiber von themenbezogenen Homepages, Herausgeber von Publikationen, Organisatoren von Konzerten und Versandhändler szenetypischer Musikprodukte nebst eines reichlichen Angebots sonstiger Devotionalien wie Bekleidung. Innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene bestehen überregional wie auch in das Ausland formell und informell vielfältige Kontakte (Netzwerke). Regelmäßig geknüpft werden diese u.a. am Rande von Konzertveranstaltungen, die vorab breit beworben werden, um ein möglichst zahlreiches Publikum anzusprechen und zum Besuch zu animieren. Bei diesem Unterfangen haben insbesondere Internetforen und soziale Netzwerke eine herausgehobene Bedeutung. Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden. Ian Stuart Donaldson, ehem. Frontmann der Skinhead-Band "Skrewdriver" 69 Auch über die subkulturelle (Musik-)Szene hinaus hat Musik im Rechtsextremismus einen anhaltend hohen Stellenwert. Sie fungiert als wichtiges Medium zur Verbreitung der menschenverachtenden Weltanschauung, stiftet unter Gleichgesinnten Identität und stärkt somit allenthalben den Szenezusammenhalt. Auch bei der Rekrutierung und der Integration von Szenenachwuchs spielt die einschlägige, emotionalisierende Musik in Verbindung mit dem Erlebnisfaktor, wie er vor allem bei Konzertbesuchen zum Tragen kommt, eine wichtige Rolle. Nach wie vor bedient sich die rechtsextremistische Musikszene eines breit gefächerten Angebots unterschiedlichster Stilrichtungen. Der immer wieder Verwendung findende Begriff "Rechtsrock" als eine Art Gattungsbegriff ist insofern irreführend. Das Angebot reicht von eher ruhigen, getragenen Klängen rechtsextremistischer Liedermacher über klassischen Rock bis zu den stakkatoartigen Rhythmen der Bands aus dem Black Metal oder dem Hatecore Milieu. Auch populäre Stilrichtungen wie Hip-Hop und Techno werden im eigenen Sinne eingesetzt. Einen Stellenwert in Szenekreisen genießen auch nordisch-mythologisch eingefärbte Genres, wie beispielsweise der Vikingrock. Ungeachtet der Möglichkeiten des individuellen Erwerbs einschlägiger Tonträger oder des vielfältigen Musikangebots im Internet bleiben Konzertveranstaltungen rechtsextremistischer Bands und Sänger/-innen ein wichtiger Faktor in der Szene. Sie finden breiten Zuspruch hier in Deutschland, wie auch im benachbarten Ausland; Mobilisierung und Kontaktpflege sind grenzüberschreitend. Regelmäßig finden sich zu den Veranstaltungen mehrere Hundert Konzertbesucherinnen 70 und -besucher ein. Einzelne Konzerte können mitunter Teilnehmerzahlen von mehreren Tausend erreichen, so beispielsweise im Jahr 2017 am 15. Juli im thüringischen Themar mit ca. 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Veranstaltungen dieser Größenordnung sorgen erfahrungsgemäß für erhebliche positive Resonanz in der Szene, indem sie nicht unerheblich das Selbstbewusstsein stärken. Im Jahr 2017 waren fünf rechtsextremistische Bands und ein Liedermacher mit Bezug zu Rheinland-Pfalz in unterschiedlicher Intensität in Erscheinung getreten. Insgesamt wurden ein rechtsextremistisches Konzert mit rund 100 Teilnehmern sowie vier weitere Musikveranstaltungen mit geringerer Teilnehmerzahl bekannt. Im Ländervergleich nahm Rheinland-Pfalz damit auch im Jahr 2017 keine vordere Position ein. 71 72 III. "Reichsbürger"-Spektrum und "Selbstverwalter" 73 Das "Reichsbürger"-Spektrum ist eine sogenannte extremistische Erscheinungsform eigener Art. Dabei handelt es sich um Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich (mit variierenden historischen Daten), verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem als nicht existent betrachten. Dies gilt dem Grunde nach auch für sogenannte Selbstverwalter, die unter ähnlicher Argumentation - allerdings zumeist ohne Bezugnahme auf das "Deutsche Reich" - individuell den "Austritt" aus der Bundesrepublik Deutschland erklären. Die Grenzen zwischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" sind insofern fließend. Das Bonner Grundgesetz ist unverändert in Kraft. Eine deutsche Reichsverfassung, eine kommissarische Reichsregierung oder ein kommissarisches Reichsgericht existieren ebenso wenig, wie die Erde eine Scheibe ist. Amtsgericht Duisburg vom 26. Januar 2006, 46 K 361/04 Erste, von der "Reichsbürger"-Weltanschauung getragene Gruppierungen entstanden ab Mitte der achtziger Jahre des vorausgegangenen Jahrhunderts. Fluktuation wie auch wiederholte Abspaltungen und Neugründungen haben im Laufe der Zeit eine Zersplitterung bewirkt, so dass sich die aktuelle Szene organisatorisch wie ideologisch heterogen zeigt. Im Laufe der Entwicklung entstanden einzelne (in der Regel kleine), dem "Reichsgedanken" verbundene Gruppierungen mit zugleich rechtsextremistischem Hintergrund, die aber allesamt weder im rechtsextremistischen Spektrum selbst zu nennenswerter Bedeutung erwuchsen noch über marginale Ansätze hinausgehende Mischszenen hervorbrachten. Die Schnittmenge zwischen "Reichsbürger"Spektrum und Rechtsextremismus ist auch heute noch gering. Signifikant ist ein in "Reichsbürger"-Kreisen in jüngerer Zeit verstärkt zu Tage tretendes Gefährdungspotenzial, einhergehend mit einer allgemeinen Zunahme 74 an Aktivitäten. Aggressives Verhalten, verbale Drohungen und auch in Einzelfällen gewalttätige Übergriffe unterstreichen die Notwendigkeit einer anhaltend intensiven Beobachtung dieses Spektrums durch den Verfassungsschutz. Weltanschauung Ebenso heterogen wie das "Reichsbürger"-Spektrum selbst, ist dessen einschlägiges weltanschauliches Fundament, das zudem individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Weltanschauung der "Reichsbürger" bei ihrer Anhängerschaft Staatsund Rechtsverweigerung bewirkt. Kleinster gemeinsamer Nenner ist nämlich die von den "Reichsbürgern" wie auch den "Selbstverwaltern" vertretene These von der vermeintlichen Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung. Mehrheitlich in einen Kontext gestellt werden - zumindest was "Reichsbürger" anbelangt - gebietsund geschichtsrevisionistische Elemente, d.h. Forderungen nach Wiederherstellung einer völkerrechtlich nicht mehr legitimierten Territorialität und handlungsmächtiger staatlicher Strukturen. Im engeren Sinne also eine Wiederbelebung des "Deutschen Reichs" geografisch wie auch funktionell.20 Neben den revisionistischen Zügen schwingen in der Ideenwelt von "Reichsbürgern" vereinzelt - und dann zumeist unterschwellig - auch antisemitische und völkische Versatzstücke mit. Wenngleich sich hieraus gewisse Parallelen zur rechtsextremistischen Weltanschauung ergeben, kann bislang nicht von einer weitergehenden Verdichtung in diese Richtung gesprochen werden. 20 Dabei werden als Vorbild durchaus unterschiedliche Rechtsstände bemüht, so etwa bezogen auf das Jahr 1871, 1914 oder 1937. 75 Aktivitäten und Gefahren Der strukturierte - d.h. organisierte - Teil des "Reichsbürger"-Spektrums bewegt sich in einer Parallelwelt selbst generierter pseudostaatlicher Strukturen und daran ausgerichteter Aktivitäten. Unter Verwendung von vielfältigen Fantasiebezeichnungen wie "Exilregierung Deutsches Reich", "Königreich Deutschland" oder "Staatenbund Deutschland" vergibt man Scheintitel ("z.B. "Reichskanzler" oder "Reichsminister"), stellt "legitimierende" Dokumente aus und mimt einen souveränen Staat. Dieses Handeln, abgebildet im Internet und sozialen Netzwerken, bietet die Blaupausen auch und gerade für die Aktivitäten nicht organisierter "Reichsbürger" und Mitläufer. Ziele solcher Aktivitäten sind vor allem die allgemeine öffentliche Verwaltung, die Finanzverwaltung und die Justiz (insb. Gerichte). Deren Autorität und letztlich ihre Existenz werden in Abrede gestellt. Behördlichem Handeln verweigert man sich konsequent, staatlichen Repräsentanten wird die Legitimation abgesprochen. Gesetze, Urteile und Bescheide werden missachtet. In diesem Sinne ist den "Reichsbürgern" insbesondere daran gelegen, Verwaltungsabläufe zu behindern oder gar nachhaltig zu stören, indem beispielsweise versucht wird, Behörden einen pseudojuristisch verbrämten, im Ergebnis aber sinnentleerten Schriftwechsel aufzuzwingen. Belastende behördliche Maßnahmen, die "Reichsbürger" unmittelbar betreffen, werden systematisch konterkariert. Das Agieren der "Reichsbürger" mag abstrus und verstörend sein. Es ist aber keineswegs harmlos. Verschwörungstheoretisches Denken und Verhaltensauffälligkeiten wie insbesondere Realitätsverkennung, erhöhte Delinquenz und Waffenaffinität unter "Reichsbürgern" bedingen nicht unerhebliche Gefahren und 76 müssen daher ernst genommen werden. Von der Ablehnung des Staates bis zum Staatshass bedarf es mitunter nur eines kleinen Schrittes, wenn sich solche Faktoren verdichten und verfestigen. "Reichsbürger" können schließlich ihre staatsfeindliche Wahrnehmung soweit verfestigen, dass sie der Annahme anheimfallen, sie befänden sich in einer Notwehrlage. Es liegt erwiesenermaßen auf der Hand, dass dabei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden als Repräsentanten des Staates im besonderen Fokus von "Reichsbürger"-Aktivitäten stehen. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es vermehrt Meldungen und Hinweise aus der Verwaltung über aufdringliches, einschüchterndes und auch aggressives Auftreten von "Reichsbürgern" über den Schriftverkehr hinaus im unmittelbaren Kontakt mit Bediensteten. Personenpotenzial und Strukturen Das "Reichsbürger"-Spektrum ist heterogen und mehrheitlich von Einzelpersonen geprägt. Daneben existiert bundesweit eine nicht näher quantifizierbare Zahl regionaler wie überregionaler Gruppen. Zwischen diesen besteht unabhängig von einer weltanschaulichen Übereinstimmung nicht selten Konkurrenz um ihre jeweiligen "Reichsbürger". Wechselseitig wird betont, die alleinige Legitimität zu haben, das "Deutsche Reich" zu vertreten. Abspaltungen und Neugründung sind insofern nicht ungewöhnlich. Die Aktivisten und Gruppierungen des "Reichsbürger"-Spektrums agieren daher auch ungeachtet von diversen, unübersichtlichen Beziehungsund Kontaktgeflechten (insbesondere via sozialer Medien im Internet) weitgehend unabhängig voneinander. Durch wechselnde Bezeichnungen und mit mehrfachen, variierenden Internetpräsenzen suggerieren sie bisweilen eine real nicht vorhandene Organisationsund Personendichte. Innerhalb der vielschichtigen bundesweiten Szene gibt es neben Trittbrettfahrern, notorischen Querulanten unter weltanschaulichem Deckmantel, echten Sympathisanten und überzeugten "Reichsbürgen" auch eine Reihe von Profiteuren. Sie nutzen Leichtgläubigkeit und Naivität aus, indem sie beispielsweise gegen Bezahlung "Rechtsbeistand" durch "Beratungen" und "Schulungen" 77 anbieten, ohne eine entsprechende Qualifikation nachzuweisen oder indem sie selbsterstellte, wertlose Ausweispapiere verkaufen. In Rheinland-Pfalz können - wie sich aus einer Ende 2016 begonnenen systematischen Erfassung durch den Verfassungsschutz ergibt - dem Spektrum der "Reichsbürger" und Selbstverwalter mittlerweile mit Stand 31. Dezember 2017 rund 500 Personen zugerechnet werden (rund 3 % des bundesweiten Potenzials).21 Mit annähernd 70 % dominieren Männer die Szene in Rheinland-Pfalz. Etwa 60 % der 500 Personen sind über 50 Jahre alt, rund 34 % zwischen 30 und 50 Jahre. Räumliche Schwerpunkte sind im nördlichen Rheinland-Pfalz auszumachen, gefolgt von den Regionen Rheinhessen, Vorderund Südpfalz. Die Schnittmenge des Personenpotenzials mit dem rechtsextremistischen Spektrum ist (anhaltend) marginal. Nur etwas über 2 % der in Rheinland-Pfalz erfassten Personen aus dem "Reichsbürger"-Spektrum weisen auch Bezüge zum Rechtsextremismus auf. Rund 12 % der "Reichsbürger" in Rheinland-Pfalz sind organisiert. Mehrheitlich gehören diese folgenden, im fiktiven "Staatenbund Deutsches Reich" zusammengeschlossenen Gruppierungen an: "Freistaat Preußen"22 Bei der Gruppierung "Freistaat Preußen" handelt es sich um eine Abspaltung der im Oktober 2012 gegründeten gleichnamigen Organisation, letztere mit Hauptsitz in Niederkrüchen (Nordrhein-Westfalen). Einer Internetseite kann entnommen werden, dass die Gruppe zusammen mit anderen 21 Mit Stand April 2017 belief sich die Zahl auf 400. Die Angaben beruhen auf einem erstmaligen Erfassungsprozess. Insofern lässt sich aus ihnen (noch) kein Trend (Steigerung) ableiten. 22 Nicht zu verwechseln mit der im Jahr 1995 gegründeten namensgleichen Gruppierung mit Sitz in Verden/Aller (Niedersachsen). 78 - wie u.a. "Bundesstaat Bayern" - den fiktiven "Staatenbund Deutsches Reich" bildet, der sich auf die Reichsverfassung von 1871 beruft. Auf Schriftstücken der Gruppe "Freistaat Preußen" befindet sich der Hinweis auf eine "Poststelle Zentralverwaltung" unter einer Adresse in Königsfeld/Eifel. Von dort werden regelmäßig und bundesweit einschlägige Schriftstücke an Behörden und Institutionen versandt. "Bundesstaat Bayern" Die im Dezember 2015 gegründete Gruppe "Bundesstaat Bayern" mit Sitz in Landsham bei München strebt die Einleitung der "Reorganisation des Bundesstaats Bayern" an. Sie verfügt auch über Mitglieder und Sympathisanten außerhalb Bayerns. Im Jahr 2017 kam es in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wiederholt zum Vollzug mehrerer Durchsuchungsbeschlüsse bei Personen, die der Führungsstruktur des Bundesstaates Bayern angehören, sowie bei Sympathisanten und Beziehern diverser Ausweise der Gruppierung wegen des dringenden Tatverdachts der bandenund gewerbsmäßig begangenen Urkundenfälschung sowie Amtsanmaßung. Sonstige Gruppierungen "Selbstverwalter" Neben den so genannten Reichsbürgern gibt es Personen, die sich als "Selbstverwalter/-innen" bezeichnen und ebenso die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen, ohne sich gleichzeitig dem "Reichsgedanken" im engeren Sinne verbunden zu fühlen. Typisch für sie sind beispielsweise selbst erklärte "Austritte" aus der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit der Erklärung 79 der administrativen und rechtlichen Autonomie. So definieren "Selbstverwalter" beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet, markieren selbiges mitunter durch eine (Grenz-) Linie und zeigen als "Staatsflagge" Symbole, die sie selbst entwerfen. Typisch ist auch das ersatzweise Ausrufen von (Pseudo-) "Königreichen" (z.B. "Königreich Deutschland"). Zudem lassen sich unter "Selbstverwaltern" esoterische Tendenzen erkennen. Weit überwiegend weisen "Selbstverwalter/-innen" keine rechtsextremistischen Bezüge auf. "Germaniten" Eine weitere, ähnliche Gruppierung sind die so genannten Germaniten, die sich als Weltanschauungsgemeinschaft und eigenständiges Volk ("Binnenflüchtlinge") betrachten. Sie vertreten die Auffassung, sich als Angehörige eines eigenen Staates ("Germanitien") nicht dem deutschen Rechtssystem und den Gesetzen unterwerfen zu müssen. Zum Teil richten "Germaniten" nicht näher konkretisierte "Strafanzeigen" etc. oder verworrene Schreiben mit abstrusen Forderungen an Behörden. "Heimatgemeinden" Bei den sogenannten Heimatgemeinden handelt es sich um fiktive Gebietskörperschaften, quasi als Parallelstrukturen zu real existierenden Gemeinden. Mittels Pseudoverwaltung, selbst verfassten "Urkunden" und dem Anschein nach "offiziellen" Internetauftritten unter besagter Firmierung soll ein amtlicher Charakter suggeriert werden. Die entsprechenden Akteure grenzen sich mit diesem Konstrukt von der gesamtstaatlichen Ordnung ab, die sie negieren. Mit Bezug zu Rheinland-Pfalz existiert die Internetseite "Heimatgemeinde Kaiserslautern". Die Seite beinhaltet u. Links zu "Heimatgemeinden" in Bayern. 80 IV. Linksextremismus 81 1. Überblick und Entwicklung 2017 Linksextremisten streben danach, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen und durch eine sozialistische, kommunistische oder anarchistische Gesellschaft zu ersetzen. Während revolutionär-marxistisch ausgerichtete Parteien/Organisationen auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes setzen, ist das Selbstverständnis von Anarchisten von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in "herrschaftsfreien Räumen" geprägt; entsprechend wird jede Form staatlicher und gesellschaftlicher Normen abgelehnt. Linksextremisten versuchen durch den Anschluss an nichtextremistische Pro100 Jahre sind vergangen, seittestbewegungen und die Mitwirkung dem die große Sozialistische Okan gesamtgesellschaftlichen Prozessen toberrevolution die Welt veränihre systemüberwindenden Ziele zu inderte, doch wenig ist geblieben strumentalisieren und in ihrem Sinne von ihren Errungenschaften. zu beeinflussen. Die unterschiedlichen Aktionsformen von Linksextremisten "Eine Revolution ist möglich", Unsere Zeit 23. März 2018 reichen von offener Agitation bis hin zu massiver Gewaltanwendung als zentraler Bestandteil ihres Kampfes gegen "staatliche Repression". In Rheinland-Pfalz haben sich Strukturen und Erscheinungsbild des Linksextremismus gegenüber den Vorjahren nicht wesentlich verändert. Das linksextremistische Potenzial umfasste Ende 2017 weiterhin etwa 500 Personen, darunter ca. 100 Gewaltorientierte. Wichtigstes Aktionsfeld ist der "Antifaschismus" geblieben, d.h. die vordergründige Bekämpfung echter oder vermeintlicher rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Strukturen; die Szene differenziert dabei nicht. Ziele von Protestaktionen waren vor allem öffentliche Veranstaltungen der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) und deren Anhängerschaft, die nach linksextremistischen Verständnis als die wesentlichen Stimmungsmacher gegen Flüchtlinge in Deutschland gesehen werden. 82 In ihrer öffentlichen Darstellung blieben revolutionär-marxistische Organisationen wie beispielsweise die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) in Rheinland-Pfalz nahezu bedeutungslos. 2. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2017 2016 Gesamt 500 500 Gewaltorientierte 100 100 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 400 400 Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Gewaltorientierter Linksextremismus Die meisten Gewalttaten gehen von den so genannten Autonomen aus, die sich regelmäßig gegen rechtsextremistische Bestrebungen, darüber hinaus auch gegen Polizeibeamtinnen und -beamte richten. Während sich bundesweit die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung in den letzten Jahren deutlich verringert hat - die Existenz besonders ausgeprägter gewaltaffiner Szenen ist in den Großstädten Hamburg, Berlin und Leipzig auszumachen - war eine Steigerung der Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten oder tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr nicht festzustellen. Die relativ niedrige Zahl der in Rheinland-Pfalz verübten Gewalttaten lässt 83 vielmehr eine Rückläufigkeit erkennen. Bei den insgesamt vier Gewalttaten (Vorjahr: acht) handelt es sich um drei Brandstiftungen und eine Körperverletzung. Die bundesweite linksextremistische Szene hat im Jahr 2017 den Beweis erbracht, dass sie mit einem hohen Aufwand an Mobilisierung - auch im benachbarten Ausland - jederzeit in der Lage ist, anlassbezogene Gewalt erheblich eskalieren zu lassen. Als prägnantes Beispiel steht hierfür der G20 Gipfel (Treffen der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer) am 7./8. Juli 2017 in Hamburg, wo es zu massiven Ausschreitungen und Straßenkrawallen kam. Im Vergleich zu ähnlich gelagerten Mobilisierungen in früheren Jahren - letztmalig in Frankfurt am Main im Jahr 2015 bei der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) - erreichten das Aggressionspotenzial und die Bereitschaft der vorsätzlichen Gefährdung von Leib und Leben der Polizeibeamtinnen und -beamten in Hamburg eine neue Dimension. Unter den mehreren Hundert Festgenommenen befanden sich keine Szeneangehörige aus Rheinland-Pfalz. Die Gewaltaktionen gegen den G20 Gipfel zogen am 5. Dezember 2017 bundesweite Durchsuchungen im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs nach sich. Betroffen waren zahlreiche Objekte in mehreren Bundesländern, darunter auch eine Wohnung in Neuwied. Im Bundesvergleich verhält sich die linksextremistische gewaltorientierte Szene in Rheinland-Pfalz eher unauffällig; sie handelt mit geringem Wirkungsgrad hauptsächlich anlassbezogen und reaktiv. Die Mobilisierungsfähigkeit und das Aktionsniveau sind mehr vom Veranstaltungsthema und weniger von einer organisierenden Gruppe abhängig. Ideologische Schwerpunkte sind dabei nur bedingt auszumachen. Aktionismus geht regelmäßig von örtlichen Akteuren und Gruppierungen aus, die anlässlich bürgerlicher Proteste gegen Veranstaltungen/Versammlungen rechtsextremistischer oder rechtspopulistischer Parteien/Organisationen mobilisieren und oftmals gemeinsam mit Aktivisten aus den angrenzenden Bundesländern (Blockade-)Aktionen initiieren. So führte am 21. Januar 2017 die als rechtspopulistisch geltende Europaparlament-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) einen Kongress 84 mit 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle durch. Dort waren unter anderem Politiker der "Alternative für Deutschland" (AfD), "Front National" (Frankreich) und "Partij voor de Vrijheid" (Partei für die Freiheit) aus den Niederlanden vertreten. Es kam zu zahlreichen Gegenveranstaltungen mit insgesamt ca. 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter 200 Szeneangehörige aus Rheinland-Pfalz und den angrenzenden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen. Rund 60 Aktivisten, zum Teil vermummt, blockierten den Zufahrtsbereich des Tagungsortes der ENF-Fraktion. Um ein Zeichen gegen den aufkommenden Rechtspopulismus zu setzen, war auch der damalige deutsche Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel nach Koblenz gekommen. Als "Mitverantwortlicher" für die Asylpolitik wurde er lauthals mit "Hau ab, hau ab!" Rufen bedacht; Sicherheitskräfte mussten ihn vor Übergriffen gewaltorientierter "Antifaschisten" schützen. 3.1 Autonome Autonome zielen im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" und propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Sie rechtfertigen eigene Gewalt gegen die "strukturelle Gewalt eines Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Sie sind organisationsund hierarchiefeindlich eingestellt und bevorzugen eher strukturlose, informelle Formen der Zusammenarbeit. Hinsichtlich der Mobilisierungsfähigkeit, des Aktionsniveaus und der Gewaltbereitschaft von Autonomen sind regelmäßig Freundschaften und Kennverhältnisse ausschlaggebend, um zielgerichtet Kräfte und Aktionen bündeln und koordinieren zu können. Im Vorfeld zu den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Mainz (3. Oktober 2017) wurden "Aktionsplanungen" des örtlichen gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums bekannt, die unter dem Motto "DIESEM DEUTSCH85 LAND DIE PARTY CRASHEN - aufstand im hinterland." im Internet und mittels Flyer beworben wurden. Höhepunkt der Proteste sollte eine "Großdemonstration" mit einem "antifaschistischen, antinationalen und antikapitalistischen Block" werden. Angemeldet und durchgeführt wurde letzten Endes eine Gegendemonstration einer nichtextremistischen Organisation unter dem Motto "Diesem Deutschland keine Feier" mit ca. 150 bis 200 friedlichen Teilnehmern. Die zu "Gegenfeierlichkeiten" angereisten 80 Linksextremisten, überwiegend Autonome aus dem Rhein-Main-Gebiet, konnten zu keinem Zeitpunkt bedeutsame oder gewalttätige Aktionsformen entfalten. 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Strategisch sind Linksextremisten bemüht, Themenbzw. Aktionsfelder zu besetzen, die vermeintlich eine breite gesellschaftliche Anschlussfähigkeit besitzen, weil zu diesen bereits eine kritische Öffentlichkeit existiert, die es zu vereinnahmen und zu radikalisieren gilt. Dabei sind die Übergänge zwischen den Aktionsfeldern "Antifaschismus/Antirassismus", "Antikapitalismus/Antiglobalisierung" und "Antirepression" oftmals fließend, um neue Handlungsoptionen für Szeneaktivisten gegen das "herrschende System" zu eröffnen. Antifaschismus / Antirassismus Autonome zogen unter anderem die Themen wie Asylpolitik und Migration als Begründung für ihre begangenen Straftaten gegen das staatliche "Repressionssystem" heran. Neben den klassischen Feindbildern wie Einsatzkräfte der Polizei, Ausländerbehörden, Verfassungsorgane und Parteizentralen als "Staatsmacht" bzw. Symbole der abgelehn86 ten herrschenden Ordnung, wurde die AfD, die durch ihre Wahlerfolge im Berichtsjahr auf sich aufmerksam machte, zum zentralen Feindbild der linksextremistischen Szene stigmatisiert. Die Aktionen gegen die AfD reichten von Flugblattverteilung über Sachbeschädigungen bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen. Insbesondere Parteitage bildeten für (gewaltorientierte) Linksextremisten einen willkommenen Anlass, um entsprechende Gegenaktionen zu starten. Die vom AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz am 4./5. März und am 9./10. Dezember 2017 jeweils in Bingen am Rhein ausgerichteten Landesparteitage wurden sowohl von bürgerlich initiierten Protestveranstaltungen als auch von Demonstrationen und "Mahnwachen" gewaltorientierter Linksextremisten begleitet. Letztere versuchten erfolglos durch Störund Blokkadeversuche AfD-Mitgliedern den Zugang zu den Parteiveranstaltungen zu verhindern. Anlässlich der Bundestagswahl am 24. September 2017 kam es nach der Veröffentlichung von positiven Hochrechnungen für die AfD zur Mobilisierung des örtlichen linksextremistischen Spektrums über das Internet und noch am Wahlabend zu spontanen demonstrativen Versammlungen. So auch vor dem Mainzer Rathaus, wo eine AfD-Wahlparty stattfand. Unter die größtenteils friedlichen Demonstranten hatten sich einzelne gewaltbereite Aktivisten gemischt, die vergeblich versuchten, in das Rathausgebäude einzudringen. Antikapitalismus / Antiglobalisierung Aus Sicht von Linksextremisten sind der von ihnen "verhasste" kapitalistische Staat und dessen Politik ausschließlich an den Interessen der Wirtschaft und der "Kapitalisten" ausgerichtet, beziehungsweise werden von diesen gelenkt. Internationale Treffen, wie die regelmäßig stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel, dienen nach dem Verständnis von Linksextremisten allein dem Zweck, die ökonomischen und militärischen Ambitionen dieser "kapitalistisch geführten" Staaten untereinander abzustimmen und die jeweiligen Einflussbereiche abzu87 sichern. So standen die Proteste rund um den bereits erwähnten G20 Gipfel in Hamburg besonders im Fokus gewaltbereiter Linksextremisten. In Rheinland-Pfalz waren im Vorfeld des G20 Gipfels zwei offen im Internet beworbene Infound Mobilisierungsveranstaltungen in Mainz (13. Juni 2017) und in Koblenz (25. Juni 2017) bekannt geworden. Internetveröffentlichungen nach dem Gipfel waren zu entnehmen, dass einzelne Aktivisten aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz und aus Rheinhessen an den G20 Protesten in Hamburg teilgenommen haben. Bemerkenswert war ein Beitrag der "Antifa Koblenz" von Ende Juli 2017 mit der Überschrift "G20 - Der Staat probt den Autoritarismus", in dem man die Gewaltexzesse in Hamburg ausdrücklich befürwortete: "(...) Alle von uns, ob sie vor Ort waren oder nicht, wurden durch G20 geprägt und verändert. Hamburg wird für uns immer die Stadt sein, wo die Polizei rückwärts läuft,' aber auch die Stadt, in der sich etwas in uns verändert hat. (...) Die Gewalt, die an diesem Donnerstag seitens der Autonomen folgte, hatte ihre Berechtigung (...)." Am besagten Donnerstag (6. Juli 2017) fand die von Autonomen initiierte und durch massive Ausschreitungen und Gewaltexzesse geprägte Demonstration "G20 Welcome to Hell" statt. In einer Facebook-Veröffentlichung einer "Antifa"-Gruppe aus der Region Rheinhessen von Mitte Juli 2017 wurde ein Beitrag auf der vom Bundesinnenmi88 nister verbotenen linksextremistischen Internetplattform "Linksunten Indymedia" unter der Überschrift "Welcome to Hell - Die Geister die ich rief" wie folgt kommentiert: "Ein gutes Resume des G20-Protests, an dem auch wir teilgenommen haben. Wir lassen uns von dieser Repression nicht abschrecken, denn der Protest bleibt weiterhin ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Herrschenden." Antirepression Das Thema "staatliche Repression" hat für Linksextremisten nach wie vor einen hohen Stellenwert. Linksextremisten diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, indem sie ihnen fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Autonome empfinden das staatliche System als "strukturelle Gewalt", die es zu bekämpfen gilt. In diesem Themenfeld suchten Teile der Szene einen breiteren gesellschaftlichen Anschluss. So fand am 25. März 2017 in Mainz eine linksextremistisch initiierte "Antirepressionsdemonstration" zum Thema "NEIN zum Polizeistaat! - Gegen die Verschärfung des SS113 StGB!" mit bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ohne besondere Vorkommnisse statt. Im Hinblick auf die gewalttätigen Ausschreitungen und dem großen Polizeieinsatz während des G20 Gipfels in Hamburg wurde am 8. Juli 2017 in Mainz eine angemeldete Demonstration unter dem Motto "Gegen die Polizeigewalt beim G20-Gipfel" durchgeführt. Während des Aufzugs von rund 30 Personen wurde unter anderem die Parole "BRD Bullenstaat - wir haben euch zum Kotzen satt!" skandiert. Unter dem Slogan "TIME TO ACT - Kampagne gegen Rechtsruck und Repression" wurde via Internet zum Besuch eines Gerichtsverfahrens gegen drei "Antifaschisten" Anfang September 2017 in Mainz aufgerufen. Sie wurden beschuldigt, im Vorfeld der Landtagswahl 2016 mehrere Wahlhelfer der AfD attackiert zu haben. Das Verfahren vor dem Jugendgericht Mainz wurde letztlich gegen 89 Auflagen eingestellt. Mit der "TIME TO ACT"-Kampagne sollte insbesondere durch Solidaritätsveranstaltungen und -aktionen Geld gesammelt werden, um anfallende Anwaltsund Prozesskosten der drei "Antifaschisten" zu finanzieren. Ausblick Die Betätigung von gewaltorientierten rheinland-pfälzischen Linksextremisten wird sich auch weiterhin schwerpunktmäßig auf Aktionen und Kampagnen gegen echte und vermeintliche Rechtsextremisten konzentrieren. Darüber hinaus dürfte das Aktionsfeld "Antirepression", welches durch die Gewaltexzesse im Zusammenhang mit dem G20 Gipfel in Hamburg an Bedeutung gewonnen hat, auch zukünftig bei rheinland-pfälzischen Szeneaktivisten eine Rolle spielen. 90 V. Islamismus 91 1. Überblick und Entwicklung 2017 Islamismus ist durch eine enge Verbindung von islamischer Religion und Unser Ziel ist die Herrschaft des politischen Interessen gekennzeichIslams über das alltägliche Lenet. Islamisten streben kurzoder ben. Mit anderen Worten soll langfristig die vollständige Umgestalder Koran zur Verfassung, das tung von individueller Lebensführung, islamische Rechtssystem zum Gesellschaft und Staat nach religiösen Gesetz und der Islam zum Staat Normen an. Weltliche Ordnungen und werden. Gesetze besitzen nach islamistischer Auffassung keine Legitimität. Dies Cemaleddin Kaplan, Gründer der in steht in erheblichem Widerspruch Deutschland seit 2001 verbotenen Orzu der im Grundgesetz verankerten ganisation Der Kalifatsstaat in "Die neue Weltordnung?!", Köln 1995. S. 96. Volkssouveränität. Die islamistische Lehre lehnt darüber hinaus weitere wesentliche Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie etwa die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie die Glaubensund Meinungsfreiheit ab oder schränkt sie ein. Für Islamisten charakteristisch ist weiterhin, dass sie innenund weltpolitische Vorgänge und Konflikte vor allem an der Frage bemessen, ob hinter ihnen eine vermeintliche prooder antimuslimische Agenda steht. Die Schuldfrage ist für sie von vornherein geklärt, unabhängig von den zumeist komplexen tatsächlichen Verhältnissen. Sie lautet: Muslime sind die Opfer, die Ungläubigen die Täter. Die Verinnerlichung dieses Weltbildes kann im Extremfall über den Wunsch nach Vergeltung zur Beteiligung an einem gewaltsam geführten Jihad gegen die "Feinde des Islam" führen. Mit der Zunahme politischer Konflikte in der Nahostregion haben sich auch die gegen92 seitigen Schuldzuweisungen zwischen sunnitischen und schiitischen Islamisten verschärft. Bei Angehörigen der salafistischen Strömung führt dies vielfach zur Erklärung von Schiiten zu Ungläubigen. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist zudem der Antisemitismus. Anhänger terroristischer Gruppierungen fordern die Vernichtung des Staates Israel. Der Islamismus wird international wie auch in Deutschland von einer Vielzahl von Organisationen, Personenzusammenschlüssen und Subströmungen repräsentiert. Sie differenzieren sich hinsichtlich # ihres Grades der religiösen und ideologischen Kompromisslosigkeit, # ihrer Aktivitäten, z.B. Bildungsarbeit, Missionierung, Versuch politischer Einflussnahme, Propaganda, Spendensammlungen für die eigene Organisation oder bestimmte Projekte, Ausreisen in Jihad-Regionen, Kampf einschließlich terroristischer Aktivitäten gegen erklärte Feinde, # der Ausrichtung ihrer Aktivitäten auf Deutschland, andere Staaten oder die muslimische Gemeinschaft insgesamt (Stichwort Pan-Islamismus), # ihrer Haltung zur Gewalt mit folgenden Abstufungen: - gewaltablehnend und gewaltfrei, - gewaltlegitimierend, aber nicht gewaltanwendend, - gewaltunterstützend, - gewaltanwendend, - gewaltanwendend im terroristischen Sinne, hierbei nochmalige Unterscheidung in terroristisch mit regionaler Begrenzung sowie global-terroristisch. Während islamistische Organisationen wie die Muslimbruderschaft oder HAMAS im Hinblick auf ihre inhaltlichen Positionen und ihr Anhängerpotential weitgehende Konstanz aufweisen, hat sich mit dem Salafismus in den letzten Jahren eine dynamische Subströmung mit wachsendem Einfluss und gestiegenen Anhängerzahlen entwickelt. Wenngleich auch Salafisten mehrheitlich nicht gewaltorientiert sind, haben die Sicherheitsbehörden in diesem Spektrum doch 93 einen starken Anstieg von Radikalisierungsverläufen bis hin zum Jihadismus festgestellt. Jihadisten vertreten in Worten und Taten ein gewaltsames Jihad-Verständnis, das bis zum Einsatz terroristischer Mittel reicht.23 Die Sicherheitsbehörden konstatieren für die Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahren eine hohe abstrakte Gefährdung durch den internationalen islamistisch motivierten Terrorismus. Anders als im Vorjahr hat sich diese Gefährdung im Jahr 2017 lediglich einmal - mit einem Messerangriff in Hamburg (s. 3.2.1) - konkretisiert. Allerdings verdeutlichen Anschläge im europäischen Ausland, vereitelte Anschläge in Deutschland und ein neuer Höchststand hinsichtlich der Einleitung von Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus bei der Generalbundesanwaltschaft, dass sich die Bedrohungssituation nicht verringert hat (s. 3.2). 2. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2017 2016 Gesamt 580 580 Gewaltorientierte 55 45 Salafisten 200 150 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. Die Gesamtzahl der Islamisten ist im Jahresverlauf weitgehend unverändert geblieben, doch haben sich innerhalb des Gesamtspektrums ähnliche Verschiebungen wie schon im Vorjahr ergeben. Einem Rückgang im Hinblick auf die Milli Görüs-Bewegung steht ein Zuwachs im Bereich salafistischer Bestrebungen ge23 Das ursprünglich breite Bedeutungsspektrum des arabischen Begriffs Jihad, das von der Bemühung des Einzelnen um eine islamische Lebensführung (sogenannter Großer Jihad) bis zum Einsatz für den Islam - seine Verteidigung ebenso wie seine Verbreitung (sogenannter Kleiner Jihad) - reicht, wird von gewaltbereiten Islamisten auf den militanten Aspekt verengt. Mehr noch, der kämpferische Jihad wird von ihnen als Terror fehlgedeutet und entsprechend praktiziert. 94 genüber. Dort hat sich das Personenpotenzial im Jahresverlauf 2017 um 50 auf insgesamt ca. 200 Personen erhöht. Das als gewaltorientiert eingestufte Personenpotenzial ist seinerseits von 45 auf 55 gestiegen. Es bildet in vielen Einzelfällen zugleich eine Teilmenge des salafistischen Personenspektrums. 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 3.1 International Der internationale Terrorismus gehörte im Jahr 2017 trotz rückläufiger Anschlagszahlen weiterhin zu den maßgeblichen Bedrohungen für eine Vielzahl von Staaten. Besonders verheerende Anschläge ereigneten sich 2017 in Mogadishu (Somalia) und auf der Sinai-Halbinsel (Ägypten) mit jeweils mehr als 300 Todesopfern. Die größten und gefährlichsten Terrororganisationen sind: # "Islamischer Staat" (IS; bekannt auch als DAESH, dem arabischen Akronym für "Islamischer Staat im Irak und in Syrien", transnational), # al-Qaida (ebenfalls transnational) und seine regionalen Ableger wie "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" oder "al-Qaida im islamischen Maghreb", # Hai'at Tahrir al-Sham ("Komitee zur Befreiung Syriens"); Bündnis verschiedener Terrororganisationen und Milizen, darunter die "Jabhat Fatah al-Sham" (ehemals "Jabhat al-Nusra"), mit faktischer Nähe zu al-Qaida; Syrien, # Taliban (Afghanistan und Pakistan), # al-Shabab (Somalia), # Boko Haram (Nigeria). 95 In Europa setzte sich der Trend der Vorjahre fort, wonach Einzeltäter und Kleinstgruppen sogenannte weiche Ziele ins Visier nahmen und mit einfachen Tatmitteln wahllos Passanten angriffen. Diese Strategie wird von jihadistischen Gruppierungen, insbesondere dem IS seit geraumer Zeit propagiert. Im Einzelnen kam es zu folgenden tödlich verlaufenen Terrorakten: Datum Ort Ereignis Todesopfer 22.03.2017 London, Großbritannien Angriff mit PKW und Messer 5 03.04.2017 St. Petersburg, Russland Selbstmordanschlag in U-Bahn 14 07.04.2017 Stockholm, Schweden Anschlag mit LKW und 5 Schusswaffen 22.05.2017 Manchester, Großbritannien Selbstmordanschlag bei einem 22 Musikkonzert 03.06.2017 London, Großbritannien Angriff mit Lieferwagen und Messer 8 16. und 17. 08. Alcanar, Barcelona und misslungener Sprengstoffanschlag, 16 2017 Cambrils, Spanien Angriff mit Lieferwagen bzw. PKW 18.08.2017 Turku, Finnland Messerangriff 2 01.10.2017 Marseille, Frankreich Messerangriff 2 3.2 Bundesrepublik Deutschland 3.2.1 Durchgeführte und vereitelte Anschläge Am 28. Juli 2017 stürmte ein mit einem Messer und einer Machete bewaffneter Mann in einen Supermarkt in Hamburg und begann, wahllos Kunden zu attakkieren. Hierbei verletzte der Täter eine Person tödlich, zwei weitere schwer. Bei dem anschließend festgenommenen Täter handelt es sich nach derzeitigem Ermittlungsstand um einen radikalisierten und zugleich psychisch instabilen Einzeltäter, gegen den die Bundesanwaltschaft mittlerweile Anklage erhoben hat. Darüber hinaus wurden im Jahresverlauf 2017 weitere Personen aufgrund des 96 dringenden Verdachts festgenommen, Anschläge geplant zu haben. Im Einzelnen: # Am 21. Februar wurde im niedersächsischen Northeim ein IS-Sympathisant aufgrund von Anschlagsvorbereitungen festgenommen. Die geplanten Anschläge sollten sich u.a. gegen Polizisten oder Soldaten richten. Am 18. Dezember wurde er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. # Am 31. Oktober erfolgte in Schwerin die Festnahme eines 19-Jährigen wegen des Verdachts auf Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags. # Am 20. Dezember wurde ein 29-Jähriger festgenommen, der im Verdacht steht, mittels eines Fahrzeugs einen Anschlag im Außenbereich des Karlsruher Schlosses geplant zu haben. 3.2.2 Reisebewegungen Die Entwicklungen im Jihadismus-Bereich hierzulande sind von den Ereignissen in der Nahostregion nicht zu trennen. Es liegen Erkenntnisse zu mehr als 960 Islamisten aus Deutschland vor, darunter 15 aus Rheinland-Pfalz, die in den vergangenen Jahren in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen (Stand: Dezember 2017). Die bundesweite Ausreisebewegung schwächte sich 2017 gegenüber den Jahren 2014 und 2015 erheblich ab. Die Erhöhung gegenüber der Vorjahresangabe (890 Personen) ist überwiegend nicht auf aktuelle, sondern nachträglich bekannt gewordene Ausreisen zurückzuführen. In Rheinland-Pfalz wurden 2017 keine neuen Ausreisen im oben dargestellten Sinne registriert. Ursächlich hierfür sind die massiven Gebietsverluste des IS in Syrien und im Irak, was auch zu einem Nachlassen seiner zeitweiligen Anziehungskraft beiträgt. Ungefähr ein Drittel der ausgereisten Islamisten kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück, darunter drei Personen nach Rheinland-Pfalz. Bei über 80 Rückkehrern liegen Erkenntnisse vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen in 97 Syrien/Irak beteiligt haben. Im Zusammenhang mit fortschreitenden Gebietsverlusten des IS sind pressewirksame Einzelsachverhalte von im Kampfgebiet festgenommenen Personen aus Deutschland bekannt. Eine verstärkte Rückreisetendenz zeichnete sich 2017 jedoch nicht ab. Ähnlich wie bei den um 1990 aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückgekehrten Kämpfern (Mujahidin) besteht auch bei Syrienund Irak-Rückkehrern die Gefahr, dass sie # ihrer Kampfgruppe verbunden bleiben, # eventuell in ihrem Auftrag sowie unter Nutzung der vor Ort erworbenen Fähigkeiten Aktivitäten bis hin zu einem Terroranschlag ausüben, # in islamistischen Kreisen als Vorbilder angesehen werden und Andere zu ähnlichen "Jihad"-Aktivitäten motivieren und/oder rekrutieren. 3.2.3 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern Kriege, politische und wirtschaftliche Krisen sowie Menschenrechtsverletzungen lösten 2015 die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg nach Europa und hierbei insbesondere nach Deutschland aus. Sie hielt in abgeschwächter Form auch 2016 und 2017 an. Die häufigsten Herkunftsstaaten sind Syrien, der Irak und Afghanistan. Bei den Sicherheitsbehörden häuften sich in den vergangenen Jahren die Hinweise auf mutmaßliche Kämpfer, Angehörige, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen, die im Zuge der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland eingereist sind. In Rheinland-Pfalz lagen Polizei und Verfassungsschutz im Zeitraum Anfang 2015 bis Ende 2017 insgesamt 211 Einzelhinweise dieser Art vor. Wie ernst die Sicherheitsbehörden solche Hinweise grundsätzlich nehmen müssen, zeigt der Umstand, dass die Attentäter von Würzburg, Ansbach und Berlin im Jahr 2016 diesem Personenspektrum entstammten. Auffallend war im Jahr 2017 die hohe Zahl von Selbstbezichtigungen unter Flüchtlingen, die im Rahmen ihrer Asyl-Anhörung beim Bundesamt für Migrati98 on und Flüchtlinge (BAMF) angaben, sich - zumeist unfreiwillig - im Herkunftsland einer Terrororganisation angeschlossen zu haben. In einigen Fällen führten die Ermittlungen zu Strafverfahren und in einem Fall zu einer Verurteilung. Die Überprüfung zurückliegender Vorkommnisse in Krisenstaaten wie Afghanistan oder Somalia erweist sich jedoch in vielen Fällen als äußerst kompliziert. Dies erschwert für die Sicherheitsbehörden die Feststellung, welche Motivation der Selbstbezichtigung zugrunde liegt. Konkret stellt sich hierbei die Frage, ob die Selbstbezichtigung einen realen Hintergrund hat oder als Vorwand dient, um einen Fluchtgrund geltend zu machen, auf drohende Gefahren im Falle einer Abschiebung hinzuweisen und im Ergebnis einer Rückführung zu entgehen. Für die Sicherheitsbehörden sind die Hinweise und Selbstbezichtigungen in erster Linie im Hinblick auf das mögliche Gefahrenpotenzial dieser Personen klärungsbedürftig. 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Das islamistische Spektrum in Rheinland-Pfalz setzt sich aus unterschiedlichen Gruppierungen und Akteuren zusammen. Entsprechend variieren deren Agenda und Aktivitäten: 1. Langfristig angelegte und gewaltfreie Strategie zur Durchsetzung eigener Interessen in Deutschland, d.h. Mitbestimmung und Erwirkung vermehrter Zugeständnisse durch gute Kontakte zu öffentlichen Stellen, teilweise mit dem Ziel parallelgesellschaftlicher Strukturen für Muslime. Eine echte gesellschaftliche Integration, die als Gefahr für die Bewahrung der muslimischen Identität angesehen wird, wird dagegen nicht bezweckt. Zugleich wird durch Erziehungsund Bildungsarbeit eine ideologische Festigung der Anhänger betrieben und die Gewinnung neuer Anhänger angestrebt. Entsprechende Feststellungen lassen sich bei der Muslimbruderschaft (4.5) und der Milli GörüsBewegung treffen. 2. Finanzielle, organisatorische und ideologische Unterstützung der Organisation im Herkunftsland ohne nennenswerten Deutschland-Bezug. Dies trifft insbesondere für die HAMAS (4.2) und Hizb Allah (4.3) zu, teilweise auch für den "Kalifatsstaat" (4.4). 99 3. Die Etablierung einer Gemeinschaft von Muslimen, die in gesellschaftlicher Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft ihre Vorstellung von der frühislamischen Zeit in die Gegenwart implantiert, ihre eigene Lebensgestaltung danach ausrichtet und sie unter Muslimen propagiert, u.a. im Internet und in Predigten. Diese Haltung wird vor allem von Salafisten (4.1) eingenommen. 4. Insbesondere innerhalb des salafistischen Spektrums agieren Personen, die über das salafistische Gedankengut hinaus mit Terrororganisationen sympathisieren und Kontakte in jihadistisch-terroristische Personenkreise im Inoder Ausland unterhalten. Darüber hinaus stehen einige von ihnen im Verdacht, Terrororganisationen zu unterstützen, sich ihnen angeschlossen oder gar an terroristischen Aktivitäten in Syrien/im Irak beteiligt zu haben. Auch die bekannt gewordenen Ausreisen in Jihad-Regionen sind diesem Bereich zuzuordnen. Nachfolgend werden die wichtigsten Akteure und Organisationen vorgestellt, die in Rheinland-Pfalz in Erscheinung treten. Darüber hinaus existieren in Deutschland weitere Gruppierungen wie zum Beispiel die Türkische Hizbullah oder die Millii Görüs-Bewegung. Sie werden im vorliegenden Bericht jedoch nicht eingehend dargestellt, da sie in Rheinland-Pfalz entweder nur über eine geringe Anhängerzahl verfügen, sie keine oder keine nennenswerten Organisationsstrukturen aufweisen oder es aktuell nur vereinzelte Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen gibt. 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: ca.10.800 (2016: ca. 9.700) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 200 (2016: ca. 150) Salafismus ist eine Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Salafisten sind bestrebt, die religiöse Praxis und überlieferte Lebensweise der muslimischen Urgemeinde (salaf) sowie die damals geltenden Vorschriften möglichst umfassend in die heutige Zeit zu transplantieren. Demgegenüber lehnen Salafisten später entstandene Formen der Religiosität wie die Heiligenverehrung ebenso 100 strikt ab wie weltliche Gesetze. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzeswidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande. Prinzipiell aber streben Salafisten eine Rechtsordnung - mitunter auch Staatsordnung - an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islam beruht. Herrschern, die nichtislamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab. Weitere charakteristische Forderungen und Positionen von Salafisten sind unter anderem: # strikte Trennung von Frauen und Männern im öffentlichen Leben, # Bekleidungsvorschriften für Männer, aber insbesondere für Frauen (in der Regel die Vollverschleierung), # Distanzierung von Nichtmuslimen und ihre abwertende Bezeichnung als kuffar (Ungläubige), # die selbstbewusste und religiös begründete Behauptung der eigenen Höherwertigkeit gegenüber "Ungläubigen", # Erklärung von Schiiten, Sufis (Mystikern) und weltlich eingestellten Muslimen ebenfalls zu kuffar. Mehrheitlich sind Salafisten bestrebt, ihre Vorstellung einer islamischen Lebensführung und Gesellschaftsordnung anderen Muslimen mittels da'wa (Aufruf, Missionierung) nahezubringen, sei es im persönlichen Kontakt, in sozialen Netzwerken, im Internet, durch Predigten und Vorträge, auf Islamseminaren oder bei Veranstaltungen. Auch Nichtmuslime sind Adressaten und sollen zum Übertritt zum Islam salafistischer Prägung bewogen werden. Die da'wa-Arbeit wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend professionalisiert. Das bekannteste Beispiel hierfür war das bundesweit betriebene Missionierungsprojekt "Lies!", das mit dem Verbot der als verfassungswidrig eingestuften Vereinigung "Die wahre Religion" im November 2016 beendet wurde. 101 Nicht selten fließen bei Salafisten religiös-missionarische Aktivitäten und politische Propaganda ineinander. Die Propaganda richtet sich gegen alle als "islamfeindlich" deklarierten Kräfte. Dieser Vorwurf gilt dem "Westen" im Allgemeinen und den USA im Besonderen. Als Drahtzieher der US-Politik sehen politisch orientierte Salafisten vielfach "die" Juden (mehr hierzu im Kapitel I. 1). Neben den "äußeren Feinden", zu denen anlassbezogen auch weitere Staaten zählen, richtet sich die Propaganda auch gegen die "inneren Feinde", denen die Repression gläubiger Muslime vorgeworfen wird. Gemeint sind hiermit weltlich orientierte Herrscher (sog. taghut, "Götze") in muslimischen Ländern selbst sowie Staaten unter schiitischer Führung, gegenwärtig insbesondere das AssadRegime in Syrien. Die Argumentationskette verleitet einen Teil der Salafisten zu einer emotionalen und verbalen Solidarisierung mit den Mujahidin (Glaubenskämpfern) in Kriegsund Krisenländern. Einige Salafisten gehen noch weiter, indem sie den Jihad bestehender Gruppierungen unterstützen oder sich ihnen anschließen. Die Vertreter dieser Richtung werden aufgrund der inflationären Verwendung des Begriffs Jihad, mit dem sie ihre Taten "religiös legitimieren", als jihadistische Salafisten bezeichnet. Die große Mehrzahl der Attentäter und der nach Syrien zwecks Kampfbeteiligung ausgereisten Personen ist diesem salafistischen Teilspektrum zuzurechnen. Die salafistische Bewegung in Deutschland setzt sich aus unabhängigen Vereinen, informellen Personenzusammenschlüssen und Netzwerken, Internetauftritten und Initiativen zusammen. Zwischen den einzelnen Akteuren und Anhängern bestehen teilweise Kennverhältnisse und mitunter auch Formen der Zusammenarbeit. Ein salafistischer Dachverband mit Hauptsitz, Vorstand, Satzung und zugehörigen Ortsvereinen existiert indessen nicht. Auch in Rheinland-Pfalz bestehen demzufolge zumindest keine festen salafistischen Organisationsstrukturen. Die ca. 200 salafistischen Anhänger verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen. Ein Teil von ihnen nutzt einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattformen zur Verbreitung salafistischen Gedankenguts. Nicht alle Salafisten weisen Bezüge zu örtlichen Moscheevereinen auf, sondern treffen sich im privaten Rahmen, nutzen Internetangebote und agieren in sozialen Netzwerken. Der Ver102 fassungsschutz rechnet etwa 145 Salafisten dem missionarisch-politischen und etwa 55 dem gewaltorientierten Salafismus zu. Dieser Begriff deckt ein Spektrum ab, das von gewaltlegitimierend bis gewaltanwendend reicht. Im Mai 2017 trat der in salafistischen Kreisen bekannte Prediger Ahmad ARMIH alias Ahmad Abul Baraa aus Berlin in einer Moschee in Bendorf auf. Er hielt dort eine Predigt mit dem Titel "Die Dunya [das Diesseits] ist das Gefängnis eines Gläubigen und das Paradies eines Kafir [eines Ungläubigen]". Die auf Youtube abrufbare Predigt war religiös gehalten und enthielt keine Aufrufe, gegen "Ungläubige" vorzugehen. Gleichzeitig kam aber eine deutliche moralische Abwertung der "Ungläubigen" zum Ausdruck, die, wie der Prediger mit Genugtuung darlegte, im Jenseits eine schwere Strafe zu erwarten hätten. 4.2 HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") Gründung: Ende 1987 Mitglieder Bund: ca. 320 (2016: ca. 320) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 35 (2016: ca. 35) Die im Dezember 1987 im Gaza-Streifen gegründete HAMAS ist eine palästinensische sunnitisch-islamistische Organisation. Sie ging aus der Muslimbruderschaft hervor und teilt deren Islamverständnis bis heute (s. 4.5). Neben politischen und sozialen Aktivitäten verfügt die HAMAS auch über einen bewaffneten Arm, die Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden. Seit dem Jahr 2007 kontrolliert die de facto HAMASRegierung den Gazastreifen und agiert insofern in Teilbereichen wie ein staatlicher Akteur. Die 103 Organisation strebt die Errichtung eines islamischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas, d.h. unter Einschluss des Territoriums des Staates Israel, an. Hierbei setzt sie gegenüber Israel auch militärische und terroristische Mittel ein. Die HAMAS hat in einer Vielzahl von Staaten, darunter in Deutschland, Aktivitäten und Organisationsstrukturen entwickelt. Unter den HAMAS-Vereinigungen im Bundesgebiet ist an erster Stelle die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD) mit Sitz in Berlin zu nennen. Die Verbindungen zur HAMAS sind bei den Vereinigungen aus taktischen Gründen nach außen nicht erkennbar. Grundsätzlich verfolgt die HAMAS hierzulande die folgenden Ziele: # Unterstützung der Mutterorganisation in den palästinensischen Gebieten mit Spendensammlungen, # Festigung des Einflusses auf die palästinensische Diaspora, bewusst auch gegenüber konkurrierenden palästinensischen Gruppierungen, # pro-palästinensische Lobbyarbeit in der europäischen Öffentlichkeit. Auch in Rheinland-Pfalz leben HAMAS-Mitglieder, die sich für die Organisation in unterschiedlichem Maße engagieren, beispielsweise durch die aktive Mitwirkung oder die Teilnahme an Kongressen in Deutschland und Europa, die Beteiligung an antiisraelischen Kundgebungen oder Einstellung von HAMAS-Propaganda im Internet. 4.3 Hizb Allah ("Partei Gottes") Gründung: 1982 Mitglieder Bund: ca. 950 (2016: ca. 950) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 55 (2015: ca. 55) Bei der Hizb Allah handelt es sich um eine schiitisch-islamistische Organisation. Sie verfügt in ihrem Heimatland Libanon über einen bewaffneten Arm, der für militärische Auseinandersetzungen mit Israel sowie für die Durchführung von Anschlägen, insbesondere gegen israelische und jüdische Ziele, verantwortlich ist. Seit 2013 kämpfen Hizb Allah-Einheiten darüber hinaus in Syrien auf der 104 Seite der Regierungstruppen von Bahar al-Assad gegen die oppositionellen Verbände. Die Hizb Allah-Anhängerschaft in Deutschland tritt nach außen nur wenig in Erscheinung. Verschiedene Ortsvereine dienen ihr als Anlaufstellen, wobei eine Zugehörigkeit zur Hizb Allah äußerlich in der Regel nicht erkennbar ist. Zu den wichtigsten Aktivitäten der Hizb Allah-Mitglieder und Anhänger in Deutschland zählten in der Vergangenheit Spendensammlungen zugunsten von Waisenkindern und Hinterbliebenen von Hizb AllahKämpfern im Libanon. Da hiermit der bewaffnete Kampf gegen Israel unterstützt und verstetigt wurde, kam es 2014 zum Verbot eines in die Hizb AllahStruktur eingebundenen Spendenvereins, dem "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP). Dieser Verein hatte sich in zeitlicher Überschneidung mit der Verbotsverfügung in "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) umbenannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2015 das Vereinsverbot bestätigt. 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: 2001 Sitz: Köln Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 60 (2016: ca. 50) Der "Kalifatsstaat" war eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige 105 Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Unterschwellig unterhalten Anhänger der "Kalifatsstaat"-Ideologie jedoch weiterhin Strukturen, allerdings nicht im Sinne einer einheitlichen Organisation. Zudem sind Fraktionierungen innerhalb der "Kalifatsstaat"-Gemeinde festzustellen, die vor allem die Frage spaltet, ob Metin KAPLAN weiterhin als Kalif anzusehen ist. Intern wird die charakteristische "Kalifatsstaat"-Lehre sowohl in Predigten als auch mittels elektronischer Medien weiterhin propagiert. Zu ihren zentralen Punkten gehören die Etablierung eines islamischen Staates unter der Führung eines Kalifen sowie die Anwendung des islamischen Rechts (Scharia). Demgegenüber wird die Demokratie zurückgewiesen. Gegenüber dem Westen und Juden wird eine ablehnende Haltung eingenommen. Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim "Kalifatsstaat" um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevölkerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die "Kalifatsstaat"-Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder eigene Anhänger und weitere Personen für ideologisch verwandte Strömungen wie den Salafismus empfänglich zu machen. 106 4.5 Muslimbruderschaft (offiziell: Gemeinschaft der Muslimbrüder) Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.040 (2016: ca. 1.040) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2016: ca. 35) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete Muslimbruderschaft markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in mehr als 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. Programmatischer Kernpunkt der Muslimbruderschaft ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. In Schriften der Muslimbruderschaft wird weltlichen Gesetzen zugunsten der angestrebten islamischen Ordnung zumeist ebenso eine Absage erteilt wie Reformen auf dem Gebiet des islamischen Rechts. Der Gestaltungsfreiraum menschlichen Handelns wird damit erheblich eingeschränkt. Angehörige der Muslimbruderschaft schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der Muslimbruderschaft zugerechnet. Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. 107 In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der Muslimbruderschaft zu verbreiten und auch die Bildung ihrer Strukturen in Rheinland-Pfalz zu fördern, bisher allerdings mit begrenztem Erfolg. 108 VI. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 109 1. Überblick und Entwicklung 2017 Der nichtislamistische Ausländerextremismus in Rheinland-Pfalz ist hauptsächlich von linksextremistischen und ethnisch motivierten Autonomiebestrebungen geprägt. Ihm wird insgesamt ein Potenzial von rund 600 Personen zugerechnet. Politik, Strategie und Aktivitäten der in Erscheinung tretenden Organisationen werden maßgeblich von den Entwicklungen und Ereignissen in deren Herkunftsländern bestimmt. Die dort zum Teil terroristisch agierenden Organisationen nutzen Deutschland als sicheren Rückzugsraum, von dem aus zentrale Organisationseinheiten in der Heimatregion sowohl propagandistisch als auch materiell und finanziell unterstützt werden. Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet...Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden... Auszug SS 5 Landesverfassungsschutzgesetz Rheinland-Pfalz Besondere Bedeutung kommt in Rheinland-Pfalz der seit 1993 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten und seit 2002 von der EU als terroristische Organisation gelisteten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu, die zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele in der Türkei fortgesetzt auf terroristische Mittel zurückgreift. Im Fokus der PKK standen die im Jahr 2017 sich weiter verschärften kämpferischen Auseinandersetzungen mit dem türkischen Militär, die damit verbundenen repressiven Maßnahmen des türkischen Staates gegen die PKK und ihr nahestehende Organisationen sowie die ständige Sorge der PKK um den Gesundheitszustand und die Sicherheit ihres inhaftierten Führers Abdullah Öcalan. Die Anhängerschaft reagierte darauf mit einer Reihe von bundesweit überwiegend friedlich verlaufenen Protestveranstaltungen. 110 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2017 2016 Gesamt 600 600 Linksextremisten / Separatisten 500 500 Extreme Nationalisten 100 100 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) - PKK Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennungen: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel) HPG Führung in Europa: "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa" (KCDK-E) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 14.500 (2016: ca. 14.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2016: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 Listung durch die EU als seit 2002 terroristische Organisation: Politische Ausgangslage Die 1999 in der Türkei von Abdullah ÖCALAN gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit vielen Jahren für eine erweiterte politische und 111 kulturelle Eigenständigkeit innerhalb der angestammten kurdischen Siedlungsgebiete. Zur Durchsetzung ihrer Ziele verfolgt die Organisation weiterhin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa/ Deutschland um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei und der nordirakischen Grenzregion, aber auch im Norden Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten auf die Anwendung von Gewalt. In den letzten Jahren waren zwischen PKK und türkischer Regierung wiederholt Ansätze zu einer Lösung des bestehenden Kurdenkonflikts zu beobachten. So hatte die PKK im März 2013 einen Waffenstillstand im Kampf gegen die türkische Regierung ausgerufen. Ein schon begonnener Abzug von PKK-Kampfeinheiten aus der Türkei scheiterte jedoch, da es zu keinen konkreten Friedensverhandlungen kam. Im Jahr 2015 beendeten beide Seiten die zwei Jahre bestandene Waffenruhe. Der seit Dezember 2015 offen ausgebrochene Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Staat mit zahlreichen Toten, der gescheiterte Putschversuch am 15. Juli 2016 und dessen Auswirkungen, die aufgekommenen Gerüchte um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes Öcalans im Oktober 2017 sowie die Bekämpfung des "Islamischen Staat" (IS) in Syrien durch kurdische, zum Teil PKK-zugehörige Kampfverbände, führten zu einer fortwährend verschärften Sicherheitslage. Der Konflikt wirkte sich weiterhin auf die Sicherheitslage in Deutschland aus und führte insbesondere zu einer hohen Emotionalisierung sowohl unter der kurdischen Bevölkerung als auch unter den nationalistischen Türken / Deutsch112 Türken. In vielen deutschen Städten fanden spontane zumeist friedliche Protestaktionen von PKK-Anhängern statt, die von deutschen Linksextremisten solidarisch unterstützt wurden, so auch bei kleineren Aufzügen in Mainz. Anfang November 2017 kam es bundesweit im Rahmen von größeren Demonstrationen mehrfach zu teils schweren Übergriffen von Anhängern der PKK auf eingesetzte Polizeibeamte, so etwa in Düsseldorf, Hannover und Dortmund. Auslöser der Übergriffe war das durch Polizeikräfte konsequent durchgesetzte PKKKennzeichenverbot, welches im März 2017 vom Bundesministerium des Innern erweitert und dessen Rechtmäßigkeit Anfang November 2017 durch das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt wurde. Darüber hinaus kam es bundesweit zu Gewalttätigkeiten unter Anhängern aus dem türkisch geprägten und kurdischen Umfeld; hierbei verübte Straftaten können im Wesentlichen der PKKJugendorganisation (Komalen Ciwan) zugerechnet werden. Die konfliktbeladene Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten nutzte die PKK fortgesetzt dazu, um in Deutschland vorwiegend Jugendliche für den bewaffneten Kampf in der Heimat zu rekrutieren. Entsprechende Aufrufe wurden nach wie vor über die von der PKK beeinflussten Medien sowie im Rahmen von (Propaganda-)Veranstaltungen verbreitet. Hierarchie / Organisationsstrukturen Die PKK ist eine straff ausgerichtete Organisation und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Nach der 2013 eingeleiteten Neustrukturierung der PKK bildet der "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft Kurdistans in Europa" (KCDK-E) die PKK-Europaführung und vereinigt alle europäischen PKK-nahen Vereine unter sich. Darüber hinaus integriert er die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) als politischen Arm. 113 In Deutschland unterhält die PKK fortgesetzt konspirative Organisationsformen. Im Jahr 2016 erfolgte eine bundesweite strukturelle Neugliederung in neun Regionen, u.a. "Saarland/Rheinland-Pfalz". Den Regionen gehören 31 Gebiete (Unterbereiche) an, die jeweils von regelmäßig wechselnden PKKFührungsfunktionären (Kadern) geleitet werden. Ihr maßgeblicher Einfluss erstreckt sich auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine bzw. Gesellschaftszentren. Als Dachverband fungiert nach wie vor das "Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum" (NAV-DEM), dem deutschlandweit über 40 PKK-nahe Ortsvereine angehören, darunter auch das "Demokratisch-Kurdische Gesellschaftszentrum Mainz e.V." sowie das "Kurdische Gemeinschaftszentrum e.V." in Ludwigshafen am Rhein. NAV-DEM koordiniert zudem die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen und verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften. In Rheinland-Pfalz werden der PKK ca. 450 Personen zugerechnet; bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen wird indes ein deutlich größeres Personenpotenzial mobilisiert. Finanzen Im Jahr 2017 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne sowie durch Sonderspenden europaweit wieder mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Gewinne aus Feiern und Veranstaltungen. Aktionismus Die im Jahr 2017 von der PKK bundesund europaweit durchgeführten Propagandaaktionen thematisierten erneut die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan, den Mord an den PKK-Aktivistinnen in Paris im Januar 2013 und die Aufhebung des PKK-Verbots. Insbesondere standen die verstärkt ausgetragenen Auseinandersetzungen der PKK mit dem türkischen Staat und die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan im Vordergrund. Beispielhaft sind folgende 114 Großveranstaltungen zu nennen, an denen sich auch rheinland-pfälzische PKKAnhänger beteiligten: # 18. März 2017, Frankfurt am Main, zentrales kurdisches Neujahrsfest "Newroz" unter dem Motto "No Pasaran - kein Fußbreit dem Faschismus, Demokratie in der Türkei, Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan" mit etwa 30.000 Teilnehmern. # 16. September 2017, Köln, "25. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan, Demokratie für den Mittleren Osten" mit etwa 14.000 Personen. Aktionen der rheinland-pfälzischen PKK-Anhänger konzentrierten sich auf die Gebiete Mainz und Ludwigshafen am Rhein / Mannheim. So kam es beispielsweise in Mainz am 06. April 2017 zu einer Kundgebung anlässlich der Luftangriffe der Türkei in Sengal und Rojava und am 21. Oktober 2017 zu einer Kundgebung, in deren Rahmen das Ende der Isolationshaft von Abdullah Öcalan gefordert wurde. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten innerhalb des Gebiets Ludwigshafen am Rhein / Mannheim fanden regelmäßig in Mannheim statt. Auch in Koblenz wurden mehrere Veranstaltungen durchgeführt, so z.B. am 23. Juni 2017 ein Infostand, der den Gesundheitszustand von Öcalan thematisierte. Ausblick Das Verhalten der PKK-Anhängerschaft in Deutschland ist nach wie vor stark beeinflusst durch die aktuellen Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebieten. Bei einer weiteren Verschärfung der dortigen Lage, z.B. bei einer existenziellen 115 militärischen Bedrohung der PKK, ist von einem zunehmenden Emotionalisierungsgrad der unterschiedlichen türkischen politischen Lager auszugehen, der im Rahmen vielfältiger demonstrativer Veranstaltungen zu gewalttätigem Aktionismus führen könnte. 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 2017: 650 (2016: 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2016: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Listung durch EU als terroristische Organisation: seit 2002 Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi") verfolgt fortgesetzt die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei und strebt die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus an. In den letzten Jahren führte die DHKP-C zahlreiche terroristische Anschläge in der Türkei durch. Die in der Türkei verstärkt gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der DHKP-C setzten sich auch im Jahr 2017 fort. In Deutschland konzentriert sich die DHKP-C, unterstützt durch mehrere Umfeldorganisationen, vorwiegend auf Propagandaaktivitäten und Geldbeschaffung. Die Anhängerschaft zeigte sich weiterhin solidarisch mit ihren inhaftierten Mitgliedern ("revolutionäre Gefangene"), ebenso mit den DHKP-C-Attentätern in der Türkei. 116 Aktivitäten der DHKP-C und ihres Umfelds waren auch im Jahr 2017 in Rheinland-Pfalz nur marginal zu verzeichnen. Ausblick Die DHKP-C wird es auch in Zukunft darauf anlegen, in der Türkei terroristische Anschläge gegen türkische und US-amerikanische Einrichtungen zu verüben. In Deutschland dürfte sich die DHKP-C weiterhin friedlich verhalten und ihren sicheren Rückzugsraum nicht durch gewaltsame Aktivitäten gefährden. 117 118 VII. Spionageabwehr 119 1. Allgemeine Lage Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein prioritäres Ausspähungsziel fremder Nachrichtendienste. Dies belegt allein die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an den sogenannten Legalresidenturen24 fremder Staaten in Deutschland. Das Aufklärungsinteresse richtet sich wegen der verschiedenen Krisenherde in Europa sowie dem nahen und fernen Osten vor allem auf (militär-)politisch und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse Deutschlands und seiner Rolle in der EU und der NATO. Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus, mit dem Ziel, Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste zu gewinnen. Glossar der Behörden für Verfassungsschutz (Auszug) Weiterhin stehen die wissenschaftlich-technologischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland im Zielspektrum fremder Nachrichtendienste. Die Innovationskraft der in Rheinland-Pfalz ansässigen Forschungsund Bildungseinrichtungen sowie der wirtschaftliche Erfolg der hiesigen Unternehmen sind somit auch von Interesse für fremde Nachrichtendienste. Ziel der Spionage ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur Informationsgewinnung und des illegalen Gütertransfers, mitunter zu Zwecken der Wirtschaftsspionage und der Proliferation.25 24 Stützpunkt eines fremden Nachrichtendienstes, abgetarnt in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (z.B. Botschaft, Generalkonsulat, Presseagentur oder Fluggesellschaft) seines Landes im Gastland. 25 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-how. 120 Neben dem unverzichtbaren Einsatz menschlicher Quellen zur Informationsgewinnung setzen die Nachrichtendienste fremder Staaten vermehrt auf die Sammlung elektronischer Daten, die durch die zunehmende Vernetzung offen zugänglich sind oder durch Cyberattacken illegal beschafft werden. Durch die stetig wachsende Nutzung sogenannter smarter Technologien in allen Lebensund Arbeitsbereichen verschieben sich Informationen aus der realen in die virtuelle Welt und werden zu weltweit verfügbaren und von fremden Nachrichtendiensten begehrten Daten. Die sozialen Medien werden zur Beeinflussung von gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland benutzt. Auf diesem Weg versuchen fremde Nachrichtendienste zunehmend, mit Falschinformationen auf gesellschaftliche und politische Meinungsbildungsprozesse und indirekt auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Die Spionageabwehr geht gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach. Ziel ist es, illegale Aktivitäten fremder Mächte aufzuklären und zu verhindern. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Die russischen Nachrichtendienste haben den gesetzlichen Auftrag, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung zur Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. Dazu steht der Russischen Föderation ein großer nachrichtendienstlicher Apparat zur Verfügung. In nahtloser Fortsetzung des früheren sowjetischen Geheim121 dienstes KGB verfügen seine heutigen Nachfolger (der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB) nahezu über die gleichen, umfassenden Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt hierbei entweder direkt aus der Zentrale in Moskau oder über die Legalresidenturen. Logo des SWR Vermehrt kann festgestellt werden, dass die Russische Föderation versucht, unter Einbindung ihrer Nachrichtendienste Einfluss auf die deutsche Öffentlichkeit und gesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse auszuüben. Mit Falschinformationen zu Sicherheitsvorfällen wird versucht, die Bundesrepublik zu diskreditieren um die hier lebende russischsprachige Bevölkerung negativ zu beeinflussen. Ein Beispiel für diese Propagandaaktivitäten Russlands ist der Fall des "angeblich von Flüchtlingen vergewaltigten 13-jährigen Mädchens Lisa". Mit der Verbreitung von Falschinformationen sollte Stimmung gegen den Rechtsstaat und die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland gemacht werden. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen, die sogenannten fünf Gifte, vor. Hierzu gehören die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong26, die Mitglieder der Demokratiebewegung, die Befürworter der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Uiguren und Tibeter. Chinas Nachrichtendienste sind hierbei mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. 26 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt 122 Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"27 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt vorrangig in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Logo des MSS Seit 2016 mehren sich Hinweise auf Anwerbungsversuche chinesischer Nachrichtendienste über soziale Netzwerke. Bekannt geworden ist eine große Kampagne über LinkedIn. Mit sogenannten Fake-Profilen wurde hierbei versucht, in Deutschland u.a. hochrangige Beamte, Soldaten oder auch Parlamentarier zu kontaktieren und letztlich zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Bundesweit ist es bei mehr als 10.000 deutschen Staatsangehörigen zu solchen Kontaktversuchen gekommen. Mit ca. 200 identifizierten Betroffenen wurden vom Verfassungsschutz Gespräche geführt. Betroffene in Rheinland-Pfalz wurden vom rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz in persönlichen Gesprächen sensibilisiert. Im Berichtszeitraum haben Ausspähungsversuche des türkischen Nachrichtendienstes MIT in Deutschland stark zugenommen. Die innenpolitische Lage in der Türkei hat auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und somit auf die Spionageabwehr im Bund und in den Ländern. Der Putschversuch im Sommer 2016 in der Türkei führte dazu, dass die verschiedenen türkischen Lager hier ihre Konflikte offen austragen. Seit diesem Zeitpunkt registriert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz teilweiLogo des MIT se statuswidrige Aktionen des türkischen Nachrichtendienstes MIT und zahlreiche Einflussnahmen auf die türkischstämmige Gemeinschaft in Deutschland; 27 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10.06.1999. 123 Ausspähungen und Bespitzelungen zugunsten türkischer Nachrichtendienste finden statt. So haben Imame, die von der türkischen Religionsbehörde in DITIBMoscheen eingesetzt wurden, detaillierte Berichte mit Namenslisten an die konsularischen Vertretungen verfasst, in denen auf vermeintlich illoyale Gemeindemitglieder hingewiesen wurde. Der türkische Nachrichtendienst MIT hat deutschen Sicherheitsbehörden mehrfach Listen mit Namen türkischstämmiger Bürgerinnen und Bürger übermittelt. Die in den Listen erfassten Personen, sollen nach Ansicht türkischer Behörden Terrorunterstützer und Putschisten der Gülen-Bewegung sein. Von diesen gelisteten Personen sind einige in Rheinland-Pfalz wohnhaft. Deutlich wurde hierdurch, dass der MIT in Deutschland nachrichtendienstliche Informationen über Personen gesammelt hat. Von einzelnen Personen und Funktionsträgern türkischer Personenzusammenschlüsse in Rheinland-Pfalz werden seit dem Putschversuch teilweise offen und über soziale Netzwerke stetig Aufforderungen zur Denunziation von Gülen-Anhängern und Oppositionellen im Allgemeinen veröffentlicht, die den Aufrufen in türkischen Tageszeitungen ähneln. Wegen Spionage für den türkischen Geheimdienst MIT wurde ein kurdischer Journalist zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das Hamburger Oberlandesgericht sah es als erwiesen an, dass der angeklagte Türke für den türkischen Geheimdienst MIT gearbeitet hat. Der Angeklagte soll von Januar bis November 2016 die kurdische Szene in Deutschland, unter anderem in Bremen, ausgeforscht haben. Dafür habe er rund 20.000 Euro erhalten. Der 32-Jährige habe Kontakt zu einem Bremer Kurdenpolitiker aufgenommen, um ihn auszuspionieren. Der Mann war Mitte Dezember 2016 in Hamburg festgenommen worden. Auch andere Länder entfalten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland illegale geheimdienstliche Tätigkeiten. Die Geheimdienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika forcieren ihre Aktivitäten gegen Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. 124 Iranische Spionageaktivitäten in Deutschland Anfang 2018 fanden Durchsuchungen von Wohnungen und Geschäftsräumen mehrerer Personen statt, die im Verdacht stehen, im Auftrag einer dem Iran zuzurechnenden geheimdienstlichen Einheit Institutionen und Personen ausgespäht zu haben. Hierbei handelt es sich mutmaßlich um Angehörige der sogenannten Quds Force, einer Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgarden. Im Jahr 2017 verurteilte das Berliner Kammergericht in diesem Zusammenhang einen pakistanischen Staatsangehörigen, der über Jahre im Auftrag der "Quds Force" (pro-) jüdische beziehungsweise israelische Ziele ausgespäht hatte. Entführung durch vietnamesischen Geheimdienst Im Juli 2017 kam es in Berlin auf offener Straße zu einer Entführung eines vietnamesischen Staatsangehörigen. Hinter dieser Tat standen mutmaßliche Angehörige eines vietnamesischen Geheimdienstes, die das Tatopfer vermutlich über die vietnamesische Botschaft in Berlin nach Vietnam verbracht haben. Hintergrund sind Korruptionsvorwürfe gegen die betreffende Person, die als Geschäftsführer eines vietnamesischen Staatsunternehmens angeblich Gelder veruntreute und sich anschließend ins Ausland absetzte. Agententätigkeit für den indischen Geheimdienst Ein ehemaliger Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld wurde vor dem Berliner Kammergericht zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht befand ihn der Agententätigkeit für den indischen Geheimdienst und der Verletzung von Dienstgeheimnissen in 38 Fällen für schuldig. Der 58-Jährige deutsche Staatsangehörige übermittelte im Rahmen seiner Funktion bei der ZAB genaue Personendaten bestimmter Personen indischer Herkunft, vor allem von oppositionellen und extremistischen Sikhs, an Mitarbeiter eines indischen Geheimdienstes. Hierbei nutzte er das bundesweit vernetzte Personenregister der Zentralen Ausländerbehörden, um an personenbezogene Daten verschiedenster Arten zu gelangen. 125 2.2 Proliferation Ein wichtiger Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes ist die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten28, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologien sowie des dafür erforderlichen Know-hows zu gelangen. Da sie zur eigenen Entwicklung und Herstellung häufig nicht in der Lage sind, versuchen sie, sich notwendiges Wissen, Produkte und Güter u. a. mit geheimdienstlichen Methoden illegal zu beschaffen. Die rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbehörde ist im Zusammenwirken mit den deutschen Sicherheitsbehörden damit befasst, einschlägige Aktivitäten und Methoden zu erkennen und zu ihrer Verhinderung beizutragen. Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte am 16. Januar 2016, dass Iran seine wichtigsten Verpflichtungen aus der Atomvereinbarung erfüllt habe und in der Folge die E3+3 Staaten29 ihre Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben haben. Zuvor hatten sich die E3+3 Staaten und Iran auf technische Beschränkungen und Kontrollmechanismen geeinigt, die gewährleisten, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient und nicht für die Entwicklung von Nuklearwaffen verwendet werden kann. Die Vereinbarung betrifft ausschließlich das Nuklearprogramm; das iranische Trägerund Raketentechnologieprogramm ist davon nicht umfasst. Im Gegenzug sollen die seit 2006 gegen Iran verhängten Sanktionen schrittweise aufgehoben werden. Nachdem Iran die vereinbarten Rückbaumaßnahmen an seinem Atomprogramm vorgenommen und die internationale Atomenergiebehörde dies bestätigt hat, wurden nun die gegen das iranische Atomprogramm 28 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie atomare, biologische und chemische Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. 29 China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland sowie USA. 126 gerichteten VNund EU-Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben. Die USA haben ihre extraterritorial wirkenden Sanktionen gelockert. Iran kann nun wieder Öl und Gas exportieren und erhält Zugang zu seinen eingefrorenen Exporterlösen. Außerdem kann Iran internationale Finanzkanäle nutzen.30 Für weitere detaillierte Informationen zu den aktuellen Sanktionslockerungen und den weiterhin bestehenden Exportbeschränkungen wird auf das Merkblatt "Aktuelle Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran" verwiesen, welches auf der Homepage des Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle veröffentlicht wurde.31 2.3 Wirtschaftsspionage32 Die große Wirtschaftskraft mit zahlreichen innovativen Unternehmen und eine weltweite Anerkennung deutscher Wissenschaftsund Forschungsleistungen rücken die Bundesrepublik Deutschland ins Zentrum nachrichtendienstlicher Aufklärungsbestrebungen. Generell liegt der Fokus bei jeder Form von Wirtschaftsspionage darauf, Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen sowie bestehende Rückstände in der eigenen wissenschaftlichen bzw. technischen Entwicklung aufzuholen Neben anderen Staaten betreiben insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik China intensive Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik. Diese erfolgt unmittelbar bzw. mittelbar durch die jeweils zugehörigen Nachrichtendienste. Im Fokus der nachrichtendienstlichen Ausspähungsbemühungen stehen hier im speziellen Hochund Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaften und bei der Erschließung von zukunftsträchtigen Märkten von hoher Bedeutung sein können. 30 Quelle: Auswärtiges Amt. 31 Quelle: http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Iran/iran_node.html. 32 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 127 Der Nationale Volkskongress der VR China verabschiedete im März 2016 das "Konzept des 13. Fünfjahrprogramms für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung", welches in den Jahren 2016 bis 2020 umgesetzt werden soll. Als Schwerpunkte des Fünfjahrprogramms wurden u.a. Biound Medizintechnik, Elektromobilität, Luftund Raumfahrt, Umweltschutz und erneuerbare Energien gesetzt. Zur Erreichung der gesteckten Ziele werden auch die Nachrichtendienste der VR China eingebunden und mit Wirtschaftsspionage beauftragt. Nicht immer stehen die Nachrichtendienste im Vordergrund, vielmehr treten Staatsunternehmen als Akteure auf. Dies insbesondere, wenn Joint Ventures als Basis für gezielte Wirtschaftsspionage genutzt werden. Beispielsweise werden deutschen Unternehmen Joint Ventures angeboten um somit einen Marktzugang in China zu erreichen. Bereits zu Beginn der Verhandlungen werden Cyberattacken aus dem chinesischen IP-Raum auf das Firmennetzwerk festgestellt. Es folgen Delegationsbesuche, Einladungen der deutschen Firmenvertreter nach China, Abschlussverhandlungen und Vertragsunterzeichnungen. Die Operation wird seitens des chinesischen Partners auf die Zulieferer des deutschen Unternehmens ausgeweitet und endet möglicherweise mit einer vollständigen Indigenisierung33. Wie in den Vorjahren kam es auch im Jahr 2017 zu zahlreichen elektronischen Attacken auf Privatpersonen aber auch Wirtschaftsunternehmen. Zudem konnten erneut Angriffe auf Bundesund Landesbehörden festgestellt werden. Durch die weltweite, digitale Vernetzung und die vielfältigen Verschleierungstechniken innerhalb des Internets ist es oftmals unmöglich, die Urheber der Angriffe eindeutig zu identifizieren. Weiterhin demonstrieren die russischen Angreifer ihr technisches Know-how mit einer Bandbreite schwer zu detektierender Angriffsvektoren. Dazu gehören beispielsweise Links zu Seiten mit Schadcode, Phishing-Seiten oder infizierte legitime Webseiten. Im Zusammenhang mit den russischen Spionagebemühungen kann eine Verlagerung von Aktivitäten aus der realen in die virtuelle Welt festgestellt werden. Cyberspionageoperationen mit internationalem Ausmaß werden heute rus33 Aufkauf der Firmen und Produktionsstätten, Verlagerung nach China. 128 sischen Stellen zugeordnet. Dabei fließen nicht nur technische Aspekte in die Beurteilung des möglichen Angreifers ein, sondern auch die Zielauswahl des Cyberangriffes. 129 130 VIII. Geheimund Sabotageschutz 131 Die Bedeutung des Geheimund Sabotageschutzes für die Innere Sicherheit steht außer Frage. Es besteht seitens des Staates schließlich ein vitales Interesse, sensible Informationen und lebenswichtige Einrichtungen zu schützen. Daher dürfen beispielsweise Informationen, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder eines seiner Länder gefährden könnten, auch nur einem kleinen Personenkreis zugänglich gemacht werden. Um mögliche Sicherheitsrisiken zu minimieren, überprüft der Verfassungsschutz solche Personen nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz. Mit ihrem Einverständnis überprüft werden beispielsweise Bedienstete, die in Landesoder Kommunalbehörden mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen. Die gewachsene Zahl der Überprüfungen bestätigt, dass die Bedeutung des Geheimschutzes in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Einen gewichtigen Anteil machen dabei heute unter dem Eindruck der weltweit gestiegenen Gefährdung durch den internationalen Terrorismus die Überprüfungen von Personen nach dem Luftsicherheitsgesetz aus, die Zugang zu sicherheitskritischen Bereichen auf Flughäfen bekommen sollen. Zuverlässigkeit gilt gerade bei ihnen aus guten Gründen als Beschäftigungsvoraussetzung: Ziel ist der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Mit der Veröffentlichung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes vom 23. Februar 2017 wurde der zu überprüfende Personenkreis auch auf Personal in Luftwerften und Instandhaltungsbetrieben sowie in den an der sogenannten sicheren Lieferkette für Luftfracht beteiligten Unternehmen erweitert. Im Jahr 2017 wurden allein von der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz rund 3.050 Überprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz durchgeführt. Von Zuverlässigkeitsüberprüfungen betroffen ist seit Ende 2016 auch das Personal des privaten Bewachungsgewerbes. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften am 1. Dezember 2016 wurde die Gewerbeordnung ergänzt. Wer eine gewerbsmäßige Bewachungstätigkeit zum Schutz des Eigentums oder des Lebens einer fremden Person vor Eingriffen Dritter ausübt, benötigt seitdem einen Sachkundenachweis. Zur Zuverläs132 sigkeitsprüfung der im Bewachungsgewerbe tätigen Personen, zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünften, werden nun auch personenbezogene Anfragen an die Verfassungsschutzbehörde gestellt. 133 134 C. Anhang 135 I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Die Gesamtzahl der in Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 registrierten PMK-Straftaten sank gegenüber dem Vorjahr um 54 Fälle (-5,1 %) auf 999 Straftaten (2016: 1.053).34 Die Anzahl der Gewaltdelikte sank von 63 in 2016 auf 43 in 2017 (-31,7 %). Im Einzelnen (Auszüge Polizeiliche Kriminalstatistik RheinlandPfalz): I.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Rechtsextremismus Die Zahl politisch motivierter Straftaten - rechts - sank im Jahr 2017 in Rheinland-Pfalz auf 635 (2016: 693). Von den 635 registrierten Straftaten waren 424 (66,8 %) sogenannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2016: 387). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) sank auf 32 (2016: 51). In 28 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2016: 43). Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2017 2016 Gesamt 32 51 Körperverletzungen 28 43 Brandund Sprengstoffanschläge - 3 Andere Gewaltdelikte 4 5 I.2 Lagebild Strafund Gewalttaten Linksextremismus Die Zahl politisch motivierter Straftaten - links - sank im Jahr 2017 in RheinlandPfalz auf 69 Taten (2016: 79), die der darin enthaltenen Gewaltdelikte sank auf vier Taten (2016: acht). 34 Von den 999 PMK-Straftaten können 185 keinem der nachfolgend genannten Phänomenbereiche zugeordnet werden. 136 Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2017 2016 Gesamt: 4 8 Körperverletzungen 1 6 Brandund Sprengstoffanschläge 3 - Widerstandsdelikte - 1 Andere Gewaltdelikte - 1 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. I.3 Lagebild Strafund Gewalttaten politisch motivierte Ausländerkriminalität Insgesamt wurden 2017 im Bereich politisch motivierte Ausländerkriminalität (ausländische und religiöse Ideologie) in Rheinland-Pfalz 108 Straftaten gezählt, davon sechs Gewalttaten (2016: 69, davon vier Gewalttaten).35 II. Register Das Register enthält die Bezeichnungen der im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2017 genannten Gruppierungen, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und aufgrund dessen als extremistisch bezeichnet werden können. 35 Die gestiegene Gesamtzahl weist eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren aus, die auf Hinweisen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beruhen. Sie betreffen Flüchtlinge, die bei ihrer Befragung im Rahmen des Asylverfahrens angegeben haben, angeblich einer Terrororganisation zugehörig gewesen zu sein bzw. an Waffen ausgebildet geworden zu sein. Ein Teil dieser Ermittlungsverfahren wurde mittlerweile eingestellt, da sich die Angaben als unwahr herausgestellt haben. Offenkundig bedient man sich solcher bewusster Falschaussagen, um Vorteile im Asylverfahren zu erlangen. 137 Gruppierungen Seite A "Antifa Koblenz" 88 "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) 111 B "Bundesstaat Bayern" 79 D "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 54 "DIE RECHTE" 58 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 83 F "Freistaat Preußen" 78 G "Gruppe Freital" 44 H HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung") 103 "Heimatgemeinde Kaiserslautern" 80 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 104 I "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 63 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 107 J "Junge Nationalisten" (JN) 52 K "Kalifatsstaat" 105 "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" 67 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) 45 138 Seite M "Milli Görüs"-Bewegung 99 "Muslimbruderschaft" 107 N "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 45 O "Oldschool Society" (OSS) 44 R "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 116 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 53 139 III. Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 140 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) Vom 6. Juli 1998 Stand: zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22.12.2015 (GVBl. S. 461) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz 141 SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 142 Teil 1 Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse Allgemeine Bestimmungen zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Der Verfassungsschutz dient dem Schutz Begriffsbestimmungen der freiheitlichen demokratischen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Grundordnung, des Bestandes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Sicherheit des Bundes und der Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichteSS2 te Verhaltensweisen in einem oder für einen Verfassungsschutzbehörde Personenzusammenschluß, der darauf gerich(1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes tet ist, die Freiheit des Bundes oder eines dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dür2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des fen einander nicht angegliedert werden. Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für SS3 einen Personenzusammenschluß, der darauf Zusammenarbeit in Angelegenheiten gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren des Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist vererheblich zu beeinträchtigen; pflichtet, mit dem Bund und den Ländern in 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demoAngelegenheiten des Verfassungsschutzes zusamkratische Grundordnung menzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht politisch bestimmte, zielund zweckgeinsbesondere in gegenseitiger Unterstützung richtete Verhaltensweisen in einem oder und im Informationsaustausch sowie in der für einen Personenzusammenschluß, der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. darauf gerichtet ist, einen der in diesem (2) Die Behörden für Verfassungsschutz andeGesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu rer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes Für einen Personenzusammenschluß hannur im Einvernehmen, das Bundesamt für delt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachVerfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 1 des drücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Einzelpersonen, die nicht in einem oder für Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), einen Personenzusammenschluß handeln, sind zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938), nur im sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, in den anderen Ländern tätig werden, soweit diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in b oder c des Grundgesetzes stehen der Wahlen und Abstimmungen und durch beson143 dere Organe der Gesetzgebung, der voll4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der ziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Bundesrepublik Deutschland, die gegen den auszuüben und die Volksvertretung in Gedanken der Völkerverständigung (Artikel allgemeiner, unmittelbarer, freier, glei- 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedcher und geheimer Wahl zu wählen, liche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die soweit tatsächliche Anhaltspunkte für Bindung der vollziehenden Gewalt und der den Verdacht solcher Bestrebungen oder Rechtsprechung an Gesetz und Recht, Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung 3. das Recht auf Bildung und Ausübung und Auswertung von Informationen, insbeeiner parlamentarischen Opposition, sondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenSS6 über der Volksvertretung, Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 6. der Ausschluß jeder Gewaltund 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Willkürherrschaft und Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, 7. die im Grundgesetz konkretiGegenstände oder Erkenntnisse anversierten Menschenrechte. traut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, Teil 2 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verSS5 teidigungswichtigen Einrichtungen Beobachtungsaufgaben beschäftigt sind oder werden sollen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche zum Schutze von im öffentlichen Interesse demokratische Grundordnung, den Bestand geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, oder die Sicherheit des Bundes oder eines Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Landes gerichtet sind oder eine ungesetzKenntnisnahme durch Unbefugte sowie liche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, SS7 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstUnterrichtung der Landesregierung liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik und der Öffentlichkeit Deutschland für eine fremde Macht, (1) Die Verfassungsschutzbehörde unter3. Bestrebungen in der Bundesrepublik richtet die Landesregierung regelmäßig Deutschland, die durch Anwendung und umfassend über Art und Ausmaß von von Gewalt oder darauf gerichteBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5. te Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder Deutschland gefährden, und der fachlich zuständige Minister unterrich144 tet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und SS 10 Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Besondere Befugnisse Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach und Gegenstände einschließlich technischer Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. für das Verständnis des Zusammenhanges oder Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesonder Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten dere der Einsatz von verdeckt eingesetzten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige und Gewährspersonen, das Anwerben Interesse der betroffenen Person überwiegt. und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Teil 3 Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift SS8 zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Allgemeine Rechtsgrundsätze Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde wozu insbesondere das heimliche Mithören oder diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinöffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur paroder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen (3) Polizeiliche Befugnisse oder des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477), zuletzt stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege Dezember 2015 (GVBl. S. 461), BS 12-1, gebilder Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, deten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist zu denen sie selbst nicht befugt ist. unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die Verarbeitung der SS9 durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen persoAllgemeine Befugnisse nenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 die nach zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938). Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verar(3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes beiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. 145 (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend Mittel ist zur Erhebung personenbezobeurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt gener Daten nur zulässig, wenn ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den ausgeschlossen werden kann. Die nach Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten dem Landesgesetz zur parlamentarischen nach SS 5 oder dafür vorliegen, daß die Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, zur Erforschung solcher Erkenntnisse Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete erforderlichen Nachrichtenzugänge Kommission ist über die Gründe, die einer gewonnen werden können, Mitteilung entgegenstehen, zu unterrich2. er sich gegen Personen richtet, von denen ten; hält sie eine Mitteilung für geboten, auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzuso ist diese unverzüglich zu veranlassen. nehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen SS 10 a entgegennehmen oder weitergeben oder Weitere Einzelfallbefugnisse sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt (1) Die Verfassungsschutzbehörde zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfoldarf im Einzelfall bei Kreditinstituten, gen, um auf diese Weise Erkenntnisse über Finanzdienstleistungsinstituten und sicherheitsgefährdende oder geheimFinanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte dienstliche Tätigkeiten für eine fremde zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Macht oder gewalttätige Bestrebungen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, Beteiligten und zu Geldbewegungen und 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung und Mitarbeiter, Einrichtungen, ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforGegenstände und Nachrichtenzugänge der derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für Verfassungsschutzbehörde gegen sicherschwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 heitsgefährdende oder geheimdienstliche Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte und der hieraus gewonnenen Informationen zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme zwingend erforderlich ist. von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordie Erforschung des Sachverhaltes auf andere, derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für Betroffene weniger beeinträchtigende Weise mögschwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 lich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im werden kann. Der Einsatz eines nachrichtenEinzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS dienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzügPersonen und Unternehmen, die geschäftslich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder mäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht bei denjenigen, die an der Erbringung dieser oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. 2 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 146 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. von Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 an 1 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die die Betroffenen findet das Landesgesetz zur pargeschäftsmäßig Telekommunikationsdienste lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen und Teledienste erbringen oder daran mitdes Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses wirken, unentgeltlich Auskünfte über entsprechende Anwendung. Telekommunikationsverbindungsdaten und (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft Teledienstenutzungsdaten einholen. Die selbst dürfen den Betroffenen oder Dritten vom Auskünfte können auch in Bezug auf zukünfAuskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. tige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt wer(7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 den. Telekommunikationsverbindungsdaten bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 und Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichStandortkennungen sowie Rufnummer oder tet über die durchgeführten Maßnahmen nach Kennung des anrufenden und angerufenen den Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Anschlusses oder der Endeinrichtung, Kontrollgremium des Bundes unter entspre2. Beginn und Ende der Verbindung chender Anwendung des SS 8b Abs. 3 Satz 1 nach Datum und Uhrzeit, Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Berichte nach SS 8 b Abs. 3 Satz 2 3. Angaben über die Art der vom Kunden in des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Einsatz technischer Mittel zur Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. Überwachung von Wohnungen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondeG10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. re einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, 3 des Landesgesetzes zur parlamentarischen technische Mittel zur optischen und akustischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise zu begründen. Über den Antrag entscheidet die aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Leiterin oder der Leiter oder die stellvertretende Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließden Verfassungsschutz zuständigen Abteilung lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen erforderlich erscheint und des Ministeriums des Innern, für Sport und vom Leiter der Verfassungsschutzbehörde Infrastruktur. Die fachlich zuständige Ministerin oder seinem Vertreter angeordnet ist. oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur par(2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich lamentarischen Kontrolle von Beschränkungen nur gegen eine Person richten, gegen die aufdes Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses grund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht gebildete Kommission über die beschiedenen von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug besteht. Gleiches gilt für eine Person, die mit kann die fachlich zuständige Ministerin oder der einer Person im Sinn von Satz 1 in einer Weise fachlich zuständige Minister den Vollzug der in Verbindung steht, die aufgrund konkreter Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung Tatsachen die Annahme rechtfertigt, dass sie in der Kommission anordnen. Für die Aufgaben und einem objektiven Bezug zu den in SS 5 genannten Befugnisse der Kommission sowie die Mitteilung Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht 147 (Kontaktoder Begleitperson). Die Maßnahme Räumlichkeit und des Verhältnisses der überwachdarf im Übrigen auch durchgeführt werden, wenn ten Personen zueinander, anzunehmen ist, dass andere Personen unvermeidbar betroffen werden. durch die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung (3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der zuzurechnen sind. Die Maßnahme ist unverin Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen züglich zu unterbrechen, soweit sich während durchgeführt werden. Wohnungen anderer der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte Personen dürfen nur überwacht werden, wenn dafür ergeben, dass Inhalte oder Handlungen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich erfasst werden, die dem Kernbereich privater eine Person nach Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufLebensgestaltung zuzurechnen sind. Bestehen hält und die Überwachung der Wohnung allein insoweit Zweifel, darf nur eine automatisiert dieser Person zur Erforschung des Sachverhalts erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt werden. nicht Erfolg versprechend erscheint. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz 3 (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur 1 Satz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 durch das Gericht angeordnet werden. Bei unterbrochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Verfassungsschutzbehörde oder sein Vertreter (7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und den Einsatz technischer Mittel anordnen; eine 53 a der Strafprozessordnung geschütztes richterliche Entscheidung ist unverzüglich Vertrauensverhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt nachzuholen. Soweit die Anordnung des Leiters entsprechend. Satz 1 findet keine Anwendung, der Verfassungsschutzbehörde oder seines sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, Vertreters nicht binnen drei Tagen durch das dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person Gericht bestätigt worden ist, tritt sie außer Kraft; selbst im Verdacht von Bestrebungen oder bereits erhobene Daten dürfen nicht verwertet Tätigkeiten nach SS 5 steht oder eine Kontaktwerden und sind unverzüglich zu löschen. oder Begleitperson (Absatz 2 Satz 2) ist. (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die zu überwachende Wohnung und die Person, gegen SS 10 c die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeichBesondere Bestimmungen für nen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorMaßnahmen nach SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu (1) Daten aus dem Kernbereich privater bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen Lebensgestaltung oder aus Eingriffen entgegen Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils SS 10 b Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. einen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse Daten und der Löschung sind zu dokumentiefortbestehen. In der Begründung der Anordnung ren. Die Dokumentation ist zu löschen, wenn sind die Voraussetzungen und die wesentlichen sie für Zwecke einer etwaigen gerichtlichen Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen Überprüfung nicht mehr erforderlich ist. Soweit die die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr Verarbeitung von Daten nach SS 10 b der gerichtvor, so sind die aufgrund der Anordnung ergriflichen Kontrolle unterliegt, fällt sie nicht in die fenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insnach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum besondere hinsichtlich der Art der überwachten Zweck der Abwehr von Gefahren für die öffentliche 148 Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitso verbunden, dass eine Trennung nicht oder liche demokratische Grundordnung, ist zulässig, nur mit unvertretbarem Aufwand möglich wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im zulässig; eine Verwendung dieser Daten ist Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden (3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Stelle, der die Befähigung zum Richteramt Verfassungsschutzbehörde ihren Sitz hat. Für hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren. das Verfahren gelten die Bestimmungen des (8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung und in den Angelegenheiten der freiwildes der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks ligen Gerichtsbarkeit entsprechend. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie gewonnenen personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen. Soweit die Löschung zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die durch diese aufrechtzuerhalten. Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem Zweck verwendet werden; sie sind (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde entsprechend zu sperren. Die Löschung ist aktenoder sein Vertreter kann anordnen, dass bei kundig zu machen. Die Akten sind gesondert der Übermittlung auf die Kennzeichnung nach aufzubewahren, durch technische und organisaAbsatz 4 verzichtet wird, soweit und solange torische Maßnahmen zu sichern und am Ende des dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungsmaßnahme nicht zu Kalenderjahres, das dem Jahr der Löschung folgt, gefährden und das Gericht zugestimmt hat. Bei zu vernichten. SS 11 Abs. 5 gilt entsprechend. Gefahr im Verzug kann die Anordnung bereits (9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen vor der Zustimmung getroffen werden. Wird gelten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung der Maßgabe, dass die Zurückstellung der durch den Übermittlungsempfänger unverBenachrichtigung der gerichtlichen Entscheidung züglich nachzuholen; die übermittelnde bedarf, sofern eine Benachrichtigung nicht Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. binnen sechs Monaten nach Beendigung (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b der Maßnahme erfolgt ist. Über die Dauer erhobene personenbezogene Daten an öffentliche der weiteren Zurückstellungen, die zwölf Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach für die öffentliche Sicherheit, insBeendigung der Maßnahme getroffen werden. besondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, oder 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Teil 4 nach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. Datenverarbeitung SS 11 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu Erhebung, Speicherung und Nutzung dem sie ihm übermittelt wurden. personenbezogener Daten (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung übermittelt werden dürfen, weitere Daten ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, des Betroffenen oder eines Dritten in Akten in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 149 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (5) Personenbezogene Daten, die ausschließVerdacht von Bestrebungen oder lich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer 2. dies für die Erforschung und Bewertung Datenverarbeitungsanlage gespeichert wervon Bestrebungen oder Tätigkeiten den, dürfen für andere Zwecke nur insoweit nach SS 5 erforderlich ist oder verarbeitet werden, als dies zur Abwehr 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben erheblicher Gefährdungen der öffentlichen nach SS 6 erforderlich ist. Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SSSS 5 und 6 dienen sollen, müssen durch Berichtigung, Löschung und Sperrung Akten oder andere Datenträger belegbar sein. personenbezogener Daten (2) Daten über Personen, bei denen keine tat(1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in sächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten gespeicherte personenbezogene Daten zu im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, 1. dies für die Erforschung von daß in Akten gespeicherte personenbezogene Bestrebungen oder Tätigkeiten im Daten unrichtig oder unvollständig sind. Sinne des SS 5 erforderlich ist, (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien 2. die Erforschung des Sachverhaltes im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte auf andere Weise aussichtslos oder personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre wesentlich erschwert wäre und Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der die Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 betroffenen Person nicht entgegenstehen. nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen Informationen personenbezogenen Daten entsprechenden Akten untrennbar verbunden sind. Daten, die für das oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn Verständnis der zu speichernden Informationen eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhin erforlöschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht derlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonlich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. stige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde (3) Werden personenbezogene Daten bei die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall festBetroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der stellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur perso(3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der nenbezogene Daten über die Personen gespeichert Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetwerden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung zenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 unterliegen oder in diese einbezogen werden. und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den 150 Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Informationen nicht aus allgemein zugänglichen 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte oder nur durch eine die Betroffenen stärker belapersonenbezogene Daten über Bestrebungen und stende Maßnahme erhoben werden können. Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konspätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der krete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS letzten gespeicherten relevanten Information 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Übermittlung personenbezogener Informationen Abteilung des Ministeriums des Innern, für Sport oder Informationsbestände von öffentlichen und Infrastruktur stellt im Einzelfall fest, daß die Stellen des Landes und der kommunalen weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung schutzerforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgewürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. fährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf SS 13 gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die Informationsübermittlung an die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Verfassungsschutzbehörde Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange kommunalen Gebietskörperschaften übermitder Bundesrepublik Deutschland gefährden oder teln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde gegen den Gedanken der Völkerverständigung Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung oder das friedliche Zusammenleben der Völker zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien durch Anwendung von Gewalt oder darauf und sonstigen Informationsbestände nehmen, gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennsoweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich ten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen erforderlich ist und durch eine andere Art der Stellen des Landes und der kommunalen Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet Gebietskörperschaften von sich aus auch alle oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen würden. Die Übermittlung personenbezogener einschließlich personenbezogener Daten überDaten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort mitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächEinzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde liche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die festzulegende Merkmale zu beschränken. Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der (4) Die Übermittlung personenbezogener Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworAngelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung den sind, ist für Zwecke der Aufgabenerfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erfordernach diesem Gesetz nur dann zulässig, wenn lich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, und der kommunalen Gebietskörperschaften dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel Informationen und die Vorlage von Unterlagen ver10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht langen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. 151 SS 14 die Übermittlung zur Abwehr einer im Informationsübermittlung durch die Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr Verfassungsschutzbehörde oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an von Verbrechen, für deren Vorbereitung öffentliche Stellen personenbezogene Daten konkrete Hinweise vorliegen, dient, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf Erfüllung der Aufgaben der empfangenden personenbezogene Daten nur zu dem Zweck Stelle erforderlich ist und diese die personutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, nenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, (2) Zu anderen Zwecken darf die Gesundheit oder Freiheit einer Person Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzoder dem Schutz von Sachen von bedeulich nichts anderes bestimmt ist, personentendem Wert oder der Gewährleistung bezogene Daten nur übermitteln an der Sicherheit von lebensoder verteidi1. die Dienststellen der gungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Stationierungsstreitkräfte im Rahmen Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dienen und dies mit den Aufgaben dem Abkommen zwischen den Parteien der Verfassungsschutzbehörde nach des Nordatlantikvertrages über die den SSSS 5 und 6 vereinbar ist. Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des der in der Bundesrepublik Deutschland staBundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die tionierten ausländischen Truppen vom 3. Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der -), zuletzt geändert durch Abkommen vom staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), den Polizeibehörden des Landes Informationen 2. die Staatsanwaltschaften und die einschließlich personenbezogener Daten unter den Polizeibehörden zur Verfolgung von Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. der Strafprozeßordnung und SS 131 des (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und auf begründete Anfrage von öffentlichen sonstigen Straftaten im Rahmen der orgaStellen des Landes und der kommunalen nisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich sind die in den SSSS 74a und 120 des personenbezogener Daten aus vorhandenen Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren Motivs der Täterin oder des Täters oder und in den Fällen, in denen dies durch eine der Verbindung zu einer Organisation Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliewird. Die Auskunft muß zur Erfüllung der Aufgaben gen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, Bundesverfassungsschutzgesetzes dem soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, Bundesnachrichtendienst und dem wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der Militärischen Abschirmdienst Informationen empfangenden Stelle erforderlich ist und einschließlich personenbezogener Daten. 152 (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbeoder des fachlich zuständigen Ministers zogene Daten an ausländische Nachrichtendienste oder der Leiterin oder des Leiters der für den angrenzender Staaten, an andere ausländische Verfassungsschutz zuständigen Abteilung öffentliche Stellen sowie an überund zwides Ministeriums des Innern, für Sport und schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Infrastruktur. Sie ist aktenkundig zu machen. Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweiden SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher sen, daß die übermittelten personenbezogenen Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle Daten nur zu dem Zweck genutzt werden erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen und daß die Verfassungsschutzbehörde sich mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie vorbehält, Auskunft über die Nutzung der unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtipersonenbezogenen Daten zu verlangen. ge Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist SS 15 aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Übermittlungsverbote ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, wenn genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde 1. überwiegende schutzwürdige Interessen sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der der Betroffenen dies erfordern, personenbezogenen Daten zu verlangen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen (6) Personenbezogene Daten dürfen an dies erfordern, insbesondere Gründe nichtöffentliche Stellen nicht übermitdes Quellenschutzes, des Schutzes telt werden, es sei denn, dies ist operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes 3. besondere gesetzliche Übermittlungsreoder der Sicherheit der Bundesrepublik gelungen entgegenstehen; die VerDeutschland oder eines ihrer Länder pflichtung zur Wahrung gesetzlicher oder zur Gewährleistung der Sicherheit Geheimhaltungspflichten oder von Berufsvon lebensoder verteidigungswichoder besonderen Amtsgeheimnissen, tigen Einrichtungen im Sinne des die nicht auf gesetzlichen Vorschriften Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, beruhen, bleibt unberührt. 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher SS 16 Tätigkeiten für eine fremde Macht, Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheim(1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach dienstlichen Tätigkeiten oder vor ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen der planmäßigen Unterwanderung dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichvon Wirtschaftsunternehmen durch tig, so sind sie unverzüglich gegenüber der die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei genannten Bestrebungen oder denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Freiheit oder Vermögen einer Person Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten erforderlich. Die Übermittlung bedarf der personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß 153 sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und wenn die Trennung von anderen personenbeauf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. zogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben Über personenbezogene Daten in nichtautomaerforderlich sind, nicht oder nur mit unvertrettisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person barem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft die personenbezogenen Daten zu sperren. nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen SS 17 Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Minderjährigenschutz Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit von Minderjährigen vor Vollendung des 14. 1. durch sie eine Gefährdung der Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfaßten oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung Landes Nachteile bereiten würde oder zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. überwiegenden berechtigten Interessen (3) Personenbezogene Daten über das Dritter geheimgehalten werden müssen. Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermitDie Entscheidung trifft die Leiterin oder telt werden, solange die Voraussetzungen der der Leiter der für den Verfassungsschutz Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese zuständigen Abteilung des Ministeriums Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine des Innern, für Sport und Infrastruktur Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr oder hierzu besonders Beauftragte. einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenLebensjahres dürfen nach den Bestimmungen diekundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung ses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz SS 18 und die Informationsfreiheit wenden können. Auskunft an Betroffene Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeiErkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde cherte Daten sowie über den Zweck und die zulassen, sofern diese nicht einer weiterRechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag gehenden Auskunft zugestimmt hat. 154 SS 19 Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverDatenschutzkontrolle züglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche Der oder dem Landesbeauftragten für den gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Datenschutz und die Informationsfreiheit ist Kontrollkommission ausscheidet. auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft SS 21 zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten Befugnisse der Parlamentarischen und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit Kontrollkommission nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der feststellt, daß dadurch die Sicherheit des fachlich zuständige Minister unterrichtet die Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde Teil 5 und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Parlamentarische Kontrolle Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz 1 und, soweit richterlich SS 20 überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Parlamentarische Kontrollkommission Satz 2 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zustänüber Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und digen Ministerin oder dem fachlich zustänKosten der im Berichtszeitraum durchgeführten digen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiund die umfassende Unterrichtung der ner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur Parlamentarischen Kontrollkommission verparlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen langen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. gebildeten Kommission bleiben unberührt. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Parlamentarischen Kontrollkommission werden besteht aus drei Mitgliedern, die vom unter Beachtung des notwendigen Schutzes Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit des Nachrichtenzugangs durch die politische seiner Mitglieder gewählt werden. Die Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin Parlamentarische Kontrollkommission wählt oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Teil 6 Kontrollkommission sind geheim. Ihre Schlußbestimmungen Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im SS 22 Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde fin(4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag den SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des oder seiner Fraktion aus, so verliert es seiLandesdatenschutzgesetzes keine Anwendung ne Mitgliedschaft in der Parlamentarischen 155 SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25* Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) 156 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 157 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Satz und Grafik Titel: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Druck: Druckhaus Optiprint GmbH Der Verfassungsschutzbericht 2017 ist auch über das Internet abrufbar unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 158 MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de