MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2015 Titelbild: Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2015 ISSN 0948-8723 1 2 Vorwort Staat und Gesellschaft mussten sich im Jahr 2015 immensen Herausforderungen stellen. Im Mittelpunkt stand, dass eine große Zahl Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Terror sind, in Deutschland Schutz suchen, so auch in Rheinland-Pfalz. Die weit überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bringt den Flüchtlingen die ihnen gebührende Menschlichkeit entgegen und hilft konstruktiv an der Lösung der mit Flucht und Vertreibung verbundenen Probleme mit. Eine Minderheit jedoch schürt unbestimmte Ängste und Besorgnisse. Gerade Rechtsextremisten nutzen diesen Umstand auf ihre Weise. Sie versuchen, aus der Verunsicherung Kapital zu schlagen. Wie dies geschieht, und wohin es führt, ist offenkundig: Aktionen und Agitation gegen Asylsuchende haben in erheblichem Maße zugenommen. Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten gegen Asyleinrichtungen ist stark angestiegen; die Täter nehmen in Kauf, dass Menschen durch ihr Handeln zu Schaden kommen. Mitmenschen werden nicht nur übelst beleidigt und ausgegrenzt, sondern auch angegriffen. Dies trifft immer wieder auch diejenigen, die sich für Flüchtlinge engagieren. Diese Entwicklung, die auch 2016 anhält, verdeutlicht die Gefahren, die weiterhin vom Rechtsextremismus ausgehen und ist Mahnung zugleich, in der Bekämpfung rechtsextremistischer Umtriebe nicht nachzulassen. Für die Landesregierung bleibt die Bekämpfung des Rechtsextremismus daher eine besonde- 3 re Schwerpunktaufgabe, die konsequent und nachhaltig wahrgenommen wird. Es gilt auch künftig: "Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz!". Auch der Islamismus und der entsprechend motivierte Terrorismus haben an Gefährlichkeit nichts eingebüßt. Im Nachbarland Frankreich verübten Terroristen im Januar und November 2015 verheerende Anschläge, denen mehr als 150 Menschen zum Opfer fielen. Die Anschläge haben verdeutlicht, wozu eine islamistische Radikalisierung in Verbindung mit Kampferfahrung und der Zugehörigkeit oder Nähe zu Terrororganisationen wie dem "Islamischen Staat" (IS) führen kann. Auch hierzulande besteht die Gefahr, dass sich insbesondere junge Menschen radikalisieren und in Folge dessen Gewaltoder gar Terrortaten verüben. Die frühzeitige Erkennung von Radikalisierungserscheinungen zählt daher zu den wichtigsten Aufgaben des Verfassungsschutzes. Daneben gilt es, auch im Interesse der betroffenen Personen selbst, für sie und ihre Bezugspersonen professionelle Beratungsangebote zu schaffen. Im Rahmen eines ressortübergreifenden Ansatzes wurden unter Mitwirkung des Ministeriums des Innern und für Sport die Weichen für ein solches Präventionsund Beratungsangebot gestellt. Auch linksextremistische Aktivitäten und extremistische Bestrebungen von nichtislamistischen Ausländern erfordern weiter die ungeteilte Aufmerksamkeit und Wachsamkeit des Verfassungsschutzes. Anlass zur Sorge bereiten vor allem gewaltaffine Erscheinungsformen. Für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz bleibt zudem die Spionageabwehr eine zentrale Herausforderung. Noch immer stehen Politik und Militär im Fokus fremder Nachrichtendienste, aber die Ausspähungsbemühungen richten sich verstärkt gegen die Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Roger Lewentz Minister des Innern und für Sport 4 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 9 II. Verfassungsschutzbericht 2015 10 III. Strukturdaten 11 IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit 11 1. Extremismusprävention 12 1.1 Programme gegen Rechtsextremismus 13 1.2 Programme gegen Islamismus 15 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft 16 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 17 1. Überblick 17 2. Personenpotenzial 21 3. Rechtsextremistisches Spektrum 21 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus 22 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 24 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) 25 3.3.1 "Kameradschaften" 26 3.3.2 "Aktionsbüros" 27 3.3.3 Verbotsmaßnahmen 27 3.4 Rechtsextremistische Parteien 28 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 28 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 36 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 36 5 3.4.2 "Der III. Weg" 37 3.4.3 "Die Rechte" 41 4. Rechtsextremistische Musik 42 II. Linksextremismus 46 1. Überblick 46 2. Linksextremistisches Personenpotenzial 47 3. Gewaltbereiter Linksextremismus 47 3.1 Autonome 48 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 49 III. Islamismus 52 1. Überblick 52 2. Islamistisches Personenpotenzial 54 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 55 3.1 International 55 3.2 Bundesrepublik Deutschland 57 3.2.1 Reisebewegungen 57 3.2.2 Absage von Großveranstaltungen 58 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Tauhid Germany" 58 3.2.4 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern 59 3.2.5 Verbot eines "Hizb Allah"-Spendenvereins 59 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 60 4.1 Salafistische Bestrebungen 61 4.2 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") 63 4.3 "Milli Görüs"-Bewegung 64 4.4 "Kalifatsstaat" 66 4.5 Weitere islamistische Organisationen 67 6 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische 68 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick 68 2. Personenpotenzial 69 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK 69 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 74 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 75 V. Elektronische Medien 77 VI. Spionageabwehr 80 1. Überblick 80 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 80 2.1 Spionage 80 2.2 Proliferation 83 2.3 Wirtschaftsspionage 84 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 86 1. Allgemeines 86 2. IT-Sicherheit/Cyber Sicherheit 86 C. Anhang I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 89 II. Register 91 III. Rechtliche Grundlagen 93 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 7 8 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern und für Sport eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes - LVerfSchG (vgl. Teil C. Anhang) u.a. Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen und wertet diese aus. Bestrebungen sind nach dem LVerfSchG ausschließlich politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder andere im Gesetz genannte Schutzgüter gerichtet sind (vgl. insb. SS 4 LVerfSchG). Nicht beobachtet und ausgewertet werden vom Verfassungsschutz demnach entsprechend motivierte Meinungsbekundungen, Einstellungen etc. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen beschränken, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) fokussierten Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind wichtige Beiträge für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz ganz vornehmlich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem selbstredend unter Wahrung des 9 Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur verdeckten Informationsbeschaffung ein (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm aus guten Gründen polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer umfassenden Kontrolle. Die vom Landtag eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz umfassende Kontrollrechte. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2015 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezo10 gene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2015. Die entsprechenden Vergleichszahlen des Bundes lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor, insofern sind die Zahlen von 2014 aufgeführt. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Der vom Landtag Rheinland-Pfalz beschlossene Haushaltsplan der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz weist für 2015 insgesamt 162 Stellen (2016: 165) aus. Das Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2015 betrug 1.400.000 EUR und 600.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit Unter der Prämisse weitmöglichster Transparenz betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit umfassend informiert, so durch jährliche Verfassungsschutzberichte. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einem gesetzlichen Auftrag Folge. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen 11 Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen. Wenn Sie an einer solchen Veranstaltung interessiert sind, nehmen Sie bitte Kontakt auf unter: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: info.verfassungsschutz@mdi.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. 1. Extremismusprävention Repression allein trocknet den Nährboden für Extremismus nicht aus. Daher wird in Rheinland-Pfalz großer Wert auf eine frühzeitige, dauerhafte und vielgestaltige Prävention gelegt. Die Prävention beginnt etwa bei der Verbesserung von Lebenssituationen durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, nicht zuletzt weil Menschen in prekärer Lage zu den bevorzugten Zielgruppen extremistischer Agitation gehören. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, ihre Toleranz gefördert, damit sie die Gefahren von menschenverachtenden Ideologien erkennen und ihnen begegnen können. Zu den wichtigen Bausteinen der Prävention zählen zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement sowie die 12 Festigung und Verstetigung der Integration. Dabei spielt aktuell auch die sachgerechte und umfassende Information über die Themen Asylund Flüchtlingspolitik eine hervorgehobene Rolle. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über extremistische Umtriebe abgerundet. 1.1 Programme gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention (siehe 1.). # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial oder Konzertveranstaltungen werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch werden der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Repression allein trocknet den Nährboden für Rechtsextremismus nicht aus. Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Lan13 desamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 45 46 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte des Landes gegen Rechtsextremismus. Gezielt wird über rechtsextremistische Umtriebe informiert, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch, wenn "nur" von einer abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" hat die Präventionsagentur auch im Jahr 2015 vor allem die Beratung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fortgeführt. Die Präventionsagentur steht dabei Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit rechtsextre14 mistischem Bezug in Landkreisen, Städten und Gemeinden, werden diese, auf Wunsch auch vor Ort, individuell und kompetent beraten. 1.2 Programme gegen Islamismus Der Ministerrat hat am 29. September 2015 das "Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in Rheinland-Pfalz" beschlossen. Es wurde unter Federführung des Jugendministeriums in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, dem Bildungsministerium und dem Justizministerium erarbeitet. Ausgangspunkt für diesen ressortübergreifenden Ansatz war die Überzeugung, dass die Komplexität des Islamismus ein Präventionskonzept erfordert, in dem die Expertise unterschiedlicher Behörden gebündelt ist. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der allgemeinen und spezifischen Prävention einerseits und einer Beratungsstelle zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung und für einzelfallbezogene Intervention andererseits. Die Koordinierung der Präventionsprojekte obliegt dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Der Verfassungsschutz leistet im Bereich der allgemeinen Prävention einen Beitrag, indem er Informationen zum Phänomenbereich Islamismus zur Verfügung stellt: # im Internet unter www.mdi.rlp.de, mdi.rlp.de/fileadmin/gegen_rechtsextremismus/Dokumente/Salafismus_Broschuere.pdf # mit der Broschüre "Salafistische Radikalisierung - Ursachen und Auswege", die gemeinsam mit der Polizei erstellt wurde, # im Rahmen von Fachvorträgen vor unterschiedlichen Zielgruppen. Seit dem 15. März 2016 existiert in Rheinland-Pfalz die Beratungsstelle "Salam" mit folgenden Aufgaben: # Beratung von Angehörigen und pädagogischen Einrichtungen, # Beratung und Deradikalisierung von Radikalisierten im frühen Stadium, # Ausstiegshilfen, z.B. für Syrienrückkehrer. 15 Träger der Beratungsstelle ist das Institut zur Förderung von Bildung und Integration in Mainz (Telefon: 06131 - 617 29 87, Email: salam@inbi-mainz.de). 2. Wirtschaftsschutz und Sicherheitspartnerschaft Zum Schutz der rheinland-pfälzischen Unternehmen haben die Landesregierung, die Kammern und Unternehmensverbände sowie die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft im Jahr 2005 eine förmliche Sicherheitspartnerschaft vereinbart, deren Wurzeln bis zur Mitte der 90er Jahre zurückreichen und die bundesweit hohe Beachtung findet. In der Gemeinsamen Erklärung zur Bildung einer Sicherheitspartnerschaft haben sich die Unterzeichner darauf verständigt, insbesondere die mittelständischen und exportorientierten Betriebe im Handel, Handwerk und Gewerbe hinsichtlich der Gefährdungen durch Wirtschaftsspionage, Proliferation, Sabotage, Extremismus und Terrorismus zu sensibilisieren und durch vielfältige Informationsangebote die erforderliche betriebliche Eigenvorsorge zu fördern. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz nimmt dabei eine koordinierende Rolle wahr. Weitere Informationen zur Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft sind abrufbar unter: https://mdi.rlp.de/de/unsere-themen/sicherheit/verfassungsschutz/spionageabwehr-und-wirtschaftsschutz/. 16 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 1. Überblick Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist und bleibt eine zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung und wichtige Aufgabe der Landesregierung. Er steht demnach im besonderen Fokus des Verfassungsschutzes. Allgemeines Das rechtsextremistische Personenpotenzial stieg 2015 nach mehreren Jahren rückläufiger Entwicklung bundesweit wieder an; in Rheinland-Pfalz blieb es mit rund 650 Personen konstant. Anhaltend Anlass zur Sorge gibt, dass im Bundesgebiet nahezu jeder zweite erkannte Rechtsextremist als gewaltorientiert bezeichnet werden kann. In Rheinland-Pfalz ist es zwar etwa jeder vierte Rechtsextremist. Allerdings gilt auch hier: Jeder Einzelne ist einer zu viel! Es bleibt nämlich die stete Gefahr, dass Einzelne oder kleine Gruppen sich Schritt für Schritt radikalisieren und sodann letztlich in den Terrorismus abgleiten können. Ein aktuelleres Beispiel hierfür ist die mutmaßliche terroristische Gruppierung "Oldschool Society" (OSS), die im Frühjahr 2015 von den Sicherheitsbehörden - auch unter Beteiligung des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes - rechtzeitig zerschlagen wurde, bevor sie erste Aktionen in die Tat umsetzen konnte. Ebenso von Bedeutung geblieben ist das neonazistische Spektrum. Der überwiegende Teil dieses Personenpotenzials bleibt zwar strukturell eher vage und ungebunden, was dem gängigen Selbstverständnis als sogenannte Freie Kräfte entspricht. Eine Reihe von Neonazis hat sich allerdings den Kleinparteien "Der III. Weg" und "DIE RECHTE" angeschlossen und prägt diese Gruppierungen nicht nur ideologisch. Sie nutzen nicht zuletzt den Schutz des Parteienprivilegs, um staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Ihre Position hat sich - allerdings regional unterschiedlich akzentuiert - weiter gefestigt. 17 Unter den rechtsextremistischen Parteien dominiert nach wie vor die bundesweit organisierte und agierende "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Ihre ideologische Durchdringung mit Gedankengut, das im engen Kontext mit dem historischen Nationalsozialismus steht, ist ebenso offenkundig wie ihre systematisch und aggressiv betriebene fremdenfeindliche, antisemitische und völkisch-nationalistische Agitation sowie Hetze gegen den Staat und seine Repräsentanten. Den demokratischen Rechtsstaat vehement abzulehnen, sich aber mittels Parteienfinanzierung von ihm alimentieren zu lassen, bleibt dabei eine von vielen Widersprüchlichkeiten. Für nahezu alle rechtsextremistischen Gruppierungen sind zur Verbreitung einschlägigen Gedankenguts und vor allem zur netzwerkfördernden szeneinternen Kommunikation das Internet, soziale Foren und Dienste wie WhatsApp von erheblichem Belang. Quasi in Echtzeit erfolgt ein ereignisbezogener Austausch. Immer stärker rückt dabei in den Vordergrund, Nachrichten auch zu manipulieren, um gezielt zu desinformieren. Auch in diesem Fall ist aktuell ein - wenn nicht der - zentrale Bezugspunkt das Themenfeld Asyl. Agitation und Aktionen gegen Asylsuchende Die Zahl der Asylsuchenden, die aufgrund von Kriegen, politischen und wirtschaftlichen Krisen sowie Menschenrechtsverletzungen Schutz in Deutschland begehren, hat sich 2015 bekanntermaßen erheblich erhöht. Rechtsextremisten missbrauchen diesen Umstand und haben Agitation und Aktionismus rund um das Themenfeld Asyl und Flüchtlingsbewegungen erheblich intensiviert. Die diesbezüglichen Statistiken, so die Polizeiliche Kriminalstatistik - rechts, dokumentieren u.a. einen gegenüber 2014 drastischen Anstieg der entsprechenden Fallzahlen bundesweit. Der Trend des Jahres 2015 setzt sich auch 2016 weiter fort. Rheinland-Pfalz ist von der Entwicklung nicht ausgenommen, wenngleich das Bundesland im Ländervergleich keinen hervorstechenden Schwerpunkt darstellt. Auch in Rheinland-Pfalz stiegen die Zahlen rechtsextremistisch moti18 vierter Strafund Gewalttaten gegen Flüchtlingseinrichtungen vergleichsweise stark an. Während 2014 in Rheinland-Pfalz lediglich eine solche Straftat festgestellt werden konnte, waren es 2015 insgesamt 29, darunter acht Gewaltdelikte. Rechtsextremisten, vor allem aus dem Parteienspektrum, haben 2015 auch in Rheinland-Pfalz nachhaltig agitiert und tun dies weiterhin. Exemplarisch sind vor allem die Parteien "Der III. Weg" und die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) zu nennen. Insbesondere im Zuge des Landtagswahlkampfes Anfang 2016 wurde die von diesen Gruppierungen ausgehende Hetze weiter verstärkt. Die bei der Landtagswahl am 13. März 2016 erzielten Stimmenanteile (NPD: 0,5 %, 2011: 1,1 % und "Der III. Weg": 0,1 %, erstmalige Teilnahme) dokumentieren, dass für beide Parteien die Rechnung, auf Diffamierung und Ausgrenzung zu setzen, allerdings nicht aufging. Aktionismus und Agitation der Rechtsextremisten zielen in erster Linie darauf ab, die öffentliche Meinung gegen Asylsuchende aufzubringen, indem Ressentiments und Ängste gezielt geschürt werden, um sie letzthin für eigene Interessen zu instrumentalisieren. Entsprechende Aktivitäten von Rechtsextremisten waren 2015 - und sind es auch heute - in diesem Sinne auch vornehmlich dort feststellbar, wo neue Asyleinrichtungen entstehen sollten (sollen), sowie vereinzelt in sogenannten sozialen Brennpunkten. Im Fokus der Agitation standen in einigen Fällen neben den Flüchtlingen selbst auch politisch Verantwortliche und hauptberuflich wie ehrenamtlich vor Ort Tätige. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Vorgehensweise zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen könnte. Wichtige Instrumente für die rechtsextremistische Agitation gegen Asylsuchende sind das Internet und die sozialen Medien. Entsprechende Darstellungen haben 2015 an Quantität und Intensität deutlich zugenommen und waren einerseits bestimmt von zum Teil beispielloser Hetze und massiver Kritik an der Flüchtlingspolitik (nach Ansicht der Rechtsextremisten führen die europäischen Regierungen einen "Krieg gegen die Identität der europäischen Völker") sowie den Medien (Schlagwort: "Lügenpresse"). Für Übergriffe auf Asylbewer19 berunterkünfte wurde offen zumindest Verständnis bekundet, wie folgendes Beispiel zeigt: "Wir von der Partei "Der III. Weg" leisten weiterhin politischen Widerstand, können aber Deutsche verstehen, die darüber hinaus aktiv sind."1 Bei ihrer Agitation gegen Asylsuchende geben sich Rechtsextremisten allerdings bisweilen - zumindest vordergründig - zurückhaltend und versuchen, Rechtsverstöße zu vermeiden. Man will sich auf diese Weise als "Kümmerer" in Szene setzen, der für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger eintritt. So wird zum Teil sogar betont, dass man nichts gegen Kriegsflüchtlinge habe. Im gleichen Kontext wird jedoch generalisierend den Flüchtlingen "Asylmissbrauch" oder "Sozialbetrug" unterstellt und ohne seriöse Belege eine (angeblich) höhere Kriminalität unter den Asylsuchenden unterstellt. Letzthin wird so ein subjektives Bedrohungsszenario durch die Behauptung propagiert, dass Deutschland eine "Überfremdung" durch Asylsuchende drohe, die schlussendlich zum "Volkstod" führe. In diesem Sinne wurden auch bürgerliche Demonstrationen gegen Asyleinrichtungen 2015 häufiger von Rechtsextremisten aufgesucht, als dies in den Vorjahren der Fall war. Rechtsextremisten mischten sich dabei unter die Demonstranten und gaben sich häufig nicht als solche zu erkennen. Dahinter dürfte auch die Absicht gestanden haben, die Stimmung der Demonstranten auf subtile Weise zu beeinflussen. Es ist zudem davon auszugehen, dass auch einige kurzlebige Facebook-Seiten von regional begrenzten, nichtextremistischen Gruppierungen in Rheinland-Pfalz, die sich kritisch mit dem Themenkomplex Asyl befassten, teilweise durch Rechtsextremisten beeinflusst wurden. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass Rechtsextremisten insgesamt als geistige Brandstifter agieren und die Gefahr politisch motivierter Kriminalität hierdurch erhöhen. 1 Internet-Homepage der Partei "Der III. Weg", abgerufen am 2. Juni 2016 20 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2015 2014 Gesamt 650 650 Gewaltbereite * 150 150 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 40 40 Neonazis 200 200 Parteien 250 250 Sonstige 160 160 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltbereiten beinhaltet vor allem das subkulturelle Potenzial und einen Teil der Neonazis. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Rechtsextremisten bilden auch weiterhin keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block. Vielmehr gibt es unterschiedliche Erscheinungsformen (Hauptrichtungen, Strömungen). Im Wesentlichen wird unterschieden zwischen: # subkulturell geprägten Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Innerhalb dieser Strömungen sind verschiedene Organisationsformen (z.B. Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (feste Strukturen oder lose, informelle Zusammenschlüsse) zu beobachten. Unterschiede gibt es auch beim Verhalten der jeweiligen Rechtsextremisten (z.B. aktions-, diskursoder parlamentsorientiert) und in Bezug auf ihre ideologisch-politischen Überzeugungen und Ziele. Bei der Gruppe der gewaltorientierten Rechtsextremisten2 handelt es sich 2 Hiervon erfasst sind Gewalttäter und Tatverdächtige sowie Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zur Gewalt(-anwendung) vorliegen (z.B. Gewaltbefürworter). 21 nicht um eine eigenständige Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich in Rheinland-Pfalz vornehmlich aus subkulturell geprägten Rechtsextremisten und Neonazis zusammensetzt. Teile der rechtsextremistischen Szene sind durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. 3.1 Gewaltorientierter Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus Charakteristisch für den Rechtsextremismus ist seit jeher ein erhebliches Aggressionspotenzial innerhalb seiner Anhängerschaft. Die Bandbreite reicht von der stillschweigenden Gewaltbefürwortung in der politischen Auseinandersetzung bis hin zum Terrorismus. Rechtsextremistische Gewalt richtet sich vorrangig gegen diejenigen, die dem einschlägig ideologisch unterfütterten Feindbilddenken der Rechtsextremisten entsprechen. In jüngster Zeit richtet sich rechtsextremistisch motivierte Gewalt im Kontext mit der allgemeinen politischen Lage mit besonderem Schwerpunkt gegen Flüchtlinge und deren Einrichtungen. Das Potenzial gewaltorientierter Rechtsextremisten umfasst in RheinlandPfalz gegenüber 2014 gleichbleibend etwa 150 Personen. Rechtsterrorismus Auch nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 bleibt die Gefahr des Entstehens neuer rechtsterroristischer Zusammenschlüsse akut. Exemplarisch hierfür ist das Aufdecken der Gruppierung "Oldschool Society" (OSS) durch die Sicherheitsbehörden und deren Zerschlagung im Jahr 2015. 22 "Oldschool Society" (OSS) Am 6. Mai 2015 fanden in mehreren Bundesländern Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Gruppierung "Old School Society" (OSS) statt. Betroffen davon waren auch zwei Personen aus Rheinland-Pfalz. Anlass waren hinreichend gewichtige Anhaltspunkte, die auf eine rechtsterroristische Ausrichtung der Gruppe hindeuteten. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen konnten durch die Ermittler neben Baseballschlägern, Teleskopschlagstöcken und Gasdruckwaffen auch erhebliche Mengen an pyrotechnischen Sprengkörpern beschlagnahmt werden. Vor dem Oberlandesgericht München wurde am 27. April 2016 der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Führungsmitglieder der OSS eröffnet. Ihnen werden die Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens zur Last gelegt. Im August 2014 sollen die Beschuldigten und weitere Gleichgesinnte mit ausgeprägter nationalistischer Weltanschauung im Internet eine Chatgruppe mit der Bezeichnung "Oldschool Society" gegründet und sich regelmäßig über gemeinsame Ziele ausgetauscht haben. Daneben sei auch in sozialen Netzwerken um weitere Mitglieder für die Gruppierung geworben worden. Ende 2014 habe sich schließlich ein fester Personenzusammenschluss innerhalb der Gruppe herauskristallisiert. Ab diesem Zeitpunkt soll sich die Führungsebene intern in einer geschlossenen Chatgruppe über weitere Ziele abgesprochen haben. Während die Gruppierung in den sozialen Netzwerken weiterhin lediglich mit politisch rechtsgerichteten Themen in Erscheinung getreten sei, soll sich die Führungsgruppe intern weiter radikalisiert haben. Bei einem ersten persönlichen Treffen der Gruppe sei dann auch über die Herstellung von Sprengstoff sowie Aktionen gegen Asylbewerber oder Salafisten gesprochen worden. 23 Ein erster Anschlag, welcher mittels Brandoder Nagelbomben erfolgen sollte, sei für Anfang Mai 2015 in Erwägung gezogen worden. Im Rahmen des zweiten Mitgliedertreffens der Gruppe in der Nähe von Borna (Sachsen) sollte ein Sprengstoffanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft begangen werden. Dafür hatte man sich in Tschechien verschiedene pyrotechnische Sprengkörper besorgt. Um die Wirkung der Sprengkörper zu erhöhen, sollten diese modifiziert und mit Nägeln oder Brennstoff ummantelt werden. 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Innerhalb der subkulturellen rechtsextremistischen Szene in Rheinland-Pfalz dominieren Skinheads. Subkulturelle Gruppierungen definieren sich hauptsächlich über szenetypische Musik und den damit verbundenen Lebensstil. Das Weltbild von Zugehörigen rechtsextremistischer Subkulturen ist nicht in sich geschlossen, sondern wird von einzelnen rechtsextremistischen Merkmalen - wie Rassismus, Antisemitismus oder Gewalt gegen Minderheiten - geprägt. Im Vordergrund steht nicht die Ideologie, sondern der Erlebnischarakter, insbesondere im Zusammenhang mit Musikveranstaltungen. Subkulturell geprägten Rechtsextremisten mangelt es am Willen zu dauerhaften politischen Aktivitäten. Sie lehnen die Einbindung in feste organisatorische Strukturen ab. Die meist losen Personenzusammenschlüsse, denen überwiegend junge Männer angehören, sind oftmals regional begrenzt und unterliegen einer hohen Fluktuation. Der gemeinsame Besuch von rechtsextremistischen Konzerten, Demonstrationen oder Partys ist für die subkulturelle Szene von großer Bedeutung. Die zumeist jungen Protagonisten wollen auf diese Weise Kontakte knüpfen und Freundschaften pflegen. Dem "Spaßfaktor" kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Jungen Menschen, die die Nähe zu solchen Gruppen suchen, wird Beachtung geschenkt und Kameradschaft suggeriert. Gerade in der Selbstfindungsphase kann dies Einzelnen zu mehr Selbstwertgefühl verhelfen und zugleich den Zusammenhalt der Gruppe stärken. 24 Dabei ist gerade bei diesen Personengruppen ein martialisches Auftreten charakteristisch. Nicht selten tragen sie Kleidung mit fremdenfeindlichen Botschaften, Szenecodes oder aggressiven Slogans. Vor und während rechtsextremistischer Aufmärsche wird mit aggressiver Diktion und Auftreten versucht, den politischen Gegner einzuschüchtern. Um beispielsweise bei Demonstrationen oder Mahnwachen auf ein größeres Mobilisierungspotenzial zurückgreifen zu können, kooperiert die NPD oftmals mit den subkulturellen Rechtsextremisten. In Rheinland-Pfalz können rund 40 Skinheads (2014: ca. 40) als neonazistisch eingestuft werden. 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich mit der Ideologie, den Persönlichkeiten und den Organisationen des historischen Nationalsozialismus von 1920 bis 1945. Auftreten und Symbolik der Neonaziszene sind hiervon ebenso einschlägig geprägt wie ihre Propaganda und Agitation. Das Neonazispektrum ist nicht homogen. Sowohl in der ideologischen Prägnanz als auch strukturell gibt es Unterschiede. Teile der Neonaziszene werden dem gewaltorientierten rechtsextremistischen Personenpotenzial zugerechnet. Die Anzahl der Personen, die in Rheinland-Pfalz der Neonazi-Szene angehören, lag 2015 konstant bei rund 200, von denen etwa 100 als gewaltbereit gelten. Die Neonazis in Rheinland-Pfalz gehören überwiegend strukturarmen, bisweilen informellen Gruppierungen an. 25 3.3.1 "Kameradschaften" Rechtsextremistische "Kameradschaften" als Organisationsform entwickelten sich bereits in den 1990er-Jahren als Reaktion auf zahlreiche Verbote neonazistischer Vereine und Verbände. Die in der Regel hierarchisch aufgebauten Gruppierungen haben überwiegend nur einen begrenzten Mitgliederstamm mit geringer Fluktuation. Sie weisen eine lokale, maximal regionale Ausdehnung auf. Dies wird in der Regel durch entsprechende Selbstbezeichnungen in der Namensgebung (z.B. "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken") zum Ausdruck gebracht. Die politische Arbeit der "Kameradschaften" wird maßgeblich von dem Engagement sowie den Interessen der Führungsperson beeinflusst. Mittlerweile treten anstelle von "Kameradschaften" vermehrt neue Organisationsformen, die eine noch geringere Strukturierung aufweisen. Diese Entwicklung ist offenkundig darauf zurückzuführen, dass seit dem Jahr 2012 verstärkt Verbote gegen "Kameradschaften" ausgesprochen wurden. Die Szene zielt darauf ab, noch weniger Ansatzpunkte für etwaige strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder dieser Gruppierungen zu bieten. In Rheinland-Pfalz ist dieser Trend ebenfalls feststellbar. Seit 2014 ist ein signifikanter Auflösungsprozess der "Kameradschaften" erkennbar. So ist derzeit keine nennenswerte Aktivität innerhalb der ehemals relativ stark ausgeprägten "Kameradschaftsszene" mehr vorhanden. Aktionen der ehemals sehr aktiven Kameradschaften "Pfalzsturm", "Initiative Südwest", "Kameradschaft Heimatschutz Donnersberg" sowie "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" konnten im Jahr 2015 nicht mehr festgestellt werden. Vormals betriebene Internetseiten, die vor allem der Rekrutierung neuer Mitglieder dienten, sind nicht mehr aufrufbar oder werden nicht mehr gepflegt. Die einzig noch aktive Kameradschaft ist die seit 2003 existierende "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken". Obgleich sich auch deren Unterstützerzahl mittlerweile auf unter zehn Personen verringert hat, zeigt die Gruppierung durch die Durchführung von Demonstrationen, Mahnwachen und Informationsständen zumindest noch Präsenz in der Öffentlichkeit. Unterstützung erhält die "Kameradschaft" dabei von befreundeten rechtsextre26 mistischen Gruppierungen aus angrenzenden Bundesländern. Bei öffentlichen Auftritten wurde nicht mehr mit der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) zusammen gearbeitet. 3.3.2 "Aktionsbüros" Die überregionale Vernetzung der Kameradschaften erfolgte meist über sogenannte Aktionsbüros. Das ehemals weit über die Landesgrenzen hinaus bedeutsame "Aktionsbüro Rhein-Neckar" (ABRN) entwickelt, wie die meisten "Kameradschaften" auch, derzeit keine erkennbare Aktivität. Ein weiteres in Rheinland-Pfalz nicht mehr existentes Aktionsbüro war das "Aktionsbüro Mittelrhein" (ABM). Nachdem im März 2012 umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen die Mitglieder eingeleitet wurden, sind keine Aktivitäten unter der Firmierung des Aktionsbüros mehr feststellbar. Der Prozess gegen die Hauptangeklagten vor dem Landgericht Koblenz wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung dauert bis heute an. 3.3.3 Verbotsmaßnahmen Am 16. März 2016 wurde die Gruppierung "Weiße Wölfe Terrorcrew" (WWT) durch den Bundesminister des Innern verboten. Bei den WWT handelt es sich um eine neonationalsozialistisch geprägte Gruppierung mit bundesweiter Vernetzung und überregionalem Aktionsradius. In Folge des Verbots kam es zu Exekutivmaßnahmen in zehn Ländern. Dabei wurde insbesondere umfangreiches rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt. In RheinlandPfalz waren zwei Personen von den Maßnahmen betroffen. 27 3.4 Rechtsextremistische Parteien 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: 2014: ca. 5.200 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 200 (2014: 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit fünf Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Die NPD wurde 1964 gegründet und ist damit die älteste und bekannteste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie ist mit Landesverbänden und regionalen Strukturen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet aktiv. Die Partei verfügt zudem in nahezu allen Ländern über Kommunalmandate. Mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) hat die NPD eine eigene Jugendorganisation. Weitere Nebenorganisationen sind die 2003 gegründete "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) als bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger und der 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF). Ein vorrangiges Ziel der NPD ist es, ihre kommunale Verankerung zu erhalten und weiter auszubauen, weshalb die seit Jahren propagierte "Vier-Säulen-Strategie" ("Kampf um die Parlamente", "Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe", "Kampf um den organisierten Willen") nicht an Bedeutung verloren hat. Nach erfolglosen Wahlen in den vergangenen Jahren ist die NPD aktuell noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. 28 NPD-Bundesvorsitzender ist seit dem 1. November 2014 der Saarländer Frank Franz, der seitdem versucht, der NPD ein modernes und sympathisches Erscheinungsbild zu geben. Sein tatsächlicher Rückhalt in der Partei ist umstritten, er galt zu Beginn intern als "Verlegenheitslösung". Im NPD-Bundesvorstand ist die rheinland-pfälzische NPD-Funktionärin Ricarda Riefling als Beisitzerin vertreten. Sie ist zugleich Bundesvorsitzende des RNF. NPD-Verbotsverfahren Der Bundesrat hat am 3. Dezember 2013 die Antragsschrift beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht, die NPD für verfassungswidrig zu erklären, was ihr Verbot bedeuten würde. Am 7. Dezember 2015 beschloss das Bundesverfassungsgericht, die Verhandlung über die Anträge des Bundesrates durchzuführen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die vom 1. bis 3. März 2016 stattfand, stand zunächst die Frage eines Verfahrenshindernisses im Raum. Hieran war das erste Verbotsverfahren im Jahre 2003 bekanntermaßen gescheitert. Damals stellte das Gericht fest: "Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar". Spätestens zum Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung eines Verbotsantrags hätten die Sicherheitsbehörden jeglichen Kontakt zu den sogenannten V-Leuten, die in der Vorstandsebene der NPD im Bund oder den Ländern eingesetzt waren, abbrechen und diese abschalten müssen, so das Bundesverfassungsgericht weiter. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe wurden von staatlicher Seite bei der Vorbereitung des nunmehr zur Entscheidung stehenden Verbotsantrages höchste Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gestellt: Staatsfreiheit der Partei, Quellenfreiheit des Materials, keine Prozessausspähung sowie Schutz der privilegierten Stellung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (NPD). 29 Die damit einhergehenden Vorkehrungen haben offensichtlich Wirkung gezeigt, denn zu Beginn des zweiten Verhandlungstages stellte der Vorsitzende des Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, fest: "Nach der vorläufigen Einschätzung des Senats hat die mündliche Verhandlung bestätigt, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht". Das Bundesverfassungsgericht hat sich deshalb im weiteren Verlauf der Verhandlung mit der Frage beschäftigt, ob die NPD nicht nur der Gesinnung nach verfassungsfeindlich ist, sondern auch tatsächlich versucht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen und ob sie überhaupt politisch und gesellschaftlich bedeutend genug ist, um dieses Ziel zu realisieren. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierüber bleibt abzuwarten. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Die NPD gibt nur zum Schein vor, auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen. Gerade im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens versuchte sie dies glaubhaft zu machen und das Verbotsverfahren gegen sie u.a. als einen Beleg für die Unterdrückung politisch Andersdenkender in Deutschland anzuführen: "Millionen Fremde überrennen unser Land, die Polizei ist völlig überfordert und der soziale Frieden ist bedroht. Das Volk sagt NEIN es reicht - Und nun will man die letzte nationale Opposition verbieten? Klingt verrückt, ist aber Realität - Willkommen in der BRD 2016".3 Während der mündlichen Verhandlung im NPD-Verbotsverfahren wurde nach Einschätzung von Prozessbeobachtern erneut deutlich, dass die NPD ideologisch und programmatisch weiterhin von rassistischem, antisemitischem und demokratiefeindlichem Gedankengut geprägt ist. Insbesondere ihre Vorstellung einer 3 Facebook-Seite NPD Kreisverband Mittelrhein, abgerufen am 22. April 2016 30 rassereinen, homogenen "Volksgemeinschaft" wurde offenkundig - einer Gesellschaft, die auf Ausgrenzung und Verachtung gründet. Auch unabhängig vom Verbotsverfahren lässt sich die einschlägige ideologische Prägung der NPD hinlänglich belegen, so in jüngster Zeit vor allem im Kontext mit dem Thema Flüchtlinge. Die NPD sieht durch die aktuellen Flüchtlingsströme die Existenz Deutschlands mehr denn je bedroht: "Für Nationalisten geht es ... um die Verteidigung der Heimat und den Kampf gegen ausländische Landnahme." und fordert: "Wir brauchen die Festung Europa!" und "Migranten proben den Aufstand! Grenzen sofort schließen!".4 Sie macht keinen Hehl daraus, dass Deutschland allein durch eine Unterbindung der Flüchtlingsströme ("Asylflut stoppen!") sowie die systematische Abschiebung aller "Fremden" gerettet werden kann. Die Forderung nach "Rückführung von Ausländern in die Heimatländer" beschränkt sich dabei nicht nur auf asylsuchende Menschen. Gleichzeitig prangert die NPD die von ihr unterstellte Benachteiligung der deutschen Bevölkerung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und insbesondere Asylsuchenden an. Ihrer Argumentation nach seien Deutsche einer willkürlichen Ungleichbehandlung ausgesetzt, Asylsuchende kämen allein wegen der sozialen Leistungen nach Deutschland. Soziale Unterstützungen und Hilfen für "Fremde" werden kategorisch abgelehnt, ein Mindestmaß an sozialem Lebensstandard abgesprochen. Investitionen in die deutsche Bevölkerung, z.B. in Kindergärten, Schulen, Bildung oder die Unterstützung von sozial schwachen Deutschen und Obdachlosen haben aus Sicht der NPD absoluten Vorrang. Die Forderung "Volkswohnungen statt Asylunterkünfte!" bringt dies zum Ausdruck.5 4 Facebook-Seite NPD Kreisverband Trier, abgerufen 28. April 2016 5 ebd. 31 Weiterhin wird fast täglich auf den Facebook-Seiten der NPD Rheinland-Pfalz über Übergriffe von Ausländern berichtet. Dies soll als Beleg für die "Bedrohung" dienen, der die deutsche Bevölkerung ausgesetzt sei. So fand sich zu den in Köln in der Silvesternacht verübten Straftaten beispielhaft nachfolgender Kommentar der NPD Rheinland-Pfalz auf ihren Facebook-Seiten: "Erste Ausläufer der totalen Überausländerung Deutschland's".6 Der NPD Kreisverband Mittelrhein forderte in diesem Zusammenhang: "Jetzt aufwachen, Grenzen dicht und konsequent Abschieben!".7 Im Fokus des Feindbilddenkens der NPD stehen neben Asylsuchenden weiterhin insbesondere Muslime, Minderheiten wie Sinti und Roma, aber "traditionell" auch immer wieder Menschen jüdischen Glaubens. Muslime und der Islam sind für die NPD, wie die rechtsextremistische Szene insgesamt, Feindbilder schlechthin. Verbunden mit den aktuellen weltpolitischen Entwicklungen und den Anschlägen in Europa durch islamistische Terroristen erhofft sich die NPD von einer islamfeindlichen Agitation Zustimmung in der Bevölkerung. Menschen islamischen Glaubens werden von der NPD undifferenziert mit religiösen Eiferern oder gar religiös motivierten Gewalttätern und Terroristen gleichgesetzt. Regelmäßig werden Bedrohungsszenarien konstruiert, die in der Bevölkerung Ängste gegenüber Muslimen wachrufen sollen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: "IS in Rheinland-Pfalz - Durchsuchung bei mutmaßlichem IS-Kommandeur in der Nähe von Mainz Heute erfolgte in Sankt Johann (LK Mainz-Bingen) eine Durchsuchung bei einem Syrer der zuvor auch in den Reihen des IS gekämpft haben soll. Der Beschuldigte soll dabei nicht nur einfacher Kämpfer sein sondern als Militärkommandeur gedient haben und sich als Selbstmordattentäter angeboten haben. 6 Facebook-Seite NPD Landesverband Rheinland-Pfalz, abgerufen am 5. Januar 2016 7 Facebook-Seite NPD Kreisverband Mittelrhein, abgerufen am 5. Januar 2016 32 Damit wird klar, Deutschland wird immer mehr zum Sammelbecken und Rückzugsraum für die Beteiligten von Krieg und Terror. Es reicht, Kontrolle und Sicherheit schaffen - deshalb Grenzen dicht!".8 NPD Landesverband Rheinland-Pfalz Organisation und Entwicklung Der etwa 200 Mitglieder umfassende NPD Landesverband Rheinland-Pfalz zeichnet sich durch keine organisatorische Kontinuität aus. Nach einer Reihe von Umstrukturierungen gliederte sich der Landesverband 2015 in die fünf Kreisverbände: # Ludwigshafen-Frankenthal, # Mainz-Worms, # Mittelrhein, # Trier, # Westpfalz. Die Umstrukturierungen waren in der Vergangenheit in der Regel mit der Absicht verbunden, die organisatorische Handlungsfähigkeit der Kreisverbände und des Landesverbandes dauerhaft zu gewährleisten. Seit der Neugründung des NPD Kreisverbandes Mittelrhein am 23. August 2014 verfügt die NPD zudem wieder über eine Organisationseinheit im nördlichen Rheinland-Pfalz. Den Vorsitz im NPD Landesverband hat seit Juli 2013 Markus Walter inne, stellvertretende Vorsitzende sind Ricarda Riefling und Safet Babic. Alle drei nehmen bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen immer wieder teil. Die NPD tritt nicht in allen Landesteilen mit gleicher Intensität in Erscheinung. Aktivitäten gingen im Jahr 2015 insbesondere von den Kreisverbänden Mittelrhein, Trier und Westpfalz aus. 8 Facebook-Seite NPD Kreisverband Mittelrhein, abgerufen am 22. April 2016 33 Öffentliche Aktivitäten / Aktionen im Jahr 2015 Schwerpunkt der Aktivitäten der NPD in Rheinland-Pfalz im Jahr 2015 waren - wie in der rechtsextremistischen Szene generell - Aktionen im Zusammenhang mit der Asylund Flüchtlingsthematik. Der Landtagswahlkampf, der ab dem zweiten Halbjahr die NPD-Aktivitäten in Rheinland-Pfalz prägte, wurde gezielt mit der Asylthematik verbunden. Die NPD führte in diesem Zusammenhang Demonstrationen, Informationsstände und Flugblattverteilaktionen durch. Die bei den Demonstrationen verwendeten Parolen, wie "Asylbetrug macht uns arm!" oder "Sicher Leben Asylflut stoppen", spiegeln die rassistische und menschenfeindliche Weltanschauung der NPD wider. Menschen anderer Herkunft haben keinen Platz in dem Weltbild der NPD, das von einer rassereinen, homogenen "Volksgemeinschaft" geprägt ist. Die verwendeten Parolen enthalten einfachste Erklärungsmuster für vermeintliche gesellschaftliche und soziale Missstände. Diese werden pauschal den "Fremden" zugeschrieben und gleichzeitig in der Gesellschaft vorhandene Ängste gezielt geschürt und missbraucht. Vordergründiges Ziel der NPD ist es, sich in bekannter Manier als "Kümmerer" für die Sorgen und Nöte der Bevölkerung zu präsentieren und damit letztendlich Wählerstimmen zu gewinnen. Im Zusammenhang mit der Asylthematik beteiligte sich neben anderen rechtsextremistischen Gruppierungen auch die NPD immer wieder an bürgerlichen Protesten. So nahmen an Demonstrationen im Bereich Westerwald, die sich gegen die Eröffnung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende und Flüchtlinge auf dem Stegskopf und die dortige Unterbringung richteten, auch Mitglieder des NPD Kreisverbandes Mittelrhein teil. Im Nachhinein wurde über die Teilnahme auf der Facebookseite des Kreisverbandes berichtet. Unter dem Motto "Asylbetrug macht uns arm" fand am 1. Mai eine NPD-Demonstration in Worms mit rund 150 Teilnehmern statt. Am 1. August führte die NPD eine Demonstration in Trier durch, an der ca. 40 Personen teilnahmen. Das Motto war "Fackelzug gegen Asylbetrug!". Anlass 34 war die Eröffnung einer zweiten Erstaufnahmeeinrichtung. Der Demonstration schlossen sich einige Bürgerinnen und Bürger an. Unter dem Motto "Schützt unsere Kinder - gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Worms-Heppenheim" wurde am 10. Oktober in Worms eine Antiasyldemonstration mit rund 30 Teilnehmern durchgeführt. Auch ohne Bezugnahme auf das Themenfeld Asyl führte die NPD im Land öffentliche Aktionen durch, z.B.: # Im Rahmen der bundesweiten Kampagne "Für Frieden, Freiheit & Souveränität" machte das sogenannte NPD-Flaggschiff vom 22. bis 24. Juli Halt in Rheinland-Pfalz. Die Veranstaltung fand allerdings insgesamt kaum Interesse bei der Bevölkerung. # Wie bereits in den Vorjahren fanden auch 2015 Heldengedenkveranstaltungen statt. An der NPD-Veranstaltung am 15. November nahmen rund 30 Personen teil. # Am "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" in Remagen, der am 22. November 2015 durchgeführt wurde, beteiligten sich auch NPD-Mitglieder. Landtagswahl Rheinland-Pfalz am 13. März 2016 Anlässlich der Landtagswahl 2016 veröffentlichte der NPD Landesverband Rheinland-Pfalz ein "Wahlprogramm", in dem an erster Stelle gefordert wird "Asylflut stoppen und Asylbetrüger unverzüglich konsequent abschieben". Auch die Forderung "1000 Euro Müttergehalt für jede deutsche Mutter" verdeutlicht das rassistische, ausgrenzende Menschenbild der NPD. Die NPD hat bei den Landtagswahlen Rheinland-Pfalz 2016 einen Anteil von 0,5 % der Zweitstimmen (absolut 10.554) erreicht. Ihr Landesergebnis hat sich im Vergleich zur Landtagswahl 2011 um die Hälfte reduziert (1,1 % = 20.586 Landesstimmen). 35 Der erhoffte Erfolg, auch unter dem Eindruck der Kommunalwahlen eine Woche zuvor in Hessen, wo die NPD einzelne zweistellige Ergebnisse erzielen konnte, blieb aus. Die NPD zeigte sich nach der Landtagswahl in Äußerungen im Internet entsprechend enttäuscht. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: 2014: ca. 350 Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 (2014: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: ein "Stützpunkt" Publikationen: Zentralorgan "Der Aktivist" erscheint unregelmäßig; in Rheinland-Pfalz keine eigene Publikation Die JN sind die einzige Jugendorganisation im parteigebundenen Rechtsextremismus. Ihrer Satzung nach sind sie "integraler Bestandteil" der NPD und somit weltanschaulich und thematisch entsprechend linientreu. Ihre Arbeit sehen sie im "vorpolitischen Raum", indem sie beispielsweise für Jugendliche Aktivitäten mit Freizeitcharakter anbieten. Zudem wirken sie als eine Art Klammer zwischen der NPD und Angehörigen der Neonaziszene. In Rheinland-Pfalz verfügen die JN allerdings weder über flächendeckende Strukturen noch über eine zahlenmäßig nennenswerte Mitgliederschaft. Der seit dem Jahr 2013 in erster Linie via Facebook-Präsenz in Erscheinung tretende landesweit einzige "JN-Stützpunkt Ahrweiler" unterstützt den NPD Kreisverband Mittelrhein bei Aktionen und pflegt Kontakte in das südliche NordrheinWestfalen. "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der im Jahr 2006 gegründete RNF wurde 2013 formal als integraler Bestandteil der NPD in der Parteisatzung verankert. Im März 2014 wurde die stellver36 tretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, zur neuen RNF-Bundesvorsitzenden gewählt. In Rheinland-Pfalz sind auch im Jahr 2015 keine nennenswerten öffentlichen Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. 3.4.2 "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: 2014: ca. 200 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2014: ca. 40) Organisation: einzelne "Stützpunkte" Publikationen: keine (Internethomepage) Ende September 2013 wurde in Heidelberg die rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" gegründet9. Dies geschah offenkundig auch in Folge einer Abspaltung ehemaliger NPD-Funktionäre vom Landesverband Rheinland-Pfalz. Der Parteivorstand setzt sich überwiegend aus ehemaligen NPD-Mitgliedern mit neonazistischer Prägung zusammen. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Weltanschaulich lehnt sich die Partei "Der III. Weg" weiter unverkennbar am Gedankengut des historischen Nationalsozialismus an. So propagiert die Partei in ihrem Zehn-Punkte-Programm an erster Stelle die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus", parallel hierzu verbreitet sie Propagandamaterial mit der entlarvenden Parole "NATIONAL, REVOLUTIONÄR, SOZIALISTISCH".10 9 Die Partei wurde am 24. Oktober 2013 durch den Bundeswahlleiter zugelassen. 10 Hervorhebungen nicht im Original. 37 Organisation Nach ihrer Satzung vom 30. September 2013 hat die Partei "Der III. Weg" ihren Sitz im rheinland-pfälzischen Weidental, dem Wohnort ihres Bundesvorsitzenden und ehemaligen NPD-Funktionärs Klaus Armstroff.11 Getragen von der Absicht, sich bundesweit zu etablieren, gliedert sich die Partei gemäß Satzung in die Gebietsverbände Süd, West, Nord und Mitte. Bislang jedoch beschränkt sich die Partei auf die Bildung sogenannter Stützpunkte in einzelnen Regionen und den Gebietsverband "Mitte". Für Rheinland-Pfalz relevant sind die Stützpunkte "Westerwald", "Pfalz" und "Rheinhessen". Die Partei ist international vernetzt; sie pflegt Kontakte zu ausländischen neonazistischen Organisationen, wie etwa der griechischen Partei "Chrysi Avgi" ("Goldene Morgenröte), der "Ungarischen Morgenröte" und Rechtsextremisten in Tschechien. Vertreter der Partei nahmen auch dort an einschlägigen öffentlichen Veranstaltungen teil. Ziele und Strategien Die Partei "Der III. Weg" verfolgt, gemessen an ihrer Programmatik und ihrer Mitgliederschaft, langfristig zweifelsohne das Ziel einer grundlegenden, im Widerspruch zum Grundgesetz stehenden Systemveränderung, wenngleich sie diesbezüglich eindeutige Aussagen vermeidet oder verschleiert. Fernziel dürfte demnach ein Staat sein, in dessen Zentrum eine ethnisch homogene Volksgemeinschaft steht. Die Partei "Der III. Weg" folgt in diesem Sinne der für Rechtsextremisten typischen Strategie, durch Stigmatisierung und einseitige Schuldzuweisungen systematisch Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Sie will auf diese Weise den gesellschaftlichen Frieden stören und die Gesellschaft langfristig destabilisieren. Konkret umgesetzt wird diese Strategie bislang durch eine Fixierung auf die Themenfelder Asyl und Zuwanderung. Dies geschieht nicht zuletzt mit dem 11 http://www.bundeswahlleiter.de/de/parteien/downloads/parteien/DER_DRITTE_WEG.pdf 38 Ziel, unterschwellige subjektive Ängste zu instrumentalisieren. Hiervon verspricht man sich Solidarisierungseffekte in Teilen der Bevölkerung. Agitation und Aktionismus Auf der Internetseite der Partei werden tagesaktuell Nachrichten aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft veröffentlicht und kommentiert. Die Texte sprechen eine deutliche Sprache. Neben der fundamental ablehnenden Haltung gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und dem sogenannten Liberalkapitalismus fällt insbesondere die aggressive und provokative Darstellung der Asylthematik einschließlich der pauschalen Kriminalisierung von Asylsuchenden auf. In diesem Zusammenhang werden via Internet auch "Leitfäden" ("Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft!") angeboten, die sich in einschlägiger Weise vorwiegend mit der Asylthematik befassen. Weitere Informationsund Werbematerialien sind über einen Onlineshop erhältlich. Die Partei "Der III. Weg" hat das Themenfeld "Asyl" auch in den Mittelpunkt ihrer öffentlichen Aktivitäten gesetzt. Sie initiiert wiederholt Kundgebungen, bei denen speziell hierfür entworfene Flugblätter in großer Stückzahl an die Bevölkerung verteilt werden. Dabei werden gezielt Gemeinden ausgewählt, in denen Asylbewerberunterkünfte vorhanden oder geplant sind. Gegen die Präsenz von Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen wird polemisiert, indem vor angeblich überwiegend negativen Folgen der Aufnahme von Asylbegehrenden und Zuwanderern "gewarnt" wird. Darüber hinaus nahmen Aktivisten der Partei vereinzelt an öffentlichen Bürgerinformationsveranstaltungen mit Bezug zu vorgesehenen bzw. bestehenden Asylbewerberunterkünften teil. Ebenso wurden themenbezogen auch im Jahre 2015 und Anfang 2016 wieder einzelne Veranstaltungen im Großraum Vorderpfalz und der Westpfalz durchgeführt. An den Kundgebungen nahmen zwischen 40 und 60 Personen teil. Weiterhin beteiligten sich Mitglieder der Partei wiederholt an überregionalen 39 rechtsextremistischen Demonstrationen im Bundesgebiet, beispielsweise am 1. Mai 2015 in Saalfeld/Thüringen sowie an den jährlichen "Gedenkmärschen" in Wunsiedel und Remagen. Seit Oktober 2015 war die Flüchtlingsunterkunft "Stegskopf" im Westerwald Ziel mehrerer asylkritischer Kundgebungen, in deren Rahmen regelmäßig Anhänger und Sympathisanten der Partei "Der III. Weg" in Erscheinung traten. Landtagswahl Rheinland-Pfalz 2016 Im Zuge der Teilnahme an der Landtagswahl 2016 begann die Partei Mitte 2015 mit dem Sammeln der notwendigen Unterstützungsunterschriften, mit dem Ergebnis der Zulassung zur Landtagswahl Anfang 2016. Der mit hohem Aufwand betriebene Wahlkampf der Partei erfolgte mittels Plakatierungen, Flugblattverteilungen, Demonstrationen und der Durchführung von Informationsständen. Die rheinland-pfälzischen Aktivisten konnten hierbei auf massive Unterstützung durch Parteimitglieder aus anderen Teilen des Bundesgebiets zurückgreifen. Für mediales Aufsehen sorgte der sogenannte Ausreisegutschein mit dem Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!", der an Politiker, Journalisten etc. versandt wurde. Im amtlichen Endergebnis der Wahl fand sich die Partei bei 0,1 % der Stimmen wieder und kommentierte das enttäuschende Abschneiden wie folgt: "(...) Das Wahlergebnis bedeutet für uns, dass wir noch intensiver und energischer für unsere heilige Sache streiten müssen. (...)". 40 3.4.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) Teil- / Nebenorganisation keine Mitglieder Bund: 2014: ca. 500 Mitglieder Rheinland-Pfalz: Einzelmitglieder Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Südwest Publikationen: keine (Internethomepage) Die rechtsextremistische Partei "DIE RECHTE" bildete sich 2012 im Wesentlichen aus Teilen der aufgelösten "Deutschen Volksunion" (DVU).12 Sie steht seitdem unter der Leitung des Bundesvorsitzenden Christian Worch, einem seit mehr als 30 Jahren aktiven Neonazi. Die Partei positionierte sich zu Beginn nach eigenen Angaben zwischen der NPD sowie der sogenannten Pro-Bewegung und wollte sich insofern offenkundig vergleichsweise "gemäßigter" geben als die NPD. Das Parteiprogramm ist nach eigenem Bekunden eine modernisierte Fassung der DVU-Programmatik. Zwischenzeitlich hat die Partei "DIE RECHTE", nicht zuletzt aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung, eine deutliche neonazistische Ausrichtung und Prägung angenommen. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Ideologisch trägt "DIE RECHTE" unverkennbar antidemokratische, fremdenfeindliche, geschichtsund gebietsrevisionistische Züge, obgleich sie diese und ihre letztendlich verfolgten Ziele sprachlich stark verschleiert. Organisation Strukturell strebt die Partei "DIE RECHTE" eine bundesweite Ausbreitung an. Mit Stand Ende 2015 verfügte sie über zehn Landesverbände. Nennenswerte 12 Die Parteigründung vom 27. Mai wurde Anfang Juni 2012 auf den Homepages der ehemaligen DVU-Landesverbände Niedersachsen und Schleswig-Holstein bekannt gegeben. 41 Aktivitäten gehen bislang fast ausschließlich vom dem von Neonazis dominierten Landesverband Nordrhein-Westfalen aus. Ein am 28. Dezember 2013 gegründeter Landesverband Rheinland-Pfalz ging Ende 2015 in einem sogenannten Landesverband Südwest auf, der die "Regionen" Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland umfasst. Die Partei trat nicht zur Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz an. Die Teilnahme an der Landtagswahl 2017 im Saarland wird angestrebt. Agitation und Aktionismus Ebenso wie die meisten anderen rechtsextremistischen Organisationen agitiert die Partei "DIE RECHTE" mit (einem) Schwerpunkt gegen "Fremde". Ausländer werden pauschal diffamiert. So heißt es in dem Flugblatt der Partei mit dem Titel "Darum sollten wir Deutschen keine Syrer aufnehmen!": "Wir deutschstämmigen Deutschen haben nur dieses eine Heimatland - und das gilt es zu bewahren und zu verteidigen gegen multikriminelle Ausländer...". In Rheinland-Pfalz ist die Partei angesichts ihrer sehr kleinen Mitgliederzahl und des geringen Aktionismus bislang nahezu bedeutungslos. 4. Rechtsextremistische Musik Musik ist ein ideales Medium zur Rekrutierung neuer Anhänger und spielt deshalb eine bedeutende Rolle innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums. Musik umgibt uns täglich. Deshalb verwundert es nicht, dass Musik auch innerhalb der rechtsextremistischen Szene genutzt wird, um rechtsextremistische Denkweisen und Ideologien zu transportieren. Gerade in ihrer Selbstfindungsphase können vor allem junge Menschen auf diese Weise an das rechtsextremistische Gedankengut herangeführt werden. Unpolitische Jugendliche können mit Hilfe von Musik für die rechtsextremistische Szene begeistert und langfristig integriert werden. 42 Die oftmals demokratiefeindlichen und rassistischen Botschaften werden in den Liedtexten meist nur angedeutet oder indirekt verpackt. Die Musik wird bei einschlägigen Veranstaltungen und via Internet verbreitet. Über soziale Netzwerke, Internetradio und Videoportale können Liedstücke mühelos wiedergegeben und heruntergeladen werden. Eine Heranführung an die menschenverachtende Gesinnung erfolgt oft schleichend. In der Öffentlichkeit verhält sich die rechtsextremistische Musikbewegung zurückhaltend. Zugunsten eines reibungslosen Vertriebs werden Liedtexte oftmals vor ihrer Veröffentlichung anwaltlich geprüft, um strafrechtliche Konsequenzen auszuschließen und eine Indizierung zu vermeiden. In Liedtexten der Szene werden Angehörige des jüdischen Glaubens, Dunkelhäutige, Roma und Sinti, Homosexuelle und Transsexuelle verunglimpft und sogar zu Gewalttaten gegenüber diesen Gruppen aufgerufen. "Wenn die Synagoge brennt. So'n Negerbursche in Flammen steht. Du den Zigeuner in den Arsch getreten hast. Du den Bimbo vor die U-Bahn gestoßen hast. Ja dann hilft nur noch Fahrerflucht. Wenn der Jude vor dir vor Entsetzen schreit. Der Zecke keine Beine mehr hat. Die Schwuchtel an der Hauswand klebt. Du dem Neger die Haut abgezogen hast. Du der Transe den Bauch aufgestochen hast. Ja dann hilft nur noch Fahrerflucht." (Band "Wiener Volkssturm", CD "Fahrerflucht", Titel "Fahrerflucht")13 13 Die CD "Fahrerflucht" wurde mit Entscheidung vom 11.01.2016 in Teil B der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen. 43 In manchen rechtsextremistischen Liedtexten wird Gewalt nicht nur gerechtfertigt, sondern mehr oder minder zur Gewalt aufgerufen - im folgenden Beispiel gegen den Islam. "Du siehst den Zerfall in allen Ländern, der Mob aus dem Orient wird sie verändern. Mullahs in allen Ecken und die Kultur ist am verrecken. Ich frage euch soll's das sein? Zerschlagen wir sie vereint, ja vereint, zerschlagen wir sie vereint!" (Band "Abtrimo", Titel "Sturm über Europa") Aufgrund der durch die Musik geschürten Menschenverachtung werden während rechtsextremistischer Konzerte nicht selten Propagandadelikte wie das Skandieren von NS-Parolen oder das Zeigen des Hitlergrußes begangen. Auch werden am Rande dieser Veranstaltungen szenetypische, teils indizierte Devotionalien (CDs, Bekleidung, Accessoires etc.) angeboten. Rechtsextremistische Bands und auch Liedermacher gehören vielfach zum Rahmenprogramm von Veranstaltungen rechtsextremistischer Parteien. Politik und Erlebnisfaktor lassen sich kombinieren und Gesinnungsgenossen aus der rechtsextremistischen Musikszene in die Parteiarbeit mit einbeziehen. Die gemeinsamen Veranstaltungen mit Eventcharakter fördern den organisationsübergreifenden Zusammenhalt in der rechtsextremistischen Szene. Viele rechtsextremistische Bands variieren oftmals in ihrer personellen Besetzung. So kooperieren einzelne Bandmitglieder mit anderen Bands oder Einzelpersonen und kommen zu kurzzeitigen Musikprojekten zusammen. In Rheinland-Pfalz sind derzeit zwei rechtsextremistische Bands bekannt und aktiv. Hinsichtlich der verschiedenen Musikstile wurde die rechtsextremistische Szene in den letzten Jahren experimentierfreudiger und offener. Zwar bestimmen nach wie vor "Hardrock", "Black Metal" und "Hardcore" die Szene, dennoch erfahren auch Genres wie "Hip Hop" oder "deutscher Sprechgesang" immer größere Beliebtheit. 44 Bei der Durchführung von Konzerten agiert die rechtsextremistische Szene äußerst konspirativ. Im Vorfeld von Veranstaltungen werden oftmals nur Regionen als Örtlichkeit angegeben und keine genaueren Angaben gemacht. Vom propagierten Treffpunkt werden die Teilnehmer an den eigentlichen Veranstaltungsort gelotst. Die Szene will auf diese Weise staatliche Repressionen und ein daraus resultierendes Konzertverbot verhindern. Einladungen erfolgen meist über soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste. Um kurzfristige Kündigungen von Mietverträgen oder Absagen zu vermeiden, ist die Szene grundsätzlich bemüht, Veranstaltungen in Räumlichkeiten durchzuführen, die von Gesinnungsgenossen oder deren Angehörigen betrieben werden. Die Organisation von derartigen Konzerten obliegt vorwiegend ortsansässigen Gruppen. Die Zahl der den Sicherheitsbehörden bekannt gewordenen rechtsextremistischen Liederabende und Konzerte ist in Rheinland-Pfalz gegenüber dem Vorjahr mit einer Veranstaltung gleich geblieben. Durch den Besuch von Konzerten im Inund Ausland können Szeneangehörige regelmäßig zusammenkommen. In Rheinland-Pfalz bestehen vor allem ins benachbarte Frankreich gute Kontakte, mit der Folge, dass auch immer wieder von Deutschland aus organisierte Konzerte im Nachbarland durchgeführt werden. 45 II. Linksextremismus 1. Überblick Linksextremistische Bestrebungen zielen auf die Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, an deren Stelle ein sozialistisches oder anarchistisches System errichtet werden soll. Revolutionär-marxistische Organisationen setzen dabei auf traditionelle Konzepte eines langfristig ausgerichteten Klassenkampfes, während Anarchisten (Autonome) nach einem freien, selbstbestimmten Leben in "herrschaftsfreien" Räumen streben. Die unterschiedlichen Aktionsformen von Linksextremisten reichen von offener Agitation bis hin zu massiver Gewaltanwendung als zentralem Bestandteil ihres Kampfes gegen "staatliche Repression". Das linksextremistische Spektrum umfasste in Rheinland-Pfalz Ende 2015 ca. 500 Personen, darunter ca. 100 Gewaltorientierte. Wichtigstes Aktionsfeld von Linksextremisten in Rheinland-Pfalz bleibt der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung des Rechtsextremismus. Im Mittelpunkt stehen dabei umfangreiche Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, mit dem Ziel, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Das Thema "Antirassismus", das eng mit der Entwicklung der Flüchtlingspolitik (Asylrecht) verknüpft ist, hat weiter an Bedeutung gewonnen. Anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Mainz zum zentralen Thema "Flüchtlinge/Asylanten" kam es zu Aktionen örtlicher Linksextremisten. Die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main im März 2015 führte zu umfänglichen "antikapitalistischen" Protesten und massiven Ausschreitungen durch militante Autonome. Weitestgehend unauffällig blieben in Rheinland-Pfalz erneut revolutionär-marxistische Organisationen wie beispielsweise die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). 46 2. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2015 2014 Gesamt 500 500 Gewaltbereite 100 100 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 400 400 Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Gewaltbereiter Linksextremismus Linksextremisten machten auch im Jahr 2015 durch zahlreiche Strafund Gewalttaten auf sich aufmerksam. Gewalttätige Aktionen richteten sich regelmäßig gegen Rechtsextremisten und auch Polizeibeamte, so bei Demonstrationen und Blockaden, denen oftmals ein "Outing" vorausgeht (Veröffentlichung von Namen und Daten von Rechtsextremisten) und in direkten körperlichen Angriffen. Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung ist in den letzten Jahren zunehmend gesunken. Bundesweit sind ein Nord-Süd-Gefälle mit einer Konzentration in urbanen Räumen sowie die Existenz besonders ausgeprägter gewaltaffiner Szenen in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Leipzig zu erkennen. In Rheinland-Pfalz erfolgte linksextremistische Gewalt bislang auf einem eher niedrigen Niveau. Aktionsschwerpunkte bilden fortgesetzt öffentliche Veranstaltungen von Rechtsextremisten. Rheinland-pfälzische Linksextremisten beteiligten sich vor allem an bürgerlichen Protesten gegen Versammlungen rechtsextremistischer oder rechtspopulistischer Gruppierungen. Dabei wurden sie zum Teil durch gewaltbereite Szeneangehörige aus angrenzenden Bundesländern unterstützt. Das Thema "Antifaschismus" wird insbesondere bei gewaltbereiten Linksextremisten als aktionistische Kernaufgabe gesehen. Es wird grundsätz47 lich "als Kampf ums Ganze" verstanden und schließt somit auch die Anwendung von Gewalt ein. Besondere Bedeutung kommt "Blockadebestrebungen" bei Demonstrationen des politischen Gegners zu, zumal dem nichtextremistischen, demokratischen Lager die Kompetenz abgesprochen wird, rechtsextremistische Tendenzen wirkungsvoll zu bekämpfen. 3.1 Autonome Autonome zielen im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" und propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Grundsätzlich sind sie organisationsund hierarchiefeindlich eingestellt und bevorzugen eher strukturlose, informelle Formen der Zusammenarbeit. Gleichwohl gibt es seit Jahren innerhalb der autonomen Szene Bemühungen, sich stärker zu vernetzen und den Aufbau von regionalen und überregionalen Organisationsstrukturen voranzutreiben. Ziele sind die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen. Beispielhaft dafür steht das Blockadebündnis "Block NPD", das neben autonomen Gruppen aus Baden-Württemberg auch von gewaltorientierten linksextremistischen "Antifa"-Gruppen aus Rheinland-Pfalz (Kaiserslautern, Ludwigshafen, Mainz, Schifferstadt und Speyer) unterstützt wird. Erklärtes Ziel des Bündnisses war die Verhinderung des Bundesparteitages der NPD am 21./22. November 2015 in Weinheim. Dort kam es am 21. November zu massiven Ausschreitungen durch gewaltbereite Linksextremisten. Sie bewarfen Polizeibeamte mit faustgroßen Steinen und Pyrotechnik. Die Polizei ihrerseits setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die gewalttätigen Durchbruchsversuche zu verhindern. Zahlreiche Verletzte, sowohl bei den Einsatzkräften als auch bei den Demonstranten, hohe Sachschäden und rund 200 Festnahmen waren das Ergebnis der Krawalle. 48 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus / Antirassismus / Antirepression Im Zuge der bundesweiten Zunahme von islamkritischen/-feindlichen Versammlungen und Initiativen rückten die Aktionsfelder "Antifaschismus" und "Antirassismus" zunehmend in den Mittelpunkt linksextremistischer Bestrebungen. So demonstrierten am 8. Februar 2015 gewaltbereite Linksextremisten in Ludwigshafen gegen eine islamfeindliche Kundgebung rechtsextremistisch beeinflusster Hooligans. Im Verlauf der Versammlung lösten sich aus einer vom autonomen Spektrum dominierten Gegendemonstration ca. 200 "Antifa"-Aktivisten, um Anhänger der islamfeindlichen Kundgebung zu attackieren. Hierbei wurden eine Polizeiabsperrung und damit auch Einsatzkräfte überrannt. Über 150 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum, darunter zahlreiche Autonome aus der Rhein-Neckar-Region, die aktiv die direkte Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und der Polizei suchten, wurden wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigungen und Verstößen gegen das Vermummungsverbot festgenommen. Im linksextremistischen Veranstaltungskalender hat der "revolutionäre 1. Mai" als "Kampftag der internationalen Arbeiterbewegung" nach wie vor herausragende Bedeutung. Bei "antifaschistischen" Protesten gegen einen Aufzug der NPD am 1. Mai 2015 in Worms kam es zu einer Blockade von gewaltorientierten Linksextremisten aus Mannheim zusammen mit örtlichen "Antifa"-Aktivisten. Anschließend versuchten sie erfolglos, eine Polizeikette in Richtung des NPD-Aufzuges zu durchbrechen. Die Demonstranten warfen Feuerwerkskörper und verletzten vier Polizeibeamte; ein Polizeifahrzeug wurde während des Einsatzes beschädigt. Im Vorfeld der Blockadeaktion riefen Autonome aus Mannheim/Ludwigshafen im überwiegend von Linksextremisten genutzten Internetportal "Linksunten Indymedia" unter anderem dazu auf, den "Naziaufmarsch" in Worms zu verhindern: "Wer Faschisten wirklich stoppen will, muss selber Hand anlegen!". Autonome nutzten die öffentliche Debatte zur Asylpolitik unter anderem dazu, um das Aktionsfeld "Antirassismus" weiter aufzuwerten und ihre eigenen "poli49 tischen Ziele" zu befördern. Das Thema Asylpolitik besitzt ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit weit in das nichtextremistische Spektrum hinein. Vor diesem Hintergrund und der angeblich vom deutschen Staat ausgehenden "rassistischen" und "imperialistischen" Flüchtlingspolitik demonstrierten Linksextremisten anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Mainz am 24. Juni 2015 unter dem Motto "Kein Mensch braucht die IMK - Für Selbstbestimmung und Solidarität". An einem Gebäude in der Innenstadt war ein Transparent mit der Aufschrift "Feuer Flamme Abschiebestaat" angebracht. In zeitlicher Nähe zur IMK setzten Unbekannte in der Nacht zum 26. Juni in Mainz drei Einsatzfahrzeuge der Polizei in Brand. Vier Tage später, am 30. Juni, wurde auf "Linksunten Indymedia" unter der Überschrift "[MZ] Polizeiautos wählen Freitod" ein Beitrag zu der Brandstiftung an den Polizeifahrzeugen veröffentlicht. Darin wendeten sich die Verfasser "Blecherne Sterbehilfe" indirekt an die Polizei: "Um ihr unnötigen Ermittlungsaufwand zu ersparen, wollten wir hiermit die Gewissensentscheidung der Autos posthum der Öffentlichkeit bekannt geben". Im Rahmen sogenannter antifaschistischer Selbsthilfe kam es am 22. September 2015 in Pirmasens zu Sachbeschädigungen an Fahrzeugen von zwei NPDMitgliedern. Ein VW-Bus wurde mit roter Farbe und dem Slogan "NO NPD" beschmiert; an einem weiteren PKW wurde versucht, die Reifen anzuzünden. Auf "Linksunten Indymedia" fand sich am 24. September 2015 ein Posting unter dem Pseudonym "Antifa Pfalz", das die Farbschmiererei am NPD-Fahrzeug mit einem Foto dokumentiert. In dem Beitrag heißt es weiter: "Wir begrüßen solche Aktionen, besonders vor dem Hintergrund wachsender Aktivitäten und Angriffe von Nazis auf Flüchtlinge". Antikapitalismus / Sozialabbau Die globale Wirtschaftsund Finanzkrise bildet seit mehreren Jahren den Bezugsrahmen für diverse Protestaktionen unter Beteiligung von Linksextremisten. Im Fokus dieser sogenannten Krisenproteste steht Frankfurt am Main als deutsche Finanzmetropole und zugleich Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB). 50 Anlässlich der Eröffnung des Neubaus der EZB am 18. März 2015 kam es neben friedlichen Protesten gegen die Feierlichkeiten insbesondere in den frühen Morgenstunden zu exzessiven Straßenkrawallen seitens vermummter militanter Autonomer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland in zum Teil einheitlicher schwarzer "Kampfausrüstung". Die Polizei setzte an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet Wasserwerfer und Tränengas gegen Böller, Pflastersteine und Brandsätze werfende Randalierer ein. Zahlreiche Sachbeschädigungen und teilweise lebensbedrohliche Angriffe auf eingesetzte Polizeibeamte waren zu beklagen. An den gewalttätigen Protesten in Frankfurt am Main beteiligten sich wenige Szeneangehörige aus Rheinland-Pfalz. Im Rahmen der Mobilisierung zu den "antikapitalistischen" Protesten in Frankfurt am Main fand eine vom linksextremistischen Spektrum in Trier via Internet beworbene "Infoveranstaltung" statt. Als "Gäste" wurden Vertreter des von Autonomen dominierten "...ums Ganze Bündnis!" angekündigt. "Kurdistan"-Solidarität Im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien kam es zu einer Solidarisierung des örtlichen linkextremistischen Spektrums mit dem "kurdischen Befreiungskampf", unter anderem bei Demonstrationen in Kaiserslautern, Koblenz und Mainz. Im Rahmen dieser friedlich verlaufenen Demonstrationen wurden die Aufhebung des Betätigungsverbots für die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in Deutschland sowie "Freiheit für Öcalan" und "Frieden für Kurdistan" gefordert. 51 III. Islamismus 1. Überblick Der Islamismus weist insbesondere zwei Wesensbestandteile auf: 1. die Ableitung einer rechtlichen und politischen Ordnung aus der islamischen Religion, 2. die stete Bewertung von politischen und gesellschaftlichen Vorgängen nach dem Kriterium der Religionszugehörigkeit, hierbei die Darstellung der Muslime als Opfer von Gewalt und Diskriminierung und der Nichtmuslime als Verursacher. Innerhalb des Islamismus stellt der Salafismus eine besonders rigide Strömung dar, die sich teilweise mit dem Jihadismus überschneidet. Jihadisten vertreten in Worten und Taten ein gewaltsames Jihad-Verständnis, das bis zum Einsatz terroristischer Mittel reicht.14 Das Jahr 2015 begann mit einer Kampfansage islamistisch motivierter Terroristen gegen Frankreich. Am 7. Januar töteten Terroristen im Auftrag von "AlQaida auf der Arabischen Halbinsel" bei einem Angriff auf die Redaktionsräume der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris zwölf Personen. Zwei Tage später endete die Geiselnahme in einem Pariser Lebensmittelgeschäft durch einen Attentäter der Organisation "Islamischer Staat" (IS) ebenfalls gewaltsam. Der Terror kehrte am 13. November mit voller Wucht in die französische Hauptstadt zurück. Bei einer koordinierten Serie von Anschlägen wurden 137 Personen getötet und mehr als 350 Personen teils schwer verletzt (Stand: 5. Januar 2016). Diese Anschläge und weitere sicherheitsrelevante Vorfälle in Europa verdeutlichen, dass der Terrorismus islamistischer Prägung insbesondere mit der Ausru14 Das ursprünglich breite Bedeutungsspektrum des arabischen Begriffs Jihad, das von der Bemühung des Einzelnen um eine islamische Lebensführung (sogenannter Großer Jihad) bis zum Einsatz für den Islam - seine Verteidigung ebenso wie seine Verbreitung (sogenannter Kleiner Jihad) - reicht, wird von gewaltbereiten Islamisten auf den militanten Aspekt verengt. Mehr noch, der kämpferische Jihad wird von ihnen als Terror fehlgedeutet und entsprechend praktiziert. 52 fung des Kalifats durch den IS im Jahr 2014 eine neue Dimension erreicht hat. Sowohl die zahlreichen Verlautbarungen als auch die Aktivitäten des IS sind unverkennbarer Ausdruck seiner Strategie, den Terror über die Nahostregion und Teile Afrikas hinaus nach Europa auszudehnen. Deutschland blieb vom Terror bisher verschont. Gleichwohl gingen im Jahresverlauf 2015 bei den Sicherheitsbehörden vermehrt ernstzunehmende Hinweise auf die Gefährdung z.B. von Großveranstaltungen ein. Vor allem aber gibt es Faktoren, die perspektivisch eine fortbestehende oder gar verstärkte Gefährdung für die Bundesrepublik Deutschland begründen: # Der Zulauf zum Salafismus hielt 2015 an. Die Zahl der Salafisten lag nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 2015 bundesweit bei 8.350 Personen (2014: 7.000) und in Rheinland-Pfalz bei ca. 120 Personen (2014: 100). Innerhalb des Salafismus sind ein gewaltfreies und ein gewaltorientiertes Teilspektrum zu unterscheiden. Die meisten bislang identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen entstammen diesem letztgenannten Teilspektrum. # Das Kriegsgeschehen in Syrien und Teilen des Irak veranlasste 2015 zwar weniger Islamisten zur Ausreise als im Vorjahr. Im Ganzen betrug die Zahl der in den letzten Jahren bekannt gewordenen Ausreisefälle bis zum Jahresende 2015 aber mehr als 790 und lag damit höher als je zuvor (in Rheinland-Pfalz 15 bekannt gewordene Ausreisefälle). Mit einer Ausreise ist nicht nur die Gefahr einer weiteren Radikalisierung, des Anschlusses an eine Terrororganisation und des Erwerbs von Kampferfahrung vor Ort verknüpft, sondern auch einer späteren Rückkehr mit möglichen Anschlagsabsichten. Terroristische Einzeltäter und Gruppierungen stellen den extremsten Flügel innerhalb des Phänomenbereichs Islamismus dar. Mehrheitlich wenden Islamisten keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele an. Es sollte indessen nicht übersehen werden, dass auch gewaltfreie Islamisten ein Weltbild propagieren, das von pauschalen Negativzuschreibungen gegenüber Nichtmuslimen gekennzeichnet ist und insoweit zu einer Feindbildverinnerlichung und Radikalisierung beitragen kann. 53 Darüber hinaus stehen die Rechtsvorstellungen auch gewaltfreier Islamisten in mehreren Punkten im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zum Beispiel im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie die Glaubensund Meinungsfreiheit. Die Aktivitäten islamistischer Organisationen sind auf die Verbreitung ihres Weltbildes inShirk = Götzendienst, Kufr = Unglaube nerhalb der muslimischen Gemeinschaft und darüber hinaus die verstärkte politische und gesellschaftliche Mitbestimmung in Deutschland ausgerichtet. 2. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2015 2014 Islamisten Gesamt 550 610 Angaben gerundet Im Hinblick auf das islamistische Personenpotenzial sind zwei gegenläufige Tendenzen zu beobachten: 1. Der Bereich des gewaltfreien Islamismus verzeichnet rückläufige Zahlen. Insbesondere verringerte sich die Zahl der aktiven Anhänger der "Milli Görüs"-Ideologie (siehe 4.3, S. 64-65). 2. Das gefährdungsrelevante Personenpotenzial innerhalb des islamistischen Personenspektrums erhöhte sich. Diese Feststellung bezieht sich insbesondere auf Salafisten (siehe 4.1, S. 61-63). Im Ganzen gilt weiterhin, dass Rheinland-Pfalz keine ausgesprochene Schwerpunktregion des Islamismus in Deutschland darstellt. 54 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 3.1 International Der internationale Terrorismus gehört seit Jahren zu den maßgeblichen Bedrohungen für eine Vielzahl von Staaten. Das Bürgerkriegsland Syrien und Teile des benachbarten Irak blieben auch 2015 das Epizentrum des Terrorismus. Der Verlust des staatlichen Gewaltmonopols in weiten Teilen beider Länder durch die jeweilige Regierung bietet diversen jihadistischen Gruppierungen, allen voran dem "Islamischen Staat" (IS), ein Betätigungsfeld. Der IS musste 2015 zwar vor allem im Irak Gebietsverluste hinnehmen, setzte ansonsten aber seinen Expansionskurs durch die Ausrufung von sogenannten Provinzen fort, u.a. in Libyen, auf der Sinai-Halbinsel, in Afghanistan und Pakistan. Darüber hinaus erklärten regionale Terrormilizen wie die westafrikanische "Boko Haram" und die "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) im Jahresverlauf ihren Anschluss an den IS. Diese Entwicklungen verschärften den bestehenden Konkurrenzkampf um die global-jihadistische Vorherrschaft zwischen IS und "Al-Qaida" einschließlich deren regionaler Organisationseinheiten auf der arabischen Halbinsel, in Nordund Westafrika, in Syrien und weiteren Regionen. Für westliche Staaten erhöht dieser Konkurrenzkampf insoweit die Terrorgefahr, als beide Gruppierungen bestrebt sind, mit Anschlägen gegen westliche Interessen ihr eigenes Ansehen innerhalb der jihadistischen Anhängerschaft zu steigern. Das vermehrte Anschlagsgeschehen inmitten Europas im Jahr 2015 belegt diese Entwicklungstendenz (s. nachfolgende Tabelle). Die Anschläge wurden teilweise von den genannten Terrororganisationen gesteuert und teilweise von operativ unabhängigen, aber ideologisch vom IS und "Al-Qaida" beeinflussten Einzeltätern verübt. 55 Datum Ort Ereignis TodesUrheberopfer schaft 7. Januar Paris bewaffnete Stürmung 12 zwei Täter im Auf2015 der Redaktionsräume trag von "Al-Qaida des Satiremagazins auf der Arabischen "Charlie Hebdo" Halbinsel" 8. Januar Paris Attentat auf Polizisten 1 Einzeltäter mit 2015 Nähe zum IS 9. Januar Paris Geiselnahme in einem 4 der selbe Einzeltäter 2015 jüdischen Lebenswie am Vortag mittelgeschäft 14. u. 15. Kopenbewaffnete Angriffe 2 Einzeltäter Februar hagen vor einem Kultur(selbsterklärter zentrum und einer IS-Sympathisant) Synagoge 26. Juni SaintAnschlag und Tötung 1 Einzeltäter 2015 QuentinFallavier bei Lyon, Frankreich 21. August Zugstrecke versuchter Schusskeine Einzeltäter 2015 von waffenangriff in Toten, AmsterThalys-Schnellzug 2 Verletzte dam nach Paris 13. November Paris Anschläge an sechs Orten: 137 drei Tätergruppen 2015 Konzerthalle "Le Bataclan", im Auftrag des IS, Fußballstadion, Resteilweise Rückkehrer taurants und Cafes und Flüchtlinge aus Syrien 2016 12. Januar Istanbul Anschlag 12, davon Selbstmordattentäter 2016 10 aus mit Verbindungen Deutschzum IS (gemäß AngaLand ben der türkischen Regierung) 56 3.2 Bundesrepublik Deutschland 3.2.1 Reisebewegungen Die Entwicklungen im Jihadismus-Bereich hierzulande sind von den Ereignissen in der Nahostregion nicht zu trennen. Es liegen Erkenntnisse zu mehr als 790 Islamisten aus Deutschland vor, darunter 15 aus Rheinland-Pfalz, die in den vergangenen Jahren in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen.15 Nicht in allen Fällen belegen die vorliegenden Erkenntnisse, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufgehalten haben. Obwohl die Ausreisebewegung im Jahr 2015 anhielt, schwächte sich ihre Dynamik im Vergleich zu 2013 und insbesondere 2014, dem Jahr der Ausrufung des IS-Kalifats durch Abu Bakr al-Baghdadi, ab. Auffallend ist jedoch der gestiegene Anteil von Frauen unter den ausgereisten Personen (von 11 % im Jahr 2014 auf 21 % im Jahr 2015). Ungefähr ein Drittel der ausgereisten Islamisten kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück. Ähnlich wie bei den um 1990 aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückgekehrten Kämpfern (Mujahidin) besteht auch bei den Syrien-Rückkehrern die Gefahr, dass sie # ihrer Kampfgruppe verbunden bleiben, # eventuell gar in ihrem Auftrag sowie unter Nutzung der vor Ort erworbenen Fähigkeiten Aktivitäten bis hin zu einem Terroranschlag ausüben, # in islamistischen Kreisen als Vorbilder angesehen werden und Andere zu ähnlichen "Jihad"-Aktivitäten motivieren und/oder rekrutieren. 15 Stand: 22. Dezember 2015 57 Wie real diese Gefahr ist, wurde 2015 zwar nicht in Deutschland, aber in den Nachbarländern Belgien und Frankreich deutlich. In der belgischen Stadt Verviers fand am 15. Januar 2015 ein Anti-Terror-Einsatz gegen eine Terrorzelle statt, die sich teilweise aus Syrien-Rückkehrern zusammensetzte und großangelegte Anschläge geplant haben soll. In die Anschläge von Paris am 13. November 2015 waren ebenfalls Syrien-Rückkehrer eingebunden, darunter der mutmaßliche Drahtzieher der Anschlagsserie. 3.2.2 Absage von Großveranstaltungen Im Jahresverlauf führten Hinweise auf mögliche Terroranschläge und damit einer akuten Gefährdung der Bevölkerung wiederholt zur kurzfristigen Absage von Großveranstaltungen. Betroffen waren u.a. ein Karnevalsumzug in Braunschweig am 15. Februar, ein Radrennen am 1. Mai in und um Frankfurt am Main sowie ein Fußball-Länderspiel am 17. November in Hannover. Wenige Tage zuvor war es am Pariser Stadion "Stade de France" während des Freundschaftsspiels zwischen Gastgeber Frankreich und Deutschland zu Anschlägen gekommen. Am 21. Januar 2016 begann am Frankfurter Landgericht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Islamisten, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, mit einer Rohrbombe, Waffen und Chemikalien einen Terroranschlag auf das Radrennen "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt" mit vielen Teilnehmern und Zuschauern geplant zu haben. 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Tauhid Germany" Mit Verfügung vom 26. Februar 2015 verbot das Bundesministerium des Innern die Vereinigung "Tauhid Germany" alias "Tauhid Deutschland" alias "Team Tauhid Media". Es stellte fest, dass es sich bei "Tauhid Germany" um die Ersatzorganisation der bereits 2012 verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" handle. "Tauhid Germany" veröffentlichte zahlreiche Aufrufe, den (deutschen) Staat und seine Vertreter zu bekämpfen. Zugleich bekannte sich die Vereinigung in 58 ihren Propagandabotschaften immer offener zum IS und stand in enger Beziehung zu den früheren Anführern von "Millatu Ibrahim", die sich mittlerweile in Syrien dem IS angeschlossen und zu Terroranschlägen unter anderem in Deutschland aufgerufen hatten. Tätigkeitsschwerpunkte von "Tauhid Germany" lagen in Nordrhein-Westfalen und Hessen. In Rheinland-Pfalz konnten keine Aktivitäten festgestellt werden. 3.2.4 Hinweisaufkommen zu Flüchtlingen/Asylbewerbern Kriege, politische und wirtschaftliche Krisen sowie Menschenrechtsverletzungen lösten 2015 die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg nach Europa und hierbei insbesondere nach Deutschland aus. Die häufigsten Herkunftsstaaten sind Syrien, der Irak und Afghanistan. Angesichts der Zuwanderungsbewegungen nach Deutschland ist nicht auszuschließen, dass sich unter den Flüchtlingen auch Mitglieder jihadistischer Organisationen oder Einzelpersonen islamistischer - oder anderer extremistischer - Gesinnung befinden könnten. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder erhalten in diesem Zusammenhang Hinweise auf derartige Personen. Diesen Hinweisen gehen Polizei und Verfassungsschutzbehörden in jedem Einzelfall unverzüglich nach. Dies führte bis Jahressende 2015 zur Einleitung von Ermittlungsverfahren im unteren zweistelligen Bereich. Zwei Attentäter der Anschläge in Paris vom 13. November 2015 sind im Flüchtlingsstrom unter Nutzung von Falschpersonalien nach Europa eingereist. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder berücksichtigen diesen Umstand im Rahmen der Hinweisbearbeitung und der zu treffenden Maßnahmen. 3.2.5 Verbot eines "Hizb Allah"-Spendenvereins Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2015 das Verbot des Vereins "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) bestätigt. Dem Urteil war eine Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom April 59 2014 vorausgegangen. Der in Essen ansässige Verein war damals unter der Bezeichnung "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP) bekannt, hatte sich aber in zeitlicher Überschneidung mit der Verbotsverfügung in "Farben für Waisenkinder e.V." umbenannt. Das Gericht führt im Leitsatz zur Entscheidung aus: "Ein Verein richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung [...], wenn er eine Stiftung, die integraler Bestandteil der Hisbollah ist, über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang finanziell unterstützt, ihm die Zugehörigkeit der unterstützten Stiftung zur Hisbollah bekannt ist und er sich mit der Hisbollah einschließlich der von dieser vertretenen, das Existenzrecht Israels negierenden Einstellung und deren bewaffneten Kampf identifiziert." Mit der genannten Stiftung ist die Shahid-Stiftung gemeint (in Übersetzung: Märtyrer-Stiftung), die als Teil des sozialen Netzwerks der Hizb Allah Waisenkinder sowie Hinterbliebene von getöteten Hizb Allah-Kämpfern betreut. 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Die Bestrebungen von Islamisten in Rheinland-Pfalz zeigten sich 2015 wie in den Vorjahren vorrangig folgendermaßen: # Mitwirkung in extremistischen Vereinigungen, # finanzielle Unterstützungsleistungen für extremistische Organisationen, # Propaganda im Internet, # Indoktrinierung in Predigten und Vorträgen in einzelnen Moscheevereinen, dies mit nachlassender Tendenz. Die Mehrheit der ca. 550 Islamisten in Rheinland-Pfalz ist dem gewaltfreien Spektrum zuzuordnen. Eine Minderheit von ca. 40 Personen ist allerdings als gewaltbereit einzustufen oder weist zumindest Bezüge zum jihadistischen Isla60 mismus oder gewaltbereiten Organisationen auf. Bei diesen Personen sind und waren in den vergangenen Jahren folgende Aktivitäten festzustellen: # logistische und/oder propagandistische Unterstützung jihadistischterroristischer Gruppierungen oder Einzelpersonen im Inland oder, häufiger, im Ausland, # Rekrutierung von Glaubenskämpfern, # Ausreisen nach/in Richtung Syrien, # Kontaktpflege zu Jihadisten. Dominiert wird der Islamismus in Rheinland-Pfalz durch die salafistischen Bestrebungen und die im Anschluss daran vorgestellten Organisationen. 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: ca. 8.350 (2014: ca. 7.000) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 120 (2014: ca. 100) Beim Salafismus handelt es sich um eine besonders rigide Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Maßgeblich für das Handeln und die angestrebte Ordnung von Salafisten sind ausschließlich die Weisungen von Koran und Sunna, d.h. die überlieferten Worte und Taten der ersten Generationen von Muslimen, der sogenannten salaf. Demgegenüber lehnen Salafisten später entstandene Formen der Religiosität wie die Heiligenverehrung ebenso strikt ab wie weltliche Gesetze. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzeswidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande. Prinzipiell aber streben Salafisten eine Staatsund Rechtsordnung an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islam beruht. Herrschern, die nichtislamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab. Die salafistische Bewegung in Deutschland setzt sich aus unabhängigen Vereinen, informellen Personenzusammenschlüssen, Internetauftritten und Initiativen zusammen. Zwischen den einzelnen Akteuren und Anhängern bestehen 61 häufig Kennverhältnisse und mitunter auch Formen der Zusammenarbeit. Ein salafistischer Dachverband mit Hauptsitz, Vorstand, Satzung und zugehörigen Ortsvereinen existiert indessen nicht. Auch in Rheinland-Pfalz existieren demzufolge zumindest keine festen salafistischen Organisationsstrukturen. Die ca. 120 salafistischen Anhänger verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen. Ein Teil von ihnen nutzt einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattformen zur Verbreitung salafistischen Gedankenguts. Bislang ist aber kein rheinland-pfälzischer Moscheeverein eindeutig oder in Gänze dem salafistischen Spektrum zuzurechnen. Gerade jüngere Salafisten weisen mitunter keine Bezüge zu örtlichen Moscheevereinen auf, sondern nutzen Internetangebote und agieren hierbei vornehmlich in sozialen Netzwerken. Zur Verbreitung ihres Islamverständnisses betreiben Salafisten sogenannte da'wa-Arbeit, d.h. Missionierung. Salafistische da'wa-Arbeit ist jedoch nicht nur als eigentliche Missionierung unter Nichtmuslimen zu verstehen, sondern insbesondere als religiöse, gesellschaftliche und politische Propaganda im Internet, in Schriften, Predigten, Vorträgen, Islamseminaren und bei Kundgebungen. Adressaten sind hierbei vor allem Muslime selbst. Die da'waArbeit wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend professionalisiert. Ein Beispiel hierfür ist das bundesweit betriebene Missionierungsprojekt "Lies!". Es wurde von dem in Köln wohnhaften Ibrahim Abou-Nagie initiiert, der zugleich Vorsitzender des salafistischen Netzwerks "Die Wahre Religion" ist. Im Rahmen dieser seit 2011 auch in mehreren rheinland-pfälzischen Städten durchgeführten Aktion werden Koran-Übersetzungen in Millionenauflage verteilt. Durch diese beispielhaft aufgeführte Aktivität und viele weitere Tätigkeiten und Netzwerkbildungen - in hohem Maße auch virtuell - hat die salafistische Bewegung in den vergangenen Jahren vermehrten Zulauf erfahren, insbesondere unter jungen Muslimen, darunter auch Konvertiten. Deren Anteil innerhalb der salafistischen Bewegung liegt in Rheinland-Pfalz bei 15-20 %. 62 Die steigenden Anhängerzahlen sind aus sicherheitspolitischer Sicht u.a. vor dem Hintergrund stark ausgeprägter und aggressiv formulierter Feindbilder in salafistischen Diskursen ausgesprochen problematisch. Die Propaganda richtet sich gegen den Westen - damit auch Deutschland - ebenso wie gegen Juden und Schiiten. Sie ist unvereinbar mit dem Gedanken der Völkerverständigung und zielt ferner auf die Einschüchterung der zu Feinden erklärten "Ungläubigen" (kuffar) ab. Selbst Muslime, deren Glaubensverständnis und Lebensführung von der salafistischen abweicht, werden von Salafisten oft mit dem Vorwurf konfrontiert, Ungläubige zu sein. Der größere Teil der Salafisten setzt seine Vorstellungen und Forderungen nicht mit gewaltsamen Mitteln um. Gegenüber "Ungläubigen" nimmt die Mehrzahl der Salafisten eine Position der Abgrenzung (al-bara') ein und nicht der Bekämpfung. Gleichwohl kann die salafistische Argumentationskette dazu motivieren, (vermeintliche) "Hindernisse" auf dem Weg der Zielerreichung zu bekämpfen, auch mit terroristischen Mitteln. Die Vertreter dieser Richtung werden aufgrund der inflationären Verwendung des Begriffs Jihad, mit dem sie ihre Taten "religiös legitimieren", als jihadistische Salafisten bezeichnet. Die große Mehrzahl der nach Syrien zwecks Kampfbeteiligung ausgereisten Personen ist diesem salafistischen Teilspektrum zuzurechnen. 4.2 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: 2014: ca. 1.000 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2014: ca. 30) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete "Muslimbruderschaft" markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. 63 Programmatischer Kernpunkt der "Muslimbruderschaft" ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. Als der parteipolitische Arm der Muslimbruderschaft von 2012 bis Sommer 2013 die Regierung in Ägypten dominierte, wurde die Umgestaltung des Rechtssystems entsprechend ihrer Vorstellungen konsequent vorangetrieben. Angehörige der "Muslimbruderschaft" schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch die Bildung ihrer Strukturen in Rheinland-Pfalz zu fördern. 4.3 "Milli Görüs"-Bewegung Mitglieder Bund: 2014: 31.000 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 100 (2014: ca. 360) Die "Milli Görüs"16-Bewegung geht auf den 2011 verstorbenen Politiker Necmettin Erbakan in der Türkei zurück. Die Ideologie dieser Bewegung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 16 Der Name bedeutet dem Selbstverständnis der Bewegung nach "Sichtweise der Gemeinde Abrahams/Ibrahims". 64 # Globale Heilsansprüche im Namen einer islamischen Union unter der Führung einer "neuen großen Türkei" in Anlehnung an das Osmanische Reich, # antiwestliche und antisemitische Feindbilder und Verschwörungstheorien, # Islamverständnis mit politischem und rechtlichem Geltungsanspruch. Der wichtigste Vertreter der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei ist ihr politischer Arm, die "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei"). In Deutschland wird die "Milli Görüs"-Bewegung derzeit von folgenden Organisationseinheiten vertreten: # Deutschland-Vertretung der "Saadet Partisi" zur Unterstützung der Mutterpartei in der Türkei sowie Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie, # "Erbakan-Stiftung" ("Erbakan Vakfi"). Die "Erbakan-Stiftung" erklärt die stärkere Besinnung auf die Ideen Necmettin Erbakans als ihr Hauptziel. # "Ismail Aga Cemaati" ("Ismail Aga-Gemeinschaft"), die zugleich Verbindungen zur Naqshbandiya-Bruderschaft aufweist. # "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) mit ihrer Zentrale in Kerpen, ihren 15 Regionalverbänden und ca. 320 Ortsvereinen. Die IGMG weist auch in Rheinland-Pfalz Strukturen auf, doch wird die charakteristische "Milli Görüs"-Ideologie lediglich von einem Teil ihrer Anhänger vertreten. Dies schlägt sich auf das hiesige Personenpotenzial nieder. Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung" bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. 65 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2014: ca. 50) Der "Kalifatsstaat" ist eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Die Abschiebung des Vereinsoberhauptes Metin Kaplan - von den Anhängern als "Kalif" bezeichnet - in die Türkei im Jahr 2004 und seine dortige Inhaftierung schwächten die Gruppierung zusätzlich. Allerdings können noch immer verdeckte Aktivitäten zur Aufrechterhaltung organisatorischer Zusammenhänge festgestellt werden. Darüber wird die demokratiefeindliche "Kalifatsstaat"Ideologie sowohl intern als auch unter Nutzung elektronischer Medien weiterhin propagiert. Die betriebenen Internetseiten mit den Namen "seriat" (Scharia) und "hakkhaber" ("Wahre Nachrichten") werden im Ausland gehostet und entziehen sich damit dem Vereinsverbot im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim "Kalifatsstaat" um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevölkerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz 66 findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die "Kalifatsstaat"-Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder für ideologisch verwandte Strömungen - wie den Salafismus - empfänglich zu machen. 4.5 Weitere islamistische Organisationen Zum islamistischen Personenpotenzial in Rheinland-Pfalz zählen darüber hinaus Mitglieder und Anhänger der nachstehenden Organisationen, die als solche aber lediglich am Rande und nicht öffentlichkeitswirksam in Erscheinung traten. Zu nennen sind hier insbesondere # HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung"), eine palästinensischsunnitische Organisation mit ca. 300 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland, # "Hizb Allah" ("Partei Gottes"), eine libanesisch-schiitische Organisation mit ca. 950 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland (siehe auch 3.2.5 auf S. 59), # "Türkische Hizbullah", eine tatsächlich vorwiegend kurdisch-sunnitische Organisation mit ca. 360 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland. 67 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Überblick Der nichtislamistische Ausländerextremismus ist in Rheinland-Pfalz vorwiegend von linksextremistischen und ethnisch motivierten Autonomiebestrebungen geprägt; insgesamt werden rund 600 Personen extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet. Politik, Strategie und Aktivitäten von Ausländerorganisationen in Deutschland werden maßgeblich von den Entwicklungen und Ereignissen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Deutschland dient vielen dieser in ihrem Heimatland zum Teil terroristisch agierenden Organisationen als sicherer Rückzugsraum; von hier aus werden die heimatlichen, zentralen Organisationseinheiten propagandistisch, aber auch materiell und finanziell unterstützt. Besondere Bedeutung kommt in Rheinland-Pfalz der seit 1993 in Deutschland verbotenen und seit 2002 von der EU als terroristische Organisation gelistete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu, die zur Verwirklichung ihrer Ziele im Kampf gegen den türkischen Staat fortgesetzt auf terroristische Mittel zurückgreift. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2015 eskalierte der Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der PKK. Verstärkte Kampfhandlungen von beiden Seiten führten zu einer deutlich verschärften Sicherheitslage in der Türkei. Die PKK-Anhängerschaft in Deutschland reagierte darauf mit zahlreichen Protestveranstaltungen; überwiegend Jugendliche führten Besetzungsaktionen gegen Medienanstalten und Flughäfen sowie eine Reihe von Brandanschlägen gegen türkische (halb-) staatliche Einrichtungen durch. Die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) setzten ihre Bestrebungen fort, in Sri Lanka einen separaten tamilischen Staat sozialistischer Prägung - auch unter Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes - zu errichten. 68 2. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2015 2014 Gesamt 600 600 Linksextremisten/Separatisten 500 500 Extreme Nationalisten 100 100 Angaben gerundet 3. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennungen: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel) HPG Führung in Europa: "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (KCD-E) Mitglieder/Anhänger Bund: 2014: ca. 14.000 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2014: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 Listung durch die EU als seit 2002 terroristische Organisation: Politische Ausgangslage Die von dem seit 1999 in der Türkei inhaftierten Abdullah Öcalan gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit vielen Jahren für eine erwei69 terte politische und kulturelle Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung. Die Organisation verfolgt bei der Durchsetzung ihrer Ziele weiterhin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa/Deutschland um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei und der nordirakischen Grenzregion, aber auch im Norden Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten auf die Anwendung von Gewalt. In den letzten Jahren waren zwischen PKK und türkischer Regierung wiederholt Ansätze zu einer Lösung des bestehenden Kurdenkonflikts zu beobachten. So hatte die PKK im März 2013 einen Waffenstillstand im Kampf gegen die türkische Regierung ausgerufen. Ein schon begonnener Abzug von PKKKampfeinheiten aus der Türkei scheiterte jedoch letztlich am Verhalten der türkischen Regierung, die es ablehnte, mit der PKK in konkrete Friedensverhandlungen einzutreten. Ende Februar 2015 gab es erneut einen vergeblichen Versuch von Öcalan, den militärischen Konflikt mit dem türkischen Staat auf friedlichem Wege zu beenden. Ein am 20. Juli 2015 in Suruc (Türkei) durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) erfolgter Anschlag verschärfte die Konfliktsituation in der Türkei und führte dazu, dass sowohl die türkische Regierung als auch die PKK die seit zwei Jahren geltende Waffenruhe faktisch aufkündigten. Ein weiterer Anschlag am 10. Oktober 2015 in Ankara mit 102 Toten und mehreren hundert Verletzten trug zu einer weiteren Zuspitzung der Lage bei. Der Konflikt in der Türkei führte in vielen deutschen Städten zu spontanen Protestaktionen durch PKK-Anhänger, die von Linksextremisten solidarisch unterstützt wurden. Die Aktionen verliefen trotz einer hohen Emotionalisierung sowohl unter der kurdischen Bevölkerung als auch unter den nationalistischen Türken/Deutsch-Türken weitgehend friedlich. Größere Demonstrationen mit bis zu 5.000 Teilnehmern fanden in Stuttgart, Köln, Hamburg und Berlin statt. Kleinere Aufzüge gab es u.a. auch in Mainz, Ludwigshafen 70 und Mannheim. Darüber hinaus kam es zu Gewalttätigkeiten unter überwiegend Jugendlichen aus dem türkisch geprägten und kurdischen Umfeld sowie zu Sachbeschädigungen türkischer Einrichtungen. So bekannte sich die PKKJugendorganisation "Komalen Ciwan" öffentlich zu einem Brandanschlag am 13. November 2015 auf eine DITIB-Moschee in Köln. PKK-Anhänger unterstützten deutschlandweit den Wahlkampf der prokurdischen "Demokratischen Partei der Völker" (HDP) bei den Neuwahlen des türkischen Parlaments im Juni und im November 2015 durch vielfältige Veranstaltungen und Spendensammlungen. Im Ergebnis zog die HDP mit 10,75 % der Stimmen ins türkische Parlament ein. Unverändert thematisiert die PKK die Geschichte ihres bewaffneten Kampfes, indem sie regelmäßig auch im Rahmen von Veranstaltungen oder Veröffentlichungen (z.B. in der Jugendzeitschrift "Sterka Ciwan") an die Märtyrer der Bewegung erinnert. So will man das Bewusstsein für die eigene Geschichte auch bei der jüngeren Generation wachhalten, um sie für den bewaffneten Kampf zu sensibilisieren und zu rekrutieren. Hierarchie / Organisationsstrukturen Die PKK ist eine straff organisierte Organisation und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Nach der 2013 eingeleiteten Neustrukturierung der PKK bildet der "Kongress der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (KCD-E) die PKKEuropaführung und vereinigt alle europäischen PKK-nahen Vereine unter sich. Darüber hinaus integriert er auch die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) als politischen Arm. In Deutschland unterhält die PKK fortgesetzt konspirative Organisationsformen. Es gibt die Aufgliederung in die Regionen Nord, Mitte, Südwest und Südost sowie in weitere ca. 30 Gebiete (Unterbereiche). Die Regionen/ 71 Gebiete werden von regelmäßig wechselnden PKK-Führungsfunktionären (Kadern) geleitet. Diese haben maßgeblichen Einfluss auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine bzw. Gesellschaftszentren. Als Dachverband fungiert das "Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum" (NAV-DEM), dem deutschlandweit über 40 PKK-nahe Ortsvereine angehören, darunter auch das im Januar 2015 wiedereröffnete "Demokratische Gesellschaftszentrum" (DKTM) in Mainz sowie das "Kurdische Gemeinschaftszentrum Rhein-Neckar" in Ludwigshafen. NAV-DEM koordiniert zudem auch die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen und verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften. In Rheinland-Pfalz werden ca. 450 Personen der PKK zugerechnet. Bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen wird ein deutlich größeres Personenpotenzial angesprochen. Finanzen Im Jahr 2015 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne sowie durch Sonderspenden europaweit mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Gewinne aus Feiern und Veranstaltungen. Durch die prekäre Situation in der Heimatregion konnte ein größerer Personenkreis für Spendengeldzahlungen gewonnen werden. Aktionismus Auch 2015 führte die PKK zahlreiche bundesund europaweite Propagandaaktionen durch. Nach wie vor wurden die Haftbedingungen von Ab72 dullah Öcalan, der Mord an den PKK-Aktivistinnen in Paris im Januar 2013 und die Aufhebung des PKK-Verbots thematisiert. Ab Mitte des Jahres standen vor allem die aktuell anhaltenden Auseinandersetzungen der PKK mit dem türkischen Staat im Vordergrund. Beispielhaft sind folgende Großveranstaltungen zu nennen: # 21. März 2015, Bonn, zentrales kurdisches Neujahrsfest "Newroz" unter dem Motto "Im Lichte von Kobane zur Freiheit der Völker" mit etwa 17.000 Teilnehmern, Themen waren u.a. Freiheitskampf des kurdischen Volkes, Widerstand gegen den "Islamischen Staat" (IS), Aufhebung des PKK-Verbots. # 5. September 2015, Düsseldorf, "23. Internationales Kurdisches Kulturfestival" unter dem Doppel-Motto "Freiheit für Öcalan - Status für Kurdistan" und "No Pasaran - Wir sagen NEIN zum Krieg" mit über 20.000 Personen. An den vorgenannten Veranstaltungen beteiligten sich auch zahlreiche rheinland-pfälzische PKK-Anhänger. Die PKK-Aktivitäten in Rheinland-Pfalz konzentrierten sich ansonsten auf die Regionen Mainz und Ludwigshafen/Mannheim. So fanden nach den terroristischen Anschlägen im Juli und Oktober 2015 in der Türkei am 9. September, 17. Oktober und 14. November 2015 in Mainz entsprechende Protestaktionen statt. Darüber hinaus kam es am 24. Dezember 2015 zu einer Besetzungsaktion des ZDF in Mainz-Lerchenberg, bei der die Akteure die aktuelle "Situation in Kurdistan" anprangerten. Ausblick Das Verhalten der PKK-Anhängerschaft in Europa und insbesondere in Deutschland ist stark beeinflusst durch die aktuellen Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebieten. Sollte sich die verschärfte Sicherheitslage in absehbarer Zeit nicht wieder entspannen, ist von einer erhöhten Emotionalisierung aller Beteiligten auszugehen, einhergehend mit einem gesteigerten, wahrscheinlich gewalttätigen Aktionismus, der sich in spontanen veranstaltungstypischen Straftaten vorwiegend Jugendlicher entladen könnte. 73 4. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 2014: 650 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2014: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Listung durch EU als terroristische seit 2002 Organisation: Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi") verfolgt fortgesetzt die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei und strebt die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage des MarxismusLeninismus an. Als Feindbilder der DHKP-C gelten die als "faschistisch" diffamierte Türkei und der "US-Imperialismus". Dies erklärt die in den letzten Jahren, vor allem auch 2015, zahlreich durchgeführten terroristischen Anschläge in der Türkei. So drangen am 31. März 2015 zwei bewaffnete DHKP-C-Kämpfer in das Justizgebäude in Istanbul ein und nahmen einen Staatsanwalt als Geisel. Bei dem Versuch der Polizei, die Geiselnahme zu beenden, kamen der Staatsanwalt und die beiden DHKP-C-Kämpfer ums Leben. Am 10. August 2015 gaben DHKP-C-Attentäter Schüsse auf das Gebäude des US-amerikanischen Konsulates in Istanbul ab. Bei dem anschließenden Feuergefecht mit der Polizei konnte eine Attentäterin verletzt festgenommen werden. Die wöchentlich in Deutschland erschienene DHKP-C-Zeitung "Yürüyüs", die regelmäßig über die Terroranschläge in der Türkei propagandistisch berichtete, wurde am 6. Mai 2015 in Deutschland durch das Bundesministerium des Innern verboten. 74 In Deutschland beschränkt sich die DHKP-C, unterstützt durch mehrere Umfeldorganisationen, vorwiegend auf Propagandaund Finanzierungsaktivitäten. In Rheinland-Pfalz trat sie nur marginal in Erscheinung. Ausblick: Auch in Zukunft ist in der Türkei mit weiteren terroristischen Anschlägen gegen türkische und US-amerikanische Einrichtungen zu rechnen. In Deutschland erscheint es unwahrscheinlich, dass die DHKP-C ihren Rückzugsraum durch gewaltsame Aktivitäten gefährden wird. 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: 2014: 1.000 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2014: ca. 30) Listung durch EU als terroristische seit 2006 Organisation: Bei der LTTE handelt es sich um eine nationalistisch ausgerichtete Separationsbewegung mit dem Ziel, einen unabhängigen Tamilenstaat ("Tamil Eelam") im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten Sri Lankas zu errichten. Die LTTE führte über lange Jahre einen Bürgerkrieg gegen die von Singhalesen getragene Zentralregierung Sri Lankas. 2009 wurde die LTTE militärisch besiegt, ihre Infrastruktur zerschlagen. Außerhalb Sri Lankas verfügt die Organisation jedoch weiterhin über intakte Strukturen. Ihr Ziel, einen unabhängigen Tamilenstaat zu errichten, hat sie nie aus den Augen verloren. In Deutschland wird die LTTE vom "Tamil Coordinating Commitee" (TCC) mit Sitz in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen repräsentiert. Verschiedene Tarnund Umfeldorganisationen - meist mit kulturellen oder humanitären Bezügen - unterstützen den Wiederaufbau der LTTE propagandistisch und mit finanziellen Mitteln. Im Rahmen ihrer vielfältigen europaweiten Aktivitäten werfen sie den 75 srilankischen Streitkräften permanent vor, Kriegsverbrechen an der tamilischen Zivilbevölkerung begangen zu haben. Darüber hinaus werden regelmäßig Gedenkveranstaltungen für den Kampf gefallener und als Märtyrer verehrter Persönlichkeiten durchgeführt. Beispielhaft sind zwei Großveranstaltungen am 16. März und 29. September 2015 in Genf zu nennen. In Aufzügen vor dem UN-Gebäude prangerten LTTE-Anhänger insbesondere Menschenrechtsverletzungen der früheren Regierung in Sri Lanka an. Daran anknüpfend fand am 27. November 2015 in Dortmund der alljährliche Heldengedenktag der LTTE mit rund 2.000 Teilnehmern statt. Auch die rheinland-pfälzische LTTE-Anhängerschaft beteiligte sich an den vorgenannten Veranstaltungen. Darüber hinaus führte sie eigene Aktivitäten durch, so z.B. am 26. September 2015 in Landau anlässlich des 28. Todestages des LTTE-Kaders Taleepan. 76 V. Elektronische Medien Elektronische Medien sind für alle extremistischen Erscheinungsformen in mehrfacher Hinsicht von zentraler Bedeutung. Dies ist nicht allein dem Umstand der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten geschuldet, die diese Medien gegenüber traditionellen bieten. Weite Teile des extremistischen Spektrums werden heute von Personen dominiert, die von frühester Jugend an Zugang zu elektronischen Medien haben und diese ohnehin intensiv nutzen. Die Reichweite und Reaktionsfähigkeit der sozialen Medien übersteigt dabei die der herkömmlichen Medien um ein Vielfaches. Aufgrund der mobilen Nutzung, der permanenten Verfügbarkeit des Internets, der Bedeutung sozialer Netzwerke und der verstärkten Nutzung verschiedener Instant MessengerDienste wie WhatsApp und Telegram verschmelzen Realund virtuelle Welt. Aus dem Blickwinkel der technischen Entwicklung betrachtet werden alle Möglichkeiten in Gänze ausgeschöpft. Seien es die interaktiven Funktionsund Kommunikationsmöglichkeiten des Internets nebst Bildund Tondarstellungen sowie nicht zuletzt die Methoden, um Nachrichten zu verschleiern oder zu verschlüsseln. Gerade Letzteres spielt aus Sicht der Extremisten ein tragende Rolle, um den Sicherheitsbehörden keine Ermittlungsansätze zu geben. Die Ziele, die im weitesten Sinne durch die Nutzung elektronischer Medien verfolgt werden, unterscheiden sich zum Teil nicht wesentlich von denen, wie sie allgemein üblich sind, so beispielsweise die Kommunikation, die Vernetzung oder die Speicherung von Wissen. Die eigentlichen Kernziele stehen jedoch im engen Kontext mit den jeweiligen extremistischen Bestrebungen als solchen. Sie umfassen nicht zuletzt die stete Verbreitung entsprechenden Gedankenguts (Stichworte: Agitation und Propaganda) und die Bemühungen, neue Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen und zu radikalisieren. Bezogen auf die einzelnen Phänomenbereiche ist aktuell von besonderer Relevanz: 77 Rechtsextremismus Vor allem vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik haben Rechtsextremisten ihre hierauf fokussierte Agitation mittels elektronischer Medien, so vor allem im Internet nachhaltig intensiviert. Die damit einhergehende Hetze hat an verbaler Aggressivität und an Zahl erheblich zugenommen. Hassbotschaften ("Hasspostings") sind an der Tagesordnung. Sie sollen stigmatisieren, polarisieren und radikalisieren. Auf diese Weise gezielt verbreitete Gerüchte und Desinformationen tun dabei ihr Übriges. In diesem Zusammenhang ist ein erheblicher Anstieg von Beleidigungen, Verunglimpfungen bis hin zur Volksverhetzung u.Ä. zu verzeichnen, die sich verstärkt auch gegen politische Repräsentanten richten. Signifikant ist in jüngerer Zeit ebenso das Bestreben von Rechtsextremisten, im virtuellen Raum Gleichgesinnte zu finden und zusammenzuführen, bevor es noch zu realen Kennverhältnissen kommt. Hierbei spielen Messenger-Dienste, rechtsextremistische Foren und soziale Netzwerke besondere Rollen. Die auf diese Weise generierten (zunächst) virtuellen Strukturen können naturgemäß überregional sein und führen nicht in jedem Fall zu realen, agierenden Strukturen. Es besteht allerdings die latente Gefahr einer gegenseitigen rasanten Radikalisierung, bis hin zu Planung von Gewalttaten. Linksextremismus Die Berichterstattung im Internet stellt in der linksextremistischen Szene ein wichtiges Medium zur Darstellung eigener Standpunkte, Entwicklung von Diskussionen, Veröffentlichung von Taterklärungen sowie zur Mobilisierung von Aktivisten zu regionalen und überregionalen Protestveranstaltungen in unterschiedlichen Themenzusammenhängen dar. Das Internetportal "Linksunten Indymedia" ist weiterhin die bekannteste und meist genutzte deutschsprachige Plattform für die Verbreitung linksextremistischer Inhalte im Internet. Sie bietet Aktivisten unter anderem die Möglichkeit, auch etwaig strafrechtlich relevante Inhalte anonym einzustellen. 78 Auf "Linksunten Indymedia" werden zudem Bekennerschreiben zu linksextremistisch motivierten Straftaten und umfangreiche Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen mit Bildmaterial ("Outings") veröffentlicht. Die "Outing"-Aktionen zielen darauf ab, Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und in der Öffentlichkeit anzuprangern. Islamismus Islamisten und Jihadisten nutzen die digitalen Verbreitungsund Kommunikationswege konsequent für ihre Zwecke. Darunter fallen die Verbreitung der Propaganda, die Radikalisierung und Rekrutierung ihrer Anhänger und die virtuelle Vernetzung. Die verfügbaren Dienste werden gezielt für die jeweils vorgesehene Kommunikationsformen genutzt: private Kommunikation, geschlossene Diskussionen, offizielle Stellungnahmen und medienwirksame Publikationen, hier z.B. das Online-Magazin "Dabiq" des "Islamischen Staates" (IS). In der Vergangenheit wurde überwiegend mittels offizieller jihadistischer Verlautbarungen über spezielle Internetforen, z.B. "Al-Shumukh" oder "Al-Fidaa", kommuniziert, was als Garant für eine hohe Authentizität galt/ gilt. Darüber hinaus fanden Informationsaustausch, Kommunikation und Kontaktherstellung innerhalb solch einschlägiger Foren statt, d.h. in einem begrenzten Rahmen sowie von führenden jihadistischen Online-Akteuren selbst administriert und kontrolliert. Demgegenüber eröffneten sich in jüngerer Vergangenheit mit Facebook, Twitter und Instant Messenger-Diensten erweiterte Kommunikationsräume für einen weitaus größeren Nutzerkreis. Damit wird eine Individualisierung des "Medien-Jihads" begünstigt. 79 VI. Spionageabwehr 1. Überblick Die Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz hat gemäß SS 5 Nr. 2 LVerfSchG die Aufgabe, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein prioritäres Ausspähungsziel fremder Nachrichtendienste. Dies belegt allein die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an sogenannten Legalresidenturen fremder Staaten in Deutschland. Neben dem unverzichtbaren Einsatz menschlicher Quellen zur Informationsgewinnung setzen die Nachrichtendienste fremder Staaten vermehrt auf die Sammlung elektronischer Daten, die durch die zunehmende Vernetzung offen zugänglich sind oder durch Cyberattacken illegal beschafft werden. Durch die stetig wachsende Nutzung sogenannter smarter Technologien in allen Lebensund Arbeitsbereichen verschieben sich Informationen aus der realen in die virtuelle Welt und werden zu weltweit verfügbaren und von fremden Nachrichtendiensten begehrten Daten. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Die Nachrichtendienste vieler Staaten versuchen in der Bundesrepublik durch illegale Aktivitäten an Informationen zu gelangen, um eigene Interessen durchzusetzen und Vorteile zu erlangen. Sie gehen dabei mit hohem finanziellem und 80 organisatorischem Aufwand vor. Diese Aktivitäten können aber zur Schwächung unserer eigenen nationalen Interessen führen und das Ansehen sowie die Stellung Deutschlands in der internationalen Politik schädigen. Die Spionageabwehr geht daher gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach. Ziel dieser sogenannten 360-Grad-Bearbeitung ist es, die illegalen Aktivitäten aller Staaten aufzuklären und zu verhindern. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Nachrichtendienste der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Die russischen Nachrichtendienste haben den gesetzlichen Auftrag, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung in der Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. Durch ihre Rolle im Ukrainekonflikt wurde die Russische Föderation aus der "Gruppe der Acht" (G8) ausgeschlossen und von der EU mit Sanktionen belegt. Das damit einhergehende diplomatische Informationsdefizit muss Russland auf anderem Wege ausgleichen. Zusätzlich versucht die Regierung durch den Einsatz von einflussreichen Personen bei öffentlichen Auftritten und durch gezielte Desinformation ein russlandfreundliches Bild zu zeichnen. Dazu steht der Russischen Föderation neben der offenen Beschaffung auch ein großer nachrichtendienstlicher Apparat zur Verfügung. Der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB verfügen über umfassende Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Die Befugnisse des FSB wurden zuletzt durch eine Gesetzesänderung erneut massiv ausgeweitet. Seine Rolle in der Sicherheitsarchitektur wurde damit eminent gestärkt. 81 Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt entweder direkt aus der Zentrale in Moskau oder über abgetarnte Repräsentanzen (sogenannte Legalresidenturen) innerhalb der diplomatischen Auslandsvertretungen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen, die sogenannten fünf Gifte, vor. Hierzu gehören nach Ansicht der KPCh die Angehörigen der Meditationsbewegung "Falun Gong"17, die Mitglieder der Demokratiebewegung, die Befürworter der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Uiguren und Tibeter. Chinas Nachrichtendienste sind hierbei mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"18 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt vorrangig in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Die Geheimdienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika forcieren ihre Aktivitäten gegen Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Aber auch andere Länder entfalten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland illegale geheimdienstliche Tätigkeiten: 17 Bei der "Falun Gong-Bewegung" handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung mit ihren Wurzeln in China. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt 18 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10. Juni 1999 82 Festnahme wegen mutmaßlicher Spionage Am 28. Oktober 2015 ließ die Bundesanwaltschaft aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof den 31-jährigen iranischen Staatsangehörigen Maysam P. wegen des dringenden Tatverdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) festnehmen. Neben der Wohnung des Festgenommenen wurden auch die Wohnungen von weiteren fünf Beschuldigten durchsucht. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, seit Dezember 2013 für einen iranischen Nachrichtendienst planmäßig Angehörige der militanten iranischen Oppositionsbewegung "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) ausgeforscht und seine hierbei erlangten Erkenntnisse gegen Agentenlohn an seine nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergeleitet zu haben. Die übrigen Beschuldigten sollen ebenfalls Informationen über Mitglieder dieser Oppositionsbewegung beschafft haben. 2.2 Proliferation Ein wichtiger Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes ist die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten,19 in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie sowie des dafür erforderlichen Know-hows zu gelangen. Die rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbehörde ist im Zusammenwirken mit den deutschen Sicherheitsbehörden damit befasst, einschlägige Aktivitäten und Methoden zu erkennen und zu ihrer Verhinderung beizutragen. Besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten Irans, Pakistans und Nordkoreas. Auch im Jahr 2015 waren deutsche Unternehmen, darunter Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus diesen Staaten. Die Beschaffungsversuche haben Güter betroffen, die aufgrund ausfuhrrechtlicher Restrik19 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie atomare, biologische und chemische Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. 83 tionen/bestehender UN-Embargos genehmigungspflichtig oder generell nicht genehmigungsfähig waren. Diese Güter können zum Beispiel zur Entwicklung eines staatlichen Nuklearund Trägertechnologieprogramms verwendet werden. Um die gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen zu umgehen sowie den wahren Endempfänger zu verschleiern, werden Anfragen und Lieferungen über mehrere Firmen in Drittländer20 (sogenannte Umweglieferungen) geleitet oder kleinere Firmen eigens für die Abwicklung eines einzigen Geschäfts gegründet. Auch im Jahr 2015 konnten aufgrund der bestehenden Kontakte des Verfassungsschutzes zu den rheinland-pfälzischen Unternehmen bereits im Vorfeld illegale Ausfuhren und damit einhergehende Reputationsverluste verhindert werden. Aktuelle Informationen zum Embargo gegen die Islamische Republik Iran Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte am 16. Januar 2016, dass der Iran seine wichtigsten Verpflichtungen aus der Atomvereinbarung erfüllt habe und in der Folge die E3+3 Staaten21 ihre Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufgehoben haben. Die USA haben ihre extraterritorial wirkenden Sanktionen gelockert. Der Iran kann nun wieder Öl und Gas exportieren und erhält Zugang zu seinen eingefrorenen Exporterlösen. Außerdem kann der Iran internationale Finanzkanäle nutzen.22 2.3 Wirtschaftsspionage Deutschland steht im Fokus fremder Nachrichtendienste. Die große Wirtschaftskraft mit zahlreichen innovativen Unternehmen und eine weltweite 20 Hierzu zählen u. a. die Vereinigten Arabischen Emirate, Türkei, China, Malaysia und Irak. 21 China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland sowie USA 22 Quelle: Auswärtiges Amt 84 Anerkennung deutscher Wissenschaftsund Forschungsleistungen rücken die Bundesrepublik ins Zentrum nachrichtendienstlicher Aufklärungsbestrebungen. Generell liegt der Fokus bei jeder Form von Wirtschaftsspionage23 darauf, Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen sowie bestehende Rückstände in der eigenen wissenschaftlichen bzw. technischen Entwicklung aufzuholen. Im Gegensatz zu Ländern mit Forschungsund Wirtschaftsdefiziten liegt der Ausforschungsschwerpunkt für Staaten mit einer eigenen bereits entwickelten Wirtschaft u.a. in den Bereichen der wirtschaftspolitischen Strategien und den zukünftigen sozialökonomischen Trends. Im Fokus der nachrichtendienstlichen Ausspähungsbemühungen stehen im speziellen Hochund Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaften und bei der Erschließung von zukunftsträchtigen Märkten von hoher Bedeutung sein können. Wie in den Vorjahren kam es auch im Jahr 2015 zu zahlreichen elektronischen Attacken zum Nachteil von Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmen. Zudem konnten zahlreiche Angriffe auf Behörden der Bundesund Landesebene festgestellt werden. Durch die weltweite, digitale Vernetzung und die vielfältigen Verschleierungstechniken innerhalb des Internets ist es oftmals unmöglich die Urheber der Angriffe eindeutig zu identifizieren. 23 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 85 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 1. Allgemeines Der Kernbestand des Geheimschutzes ist der Schutz von Informationen und Vorgänge, die bei unbefugter Kenntnisnahme/Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen und/oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden können. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät und unterstützt der Verfassungsschutz landesweit Behörden im vorschriftskonformen Umgang mit Verschlusssachen sowie Wirtschaftsunternehmen die mit Verschlusssachen umgehen. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse Verschlusssachen anvertraut werden, die Zugang zu Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit verschaffen könnten. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) ist die Sicherheitsüberprüfung darauf gerichtet festzustellen, ob der (vorgesehene) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten und einer prognostischen Bewertung für den Umgang mit den ihm anzuvertrauenden Verschlusssachen persönlich geeignet ist. Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die zur Aufgabenerfüllung Zugang zu Verschlusssachen erhalten und deshalb der Geheimschutzbetreuung unterliegen. 2. IT-Sicherheit/Cyber-Sicherheit Die technologische Durchdringung und Vernetzung aller Lebensund Arbeitsbereiche nimmt zu; IT-Systeme und Infrastrukturen werden immer komplexer. Aufgrund der zunehmenden Mobilität ist IT heute allgegenwärtig und zu jeder Zeit und von jedem Ort über das Internet erreichbar. 86 Während die Verletzlichkeit von Netzwerkund Bürosystemen durch zahlreiche Berichte über Hacker-Angriffe hinreichend bekannt sind, ist bisher die Tatsache weniger ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt, dass Wirtschaftsunternehmen und Behörden in noch höherem Maße von Informationsund Kommunikationstechniken abhängen, die sich mangels ausreichender Sicherheitsvorkehrungen allzu oft als anfällig für fehlerbedingte Ausfälle erweisen. Um Regierungsstellen oder Wirtschaftsunternehmen auszuforschen, bzw. deren IT-Infrastruktur zu kompromittieren, werden von einer Vielzahl fremder Nachrichtendienste elektronische Angriffe (Cyber-Angriffe) als probates Tatmittel eingesetzt. Die Methoden dieser Angriffe sind variantenreich und werden durch schnell fortschreitende Entwicklungen in der Informationsund Kommunikationstechnik immer vielseitiger. Dabei begünstigt die "Digitale Sorglosigkeit" der Anwender den Erfolg von Cyber-Angriffen. Spätestens mit der Verbreitung des Stuxnet-Virus wurde eine neue Dimension der Cyber-Attacken eingeleitet und der Öffentlichkeit ist bewußt geworden, dass "virtuelle Waffen" eine ähnlich gefährliche Wirkung wie konventionelle entwickeln können. Obwohl elektronische Angriffe primär auf die Ausforschung und Sabotage von Spitzentechnologien mit Schwerpunkt auf den Bereichen Energie-, Militärsowie Luftund Raumfahrttechnik abzielen, stellen gezielte Cyber-Angriffe für jede Branche und jedes Unternehmen eine Bedrohung dar, das vertrauliche, geschäftskritische Informationen auf IT-Systemen verarbeitet oder dessen Erfolg von der Verfügbarkeit seiner IT-Systeme abhängt. Aus dieser Entwicklung heraus ergeben sich permanent neue Herausforderungen für die ITund Cyber-Sicherheit in Deutschland und eine dynamische Gefährdungslage. Cyber-Angriffe finden täglich statt und werden zunehmend professioneller und zielgerichteter ausgeführt. Betroffen sind Bürger, Forschungseinrichtungen, staatliche Stellen, Unternehmen und Betreiber kritischer Infrastrukturen. Viele dieser Angriffe verlaufen erfolgreich, da die Angreifer über aktuelle Angriffswerkzeuge verfügen und ihre Angriffsmethoden stetig verbessern. 87 Nachrichtendienste und Hacker haben einen maßgeblichen Einfluss auf die technische Cyber-Sicherheit. Ihre Motive sind sehr unterschiedlich und können nachrichtendienstliche, wirtschaftliche oder destruktive Ziele verfolgen. Vor dem Hintergrund zunehmender IT-basierter Angriffe steht der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz als zentraler und kompetenter Ansprechpartner für Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen und Behörden in Rheinland-Pfalz mit Informationen, Sensibilisierungsmaßnahmen und Beratungsgesprächen zu Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage zur Verfügung. Vor dem Hintergrund zunehmender IT-basierter Angriffe steht der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz als zentraler und kompetenter Ansprechpartner für Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen und Behörden in Rheinland-Pfalz mit Informationen, Sensibilisierungsmaßnahmen und Beratungsgesprächen zu Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage zur Verfügung. 88 C. ANHANG I. Übersichten Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Rechtsextremismus Die Zahl politisch motivierter Straftaten - rechts - belief sich im Jahr 2015 in Rheinland-Pfalz auf 701 und stieg damit gegenüber dem Vorjahr deutlich an (2014: 521).24 Von den 701 registrierten Straftaten waren 395 sogenannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2014: 359). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) stieg auf 47 (2014: 33). In 35 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2014: 28). Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2015 2014 Gesamt 47 33 Körperverletzungen 35 29 Brand-/Sprengstoffanschläge 6 - Landfriedensbrüche 2 1 Andere Gewaltdelikte 4 3 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. 24 Die Aufklärungsquote war 2015 bezogen auf das Deliktsfeld mit rund 51 % verhältnismäßig hoch (2014: ca. 45 %). 89 I.2 Lagebild Strafund Gewalttaten Linksextremismus Insgesamt wurden 2015 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - links in Rheinland-Pfalz 73 Straftaten gezählt (2014: 54). Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2015 2014 Gesamt 16 10 Körperverletzungen 9 8 Landfriedensbruch 3 - Brand-/Sprengstoffdelikte 3 - Widerstandsdelikte 1 1 Andere Gewaltdelikte - 1 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. Dabei führten Wahlkampfveranstaltungen und Versammlungen wie z. B. am 8. Februar 2015 in Ludwigshafen am Rhein oder auch die drei Brandanschläge am 26. Juni 2015 im Zusammenhang mit der Innenministerkonferenz in Mainz zu einem anlassbezogenen Straftatenanstieg. I.3 Lagebild Strafund Gewalttaten Ausländerextremismus Insgesamt wurden 2015 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - Ausländer in Rheinland-Pfalz 36 Straftaten gezählt, davon zwei Gewalttaten (2014: 26, davon eine Gewalttat). 90 II. Register Das Register enthält die Bezeichnungen der im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2015 genannten Gruppierungen, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und aufgrund dessen als extremistisch bezeichnet werden können. Gruppierungen Seitenzahl A "Aktionsbüro Rhein-Neckar" (ABRN) 27 "Aktionsbüro Mittelrhein" (ABM) 27 "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) 69 D "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 37 "DIE RECHTE" 41 F "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) 59 H HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung") 67 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 67 I "Initiative Südwest" 26 J "Junge Nationaldemokraten" (JN) 36 K "Kalifatsstaat" 66 91 Seitenzahl "Kameradschaft Heimatschutz Donnersberg" 26 "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken" 26 "Kameradschaft Pfalzsturm" 26 "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) 28 L "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 75 "Linksunten Indymedia" 78 M "Milli Görüs"-Bewegung 64 "Muslimbruderschaft" 63 (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") N "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 28 "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" 26 O "Oldschool Society" (OSS) 22 R "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 74 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 28 T "Tauhid Germany" 58 "Türkische Hizbullah" 67 W "Weiße Wölfe Terrorcrew" (WWT) 27 92 III. Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 93 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 94 SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten 95 Teil 1 behörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung Allgemeine Bestimmungen der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Begriffsbestimmungen Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in SS2 einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzbehörde schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Ministerium des Innern und für Sport als Gebiet abzutrennen; Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Bundes oder eines Landes politisch beeinander nicht angegliedert werden. stimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen SS3 Personenzusammenschluss, der darauf gerichZusammenarbeit in Angelegenheiten des tet ist, den Bund, Länder oder deren Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demomit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten kratische Grundordnung politisch bestimmte, des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegeneinem oder für einen Personenzusammenseitiger Unterstützung und im Informationsausschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer diesem Gesetz genannten VerfassungsgrundEinrichtungen. sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einverihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unternehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutznicht in einem oder für einen Personenzusammengesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 schluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses beschädigen. Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden (2) Zur freiheitlichen demokratischen Länder zulassen. Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c Wahlen und Abstimmungen und durch besondes Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzdere Organe der Gesetzgebung, der vollzie96 henden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelZusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 barer, freier, gleicher und gehei-mer Wahl zu wähdes Grundgesetzes) gerichtet sind, len, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasTätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung sungsmäßige Ordnung und die Bindung der erfolgt durch gezielte und planmäßige vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer und Unterlagen. parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre SS6 Verantwortlichkeit gegenüber der VolksverAufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung tretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrdenen im öffentlichen Interesse geheimhalschaft und tungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang 7. die im Grundgesetz konkretisierten dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen Menschenrechte. können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Teil 2 die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, SS5 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Beobachtungsaufgaben Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen oder die Sicherheit des Bundes oder eines Fällen. Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der SS7 Verfassungsorgane des Bundes oder eines Unterrichtung der Landesregierung und der Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienst((1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Landesregierung regelmäßig und umfassend über Deutschland für eine fremde Macht, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifachlich zuständige Minister unterrichtet die tungshandlungen auswärtige Belange der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten Bundesrepublik Deutschland gefährden, und nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Ge(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach danken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten 97 bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe tendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtenfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Bediensteten, Vertrauensleuten und GewährsInteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige personen, das Anwerben und Führen gegnerischer Interesse der betroffenen Person überwiegt. Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Teil 3 Verwendung von Tarnpapieren und TarnkennBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde zeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die SS8 Zuständigkeit für die Anordnung solcher InformaAllgemeine Rechtsgrundsätze tionsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzu(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz legen. und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und die zeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlaoder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsbefugBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. nisse gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsDezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersudie Genehmigung dieser Kommission nachträglich chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoSS9 genen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung Allgemeine Befugnisse des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßund der kommunalen Gebietskörperschaften leisnahmen treffen, insbesondere Informationen einten der Verfassungsschutzbehörde für ihre schließlich personenbezogener Daten verarbeiten, Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Befugnisse besonders regeln. zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn SS 10 Besondere Befugnisse 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung und Gegenstände einschließlich technischer Mittel solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachzur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichrichtenzugänge gewonnen werden können, 98 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehsie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unvermen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verzüglich zu veranlassen. dächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu SS 10 a ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um Weitere Einzelfallbefugnisse auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall keiten für eine fremde Macht oder gewalttäbei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten tige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu gewinnen, zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanund Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände lagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer und Nachrichtenzugänge der VerfassungsAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wieoder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend gende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist oder genannten Schutzgüter vorliegen. 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und der hieraus gewonnenen Informationen bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zwingend erforderlich ist. zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Beihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordertroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich lich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 anzunehmen, wenn die Information auch aus allgegenannten Schutzgüter vorliegen. mein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stebis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unterwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltsnehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen punkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf erbringen, sowie bei denjenigen, die an der diese Weise erreicht werden kann. Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz 2 Postfächern und sonstigen Umständen des nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Postverkehrs einholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausge(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall schlossen werden kann. Lässt sich zu diesem zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsMitteilung so lange, bis eine Gefährdung des mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentaAuskünfte über Telekommunikationsverbinrischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, dungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einhoPostund Fernmeldegeheimnisses gebildete len. Die Auskünfte können auch in Bezug auf Kommission ist über die Gründe, die einer zukünftige Telekommunikation und zukünftige 99 Nutzung von Telediensten verlangt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 Telekommunikationsverbindungsdaten und bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet Standortkennungen sowie Rufnummer oder über die durchgeführten Maßnahmen nach den Kennung des anrufenden und angerufenen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen KontrollAnschlusses oder der Endeinrichtung, gremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen und Uhrzeit, Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundes3. Angaben über die Art der vom Kunden in verfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Wohnungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondedie G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufre einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, sichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des technische Mittel zur optischen und akustischen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die von Beschränkungen des Brief-, Postund FernErforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der meldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von begründen. Über den Antrag entscheidet die Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließLeiterin oder der Leiter oder die stellvertretende lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich Vertreter angeordnet ist. zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem (2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldetatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von geheimnisses gebildete Kommission über die Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 besteht. beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung Ministerin oder der fachlich zuständige Minister steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Bezug zu den in SS 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontaktoder Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz unvermeidbar betroffen werden. zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheim(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in nisses entsprechende Anwendung. Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AuskunftsAnnahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach geber nicht mitgeteilt werden. Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Über100 wachung der Wohnung allein dieser Person zur automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprewerden. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz chend erscheint. 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterSatz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der brochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungs(7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und 53 a der schutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz Strafprozessordnung geschütztes Vertrauenstechnischer Mittel anordnen; eine richterliche verhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entspreEntscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit chend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern die Anordnung des Leiters der VerfassungsschutzTatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die behörde oder seines Vertreters nicht binnen drei zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen SS 5 steht oder eine Kontaktoder Begleitperson nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu (Absatz 2 Satz 2) ist. löschen. SS 10 c (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Besondere Bestimmungen für Maßnahmen zu überwachende Wohnung und die Person, gegen nach SS 10 b die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeich(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorgestaltung oder aus Eingriffen entgegen SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokueinen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, mentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht fortbestehen. In der Begründung der Anordnung mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Daten nach SS 10 b der gerichtlichen Kontrolle Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so des Landesbeauftragten für den Datenschutz und sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen die Informationsfreiheit. Maßnahmen unverzüglich zu beenden. (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur der Abwehr von Gefahren für die öffentliche angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitaufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondeliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, re hinsichtlich der Art der überwachten Räumwenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme lichkeit und des Verhältnisses der überwachten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurech(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu untergericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsbrechen, soweit sich während der Überwachung schutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Verfahren in Familiensachen und in den AngeKernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechlegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine sprechend. 101 (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b gewonMaßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten nenen personenbezogenen Daten sind zu kennohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem zeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtsperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. zuerhalten. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem sein Vertreter kann anordnen, dass bei der ÜberJahr der Löschung folgt, zu vernichten. SS 11 Abs. 5 mittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 vergilt entsprechend. zichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungs(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht ten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit der zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßgabe, dass die Zurückstellung der BenachAnordnung bereits vor der Zustimmung getroffen richtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer Teil 4 gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, Datenverarbeitung oder SS 11 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Erhebung, Speicherung und Nutzung personennach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. bezogener Daten Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, wurden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die über1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht mittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffevon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 nen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass vorliegen, eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfordieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser derlich ist oder Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die erforderlich ist. Übermittlung ist zu protokollieren. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezo(8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks oder andere Datenträger belegbar sein. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unver(2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich lichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 102 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verardass in Akten gespeicherte personenbezogene beitet werden, wenn Daten unrichtig oder unvollständig sind. 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr wäre und erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie betroffenen Person nicht entgegenstehen. schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenDaten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werbezogenen Daten entsprechenden Akten oder den, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderVerständnis der zu speichernden Informationen lich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögVoraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. lich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffetrotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine nen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErhebungsLöschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach zweck anzugeben. Betroffene sind auf die FreiSatz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. willigkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürEinzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur persozenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 nenbezogene Daten über die Personen gespeichert und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach unterliegen oder in diese einbezogen werden. drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu berichtigen oder zu löschen sind. Zwecken der Datenschutzkontrolle, der DatenGespeicherte personenbezogene Daten über sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgeBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin erheblicher Gefährdungen der öffentlichen oder der Leiter der für den Verfassungsschutz Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern Freiheit einer Person erforderlich ist. und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Berichtigung, Löschung und Sperrung personenInteressen Betroffener erforderlich ist. bezogener Daten SS 13 (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Informationsübermittlung an die Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenVerfassungsschutzbehörde bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln 103 von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Infortigen Informationsbestände nehmen, soweit dies mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsder Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 hältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die lung personenbezogener Daten ist auf Name, öffentlichen Stellen des Landes und der kommuAnschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangenalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle hörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Veranderen ihnen bekannt gewordenen Informationen fassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu einschließlich personenbezogener Daten übermitbeschränken. teln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ÜbermittStrafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für lung für die Erfüllung der Aufgaben der VerfassungsZwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz schutzbehörde erforderlich ist. nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhalts(2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle punkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Strafihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich taten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde kommunalen Gebietskörperschaften Informationen findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Anwendung. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die SS 14 Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Informationsübermittlung durch die Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Verfassungsschutzbehörde Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentnur durch eine die Betroffenen stärker belastende liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Maßnahme erhoben werden können. ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete empfangende Stelle darf personenbezogene Daten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitVerfassungsschutzbehörde die Übermittlung persotelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes nenbezogener Informationen oder Informationsbestimmt ist. bestände von öffentlichen Stellen des Landes und (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsder kommunalen Gebietskörperschaften nur verlanschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes gen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übersicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen mitteln an Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzgegen die freiheitliche demokratische Grundordabkommens zu dem Abkommen zwischen den nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes Parteien des Nordatlantikvertrages über die oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden in der Bundesrepublik Deutschland statiooder gegen den Gedanken der Völkerverständigung nierten ausländischen Truppen vom 3. August oder das friedliche Zusammenleben der Völker 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann geändert durch Abkommen vom 18. März auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sons1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 104 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeiVoraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie behörden zur Verfolgung von StaatsschutzAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. delikten, den in SS 100 a der Strafprozess(3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf ordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des genannten Straftaten und sonstigen StrafLandes und der kommunalen Gebietskörpertaten im Rahmen der organisierten Kriminaschaften Auskunft einschließlich personenbezolität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Einstellungs-, Disziplinarund KündigungsverStraftaten sowie sonstige Straftaten, bei fahren, im Einbürgerungsverfahren und in den denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift der Täterin oder des Täters oder der Verbinvorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft dung zu einer Organisation tatsächliche muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen Stelle zwingend erforderlich sein. die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gerichtet sind, gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit dem Militärischen Abschirmdienst Informationen sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies einschließlich personenbezogener Daten. zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenzur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden bezogene Daten an ausländische Nachrichtenerheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden dienste angrenzender Staaten, an andere auslänBekämpfung der in Nummer 2 genannten dische öffentliche Stellen sowie an überund zwiStraftaten oder von Verbrechen, für deren schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher dient, Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen Stelle erforderlich ist und diese die personenmit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesonBelange der Bundesrepublik Deutschland oder dere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen BeFreiheit einer Person oder dem Schutz von troffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist Sachen von bedeutendem Wert oder der aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Gewährleistung der Sicherheit von lebensist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten peroder verteidigungswichtigen Einrichtungen im sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt Sinne des Landessicherheitsüberprüfungswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, gesetzes dienen und dies mit den Aufgaben und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbeder Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 hält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. und SS 6 vereinbar ist. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöfIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesfentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei verfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verdenn, dies ist fassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staats1. zum Schutze der freiheitlichen demokraanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den tischen Grundordnung, des Bestandes oder Polizeibehörden des Landes Informationen einder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschschließlich personenbezogener Daten unter den land oder eines ihrer Länder oder zur 105 Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder SS 16 verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Besondere Pflichten bei der Übermittlung perLandessicherheitsüberprüfungsgesetzes, sonenbezogener Daten 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses de Macht, Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherStelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich heitsgefährdenden oder geheimdienstlichen ohne Bedeutung. Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unter(2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den wanderung von Wirtschaftsunternehmen Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten perdurch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sonenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer genannten Bestrebungen oder Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu oder Vermögen einer Person erforderlich. Die vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, Übermittlung bedarf der Zustimmung der wenn die Trennung von anderen personenbezofachlich zuständigen Ministerin oder des fachgenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforlich zuständigen Ministers oder der Leiterin derlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persooder des Leiters der für den Verfassungsschutz nenbezogenen Daten zu sperren. zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf SS 17 hinzuweisen, dass die übermittelten persoMinderjährigenschutz nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übervon Minderjährigen vor Vollendung des 14. mittelt wurden, und dass die VerfassungsLebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des schutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten die Nutzung der personenbezogenen Daten Akten gespeichert werden. zu verlangen. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 SS 15 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten Übermittlungsverbote gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit Betroffenen dies erfordern, sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten erfordern, insbesondere Gründe des Quellenvon Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen schutzes, des Schutzes operativer Maßdieses Gesetzes übermittelt werden, solange die nahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt entgegenstehen oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregemehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur lungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsBedeutung erforderlich ist. pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebens106 jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Gesetzes nicht an ausländische oder überoder Informationsfreiheit wenden können. Mitteilungen zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an Betroffene SS 18 dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Auskunft an Betroffene der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zuge(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffestimmt hat. nen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für SS 19 deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Datenschutzkontrolle Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Der oder dem Landesbeauftragten für den Datennicht auf die Herkunft der Daten und auf die empschutz und die Informationsfreiheit ist auf Verlangen fangende Stelle bei Übermittlungen. Über persoZutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder nenbezogene Daten in nichtautomatisierten ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in Dateien und Akten, die nicht zur Person von alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Auffinden der personenbezogenen Daten mit angeEinzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des messenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Teil 5 Parlamentarische Kontrolle 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, SS 20 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein Parlamentarische Kontrollkommission können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Ver(1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen fassungsschutzbehörde zu befürchten ist, Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzsonst dem Wohl des Bundes oder eines behörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Landes Nachteile bereiten würde oder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkom4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung mission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausnach einer Rechtsvorschrift oder wegen der schüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlaüberwiegenden berechtigten Interessen mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Dritter geheimgehalten werden müssen. Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Abteilung des Ministeriums des Innern und für besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus Sport oder hierzu besonders Beauftragte. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontroll(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf kommission wählt eine Vorsitzende oder einen keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun(3) Die Beratungen der Parlamentarischen dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgeKontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder lehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verdas Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, pflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt 107 werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des LandesdatenAusscheiden. schutzgesetzes keine Anwendung (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine MitgliedSS 23 schaft in der Parlamentarischen KontrollkomEinschränkung von Grundrechten mission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrolldes Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für kommission ausscheidet. Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 SS 21 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung Befugnisse der Parlamentarischen für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. Kontrollkommission SS 24 (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der (Änderungsbestimmung) fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens SS 25 zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Inkrafttreten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unter(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung richtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz in Kraft. 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erfolgten Einsatz tech(2) (Aufhebungsbestimmung) nischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 108 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeit-raum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 109 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Satz und Herstellung: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Druck: Druckhaus Optiprint GmbH Der Verfassungsschutzbericht 2015 ist auch über das Internet abrufbar unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 110 MINISTERIUM DES INNERN UND FÜR SPORT Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de