MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2016 Titelbild: Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2016 ISSN 0948-8723 1 2 Vorwort Das Jahr 2016 hat uns sicherheitspolitisch besonders gefordert; terroristische und extremistische Gefahren blieben nicht abstrakt. Dies dokumentieren Taten mutmaßlicher Islamisten wie die Messerattacke auf Reisende in einer Regionalbahn bei Würzburg am 18. Juli 2016, der Sprengstoffanschlag im bayerischen Ansbach am 24. Juli und vor allem der Terroranschlag in Berlin am 19. Dezember, bei dem 12 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt wurden. In Ludwigshafen scheiterte der Versuch eines Zwölfjährigen, eine selbstgefertigte Nagelbombe während des Weihnachtsmarkts zur Detonation zu bringen. Und auch die tödlichen Schüsse einer Person aus dem "Reichsbürger"-Milieu auf einen Polizeibeamten im bayerischen Georgensmünd am 19. Oktober 2016 dürfen nicht unerwähnt bleiben. Die leidvollen Folgen von Terrorismus und Extremismus lösten in der Bevölkerung wie auch in der Politik große Betroffenheit, aber auch Nachdenklichkeit aus. Dabei ist für alle, die sicherheitspolitische Verantwortung tragen, eines klar: Es gilt, den aktuellen Herausforderungen konsequent und offensiv zu begegnen. In diesem Sinne hat die Landesregierung die jüngeren Ereignisse - so insbesondere den Terroranschlag in Berlin und den Anschlagsversuch in Ludwigshafen - zum Anlass genommen, die Sicherheitskonzepte nochmals auf den Prüfstand zu stellen und sie lageangepasst weiterzuentwickeln. In diesem Zuge wurde auch für die Jahre 2017/2018 eine personelle Verstärkung des Verfassungs- 3 schutzes beschlossen, die der Entwicklung angemessen Rechnung trägt. Die Gründe für diesen Schritt liegen auf der Hand: Nachdem in den zurückliegenden Jahren und Monaten vor allem unsere Nachbarländer Frankreich und Belgien von schweren Anschlägen betroffen waren, geriet mit dem Terroranschlag in Berlin auch Deutschland in das Zentrum des Geschehens. Vorausgegangen waren die Taten von Würzburg und Ansbach sowie zunehmende Drohungen in einschlägigen islamistischen Propagandamedien. Die Sicherheitsbehörden stehen bereits seit geraumer Zeit vor immensen Herausforderungen. Zu nennen ist hierbei vor allem der internationale, islamistisch geprägte Terrorismus, der in den vergangenen Jahren verstärkt nach Westeuropa vorgedrungen ist. Über die digitalen Medien verbreiten Terrororganisationen ihre Propaganda, die auf ein Feindbild Westen, die Verherrlichung von Gewalt und die Rekrutierung neuer Anhänger ausgerichtet ist. Mehr noch, Organisationen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) bilden in Syrien und Irak Kämpfer aus. Einige von ihnen sind bereits in Europa zum Einsatz gekommen und werden mittels digitaler Kommunikationsmedien bis zur Begehung von Anschlägen gesteuert. In seiner Funktion als Frühwarnsystem kommt dem Verfassungsschutz insoweit die wichtige Aufgabe zu, islamistische Radikalisierungserscheinungen bei Einzelpersonen und Personengruppen rechtzeitig zu erkennen, Gefährdungssachverhalte festzustellen und bei einer Gefahrenrelevanz die Polizei als Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörde zu unterrichten. Auch der Rechtsextremismus forderte im Jahr 2016 Staat und Gesellschaft weiter heraus. Wenngleich sich der noch 2015 verzeichnete erhebliche Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte glücklicherweise nicht mehr fortsetzte, blieb die Zahl dieser Delikte insgesamt sehr hoch. Fremdenfeindliche Hetze, das Schüren von Ängsten und die Agitation gegen den demokratischen Staat, seine Repräsentanten und gegen Andersdenkende wurden unvermindert fortgeführt. Für alle Demokratinnen und Demokraten bedeutet dies, im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht nachzulassen; es darf den braunen Verführern nicht gelingen, die Gesellschaft zu spalten oder gar politischen Einfluss auszuüben. 4 Die Landesregierung trägt dem Umstand weiter Rechnung und hält konsequent an ihrem Kurs gegen Rechts fest. Als eine extremistische Erscheinungsform eigener Art, mit einer verhältnismäßig kleinen Schnittmenge zum Rechtsextremismus, ist im Jahr 2016 zunehmend das "Reichsbürger"-Spektrum in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und der Sicherheitsbehörden geraten. Insbesondere die Tat von Georgensmünd dokumentiert die Gewaltaffinität, die sich in Teilen dieses heterogenen Spektrums offenkundig entwickelt hat. Die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden sind sensibilisiert. Der Verfassungsschutz beobachtet und analysiert die Szene mit Hochdruck. Auf der Grundlage seiner Auswertungsergebnisse werden umfängliche Maßnahmen konzipiert und fortentwickelt, die dem Treiben der "Reichsbürger"-Kreise wirksam Einhalt gebieten sollen. Hiervon soll nicht zuletzt die öffentliche Verwaltung profitieren, die in erster Linie Ziel von "Reichsbürger"-Aktivitäten ist. Wenngleich linksextremistische Bestrebungen in Rheinland-Pfalz auch 2016 im Vergleich mit anderen Ländern weniger stark ausgeprägt waren, blieb das Spektrum weiter im Blick des Verfassungsschutzes. Dies gilt vor allem für gewaltorientierte Linksextremisten, die unter vermeintlichem "Antifaschismus" letztendlich auch gegen den demokratischen Rechtsstaat agitieren und agieren. Ungeteilte Aufmerksamkeit forderten zudem die Bestrebungen nichtislamistischer extremistischer Ausländer. Es besteht fortwährend die latente Gefahr, dass sich in den Herkunftsräumen ausgetragene politische Konflikte und gewaltsame Auseinandersetzungen auch auf Drittländer wie die Bundesrepublik Deutschland auswirken. Auch die Spionageabwehr stellt nach wie vor eine zentrale Herausforderung für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz dar. Im Fokus fremder Nachrichtendienste stehen vor allem (militär-)politisch und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse des Westens. Dabei rücken die wissenschaftlich-technologischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland immer stärker in ihrem Fokus. Gezielte elektronische Angriffe spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes wird die Sensibilisierung und Beratung 5 rheinland-pfälzischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz fortgeführt und intensiviert. Roger Lewentz Minister des Innern und für Sport 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 II. Verfassungsschutzbericht 2016 12 III. Strukturdaten 13 IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit 13 1. Extremismusprävention 14 1.1 Programme gegen Rechtsextremismus 15 1.2 Programme gegen Islamismus 17 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft 18 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen I. Rechtsextremismus 20 1. Überblick 20 2. Personenpotenzial 23 3. Rechtsextremistisches Spektrum 23 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus 24 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 26 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) 27 "Kameradschaften" 28 3.4 Rechtsextremistische Parteien 29 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 29 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 36 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 37 7 3.4.2 "Der III. Weg" 37 3.4.3 "Die Rechte" 41 4. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 43 5. Rechtsextremistische Musik 47 II. "Reichsbürger"-Spektrum 50 III. Linksextremismus 54 1. Überblick 54 2. Linksextremistisches Personenpotenzial 55 3. Gewaltorientierter Linksextremismus 55 3.1 Autonome 56 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 57 IV. Islamismus 61 1. Überblick 61 2. Islamistisches Personenpotenzial 62 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des Islamismus und des Jihadistischen Terrorismus 62 3.1 International 62 3.2 Bundesrepublik Deutschland 63 3.2.1 Anschläge und Anschlagsversuche 63 3.2.2 Reisebewegungen 65 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Die wahre Religion" 66 3.2.4 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern 66 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 67 4.1 Salafistische Bestrebungen 68 4.2 HAMAS / "Islamische Widerstandbewegung" 70 4.3 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 71 8 4.4 "Kalifatsstaat" 72 4.5 "Muslimbruderschaft" 73 V. Sicherheitsgefährdende und extremistische 74 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick 74 2. Personenpotenzial 75 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) - PKK 75 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 79 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 80 VI. Spionageabwehr 82 1. Aufgabe und allgemeine Lage 82 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 83 2.1 Spionage 83 2.2 Proliferation 87 2.3 Wirtschaftsspionage 89 VII. Geheimschutz 92 1. Allgemeines 92 2. IT-Sicherheit/Cyber-Sicherheit 93 C. Anhang I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 95 II. Register 96 III. Rechtliche Grundlagen 99 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 9 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Verfassungsschutzbehörde in Rheinland-Pfalz ist das Ministerium des Innern und für Sport, dort eingerichtet als Abteilung 6. Als "Frühwarnsystem" hat der Verfassungsschutz den gesetzlichen Auftrag, insbesondere alle politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen zu beobachten und auszuwerten, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen - vereinfacht gesagt, die zum Ziel haben, die bestehende Verfassungsordnung zu beseitigen (vgl. SSSS 4 und 5 Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG). Diese Bestrebungen werden gemeinhin als verfassungsfeindlich oder extremistisch bezeichnet. Vom gesetzlichen Beobachtungsauftrag nicht umfasst sind hingegen radikale Bestrebungen oder Verlautbarungen sowie bloße Meinungsbekundungen und politische Einstellungen. Entsprechende Äußerungen, erst recht populistische, mögen provokativ und polemisch sein; gleichwohl sind sie von der grundgesetzlich verbürgten Meinungsfreiheit gedeckt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen beschränken, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) fokussierten Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind wichtige Beiträge für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und im Einzelfall Grund11 lage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz in einem nicht geringen Maße aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und auf der Basis der einschlägigen gesetzlichen Regularien - nachrichtendienstliche Mittel zur verdeckten Informationsbeschaffung ein (z.B. Vertrauenspersonen). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer vielschichtigen Kontrolle. Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der Kommission auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz umfassende Kontrollrechte. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2016 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird demnach nur zu Organisationen (d.h. Beobachtungsobjekten) berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. 12 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht in jedem Fall erforderlich sind. Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2016. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Der vom Landtag Rheinland-Pfalz beschlossene Haushaltsplan der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz weist für 2016 insgesamt 165 Stellen (2017: 184) aus. Das Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2016 betrug 1.373.200 EUR und 655.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit Unter der Prämisse weitmöglichster Transparenz betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit informiert, so durch jährliche Verfassungsschutzberichte. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiede13 nen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einem gesetzlichen Auftrag Folge. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen. Bei Interesse kann Kontakt aufgenommen werden unter: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Abteilung Verfassungsschutz Tel.: 06131/16-3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. 1. Extremismusprävention Repression allein trocknet den Nährboden für Extremismus nicht aus. Daher wird in Rheinland-Pfalz großer Wert auf eine frühzeitige, dauerhafte und vielgestaltige Prävention gelegt. Die Prävention beginnt etwa bei der Verbesserung von Lebenssituationen durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, nicht zuletzt weil Menschen in prekärer Lage zu den bevorzugten Zielgruppen extremistischer Agitation gehören. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, ihre Toleranz gefördert, damit 14 sie die Gefahren von menschenverachtenden Ideologien erkennen und ihnen begegnen können. Zu den wichtigen Bausteinen der Prävention zählen zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement sowie die Festigung und Verstetigung der Integration. Dabei spielt aktuell auch die sachgerechte und umfassende Information über die Themen Asylund Flüchtlingspolitik eine hervorgehobene Rolle. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über extremistische Umtriebe abgerundet. 1.1 Programme gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!) # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial oder Konzertveranstaltungen werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch wird der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 4546 000) und über ein Internetportal 15 (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen HotlineNummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte des Landes gegen Rechtsextremismus. Gezielt wird über rechtsextremistische Umtriebe informiert, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch, wenn "nur" von einer abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" hat die Präventionsagentur auch im Jahr 2016 vor allem die Beratung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fortgeführt. Die Präventionsagentur steht dabei Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der 16 Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit rechtsextremistischem Bezug in Landkreisen, Städten und Gemeinden, werden diese, auf Wunsch auch vor Ort, individuell und kompetent beraten. 1.2 Programme gegen Islamismus Der Ministerrat hat am 29. September 2015 das "Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in Rheinland-Pfalz" beschlossen. Es wurde unter Federführung des Jugendministeriums in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, dem Bildungsministerium und Justizministerium erarbeitet. Ausgangspunkt für diesen ressortübergreifenden Ansatz war die Überzeugung, dass die Komplexität des Islamismus ein Präventionskonzept erfordert, in dem die Expertise unterschiedlicher Behörden gebündelt ist. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der allgemeinen und spezifischen Prävention einerseits und einer Beratungsstelle zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung und einzelfallbezogener Intervention andererseits. Die Koordinierung der Präventionsprojekte obliegt dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Der Verfassungsschutz leistet im Bereich der allgemeinen Prävention einen Beitrag, indem er Informationen zum Phänomenbereich Islamismus zur Verfügung stellt: # im Internet unter www.mdi.rlp.de, # mit der Broschüre "Salafistische Radikalisierung - Ursachen und Auswege", die gemeinsam mit der Polizei erstellt wurde, # im Rahmen von Fachvorträgen vor unterschiedlichen Zielgruppen. Seit dem 15. März 2016 existiert in Rheinland-Pfalz die Beratungsstelle "Salam" mit folgenden Aufgaben: # Beratung von Angehörigen und pädagogischen Einrichtungen, # Beratung und Deradikalisierung von Radikalisierten im frühen Stadium, # Ausstiegshilfen, z.B. für Syrienrückkehrer. 17 Träger der Beratungsstelle ist das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Mainz (Email: salam@lsjv.rlp.de). 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft Zum Schutz der rheinland-pfälzischen Unternehmen haben die Landesregierung, die Kammern und Unternehmensverbände sowie die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft im Jahr 2005 eine förmliche Sicherheitspartnerschaft vereinbart, deren Wurzeln bis zur Mitte der 90er Jahre zurückreichen und bundesweit hohe Beachtung fand. Getragen von einem gemeinsamen Grundverständnis des präventiven Wirtschaftsschutzes wurde diese Kooperation zu einem Vorzeigemodell für die Vernetzung staatlicher und wirtschaftlicher Akteure im Bereich der Unternehmenssicherheit. Die daran geknüpften Anforderungen verändern sich stetig; nicht zuletzt in Abhängigkeit der voranschreitenden Digitalisierung von Geschäftsprozessen gilt es heute mehr denn je, sicherheitskritischen Vorfällen mit geeigneten präventiven Abwehrstrategien zu begegnen und tagtäglich die zentralen Unternehmenswerte gegen illegalen Datenabfluss, Know-how-Diebstahl und Sabotage zu schützen. In der Gemeinsamen Erklärung vom April 2005 zur Bildung einer Sicherheitspartnerschaft haben sich die Unterzeichner darauf verständigt, insbesondere die mittelständischen und exportorientierten Betriebe im Handel, Handwerk und Gewerbe hinsichtlich der Gefährdungen durch Wirtschaftsspionage, Proliferation, Sabotage, Extremismus und Terrorismus zu sensibilisieren und durch vielfältige Informationsangebote die erforderliche betriebliche Eigenvorsorge zu fördern. Im November 2015 fand anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Sicherheitspartnerschaft eine gemeinsame Sitzung statt. Zu dieser wurden auch Vertreter aus den Bereichen Bildung und Forschung eingeladen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass diese Bereiche immer mehr in den Fokus anderer Nachrichtendienste geraten. Hierdurch können die Innovationskraft und das 18 Know-how der in Rheinland-Pfalz ansässigen Bildungsund Forschungseinrichtungen gefährdet sein. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz nimmt innerhalb der Sicherheitspartnerschaft eine koordinierende Rolle wahr und bringt sich mit nahezu wöchentlichen Vortragsveranstaltungen mit praxisorientierten Empfehlungen auch für firmenbezogene Schutzkonzepte sowie einem umfassenden Sensibilisierungsprogramm zum Thema Wirtschaftsschutz in die Zusammenarbeit mit Unternehmen, Verbänden und Kammern ein. Die Expertisen der Spionageabwehr, verstärkt auch zur ITund Cyber-Sicherheit, werden zudem auf Fachkongressen, wie beispielsweise bei dem jährlich vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium ausgerichteten "Forum Außenwirtschaft" oder auch dem "Mittelstandstag Rheinland-Pfalz", einem breiten Fachpublikum präsentiert. Aus dem persönlichen Austausch mit einer Vielzahl von Branchenvertreterinnen und -vertretern entstehen meist dauerhafte Kontaktbeziehungen. Aufgrund der positiven Resonanz ist beabsichtigt, die mediale Präsenz auch in den Zielgruppenbereichen der wissenschaftlichen Einrichtungen und der wirtschaftsnahen Forschung zu intensivieren und das Informationsangebot auf den Kreis der Existenzgründer auszuweiten. 19 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 1. Überblick Rechtsextremismus zeigt sich nicht in einer geschlossenen, einheitlichen Bewegung - es gibt ihn in vielen Formen. Rechtsextremisten verbindet jedoch eine Weltanschauung, in deren Mittelpunkt ein völkisch-rassistisches Denken steht. Die Verwirklichung einer ethnisch homogenen ("reinen") "Volksgemeinschaft", ein zentrales Element auch des historischen Nationalsozialismus, bleibt ein vorrangiges Ziel nahezu aller Rechtsextremisten. Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit sind Triebfedern dieser Grundüberzeugung und zugleich Nährboden für Hass und Hetze. Es ist daher offenkundig, dass vom Rechtsextremismus erhebliche Gefahren für die Verfassungsordnung, die Innere Sicherheit und den gesellschaftlichen Frieden ausgehen. Gerade die rechtsextremistischen Übergriffe in den vergangenen Jahren dokumentieren dies deutlich. Der Rechtsextremismus wird daher vom Verfassungsschutz weiterhin mit hoher Intensität beobachtet und analysiert. Allgemeines Auch im Jahr 2016 ist das rechtsextremistische Personenpotenzial in Rheinland-Pfalz, abgesehen von marginalen Verschiebungen innerhalb der einzelnen Erscheinungsformen, weitestgehend konstant geblieben. Damit folgte die Entwicklung dem Trend der vorausgegangenen Jahre. Besondere Gefahrenpotenziale innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums bilden nach wie vor die gewaltorientierten Rechtsextremisten und aufgrund ihrer ideologischen Positionen die Neonaziszene. Bei gewaltorientierten Rechtsextremisten, einer Schnittmenge von Aktivisten aus den unterschiedlichen Erscheinungsformen, besteht die dauerhafte Gefahr 20 der mitunter schnellen Radikalisierung, ggf. bis hin zum Terrorismus. Beispiele aus jüngerer Zeit wie die von den Sicherheitsbehörden zerschlagenen Gruppen "Old School Society" (OSS) im Jahr 2015 und "Gruppe Freital" in Sachsen im Jahr 2016 veranschaulichen dies. Vergleichbare Entwicklungen oder Strukturen waren 2016 in Rheinland-Pfalz nicht zu verzeichnen. Ungeachtet dessen richtet der Verfassungsschutz weiter ein Hauptaugenmerk auf die Früherkennung und das Aufklären etwaiger länderübergreifender Verbindungen und Vernetzungsbestrebungen von Rechtsextremisten. Neonationalsozialisten (kurz: Neonazis) zeigten sich 2016 in Rheinland-Pfalz uneinheitlich. Die Organisationsform hierarchisch strukturierter "Kameradschaften" verlor weiter an Bedeutung; von einer "Szene" kann nicht mehr gesprochen werden. Den Schwerpunkt neonazistischer Strukturen bilden heute vielmehr lose formierte Gruppierungen mit sehr niedrigem Organisationsgrad. Daneben findet sich ein Teil der Neonazis in Kleinparteien wie "Der III. Weg". Sie verfolgen unter dem taktischen Schutz des Parteienprivilegs offenkundig andere Ziele, als am demokratischen Willensbildungsprozess teilzuhaben. Die ausgeprägt neonazistische Partei "Der III. Weg" hat 2016 ihre Strukturen im Bundesgebiet weiter ausgebaut. Sie verfügt mittlerweile über vier "Gebietsverbände" mit regionalen "Stützpunkten", darunter weiterhin drei mit Bezug zu Rheinland-Pfalz. Auch 2016 fokussierten sich Agitation und Aktionismus des "III. Wegs" - wenn auch mit gegenüber 2015 insgesamt verminderter Intensität - auf das Themenfeld Asyl und Zuwanderung. Der Raum Westerwald war dabei ein regionaler Schwerpunkt. Zahlenmäßig stärkste rechtsextremistische Partei in Rheinland-Pfalz blieb die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Von einem landesweiten Aktionsradius kann aber nicht mehr die Rede sein. Die Zahl ihrer Kreisverbände schrumpfte weiter von fünf auf drei. Der öffentliche Aktionismus ging nach der für die NPD ernüchternden Landtagswahl im März 2016 - sie erreichte nur 0,5 % der Stimmen - merklich zurück. Der am 17. Januar 2017 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesene Antrag des Bundesrates, die Partei für verfassungswidrig zu erklären und aufzulösen, wurde auch vom rheinland-pfälzischen NPD-Landesverband positiv kommentiert. Dabei wird verkannt, dass 21 das höchste deutsche Gericht mit aller Deutlichkeit die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt hat. Agitation und Aktionen gegen Asylsuchende Die Zahl der Asylsuchenden, die aufgrund von Kriegen, politischen und wirtschaftlichen Krisen sowie Menschenrechtsverletzungen Schutz in Deutschland begehren, hatte sich 2015 erheblich erhöht. Zusammen mit dieser Entwicklung waren die Zahlen rechtsextremistisch motivierter Strafund Gewalttaten gegen Flüchtlingseinrichtungen stark gestiegen. Rheinland-Pfalz war hiervon nicht ausgenommen, wenngleich es im Ländervergleich keinen hervorstechenden Schwerpunkt darstellte. Diese Entwicklung war 2016 - korrespondierend mit den zurückgehenden Asylbewerberzahlen - zwar rückläufig. Allerdings blieb die Zahl der entsprechenden Straftaten im Vergleich zum Vorjahr nach wie vor auf einem nicht hinnehmbaren hohen Niveau. Bis zum Ende des Jahres 2016 wurden in Rheinland-Pfalz 21 rechts motivierte Straftaten, davon vier Gewaltdelikte, festgestellt (2015: 29 Straftaten, davon acht Gewaltdelikte). Die rechtsextremistische Szene polemisierte nahezu unvermindert gegen die Asylpolitik und bediente sich hierbei sowohl des Internets als auch klassischen Agitationsformen wie Flugblattverteilungen oder Informationsstände. Dennoch reichte das Thema "Anti-Asyl" oftmals nicht mehr als alleiniger Mobilisierungsfaktor für Veranstaltungen und Demonstrationen aus. Dies führte 2016 schließlich zu einem deutlichen Rückgang rechtsextremistischer Aktivitäten zum Themenfeld Asyl. Grund zur Entwarnung besteht indes nicht. Islamistische Terroranschläge führten auch 2016 zu einer anlassbezogenen Anheizung der in der rechtsextremistischen Szene vorherrschenden islamfeindlichen Stimmung. Die Taten wurden instrumentalisiert, um Ängste und Ressentiments pauschal gegen Asylsuchende zu schüren. Die einschlägigen Kommunikationsplattformen im Internet wurden dazu genutzt, Hassbotschaften und Schuldzuweisungen zu verbreiten. So wurden als Reaktion auf den islamistischen Anschlag in Berlin am 19. De22 zember 2016 bundesweit Demonstrationen durchgeführt, so auch in Ludwigshafen am Rhein am 27. Dezember 2016. Die Entwicklung zeigt: Während Aktivitäten von Rechtsextremisten 2015 vornehmlich dort feststellbar waren, wo neue Asyleinrichtungen entstehen sollten, war im zurückliegenden Jahr nicht mehr der Zuzug von Asylsuchenden als solches das zentrale Thema, sondern die angeblich von diesen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die rechtsextremistische Szene ihr Ziel, ein subjektives Bedrohungsgefühl zu erzeugen, indem propagiert wird, Deutschland drohe "Überfremdung" durch Asylsuchende, auch im zurückliegenden Jahr mit hoher Intensität verfolgt hat. Insofern agierte sie wie bereits 2015 als geistiger Brandstifter. 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2016 2015 Gesamt 650 650 Gewaltorientierte * 150 150 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 40 40 Neonazis 200 200 Parteien 250 250 Sonstige 160 160 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltorientierten beinhaltet vor allem das subkulturelle Potenzial und einen Teil der Neonazis. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Rechtsextremisten bilden auch weiterhin keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block. Vielmehr gibt es unterschiedliche Erscheinungsformen. Im Wesentlichen kann unterschieden werden zwischen: 23 # subkulturell geprägten Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Innerhalb dieser Strömungen sind verschiedene Organisationsformen (z.B. Vereine, "Kameradschaften") und Organisationsgrade (feste Strukturen oder lose, informelle oder virtuelle Zusammenschlüsse) zu beobachten. Unterschiede gibt es auch beim Verhalten der jeweiligen Rechtsextremisten (z.B. aktions-, diskursoder parlamentsorientiert) und in Bezug auf ihre ideologisch-politischen Überzeugungen und Ziele. Bei der Gruppe der gewaltorientierten Rechtsextremisten handelt es sich nicht um eine eigenständige Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich in Rheinland-Pfalz vornehmlich aus subkulturellen Rechtsextremisten und Neonazis zusammensetzt. Teile der rechtsextremistischen Szene sind, u.a. bedingt durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte, eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit. 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus1 und Rechtsterrorismus Charakteristisch für den Rechtsextremismus ist seit jeher ein erhebliches Aggressionspotenzial innerhalb seiner Anhängerschaft. Die Bandbreite dessen, wie dieses zum Tragen kommt, reicht von der stillschweigenden Gewaltbefürwortung in der politischen Auseinandersetzung bis hin zum Terrorismus. Rechtsextremistische Gewalt - verbal oder tätlich - richtet sich vorrangig gegen Menschen. Betroffen sind in erster Linie diejenigen, die zu den einschlägig 1 Hiervon erfasst sind Gewalttäter und Tatverdächtige sowie Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zur Gewalt(-anwendung) vorliegen (z.B. Gewaltbefürworter). 24 ideologisch unterfütterten Feindbildern der Rechtsextremisten zählen. In jüngerer Zeit richtet sich rechtsextremistisch motivierte Gewalt im Kontext mit der allgemeinen politischen Lage mit besonderem Schwerpunkt gegen Flüchtlinge und deren Einrichtungen. Das Potenzial gewaltorientierter Rechtsextremisten umfasst in RheinlandPfalz gegenüber 2015 gleichbleibend etwa 150 Personen. Rechtsterrorismus Die Gefahr des Entstehens (neuer) rechtsterroristischer Vereinigungen bleibt weiter bestehen; exemplarisch hierfür ist die Zerschlagung der Gruppierungen "Oldschool Society" (OSS) im Jahr 2015 und die der sächsischen "Gruppe Freital" im Jahre 2016 durch die Sicherheitsbehörden.2 Hinzu kommt die latente Bedrohung durch terroristisch spontan agierende, vorher radikalisierte Einzeltäter. Signifikant sind im Zusammenhang mit den Entstehungsfaktoren für mögliche rechtsterroristische Bestrebungen die diesen vorausgehenden zum Teil rasanten Radikalisierungsund Formierungsprozesse via sozialer Medien im Internet, mitunter weit über eine begrenzte Region hinaus. Der Schritt von der virtuellen zur realen Welt ist bisweilen nur ein kleiner. Diese Dynamik ist für die Sicherheitsbehörden eine besondere Herausforderung mit Blick auf die Früherkennung von Entwicklungen. "Oldschool Society" (OSS) Vor dem Oberlandesgericht München wurde im April 2016 der Prozess gegen vier mutmaßliche Führungsmitglieder der Gruppe "Oldschool Society" (OSS) eröffnet. In dem Verfahren wurde am 15. März 2017 das Urteil gesprochen. Das 2 Der sich nach Angaben des Generalbundesanwalts spätestens ab Juli 2015 formierten "Gruppe Freital", wird angelastet, das Ziel verfolgt zu haben, Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sowie Wohnprojekte von politisch Andersdenkenden zu begehen. Zu diesem Zweck soll sich die Gruppierung eine dreistellige Anzahl von pyrotechnischen Sprengkörpern verschiedenen Typs aus Tschechien beschafft haben. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind der rechtsterroristischen Vereinigung bislang drei Sprengstoffanschläge zuzurechnen (Stand: 19. April 2016). Quelle: Homepage https://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=607, aufgerufen am 23. Februar 2017. 25 Gericht hat die Angeklagten wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Es sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten im August 2014 die terroristische Vereinigung OSS gründeten, deren zuletzt ca. 30 Mitglieder rassistische, antisemitische und antimuslimische Ziele verfolgten, und nach zunehmender Radikalisierung spätestens seit Januar 2015 planten, Sprengstoffanschläge auf Ausländer, namentlich auf Asylbewerberunterkünfte, zu verüben.3 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Subkulturell geprägte Rechtsextremisten verbindet eher ein Lebensgefühl und weniger eine vom gemeinsamen Willen getragene politische Intention. Politische oder gesellschaftliche Themen werden kaum diskutiert. Entsprechend fragmentarisch ist ihre Weltanschauung. Nur wenige Akteure besitzen einen ausgeprägten, in sich geschlossenen rechtsextremistischen Hintergrund. Erlebnisorientierung, ein Gefühl vermeintlicher Stärke in einer Gruppe Gleichgesinnter und die bewusste, provokante Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft wirken verbindend in einem ansonsten weitgehend strukturbis konturlosen Umfeld. Szenetypische Musik und gemeinsame Aktivitäten spielen dabei anhaltend wichtige, den Zusammenhalt stärkende Rollen. Die konstant rund 40 Personen umfassende subkulturelle rechtsextremistische Szene wird in Rheinland-Pfalz noch von Skinheads dominiert, obgleich diese Erscheinungsform bundesweit immer mehr an Bedeutung verliert und sich auch das äußere Erscheinungsbild stark gewandelt hat.4 Martialisch-markante Erkennungszeichen wie Springerstiefel, Bomberjacke oder Glatze finden bei den meisten Szeneangehörigen schon seit geraumer Zeit keinen nennenswerten Zuspruch mehr. Zumeist gibt man sich nach Außen unauffällig ohne die landläufig einschlägigen Attribute. Die rheinland-pfälzische Skinhead-Szene 3 Quelle: Homepage OLG München, http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/presse/archiv/2017/05680/index.php, aufgerufen am 16. März 2017. Zu OSS siehe auch: Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2015, S. 23/24. 4 Anzumerken ist, dass Skinheads von jeher nicht per se der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden können. Das Spektrum reicht von linksorientierten und linksextremistischen bis hin zu unbis antipolitischen Skinheads. 26 unterschied sich dabei in der Vergangenheit jedoch in struktureller Hinsicht ein Stück weit vom Mainstream. Rechtsextremistische Skinheads sind, ihrem Selbstverständnis Rechnung tragend, zumeist lose organisiert und unterwerfen sich in aller Regel keiner geordneten Struktur. Die entsprechenden lokalen oder regionalen Personenzusammenschlüsse weisen eine hohe Fluktuation auf. Junge Männer dominieren. In letzteren Punkten glich sich die hiesige Szene bislang. Allerdings waren die überwiegend neonazistisch geprägten rheinland-pfälzischen rechtsextremistischen Skinheads über einen längeren Zeitraum eng mit der entsprechend ideologisch ausgerichteten, vergleichsweise straff organisierten "Kameradschaftsszene" vernetzt und auch in gemischten Gruppierungen verzahnt. Aktionsbezogen ließen sich zudem - vor allem auf regionaler Ebene - Verbindungen zur NPD beobachten. Insbesondere bei Demonstrationen und Konzerten kooperierten Parteimitglieder eng mit Kräften aus der Skinheadund Neonaziszene. Das Bild hat sich gewandelt. Angesichts einer stark rückläufigen Zahl rechtsextremistischer "Kameradschaften" orientiert sich die subkulturelle Szene um. Heute bestimmen - wie auch ansonsten im Bundesgebiet - lose, strukturarme Zusammenschlüsse das Geschehen. Im Zuge des aufkeimenden und fortgesetzten Protests gegen Zuwanderung und Asyl konnte zudem beobachtet werden, dass seitens subkultureller Rechtsextremisten aktionsbezogen verstärkt der Schulterschluss zu (neuen) Bewegungen gesucht wird, die polemisieren und polarisieren. Ein Zusammenwirken mit Organisationen wie der NPD ist hingegen in den Hintergrund getreten. 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich in nahezu jedweder Hinsicht mit dem historischen Nationalsozialismus von 1920 bis 1945 und dessen Protagonisten. Auftreten und Symbolik der Neonaziszene sind hiervon ebenso einschlägig geprägt, wie ihre Propaganda und Agitation. Auf den Punkt gebracht: Neonazis rechtfertigen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und streben einen weitestgehend am historischen Vorbild orientierten diktatorischen, vom "Führerprinzip" bestimmten Staat an, der auf einer ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" fußt. 27 Das Neonazispektrum ist sowohl bezüglich seiner weltanschaulich-ideologischen Durchdringung als auch strukturell nicht homogen. In Teilen der Szene ist heute nur noch ein weitestgehend auf Phrasen verkürzter weltanschaulicher Nährboden wahrnehmbar; eine inhaltliche Auseinandersetzung findet dort kaum mehr statt. Nicht alle Neonazis sind zudem erklärte Hitler-Anhänger. Einige unter ihnen propagieren linksnationalistische, nationalrevolutionäre Thesen, wie sie ähnlich in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts von einer Minderheit unter NSDAPAnhängern vertreten wurden. Die Organisationsformen reichen von der Mitgliedschaft in Parteien (vgl. 3.4.2 und 3.4.3) über vergleichsweise straff formierte "Kameradschaften" bis hin zu losen, cliquenhaften Gruppierungen, mitunter auch in Mischform mit subkulturell geprägten Rechtsextremisten. Letztere haben in den vergangenen Jahren insbesondere zu Lasten der "Kameradschaftsszene" stetig an Bedeutung gewonnen. Manche neonazistische Zusammenschlüsse sind darüber hinaus als solche nur schwer zu erkennen, weil Teile der Szene beispielsweise Attribute pflegen, wie sie in linksextremistischen, autonomen Kreisen üblich sind. Die Anzahl der Personen, die in Rheinland-Pfalz der Neonazi-Szene angehören, lag 2016 konstant bei rund 200, von denen etwa 100 als gewaltorientiert gelten. Die Neonazis in Rheinland-Pfalz gehören überwiegend strukturarmen, bisweilen informellen Gruppierungen an. "Kameradschaften" Rechtsextremistische "Kameradschaften" entstanden mit Schwerpunkt bereits in den 1990er-Jahren als eine neue Organisationsform ohne nach außen wahrnehmbare formelle Strukturen. Damit reagierte die Szene auf zahlreiche Verbote neonazistischer Vereine und Verbände. Man versprach sich von dem Modell weniger Angriffsflächen für etwaige künftige Verbotsmaßnahmen. Intern verfügen "Kameradschaften" jedoch meist über zumindest rudimentäre Strukturen und einen streng hierarchischen Aufbau. Ihnen kann dabei in aller Regel ein abgegrenzter Mitgliederstamm mit variierenden Größenordnungen 28 von unter zehn bis zu mehreren Dutzend Personen und vergleichsweise geringer Fluktuation zugerechnet werden. Zudem weisen "Kameradschaften" überwiegend eine lokale, maximal regionale, Ausdehnung auf. Dies wird durch entsprechende Hinweise in der Namensgebung zum Ausdruck gebracht. Die politische Arbeit der "Kameradschaften" wird maßgeblich von dem Engagement sowie dem politischen Interessen der Führungsperson(en) beeinflusst. Heute treten anstelle von "Kameradschaften" allerdings vermehrt neue Formen des Zusammenschlusses in Erscheinung, die einen weitaus geringeren Organisationsgrad aufweisen. So soll Verboten, wie sie seit 2012 auch gegen "Kameradschaften" wieder verstärkt erfolgten, noch besser vorgebeugt werden. In diesem Sinne bilden sich vermehrt kleine, informelle, regional verankerte Gruppierungen, deren Zusammenhalt vor allem auf dem Pflegen persönlicher Kontakte beruht. Überregional vernetzt sind diese Kleingruppen über das Internet. Diese informelleren und unverbindlicheren Formen der politischen Arbeit stellen eine Alternative zu der verbindlichen politischen Arbeit in "Kameradschaften" dar, die von Szeneangehörigen gerne aufgegriffen wird. Es spricht einiges dafür, dass diese Entwicklung anhalten wird. Im Jahr 2016 war nur noch die "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" in der Region Südwestpfalz aktiv. Diese entfaltete jedoch lediglich regionale Aktivitäten. 3.4 Rechtsextremistische Parteien 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: 2015: ca. 5.200 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 200 (2015: 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit drei Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare (2015) 29 Die NPD wurde 1964 gegründet und ist damit die älteste und derzeit bedeutendste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie ist flächendeckend im gesamten Bundesgebiet aktiv und verfügt über gefestigte Strukturen. In allen Ländern ist die NPD mit Kommunalmandaten vertreten, deren regionale Verteilung in Ostdeutschland stärker ausgeprägt ist. Die NPD hat mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) eine eigene Jugendorganisation. Weitere Nebenorganisationen sind die 2003 gegründete "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) als bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger und der 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF). NPD-Bundesvorsitzender ist seit dem 1. November 2014 der Saarländer Frank Franz; er wurde beim Bundesparteitag am 11./12. März 2017 in seinem Amt bestätigt. Zu einem der drei gleichberechtigten Stellvertreter wurde der thüringische NPD-Landesvorsitzende und Neonazi Thorsten Heise gewählt. Als Beisitzer im Bundesvorstand neu gewählt wurde der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Markus Walter, als Beisitzerin bestätigt wurde die rheinland-pfälzische NPD Funktionärin Ricarda Riefling. Sie ist zugleich Bundesvorsitzende des "Rings Nationaler Frauen" (RNF). Wenngleich der Bundesvorsitzende Franz seiner Linie treu bleiben dürfte, der NPD ein vordergründig modernes und seriöses Gesicht zu geben, ist offenkundig, dass die Partei weder ideologisch, noch hinsichtlich ihrer Ziele von bisherigen Grundpositionen abrücken wird. Ein erklärtes Ziel der NPD ist es, ihre kommunale Verankerung zu erhalten und auszubauen, weshalb die seit Jahren propagierte und verfolgte "Vier-SäulenStrategie" nicht an Bedeutung verloren hat. Die NPD ist seit dem gescheiterten Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im September 2016 in keinem Landesparlament mehr vertreten. Der Verlust der Landtagsmandate ist besonders schmerzhaft für die Partei, da ihr neben den propagandistischen Möglichkeiten, die regelmäßig von 30 den NPD-Abgeordneten genutzt wurden, um gegen das demokratische System zu hetzen, seitdem auch entscheidende finanzielle und logistische Grundlagen fehlen. NPD-Verbotsverfahren Am 3. Dezember 2013 hat der Bundesrat nach dem 2003 an formalen Hürden gescheiterten Versuch erneut beim Bundesverfassungsgericht beantragt, die Verfassungswidrigkeit der NPD festzustellen und sie damit aufzulösen. Dem voraus gegangen waren umfangreiche Vorarbeiten der Sicherheitsbehörden, um die Begründetheit des Antrags zu belegen: So enthielt die Antragsschrift rund 300 Belege. Darüber hinaus wurde seitens der Innenminister und Innensenatoren die Quellenfreiheit der verwendeten Beweismittel testiert. Das bedeutet, dass die Belege nicht auf das Wirken von V-Leuten der Sicherheitsbehörden zurückzuführen sind. Mit einem weiteren Testat zur Quellenfreiheit auf der Führungsebene der NPD wurde den prozessualen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem ersten NPD-Verfahren entsprochen. Vom 1. bis 3. März 2016 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht statt. Im Raum stand zunächst die Frage von möglichen Verfahrenshindernissen. Das Gericht stellte hierzu fest, dass die Vorgaben für ein faires Verfahren, nämlich u.a. keine Tätigkeit von V-Leuten in den Führungsebenen der NPD im Bund und den Ländern während des laufenden Verbotsverfahrens, seitens der Sicherheitsbehörden beachtet wurden. Das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich sodann im weiteren Verlauf des Verfahrens mit der inhaltlichen Frage der Verfassungsfeindlichkeit der NPD. Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht sein Urteil. Die Richterinnen und Richter stellten fest, es fehle (derzeit) an "konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt", weshalb der Antrag des Bundesrates zurückgewiesen wurde. Zugleich unterstrich das Bundesverfassungsgericht, dass es sich bei der NPD um eine verfassungsfeindliche Partei handelt, die darauf abzielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Im Einzelnen: # die NPD beabsichtigt, die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären Nationalstaat zu ersetzen, 31 # ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar, # sie arbeitet planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer Ziele hin, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die NPD hat das Urteil erwartungsgemäß als uneingeschränkten Erfolg bewertet und sieht sich als Sieger dieses Verfahrens. Die inhaltlichen Feststellungen zur Verfassungsfeindlichkeit werden selbstredend vehement bestritten. Insbesondere die Darlegungen zum Begriff der "Volksgemeinschaft" werden zum Anlass genommen, sich als einzig wahrer Vertreter des deutschen Volkes zu präsentieren, dessen Interessen durch das Urteil mit Füßen getreten werden. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Die NPD hat trotz des laufenden Verbotsverfahrens keinen Hehl aus ihrer weltanschaulichen Ausrichtung gemacht und jede Gelegenheit genutzt, um gegen die in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung festgeschriebenen Werte zu agitieren. Gerade während der mündlichen Verhandlung vom 1. bis 3. März 2016 wurde anhand zahlreicher Beispiele deutlich, dass die NPD rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Positionen vertritt. Die Weltanschauung der NPD basiert auf der Ausgrenzung von Menschen, die nicht in ihr Konzept der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" passen. Hierzu zählen insbesondere Menschen, die als Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen. Diese werden systematisch diskriminiert und kriminalisiert. Nach Überzeugung der NPD handelt es sich bei Migranten durchweg um Menschen, die nicht aufgrund von Verfolgung, Terror und Krieg Schutz in Deutschland suchen, sondern alleine deswegen hierher kommen, um sich ungerechtfertigter Weise am Sozialsystem zu bereichern. Die NPD diffamiert sie als 32 "Asylbetrüger" und "allerdümmste Scheinasylanten", die "gar kein Recht auf Aufenthalt (und Leistungen) in unserem Land haben". Sie gehören "nicht integriert, sondern abgeschoben".5 Dabei verallgemeinert die NPD unter Außerachtlassung von Fakten, indem sie beispielsweise pauschal allen Flüchtlingen und Asylbewerbern eine besonders hohe Strafanfälligkeit zuschreibt. Damit einher gehen stets simple und dumpfe "Lösungen" wie: "Grenzen dicht und konsequent Abschieben!".6 Insbesondere im Zusammenhang mit den Landtagswahlkämpfen im Jahr 2016 versuchte die NPD in bekannter Manier und hoher Intensität, die Flüchtlingsthematik in ihrem Sinne zu nutzen. NPD Landesverband Rheinland-Pfalz Organisation und Entwicklung In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Umstrukturierungen innerhalb des NPD Landesverbandes Rheinland-Pfalz. In diesem Zuge ging die Zahl von ehemals elf Kreisverbänden auf aktuell drei zurück; dies sind die Kreisverbände Mittelrhein, Trier und Westpfalz. Die ehemaligen Kreisverbände Ludwigshafen-Frankenthal und Mainz-Worms wurden im Laufe des Jahres 2016 aufgelöst und dem Kreisverband Westpfalz zugeordnet, von beiden gingen zuvor kaum noch Aktivitäten aus. Diese Umstrukturierungen sind - wie in den Jahren zuvor - aus Sicht der Partei erforderlich, um den Erhalt der organisatorischen Handlungsfähigkeit der NPD in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten. Innerhalb des NPD-Landesvorstandes kam es in den letzten Jahren kaum zu großen Veränderungen. Vorsitzender der NPD Rheinland-Pfalz ist seit Juli 2013 das Mitglied des Stadtrates Pirmasens Markus Walter. 5 Facebook-Seite NPD - Landesverband Rheinland-Pfalz, abgerufen am 26. September 2016 6 Facebook-Seite NPD Kreisverband Mittelrhein, abgerufen am 28. September 2016 33 Aktivitäten Vergleichsweise aktiv unter den rheinland-pfälzischen NPD Kreisverbänden ist der Kreisverband Westpfalz. Dieser führt bereits seit Jahren in Pirmasens regelmäßig sogenannte Bürgersprechstunden und politische Gesprächskreise durch, die sich nicht nur an NPD-Mitglieder, sondern auch interessierte Bürgerinnen und Bürger richten. Die NPD versucht, auch in anderen Regionen vergleichbare Treffen zu etablieren. So wurde zuletzt über die Facebook-Seite des NPD Kreisverbandes Westpfalz zu politischen Gesprächskreisen in der Region Rheinhessen eingeladen. Neben internen Treffen, die insbesondere dazu dienen, die Mitglieder an die NPD zu binden, aber auch neue Sympathisanten an die politische Arbeit der NPD heranzuführen, sind öffentlichkeitswirksame Aktivitäten von zentraler Bedeutung. Im Zusammenhang mit der Landtagswahl am 13. März 2016 kam es zu Jahresbeginn verstärkt zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Im Februar 2016 führte der NPD Landesverband eine "Aktionswoche" durch, in deren Verlauf es am 22. Februar 2016 zu einer Kundgebung in Pirmasens unter dem Motto "Stoppt die Schlepper-Merkel" kam. Nach der Landtagswahl beteiligten sich Aktivisten der NPD Rheinland-Pfalz insbesondere an überregionalen Demonstrationen - auch in anderen Ländern wie am 4. Juni 2016 zur Demonstration "Tag der deutschen Zukunft" in Dortmund. Die überregionalen Kontakte nach Nordrhein-Westfalen werden insbesondere vom NPD Kreisverband Mittelrhein gepflegt, der an der Kundgebung zum 4. Jahrestag des Verbots des "Nationalen Widerstands Dortmund" am 23. August 2016 in Dortmund teilnahm. Die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der NPD stehen in Rheinland-Pfalz immer wieder im Kontext mit aktuellen Themen, was in jüngerer Zeit in erster Linie durch fremdenfeindliche Anti-Asyl-Agitation rund um das Thema Flüchtlinge dokumentiert wird. Dabei legt es der NPD Landesverband - wie die Mutterpartei - auf Stigmatisierung und Polarisierung an. So wurde im Dezember 34 2016 ein Infostand in der Innenstadt von Ludwigshafen am Rhein betrieben, an dem es u.a. zu Verteilung von CS-Gas an Frauen kam. Diese Aktion stand in Zusammenhang mit dem Jahrestag der Übergriffe an Sylvester 2015 in der Kölner Innenstadt. An den jährlichen sogenannten Heldengedenkveranstaltungen rund um den Volkstrauertag beteiligten sich im Jahr 2016 wieder viele NPD-Aktivisten: Der "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" in Remagen am 12. November 2016 wurde maßgeblich von Aktivisten des NPD Kreisverbandes Mittelrhein unterstützt, dessen Vorsitzender als Versammlungsleiter fungierte. Mit rund 250 Teilnehmern und damit um etwa 100 mehr als im Jahr 2015, war die Resonanz 2016 in Remagen deutlich stärker als in den Jahren zuvor mit zuletzt rückläufigen Teilnehmerzahlen. Diese aus Sicht der rechtsextremistischen Szene positive Entwicklung wurde im Anschluss auf den einschlägigen Internetseiten und in sozialen Medien entsprechend kommentiert und mit der Veröffentlichung von Videos und Fotos dokumentiert. Allerdings gelang es der rechtsextremistischen Szene auch in 2016 nicht, mit der Veranstaltung an das bürgerliche Spektrum anzuschließen und für die Teilnahme zu mobilisieren. Eine Steigerung der Teilnehmerzahlen konnte ebenfalls bei der Gedenkveranstaltung am 20. November 2016 auf dem "Feld des Jammers" in Bretzenheim bei Bad Kreuznach festgestellt werden: Waren es im Jahr 2015 nur rund 30 Personen, stieg die Zahl im Jahr 2016 auf rund 100 Personen an. Im Unterschied zu der Demonstration in Remagen fiel auf, dass es der rechtsextremistischen Szene in Bretzenheim scheinbar gelungen war, über ihr eigentliches Spektrum hinaus, Personen aus dem eher konservativen Milieu sowie aus dem Bereich der "Reichsbürger" zur Teilnahme zu mobilisieren. Es ist zu erwarten, dass die NPD in Rheinland-Pfalz ihre Aktivitäten im Hinblick auf den positiven Ausgang des Verbotsverfahrens und den anstehenden Bundestagswahlkampf wieder intensivieren wird. Die Themenfelder Asyl und Einwanderung werden weiterhin im Fokus der verfassungsfeindlichen Partei stehen. 35 Landtagswahl Rheinland-Pfalz am 13. März 2016 Der NPD Landesverband fokussierte seinen Landtagswahlkampf auf das Themenfeld Flüchtlinge und Asyl. In diesem Sinne wurde ein "Wahlprogramm" veröffentlicht, in dem an erster Stelle unverhohlen gefordert wird: "Asylflut stoppen und Asylbetrüger unverzüglich konsequent abschieben". Auch in scheinbar "harmlosen" Parolen wird dabei mittelbar die fremdenfeindlich-rassistische Haltung der NPD gewahr. So verdeutlicht die Forderung "1000 Euro Müttergehalt für jede deutsche Mutter" das rassistische, exkludierende Menschenbild der NPD. Die rheinland-pfälzische Landtagswahl 2016 endete mit einem für die NPD enttäuschenden Ergebnis. So konnte sie trotz der aktuellen Diskussionen rund um die Themen Flüchtlinge, Migration und Asyl nicht von der vermeintlich kritischen Stimmung in der Bevölkerung profitieren. Die NPD kam auf nur noch 0,5 % der Zweitstimmen (absolut 10.554) und verlor damit im Vergleich zum Ergebnis der letzten Landtagswahl im Jahr 2011 rund die Hälfte der Stimmen (absolut 20.286). "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: 2015: ca. 350 Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 (2015: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: ein "Stützpunkt" Der JN gelang es im Jahr 2016 nicht, in Rheinland-Pfalz ihre Strukturen zu festigen oder gar auszubauen. Vom einzigen Stützpunkt "JN Ahrweiler" gehen weiterhin in erster Linie virtuelle Aktivitäten aus, indem auf der Facebook-Seite über vermeintliche Aktionen berichtet oder Statements zu regionalen wie tagespolitischen Themen veröffentlicht werden. 36 Zuletzt wurde im Januar 2017 die Facebook-Seite "JN-Rheinland-Pfalz" online geschaltet und vom NPD Landesverband Rheinland-Pfalz auf dessen Facebook-Seite beworben, verbunden mit dem Aufruf Kontakt aufzunehmen und Mitglied zu werden als "Teil der deutschen Jugend der Zukunft".7 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der im Jahr 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF) wurde 2013 formal als integraler Bestandteil der NPD in der Parteisatzung verankert. Im März 2014 wurde die stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, zur neuen RNF-Bundesvorsitzenden gewählt. In Rheinland-Pfalz sind auch im Jahr 2016 keine öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. Auf den Facebook-Seiten des RNF konnte im Dezember 2016 ein Beitrag der Bundesvorsitzenden unter dem Motto "Frauen für Deutschland" festgestellt werden, worin es heißt: "Gerade als Frauen tragen wir die Pflicht, unser Volk nicht aussterben zu lassen. Wir sind es, die die ehrenvolle Aufgabe haben, ein Volk großzuziehen und es zu formen".8 3.4.2 "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: ca. 300 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2015: ca. 40) Organisation: "Gebietsverbände" und "Stützpunkte" Publikationen: Internethomepage Die rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" wurde im September 2013 in Heidelberg gegründet. Seit ihrer Gründung bildet neben Bayern auch Rhein- 7 Facebook-Seite NPD - Landesverband Rheinland-Pfalz, abgerufen am 9. Januar 2017 8 Facebook-Seite "RNF - Ring Nationaler Frauen", abgerufen am 6. Dezember 2016 37 land-Pfalz einen Schwerpunkt der Aktivitäten. Dem Bundesvorstand steht nach dem 3. Bundesparteitag am 2. Oktober 2016 weiterhin der rheinlandpfälzische Rechtsextremist Klaus Armstroff vor. Im zurückliegenden Jahr versuchte die Partei ihre Strukturen weiter auszubauen. Durch die Gründung des "Gebietsverbandes West" im November 2016 wurde eine überregionale Struktur im Westen Deutschlands geschaffen. Den Schwerpunkt in den Bemühungen um regionale Präsenz bildete, wie bereits in den Jahren zuvor, die Anti-Asyl-Agitation sowohl im Internet als auch auf den Straßen. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Weltanschaulich lehnt sich die Partei "Der III. Weg" seit ihrer Gründung unverkennbar am Gedankengut des historischen Nationalsozialismus an. Diese Form des neonazistisch geprägten Rechtsextremismus wird im "Zehn-PunkteProgramm" der Partei deutlich. So fordert die Partei unter anderem die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus", aber auch die "Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes". Selbst versteht sich der "III. Weg" als "ganzheitliche politische Bewegung". Die drei Säulen der Partei sollen den "kulturellen Kampf", den "politischen Kampf" und den "Kampf um die Gemeinschaft" symbolisieren. Organisation Der Sitz der Partei "Der III. Weg" befindet sich im rheinland-pfälzischen Weidenthal. Laut Satzung gliedert sich die Partei in die "Gebietsverbände West, Süd, Mitte und Nord". Im Jahr 2016 wurden die "Gebietsverbände Mitte, Süd und West" neu gegründet, zuletzt am 19. November 2016 im Raum Koblenz der "Gebietsverband West". Letzterer umfasst neben Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland auch Rheinland-Pfalz. Zum "Gebietsverbandsleiter" wurde ein nordrhein-westfälischer Neonazi gewählt. Zum "Gebietsverband 38 West" zählen u.a. die für Rheinland-Pfalz relevanten Stützpunkte "Rheinhessen", "Pfalz" und "Westerwald/Taunus". Die Partei ist darauf aus, ihre internationale Vernetzung weiter auszubauen. So pflegt sie Kontakte zu ausländischen neonazistischen Organisationen, wie etwa der griechischen Partei "Chrysi Avgi" sowie Rechtsextremisten in Ungarn und Tschechien. Regelmäßig werden öffentliche Veranstaltungen im Ausland besucht, so auch zu Beginn des Jahres 2017 der "Imia-Marsch" in Athen, der sogenannte Tag der Ehre in Budapest und der "Lukov Marsch" in Sofia. Ziele und Strategien Die Partei "Der III. Weg" verfolgt langfristig das Ziel, eine revolutionäre Veränderung herbeizuführen. Fernziel dürfte demnach ein autoritärer Staat sein, in dessen Zentrum eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" steht. Es wird von der Partei die für Rechtsextremisten typische Strategie der Ausgrenzung durch Stigmatisierung und Diffamierung - u.a. durch einseitige Schuldzuweisung bezogen auf vermeintliche innergesellschaftliche Probleme - verfolgt. Dieses Vorgehen hat zum Ziel, systematisch Fremdenfeindlichkeit zu schüren, um den gesellschaftlichen Frieden zu stören. Dabei dient die Fixierung auf die Themenfelder Asyl und Zuwanderung dazu, unterschwellige subjektive Ängste in Teilen der Bevölkerung zu instrumentalisieren und politisch zu nutzen. Die Partei erhofft sich von ihrem Vorgehen Solidarisierungseffekte in der Bevölkerung. Agitation und Aktionismus Das Jahr 2016 begann mit einem intensiven Landtagswahlkampf der Partei "Der III. Weg" in Rheinland-Pfalz. Die rheinland-pfälzischen Aktivisten konnten hierbei auf massive Unterstützung durch Parteimitglieder aus anderen Teilen des Bundesgebietes zurückgreifen. So kam es zu Demonstrationen und Kundgebungen am 13. Februar 2016 in Alzey und Worms, am 5. März in Kaiserslautern und am 11. März in Altrip. Im Ergebnis konnten bei der Landtagswahl 39 am 13. März 2016 lediglich 0,1 % der abgegebenen Stimmen erreicht werden. Gemessen an dem betriebenen Aufwand, dürfte dies aus Sicht der Partei ein enttäuschendes Ergebnis sein. Während des Wahlkampfs wurde auch eine öffentlichkeitswirksame "Postkartenaktion" initiiert. So wurden in Form von Postkarten sogenannte Ausreisegutscheine mit dem Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!" insbesondere an Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens versandt. Neben dem Ziel, den Bekanntheitsgrad der Partei zu steigern, sollte mit der Aktion zusätzlich ein Gefühl der Verunsicherung bei den Empfängerinnen und Empfängern entfacht werden. Die Postkartenaktion wurde von der Partei nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet und zuletzt im Herbst 2016 erneut in Rheinland-Pfalz durchgeführt. Im Raum Hachenburg waren Kommunalpolitikerinnen und -politiker Adressaten der Postkarten. In der Region Westerwald gingen in diesem Zeitraum vier Demonstrationen mit der medienwirksamen "Überfremdungs-Inszenierung" (Postkartenaktion) einher. Zu Beginn trat die Partei "Der III. Weg" dabei unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Bürgerinitiative mit dem Namen "Hui Wäller - Familie. Heimat.Tradition." in der Öffentlichkeit auf. Auf diese Weise sollte bei den Anti-Asyl-Demonstrationen eine Anschlussfähigkeit des bürgerlichen Lagers suggeriert werden. Die Demonstrationen am 20. Oktober, 17. November und 14. Dezember 2016 konzentrierten sich insbesondere auf die Stadt Hachenburg. Mit dem Motto: "Nein zur Moschee in Hachenburg!" wurde ein aktuelles Thema aufgegriffen, das mit dem "Anti-Asyl-Aktionismus" der Partei einhergeht. Das Ziel, damit die Bevölkerung für sich zu gewinnen, wurde deutlich verfehlt. 40 Mehrmals beteiligten sich zudem auch rheinland-pfälzische Aktivisten der Partei "Der III. Weg" im Jahr 2016 wieder an überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen, so beispielsweise am 1. Mai 2016 an einem Aufmarsch mit rund 900 Teilnehmern im sächsischen Plauen. Neben Informationsständen und Flugblattverteilaktionen legt die Partei sehr viel Wert auf die Aktualität ihrer Präsenz im Internet. So wird die parteieigene Webseite täglich mit neuen, dem rechtsextremistischen Weltbild entsprechenden Artikeln angereichert. Zudem wird der im Jahr 2015 errichtete Onlineshop regelmäßig um Propagandamittel erweitert. Auch die sozialen Netzwerke spielen für die Partei eine große Rolle, um zeitnah auf aktuelle Geschehnisse reagieren und im Austausch mit Gleichgesinnten agieren zu können. 3.4.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) Teil- / Nebenorganisation keine Mitglieder Bund: ca. 600 Mitglieder Rheinland-Pfalz: Einzelmitglieder Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Südwest Publikationen: Internethomepage Die rechtsextremistische Partei "DIE RECHTE" bildete sich 2012 im Wesentlichen aus Teilen der aufgelösten "Deutschen Volksunion" (DVU). Sie steht seitdem unter der Leitung des Bundesvorsitzenden Christian Worch, einem seit mehr als 30 Jahren aktiven Neonazi. Die Partei positionierte sich zu Beginn nach eigenen Angaben zwischen der NPD sowie der sogenannten Pro-Bewegung und wollte sich insofern offenkundig vergleichsweise "gemäßigter" geben als die NPD. Das Parteiprogramm ist nach eigenem Bekunden eine modernisierte Fassung der vormaligen DVU-Programmatik. Zwischenzeitlich hat die Partei "DIE RECHTE", nicht zuletzt aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung, eine deutliche neonazistische Ausrichtung und Prägung angenommen. Insbe41 sondere die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zeigen sich im Bundesgebiet am aktivsten. Weltanschauliche Ausrichtung und Ziele Ideologisch trägt "DIE RECHTE" unverkennbar antidemokratische, fremdenfeindliche, geschichtsund gebietsrevisionistische Züge, obgleich sie diese und ihre letztendlich verfolgten Ziele sprachlich stark verschleiert. Das 15-Punkte-Programm der Partei lässt insofern zumindest andeutungsweise erkennen, dass die Partei einen autoritären Staat anstrebt, der auf einem völkischen Ordnungsprinzip beruhen soll. Unter Berücksichtigung der einschlägigen historischen Erfahrungen mit dem Rechtsextremismus, dem personellen Hintergrund der Partei und im Kontext mit weiteren Programminhalten liegt der Schluss nahe, dass im Kern das Ziel der (verfassungswidrigen) Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und der Etablierung einer in Form und Ausprägung nur schwammig umrissenen Präsidialherrschaft verfolgt wird, was in letzter Konsequenz zu einem diktatorisch gelenkten Staat führen kann. Organisation Strukturell strebt die Partei "DIE RECHTE" weiterhin eine bundesweite Ausbreitung an. Mit Stand Ende 2016 verfügte sie über neun jeweils auf ein Land bezogene "Landesverbände", den die drei Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland umfassenden "Landesverband Südwest" und die "Landesgruppe Bremen". Die "Landesverbände" wiederum untergliedern sich in ca. 30 "Kreisverbände"; der Ende 2015 gegründete "Landesverband Südwest" verfügt über keine "Kreisverbände". Agitation und Aktionismus Auch im Jahr 2016 war der Agitationsschwerpunkt der Partei "DIE RECHTE" das 42 Themenfeld Zuwanderung und Asyl. Im Raum Rheinhessen wurden zwei Kundgebungen/Demonstrationen des "Landesverbandes Südwest" unter sehr geringer Beteiligung durchgeführt. Das Motto einer Demonstration in Sprendlingen am 10. September 2016 lautete: "Die Asylflut bringt uns den Terror! Grenzen dicht machen". Auch für das Jahr 2017 wurden bereits weitere öffentlichkeitswirksame Auftritte angekündigt. Neben der Agitation auf der Straße hat die Partei auch zunehmend die Bedeutung des Internets erkannt. So werden auf der Bundesseite und auch auf der Seite des "Landesverbandes Südwest" aktuelle gesellschaftliche Themen aus rechtsextremistischer Sichtweise dargestellt und kommentiert. Nennenswerte Aktivitäten gehen bislang fast ausschließlich von dem von Neonazis dominierten "Landesverband Nordrhein-Westfalen" aus. Zuletzt verzeichnete auch der "Landesverband Baden-Württemberg" einen Zuwachs an Aktivitäten. Die Partei trat nicht zur Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz an. 4. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD)9 Die IBD ist in Deutschland erstmals im Jahr 2012 auf Facebook in Erscheinung getreten. Sie orientiert sich an der französischen Bewegung "generation identitaire", die sich insbesondere gegen die "drohende Islamisierung" Frankreichs positioniert hat. Die IBD vertritt die Ideologie des sogenannten Ethnopluralismus, der die Idealvorstellung von ethnisch und kulturell homogenen Staaten propagiert. Es gilt demnach, die eigene Kultur und Traditionen beizubehalten und gegen alles Fremde zu verteidigen. Die IBD sieht die kulturelle Identität insbesondere durch die "Masseneinwanderung kulturfremder Menschen", die vermeintliche Islamisierung und der damit verbundenen "Überfremdung" bedroht. Sie stilisiert einen 9 Die IBD wurde im August 2016 vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum Bundesbeobachtungsobjekt erklärt, nachdem die Organisation zuvor schon in einzelnen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. 43 Kampf der deutschen Jugend herauf und bezeichnet sich selbst als "Wir sind Europas am schnellsten wachsende Jugendbewegung!".10 Die Existenz der deutschen Bevölkerung sieht die IBD durch einen "gezielten [ethnischen] Austausch" bedroht: "Die ungebremste Masseneinwanderung und die daraus resultierende Islamisierung bezeichnet die Identitäre Bewegung als den Großen Austausch. Durch niedrige Geburtenraten der deutschen und europäischen Völker bei gleichzeitiger massiver muslimischer Zuwanderung werden wir in nur wenigen Jahrzehnten zu einer Minderheit im eigenen Land".11 Auf ihrer Homepage legt die IBD ihre Ziele dar: "Erhalt der ethnokulturellen Identität", "Verteidigung des Eigenen", "Remigration", "Sichere Grenzen".12 Immer wieder artikuliert die IBD Distanzierungsversuche vom historischen Nationalsozialismus und weist jeden Bezug mit dem Verweis auf ihr Konzept des Ethnopluralismus zurück. Bei der IBD handelte es sich zu Beginn um ein in erster Linie virtuelles Phänomen, ihre Positionen versuchte sie anfangs vor allem über soziale Netzwerke im Internet zu verbreiten. Zwischenzeitlich ist die IBD in der realen Welt angekommen. Mit einer Art völkischer Popkultur und spektakulären öffentlichkeitswirksamen Aktionen versucht sie, insbesondere das Interesse junger Menschen zu wecken. Dies geschehen u.a. im Rahmen folgender öffentlichkeitswirksamer Aktionen: # Am 28. Juni 2016 führten IBD-Aktivisten eine Banneraktion anlässlich des 100. Deutschen Katholikentages in Leipzig durch. # Am 27. August 2016 besetzten Anhänger der IBD das Brandenburger Tor in Berlin und entrollten drei Banner mit den Aufschriften "Sichere Grenzen - Sichere Zukunft", "Identitäre Bewegung", "Grenzen schützen! Leben retten". # Am 21. Dezember 2016 veranstalteten IBD-Aktivisten eine Sitzblockade vor der CDU-Parteizentrale in Berlin. 10 Homepage "identitaere-bewegung.de, abgerufen am 20. Februar 2017 11 Homepage "identitaere-bewegung.de, abgerufen am 20. Februar 2017 12 Homepage "identitaere-bewegung.de, abgerufen am 20. Februar 2017 44 # Am 28. Dezember 2016 führten IBD-Anhänger eine Banneraktion am Kölner Hauptbahnhof durch mit der Aufschrift "NIE WIEDER SCHANDE VON KÖLN #REMIGRATION". Die Aktionen werden zumeist ohne vorherige Ankündigung von einem kleinen Personenkreis durchgeführt und im Nachgang über die sozialen Netzwerke propagandistisch verbreitet. Sie sollen möglichst spektakulär sein, um über die erlangte mediale Aufmerksamkeit die Ziele und Ideologie der IBD publik zu machen und sie als Bestandteile des öffentlichen Diskurses zu etablieren. Die IBD distanziert sich dabei immer wieder von Gewalt, nimmt aber Straftatbestände wie Sachbeschädigungen in Kauf (z.B. Sprühaktionen). Inwieweit sich Einzelpersonen oder Kleinstgruppen durch die verbreitete Propaganda zu Gewalttaten animiert fühlen, ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen. Die IBD ist europaweit vertreten und vernetzt, enge Kontakte bestehen insbesondere zur "Identitären Bewegung Österreich". Organisation Die IBD ist bundesweit aktiv und in verschiedene "Regionalgruppen" untergliedert, die sich nicht an den Grenzen der Bundesländer orientieren. Räumliche Bezüge nach Rheinland-Pfalz weisen die Gruppen "IB Pfalz", "IB Rheinland" und "IB Hessen" auf. Alle Regionalgruppen sind mit einer eigenen Faceobook-Seite in den sozialen Medien vertreten und propagieren dort ihre jeweiligen Aktionen. Seit August 2014 ist die IBD als gemeinnütziger Verein beim Amtsgericht Paderborn eingetragen. Verlässliche Angaben über das Personenpotenzial der IBD sind derzeit nicht möglich. Es kann nicht verifiziert werden, welches reale Personenpotenzial hin45 ter der großen Anzahl von mehr als Fünfzigtausend Gefällt-mir-Angaben auf Facebook steht.13 Aktionen in Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz trat die IBD in den Jahren 2015 und 2016 mit mehreren öffentlichkeitswirksamen Aktionen in Erscheinung. Bekannt wurden u.a.: # 26. September 2015, Trier: Vor dem Bürgerbüro der Ministerpräsidentin wurde ein schwarzes Holzkreuz mit der Aufschrift "Der letzte Deutsche" aufgestellt. # 1. Juni 2016, Mainz Am Zaun der Staatskanzlei wurde ein Banner mit der Aufschrift "AMPEL ABSCHALTEN VORFAHRT FÜR DIE HEIMAT" angebracht. # 4. September 2016, St. Goarshausen: Die Statue der Loreley wurde verhüllt und mit einem Plakat mit der Aufschrift "INTEGRATION IST EIN MÄRCHEN" versehen. # 29. September 2016, Trier: Einer Statue, vermutlich in Trier, wurden die Augen verbunden und ein Schild mit der Aufschrift "BLIND IN DEN UNTERGANG" angebracht. Zuletzt führte die "IB Pfalz" in Trier und Mainz Aktionen durch, mit denen sie auf den Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 aufmerksam machen wollte. Unter dem Motto "Die Toten von Berlin zu den Schuldigen bringen" errichteten IB-Aktivisten vor dem Trierer Rathaus zwei symbolische Gräber. In der gleichen Nacht stellten Aktivisten vor der Parteizentrale von Bündnis 90/Die Grünen in Mainz mehrere Grablichter und Plakate mit den Aufschriften "MULTIKULTI TÖTET!", "WIE VIELE LEBEN SOLL ES NOCH KOSTEN?", "REMIGRATION JETZT!" auf. Über die Aktionen wurde in der Regel auf der Facebook-Seite der "IB Pfalz" berichtet. 13 Facebook-Seite "Identitäre Bewegung-Deutschland", abgerufen am 21. Februar 2017 46 5. Rechtsextremistische Musik Musik ist im Rechtsextremismus ein bedeutendes Medium für Rekrutierung, Radikalisierung und der Festigung des Szenezusammenhalts. Es kommt dabei zunächst nicht nur auf die einschlägigen Inhalte an. Vielmehr spielen auch das soziale Umfeld und gruppendynamische Prozesse von in der Selbstfindungsphase befindlichen jungen Erwachsenen eine große Rolle. So stehen bei Konzerten rechtsextremistischer Musikgruppen erst einmal Erlebnisfaktor und Event-Charakter im Vordergrund. Die propagierten Liedtexte erleben die Zuhörerinnen und Zuhörer zunächst nur unterschwellig. Eigentlich unpolitische Jugendliche werden auf diese Weise Schritt für Schritt mit dem rechtsextremistischen Gedankengut vertraut gemacht. Im Laufe der Zeit hat sich eine vielgestaltige rechtsextremistische Musikszene etabliert, deren Schwerpunkt im subkulturellen Spektrum liegt. Aber auch andere rechtsextremistische Erscheinungsformen machen sich die Musik als Werbeträger zu Nutze. Nicht selten spielen rechtsextremistische Bands oder Liedermacher im Rahmenprogramm von Parteiveranstaltungen. Politik und Erlebnis lassen sich so verbinden. In der rechtsextremistischen Musikszene gibt es - analog der verschiedenen subkulturellen Ausprägungen - ein breites Spektrum an Stilrichtungen. Der Musikgeschmack der Szene wird mit "Hardcore", "Hatecore", "Black Metal", "Hip Hop" oder Liedermachern breit bedient. Die Musik wird aber auch von eher untypischen Einflüssen aus der "Gothic"-Szene oder dem "Vikingrock" geprägt. Viele rechtsextremistische Bands variieren häufig in ihrer personellen Besetzung. So finden sich einzelne Bandmitglieder mit anderen Bands oder Einzelpersonen zu kurzzeitigen Musikprojekten zusammen. Daneben treten rechtsextremistische Solokünstler (Liedermacher) meist mit Gitarre und Eigenkompositionen, auch im Rahmen von Parteiveranstaltungen, auf. In RheinlandPfalz sind derzeit vier rechtsextremistische Bands und ein Liedermacher aktiv. 47 Die Inhalte rechtsextremistischer Musik lassen keine Zweifel hinsichtlich ihrer Urheberschaft aufkommen. In einer unübersehbaren Zahl von Liedtexten werden offen oder auch unterschwellig rechtsextremistische Ideologiefragmente und Botschaften verbreitet sowie Feindbilder skizziert. Mit hasserfüllten Aussagen schüren die Interpreten Ängste gegen Menschen, die eine andere Hautfarbe, Religion, politische Überzeugung oder sexuelle Orientierung haben. Der Sprachstil vieler Texte - nicht zuletzt der indizierten - weist ein hohes Maß an Verrohung auf. Es ist naheliegend, dass sie auch zur Gewalttätigkeit animieren können. "Nigger und Juden mögen wir nicht / Wir schlagen ihnen Stahlstangen ins Gesicht / ... / Unsere Trommeln sind gebaut / Aus weißer Judenhaut / ... / Wir haben auch schon Zecken zu uns eingeladen / Die wurden dann zerhackt und ein Futter für die Maden / Die Schwulen hätten wir doch fast vergessen / Wir lassen sie unsere Scheiße fressen / Später gibt's dann mit der Baseballkeule / ... / Denn jeder unarischen schwuletten Sau Hauen wir die Schnauze blau" Band "Kaltes Judenleder", CD "Ehrengäste (Demo)", Titel "Kaltes Judenleder"14 In der entsprechend emotional aufgeladenen Stimmung werden während rechtsextremistischer Konzerte nicht selten strafrechtlich relevante Propagandadelikte wie das Zeigen des Hitlergrußes oder das Skandieren von NSParolen begangen. Auch werden am Rande dieser Veranstaltungen szenetypische, teils indizierte Objekte (CDs, Buttons, T-Shirts etc.) angeboten. Aufgrund fortwährender Exekutivmaßnahmen sowie Strafanzeigen verhält sich die Szene vordergründig taktisch zurückhaltend, indem man beispielsweise Liedtexte anwaltlich auf ihre strafrechtliche Relevanz hin prüfen lässt. Bei der Planung von Konzerten geht man äußerst konspirativ vor. Die durch Mail, Instant Messaging oder Mundpropaganda verbreiteten Einladungen geben meist nur einen zentralen Sammelpunkt bekannt, von welchem die Besucher zum eigentlichen Konzert gelotst werden. Organisiert werden diese Veranstal14 Die CD "Ehrengäste (Demo)" wurde mit Entscheidung vom 12. August 2014 in Teil B der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen. 48 tungen häufig von ortsansässigen Gruppierungen, welche die rechtsextremistischen Konzerte getarnt als private Feiern anmelden. Vorrangig genutzt werden deshalb Räumlichkeiten, die Szeneangehörige oder ihr nahestehende Personen gehören, um eine Kündigung des Mietvertrages oder eine kurzfristige Absage zu umgehen. Zudem finden im privaten Rahmen immer wieder schwer lokalisierbare kleinere Musikveranstaltungen ohne Liveauftritte statt. Des Weiteren ist auch die Verlagerung von Konzerten ins benachbarte Ausland üblich. Von Rheinland-Pfalz bestehen beispielsweise enge Kontakte zu Gesinnungsgenossen nach Frankreich, wo im grenznahen Bereich immer wieder Konzerte von deutschen Veranstaltern durchgeführt werden. In diesem Kontext steht auch das erkennbare Bestreben der Szeneangehörigen, Kontakte zu Gleichgesinnten auch über Ländergrenzen hinweg zu pflegen und zu festigen. Unter dem gemeinsamen Dach der Musik treten spezifische Egoismen der Aktivisten aus unterschiedlichen Ländern in den Hintergrund. Unabhängig von Konzertveranstaltungen findet die Verbreitung der Musik rechtsextremistischer Bands weiterhin über einschlägige Vertriebe und vor allem im Internet statt. Hier können szenetypische Musikstücke individuell heruntergeladen, aber auch unkompliziert und zielgerichtet breit gestreut werden. Dabei lassen auch die im Internet speziell auf Jugendliche abgestimmten Angebote den rechtsextremistischen Hintergrund und die dahinterstehende Ideologie nicht immer auf den ersten Blick erkennen. 49 II. "Reichsbürger"-Spektrum Im Bundesgebiet, so auch in Rheinland-Pfalz, treten immer wieder Personen und Gruppierungen unter Verwendung von Bezeichnungen fiktiver Staaten (z.B. "Freistaat Preußen") oder staatlicher Scheinstrukturen (z.B. "Reichsregierung") in Erscheinung. Sie benutzen Pseudotitel und Fantasiepapiere und verfassen weitschweifige Erklärungen mit haltlosen Behauptungen und Verschwörungsfantasien. Zusammengefasst werden sie von den Sicherheitsbehörden als "Reichsbürger"-Spektrum bezeichnet. In vielen Fällen waren und sind die Aktivitäten sogenannter Reichsbürger nicht zuletzt unter polizeiund ordnungsbehördlichen Gesichtspunkten relevant. Darüber hinaus ist das "Reichsbürger"-Spektrum aber auch im Blickfeld des Verfassungsschutzes. Im Zuge der jüngeren Entwicklung hat sich die Erkenntnislage soweit verdichtet, dass Ende November 2016 die Einstufung des "Reichsbürger"-Spektrums als Sammelbeobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes vollzogen wurde.15 Es liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte u.a. für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor (vgl. Kapitel A. I.). Dabei handelt es sich um einen Extremismus eigener Art mit einer bislang vergleichsweise geringen Schnittmenge zum Rechtsextremismus. Strukturen Eine einheitliche "Reichsbürgerbewegung" gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um eine heterogene Szene, die von unterschiedlich motivierten Einzelpersonen über Kleinstund Pseudogruppierungen, einer unüberschau15 Unter dem Arbeitsbegriff "Sammelbeobachtungsobjekt" werden Bewegungen ansonsten lose formierter / strukturierter Personen und Gruppierungen zusammengefasst, bei denen von einer einheitlichen weltanschaulich-ideologischen Ausrichtung gesprochen werden kann. Die Einstufung erfolgt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gezielte Beobachtung gegeben sind, d.h. insbesondere Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vorliegen. 50 baren Zahl von Internetpräsenzen und sogenannten Hilfsgemeinschaften für Justizopfer, bis hin zu sektenartigen, esoterisch geprägten Organisationen mit vergleichsweise geringer Mitgliederzahl reicht. Ungeachtet einiger Gemeinsamkeiten gibt es weder ein einheitliches Vorgehen, noch sind (bislang) eine allumfassende Vernetzung oder eine dominierende Gruppierung erkennbar. Die Zersplitterung der Szene, Fluktuation und häufig wechselnde Bezeichnungen erschweren eine exakte Bestimmung der Personenzahl des "Reichsbürger"-Spektrums. Innerhalb des "Reichsbürger"-Spektrums lassen sich unterschiedliche Kategorien erkennen. Hierzu zählen u.a. neben bloßen Mitläufern und "Trittbrettfahrern" notorische Querulanten, Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, wie auch weltanschaulich gefestigte (überzeugte) Protagonisten und Wortführer sowie Profiteure der Szene. Letztere bieten beispielsweise gegen Bezahlung (in Euro!) Fantasiepapiere (wie "Reichsausweise" und Pseudourkunden) und (Rechts-)Seminare etc. an. In Rheinland-Pfalz können mit Stand April 2017 rund 400 - weit überwiegend unorganisierte - Personen mit entsprechender Ausrichtung beziffert werden. Weltanschauung und Ziele Es existiert keine spezifische, in sich geschlossene "Reichsbürger"-Ideologie. Die weltanschaulich-ideologische Ausrichtung dieser heterogenen Szene beruht auf einer Reihe von Ideologiefragmenten und variierenden Argumentationsmustern. In der Gesamtschau ergeben sich dabei zwar einzelne Berührungspunkte oder Parallelen zur rechtsextremistischen Weltanschauung (z.B. in der Frage des deutschen Staatsgebietes - Stichwort: Gebietsrevisionismus). Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass das gesamte "Reichsbürger"Spektrum entsprechend weltanschaulich disponiert ist. Wesentliche, den Rechtsextremismus kennzeichnende Kernelemente, wie insbesondere der Rassismus und der Antisemitismus, können nach bisherigem Erkenntnisstand nur in einzelnen Fällen / Ansätzen festgestellt werden. Im Zentrum der Weltanschauung sogenannter Reichsbürger steht der gebiets51 revisionistisch geprägte "Reichsgedanke", d.h. die Vorstellung, das "Deutsche Reich" in historischen Grenzen wieder herzustellen. Das entsprechende Staatsgebiet umfasst nach Überzeugung der "Reichsbürger" nicht die völkerrechtlich verbindlichen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland, sondern solche, die sich durchaus von unterschiedlichen historischen Daten ableiten lassen (wie 1871, 1914 oder auch 1937 und, wenn auch weniger, 1939). Die Grenzen der Nachbarstaaten Deutschlands werden folgerichtig nicht anerkannt, völkerrechtlich verbindliche Verträge negiert und der Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Souveränität abgesprochen. Die Bundesrepublik Deutschland ist aus Sicht der "Reichsbürger" als Staat nicht vorhanden. Sie verleihen dem u.a. durch verächtliche Bezeichnungen wie "BRD GmbH" Ausdruck. Ziel ihres Unterfangens ist die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des "Deutschen Reiches" durch Schaffung institutionalisierter Organe. Die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland bedingt, dass die "Reichsbürger" konsequent das Grundgesetz, die Rechtsordnung und die Legitimität staatlicher Institutionen sowie ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten negieren. Aktivitäten "Reichsbürger" sind Vielschreiber. Ihre gängigste Vorgehensweise ist das Abfassen von an staatliche Einrichtungen - in erster Linie Behörden - gerichteten Schriftstücken. Dies geschieht aus eigenem Antrieb heraus, wie auch reaktiv (z.B. aufgrund amtlicher Bescheide). Die Diktion solcher Schreiben ist regelmäßig belehrend-missionarisch und um Imitation der Behördensprache bemüht. Man ergeht sich in zumeist weitschweifigen, pseudojuristischen (-wissenschaftlichen) Ausführungen, die bar jeder rechtlichen und sachlichen Grundlage sind. Zu den Aktivitäten der "Reichsbürger" /-gruppierungen zählen zudem einschlägige Veröffentlichungen, vorzugsweise im Internet. Ein geschlossenes öffentliches Auftreten unter der Firmierung "Reichsbürger" oder entsprechenden Gruppenbezeichnungen, so bei Demonstrationen oder Kundgebungen, findet hingegen in aller Regel nicht statt. Wohl aber sehen sich immer wieder Amtsträger /-innen im Rahmen ihrer Obliegenheiten unmittelbar mit einzelnen selbsternannten "Reichsbürgern" konfrontiert. 52 Verhältnis zur Gewalt Innerhalb des "Reichsbürger"-Spektrums gibt es erkennbar keinen Konsens zur Gewaltfrage. Es kann bislang auch nicht belegt werden, dass "Reichsbürger" als solche per se gewaltorientiert (oder gar gewalttätig) sind. Allerdings verdeutlicht eine Reihe von Fällen, dass einzelne Szeneangehörige eine mehr oder weniger ausgeprägte Gewaltaffinität entwickeln (können) und diese auch in zum Teil schwersten Taten umzusetzen vermögen.16 Wahrgenommen werden kann zudem, dass es unter "Reichsbürgern" gängig ist, anlassbezogen eine drohend-konfrontative Haltung einzunehmen und Drohkulissen aufzubauen. Betroffen hiervon sind zumeist staatliche Stellen und deren Bedienstete. Niederschlag finden verbale Drohungen vornehmlich in selbstgefertigten pseudoamtlichen Schreiben wie "Strafbefehlen" oder "Mahnbescheiden", die an Behörden versandt werden, die den abwegigen Forderungen von "Reichsbürgern" nicht nachkommen. Es kann aber auch dazu kommen, dass staatliche Bedienstete oder andere im staatlichen Auftrag tätige Personen an der Ausübung ihrer Tätigkeiten gehindert werden, so indem man sie bedrängt oder gar körperlich angreift. 16 So widersetzte sich am 19. Oktober 2016 im bayerischen Georgensmünd ein Szeneangehöriger mit Waffengewalt einer polizeilichen Maßnahme zur Sicherstellung seiner Jagdwaffen wegen Entzugs der diesbezüglichen Erlaubnis. Einer der eingesetzten Beamten erlag am Folgetag den ihm zugefügten schweren Schussverletzungen. 53 III. Linksextremismus 1. Überblick Das Ziel linksextremistischer Bestrebungen ist die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die durch die Errichtung eines totalitären, sozialistisch-kommunistischen Systems oder die Etablierung einer anarchistischen Gesellschaft ersetzt werden soll. Linksextremisten orientieren ihr politisches Handeln an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien und versuchen, nichtextremistische, demokratische Protestpotenziale für ihre systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren. Anarchisten (Autonome) streben nach einem freien, selbstbestimmten Leben in "herrschaftsfreien" Räumen. Die unterschiedlichen Aktionsformen von Linksextremisten reichen von offener Agitation bis hin zu massiver Gewaltanwendung. In Rheinland-Pfalz haben sich Strukturen und Erscheinungsbild des organisierten und gewaltorientierten Linksextremismus gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert. Das linksextremistische Potenzial umfasste Ende 2016 konstant etwa 500 Personen, darunter ca. 100 Gewaltorientierte. Im Mittelpunkt rheinland-pfälzischer Linksextremisten stand weiterhin ihr "antifaschistischer Kampf" gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Zudem versuchten Linksextremisten, das eng mit der Entwicklung der Flüchtlingsund Asylpolitik verknüpfte Thema "Antirassismus" für ihre demokratiefeindlichen Ziele zu nutzen. Das Abflachen des Flüchtlingsaufkommens führte in der zweiten Jahreshälfte 2016 zu einem merklichen Rückgang dieser Aktivitäten. Unauffällig in ihrer öffentlichen Darstellung blieben in Rheinland-Pfalz revolutionär-marxistische Organisationen wie beispielsweise die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). 54 2. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2016 2015 Gesamt 500 500 Gewaltorientierte 100 100 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 400 400 Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Gewaltorientierter Linksextremismus Linksextremisten machten auch im Jahr 2016 bundesweit durch zahlreiche Strafund Gewalttaten auf sich aufmerksam. Gewalttätige Aktionen richteten sich regelmäßig gegen echte und vermeintliche Rechtsextremisten sowie gegen Polizeibeamtinnen und -beamte, so vor allem bei Demonstrationen und Blockaden. Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung hat sich in den letzten Jahren zunehmend verringert. Insgesamt sind ein Nord-Süd-Gefälle mit einer Konzentration in urbanen Räumen sowie die Existenz besonders ausgeprägter gewaltaffiner Szenen in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Leipzig zu erkennen. Die linksextremistische (gewaltorientierte) Szene in Rheinland-Pfalz ist im Bundesvergleich weitgehend unauffällig geblieben; sie handelt überwiegend anlassbezogen und reaktiv. Ideologische Schwerpunkte sind nur bedingt auszumachen. Die Gesamtzahl der linksextremistisch motivierten Straftaten bewegt sich, wenngleich leicht gestiegen, weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Die Zahl der Gewalttaten halbierte sich (vgl. Anhang, I.2). Rheinland-pfälzische Linksextremisten beteiligten sich vor allem an bürgerlichen Protesten gegen Versammlungen rechtsextremistischer oder rechtspopulistischer Parteien/Gruppierungen. Dabei wurden sie mehrfach durch gewaltorientierte Szeneangehörige aus angrenzenden Bundesländern unterstützt. Häufig genutzte Aktionsformen gewaltorientierter Linksextremisten sind Störund Blockadeaktionen. Sie grenzen sich deutlich vom bürgerlichen Protestpo55 tenzial ab, da sie die Anwendung von Gewalt mit einschließen. Gewaltorientierte Linksextremisten sprechen dem nichtextremistischen Lager generell die Kompetenz ab, rechtsextremistische Bestrebungen/Tendenzen wirkungsvoll zu bekämpfen. Die vor allem durch die rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" im Frühjahr 2016 in Alzey, Worms und Kaiserslautern sowie im Herbst 2016 im Westerwaldkreis (Hachenburg und Bad Marienberg) initiierten Demonstrationen gegen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende und die angebliche "Überfremdung" führten regelmäßig zu Gegenund Protestdemonstrationen unter Beteiligung des linksextremistischen (autonomen) Spektrums. Dabei initiierten örtliche Szeneangehörige gemeinsam mit Aktivisten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen wiederholt Blockadeaktionen, um den Auftritt der Rechtsextremisten zu stören. In Remagen (Landkreis Ahrweiler) kam es am 12. November 2016 zu einem rechtsextremistischen "Gedenkmarsch" zur Erinnerung an die im Zweiten Weltkrieg in westalliierter Kriegsgefangenschaft in den so genannten Rheinwiesenlagern gestorbenen deutschen Wehrmachtsangehörigen. Neben nichtextremistischen Gegenveranstaltungen gab es eine von Linksextremisten beworbene Versammlung unter dem Motto "Rechtsterrorismus bekämpfen! Genug ist genug! Dem Naziaufmarsch in Remagen ein Ende setzen!". Unter die überwiegend friedlichen Teilnehmer der Versammlungen mischten sich gewaltorientierte "Antifa"-Aktivisten aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Diese versuchten vergeblich, die rechte Aufzugsstrecke zu blockieren und die Rechtsextremisten direkt zu attackieren. Das Aufeinandertreffen von Linksund Rechtsextremisten konnten Einsatzkräfte der Polizei verhindern. 3.1 Autonome Autonome zielen im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" und propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen 56 und Autoritäten. Sie rechtfertigen eigene Gewalt als angeblich notwendiges Mittel, um sich gegen die "strukturelle Gewalt eines Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung" zu wehren. Autonome sind in der Regel organisationsund hierarchiefeindlich eingestellt und bevorzugen eher strukturlose, informelle Formen der Zusammenarbeit. Gleichwohl gibt es innerhalb der autonomen Szene immer wieder Bestrebungen, sich stärker zu vernetzen und den Aufbau von regionalen und überregionalen Organisationsstrukturen voranzutreiben. Ziel ist die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen. Ein Beispiel dafür ist das von Autonomen dominierte kommunistische "...ums Ganze!"-Bündnis, das Ende Januar 2016 in Frankfurt am Main bei einem bundesweiten Treffen unter dem Motto "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) beschloss, den Wahlkampf der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) auf allen Ebenen zu stören und bundesweit gegen die auf eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms gerichtete Politik vorzugehen. Gewaltorientierte Gruppen aus der Rhein-Neckar-Region, unter anderem aus Mannheim und Speyer/Schifferstadt, initiierten Ende Januar 2016 gemeinsam die Kampagne "Wir schaffen das! Gegen Rassismus und Kapitalismus. Für eine solidarische Gesellschaft". Ziel der Kampagne war es, "linke und antirassistische Positionen im Zeitraum der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stark zu machen". Die überwiegend von Linksextremisten genutzte Internetplattform "Linksunten Indymedia" verbreitete dazu folgenden Beitrag: "Hoffnungen in die Parteien setzen wir nicht. Unsere Perspektive liegt außerhalb der Parlamente. Wir setzen auf Selbstorganisation und Druck von der Straße". 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus / Antirassismus / Antirepression Die linksextremistische Szene reagierte im vorausgegangenen Jahr und auch noch Anfang 2016 emotionalisiert auf die Flüchtlingsthematik. Im Zuge der migrationspolitischen Debatten wurden die Ausrichtung der Aktionsfelder 57 "Antifaschismus" und "Antirassismus" sowie "Antirepression" miteinander verbunden. Dadurch ergaben sich neue Handlungsoptionen, auch um dem verstärkten Agieren rechtsextremistischer bzw. rechtspopulistischer Parteien wirkungsvoll entgegen steuern zu können. Autonome zogen die Themen Asylpolitik und Migration als Begründung für ihre begangenen Straftaten heran, die sich gegen das staatliche "Repressionssystem" richten. Dabei wurden Einsatzkräfte der Polizei, Ordnungsämter, Ausländerbehörden, Verfassungsorgane und Parteizentralen undifferenziert als "Staatsmacht" bzw. Symbole der abgelehnten herrschenden Ordnung abgestempelt sowie als Verantwortliche der deutschen Migrationspolitik ausgemacht. Im Vorfeld und nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz (13. März 2016) wurde außer den rechtsextremistischen Parteien wie NPD und "DIE RECHTE" vermehrt auch die AfD von Linksextremisten als der zentrale politische Gegner wahrgenommen. Die Partei gilt im Verständnis von Linksextremisten als "faschistisch", "rassistisch" und verlängerter bzw. parlamentarischer Arm islamkritischer Bewegungen. So beteiligten sich gewaltorientierte Linksextremisten am 5. Januar 2016 im Mainzer Stadtteil Finthen an Protesten gegen eine Versammlung des AfD-Landesverbandes im örtlichen Bürgerhaus. Vor Beginn der Versammlung hatten einige Aktivisten zeitweise den Zugang zum Veranstaltungsort blockiert. Während der Veranstaltung wurde ein Transparent mit dem Slogan "Antifa heißt Angriff" gezeigt. In der Nacht zuvor waren die Außenwände des Bürgerhauses mit Anti-AfD-Parolen beschmiert und sämtliche Schlösser beschädigt worden. Des Weiteren wurde ein Loch in einer Fensterscheibe entdeckt. In Bingen am Rhein richteten vom 9. bis 10. Juli der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz seinen Landesparteitag und vom 16. bis 17. Juli 2016 die AfD-Jugendorganisation ihren Bundesparteitag aus. Zu beiden Veranstaltungen gab es unter Beteiligung von gewaltorientierten Linksextremisten Gegendemonstrationen. Im Vorfeld der Proteste hatten Unbekannte auf der anderen Rheinseite von Bin58 gen in einem Weinberg den gegen die AfD gerichteten Slogan "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA) in auffällig großen Buchstaben auf eine Banderole gemalt. Auch die Lebensumstände von Flüchtlingen im Ausland waren Gegenstand linksextremistischer Agitation in Rheinland-Pfalz. So demonstrierten gegen die Räumung eines Flüchtlingscamps in Frankreich, das über die Grenzen hinaus als "Jungle von Calais" medial Aufsehen erregte, am 24. Oktober 2016 in Koblenz ca. 20 "Antirassisten". Bei ihrem Marsch durch die Koblenzer Altstadt brannten die Demonstranten Pyrotechnik ab. Im Anschluss an die Veranstaltung wurde von einer örtlichen "Antifa"-Gruppe ein Youtube-Video "Stop the eviction in Calais!" zur Aktion verbreitet. Darin wird Deutschland und den europäischen (Schengen-)Staaten vorgeworfen, durch Abschiebungen eine rassistische Politik zu betreiben. Weiterhin wurde dazu aufgerufen "gemeinsam die Festung Europa einzureißen". Die handelnden Personen im Video waren unkenntlich gemacht. Antikapitalismus Aus Sicht von Linksextremisten sind der von ihnen "verhasste" kapitalistische Staat und dessen Politik ausschließlich an den Interessen der Wirtschaft und der "Kapitalisten" ausgerichtet, beziehungsweise werden von diesen gelenkt. Internationale Treffen, wie die regelmäßig stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel, dienen nach dem Verständnis von Linksextremisten allein dem Zweck, die ökonomischen und militärischen Ambitionen dieser "kapitalistisch geführten" Staaten untereinander abzustimmen und die jeweiligen Einflussbereiche abzusichern. Der Hamburger G20-Gipfel (Treffen der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer) am 7. und 8. Juli 2017 steht deshalb besonders im Blickpunkt gewaltorientierter Linksextremisten, die im Vorfeld bundesweit eine "militante" Kampagne gestartet haben. Seit Sommer 2016 wurden permanent Sachbeschädigungen und Brandanschläge verübt, so gegen Wirtschaftsunternehmen und Infrastruktureinrichtungen in den Städten Berlin, Bremen, Hamburg und Frankfurt am Main. 59 "Kurdistan"-Solidarität Vor dem Hintergrund der angespannten Sicherheitslage in der Türkei, insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016, unterstützten (gewaltorientierte) Linksextremisten regelmäßig von Kurden initiierte Demonstrationen in Mainz, Koblenz und Kaiserslautern. Dabei bekundeten sie ihre Solidarität für die im Kurdengebiet kämpfenden "Selbstverteidigungskräfte", forderten die Freilassung des in der Türkei inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan sowie die Aufhebung des PKK-Verbotes in Deutschland. Ausblick Das Betätigungsfeld rheinland-pfälzischer Linksextremisten dürfte sich auch künftig schwerpunktmäßig auf Aktionen und Kampagnen gegen echte und vermeintliche Rechtsextremisten konzentrieren. 60 IV. Islamismus 1. Überblick Charakteristisch für den Islamismus ist die Verknüpfung religiöser und politischer Argumente. Politische Themen werden religiös interpretiert, indem die Menschheit in die Kategorien Muslime und "Ungläubige" eingeteilt wird und sämtliche politischen Vorgänge in Bezug zu Muslimen und, mehr noch, zum Islam gesetzt werden. Der Islam wird seinerseits zu einer Rechtsund Staatsordnung erklärt, die politisch durchgesetzt werden soll. Innerhalb des Islamismus stellt der Salafismus eine besonders rigide Strömung dar, die vielfach gewaltablehnend ist, sich jedoch teilweise mit dem Jihadismus überschneidet. Jihadisten vertreten in Worten und Taten ein gewaltsames Jihad-Verständnis, das bis zum Einsatz terroristischer Mittel reicht.17 Die Sicherheitsbehörden konstatieren für die Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahren eine hohe abstrakte Gefährdung durch den internationalen islamistisch motivierten Terrorismus. Im Jahr 2016 hat sich diese Gefährdung mehrfach konkretisiert. Den tragischen Höhepunkt der Jahresentwicklung markierte der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt, als am Abend des 19. Dezember ein Attentäter einen LKW in eine Menschenmenge auf dem Breitscheidplatz steuerte. Bei dem Anschlag wurden insgesamt 12 Menschen getötet und über 60 verletzt. Terroristische Einzeltäter und Gruppierungen stellen den extremsten Flügel innerhalb des Phänomenbereichs Islamismus dar. Mehrheitlich wenden Islamisten keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele an. Es sollte indessen nicht übersehen werden, dass auch gewaltfreie Islamisten ein Weltbild propagieren, das von pauschalen Negativzuschreibungen gegenüber 17 Das ursprünglich breite Bedeutungsspektrum des arabischen Begriffs "Jihad", das von der Bemühung des Einzelnen um eine islamische Lebensführung (sogenannter Großer Jihad) bis zum Einsatz für den Islam - seine Verteidigung ebenso wie seine Verbreitung (sogenannter Kleiner Jihad) - reicht, wird von gewaltbereiten Islamisten auf den militanten Aspekt verengt. Mehr noch, der kämpferische Jihad wird von ihnen als Terror fehlgedeutet und entsprechend praktiziert. 61 Nichtmuslimen gekennzeichnet ist und insoweit zu einer Verinnerlichung von Feindbildern und Radikalisierung beitragen kann. Darüber hinaus stehen die Rechtsvorstellungen auch gewaltfreier Islamisten in mehreren Punkten im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zum Beispiel im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie die Glaubensund Meinungsfreiheit. Die Aktivitäten islamistischer Organisationen sind auf die Verbreitung ihres Weltbildes innerhalb der muslimischen Gemeinschaft und darüber hinaus die verstärkte politische und gesellschaftliche Mitbestimmung in Deutschland ausgerichtet. 2. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2016 2015 Islamisten Gesamt 580 550 Angaben gerundet Rheinland-Pfalz ist im Ganzen betrachtet kein ausgesprochener Brennpunkt des Islamismus in Deutschland. Allerdings hat auch hier das salafistische Personenpotenzial innerhalb des islamistischen Gesamtspektrums kontinuierlich zugenommen, im Jahresverlauf 2016 um 30 Personen. 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des Islamismus und des jihadistischen Terrorismus 3.1 International Der internationale Terrorismus gehört seit Jahren zu den maßgeblichen Bedrohungen für eine Vielzahl von Staaten. Dies gilt insbesondere für einige Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas, aber auch für weitere Staaten, u.a. Afghanistan, Pakistan, Nigeria und Somalia. In den vergangenen Jahren verübten Mitglieder von Terrororganisationen sowie Einzeltäter auch in Europa vermehrt Anschläge. 2016 kam es im europäischen Ausland zu folgenden Vorkommnissen: 62 Datum Ort Ereignis TodesUrheberopfer schaft 12. Januar Istanbul Anschlag 12, davon Selbstmordattentäter 2016 (Türkei) 10 aus mit Verbindungen Deutschzum IS land 22. März 2016 Brüssel Sprengstoffanschläge am 32 Drei Selbstmordatten(Belgien) Flughafen und in einer täter und ein weiterer U-Bahn-Station Attentäter mit Verbindungen zum IS 13. Juni 2016 MagnanGeiselnahme und Tötung Zwei selbsterklärter ville IS-Anhänger (Frankreich) 28. Juni 2016 Istanbul Sprengstoffanschläge 45 mutmaßliche (Türkei) am Flughafen IS-Anhänger 14. Juli 2016 Nizza Amokfahrt mit LKW 86 Einzeltäter (Frankreich) 26. Juli 2016 Saint EtiTötung in Kirche Eines Zwei IS-Anhänger enne-duRouvray (Frankreich) 3.2. Bundesrepublik Deutschland 3.2.1 Anschläge und Anschlagsversuche In den Vorjahren waren einige Anschläge durch die rechtzeitige Enttarnung und Festnahme von Attentätern verhindert worden. In weiteren Fällen war die Anschlagsumsetzung aufgrund technischer Mängel fehlgeschlagen. 2016 kam es jedoch zu mehreren Anschlägen und Attentaten: # Am 26. Februar griff eine erst 15-jährige radikalisierte Täterin einen Bundespolizisten in Hannover mit einem Messer an und verletzte ihn schwer. # Am 16. April ereignete sich in einem Tempel der Sikh-Gemeinde in Essen eine Sprengstoffexplosion, bei der eine Person schwer verletzt wurde. Verantwortlich hierfür waren drei minderjährige Täter, die Vergeltung 63 für die aus ihrer Sicht bestehende Diskriminierung von Muslimen im indischen Punjab üben wollten. # Am 18. Juli griff ein 17-jähriger Attentäter mit einem Messer und einer Axt in einem Regionalzug bei Würzburg eine asiatische Touristengruppe an und verletzte mehrere Personen schwer. Der IS reklamierte die Tat für sich. # Wenige Tage später, am 24. Juli, kam es zu einem Selbstmordanschlag bei einem Musikfestival in Ansbach. Hierbei wurden 14 Personen verletzt. Der IS bekannte sich auch zu dieser Tat. # Am 19. Dezember wurde ein Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz verübt. Wie wenige Monate zuvor in Nizza, steuerte auch der Attentäter von Berlin einen LKW in eine Menschenmenge und tötete dabei elf Personen und verletzte mehr als 60 weitere. Zuvor hatte er den polnischen LKW-Fahrer in der Fahrerkabine erschossen. Dem Attentäter Anis Amri gelang die Flucht nach Italien, wo er am 23. Dezember in eine Polizeikontrolle geriet, von sich aus das Feuer eröffnete und unmittelbar darauf erschossen wurde. Die Terrorbilanz 2016 wäre für Deutschland noch verheerender ausgefallen, wenn es nicht gelungen wäre, Anschläge durch die rechtzeitige Identifizierung und Festnahme von Attentätern zu verhindern. Erwähnt sei hier die Festnahme von Jaber Al-Bakr im Oktober in Leipzig. In seiner Chemnitzer Wohnung waren Sprengstoff und Chemikalien festgestellt worden. Weiterhin deuteten seine Ausspähungen am Berliner Flughafen Tegel auf die Vorbereitung eines Anschlags hin. Am 4. Januar 2017 begann in Berlin der Prozess gegen einen 19-Jährigen Syrer, der sich verantworten muss, Terrorattacken an symbolträchtigen Orten in der Hauptstadt geplant zu haben. Rheinland-Pfalz Auch Rheinland-Pfalz wäre beinahe Schauplatz eines Anschlags gewor64 den. Der Versuch, eine Sprengstoffvorrichtung auf einem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen zu zünden, ist aus technischen Gründen misslungen. Dieser Anschlagsversuch stellt insoweit ein Novum dar, als es sich bei dem Täter um einen erst Zwölfjährigen handelt, der sich im Internet selbst radikalisierte. Die Generalbundesanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf. 3.2.2 Reisebewegungen Die Entwicklungen des Jihadismus hierzulande sind von den Ereignissen in der Nahostregion nicht zu trennen. Es liegen Erkenntnisse zu mehr als 890 Islamisten aus Deutschland vor, darunter 15 aus Rheinland-Pfalz, die in den vergangenen Jahren in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen (Stand: Dezember 2016). Obwohl die Ausreisebewegung im Jahr 2016 anhielt, schwächte sich ihre Dynamik gegenüber den Vorjahren deutlich ab. Ursächlich hierfür dürfte der massive militärische Druck auf den IS in seinen Kerngebieten in Syrien und Irak sein, der auch dazu beitrug, seinem Nimbus der Unbesiegbarkeit zu schaden. Ungefähr ein Drittel der ausgereisten Islamisten kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück. Ähnlich wie bei den um 1990 aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückgekehrten Kämpfern (Mujahidin) besteht auch bei den Syrien-Rückkehrern die Gefahr, dass sie # ihrer Kampfgruppe verbunden bleiben, # eventuell gar in ihrem Auftrag sowie unter Nutzung der vor Ort erworbenen Fähigkeiten Aktivitäten bis hin zu einem Terroranschlag ausüben, # in islamistischen Kreisen als Vorbilder angesehen werden und Andere zu ähnlichen "Jihad"-Aktivitäten motivieren und/oder rekrutieren. 65 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Die wahre Religion" alias "LIES! Stiftung"/ "Stiftung LIES" Am 15. November verbot der Bundesinnenminister die Vereinigung "Die wahre Religion (DWR)" alias "LIES! Stiftung"/"Stiftung LIES" und löste sie auf. Das Verbot wurde in zehn Ländern mit rund 190 Durchsuchungsund Beschlagnahmemaßnahmen vollzogen, darunter auch vier in Rheinland-Pfalz. Die Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) war bundesweit ein Hauptakteur im Bereich des Salafismus. Während die salafistische Bewegung ansonsten keine festen Strukturen aufweist, entwickelte DWR einen hohen Organisationsgrad, der sich insbesondere in der Initiierung der "LIES!"-Aktion in Deutschland sowie in weiteren Staaten äußerte. Das Verbot richtete sich nicht gegen die Koranverteilung an sich. Es wurde im Laufe der Jahre jedoch deutlich, dass sie keineswegs Selbstzweck war, sondern gerade die Vernetzung der Beteiligten, die Rekrutierung neuer Anhänger und deren Indoktrinierung zum Ziel hatte. Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich ein Teil der an "LIES!"-Aktionen Beteiligten an Jihad-Fronten in Syrien und im Irak begeben hat (ca. 140 Personen bundesweit, davon zwei aus Rheinland-Pfalz). Im Ganzen richtete sich DWR gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. 3.2.4 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern Kriege, politische und wirtschaftliche Krisen sowie Menschenrechtsverletzungen lösten 2015 die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg nach Europa und hierbei insbesondere nach Deutschland aus. Sie hielt in abgeschwächter Form auch 2016 an. Die häufigsten Herkunftsstaaten sind Syrien, der Irak und Afghanistan. Bei den Sicherheitsbehörden häuften sich im Jahr 2016 die Hinweise auf mutmaßliche Kämpfer, Angehörige, Unterstützer und Sympathisanten terroristischer Organisationen, die im Zuge der Flüchtlingsbewegung eingereist sind. In Rheinland-Pfalz lagen Polizei und Verfassungsschutz im Zeitraum Anfang 2015 bis Ende 2016 insgesamt 63 Einzelhinweise dieser Art vor. Nicht in allen Fällen 66 führten die Ermittlungen zu einer Konkretisierung des gemeldeten Sachverhalts. Wie ernst die Sicherheitsbehörden solche Hinweise jedoch grundsätzlich nehmen müssen, zeigt der Umstand, dass die Attentäter von Würzburg, Ansbach und Berlin diesem Personenspektrum entstammten. 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Die Bestrebungen von Islamisten in Rheinland-Pfalz zeigten sich 2016 wie in den Vorjahren vorrangig folgendermaßen: # Propaganda im Internet, # Indoktrinierung in Predigten und Vorträgen in einzelnen Moscheevereinen, # Mitwirkung in extremistischen Vereinigungen, # finanzielle Unterstützungsleistungen für extremistische Organisationen. Die Mehrheit der ca. 580 Islamisten in Rheinland-Pfalz ist dem gewaltfreien Spektrum zuzuordnen. Eine Minderheit von rund 45 Personen ist allerdings als gewaltorientiert einzustufen. Bei diesen Personen sind und waren in den vergangenen Jahren folgende Aktivitäten festzustellen: # logistische und/oder propagandistische Unterstützung jihadistischer Gruppierungen im Inland oder - häufiger - im Ausland, # Rekrutierung von Glaubenskämpfern, # Ausreisen nach / in Richtung Syrien, # Kontaktpflege zu Jihadisten. Dominiert wird der Islamismus in Rheinland-Pfalz durch die salafistischen Bestrebungen und die im Anschluss daran vorgestellten Organisationen. 67 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: ca. 9.700 (2015: ca. 8.350) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 150 (2015: ca. 120) Beim Salafismus handelt es sich um eine besonders rigide Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Maßgeblich für das Handeln und die angestrebte Ordnung von Salafisten sind ausschließlich die Weisungen von Koran und Sunna, d.h. die überlieferten Worte und Taten der ersten Generationen von Muslimen, der sogenannten salaf. Demgegenüber lehnen Salafisten später entstandene Formen der Religiosität wie die Heiligenverehrung ebenso strikt ab wie weltliche Gesetze. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzeswidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande. Prinzipiell aber streben Salafisten eine Staatsund Rechtsordnung an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islam beruht. Regierungen, die nichtislamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab. Die salafistische Bewegung in Deutschland setzt sich aus unabhängigen Vereinen, informellen Personenzusammenschlüssen, Internetauftritten und Initiativen zusammen. Zwischen den einzelnen Akteuren und Anhängern bestehen häufig Kennverhältnisse und mitunter auch Formen der Zusammenarbeit. Ein salafistischer Dachverband mit Hauptsitz, Vorstand, Satzung und zugehörigen Ortsvereinen existiert indessen nicht. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es demzufolge zumindest keine festen salafistischen Organisationsstrukturen. Die ca. 150 salafistischen Anhänger verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen. Ein Teil von ihnen nutzt einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattformen zur Verbreitung salafistischen Gedankenguts. Bislang ist aber kein rheinland-pfälzischer Moscheeverein eindeutig oder in Gänze dem salafistischen Spektrum zuzurechnen. Gerade jüngere Salafisten weisen mitunter keine Bezüge zu örtlichen Moscheevereinen auf, sondern nutzen Internetangebote und agieren hierbei vornehmlich in sozialen Netzwerken. Zur Verbreitung ihres Islamverständnisses betreiben Salafisten sogenannte da'wa-Arbeit, d.h. Missionierung. Salafistische da'wa-Arbeit ist jedoch nicht nur als eigentliche Missionierung unter Nichtmuslimen zu verstehen, sondern ins68 besondere als religiöse, gesellschaftliche und politische Propaganda im Internet, in Schriften, Predigten, Vorträgen, Islamseminaren und bei Kundgebungen. Adressaten sind hierbei vor allem Muslime selbst. Die da'wa-Arbeit wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend professionalisiert. Das bekannteste Beispiel hierfür war das bundesweit betriebene Missionierungsprojekt "Lies!", das mit dem Verbot der Vereinigung "Die wahre Religion" im November 2016 beendet wurde (s. 3.2.3). Die Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) war in den vergangenen Jahren auch in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten. Ihren ersten Auftritt hatte die Gruppierung zur Jahreswende 2010/2011, als sie kurzfristig ein Islamseminar von Nordrhein-Westfalen nach Mayen verlegte. Die dort gehaltenen Vorträge enthielten charakteristische salafistische Positionen. Des Weiteren trug Denis Cuspert, der sich später zum Kämpfer und führenden Propagandisten der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) entwickelte, eine Kampfhymne vor. Vorrangig trat DWR jedoch im Zusammenhang mit örtlichen Koranverteilungsständen der groß angelegten Aktion "LIES!" auf. Seit Herbst 2011 fanden mehr als 100 Verteilaktionen in rheinland-pfälzischen Städten statt, u.a. in Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Neustadt an der Weinstraße, Neuwied und Speyer. Hieran beteiligten sich über 50 Personen, darunter mehrheitlich Personen aus RheinlandPfalz selbst, in geringerer Zahl auch aus benachbarten Bundesländern. Die Aktion diente vordergründig der Koranverteilung, tatsächlich aber vor allem der Vernetzung der Beteiligten und ihrer Bindung an DWR. Die "LIES!"-Aktion war in das Gesamtspektrum salafistischer Aktivitäten in Rheinland-Pfalz eingebettet. Etwa ein Viertel der von den Sicherheitsbehörden in Rheinland-Pfalz als Salafisten eingestuften Personen weist einen Bezug zu der Aktion auf. Ein Teil von ihnen wurde sogar vorrangig über die Beteiligung an "LIES!"-Ständen zum Anschluss an die salafistische Szene mobilisiert. Die steigenden Anhängerzahlen im Salafismus sind aus sicherheitspolitischer Sicht u.a. vor dem Hintergrund stark ausgeprägter und aggressiv formulier69 ter Feindbilder in salafistischen Diskursen ausgesprochen problematisch. Die Propaganda richtet sich gegen den Westen - damit auch Deutschland - ebenso wie gegen Juden und Schiiten. Sie ist unvereinbar mit dem Gedanken der Völkerverständigung und zielt ferner auf die Einschüchterung der zu Feinden erklärten "Ungläubigen" ab. Selbst Muslime, deren Glaubensverständnis und Lebensführung von der salafistischen abweicht, werden von Salafisten zu Ungläubigen erklärt. Der größere Teil der Salafisten setzt seine Vorstellungen und Forderungen nicht mit gewaltsamen Mitteln um. Gegenüber "Ungläubigen" nimmt die Mehrzahl der Salafisten eine Position der Abgrenzung ein und nicht der Bekämpfung. Gleichwohl kann die salafistische Argumentationskette dazu motivieren, vermeintliche "Hindernisse" auf dem Weg der Zielerreichung zu bekämpfen, auch mit terroristischen Mitteln. Die Vertreter dieser Richtung werden aufgrund der inflationären Verwendung des Begriffs "Jihad", mit dem sie ihre Taten "religiös legitimieren", als "jihadistische Salafisten" bezeichnet. Die große Mehrzahl der Attentäter und der nach Syrien zwecks Kampfbeteiligung ausgereisten Personen ist diesem salafistischen Teilspektrum zuzurechnen. 4.2 HAMAS / "Islamische Widerstandsbewegung" Gründung: Ende 1987 Mitglieder Bund: ca. 320 (2015: ca. 300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 35 (2015: ca. 30) Die HAMAS strebt die Errichtung eines islamischen Staates auf dem gesamten Gebiet Palästinas, d.h. unter Einschluss des Territoriums des Staates Israel, an. Hierbei setzt sie auch militärische und terroristische Mittel ein. Die HAMAS hat in einer Vielzahl von Staaten, darunter Deutschland, Aktivitäten und Strukturen entwickelt. Grundsätzlich verfolgt die HAMAS hierzulande die folgenden Ziele: 70 # Unterstützung der Mutterorganisation in den palästinensischen Gebieten mit Spendensammlungen, # Festigung des Einflusses auf die palästinensische Diaspora, # pro-palästinensische Lobbyarbeit in der europäischen Öffentlichkeit. 4.3 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") Gründung: 1982 Mitglieder Bund: ca. 950 (2015: ca. 950) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 55 (2015: ca. 55) Bei der "Hizb Allah" handelt es sich um eine schiitisch-islamistische Organisation. Sie verfügt in ihrem Heimatland Libanon über einen bewaffneten Arm, der für militärische Auseinandersetzungen mit Israel sowie für die Durchführung von Anschlägen, insbesondere gegen israelische und jüdische Ziele, verantwortlich ist. Seit 2013 kämpfen Einheiten der "Hizb Allah" darüber hinaus in Syrien auf der Seite der Truppen des Regimes von Bashar al-Assad gegen die oppositionellen Verbände. Die "Hizb Allah"-Anhängerschaft in Deutschland tritt nach außen nur wenig in Erscheinung. Verschiedene Ortsvereine dienen ihr als Anlaufstellen, wobei eine Zugehörigkeit zur "Hizb Allah" äußerlich in der Regel nicht erkennbar ist. Zu den wichtigsten Aktivitäten der "Hizb Allah"Mitglieder und Anhänger in Deutschland zählten in der Vergangenheit Spendensammlungen zugunsten von Waisenkindern und Hinterbliebenen von "Hizb Allah"-Kämpfern im Libanon. Da hiermit der bewaffnete Kampf gegen Israel unterstützt und verstetigt wurde, kam es 2014 zum Verbot eines in die "Hizb Allah"-Struktur eingebundenen Spendenvereins, dem "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP). Dieser Verein hatte sich in zeitlicher Überschneidung mit der Verbotsverfügung in "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) umbenannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2015 das Vereinsverbot bestätigt. 71 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 700 (2015: ca. 750) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2015: ca. 50) Der "Kalifatsstaat" ist eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Die Abschiebung des Vereinsoberhauptes Metin Kaplan - von den Anhängern als "Kalif" bezeichnet - in die Türkei im Jahr 2004 und seine dortige Inhaftierung schwächten die Gruppierung zusätzlich. Allerdings können noch immer verdeckte Aktivitäten zur Aufrechterhaltung organisatorischer Zusammenhänge festgestellt werden. Darüber hinaus wird die demokratiefeindliche "Kalifatsstaat"Ideologie sowohl intern als auch unter Nutzung elektronischer Medien weiterhin propagiert. Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim "Kalifatsstaat" um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevölkerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die "Kalifatsstaat"-Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder für ideologisch verwandte Strömungen - wie den Salafismus - empfänglich zu machen. 72 4.5 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.040 (2015: ca. 1.040) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 35 (2015: ca. 30) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete "Muslimbruderschaft" markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. Programmatischer Kernpunkt der "Muslimbruderschaft" ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. Als der parteipolitische Arm der Muslimbruderschaft von 2012 bis Sommer 2013 die Regierung in Ägypten dominierte, wurde die Umgestaltung des Rechtssystems entsprechend ihrer Vorstellungen konsequent vorangetrieben. Angehörige der "Muslimbruderschaft" schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. Im Bundesgebiet wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch die Bildung ihrer Strukturen in Rheinland-Pfalz zu fördern. 73 V. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick Der insgesamt ein Potenzial von rund 600 Personen umfassende nichtislamistische Ausländerextremismus in Rheinland-Pfalz ist zum größten Teil von linksextremistischen und ethnisch motivierten Autonomiebestrebungen geprägt. Politik, Strategie und Aktionismus der hier in Erscheinung tretenden Organisationen werden maßgeblich von den Entwicklungen und Ereignissen in deren Herkunftsländern bestimmt. Die dort zum Teil terroristisch agierenden Organisationen sehen Deutschland als sicheren Rückzugsraum, von dem aus heimatliche, zentrale Organisationseinheiten propagandistisch, materiell und finanziell unterstützt werden. Besondere Bedeutung kommt in Rheinland-Pfalz der seit 1993 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten und seit 2002 von der EU als terroristische Organisation gelisteten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu, die zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele in der Türkei fortgesetzt auf terroristische Mittel zurückgreift. Der seit Dezember 2015 offen ausgebrochene Kampf zwischen der PKK und dem türkischen Staat mit zahlreichen Toten, der gescheiterte Putschversuch am 15. Juli 2016, dessen Auswirkungen sowie viele weitere Anschläge in der Türkei führten zu einer fortwährenden Verschärfung der Sicherheitslage vor Ort. Die PKK-Anhängerschaft in Deutschland reagierte darauf mit einer Reihe von überwiegend friedlich verlaufenen Protestveranstaltungen. Parallel dazu kam es zu Besetzungsaktionen gegen Medienanstalten und zu Brandanschlägen gegen türkische (halb-) staatliche Einrichtungen, für die vorwiegend die PKK-Jugend ("Komalen Ciwan") verantwortlich war. 74 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2016 2015 Gesamt 600 600 Linksextremisten / Separatisten 500 500 Extreme Nationalisten 100 100 (Angaben gerundet) 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) - PKK Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennungen: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Seit 2005 in "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel) HPG Führung in Europa: "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (KCD-E) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 14.000 (2015: ca. 14.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2015: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 Listung durch die EU als seit 2002 terroristische Organisation: Politische Ausgangslage Die von dem seit 1999 in der Türkei inhaftierten Abdullah Öcalan gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit vielen Jahren für eine erweiterte politische und kulturelle Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung. 75 Die Organisation verfolgt bei der Durchsetzung ihrer Ziele weiterhin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa/Deutschland um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei und der nordirakischen Grenzregion, aber auch im Norden Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten auf die Anwendung von Gewalt. In den letzten Jahren waren zwischen PKK und türkischer Regierung wiederholt Ansätze zu einer Lösung des bestehenden Kurdenkonflikts zu beobachten. So hatte die PKK im März 2013 einen Waffenstillstand im Kampf gegen die türkische Regierung ausgerufen. Ein schon begonnener Abzug von PKK-Kampfeinheiten aus der Türkei scheiterte jedoch. Im Jahr 2015 beendeten beide Seiten die zwei Jahre bestandene Waffenruhe. Der seit Dezember 2015 offen ausgebrochene Kampf zwischen PKK und türkischer Armee im Südosten der Türkei mit zahlreichen Toten sowie der gescheiterte Putschversuch am 15. Juli 2016 und dessen Auswirkungen führten zu einer weiteren Verschärfung der Lage. So kam es auch im Jahr 2016 zu zahlreichen Anschlägen in der Türkei, die das Spannungsverhältnis zwischen türkischer Armee und PKK zunehmend belasten. Der Konflikt entfaltete auch weiterhin Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und führte insbesondere zu einer hohen Emotionalisierung sowohl unter der kurdischen Bevölkerung als auch unter den nationalistischen Türken / Deutsch-Türken. In vielen deutschen Städten wurden spontane, zumeist friedliche Protestaktionen durch PKK-Anhänger durchgeführt, die von deutschen Linksextremisten solidarisch unterstützt wurden, so auch bei kleineren Aufzügen in Mainz und Ludwigshafen. Darüber hinaus kam es vermehrt zu Gewalttätigkeiten unter Anhängern aus dem türkisch geprägten und kurdischen Umfeld, zu Sachbeschädigungen gegen türkische Einrichtungen, zu Besetzungsaktionen sowie zu einer Reihe von Brandanschlägen. Die prekäre Situation in den kurdischen Siedlungsgebieten nutzte die PKK fortgesetzt dazu, um in Deutschland vorwiegend Jugendliche für den bewaffneten Kampf in der Heimat zu rekrutieren. Entsprechende Aufrufe wurden nach wie vor über die von der PKK beeinflussten Medien sowie im Rahmen von (Propaganda-)Veranstaltungen verbreitet. 76 Hierarchie / Organisationsstrukturen Die PKK ist straff organisiert und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Nach der 2013 eingeleiteten Neustrukturierung der PKK bildet der "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (KCDK-E) die PKK-Europaführung und vereinigt alle europäischen PKK-nahen Vereine unter sich. Darüber hinaus integriert er die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) als politischen Arm. In Deutschland unterhält die PKK fortgesetzt konspirative Organisationsformen. Im Jahr 2016 erfolgte eine bundesweite strukturelle Neugliederung in neun Regionen, darunter "Saarland/Rheinland-Pfalz". Diesen neun Regionen gehören 31 Gebiete (Unterbereiche) an, die jeweils von regelmäßig wechselnden PKK-Führungsfunktionären (Kadern) geleitet werden. Ihr maßgeblicher Einfluss erstreckt sich auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine bzw. Gesellschaftszentren. Als Dachverband fungiert das "Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum" (NAV-DEM), dem deutschlandweit über 40 PKK-nahe Ortsvereine angehören, darunter auch das "Demokratische Gesellschaftszentrum" (DKTM) in Mainz sowie das "Kurdische Gemeinschaftszentrum Rhein-Neckar" in Ludwigshafen. NAV-DEM koordiniert zudem die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen und verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften. In Rheinland-Pfalz werden der PKK ca. 450 Personen zugerechnet. Bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen wird ein deutlich größerer Personenkreis angesprochen. Finanzen Im Jahr 2016 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne sowie durch Sonderspenden europaweit wieder mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträ77 ge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Gewinne aus Feiern und Veranstaltungen. Aktionen Im Rahmen der 2016 von der PKK bundesund europaweit durchgeführten Propagandaaktionen wurden erneut die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan, der Mord an den PKK-Aktivistinnen in Paris im Januar 2013 und die Aufhebung des PKK-Verbots thematisiert. Insbesondere standen die verstärkt ausgetragenen Auseinandersetzungen der PKK mit dem türkischen Staat und die Politik des türkischen Präsidenten Erdogans im Vordergrund. Beispielhaft sind folgende Großveranstaltungen zu nennen, an denen sich auch rheinland-pfälzische PKK-Anhänger beteiligten: # 19. März 2016, Hannover, zentrales kurdisches Neujahrsfest "Newroz" unter dem Doppel-Motto "Aktuelle Ereignisse in der Türkei / Das militärische Vorgehen der türkischen Regierung gegen die PKK und ihrer Anhängerorganisationen" und "Freiheit für Öcalan, Freiheit für Kurdistan" mit etwa 12.000 Teilnehmern. # 3. September 2016, Köln, "24. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Motto "Weder Putsch noch Diktatur unterstützen wir! Für Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Solidarität hier und in der Türkei. Gegen Nationalismus und Rassismus in der BRD und in der Türkei" mit etwa 28.000 Personen. Die Aktivitäten der rheinland-pfälzischen PKK-Anhängerschaft konzentrierten sich auf die Gebiete Mainz und Ludwigshafen / Mannheim. So fand beispielsweise in Mainz am 29. Oktober 2016 eine Demonstration mit dem Thema "Tag der Befreiung von Kobane, Verbot der Oppositionsmedien in der Türkei, Bombardierungen von kurdischen Gebieten in der Türkei" statt und am 4. November 2016 eine Kundgebung, bei der die Entwicklungen in der Türkei und die Festnahmen der Abgeordneten der HDP thematisiert wurden. Ausblick Das Verhalten der PKK-Anhängerschaft in Deutschland ist nach wie vor stark beeinflusst durch die aktuellen Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebie78 ten. Sollte sich die zugespitzte Sicherheitslage in absehbarer Zeit nicht wieder entspannen, muss mit einer erhöhten Emotionalisierung aller Beteiligten gerechnet werden, einhergehend mit einem gesteigerten, wahrscheinlich gewalttätigen Aktionismus, der sich in spontanen veranstaltungstypischen Straftaten vorwiegend Jugendlicher entladen könnte. 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 2016: 650 (2015: 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2015: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Listung durch EU als terroristische Organisation: seit 2002 Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi") verfolgt fortgesetzt die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei und strebt stattdessen die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus an. In den letzten Jahren führte die DHKP-C zahlreiche terroristische Anschläge in der Türkei durch. Im Jahr 2016 kam es in Istanbul verstärkt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der DHKP-C mit Toten und Verletzten. In Deutschland konzentriert sich die DHKP-C, unterstützt durch mehrere Umfeldorganisationen, vorwiegend auf Propagandaaktivitäten und Geldbeschaffung. Die Anhängerschaft zeigte sich weiterhin solidarisch mit ihren inhaftierten Mitgliedern ("revolutionäre Gefangene"), ebenso mit den DHKP-C-Attentätern in der Türkei. 79 Aktivitäten der DHKP-C und ihrem Umfeld waren auch im Jahr 2016 in Rheinland-Pfalz nur marginal zu verzeichnen. Ausblick Die DHKP-C wird auch in Zukunft versuchen, in der Türkei Gewalt auszuüben - vor allem in Form von terroristischen Anschlägen gegen türkische und USamerikanische Einrichtungen. In Deutschland hält sich die DHKP-C an ihren 1999 für Westeuropa erklärten Gewaltverzicht. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sie diesen Rückzugsraum durch gewaltsame Aktivitäten gefährden wird. 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: 2016: 1.000 (2015: 1.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2015: ca. 30) Listung durch EU als terroristische Organisation: seit 2006 Die LTTE, eine nationalistisch ausgerichtete Separationsbewegung, hat sich zum Ziel gesetzt, einen unabhängigen Tamilenstaat ("Tamil Eelam") im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten Sri Lankas zu errichten. Über lange Jahre führte sie einen Bürgerkrieg gegen die von Singhalesen getragene Zentralregierung Sri Lankas. 2009 wurde die LTTE militärisch besiegt, ihre Infrastruktur zerschlagen. Außerhalb Sri Lankas verfügt die Organisation dennoch über intakte Strukturen. Ihr Ziel eines unabhängigen Tamilenstaats - auch unter Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes - hat sie nie aus den Augen verloren. In Deutschland wird die LTTE vom "Tamil Coordinating Commitee" (TCC) mit Sitz in Oberhausen / Nordrhein-Westfalen repräsentiert. Verschiedene Tarn80 und Umfeldorganisationen - meist mit kulturellen oder humanitären Bezügen - unterstützen den Wiederaufbau der LTTE propagandistisch und mit finanziellen Mitteln. Im Rahmen ihrer europaweiten Aktivitäten führte die Organisation am 14. März und 26. September 2016 zwei Großveranstaltungen in Genf durch. In Aufzügen vor dem UN-Gebäude prangerten LTTE-Anhänger Menschenrechtsverletzungen der früheren Regierung in Sri Lanka an. Darüber hinaus fand am 27. November 2016 in Dortmund ihr alljährlicher zentraler "Heldengedenktag" statt. Die rheinland-pfälzische LTTE-Anhängerschaft beteiligte sich an den vorgenannten Veranstaltungen. Darüber hinaus führte sie eigene Aktivitäten durch, so z.B. am 1. Oktober 2016 in Landau eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 29. Todestages des LTTE-Kaders Taleepan. 81 VI. Spionageabwehr 1. Aufgabe und allgemeine Lage Die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz hat gemäß SS 5 Nr. 2 LVerfSchG die Aufgabe, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht zu beobachten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein prioritäres Ausspähungsziel fremder Nachrichtendienste. Dies belegt allein die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an den sogenannten Legalresidenturen18 fremder Staaten in Deutschland. Das Aufklärungsinteresse richtet sich nicht zuletzt wegen des noch immer ungelösten Ukrainekonflikts und der anhaltenden Eskalation der Lage in Syrien und im Irak vor allem auf (militär-)politisch und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse Deutschlands und seiner Rolle in der EU und der NATO. Zudem rücken die wissenschaftlich-technologischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland immer mehr in das Zielspektrum fremder Nachrichtendienste. Die Innovationskraft auch der in Rheinland-Pfalz ansässigen Forschungsund Bildungseinrichtungen sowie der wirtschaftliche Erfolg der hiesigen Unternehmen bleiben von fremden Nachrichtendiensten nicht unbeobachtet. Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur Informa18 Stützpunkt eines fremden Nachrichtendienstes, abgetarnt in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (z.B. Botschaft, Generalkonsulat, Presseagentur oder Fluggesellschaft) seines Landes im Gastland. 82 tionsgewinnung und des illegalen Gütertransfers, vor allem zu Zwecken der Wirtschaftsspionage und der Proliferation.19 Neben dem unverzichtbaren Einsatz menschlicher Quellen zur Informationsgewinnung setzen die Nachrichtendienste fremder Staaten vermehrt auf die Sammlung elektronischer Daten die durch die zunehmende Vernetzung offen zugänglich sind oder durch Cyberattacken illegal beschafft werden. Durch die stetig wachsende Nutzung sogenannter smarter Technologien in allen Lebensund Arbeitsbereichen verschieben sich Informationen aus der realen in die virtuelle Welt und werden zu weltweit verfügbaren und von fremden Nachrichtendiensten begehrten Daten. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Die Spionageabwehr geht gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach. Ziel ist es illegale Aktivitäten fremder Mächte aufzuklären und zu verhindern. Hierbei gilt es, den "Rundumblick" des Verfassungsschutzes (sogenannter 360-Grad-Blick) weiter zu schärfen. So verurteilte der 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen Landesverrats in zwei Fällen, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Bestechlichkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Zudem wurde ihm für Dauer von fünf Jahren das Wahlrecht aberkannt. Über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren hatte er dienstliche Dokumente und interne Informationen des BND an die Central Intelligence Agency (CIA) weitergegeben und dafür mindestens 95.000 Euro erhalten. 19 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. 83 Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Russische Nachrichtendienste Die russischen Nachrichtendienste haben den gesetzlichen Auftrag, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung zur Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. Dazu steht der Russischen Föderation ein großer nachrichtendienstlicher Apparat zur Verfügung. In nahtloser Fortsetzung des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB verfügen seine heutigen Nachfolger (der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB) nahezu über die gleichen, umfassenden Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt hierbei entweder direkt aus der Zentrale in Moskau oder über die Legalresidenturen. Vermehrt kann festgestellt werden, dass die Russische Föderation versucht unter Einbindung ihrer Nachrichtendienste Einfluss auf die deutsche Öffentlichkeit und die Meinungsbildungsprozesse der Bürger auszuüben. Propaganda und die Verbreitung von Falschinformationen beeinflusst dabei die in der Bundesrepublik lebende russischsprachige Bevölkerung. Ein Beispiel für die Propagandaaktivitäten Russlands im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik ist der Fall des angeblich "von Flüchtlingen vergewaltigten 13-jährigen Mädchens Lisa" mit deutsch-russischen Eltern. Chinesische Nachrichtendienste Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres abso84 luten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen, die sogenannten fünf Gifte, vor. Hierzu gehören die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong20, die Mitglieder der Demokratiebewegung, die Befürworter der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Uiguren und Tibeter. Chinas Nachrichtendienste sind hierbei mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"21 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt vorrangig in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Nachrichtendienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika Die Nachrichtendienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika forcieren ihre Aktivitäten gegen Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Aber auch andere Länder entfalten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland illegale geheimdienstliche Tätigkeiten: Festnahme wegen mutmaßlicher Spionage Am 5. Juli 2016 ließ die Bundesanwaltschaft den 31-jährigen pakistanischen Staatsangehörigen Syed Mustafa H. wegen des Verdachts der geheimdienstli20 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung mit ihren Wurzeln in China. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt 21 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10. Juni 1999 85 chen Agententätigkeit (SS 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) festnehmen. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen stand der Beschuldigte in Verbindung zu einer dem Iran zuzurechnenden geheimdienstlichen Einheit, in deren Auftrag er unter anderem den Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und dessen Umfeld ausgespäht haben soll.22 Eine weitere tatverdächtige Person aus Mainz ist flüchtig. Anklage wegen mutmaßlicher Spionage Die Bundesanwaltschaft hat am 7. September 2016 vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin Anklage gegen einen 58-jährigen deutschen Staatsangehörigen wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) und Verletzung des Dienstgeheimnisses in 45 Fällen (SS 353b Abs. 1 und Abs. 4 StGB) erhoben. Als Mitarbeiter einer zentralen Ausländerbehörde in Ostwestfalen hat der Angeschuldigte für einen indischen Nachrichtendienst insbesondere in Deutschland lebende Inder ausgeforscht. Er übermittelte seinen nachrichtendienstlichen Auftraggebern Informationen, vor allem über oppositionelle und extremistische Sikhs, die er zuvor auch unter Ausnutzung seiner Zugänge zu deutschen amtlichen Registern selbst beschafft hatte.23 Ausspähungsbemühungen für die türkische Regierung Die türkische Regierung macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den misslungenen Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verantwortlich. Bei der Ausspähung von mutmaßlichen Gülen-Anhängern, auch in RheinlandPfalz, sollen türkische Imame der DITIB aktiv mitgewirkt haben.24 22 Quelle: DER GENERALBUNDESANWALT beim Bundesgerichtshof, Pressemitteilung 34/2016 23 Quelle: DER GENERALBUNDESANWALT beim Bundesgerichtshof, Pressemitteilung 46/2016 24 DITIB: "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V." 86 Mittlerweile führt der Generalbundesanwalt ein Strafverfahren wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gem. SS 99 StGB. Festnahme wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit Wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für die Türkei (SS 99 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) wurde am 15. Dezember 2016 in Hamburg ein 31-jähriger türkischer Staatsangehöriger festgenommen und dessen Räumlichkeiten durchsucht. Die Person ist dringend verdächtig, sich im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Deutschland Informationen über Aufenthaltsorte, Kontaktpersonen und politische Tätigkeiten von in Deutschland lebenden Kurden sowie kurdische Einrichtungen in der Bundesrepublik verschafft zu haben, welche zur Weitergabe an den türkischen Geheimdienst bestimmt waren.25 2.2 Proliferation Ein wichtiger Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes ist die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten26 in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie sowie des dafür erforderlichen Know-hows zu gelangen. Da sie zur eigenen Entwicklung und Herstellung häufig nicht in der Lage sind, versuchen sie, sich notwendiges Wissen, Produkte und Güter u.a. mit geheimdienstlichen Methoden illegal zu beschaffen. Die rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbehörde ist im Zusammenwirken mit den deutschen Sicherheitsbehörden damit befasst, einschlägige Aktivitäten und Methoden zu erkennen und zu ihrer Verhinderung beizutragen. Besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten des Iran, Pakistans und Nordkoreas. Auch im Jahr 2016 waren 25 Quelle: DER GENERALBUNDESANWALT beim Bundesgerichtshof, Pressemitteilung 68/2016 26 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie atomare, biologische und chemische Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. 87 deutsche Unternehmen, darunter Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus diesen Staaten. Die Beschaffungsversuche haben Güter betroffen, die aufgrund ausfuhrrechtlicher Restriktionen/ bestehender UN-Embargos genehmigungspflichtig oder generell nicht genehmigungsfähig waren. Diese Güter können zum Beispiel zur Entwicklung eines staatlichen Nuklearund Trägertechnologieprogramms verwendet werden. Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte am 16. Januar 2016, dass Iran seine wichtigsten Verpflichtungen aus der Atomvereinbarung erfüllt habe und in der Folge die E3+3 Staaten27 ihre Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben haben. Zuvor hatten sich die E3+3 Staaten und Iran auf technische Beschränkungen und Kontrollmechanismen geeinigt, die gewährleisten, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient und nicht für die Entwicklung von Nuklearwaffen verwendet werden kann. Die Vereinbarung betrifft ausschließlich das Nuklearprogramm; das iranische Trägerund Raketentechnologieprogramm ist dabei nicht umfasst. Im Gegenzug sollen die seit 2006 gegen Iran verhängten Sanktionen schrittweise aufgehoben werden. Nachdem Iran die vereinbarten Rückbaumaßnahmen an seinem Atomprogramm vorgenommen und die internationale Atomenergiebehörde dies bestätigt hat, wurden nun die gegen das iranische Atomprogramm gerichteten VNund EU-Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben. Die USA haben ihre extraterritorial wirkenden Sanktionen gelockert. Iran kann nun wieder Öl und Gas exportieren und erhält Zugang zu seinen eingefrorenen Exporterlösen. Außerdem kann Iran internationale Finanzkanäle nutzen.28 27 China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland sowie USA 28 Quelle: Auswärtiges Amt 88 Auch nach den nunmehr erfolgten Sanktionslockerungen sind nicht alle Ausfuhren und sonstigen Rechtsgeschäfte in bzw. mit Iran erlaubt. Vielmehr enthalten die Iran-Sanktionen auch weiterhin ein abgestuftes System verbotener und genehmigungspflichtiger Rechtsgeschäfte und Handlungen. Für weitere detaillierte Informationen zu den aktuellen Sanktionslockerungen und den weiterhin bestehenden Exportbeschränkungen wird auf das Merkblatt "Aktuelle Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran" verwiesen, welches auf der Homepage des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle veröffentlicht wurde.29 2.3 Wirtschaftsspionage30 Deutschland steht im Fokus fremder Nachrichtendienste. Die große Wirtschaftskraft mit zahlreichen innovativen Unternehmen und eine weltweite Anerkennung deutscher Wissenschaftsund Forschungsleistungen rücken die Bundesrepublik ins Zentrum nachrichtendienstlicher Aufklärungsbestrebungen. Generell liegt der Fokus bei jeder Form von Wirtschaftsspionage darauf, Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen sowie bestehende Rückstände in der eigenen wissenschaftlichen bzw. technischen Entwicklung aufzuholen. Im Gegensatz zu Ländern mit Forschungsund Wirtschaftsdefiziten liegt der Ausforschungsschwerpunkt für Staaten mit einer bereits eigenen entwickelten Wirtschaft u.a. in den Bereichen der wirtschaftspolitischen Strategien und den zukünftigen sozialökonomischen Trends. Neben anderen Staaten betreiben insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik China intensive Wirtschaftsspionage in Deutschland. Diese 29 Quelle: http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Iran/iran_node.html 30 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 89 erfolgt unmittelbar bzw. mittelbar durch die jeweils zugehörigen Nachrichtendienste. Im Fokus der nachrichtendienstlichen Ausspähungsbemühungen stehen hier im Speziellen Hochund Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaften und bei der Erschließung von zukunftsträchtigen Märkten von hoher Bedeutung sein können. Der Nationale Volkskongress der VR China verabschiedete im März 2016 das "Konzept des 13. Fünfjahrprogramms für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung" welches in den Jahren 2016 bis 2020 umgesetzt werden soll. Als Schwerpunkte des Fünfjahrprogramms wurden u.a. Biound Medizintechnik, Elektromobilität, Luftund Raumfahrt, Umweltschutz und erneuerbare Energien gesetzt. Zur Erreichung der gesteckten Ziele werden auch die Nachrichtendienste der VR China eingebunden und mit Wirtschaftsspionage beauftragt. Nicht immer stehen die Nachrichtendienste im Vordergrund, vielmehr treten auch Staatsunternehmen als Akteure auf. Dies insbesondere, wenn Joint Ventures als Basis für gezielte Wirtschaftsspionage genutzt werden. Beispielsweise werden deutschen Unternehmen Joint Ventures angeboten um somit einen Marktzugang in China zu erreichen. Bereits zu Beginn der Verhandlungen werden Cyber-Attacken aus dem chinesischen IP-Raum auf das Firmennetzwerk festgestellt. Es folgen Delegationsbesuche, Einladungen der deutschen Firmenvertreter nach China, Abschlussverhandlungen und Vertragsunterzeichnungen. Die Operation wird seitens des chinesischen Partners auf die Zulieferer des deutschen Unternehmens ausgeweitet und endet möglicherweise mit einer vollständigen Indigenisierung.31 Wie in den Vorjahren kam es auch im Jahr 2016 zu zahlreichen elektronischen Attacken auf Privatpersonen aber auch Wirtschaftsunternehmen. Zudem konnten erneut Angriffe auf Behörden der Bundesund Landesebene festgestellt werden. Durch die weltweite, digitale Vernetzung und die vielfältigen Verschleierungstechniken innerhalb des Internets ist es oftmals unmöglich, die Urheber der Angriffe eindeutig zu identifizieren. 31 Aufkauf der Firmen und Produktionsstätten, Verlagerung nach China 90 Vor allem die russischen Angreifer demonstrieren ihr technisches Know-how mit einer Bandbreite schwer zu detektierender Angriffsvektoren. Dazu gehören beispielsweise Links zu Seiten mit Schadcode, Phishing-Seiten oder infizierte legitime Webseiten. 91 VII. Geheimschutz 1. Allgemeines Der Schutz von vertraulich oder höher eingestuften Informationen - jedweder Art - ist der Kernbestand des Geheimschutzes. Die Kenntnisnahme durch Unbefugte oder ein nichtautorisiertes Bekanntwerden von Verschlusssachen, die den Bestand, lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden könnten, soll durch den materiellen und personellen Geheimschutz verhindert werden. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät und unterstützt der Verfassungsschutz landesweit Behörden im vorschriftskonformen32 Umgang mit Verschlusssachen sowie Unternehmen der Privatwirtschaft, die mit Verschlusssachen umgehen. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse Verschlusssachen anvertraut werden, die Zugang zu Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit verschaffen könnten. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) ist die Sicherheitsüberprüfung darauf gerichtet festzustellen, ob der (vorgesehene) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten und einer prognostischen Bewertung für den Umgang mit den ihm anzuvertrauenden Verschlusssachen persönlich geeignet ist. Gleiches gilt für Unternehmen der Privatindustrie, die zur Aufgabenerfüllung Zugang zu Verschlusssachen erhalten und deshalb der Geheimschutzbetreuung unterliegen. Ein Sicherheitsrisiko, welches die Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verbietet, können Umstände sein, die nach eingehender Bewertung bspw. festgestellter 32 Nach der "Anweisung zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung/VSA) Rheinland-Pfalz" betrifft dies insbesondere technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. 92 # verfassungsfeindlicher Bestrebungen / fehlender Verfassungstreue, # relevanter vorangegangenen Straftaten, # Gründe der (möglichen) Erpressbarkeit, # nachrichtendienstlicher Beziehungen, # Fälle von Drogenund Alkoholmissbrauch, die persönliche Zuverlässigkeit der überprüften Person in seiner Funktion als Geheimnisträger in Zweifel zieht oder gar verneint. Neben dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz bildet das "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) die Grundlage für weitergehende Maßnahmen, zu deren Anwendung sich alle geheimschutzbetreuten Unternehmen freiwillig verpflichten. 2. IT-Sicherheit/Cyber-Sicherheit Die Komplexität der IT sowie die zunehmende Vernetzung bieten Hackern weitreichende Möglichkeiten, um elektronisch gespeicherte Informationen auszuspähen (Cyber-Spionage) oder IT-Infrastrukturen zu schädigen (CyberSabotage). Im Fadenkreuz dieser Angriffe stehen sowohl staatliche Stellen, Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen, als auch Betreiber Kritischer Infrastrukturen.33 Die dem jeweiligen Angriff zugrundeliegende Motivation ist unterschiedlich geprägt und kann neben nachrichtendienstlichen auch politische oder wirtschaftliche Ziele verfolgen. Bei der Wahl der Angriffswerkzeuge sind die Angreifer kreativ und suchen nach immer effektiveren Möglichkeiten um in Computer-Netzwerke einzudringen. 33 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Definition des Bundesministerium des Innern (KRITIS-Strategie). 93 Vielfach wird das Risiko unterschätzt, selbst Opfer einer Cyber-Attacke oder eines Hackerangriffs zu werden. Diese getrübte Risikowahrnehmung führt dazu, dass man sich der unzureichenden IT-Sicherheitsmaßnahmen oftmals nicht bewusst ist oder sie im Kenntnisfall gar ignoriert. Dabei kann ein Cyber-Angriff mit hohen Kosten sowie einem enormen Imageverlust verbunden sein. Zu den gängigen Abwehrressourcen gegen Cyberangriffe zählen unter anderem Antivirenund Firewall-Lösungen. Doch selbst wenn alle IT-Systeme stets auf dem aktuellen Stand gehalten werden gibt es eine Komponente, die man niemals unterschätzen darf: Den Risikofaktor Mensch. Seine "digitale Sorglosigkeit" begünstigt den Erfolg von Cyber-Angriffen. Denn kein IT-Sicherheitssystem ist in der Lage Daten zu schützen, die von ihren rechtmäßigen Eigentümern "freiwillig" herausgegeben werden. Unter dem Einsatz psychologischer Tricks versuchen die Angreifer ihre Opfer zur Herausgabe von Passwörtern, vertraulichen Informationen oder Ähnlichem zu bewegen. Die so gewonnenen Informationen nutzen sie dann üblicherweise zum unbefugten Eindringen in IT-Systeme. Vor dem Hintergrund zunehmender IT-basierter Angriffe steht der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz als zentraler und kompetenter Ansprechpartner für Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen und Behörden in Rheinland-Pfalz mit Informationen, Sensibilisierungsmaßnahmen und Beratungsgesprächen zu Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage als auch -sabotage zur Verfügung. Im Rahmen dieser präventiven Maßnahmen und Gespräche werden auch Informationen und Lagebilder zu erkannten Angriffsmustern zur Verfügung gestellt. Diese Bedrohungsanalysedaten werden insbesondere von rheinland-pfälzischen Wirtschaftsunternehmen zunehmend nachgefragt, um selbst geeignete Schutzmaßnahmen einzuleiten. Aber auch bei der Behandlung von IT-Sicherheits-Vorfällen bietet der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz seine Unterstützung an. Gemeinsam mit den Betroffenen berät er -unter Wahrung der Vertraulichkeitüber das weitere Vorgehen und leistet mit seiner Arbeit einen erheblichen Beitrag zur Förderung der Cyber-Sicherheit und der Abwehr digitaler Angriffe. 94 C. ANHANG I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Rechtsextremismus Die Zahl politisch motivierter Straftaten - rechts - belief sich im Jahr 2016 in Rheinland-Pfalz auf 693 und blieb damit annähernd auf dem Niveau des Vorjahres (2015: 701). Von den 693 registrierten Straftaten waren 387 sogenannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2015: 395). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) stieg auf 51 (2015: 47). In 43 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2015: 35). Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2016 2015 Gesamt 51 47 Körperverletzungen 43 35 Brand-/Sprengstoffanschläge 3 6 Landfriedensbrüche - 2 Andere Gewaltdelikte 5 4 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. I.2 Lagebild Strafund Gewalttaten Linksextremismus Die Zahl politisch motivierter Straftaten - links - stieg in Rheinland-Pfalz im Jahr 2016 leicht an. Insgesamt wurden 79 Straftaten gezählt (2015: 73). Die ausgewiesenen Gewalttaten haben sich gegenüber dem Vorjahr halbiert. 95 Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2016 2015 Gesamt 8 16 Körperverletzungen 6 9 Landfriedensbruch - 3 Brand-/Sprengstoffdelikte - 3 Widerstandsdelikte 1 1 Andere Gewaltdelikte 1 - Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. I.3 Lagebild Strafund Gewalttaten Ausländerextremismus (ohne Islamismus) Insgesamt wurden 2015 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - Ausländer in Rheinland-Pfalz 69 Straftaten gezählt, davon vier Gewalttaten (2015: 36, davon zwei Gewalttaten). II. Register Das Register enthält die Bezeichnungen der im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2016 genannten Gruppierungen, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und aufgrund dessen als extremistisch bezeichnet werden können. 96 Gruppierungen Seitenzahl A "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) 75 D "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 37 "DIE RECHTE" 41 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 F "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) 71 H HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung") 70 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 71 I "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 43 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) 73 J "Junge Nationaldemokraten" (JN) 36 K "Kalifatsstaat" 72 "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" 29 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) 29 L "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 80 "Linksunten Indymedia" 57 M "Muslimbruderschaft" 73 97 Seitenzahl N "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 29 O "Oldschool Society" (OSS) 25 R "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 79 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 37 V Vereinigung "Die wahre Religion" (DWR) 66 98 III. Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 99 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 100 SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten 101 Teil 1 behörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung Allgemeine Bestimmungen der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Begriffsbestimmungen Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in SS2 einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzbehörde schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Ministerium des Innern und für Sport als Gebiet abzutrennen; Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Bundes oder eines Landes politisch beeinander nicht angegliedert werden. stimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen SS3 Personenzusammenschluss, der darauf gerichZusammenarbeit in Angelegenheiten des tet ist, den Bund, Länder oder deren Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demomit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten kratische Grundordnung politisch bestimmte, des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegeneinem oder für einen Personenzusammenseitiger Unterstützung und im Informationsausschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer diesem Gesetz genannten VerfassungsgrundEinrichtungen. sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einverihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unternehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutznicht in einem oder für einen Personenzusammengesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 schluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses beschädigen. Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden (2) Zur freiheitlichen demokratischen Länder zulassen. Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c Wahlen und Abstimmungen und durch besondes Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzdere Organe der Gesetzgebung, der vollzie102 henden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelZusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 barer, freier, gleicher und gehei-mer Wahl zu wähdes Grundgesetzes) gerichtet sind, len, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasTätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung sungsmäßige Ordnung und die Bindung der erfolgt durch gezielte und planmäßige vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer und Unterlagen. parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre SS6 Verantwortlichkeit gegenüber der VolksverAufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung tretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrdenen im öffentlichen Interesse geheimhalschaft und tungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang 7. die im Grundgesetz konkretisierten dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen Menschenrechte. können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Teil 2 die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, SS5 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Beobachtungsaufgaben Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen oder die Sicherheit des Bundes oder eines Fällen. Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der SS7 Verfassungsorgane des Bundes oder eines Unterrichtung der Landesregierung und der Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienst((1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Landesregierung regelmäßig und umfassend über Deutschland für eine fremde Macht, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifachlich zuständige Minister unterrichtet die tungshandlungen auswärtige Belange der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten Bundesrepublik Deutschland gefährden, und nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Ge(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach danken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten 103 bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe tendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtenfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Bediensteten, Vertrauensleuten und GewährsInteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige personen, das Anwerben und Führen gegnerischer Interesse der betroffenen Person überwiegt. Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Teil 3 Verwendung von Tarnpapieren und TarnkennBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde zeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die SS8 Zuständigkeit für die Anordnung solcher InformaAllgemeine Rechtsgrundsätze tionsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzu(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz legen. und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und die zeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlaoder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsbefugBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. nisse gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsDezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersudie Genehmigung dieser Kommission nachträglich chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoSS9 genen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung Allgemeine Befugnisse des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßund der kommunalen Gebietskörperschaften leisnahmen treffen, insbesondere Informationen einten der Verfassungsschutzbehörde für ihre schließlich personenbezogener Daten verarbeiten, Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Befugnisse besonders regeln. zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn SS 10 Besondere Befugnisse 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung und Gegenstände einschließlich technischer Mittel solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachzur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichrichtenzugänge gewonnen werden können, 104 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehsie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unvermen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verzüglich zu veranlassen. dächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu SS 10 a ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um Weitere Einzelfallbefugnisse auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall keiten für eine fremde Macht oder gewalttäbei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten tige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu gewinnen, zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanund Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände lagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer und Nachrichtenzugänge der VerfassungsAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wieoder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend gende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist oder genannten Schutzgüter vorliegen. 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und der hieraus gewonnenen Informationen bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zwingend erforderlich ist. zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Beihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordertroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich lich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 anzunehmen, wenn die Information auch aus allgegenannten Schutzgüter vorliegen. mein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stebis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unterwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltsnehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen punkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf erbringen, sowie bei denjenigen, die an der diese Weise erreicht werden kann. Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz 2 Postfächern und sonstigen Umständen des nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Postverkehrs einholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausge(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall schlossen werden kann. Lässt sich zu diesem zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsMitteilung so lange, bis eine Gefährdung des mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentaAuskünfte über Telekommunikationsverbinrischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, dungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einhoPostund Fernmeldegeheimnisses gebildete len. Die Auskünfte können auch in Bezug auf Kommission ist über die Gründe, die einer zukünftige Telekommunikation und zukünftige 105 Nutzung von Telediensten verlangt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 Telekommunikationsverbindungsdaten und bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet Standortkennungen sowie Rufnummer oder über die durchgeführten Maßnahmen nach den Kennung des anrufenden und angerufenen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen KontrollAnschlusses oder der Endeinrichtung, gremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen und Uhrzeit, Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundes3. Angaben über die Art der vom Kunden in verfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Wohnungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondedie G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufre einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, sichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des technische Mittel zur optischen und akustischen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die von Beschränkungen des Brief-, Postund FernErforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der meldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von begründen. Über den Antrag entscheidet die Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließLeiterin oder der Leiter oder die stellvertretende lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich Vertreter angeordnet ist. zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem (2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldetatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von geheimnisses gebildete Kommission über die Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 besteht. beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung Ministerin oder der fachlich zuständige Minister steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Bezug zu den in SS 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontaktoder Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz unvermeidbar betroffen werden. zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheim(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in nisses entsprechende Anwendung. Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AuskunftsAnnahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach geber nicht mitgeteilt werden. Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Über106 wachung der Wohnung allein dieser Person zur automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprewerden. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz chend erscheint. 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterSatz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der brochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungs(7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und 53 a der schutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz Strafprozessordnung geschütztes Vertrauenstechnischer Mittel anordnen; eine richterliche verhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entspreEntscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit chend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern die Anordnung des Leiters der VerfassungsschutzTatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die behörde oder seines Vertreters nicht binnen drei zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen SS 5 steht oder eine Kontaktoder Begleitperson nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu (Absatz 2 Satz 2) ist. löschen. SS 10 c (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Besondere Bestimmungen für Maßnahmen zu überwachende Wohnung und die Person, gegen nach SS 10 b die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeich(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorgestaltung oder aus Eingriffen entgegen SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokueinen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, mentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht fortbestehen. In der Begründung der Anordnung mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Daten nach SS 10 b der gerichtlichen Kontrolle Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so des Landesbeauftragten für den Datenschutz und sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen die Informationsfreiheit. Maßnahmen unverzüglich zu beenden. (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur der Abwehr von Gefahren für die öffentliche angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitaufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondeliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, re hinsichtlich der Art der überwachten Räumwenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme lichkeit und des Verhältnisses der überwachten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurech(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu untergericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsbrechen, soweit sich während der Überwachung schutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Verfahren in Familiensachen und in den AngeKernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechlegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine sprechend. 107 (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b gewonMaßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten nenen personenbezogenen Daten sind zu kennohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem zeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtsperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. zuerhalten. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem sein Vertreter kann anordnen, dass bei der ÜberJahr der Löschung folgt, zu vernichten. SS 11 Abs. 5 mittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 vergilt entsprechend. zichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungs(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht ten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit der zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßgabe, dass die Zurückstellung der BenachAnordnung bereits vor der Zustimmung getroffen richtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer Teil 4 gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, Datenverarbeitung oder SS 11 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Erhebung, Speicherung und Nutzung personennach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. bezogener Daten Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, wurden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die über1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht mittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffevon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 nen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass vorliegen, eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfordieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser derlich ist oder Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die erforderlich ist. Übermittlung ist zu protokollieren. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezo(8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks oder andere Datenträger belegbar sein. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unver(2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich lichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 108 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verardass in Akten gespeicherte personenbezogene beitet werden, wenn Daten unrichtig oder unvollständig sind. 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr wäre und erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie betroffenen Person nicht entgegenstehen. schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenDaten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werbezogenen Daten entsprechenden Akten oder den, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderVerständnis der zu speichernden Informationen lich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögVoraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. lich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffetrotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine nen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErhebungsLöschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach zweck anzugeben. Betroffene sind auf die FreiSatz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. willigkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürEinzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur persozenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 nenbezogene Daten über die Personen gespeichert und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach unterliegen oder in diese einbezogen werden. drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu berichtigen oder zu löschen sind. Zwecken der Datenschutzkontrolle, der DatenGespeicherte personenbezogene Daten über sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgeBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin erheblicher Gefährdungen der öffentlichen oder der Leiter der für den Verfassungsschutz Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern Freiheit einer Person erforderlich ist. und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Berichtigung, Löschung und Sperrung personenInteressen Betroffener erforderlich ist. bezogener Daten SS 13 (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Informationsübermittlung an die Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenVerfassungsschutzbehörde bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln 109 von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Infortigen Informationsbestände nehmen, soweit dies mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsder Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 hältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die lung personenbezogener Daten ist auf Name, öffentlichen Stellen des Landes und der kommuAnschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangenalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle hörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Veranderen ihnen bekannt gewordenen Informationen fassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu einschließlich personenbezogener Daten übermitbeschränken. teln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ÜbermittStrafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für lung für die Erfüllung der Aufgaben der VerfassungsZwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz schutzbehörde erforderlich ist. nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhalts(2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle punkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Strafihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich taten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde kommunalen Gebietskörperschaften Informationen findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Anwendung. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die SS 14 Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Informationsübermittlung durch die Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Verfassungsschutzbehörde Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentnur durch eine die Betroffenen stärker belastende liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Maßnahme erhoben werden können. ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete empfangende Stelle darf personenbezogene Daten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitVerfassungsschutzbehörde die Übermittlung persotelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes nenbezogener Informationen oder Informationsbestimmt ist. bestände von öffentlichen Stellen des Landes und (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsder kommunalen Gebietskörperschaften nur verlanschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes gen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übersicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen mitteln an Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzgegen die freiheitliche demokratische Grundordabkommens zu dem Abkommen zwischen den nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes Parteien des Nordatlantikvertrages über die oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden in der Bundesrepublik Deutschland statiooder gegen den Gedanken der Völkerverständigung nierten ausländischen Truppen vom 3. August oder das friedliche Zusammenleben der Völker 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann geändert durch Abkommen vom 18. März auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sons1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 110 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeiVoraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie behörden zur Verfolgung von StaatsschutzAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. delikten, den in SS 100 a der Strafprozess(3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf ordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des genannten Straftaten und sonstigen StrafLandes und der kommunalen Gebietskörpertaten im Rahmen der organisierten Kriminaschaften Auskunft einschließlich personenbezolität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Einstellungs-, Disziplinarund KündigungsverStraftaten sowie sonstige Straftaten, bei fahren, im Einbürgerungsverfahren und in den denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift der Täterin oder des Täters oder der Verbinvorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft dung zu einer Organisation tatsächliche muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen Stelle zwingend erforderlich sein. die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gerichtet sind, gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit dem Militärischen Abschirmdienst Informationen sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies einschließlich personenbezogener Daten. zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenzur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden bezogene Daten an ausländische Nachrichtenerheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden dienste angrenzender Staaten, an andere auslänBekämpfung der in Nummer 2 genannten dische öffentliche Stellen sowie an überund zwiStraftaten oder von Verbrechen, für deren schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher dient, Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen Stelle erforderlich ist und diese die personenmit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesonBelange der Bundesrepublik Deutschland oder dere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen BeFreiheit einer Person oder dem Schutz von troffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist Sachen von bedeutendem Wert oder der aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Gewährleistung der Sicherheit von lebensist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten peroder verteidigungswichtigen Einrichtungen im sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt Sinne des Landessicherheitsüberprüfungswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, gesetzes dienen und dies mit den Aufgaben und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbeder Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 hält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. und SS 6 vereinbar ist. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöfIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesfentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei verfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verdenn, dies ist fassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staats1. zum Schutze der freiheitlichen demokraanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den tischen Grundordnung, des Bestandes oder Polizeibehörden des Landes Informationen einder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschschließlich personenbezogener Daten unter den land oder eines ihrer Länder oder zur 111 Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder SS 16 verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Besondere Pflichten bei der Übermittlung perLandessicherheitsüberprüfungsgesetzes, sonenbezogener Daten 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses de Macht, Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherStelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich heitsgefährdenden oder geheimdienstlichen ohne Bedeutung. Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unter(2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den wanderung von Wirtschaftsunternehmen Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten perdurch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sonenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer genannten Bestrebungen oder Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu oder Vermögen einer Person erforderlich. Die vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, Übermittlung bedarf der Zustimmung der wenn die Trennung von anderen personenbezofachlich zuständigen Ministerin oder des fachgenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforlich zuständigen Ministers oder der Leiterin derlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persooder des Leiters der für den Verfassungsschutz nenbezogenen Daten zu sperren. zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf SS 17 hinzuweisen, dass die übermittelten persoMinderjährigenschutz nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übervon Minderjährigen vor Vollendung des 14. mittelt wurden, und dass die VerfassungsLebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des schutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten die Nutzung der personenbezogenen Daten Akten gespeichert werden. zu verlangen. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 SS 15 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten Übermittlungsverbote gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit Betroffenen dies erfordern, sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten erfordern, insbesondere Gründe des Quellenvon Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen schutzes, des Schutzes operativer Maßdieses Gesetzes übermittelt werden, solange die nahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt entgegenstehen oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregemehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur lungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsBedeutung erforderlich ist. pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebens112 jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Gesetzes nicht an ausländische oder überoder Informationsfreiheit wenden können. Mitteilungen zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an Betroffene SS 18 dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Auskunft an Betroffene der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zuge(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffestimmt hat. nen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für SS 19 deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Datenschutzkontrolle Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Der oder dem Landesbeauftragten für den Datennicht auf die Herkunft der Daten und auf die empschutz und die Informationsfreiheit ist auf Verlangen fangende Stelle bei Übermittlungen. Über persoZutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder nenbezogene Daten in nichtautomatisierten ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in Dateien und Akten, die nicht zur Person von alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Auffinden der personenbezogenen Daten mit angeEinzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des messenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Teil 5 Parlamentarische Kontrolle 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, SS 20 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein Parlamentarische Kontrollkommission können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Ver(1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen fassungsschutzbehörde zu befürchten ist, Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzsonst dem Wohl des Bundes oder eines behörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Landes Nachteile bereiten würde oder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkom4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung mission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausnach einer Rechtsvorschrift oder wegen der schüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlaüberwiegenden berechtigten Interessen mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Dritter geheimgehalten werden müssen. Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Abteilung des Ministeriums des Innern und für besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus Sport oder hierzu besonders Beauftragte. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontroll(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf kommission wählt eine Vorsitzende oder einen keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun(3) Die Beratungen der Parlamentarischen dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgeKontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder lehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verdas Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, pflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt 113 werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des LandesdatenAusscheiden. schutzgesetzes keine Anwendung (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine MitgliedSS 23 schaft in der Parlamentarischen KontrollkomEinschränkung von Grundrechten mission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrolldes Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für kommission ausscheidet. Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 SS 21 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung Befugnisse der Parlamentarischen für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. Kontrollkommission SS 24 (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der (Änderungsbestimmung) fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens SS 25 zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Inkrafttreten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unter(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung richtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz in Kraft. 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erfolgten Einsatz tech(2) (Aufhebungsbestimmung) nischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 114 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 115 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Satz: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Druck: Druckhaus Optiprint GmbH Der Verfassungsschutzbericht 2016 ist auch über das Internet abrufbar unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 116 MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de 117