MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2014 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Druck: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Der Verfassungsschutzbericht 2014 ist auch über das Internet abrufbar unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@isim.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2014 ISSN 0948-8723 1 2 Vorwort "Wer Minderheiten angreift, legt einen Sprengsatz an das Fundament unserer Gesellschaft." Diese mahnenden Worte richtete der damalige Bundespräsident Johannes Rau am 9. November 2003 anlässlich der Grundsteinlegung für die neue Münchner Synagoge und das Jüdische Zentrum an uns - sie haben seitdem weder an Bedeutung noch an Aktualität verloren, ganz im Gegenteil. Rechtsextremisten haben in jüngerer Zeit ihre Hetze gegen Minderheiten erheblich verstärkt. Dabei spielt ihnen offenkundig eine Gemengelage von diffusen Ängsten und Ressentiments in die Hände, die in Teilen der Gesellschaft wahrnehmbar ist und mitunter auch offen artikuliert wird. Die fatalen Wechselwirkungen sind unverkennbar. Rechtsextremisten sehen sich durch undifferenzierten bürgerlichen Protest gegen "Fremde" in ihren menschenverachtenden, rassistischen Grundüberzeugungen bestätigt und bestärkt. Rechtsextremistische Rädelsführer gießen demnach unvermindert Öl in das Feuer. Zudem lassen die braunen Verführer nichts unversucht, um solche Proteste für eigene Zwecke zu instrumentalisieren und um Einfluss zu nehmen. Wir alle haben noch vor Augen, welche schrecklichen Folgen Anschauungen mit sich bringen können, die allein auf Hass, Ausgrenzung und Intoleranz fußen. Es bleibt daher eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dem weiter entschieden zu begegnen. Die Landesregierung leistet ihren Beitrag - die 3 nachhaltige und stetige Bekämpfung des Rechtsextremismus ist eine Schlüsselaufgabe aller Ressorts. Auf dramatische Art und Weise haben die Terroranschläge von Paris und Kopenhagen sowie die vereitelten Anschlagsplanungen in Belgien und in Hessen in der ersten Jahreshälfte 2015 erneut verdeutlicht, welche Risiken vom internationalen islamistisch motivierten Terrorismus für die Gesellschaften inmitten Europas ausgehen. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist erklärtes Ziel terroristischer Organisationen. Zwischen gewaltverherrlichender Propaganda auf einschlägigen Internetseiten, vermehrten Ausreisen radikalisierter Islamisten in sogenannte Jihad-Gebiete wie Syrien und Irak sowie Terroraktivitäten in Europa besteht eine alarmierende Verkettung. Insoweit gilt es, Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen, den Propagandisten islamistisch begründeter Gewalt entschieden entgegenzutreten und alle rechtlich möglichen Mittel auszuschöpfen, um Ausreisen von gewaltbereiten Islamisten in Jihad-Gebiete - und damit auch ihre Rückkehr als ausgebildete Kämpfer - zu verhindern. So ernst die geschilderten Gefahren zu nehmen sind, dürfen sie nicht dazu verleiten, Muslime insgesamt für diese Ereignisse verantwortlich zu machen. Fanatiker und Terroristen repräsentieren in keiner Weise die große Mehrheit der Muslime. Lediglich 0,3 bis 0,4 % der rheinland-pfälzischen Muslime verfolgen islamistische Bestrebungen; noch geringer ist der Anteil der gewaltbereiten Islamisten. Weiterhin im Blickfeld des Verfassungsschutzes blieben Linksextremisten sowie extremistische Bestrebungen von nichtislamistischen Ausländern, soweit sie durch ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft fortwährend eine Gefährdung für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Anlass zur Sorge gibt vor allem die im Bereich Linksextremismus weiter gesunkene Hemmschwelle bei gewalttätigen Angriffen auf den politischen Gegner, insbesondere auch auf Polizeikräfte. Eine zentrale Herausforderung für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz bleibt die Spionageabwehr. Dies belegen aktuelle und zum Teil spekta- 4 kuläre Spionagefälle. Noch immer stehen Politik und Militär im Fokus fremder Nachrichtendienste, daneben richten sich die Ausspähungsbemühungen verstärkt gegen die Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Neben dem Einsatz menschlicher Quellen spielen elektronische Medien dabei eine Schlüsselrolle. Die Beratung und Sensibilisierung rheinland-pfälzischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz wird daher fortgeführt. Roger Lewentz Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur 5 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 II. Verfassungsschutzbericht 2014 12 III. Strukturdaten 13 IV. Öffentlichkeitsarbeit: Prävention durch Information 13 V. Programme gegen Rechtsextremismus 14 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 18 1. Personenpotenzial 20 2. Lagebild Strafund Gewalttaten 20 3. Rechtsextremistisches Spektrum 22 3.1 Gewaltbereiter Rechtsextremismus und 23 Rechtsterrorismus 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 25 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) 26 3.3.1 "Kameradschaften" 28 3.3.2 "Aktionsbündnisse / -büros" der Neonationalsozialisten 30 3.4 Rechtsextremistische Parteien 32 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 32 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 36 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 37 3.4.2 "Der III. Weg" 37 (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 3.4.3 "DIE REcHTE" 40 3.5 Rechtsextremistische Musik 41 3.6 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und 45 Aktionsformen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 7 II. Linksextremismus 46 1. Linksextremistisches Personenpotenzial 47 2. Lagebild Strafund Gewalttaten 47 3. Gewaltbereiter Linksextremismus 48 3.1 Autonome 48 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 50 III. Islamismus 54 1. Islamistisches Personenpotenzial 54 2. Ideologie des Islamismus 55 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des 56 jihadistischen Terrorismus 3.1 International 56 3.2 Bundesrepublik Deutschland 58 3.2.1 Reisebewegungen 58 3.2.2 Gewalteskalation bei Demonstrationen 59 mit salafistischer Beteiligung 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) 60 3.2.4 Urteil gegen "Al-Qaida"-Zelle 60 3.2.5 Verbot eines "Hizb Allah"-Spendenvereins 60 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 61 4.1 Salafistische Bestrebungen 61 4.2 "Muslimbruderschaft" 64 (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") 4.3 "Milli Görüs"-Bewegung 65 4.4 "Kalifatsstaat" 67 4.5 Weitere islamistische Organisationen 68 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische 69 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Personenpotenzial 70 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" 70 (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-c) 72 4. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 77 8 V. Spionageabwehr 80 1. Auftrag und allgemeine Lage 80 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 82 2.1 Spionage 82 2.2 Proliferation 86 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 88 2.4 Sicherheitspartnerschaft 90 VI. Geheimschutz/Sabotageschutz 92 1. Geheimschutz 92 2. IT-Geheimschutz/IT-Sicherheit 94 3. Sabotageschutz 95 C. Anhang Rechtliche Grundlagen 96 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 97 9 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes - LVerfSchG (vgl. Teil c. Anhang) u.a. Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen und wertet diese aus. Bestrebungen sind nach dem LVerfSchG ausschließlich politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder andere im Gesetz genannte Schutzgüter gerichtet sind (vgl. insb. SS 4 LVerfSchG). Nicht beobachtet und ausgewertet werden vom Verfassungsschutz demnach entsprechend motivierte Meinungsbekundungen, Einstellungen etc. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen beschränken, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) fokussierten Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind wichtige Beiträge für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz ganz vornehmlich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem selbstredend unter Wahrung des 11 Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur geheimen Informationsbeschaffung ein (z.B. Einsatz von Vertrauenspersonen). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm aus guten Gründen polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz darf auch nicht die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer umfassenden Kontrolle. Die vom Landtag eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit umfassende Kontrollrechte. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2014 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. De12 zember 2014. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Die Mitarbeiterzahl (vollzeitäquivalent) der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz betrug zum Stichtag gerundet 140 Mitarbeiter/-innen. Das Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2014 betrug 1.400.000 EUR und 600.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsarbeit: Prävention durch Information Unter der Prämisse weitmöglichster Transparenz betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit umfassend informiert. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einen wichtigen Beitrag. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen. 13 Wenn Sie an einer solchen Veranstaltung interessiert sind, nehmen Sie bitte Kontakt auf unter: Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: info.verfassungsschutz@isim.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. V. Programme gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial oder Konzertveranstaltungen werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch werden der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. 14 Prävention - viele Bausteine Repression allein trocknet den Nährboden für Rechtsextremismus nicht aus. Daher wird in Rheinland-Pfalz großer Wert auf eine dauerhafte, vielgestaltige Prävention gelegt. Die Prävention setzt früh an, etwa bei der Verbesserung von Lebenssituationen durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut. Denn Menschen in prekärer Lage gehören zu den bevorzugten Zielgruppen rechtsextremistischer Agitation. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, ihre Toleranz gefördert, damit sie die Gefahren dieser menschenverachtenden Ideologie erkennen und ihnen begegnen können. Zu den wichtigen Bausteinen der Prävention zählen zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement sowie die Festigung und Verstetigung der Integration. Dabei spielt aktuell auch die sachgerechte und umfassende Information über die Themen Asylund Flüchtlingspolitik eine hervorgehobene Rolle. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische Umtriebe abgerundet. Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 45 46 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo 15 Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinlandpfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte der Landesund Kommunalverwaltung gegen Rechtsextremismus und baut ein landesweites Präventionsnetzwerk auf. Gezielt wird auf rechtsextremistische Umtriebe hingewiesen, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch, wenn "nur" von einer abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" werden insbesondere junge Menschen über die Gefahren, die vom rechtsextremistischen Gedankengut ausgehen, aufgeklärt. Die Präventionsagentur hat auch im Jahr 2014 vor allem die Beratung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fortgeführt. Die Präventionsagentur steht Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit rechtsextremistischem Bezug in Landkreisen, Städten und Gemeinden, werden diese, auf Wunsch auch vor Ort, individuell und kompetent beraten. 16 Zum Thema Rechtsextremismus sind bislang u.a. folgende Publikationen erschienen: # Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen # Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus # Kommunen gegen Rechtsextremismus # Frauen im Rechtsextremismus # Erscheinungsformen # Extremistische Gewalt # Rechtsextremismus und Jugend # Musik im Rechtsextremismus # Intellektueller Rechtsextremismus # Weltanschauung und Ideologie im Rechtsextremismus # Erscheinungsbild junger Rechtsextremisten # "Autonome Nationalisten" (AN) # Agitation und Propaganda # "Reichsbürgerbewegung" # Geschichte des Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz 17 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus gründet auf einer zutiefst menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Weltanschauung. Im Zentrum dieser Weltanschauung steht das Trugbild einer homogenen, im rechtsextremistischen Verständnis "rassereinen Volksgemeinschaft". Ein exzessives, vielgesichtiges Feindbilddenken, übersteigerter Nationalismus und die Negation des durch das Grundgesetz festgeschriebenen Wertefundaments sind prägende Merkmale rechtsextremistischer Vorstellungen und Überzeugungen. Die Befürworter dieser im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehenden Geisteshaltung bilden nach wie vor keinen einheitlichen, geschlossenen politischen Block. Auch ist ein anhaltender Rückgang der Gesamtzahl der erkannten Rechtsextremisten zu verzeichnen. Hieraus resultiert jedoch kein Abklingen der vielfältigen Gefahrenmomente. Im Gegenteil: Ungeachtet dieses Rückgangs der Gesamtzahl der Rechtsextremisten gehen anhaltend große Gefahren insbesondere von gewaltorientierten Rechtsextremisten aus, so durch die Radikalisierung Einzelner oder kleiner Gruppen. Die Früherkennung hat insofern besondere Bedeutung. Aufmerksamkeit gilt nicht zuletzt dem strukturund ideologiearmen subkulturellen Milieu, aus dem sich trotz seit Längerem rückläufiger Mitgliederzahlen weiterhin ein beträchtlicher Teil des rechtsextremistischen Gewaltpotenzials rekrutiert. Dieses unübersichtliche Spektrum zeigt sich heute breiter gefächert - das Bild wird schon lange nicht mehr vom Typus des rechtsextremistischen Skinheads geprägt. Ungebrochen sind die durch das Medium Musik generierte integrative Kraft und die immer wieder in Militanz mündende Aktionsbereitschaft. Ebenso im besonderen Fokus des Verfassungsschutzes bleiben Neonazis. Die18 se, seien sie organisiert oder in losen, informellen Verbindungen zu finden, bilden den ideologisch besonders gefestigten wie radikalisierten harten Kern des rechtsextremistischen Spektrums. Ein kleiner Teil der Neonaziszene nutzt den Schutz des Parteienprivilegs, um zu agieren und zu agitieren. Inwieweit dies langfristig von Bestand sein wird, bleibt abzuwarten. Die in diesem Sinne umtriebige Partei "Der III. Weg", mit Sitz am Wohnort ihres Bundesvorsitzenden in Rheinland-Pfalz, hat im vergangenen Jahr nicht nur einerseits ihre Strukturen vor allem im süddeutschen Raum - wenn auch geringfügig - ausgebaut, sondern nicht zuletzt ihre fremdenfeindliche Hetze intensiviert. Unter den rechtsextremistischen Parteien selbst bleibt die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) obschon eines vielschichtigen schleichenden Bedeutungsverlusts (Stichworte: Mitgliederschwund, Misserfolge bei Wahlen, anhaltende interne Querelen) die mitgliederstärkste. Ungebrochen ist auch ihr öffentlichkeitswirksames propagandistisches und agitatorisches Wirken mit vor allem fremdenfeindlicher Zielrichtung. In dieser Hinsicht hat die NPD ungeachtet der Versuche, sich nach außen ein unverfängliches Erscheinungsbild zu geben, an ihrer betont aggressiven Grundhaltung und ihrer unmissverständlichen ideologischen Prägung nichts eingebüßt. Thematisch haben nahezu alle Rechtsextremisten das Feld Asylund Zuwanderungspolitik in den Mittelpunkt ihrer auf vielfältige Art und Weise betriebenen Agitation gerückt. Ein besonderer Fokus liegt in diesem Zusammenhang auf dem Feindbild Islam. Dabei belassen es die Rechtsextremisten nicht "nur" bei eigenen, oft kleinteiligen Aktionen wie der Verteilung von Flugschriften an Haushalte oder punktuellen Aufmärschen mit - für Rheinland-Pfalz feststellbarer - vergleichsweiser geringer Teilnehmerzahl. Die Szene versucht auch verstärkt, den intensiven gesellschaftlichen Diskurs zu Fragen wie Asyl und Integration zu instrumentalisieren und zu beeinflussen. Rechtsextremisten schüren dabei Vorurteile und Ängste. Insbesondere durch die seit Oktober 2014 in zahlreichen deutschen Städten stattfindenden "PEGIDA"-Kundgebungen ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes"), deren Teilnehmer zum Großteil dem bürgerlichen Spektrum zuzurechnen sind und deren Forderungen u.a. eine strengere Asylund kontrollierte Zuwanderungspolitik beinhalten, fühlte sich die rechtsextremistische Szene in weiten Teilen in ihrer AntiIslam-Agitation bestätigt. Allerdings sind die Versuche der Rechtsextremisten, 19 die auf den Kundgebungen geäußerte Kritik an bestimmten gesellschaftlichen Umständen in ihrem Sinne zu missbrauchen, bislang weitestgehend gescheitert. Insgesamt ist festzustellen, dass in Rheinland-Pfalz bislang keine entsprechenden "PEGIDA"-Strukturen vorhanden sind. Dies schließt nicht aus, dass derartige Demonstrationen von der Bevölkerung jedoch häufig mit "PEGIDA" in Verbindung gebracht werden. 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2014 2013 Gesamt 650 660 Gewaltbereite* 150 150 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 40 50 Neonazis 200 200 Parteien 250 290 Sonstige 160 120 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltbereiten beinhaltet vor allem das subkulturelle Potenzial und einen Teil der Neonazis. 2. Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten - rechts - belief sich im Jahr 2014 in Rheinland-Pfalz auf 521 und blieb damit annähernd auf dem Niveau des Vorjahres (2013: 525). Von den 521 registrierten Straftaten waren 360 sogenannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2013: 357). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) sank auf 32 (2013: 36). In 28 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2013: 30). Zudem wurde in Rheinland-Pfalz im Jahr 2014 ein jüdischer Friedhof geschändet, im Jahr 2013 wurden drei Fälle registriert. 20 SS 86 StGB Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (1) Wer Propagandamittel 1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist, 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, 3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder 4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (SS 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. (3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. (4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. 21 SS 86a StGB Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in SS 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (SS 11 Abs. 3) verwendet oder 2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. (2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) SS 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2014 2013 Gesamt 32 36 Körperverletzungen 28 30 Andere Gewaltdelikte 4 6 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Rechtsextremisten bilden keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block; eine "rechte Volksfront" existiert nicht. Vielmehr gibt es unterschiedliche Er22 scheinungsformen (Hauptrichtungen, Strömungen). Im Wesentlichen wird unterschieden zwischen: # subkulturellen Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Innerhalb dieser Strömungen sind verschiedene Organisationsformen (z.B. Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (feste Strukturen oder lose, informelle Zusammenschlüsse) zu beobachten. Unterschiede gibt es auch beim Verhalten der jeweiligen Rechtsextremisten (z.B. aktions-, diskursoder parlamentsorientiert) und in Bezug auf ihre ideologisch-politischen Überzeugungen und Ziele. Bei der unter 1. Personenpotenzial aufgeführten Gruppe der Gewaltbereiten handelt es sich nicht um eine eigenständige Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich vornehmlich aus subkulturellen Rechtsextremisten und Neonazis zusammensetzt. Teile der rechtsextremistischen Szene sind (u.a. bedingt) durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. 3.1 Gewaltbereiter Rechtsextremismus1 und Rechtsterrorismus Die von ausgeprägtem Feindbilddenken und zugleich diffusen Bedrohungsvorstellungen gekennzeichnete rechtsextremistische Weltanschauung bewirkt bereits aus sich heraus bei ihren Befürwortern ein erhebliches Aggressionspotenzial. Rechtsextremisten pflegen zudem ein Rollenverständnis als "politische Kämpfer" (oder "politische Soldaten"). Die Neigung, Gewalt zumindest als 1 Hiervon erfasst sind Gewalttäter und Tatverdächtige sowie Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zur Gewalt(anwendung) vorliegen. 23 Option zur Durchsetzung politischer Ziele zu betrachten oder zu erwägen, ist unter ihnen demnach erfahrungsgemäß erhöht. Die Gewalt richtet sich dabei vor allem gegen Menschen, die in die Feindbildraster der Rechtsextremisten passen. Im "Verlauf von (geordneten) Aktionen" wie Demonstrationen kommt es vergleichsweise weniger zur Begehung solcher Delikte, wohl aber immer wieder am Rande von Demonstrationen, so während der Anund Abreise. Das Potenzial gewaltbereiter Rechtsextremisten liegt in Rheinland-Pfalz bei 150 Personen. Rechtsterrorismus Mit dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 traten die Dimension und erhöhte Bedrohung zu Tage. Dabei darf nicht verkannt werden, dass sich im Laufe der Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland wiederholt rechtsterroristische Gruppen gebildet haben und auch immer wieder von Einzelpersonen schwerste Gewalttaten mit terroristischem charakter begangen worden sind, wie folgende Fälle exemplarisch verdeutlichen: # Im Jahr 1980 verübten die "Deutschen Aktionsgruppen" (DA) um den ehemaligen Rechtsanwalt Manfred Roeder mehrere Sprengstoffund Brandanschläge, die sich u.a. gegen Ausländerunterkünfte richteten. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben. # Im Jahr 1997 erschoss der militante Einzeltäter Kai Diesner in Berlin einen Buchhändler, nachdem er sich mit rechtsextremistischer Musik aufgeputscht hatte. Im Laufe der anschließenden Fahndung geriet D. in eine Polizeikontrolle und tötete einen der Beamten. # Zwischen August 2003 und Mai 2004 wurde in Brandenburg eine Serie von Brandanschlägen mit ausländerfeindlichem Hintergrund begangen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang am 7. März 2005 zwölf Jugendliche u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gem. SS 129a StGB zu teils mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt. 24 # Im Jahr 2005 verurteilte das Bayerische Oberste Landesgericht insgesamt acht Angehörige der Münchner "Kameradschaft Süd", darunter deren Anführer Martin Wiese, als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung nach SS 129a StGB zu Freiheitsstrafen. Den Verurteilten wurde u.a. die Planung eines Sprengstoffanschlags anlässlich der Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München am 9. November 2003 nachgewiesen. Es ist insbesondere der Grad der Ideologisierung und des daraus resultierenden, feindbildfixierten Hasses, die die Ausübung schwerster terroristischer Straftaten durch Einzelne begünstigt. 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Die subkulturelle rechtsextremistische Szene ist nach wie vor heterogen. Das einst über viele Jahre dominierende Erscheinungsbild, geprägt von Bomberjacke, Springerstiefel und kahlrasierten Schädeln, wird in der Öffentlichkeit nur noch selten gepflegt. Stattdessen orientiert sich die subkulturelle Szene zumeist an allgemeinen Jugendtrends. Die meisten in der subkulturellen Szene agierenden Personen verfügen über kein ausgeprägtes rechtsextremistisches Weltbild. Ideologisch orientieren sie sich in erster Linie an neonazistischem Gedankengut, was insbesondere durch die Verwendung rassistischer Symbole und Phrasen zum Ausdruck kommt. Die Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen oder politisches Handeln als solches stehen nicht im Fokus ihres Selbstverständnisses. Entscheidende Antriebsfeder der subkulturell geprägten Rechtsextremisten ist der Erlebnisfaktor in der Gruppe, wie der gemeinsame Besuch von rechtsextremistischen Konzerten, Demonstrationen oder privaten Freizeittreffen dokumentieren. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene sollen in ihrer Selbstfindungsphase für die Szene begeistert werden, indem ihnen Rückhalt innerhalb einer "verschworenen Gemeinschaft" suggeriert wird. Zudem will man durch gemeinsames Auftreten in der Gruppe das Selbstwertgefühl des Einzelnen stärken. 25 Der subkulturellen rechtsextremistischen Szene gehören überwiegend junge Männer an, in aller Regel lose strukturiert und zumeist "lediglich" regional aktiv. Sie lehnen eine Einbindung in feste Organisationsstrukturen ab. In Rheinland-Pfalz können rund 40 Personen den subkulturellen Rechtsextremisten zugerechnet werden. Diese haben vielfach persönliche Verbindungen zur Neonaziszene oder sind häufig in (gemischten) neonazistischen "Kameradschaften" organisiert. Auf regionaler Ebene lassen sich zudem aktionsbezogene Kooperationen mit der NPD beobachten, so bei öffentlichen Demonstrationen. 3.3. Neonationalsozialisten (Neonazis) Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich mit der Ideologie, den Persönlichkeiten und den Organisationen des historischen Nationalsozialismus von 1920 bis 1945. Auftreten und Symbolik der Neonaziszene sind hiervon ebenso einschlägig geprägt wie ihre Propaganda und Agitation. Die Überzeugungen und politischen Vorstellungen der Neonazis sind von Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und einem zutiefst autoritären Staatsverständnis durchdrungen. Neonazis streben im Widerspruch zur Verfassung einen ethnisch homogenen ("rassereinen"), diktatorisch gelenkten (Unrechts-) Staat an. Dabei findet nach wie vor das Modell des zentralistisch ausgerichteten "Führerstaats", wie ihn das sogenannte Dritte Reich verkörperte, breiten szeneinternen Zuspruch. Wenngleich das gesamte Neonazispektrum deutliche Bezüge zum nationalsozialistischen Gedankengut erkennen lässt, ist die Szene nicht gänzlich homogen. Sowohl in der ideologischen Prägnanz als auch strukturell lassen sich Unterschiede feststellen. Nicht alle Neonazis interpretieren beispielsweise den historischen Nationalsozialismus in gleicher Weise oder sind erklärte HitlerAnhänger. So existieren auch Befürworter "linksnationalistischer" Ideen (z.B. orientiert am historischen Gedankengut des sozialrevolutionären Flügels der frühen NSDAP). Für andere Neonazis wiederum hat die Ideologie der Nationalsozialisten insgesamt ihre grundlegende Verbindlichkeit verloren. Sie bedie26 nen sich zwar einiger aus ihrer Sicht relevanter weltanschaulicher Teilaspekte, ohne daraus aber einen zielgerichteten politischen Willen zu entwickeln. Bei solchen eher cliquenhaften neonazistischen Zusammenschlüssen stehen das Gemeinschaftserlebnis und der gemeinsame Aktionismus im Vordergrund. Kennzeichnend für die Neonaziszene bleibt ebenso eine latente Gewaltbereitschaft. Teile des Neonazispektrums werden dem rechtsextremistischen Gewaltpotenzial zugerechnet. Nicht alle dieser Aktivisten suchen allerdings in der politischen Auseinandersetzung die offene militante Konfrontation. Dem liegt in aller Regel politisch-taktisches Kalkül zugrunde und nicht eine Abkehr von der Gewalt als "Mittel zum Zweck". Strukturell fährt die Neonaziszene mehrgleisig. Weite Teile finden sich nach wie vor in eher strukturarmen Gruppierungen mit regionalem Zuschnitt wieder, wie beispielsweise "Kameradschaften" oder losen cliquen. Solche Neonazis und organisationsunabhängige Aktivisten titulieren sich u.a. als "Freie Nationalisten" oder "Freie Kräfte". Einige Neonazis orientieren sich an den neu gegründeten rechtsextremistischen Parteien "DIE REcHTE" (Gründung 2012) und "Der III. Weg" (Gründung 2013). Innerhalb der Neonaziszene zeigen sich seit dem Jahr 2003 als neue Strömung die "Autonomen Nationalisten" (AN), die heute allerdings mehr als Aktionsdenn Organisationsform zum Tragen kommt. Die AN-Akteure geben sich betont aktionistisch, modern und jugendkonform. Erscheinungsbild und Auftreten ähnelt bisweilen linksextremistischen Autonomen. Das Auftreten der AN ist aggressiv und von Gewaltbereitschaft geprägt. In Rheinland-Pfalz sind Strukturen der AN nach wie vor nicht zu erkennen. Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Rheinland-Pfalz pflegen allerdings Kontakte zu AN-Aktivisten in Nachbarländern. Die Zahl der Personen, die in Rheinland-Pfalz der Neonazi-Szene zugerechnet werden können, lag 2014 bei rund 200, von denen etwa 100 als gewaltbereit gelten. Die Neonazis in Rheinland-Pfalz sind überwiegend in sogenannten "Kameradschaften" organisiert. 27 3.3.1 "Kameradschaften" Neonazistische "Kameradschaften" sind zumeist organisationsund parteiunabhängige Gruppen mit lokalem oder regionalem Zuschnitt und Aktionsradius. Durchschnittlich kann man von einer Größenordnung zwischen fünf bis 20 Personen ausgehen; zumeist handelt es sich dabei um junge Männer. Die regionale Verankerung von "Kameradschaften" wird in der Regel durch entsprechende Selbstbezeichnungen (z.B. "Kameradschaft Zweibrücken") zum Ausdruck gebracht. Nicht hinter jeder augenfälligen Selbstbezeichnung müssen sich jedoch bereits aktionsfähige Zusammenschlüsse gebildet haben. Mitunter treten "Kameradschaften" oder vermeintlich vergleichbare Strukturen ausschließlich mit einer Internetpräsenz auf. Die szenetypisch gestalteten Seiten stehen häufig in keinem Verhältnis zu der Bedeutung oder Mitgliederzahl der entsprechenden Gruppierungen. Unter Umständen kann es sich lediglich um (zunächst) rein virtuelle Gebilde handeln, die von Einzelpersonen erstellt und gepflegt werden, um Aufmerksamkeit und ggf. Resonanz zu erzielen. Die "Kameradschaften" besitzen meist einen streng hierarchischen Aufbau, obgleich nach außen bisweilen der Anschein von losen cliquen oder privaten Freundeskreisen erweckt werden soll. Insgesamt stellen die Gruppierungen keine geschlossene, einheitliche Bewegung dar. Allerdings ist die Szene nicht zuletzt aufgrund vielerlei persönlicher Kontakte sowie durch die intensive Nutzung des Internets und anderer Kommunikationsmittel untereinander gut vernetzt. Somit können bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen oder Mahnwachen punktuell weitaus mehr Personen mobilisiert werden, als in den jeweiligen Regionen vorhanden. Entsprechende Kontakte werden im Übrigen auch zu Rechtsextremisten im Ausland gepflegt. Neonazistische "Kameradschaften" sind grundsätzlich darauf bedacht, ihre Eigenständigkeit im rechtsextremistischen Lager zu bewahren. Vordergründig grenzen sie sich daher regelmäßig von rechtsextremistischen Parteien ab, die als zu systemkonform kritisiert werden. Allerdings bestehen auch zwischen "Kameradschaften" und rechtsextremistischen Parteien mitunter enge Verbindungen oder vereinzelt sogar personelle Überschneidungen. 28 Die politische Arbeit in den "Kameradschaften" ist unterschiedlich stark ausgeprägt und hängt meist vom Engagement Einzelner ab. Interne Veranstaltungen, wie die sogenannten "Kameradschaftsabende", haben größtenteils einen eher geselligen charakter, um losgelöst von theoretischer politischer Bewusstseinsbildung in erster Linie das Gruppengefühl und den Zusammenhalt zu stärken. Die Treffen werden auch genutzt, um Aktionen wie Fahrten zu regionalen und überregionalen Demonstrationen oder rechtsextremistischen Konzerten zu planen. Regelmäßige politische Schulungen im eigentlichen Sinne werden nur selten durchgeführt. Innerhalb der rheinland-pfälzischen "Kameradschaftsszene" war 2014 ein gewisser Auflösungsprozess feststellbar, der auch Anfang 2015 noch anhielt. So können seitdem vielfach keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten mehr wahrgenommen werden. Von den "Kameradschaften" betriebene Internetseiten werden, sofern sie überhaupt noch existent sind, kaum noch gepflegt. Betroffen von dieser Entwicklung sind die im Raum Alzey angesiedelte Gruppierung "Initiative Südwest", die "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" sowie die "Kameradschaft Heimatschutz Donnersberg". "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken" Die seit 2003 bestehende "Kameradschaft" ist die derzeit erkennbar einzig aktive in Rheinland-Pfalz. Obgleich sich die Mitgliederzahl von bis zu 15 im Jahr 2013 auf mittlerweile unter 10 Personen verringert hat, zeigt die Gruppierung vor allem durch öffentliche Aktionen, teilweise auch mit Unterstützung von saarländischen "Kameraden", Präsenz in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der "Kameradschaft" stammen überwiegend aus dem Umkreis von Zweibrücken. Im März 2014 veranstaltete die "Kameradschaft" anlässlich des Jahrestags der Bombardierung Zweibrückens im Zweiten Weltkrieg einen Trauermarsch "in Gedenken an die Opfer des alliierten Bombenterrors über Deutschland und Zweibrücken" in der Zweibrücker Innenstadt. Unterstützt wurde die Veranstal29 tung von der "Kameradschaft Pfalzsturm". Durchgeführt wurde auch die sogenannte "Fahrt der Erinnerung", welche ebenfalls an die Bombardierung deutscher Städte erinnern soll. In vier Städten in Rheinland-Pfalz und im Saarland wurden hierzu "Mahnwachen" abgehalten. An den Veranstaltungen nahmen jeweils etwa 20 bis 30 Personen teil. Alle durchgeführten Veranstaltungen verliefen ohne besondere Vorkommnisse und ohne Anteilname der Bevölkerung ab. "Kameradschaft Pfalzsturm" Die "Kameradschaft Pfalzsturm" existiert seit Anfang 2013. Sie besteht aus einem kleinen Personenkreis, dessen Aktionsradius sich weitgehend auf die Region Kaiserslautern beschränkt. So wurden im Innenstadtbereich von Kaiserslautern mehrere Veranstaltungen und Kundgebungen durchgeführt. Seit Mai 2014 sind die Aktivitäten der "Kameradschaft" allerdings merklich zurückgegangen. Kontakte pflegt die "Kameradschaft Pfalzsturm" zur "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken". Dies zeigt sich u.a. in der wechselseitigen Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen oder "Mahnwachen". 3.3.2 "Aktionsbündnisse /-büros" der Neonationalsozialisten Einzelne rechtsextremistische Führungsaktivisten aus dem Neonazispektrum haben sich zu sogenannten Aktionsbündnissen oder Aktionsbüros zusammengeschlossen. Diese mitunter länderübergreifenden Netzwerkstrukturen sollen der Koordinierung von gemeinsamen Aktivitäten innerhalb der rechtsextremistischen Szene dienen und so deren Zersplitterung entgegenwirken. Darüber hinaus verfolgen sie das Ziel, die Mobilisierungsfähigkeit bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen zu verbessern. Die Mitglieder - vor allem die Funktionsträger - dieser Zusammenschlüsse unterhalten in der Regel zahlreiche und enge überregionale Kontakte zu anderen Szeneangehörigen und einschlägigen Gruppen. Als Kommunikationsplattform wird in erster Linie das Internet genutzt; über eigens dafür gestaltete Internetseiten werden neben Terminankündigungen - oft tagesaktuell - Veranstaltungsberichte nebst einschlägigem Bildund Filmmaterial verbreitet. 30 "Aktionsbüro Rhein-Neckar" (ABRN) Mit Wirkungsschwerpunkt im Dreiländereck Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz existiert seit dem Jahr 2003 das ABRN. Dessen über die Jahre hinweg unterschiedlich stark ausgeprägte Aktivitäten beruhen auf der Initiative einzelner Personen, die regionalen "Kameradschaften" oder anderen rechtsextremistischen Gruppierungen angehören. Die Gruppierungen sind dabei bewusst selbst nicht Bestandteil des "Aktionsbüros". Als Kommunikationsplattform bedient sich das ABRN einer rechtsextremistischen Internetseite, auf der über geplante und durchgeführte Aktionen berichtet wird. Auch beim ABRN konnte, ähnlich wie bei den "Kameradschaften" in RheinlandPfalz, im Jahr 2014 ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten festgestellt werden. "Aktionsbüro Mittelrhein" (ABM) Das ABM, mit Wirkungsbereich in der Rhein-Ahr-Region einschließlich des angrenzenden südlichen Nordrhein-Westfalens, wurde im Jahr 2007 gegründet. Ein als "Braunes Haus" tituliertes, von Rechtsextremisten genutztes Wohnobjekt in Bad Neuenahr-Ahrweiler, diente zugleich als überregionaler Szenetreff. Im März 2012 wurden umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen das "Aktionsbüro" eingeleitet, in deren Zuge 34 Gebäude in vier Bundesländern durchsucht wurden, darunter auch das sogenannte "Braune Haus". Vor dem Landgericht Koblenz wurde im August 2012 das Verfahren gegen 26 mutmaßliche Mitglieder des "Aktionsbüros" eröffnet. Die Anklage lautet Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB.2 Der Prozess wurde im Jahr 2014 fortgeführt. 2 Gegen vier der Angeklagten sprach das Gericht im November 2012 die ersten Urteile. Zwei von ihnen wurden zu Jugendstrafen von 21 Monaten wegen Landfriedensbruch sowie 18 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung auf Bewährung verurteilt. Zwei weitere Angeklagte wurden unter anderem wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch schuldig gesprochen, eine Jugendstrafe wurde zunächst aber nicht verhängt. 31 3.4 Rechtsextremistische Parteien 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: 2013: ca. 5.500 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 200 (2013: unter 250) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband; drei Kreisverbände Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Die NPD ist nach der Auflösung der "Deutschen Volksunion" (DVU) im Jahr 2012 die älteste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie wurde im Jahr 1964 gegründet, um das seinerzeit zersplitterte rechtsextremistische Lager zu vereinen. Damals wie heute schließt dies die Integration von Befürwortern und Anhängern der nationalsozialistischen Ideologie mit ein. Am 14. Dezember 2012 fasste der Bundesrat den Beschluss, gemäß Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz in Verbindung mit SS 13 Nr. 2 und SSSS 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zu beantragen. Die Antragsschrift wurde am 3. Dezember 2013 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und der NPD am 12. Dezember 2013 zur Stellungnahme zugeleitet. In ihrer daraufhin abgegebenen Stellungnahme vom 25. März 2014 beantragte die NPD, den Verbotsantrag als unzulässig zu verwerfen. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Ideologisch und programmatisch ist die NPD auch weiterhin von rassistischem, 32 antisemitischem und demokratiefeindlichem Gedankengut geprägt. Die freiheitliche demokratische Grundordnung unserer Verfassung wird von ihr verachtet und bekämpft. Ausdruck findet dies insbesondere in einer regelmäßig zu Tage tretenden, betont abwertenden Ausdrucksweise bezogen auf die demokratische Ordnung, verfassungsmäßige Parteien und demokratisch legitimierte Repräsentanten. Der NPD schwebt ein Staat vor, dessen Herrschaftsstruktur in letzter Konsequenz einem autoritären, hierarchischen Präsidialsystem ähnelt. Parteien, als verfassungsmäßig verbriefter Ausdruck der politischen Willensbildung und der Pluralität, spielen in diesem Staatsmodell offenkundig keine Rolle. Zudem verbindet die NPD diese Vorstellung mit der einer rassereinen, homogenen "Volksgemeinschaft" - einer Gesellschaft, die auf Ausgrenzung, Erniedrigung und letzthin Gewalt gründet. Die NPD macht keinen Hehl daraus, dass sie diese Ziele nicht zuletzt durch systematische Abschiebung aller "Fremden" erreichen will. Die rechtsextremistische Partei spricht u.a. von "Rückführung von Ausländern in die Heimatländer" und propagiert dies in einer zynischen, menschenverachtenden Weise, so nicht zuletzt durch eine intensivierte Agitation gegen Asylsuchende und die Asylpolitik. Einschlägige Stereotype und negative Emotionen weckende Phrasen (z.B. zum Schüren von Neidgefühlen) sollen dabei darauf hinwirken, den gesellschaftlichen Frieden zu stören: "KEINE WOHNUNGEN FÜR ARMUTSFLÜCHTLINGE IM JÄGERPARK!"3 "Wegen dieser regelrechten Asylflut hat die Stadt Dresden insgesamt 65 Wohnungen... angemietet. In diesen frisch renovierten Wohnungen, von denen mancher deutsche Hartz-IV-Bezieher nur träumen kann, werden die Asylbewerber dezentral untergebracht".4 Das der rechtsextremistischen Weltanschauung innewohnende exzessive Feindbilddenken findet dabei "traditionell" gegen Menschen jüdischen Glau- 3 Überschrift eines in der Publikation "Deutsche Stimme", Ausgabe Januar 2014, S. 15, abgebildeten Flugblatts. 4 Ebd., Auszug aus dem Artikel "Schluss mit der Zumutung am Jägerpark!". 33 bens oder gegen Minderheiten wie Sinti und Roma Ausdruck. In jüngerer Zeit sind aber auch Muslime verstärkt in den Fokus der Hetze geraten. Die seit der Gründungsphase der NPD zu beobachtende Feindbildfixierung gegenüber Juden (Antisemitismus) sowie gegen Sinti und Roma nährt sich in erster Linie aus rassistischen Motiven, obgleich immer wieder versucht wird, andere Motive wie beispielsweise wirtschaftliche (Schein-)Aspekte vorzuschieben. In vielerlei Hinsicht schließt die NPD dabei nahtlos an die Ideologie und die Vorgehensweisen der historischen Nationalsozialisten an. Muslime oder auch der Islam haben für die NPD - wie auch für andere Rechtsextremisten - als Feindbilder deutlich an Bedeutung gewonnen, weil man sich angesichts der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen, einhergehend mit einem hohen öffentlichen Aufmerksamkeitsgrad, von einer islamfeindlichen Agitation Zustimmung in Teilen der Bevölkerung erhofft. Menschen islamischen Glaubens werden von der NPD undifferenziert mit religiösen Eiferern oder gar religiös motivierten Gewalttätern und Terroristen gleichgesetzt. Regelmäßig werden Bedrohungsszenarien konstruiert, die in der Bevölkerung Ängste gegenüber Muslimen wachrufen sollen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: "...so weist die NPD nun schon seit Jahrzehnten darauf hin, daß infolge der überwiegend fremdkulturellen Massenzuwanderung nach Deutschland die Gefahr von multikulturellen Bürgerkriegen auf deutschem Boden besteht. Diese Warnungen sind von dem hier herrschenden Medienund Parteienkartell stets als paranoid und fremdenfeindlich motiviert zurückgewiesen worden - jetzt gehen Muslime und Kurden mit Macheten aufeinander los...".5 Organisation Nachdem am 19. Dezember 2013 der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel überraschend zurück trat, wurde am 10. Januar 2014 Udo Pastörs zum amtierenden Parteivorsitzenden gewählt. Er wurde wiederum auf dem regulären Bundesparteitag am 1. November 2014 durch den Saarländer Frank Franz als 5 Ebd., Ausgabe November 2014, S. 1 34 Bundesvorsitzender abgelöst. Die Bundesvorsitzende des "Rings Nationaler Frauen" (RNF), die rheinland-pfälzische NPD Funktionärin Ricarda Riefling, wurde zur Beisitzerin im Bundesvorstand gewählt. Organisation und Entwicklung der NPD in Rheinland-Pfalz Dem rheinland-pfälzischen Landesverband der NPD gehören mit sinkender Tendenz ca. 200 Personen an. Er untergliedert sich nach einer Reihe von in den vergangenen Jahren vorgenommenen Veränderungen (Wegfall und Zusammenlegung von Kreisverbänden, Neugründungen) in die fünf Kreisverbände Ludwigshafen/Frankenthal, Mittelrhein, Trier, Westpfalz und Worms/Mainz.6 Die Partei tritt nicht in allen Landesteilen mit gleicher Intensität in Erscheinung. Öffentliche Aktionen beschränken sich weiterhin in erster Linie auf Demonstrationen mit geringster Teilnehmerzahl und die Verteilung von Flugschriften, so insbesondere bei Wahlkämpfen, wie im Jahr 2014 anlässlich der Kommunalwahl zu beobachten war. Vergleichsweise stärker zeigte sich der öffentliche Aktionismus der NPD im Jahr 2014 in den Regionen Westpfalz und Vorderpfalz sowie in der Stadt Trier. Ein thematischer Schwerpunkt des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz war im Jahr 2014 die Asylund Zuwanderungspolitik. Entsprechend agitiert wurde u.a. anlässlich verschiedener Kundgebungen/Versammlungen, so am 1. Februar 2014 in Trier (Motto: "Nein zum Asylbetrug - Deutsche Steuergelder für deutsche Ausgaben") oder am 1. und am 22. Mai 2014 in Kaiserslautern (Mottos: "Asylbetrüger rückführen! Menschenwürdiger Wohnraum für Deutsche, statt Asylvillen für Wirtschaftsflüchtlinge" und "Stoppt den Asylwahnsinn! Unser Volk zuerst!"). Bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz am 25. Mai 2014 erlangte die NPD insgesamt fünf Mandate. Die Partei ist seitdem mit jeweils einem Mandatsträ- 6 Stand: Februar 2015 35 ger in den Stadträten Kaiserslautern (2,1 % Stimmenanteil), Ludwigshafen am Rhein (1,6 % Stimmenanteil), Pirmasens (2,0 % Stimmenanteil) und Worms (2,8 % Stimmenanteil) sowie im Kreistag Südwestpfalz (2,3 % Stimmenanteil) vertreten. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: 2013: ca. 380 Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 (2013: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: ein Stützpunkt Publikationen: Zentralorgan "Der Aktivist" erscheint unregelmäßig; in Rheinland-Pfalz keine eigene Publikation Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) sind die einzige Jugendorganisation im parteigebundenen Rechtsextremismus. Ihrer Satzung nach sind sie "integraler Bestandteil" der NPD und somit weltanschaulich und thematisch entsprechend auf Linie. Allerdings zeigen die JN eher geringes Interesse an der parlamentarischen Arbeit der NPD. Vielmehr decken die JN den "vorpolitischen Raum" ab, indem sie beispielsweise für Jugendliche Aktivitäten mit Freizeitcharakter anbieten. Zudem wirken sie als eine Art Klammer zwischen der NPD und Angehörigen der Neonaziszene. In Rheinland-Pfalz verfügen die JN weder über flächendeckende Strukturen noch über eine zahlenmäßig nennenswerte Mitgliederschaft. Der seit dem Jahr 2013 in erster Linie via Facebook-Präsenz in Erscheinung tretende landesweit einzige "JN-Stützpunkt Ahrweiler" pflegt Kontakte zu Rechtsextremisten in Nordrhein-Westfalen. 36 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der im Jahr 2006 gegründete "Ring Nationaler Frauen" (RNF) wurde 2013 formal als integraler Bestandteil der NPD in der Parteisatzung verankert. Im März 2014 wurde die stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, zur neuen RNF-Bundesvorsitzenden gewählt. In Rheinland-Pfalz sind auch im Jahr 2014 kaum öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. 3.4.2 "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: 2013: weniger als 100 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 Organisation: einzelne "Stützpunkte" Publikationen: keine (Internethomepage) Ende September 2013 wurde in Heidelberg die neue rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" gegründet7. Der Parteivorstand setzt sich überwiegend aus ehemaligen NPD-Mitgliedern neonazistischer Prägung zusammen. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Weltanschaulich lehnt sich die Partei "Der III. Weg" an das Gedankengut des historischen Nationalsozialismus an, was ihr eine neonazistische Prägung gibt. In ihrem Zehn-Punkte-Programm spricht sich die Partei für die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus" aus, parallel hierzu verbreitet sie Propagandamaterial mit der entlarvenden Parole "NATIONAL, REVOLUTIONÄR, SOZIALISTISCH".8 7 Die Partei wurde am 24. Oktober 2013 durch den Bundeswahlleiter zugelassen. 8 Hervorhebungen nicht im Original. 37 Eine stringente Ideenverbindung zur Weltanschauung der Nationalsozialisten lässt die Partei "Der III. Weg" vor allem durch die offenkundig von ihr vertretene Vorstellung einer am Rassegedanken ausgerichteten Volksgemeinschaft erkennen. Im Punkt 4 des Parteiprogramms wird unter der Überschrift "Heimat bewahren" ausgeführt: "Zur Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes sind die Überfremdung Deutschlands und der anhaltende Asylmißbrauch umgehend zu stoppen. Kriminelle sowie dauerhaft erwerbslose Ausländer sind aus Deutschland stufenweise auszuweisen". Insbesondere in Bezug auf die Frage, was letzthin unter "nationale Identität des deutschen Volkes" zu verstehen ist, wird im Punkt 7 "Umweltschutz ist Heimatschutz" konkretisiert: "Ziel der Partei DER DRITTE WEG ist die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Gesundheit."9 Organisation Nach ihrer Satzung vom 30. September 2013 hat die Partei "Der III. Weg" ihren Sitz im rheinland-pfälzischen Weidenthal, dem Wohnort ihres Bundesvorsitzenden und ehemaligen NPD-Funktionärs Klaus Armstroff.10 Getragen von der Absicht, sich bundesweit zu betätigen, gliedert sich die Partei gemäß Satzung in die Gebietsverbände Süd, West, Nord und Mitte. Bislang jedoch beschränkt sich die Partei auf die Bildung sogenannter Stützpunkte in einzelnen Regionen und verzichtet, im Gegensatz zur NPD, auf die Gründung von Landesverbänden. In Rheinland-Pfalz liegen mit zum Teil länderübergreifender Relevanz die Stützpunkte "Westerwald", "Pfalz" und "Rheinhessen". Ziele und Strategien Die Partei "Der III. Weg" verfolgt langfristig offenkundig das Ziel einer grundlegenden, im Widerspruch zum Grundgesetz stehenden Systemveränderung, wenngleich sie diesbezüglich eindeutige Aussagen vermeidet oder verschleiert. 9 Hervorhebung nicht im Original. 10 http://www.bundeswahlleiter.de/de/parteien/downloads/parteien/DER_DRITTE_WEG.pdf 38 Fernziel dürfte demnach ein Staat sein, in dessen Zentrum eine ethnisch homogene Volksgemeinschaft steht. In der Satzung der Partei heißt es z.B.: "Die Partei DER DRITTE WEG ist eine Volkspartei, die politisch die deutsche Volksherrschaft und wirtschaftlich die deutsche Volkswirtschaft anstrebt". Diese Zielsetzung läuft auf eine systematische Ausgrenzung und Entrechtung von Minderheiten hinaus. Die Partei "Der III. Weg" folgt in diesem Sinne der für Rechtsextremisten typischen Strategie, durch Stigmatisierung und einseitige Schuldzuweisungen systematisch Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Sie will auf diese Weise den gesellschaftlichen Frieden stören und die Gesellschaft langfristig destabilisieren. Konkret umgesetzt wird diese Strategie bislang durch eine Fixierung auf die Themenfelder Asyl und Zuwanderung. Agitation und Aktionismus Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die Partei "Der III. Weg" regelmäßig Artikel und Kommentierungen zu aktuellen Themen. Die Texte und gleichsam Schwerpunkte der Agitation befassen sich überwiegend mit der Asylthematik bzw. der Zuwanderung. Es werden Informationsund Werbematerialien sowie "Leitfäden" angeboten, die sich in einschlägiger Weise damit befassen. Die Partei "Der III. Weg" hat das Themenfeld "Asyl" auch in den Mittelpunkt ihrer öffentlichen Aktivitäten gesetzt. Sie initiiert(e) wiederholt Aktionen, bei denen speziell hierfür entworfene Flugblätter in großer Stückzahl verteilt werden. Dabei werden gezielt Gemeinden ausgewählt, in denen Asylbewerberunterkünfte vorhanden oder geplant sind, im Jahr 2014 vorwiegend in Rheinhessen und der Vorderpfalz. Gegen die Präsenz von Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen wird polemisiert, indem vor angeblich überwiegend negativen Folgen der Aufnahme von Asylbegehrenden und Zuwanderern "gewarnt" wird. Dies geschieht nicht zuletzt mit dem Ziel, unterschwellige subjektive Ängste zu instrumentalisieren. Hiervon verspricht man sich Solidarisierungseffekte in Teilen der Bevölkerung. 39 Ebenso wurden themenbezogenen auch 2014 wieder einzelne Veranstaltungen im Großraum Ludwigshafen am Rhein durchgeführt (z.B. in Ludwigshafen am Rhein am 18. Dezember 2014 unter dem Motto: "Überfremdung stoppen - NEIN zum Asylheim!"), mit Teilnehmerzahlen zwischen 40 und 60 Personen. Darüber hinaus nahmen Mitglieder der Partei wiederholt an überregionalen rechtsextremistischen Demonstrationen im Bundesgebiet teil, beispielsweise am 1. Mai 2014 in Plauen/Sachsen sowie an den jährlichen "Gedenkmärschen" in Wunsiedel und Remagen. Vertreter der Partei nahmen auch an einschlägigen öffentlichen Veranstaltungen rechtsextremistischer Gruppierungen im Ausland teil, wie etwa der griechischen Partei "chrysi Avgi" ("Goldene Morgenröte), der "Ungarischen Morgenröte" und Tschechischer Rechtsextremisten. Beteiligung an Wahlen Am 25. Mai 2014 nahm die Partei erstmals an einer Wahl teil und erzielte bei der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz, wo sie ausschließlich im Landkreis Bad Dürkheim antrat, 0,6 % der Stimmen. Auf dem 1. Bundesparteitag am 27. September 2014 in Thüringen wurde die Teilnahme an der Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz angekündigt. 3.4.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) Teil- / Nebenorganisation keine Mitglieder Bund: 2013: ca. 500 Mitglieder Rheinland-Pfalz: Einzelmitglieder Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Publikationen: keine (Internethomepage) 40 Die rechtsextremistische Partei "DIE REcHTE" bildete sich 2012 im Wesentlichen aus Teilen der aufgelösten "Deutschen Volksunion" (DVU). Sie steht seitdem unter der Leitung des Bundesvorsitzenden christian Worch, einem seit mehr als 30 Jahren aktiven Neonazi. Ideologisch trägt "DIE REcHTE" unverkennbar antidemokratische, fremdenfeindliche, geschichtsund gebietsrevisionistische Züge, obgleich sie diese und ihre letztendlich verfolgten Ziele sprachlich stark verschleiert. Strukturell strebt die Partei "DIE REcHTE" eine bundesweite Ausbreitung an. Mit Stand Ende 2014 verfügte sie über acht Landesverbände. Nennenswerte Aktivitäten gehen bislang fast ausschließlich vom dem von Neonazis dominierten Landesverband Nordrhein-Westfalen aus. Seit dem 28. Dezember 2013 existiert auch in Rheinland-Pfalz ein Landesverband der Partei "DIE REcHTE". Dessen erster Vorsitzender, ein Rechtsextremist aus Berlin, legte Anfang April 2014 seine Parteiämter nieder. Im weiteren Verlauf des Jahres konnten daraufhin keine Aktivitäten der Partei in RheinlandPfalz mehr festgestellt werden. Nach eigenen Angaben fand am 8. November 2014 in der Südwestpfalz ein zweiter Landesparteitag mit Neuwahl des Landesvorstandes statt. 3.5 Rechtsextremistische Musik Rechtsextremisten missbrauchen die Emotionalität entfachende Wirkung der Musik nicht zuletzt, um Interesse bei im Grunde nach unpolitischen Jugendlichen zu wecken. Sie sollen über Gemeinschaftserlebnisse wie gemeinsame Konzertbesuche Schritt für Schritt an die Szene herangeführt und schließlich integriert werden. Zudem dient die Musik dazu, Jugendliche in ihrer 41 Findungsphase mit dem einschlägigen Gedankengut vertraut zu machen, sie zu beeinflussen und schließlich zu manipulieren. In diesem Sinne nutzt die Szene alle Möglichkeiten. Regelmäßig spielen beispielsweise rechtsextremistische Bands oder Liedermacher im Rahmenprogramm von (Partei-)Veranstaltungen. Politik und Erlebnisfaktor werden auf diese Weise verbunden. Darüber hinaus entsteht eine dauerhafte Verbindung zwischen der rechtsextremistischen Musikszene als solcher und dem ansonsten organisierten Rechtsextremismus - beide Ebenen gehen quasi eine wechselseitig "gewinnbringende" Kooperation ein. Zu Zwecken der Nachwuchswerbung werden weiterhin cDs produziert und in aller Regel kostenlos verteilt (wie z.B. die Ende 2012 von der NPD-Jugendorganisation JN herausgegebene, im März 2013 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte11 cD mit dem Titel "Die Jugend für Deutschland - Die Zukunft im Blick" bzw. mit dem Titel der rheinland-pfälzischen Ausgabe "Schulhof-cD JN & Pfalz - Aktivismus - Bildung - Gemeinschaft"). Hinzu kommen cDs für bestimmte Zielgruppen wie Lehrerinnen und Lehrer, die z.B. über historische Ereignisse ganz im Sinne rechtsextremistischer Sichtweise "aufklären" sollen (z.B. die Anfang 2015 von der JN-Bundesführung nach eigenen Angaben "an Schulen in ganz Deutschland" versendete cD "Auf dem Stundenplan" mit "Ersatzmaterial für den Geschichtsunterricht").12 In der Öffentlichkeit wahrt die rechtsextremistische Musikbewegung weitgehend eine taktisch bestimmte, vordergründige Zurückhaltung, um dem Zugriff der Strafverfolgung oder einer Indizierung der Liedtexte zu entgehen. Die Pro11 Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ist zuständig für die Indizierung von Trägerund Telemedien mit jugendgefährdendem Inhalt. Rechtsgrundlage ist das Jugendschutzgesetz (JuSchG) Das Jugendschutzgesetz benennt diverse Tatbestände, die eine Jugendgefährdung begründen, darunter verrohende Gewaltdarstellungen oder das Anreizen zum Rassenhass. Die Indizierung hat nicht das generelle Verbot eines Mediums zur Folge. Sie verhindert, dass Kinder und Jugendliche mit jugendgefährdenden Medien konfrontiert werden. Zugleich geben Indizierungen Eltern und anderen Erziehenden wichtige Anhaltspunkte für die Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen. Mit der Indizierung treten verschiedene Vertriebsund Verbreitungsbeschränkungen in Kraft. Quelle: Auszug aus http://www.bundespruefstelle.de/ (aufgerufen am 25. März 2015). 12 Homepage JN Bundesvorstand (aufgerufen am 6. März 2015) 42 duzenten rechtsextremistischer Musik sind insgesamt verstärkt bemüht, zugunsten eines ungestörten Vertriebes und der Erschließung weiterer Abnehmer vorsichtig vorzugehen - Liedtexte lässt man demnach vor ihrer Veröffentlichung häufig anwaltlich prüfen. Die Texte rechtsextremistischer Bands, die abseits der öffentlichen Wahrnehmung dargeboten werden, sind allerdings alles andere als harmlos und sprechen eine deutliche Sprache des Hasses. Nicht selten erfüllen sie den Straftatbestand der Volksverhetzung; regelmäßig werden zudem einschlägige Tonträger von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Die Musikinhalte, oft stakkatoartig und betont laut vorgetragen, vermitteln regelmäßig das szenetypische exzessive Feinbilddenken. Fremdenfeindliche Aussagen sind an der Tagesordnung, wie folgendes Beispiel zeigt: "Ich bin nicht tolerant, ich mag keine Immigranten Kein Üz und Öz mit all ihren Verwandten Ich bin nicht tolerant und stehe dazu Zur Hölle mit euch und eurem Gutmenschenschmu Was ihr davon haltet ist mir scheißegal Ich bin nicht tolerant und sage es nochmal..." Band "Kommando Skin", "Nicht tolerant" auf der cD "Bis der letzte mit uns singt" Die durch solche Musik bei der Zuhörerschaft ausgelöste Emotionalisierung kann durchaus (gewünschte) Reaktionen wecken. Während einschlägiger Konzertveranstaltungen werden beispielsweise nicht selten situativ strafbare Propagandadelikte wie das Zeigen des sogenannten Hitlergrußes oder das Skandieren von verbotenen Parolen wie "Sieg heil!" begangen. Der Musikgeschmack in der rechtsextremistischen Szene ist im Laufe der Jah43 re wandlungsfähiger geworden und schließt heute mehr Stile ein. Wo früher oftmals "Hardrock" und "Hardcore" die Szene dominierten, bestimmen nun auch Stile wie "Hip Hop" das Musikgeschehen. Auch inhaltlich präsentiert sich die Szene nach außen moderner und jugendkonformer. Viele rechtsextremistische Bands variieren häufig in ihrer personellen Besetzung. So kooperieren einzelne Bandmitglieder mit anderen Bands oder Einzelpersonen und kommen zu kurzzeitigen Musikprojekten zusammen. In Rheinland-Pfalz sind im Moment zwei rechtsextremistische Bands bekannt. Neben diesen Gruppen verbreiten Solokünstler (Liedermacher) ihre Musikstücke und das damit verbundene nationalistische Gedankengut. Diese treten meist mit Gitarre und Eigenkompositionen im Rahmen von Parteiveranstaltungen auf. Bei der Planung und Durchführung von rechtsextremistischen Konzerten geht die Szene meist konspirativ vor. Über soziale Netzwerke, Mail oder Handy wird im Vorfeld nur der Veranstaltungstag und ein Sammelpunkt mitgeteilt, an welchem die Besucher die genaue Örtlichkeit erfahren. Die Szene will auf diese Weise staatlichen Maßnahmen ausweichen, um Konzertverbote zu erschweren oder zu verhindern. Bevorzugt wird deshalb die Durchführung von Veranstaltungen in Räumlichkeiten, die von Szenepersonen oder deren Angehörigen betrieben werden. In Rheinland-Pfalz fand im Jahr 2014 eine rechtsextremistische Musikveranstaltung statt (2013: drei). Hierbei handelte es sich um ein Skinheadkonzert mit rund 50 Teilnehmern in einer Gemeinde im Donnersbergkreis. Auch werden am Rande dieser Veranstaltungen szenetypische, teils indizierte Objekte (cDs, Buttons, T-Shirts etc.) angeboten. Neben rechtsextremistischen Musikveranstaltungen wird Musik auch im Internet verbreitet. Über soziale Netzwerke, Internet-Videoportale oder Internetradios können die Lieder problemlos weitergegeben werden. Die rechtsextremistische Ideologie lässt sich für die Konsumenten nicht immer auf den ersten Blick erkennen - eine Heranführung an die nationale Gesinnung erfolgt schleichend. Rechtsextremistische Musik verbindet überdies Gesinnungsgenossen im In44 und Ausland. So bestehen von Rheinland-Pfalz gute Kontakte zu Rechtsextremisten in Frankreich (Elsaß). Entsprechend werden immer wieder auch von Deutschland aus organisierte Konzerte im Nachbarland durchgeführt. 3.6 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und Aktionsformen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Wie bereits in den Vorjahren führten im November 2014 Rechtsextremisten in Remagen einen "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" durch, an dem sich etwa 140 Personen beteiligten; im Jahr 2013 waren es noch rund 250. 45 II. Linksextremismus Linksextremistische Bestrebungen zielen auf die Überwindung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung. An deren Stelle soll ein sozialistisches oder "herrschaftsfreies", anarchistisches Gesellschaftssystem errichtet werden. Revolutionär-marxistische Organisationen setzen auf traditionelle Konzepte eines langfristig ausgerichteten Klassenkampfes. Das Selbstverständnis von Anarchisten, insbesondere sogenannter Autonomer, ist von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in "herrschaftsfreien" Räumen geprägt. Die unterschiedlichen Aktionsformen von Linksextremisten reichen von offener Agitation bis hin zu massiver Gewaltanwendung. Regelmäßig beteiligen sich Linksextremisten in breiten, von nichtextremistischen gesellschaftlichen Gruppen getragenen Bündnissen, um diese im Sinne ihrer systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren. Ende 2014 zählten zur linksextremistischen Szene in Rheinland-Pfalz insgesamt 500 Personen, darunter ein Potenzial von etwa 100 Gewaltbereiten. Revolutionär-marxistische Organisationen wie beispielsweise die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) blieben in Rheinland-Pfalz erneut weitestgehend unauffällig. Autonome traten als Träger linksextremistischer Gewalt schwerpunktmäßig bei Demonstrationen und Protestaktionen gegen Aufzüge rechtsextremistischer Gruppierungen sowie bei vielfältigen "Outing"-Aktionen gegen "Nazis" auf. Durch die Anwendung von Gewalt bei bestimmten Aktionsformen wollen Autonome ihren politischen Forderungen Nachdruck verleihen. Gleichwohl wird in der Szene regelmäßig diskutiert, bis zu welchem Grad Gewalt "vermittelbar" ist oder von nicht der Szene zugehörigen Personen im Rahmen von Bündnisaktivitäten noch mitgetragen werden kann. Neben Gewalt gegen Rechtsextremisten hat sich der in den letzten Jahren erkennbare Trend gewalttätiger Angriffe auf Polizisten und staatliche Einrichtungen weiterhin verstärkt. Autonome sehen darin mittlerweile eine legale Reaktionsform und einen zentralen Bestandteil ihrer Systembekämpfung gegen "staatliche Repression". 46 Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Rheinland-Pfalz, insbesondere der Autonomen, ist der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung des Rechtsextremismus geblieben. Weiterhin herausragende Bedeutung kam dem Thema "Antirassismus" (Flüchtlingspolitik) zu, welches andere traditionelle Aktionsfelder wie "Antikapitalismus", "Antimilitarismus" und "autonome Freiräume" überlagerte. 1. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2014 2013 Gesamt 500 550 Gewaltbereite 100 100 Marxisten-Leninisten und sonstige 400 450 revolutionäre Marxisten Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2. Lagebild Strafund Gewalttaten Insgesamt wurden 2014 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - links in Rheinland-Pfalz 54 Straftaten gezählt (2013: 78). Das Niveau der verübten Gewalttat(en) ist im Vergleich zum letzten Jahr leicht gestiegen. Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: Rheinland-Pfalz 2014 2013 Gesamt 10 8 Körperverletzungen 8 4 Landfriedensbruch - 2 Brand-/Sprengstoffdelikte - 1 Widerstandsdelikte 1 1 Andere Gewaltdelikte 1 - 47 3. Gewaltbereiter Linksextremismus Gewaltbereite Linksextremisten, insbesondere die autonome Szene, beeinträchtigten auch im Jahr 2014 durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Einen aktionistischen Schwerpunkt bildete für sie die Verknüpfung des Aktionsfeldes "Antirassismus" mit der Flüchtlingspolitik und der damit verbundenen Forderung für ein Bleiberecht von Flüchtlingen. In diesem Zusammenhang kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen und Anschlägen auf staatliche oder kommunale Einrichtungen (Ausländerbehörden) sowie auf Gebäude demokratischer Parteien. Die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten in Rheinland-Pfalz ist mit ca. 100 Personen gegenüber den letzten Jahren gleich geblieben; die linksextremistisch motivierten Gewalttaten (10) im Vergleich zum Vorjahr (8) leicht gestiegen. 3.1 Autonome Autonome zielen im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" und propagieren ein Leben frei von Zwängen unter Missachtung von Normen und Autoritäten. Verdeckt operierende autonome Kleingruppen setzten ihre Anschlagsaktivitäten fort. Dabei benutzten sie in ihren Taterklärungen zum Schutz vor Strafverfolgung oftmals wechselnde oder zumindest keine ihre Identität bestimmenden Aktionsnamen ("no-name"-Militanz). Besonders auffällig war die Berliner "Gruppo Informale" (GI), die vor allem von Mai bis Juli 2014 unter gleichem Namen in Berlin in Erscheinung trat. Der GI sind zahlreiche Brandanschläge und Sachbeschädigungen, vorwiegend gegen Gebäude von Banken und Polizei sowie an deren Fahrzeugen zuzurechnen. Bislang kam es zu keiner Gefährdung von Personen. In ihren Anschlagsbekennungen bezog sich die GI auf ein breites "linkes" Themenfeld wie "Antimilitarismus", "Antirepression", "Antikapitalismus" und "Antirassismus". Die sogenannten Antideutschen nehmen im Spektrum der gewaltorientierten Linksextremisten eine Sonderrolle ein. Sie lehnen die Existenzberechtigung 48 einer deutschen Nation ab und unterstellen den Deutschen eine grundsätzliche Neigung einen nationalistischen Staat zu bilden, was letztlich zur Vernichtung anderer Ethnien führe. "Antideutsche" befürworten israelische und US-amerikanische Militäreinsätze gegen islamistische Staaten als angeblich notwendige Verteidigung gegen den "Islam-Faschismus". Damit stehen sie im Widerspruch zu traditionellen Linksextremisten, denen "Antideutsche" vorwerfen, sich aufgrund ihrer Kritik an der US-Militärpolitik einem latenten bis offenen Antisemitismus sowie Antiamerikanismus verschrieben zu haben. In Rheinland-Pfalz sind "antideutsche" (proisraelische) Positionen nur ansatzweise festzustellen. Als Reaktion auf die im Rahmen des Nahost-Konflikts am 8. Juli 2014 begonnenen israelischen Luftangriffe auf Ziele der HAMAS im Gazastreifen fanden bundesweit zum Teil gewalttätig verlaufende Demonstrationen unter Beteiligung von Linksextremisten statt. In Mainz richtete sich am 18. Juli 2014 eine vom linksextremistischen Spektrum friedlich durchgeführte proisraelische Demonstration gegen eine antiisraelische Kundgebung mit Personen überwiegend palästinensischer Herkunft. Rheinland-pfälzische Linksextremisten nahmen darüber hinaus am 4. August 2014 in Frankfurt am Main an einer Versammlung teil, um mit "Antifa"und Israel-Fahnen gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Trotz eines teilweise stark emotionalisierten Teilnehmerfeldes gelang es der Polizei, Ausschreitungen zu verhindern. Im Herbst 2014 kam es bundesweit durch mehrheitlich kurdische Volkszugehörige zu Protestaktionen gegen den Vormarsch der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und zu Solidaritätsbekundungen für die vor Ort kämpfenden kurdischen Guerillaeinheiten. Auch in Mainz, Kaiserslautern und Koblenz fanden - bei nur geringer Teilnehmerzahl - entsprechende Solidaritätsaktionen von Kurden (Anhänger/ Sympathisanten der "Arbeiterpartei Kurdistans" - PKK) statt, in die auch türkische und deutsche (gewaltorientierte) Linksextremisten involviert waren. Rheinland-pfälzische Autonome beteiligten sich an weiteren prokurdischen Solidaritätsdemonstrationen, unter anderem am 27. Juli 2014 in Stuttgart sowie am 9. August und 29. November 2014 in Frankfurt am Main. Letztgenannte 49 vom linksextremistischen Spektrum initiierte Demonstration stand unter dem Motto "Weg mit dem PKK-Verbot! - Verteidigt die Revolution in Rojava!". Besondere Aufmerksamkeit im Rahmen der Kurdistan-Solidarität erlangte die Anfang Juni 2014 in Mainz unter maßgeblicher Beteiligung von Linksextremisten gegründete "Perspektive Kurdistan", die Anfang Oktober 2014 mit zwei weiteren linksextremistischen Organisationen aus Berlin eine bundesweite Spendenkampagne "Waffen für Rojava - Solidarität mit der YPG und YPJ" zur Unterstützung kurdischer Kampfeinheiten in Syrien ins Leben rief. Am Ende des Jahres belief sich der Spendenstand auf eine EURO-Summe im mittleren fünfstelligen Bereich. 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Das Thema "Antifaschismus" hat bei den Linksextremisten (Autonomen) weiterhin einen besonderen Stellenwert. Autonome bekämpfen dabei vordergründig rechtsextremistische Bestrebungen, wollen aber gleichzeitig die als "kapitalistisches System" bezeichnete freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblichen faschistischen Wurzeln überwinden. In Verbindung mit den Kommunalund Europawahlen in Rheinland-Pfalz vom 22. bis 25. Mai 2014 kam es infolge öffentlichkeitswirksamer Aktionen rechtsextremistischer Parteien und Organisationen zu verstärkten "antifaschistischen" Gegenaktivitäten gewaltorientierter Linksextremisten. Insbesondere Autonome versuchten taktische Manöver, Wahlkampfkundgebungen, Aufmärsche und Infostände der Rechten, die grundsätzlich als Provokation empfunden werden, zu verhindern bzw. massiv zu stören. Am 1. Februar 2014 trafen in Trier im Rahmen einer Reihe von rechtsextremistischen "Mahnwachen" zwei Kleingruppen von linksund rechtsextremistischen Aktivisten aufeinander. Dabei wurde eine Person der rechten Szene leicht verletzt. 50 Gegen eine NPD-Wahlkampfveranstaltung am 1. Mai 2014 in Kaiserslautern errichteten Autonome aus Kaiserslautern, Mannheim, Ludwigshafen am Rhein und Saarbrücken eine Straßenblockade. Darüber hinaus versuchten sie in Kleingruppen immer wieder über Seitenstraßen an die Aufzugsstrecke der NPD zu gelangen. Wegen Widerstandshandlungen, Durchbrechen von Polizeiabsperrungen und einer Körperverletzung eines rechten Versammlungsteilnehmers kam es zu mehreren Festnahmen. Der NPD gelang es, bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 ein Stadtratsmandat in Worms zu erlangen. Daraufhin kam es am Abend des 26. Mai 2014 zu einer Mahnwache in der Innenstadt, an der sich auch das gewaltorientierte "Antifa"-Spektrum aus Worms, Mannheim und Ludwigshafen am Rhein beteiligte. Im Anschluss an die friedliche Mahnwache zogen Autonome vor das Wohnhaus eines NPD-Angehörigen in Worms und verteilten den Inhalt mehrerer Müllsäcke im Hof des Anwesens. In Kaiserslautern waren am 12. Juni 2014 anlässlich der Verpflichtung eines NPD-Mitgliedes für den Stadtrat autonome Szenemitglieder in Rangeleien, Beschimpfungen und Wortgefechte involviert. Eine Eskalation konnte durch das Eingreifen der Polizei verhindert werden. Wichtigstes Kommunikationsmittel der autonomen Szene ist das Internet. Dort werden - offen oder verdeckt - regelmäßig Demonstrationsaufrufe und Dokumentationen sowie auch umfangreiche Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen mit Bildmaterial ("Outings") eingestellt. "Antifa-Recherchearbeit" und "Outing"-Aktionen zielen darauf ab, Rechtsextremisten aus der Anonymität "zu holen" und in der Öffentlichkeit anzuprangern, um sie in ihrem privaten und beruflichen Umfeld zu schädigen. Das Verteilen von Flugblättern und Kundgebungen an Wohnorten oder Arbeitsstätten ("Home-Visits") stellen ein besonders konfrontatives "Outing" dar. Die aggressivste Form sind körperliche Übergriffe sowie Sachbeschädigungen an Wohnhäusern oder Fahrzeugen. 51 Antirassismus / Antirepression / Antimilitarismus / Kampf um Freiräume Linksextremisten setzten ihre demonstrativen Aktionen gegen den "kapitalistischen" Staat und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik fort. Dabei geht es gewaltorientierten Linksextremisten oftmals darum, ihre Proteste gezielt eskalieren zu lassen, um polizeiliches Einschreiten zu erzwingen und damit staatlichen Akteuren anschließend einen vermeintlich "systemimmanenten" Rassismus und "Antirepression" zu unterstellen. Um eine möglichst breite Mobilisierung zu erreichen, werden oftmals auch mehrere in ihrem Sinne für einen politischen Ansatz geeignete Arbeitsfelder wie "Antirassismus", "Antirepression", "Antimilitarismus" und "Kampf um Freiräume" miteinander verbunden. Am 8. Februar 2014 kam es in Mainz im Anschluss an eine "antirassistische" Demonstration zum Thema "Bleiberecht für Flüchtlinge" zu einer Hausbesetzung in der Mainzer Neustadt. Nachdem den Aktivisten die polizeiliche Räumung angedroht wurde, verließen sie freiwillig das Gebäude. Am nächsten Tag erfolgte unter maßgeblicher Unterstützung des autonomen Spektrums eine "Spontandemonstration gegen Polizeiwillkür". Die Demonstranten skandierten Parolen wie "Kein Tag ohne autonomes Zentrum!", "Miete verweigern, Kündigung ins Klo, Häuser besetzen sowieso!" und "Hoch die internationale Solidarität!". Am 24. Juni 2014 fanden in Mainz "antimilitaristische" Protestaktionen vor dem Landtagsgebäude im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr statt. Dazu hatte ein breites Bündnis von Friedensbewegten, darunter auch linksextremistische Parteien und Organisationen ("Deutsche Kommunistische Partei" und "Revolutionär Sozialistischer Bund") aufgerufen. Durch Schmährufe wurde das Gelöbnis massiv gestört und nach polizeilichen Verwarnungen die Gegenversammlung aufgelöst. Tags darauf fand unter Mitwirkung von Autonomen eine nicht angemeldete "Antirepressionsdemonstration gegen Polizeiwillkür" statt. Auffällig war ein Transparent mit der Aufschrift "Gegen den reaktionären Vormarsch den antifaschistischen Kampf führen!". Drei Tage später beteiligte sich in Mainz das autonome Spektrum erneut an 52 einer nicht angemeldeten "antirassistischen" Solidaritätsdemonstration für das Bleiberecht von Flüchtlingen. Bilder dazu wurden im Internet veröffentlicht, ergänzt mit dem Slogan "Wir bleiben dran, denn Ausschlafen gibt's erst im Kommunismus". Antikapitalismus Im Rahmen von bundesweiten Aktionstagen zum Thema "Blockupy" fand am Abend des 16. Mai 2014 in Mainz eine Demonstration unter dem Motto "Nationalismus ist keine Alternative! Grenzenlose Solidarität statt Troika und Rechtspopulismus!" statt, zu der auch das gewaltorientierte linksextremistische Spektrum Mainz/Wiesbaden aufgerufen hatte. Neben Redebeiträgen gegen Kapitalismus wurden politische Parolen skandiert und Fahnen der "Antifaschistischen Aktion" mitgeführt. Vom 20. bis 23. November 2014 wurde in Frankfurt am Main ein "BlockupyFestival" zur Vorbereitung der Proteste gegen die Feierlichkeiten anlässlich der für den 18. März 2015 geplanten Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgeführt. Im Mittelpunkt stand eine Demonstration am 22. November 2014 zum EZB-Neubau in Frankfurt am Main, an der sich verstärkt Linksextremisten verschiedener couleur beteiligten, darunter auch Aktivisten aus Rheinland-Pfalz. Anschließend versuchten gewaltbereite Demonstrationsteilnehmer auf das EZB-Gelände vorzudringen. Polizeikräfte wurden tätlich angegriffen und Sachbeschädigungen an der Fassade des Gebäudes verübt. Neun Polizeibeamte trugen Verletzungen davon. 53 III. Islamismus Das Jahr 2014 war durch einschneidende Ereignisse im Ausland geprägt, die sich im Jahresverlauf bis nach Deutschland auswirkten. Mit der gewaltsamen Expansion der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS), die zur Jahresmitte ein Kalifat13 ausrief, erreichte der Krieg in Syrien und Teilen des Irak eine neue Eskalationsstufe. Zugleich verliehen die Gründung und Propaganda des IS der internationalen Jihad-Bewegung eine zusätzliche Schubkraft. ca. 680 Islamisten reisten mittlerweile allein aus Deutschland in die Kriegsregion, zwölf davon aus Rheinland-Pfalz (Stand: 21. April 2015). Ein Teil der ausgereisten Personen schloss sich dort dem bewaffneten Kampf an. Parallel hierzu erhielt die salafistische Bewegung in Deutschland und in Rheinland-Pfalz erneut weiteren Zulauf. Beim Salafismus handelt es sich um eine besonders rigide und in Teilbereichen gewaltorientierte Form des Islamismus. Neben diesen Entwicklungen, die perspektivisch eine konkrete Sicherheitsgefährdung für Deutschland darstellen können, stehen auch die Aktivitäten gewaltfrei-islamistischer Organisationen im Blickfeld des Verfassungsschutzes. Unter Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit fordern sie zur Durchsetzung ihrer Interessen politische und gesellschaftliche Mitbestimmung ein, halten zugleich aber an ihrer extremistischen Ideologie fest. 1. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2014 2013 Islamisten Gesamt 610 845 Angaben gerundet Wenngleich sich das islamistische Gesamtpersonenpotenzial in RheinlandPfalz verringerte, so ist doch darauf hinzuweisen, dass innerhalb dieses Spektrums das gefährdungsrelevante Personenpotenzial zunahm. Bei den 13 Traditionelle Herrschaftsinstitution mit Jahrhunderte langem Bestand im muslimischen Raum (bis 1924). Titel des Amtsträgers: Kalif. 54 gefährdungsrelevanten Personen handelt es sich mehrheitlich um Salafisten in einem fortgeschrittenen Stadium der Radikalisierung (S. 61-63). Während die Zahl der Salafisten, auch der gewaltbereiten unter ihnen, stieg, war 2014 im Bereich der "Milli Görüs"-Bewegung sowohl ein zahlenmäßiger Rückgang von IGMG-Ortsvereinen als auch von Anhängern der extremistischen "Milli Görüs"-Ideologie festzustellen (S. 65-66). 2. Ideologie des Islamismus charakteristisch für den Islamismus ist die Erhebung einer Religion - in diesem Fall des Islam - zu einem politischen Programm. Kernpunkt des Programms ist die Forderung nach Durchsetzung des islamischen Rechts (Scharia) in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Dieses Ziel verfolgen Islamisten insbesondere in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern, während sie für Deutschland eher Freiräume für eine Scharia-konforme Paralleljustiz anstreben. Eine zweite Komponente der islamistischen Ideologie ist die stete Bewertung von politischen und gesellschaftlichen Vorgängen nach dem Kriterium der Religionszugehörigkeit. Zentral für die islamistische Perspektive ist die Aufteilung der Weltbevölkerung in Muslime und Nichtmuslime. Diese Aufteilung geht mit kollektiven Rollenzuweisungen einher. Demnach sind Muslime nahezu weltweit Opfer von Gewalt und Diskriminierung, Nichtmuslime die Verursacher. Eine sehr viel komplexere Realität ausblendend, präsentieren Islamisten diese These als unumstößliche Wahrheit. Mit pauschalen Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien tragen sie bei einem Teil ihrer eigenen Glaubensangehörigen zur Verinnerlichung von Feindbildern bei. Hieraus entstehen bei einer Minderheit Radikalisierungsprozesse, im Extremfall bis hin zum Wunsch nach Vergeltung und zur Beteiligung an einem gewaltsam geführten Jihad gegen die "Feinde des Islam". Das ursprünglich weite Bedeutungsspektrum des arabischen Begriffs Jihad, das von der Bemühung des Einzelnen um eine islamische Lebensführung (sogenannter Großer Jihad) bis zum Einsatz für den Islam - seine Verteidigung ebenso wie seine Verbreitung (sogenannter Kleiner Jihad) - reicht, wird von gewaltbereiten Islamisten auf den militanten Aspekt verengt. Mehr noch, der kämpferische Jihad wird als Terror fehlgedeutet und entsprechend praktiziert. Aufgrund des zentralen 55 Stellenwerts, den sie dem Jihad in diesem Sinne beimessen, werden sie als Jihadisten bezeichnet, das Phänomen als Jihadismus bzw. jihadistischer Terrorismus. 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des jihadistischen Terrorismus 3.1 International Der jihadistische Terrorismus setzt sich international aus einer Vielzahl von Organisationen zusammen, deren Hauptvertreter die folgenden sind: # "Islamischer Staat" (IS), insbesondere im Irak und Syrien, # "Al-Qaida" und ihre Regionalorganisationen insbesondere auf der arabischen Halbinsel, im Maghreb (Sahara und Sahelzone) und in Syrien, # "Boko Haram" in Nigeria, # "Al-Shabab" in Somalia und Kenia. 2014 war im Bereich des internationalen Terrorismus ein einschneidendes Jahr. Die Terrororganisation "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) rief am 29. Juni 2014 ein Kalifat aus und nennt sich seither "Islamischer Staat" (IS). Der IS unterstreicht mit der Namensänderung seinen Anspruch, über nationalstaatliche Grenzen hinaus zu herrschen. Bei einem Teil der Islamisten weckt der IS die Hoffnung auf Wiedererrichtung eines mächtigen islamischen Großreiches unter der Führung eines Kalifen. Zugleich reklamiert der IS die Führungsrolle im weltweiten Jihad für sich. Dies führte zu einem Bruch mit "Al-Qaida" und zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der "Al-Qaida"-Regionalorganisation in Syrien namens "Jabhat al-Nusra" ("Unterstützungsfront"). Im Jahresverlauf eroberte der IS große Gebiete Syriens und des Irak. Dabei ging er mit exzessiver Gewalt gegen Andersgläubige wie Jesiden, christen, Schiiten sowie gegen ausländische Journalisten und Entwicklungshelfer vor. Auch sunnitische Muslime, die sich dem IS nicht unterstellten oder sich ihm 56 entgegenstellten, wurden Opfer grausamster Strafaktionen. Der IS betreibt eine umfangreiche, aber zugleich dezentral organisierte Propagandaarbeit. Die Selbstdarstellung weist zwei sich gegenseitig ergänzende Komponenten auf. Als Mittel der Anziehung innerhalb der weltweiten muslimischen Gemeinschaft dienen hierbei visuelle und textliche Darstellungen, wonach der IS ein islamisches Staatswesen mit einem Staatsgebiet, einer Staatsgewalt und staatlichen Leistungen für sein Staatsvolk verkörpere. An seine Feinde gerichtet, veröffentlicht der IS wiederum als Mittel der Abschreckung Videos von Hinrichtungen und Anschlägen, die als "Märtyreroperationen" deklariert werden. In der Ausgabe des Online-Magazins "Dabiq" vom 12. Oktober 2014 ruft der IS zur Unterstützung des Kalifats durch Anschläge in allen Staaten auf, die eine Allianz gegen den IS gebildet haben. Hierbei werden die USA, Großbritannien, Frankreich, Australien und erstmals auch die Bundesrepublik Deutschland genannt. Anschlagsdrohungen gegen westliche Staaten sind daneben regelmäßig im englischsprachigen Online-Magazin "Inspire" von "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" enthalten, so auch in den Ausgaben Nr. 12 und Nr. 13 aus dem Jahr 2014. "Inspire" veröffentlicht zugleich Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und schildert unterschiedliche Formen der Anschlagsbegehung. Die Anschlagsdrohungen werden von Mitgliedern der genannten Organisationen sowie radikalisierten Einzelakteuren vermehrt in die Tat umgesetzt. Am 15. Dezember 2014 kam es im australischen Sydney zu einem Überfall auf ein cafe mit zwei getöteten Geiseln. Am 7. Januar 2015 stürmten zwei Attentäter die Redaktionsräume des Satiremagazins "charlie Hebdo" in der französischen Hauptstadt und töteten zwölf Personen. Die Tat stellte eine Vergeltungsaktion für wiederholte islamkritische Zeichnungen und Beiträge des Magazins dar. In einem Video auf dem offiziellen Twitter-Kanal von "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" übernahm der Militärkommandeur im Namen der Organisation die Verantwortung für den Anschlag. Am 9. Januar 2015 nahm ein dritter, sich zum IS bekennender Attentäter in einem jüdischen Lebensmittelgeschäft in Paris mehrere Geiseln, von denen vier getötet wurden. 57 Am 15. Januar 2015 und damit nur wenige Tage nach den Angriffen in Paris fand in der belgischen Stadt Verviers ein Anti-Terror-Einsatz statt, der sich gegen eine Terrorzelle richtete. Die teils aus Syrien-Rückkehrern bestehende Gruppe soll großangelegte Anschläge in Belgien vorbereitet haben. Einen Monat später, am 14. und 15. Februar 2015, war die dänische Hauptstadt Kopenhagen Schauplatz von zwei terroristischen Angriffen. Bei ihnen wurden ein Zivilist vor einem Kulturzentrum sowie ein Wachmann vor einer Synagoge getötet. Mit dem IS ist ein Akteur herangewachsen, der "Al-Qaida" die bisherige Führungsrolle in der internationalen "Jihad-Bewegung" streitig macht, sowohl im Hinblick auf seine Schlagkraft als auch die propagandistische Wirkung im jihadistischen Personenspektrum. Diese Rivalität kann beide Organisationen zusätzlich motivieren, durch groß angelegte Anschläge den Anspruch auf die Führungsrolle zu reklamieren. Ferner streben beide Organisationen eine territoriale Expansion an, auch durch den Anschluss regionaler Organisationen. Im März 2015 erklärte die Terrormiliz "Boko Haram" ("Bücher sind verboten") ihre Loyalität gegenüber dem IS. Seit Jahren überzieht "Boko Haram" den westafrikanischen Staat Nigeria, hierbei insbesondere die nordöstlichen Landesteile, mit Sprengstoffanschlägen sowie Angriffen auf Polizeistationen, Kirchen, Moscheen und ganze Dörfer. Die Massenentführung von Schülerinnen im April 2014 löste weit über die Landesgrenzen hinaus Entsetzen aus. Der Terror von "Boko Haram" greift inzwischen auch auf einige Nachbarstaaten über. 3.2 Bundesrepublik Deutschland 3.2.1 Reisebewegungen Die hiesigen Entwicklungen im Jihadismus-Bereich sind von den Ereignissen in der Nahostregion nicht zu trennen. ca. 680 Islamisten reisten seit 2012 in das Bürgerkriegsland Syrien aus, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen (Stand: 21. April 2015). Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufge58 halten haben. Darüber hinaus ist bekannt, dass sich Islamisten aus Deutschland von Syrien in den Irak begeben haben, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Ungefähr ein Drittel der ausgereisten Islamisten kehrte zwischenzeitlich nach Deutschland zurück, weitere werden voraussichtlich folgen. Ähnlich wie bei den um 1990 aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückgekehrten Kämpfern (Mujahidin) besteht auch bei den Syrien-Rückkehrern die potenzielle Gefahr, dass sie # ihrer Kampfgruppe verbunden bleiben, # eventuell gar in ihrem Auftrag sowie unter Nutzung der vor Ort erworbenen Fähigkeiten Aktivitäten bis hin zu einem Terroranschlag ausüben, # in islamistischen Kreisen als Vorbilder angesehen werden und Andere zu ähnlichen "Jihad"-Aktivitäten motivieren bzw. rekrutieren. Wie real diese Gefahr ist, wurde 2014 zwar nicht in Deutschland, aber im Nachbarland Belgien deutlich. Am 24. Mai 2014 verübte ein aus Frankreich stammender Syrien-Rückkehrer einen Anschlag auf das Jüdische Museum von Belgien in Brüssel und tötete vier Menschen. Dieser Fall verdeutlicht auch, dass rückkehrende Jihadisten die offenen Grenzen des Schengen-Raums für ihre Zwecke missbrauchen. Insoweit stellen nicht allein aus Deutschland stammende "Jihad-Rückkehrer" eine Gefahr dar, sondern auch solche aus anderen Staaten, denen die Wiedereinreise in den Schengen-Raum gelingt. 3.2.2 Gewalteskalation bei Demonstrationen mit salafistischer Beteiligung Der Vormarsch des IS in Syrien und im Irak führte im Jahresverlauf auch hierzulande zu einer Emotionalisierung und zu Konflikten. Vor dem Hintergrund der massiven Gewalt an der kurdisch-jesidischen Bevölkerung in und um die nordsyrische Stadt Kobane sowie drohender weiterer Massaker führten kurdische und jesidische Gruppen Demonstrationen in mehreren deutschen Städten durch. Hierbei kam es wiederholt zu einer gewaltsamen Eskalation unter Beteiligung von Salafisten, so z.B. am 6. August 2014 im nordrhein59 westfälischen Herford, am 6. Oktober 2014 im niedersächsischen celle und am 7. Oktober 2014 in Hamburg. In Rheinland-Pfalz gab es bei Protestkundgebungen keine nennenswerten Zwischenfälle. 3.2.3 Verbot der Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) Am 12. September 2014 verfügte das Bundesministerium des Innern ein Verbot der Vereinigung sogenannter "Islamischer Staat" alias "Islamischer Staat im Irak" alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien". In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass die Tätigkeit der Vereinigung Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Vom Verbot ist die Betätigung des IS erfasst, wozu auch die Verwendung und Verbreitung seiner Kennzeichen gehört. 3.2.4 Urteil gegen "Al-Qaida"-Zelle Am 13. November 2014 verurteilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht drei Personen wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Al-Qaida" zu mehrjährigen Freiheitsstrafen sowie eine vierte Person wegen Unterstützung derselben Organisation. Nach der umfangreichen Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Staatsschutzsenates fest, dass die Personengruppe im Auftrag der "Al-Qaida"-Führung Terroranschläge in Deutschland verüben wollte. Die Festnahmen waren im Jahr 2011 erfolgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 3.2.5 Verbot eines "Hizb Allah"-Spendenvereins Mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern wurde am 8. April 2014 der in Essen ansässige Verein "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP) verboten. Gemäß Verbotsverfügung unterstützt der Verein seit Jahren mit Millionen-Beträgen die "Hizb Allah"-eigene "Shahid-Stiftung" ("MärtyrerStiftung") und damit deren auf die Vernichtung des Staates Israel gerichteten Ziele. Hierdurch wende sich der Verein gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Das Vereinsverbot ist noch nicht rechtskräftig. 60 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Die Bestrebungen von Islamisten in Rheinland-Pfalz äußerten sich 2014 wie in den Vorjahren vorrangig folgendermaßen: # Mitwirkung in extremistischen Vereinigungen, # finanzielle Unterstützungsleistungen für extremistische Organisationen, # Propaganda im Internet, # Indoktrinierung in Predigten und Vorträgen in einzelnen Moscheevereinen. Die Mehrheit der ca. 610 Islamisten in Rheinland-Pfalz ist dem gewaltfreien Spektrum zuzuordnen. Eine Minderheit von ca. 30 Personen ist allerdings als gewaltbereit einzustufen oder weist zumindest Bezüge zum jihadistischen Islamismus auf. Bei diesen Personen sind und waren in den vergangenen Jahren folgende Aktivitäten festzustellen: # logistische und/oder propagandistische Unterstützung jihadistischterroristischer Gruppierungen oder Einzelpersonen im Inland oder, häufiger, im Ausland, # Rekrutierung von Glaubenskämpfern, # Ausreisen nach/ in Richtung Syrien (Zunahme von 3 auf 12 Personen im Jahresverlauf 2014), # Kontaktpflege zu Jihadisten. Dominiert wird der Islamismus in Rheinland-Pfalz durch die salafistischen Bestrebungen und die im Anschluss daran vorgestellten Organisationen. 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: 2013: ca. 5.500 Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 100 (2013: ca. 70) 61 Beim Salafismus handelt es sich um eine besonders rigide Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Maßgeblich für das Handeln und die angestrebte Ordnung von Salafisten sind ausschließlich die Weisungen von Koran und Sunna, d.h. die überlieferten Worte und Taten der ersten Generationen von Muslimen, der sogenannten salaf. Demgegenüber lehnen Salafisten später entstandene Formen der Religiosität (bida) wie die Heiligenverehrung ebenso strikt ab wie weltliche Gesetze. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzeswidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande. Prinzipiell aber streben Salafisten eine Staatsund Rechtsordnung an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islam beruht. Herrschern, die nichtislamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab. Zur Verbreitung ihres Islamverständnisses betreiben Salafisten sogenannte da'wa-Arbeit, d.h. Missionierung. Salafistische da'wa-Arbeit ist jedoch nicht nur als eigentliche Missionierung unter Nichtmuslimen zu verstehen, sondern insbesondere als religiöse, gesellschaftliche und politische Propaganda im Internet, in Schriften, Predigten, Vorträgen, Islamseminaren und bei Kundgebungen. Adressaten sind hierbei vor allem Muslime selbst. Die da'waArbeit wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend professionalisiert. Ein Beispiel hierfür ist das bundesweit betriebene Missionierungsprojekt "Lies!". Es wurde von dem in Köln wohnhaften Ibrahim Abou-Nagie initiiert, der zugleich Vorsitzender des salafistischen Netzwerks "Die Wahre Religion" ist. Im Rahmen dieser seit 2011 auch in mehreren rheinland-pfälzischen Städten durchgeführten Aktion werden Koran-Übersetzungen in Millionenauflage verteilt. Durch diese beispielhaft aufgeführte Aktivität und viele weitere Tätigkeiten und Netzwerkbildungen - in hohem Maße auch virtuell - hat die salafistische Bewegung in den vergangenen Jahren vermehrten Zulauf erfahren, insbesondere unter jungen Muslimen, darunter auch Konvertiten. Ihr Anteil innerhalb der salafistischen Bewegung liegt in Rheinland-Pfalz bei 15-20%. Die steigenden Anhängerzahlen sind aus sicherheitspolitischer Sicht u.a. vor dem Hintergrund stark ausgeprägter und aggressiv formulierter Feindbilder in salafistischen Diskursen ausgesprochen problematisch. Die Propaganda richtet sich gegen den Westen - damit auch Deutschland - ebenso wie gegen Juden und Schiiten. Sie ist unvereinbar mit dem Gedanken der Völkerverständigung und zielt ferner auf die Einschüchterung der zu Feinden erklärten "Ungläubigen" (kuffar) ab. Selbst Muslime, deren Glaubensverständnis und 62 Lebensführung von der salafistischen abweicht, werden von Salafisten oft mit dem Vorwurf konfrontiert, Ungläubige zu sein. Der größere Teil der Salafisten setzt seine Vorstellungen und Forderungen nicht mit gewaltsamen Mitteln um. Gegenüber "Ungläubigen" nimmt die Mehrzahl der Salafisten eine Position der Abgrenzung (al-bara') ein und nicht der Bekämpfung. Gleichwohl kann die salafistische Argumentationskette dazu motivieren, gegen (vermeintliche) "Hindernisse" auf dem Weg der Zielerreichung mittels Gewalt vorzugehen. Gewalt wird hierbei mit dem Begriff Jihad religiös gedeutet und begründet. Tatsächlich haben nämlich gerade innerhalb der salafistischen Bewegung die aktive Teilnahme am Jihad und die Unterstützung für den Jihad gegen "islamfeindliche" Kräfte eine verhältnismäßig hohe Bedeutung. Die große Mehrzahl der nach Syrien zwecks Kampfbeteiligung ausgereisten Personen rekrutiert sich aus der salafistischen Bewegung. Innerhalb der salafistischen Bewegung existiert insoweit die Strömung des sogenannten jihadistischen Salafismus. Die salafistische Bewegung in Deutschland setzt sich aus unabhängigen Vereinen, informellen Personenzusammenschlüssen, Internetauftritten und Initiativen zusammen. Zwischen den einzelnen Akteuren und Anhängern bestehen häufig Kennverhältnisse und mitunter auch Formen der Zusammenarbeit. Ein salafistischer Dachverband mit Hauptsitz, Vorstand, Satzung und zugehörigen Ortsvereinen existiert indessen nicht. In Rheinland-Pfalz bestehen demzufolge zumindest keine festen salafistischen Organisationsstrukturen. Die ca. 120 salafistischen Anhänger (Stand: 15. April 2015) verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen. Ein Teil von ihnen nutzt einzelne (!) rheinland-pfälzische Moscheevereine als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattformen zur Verbreitung salafistischen Gedankenguts. Bislang ist aber kein rheinland-pfälzischer Moscheeverein eindeutig oder in Gänze dem salafistischen Spektrum zuzurechnen. Gerade jüngere Salafisten weisen mitunter keine Bezüge zu örtlichen Moscheevereinen auf, sondern nutzen Internetangebote und agieren hierbei vornehmlich in sozialen Netzwerken. Hier konnte 2014 eine Steigerung der Propaganda, teilweise auch der gewaltverherrlichenden Propaganda festgestellt werden. Die deutliche Zunahme der aus Rheinland-Pfalz nach oder in Richtung Syrien ausgereisten Islamisten/Salafisten im Jahresverlauf ist ebenfalls ein Indikator für die wachsende Bedeutung des Salafismus. 63 4.2 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: 2013: ca. 1.300 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2013: ca. 30) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete "Muslimbruderschaft" markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen hervor, u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. Programmatischer Kernpunkt der "Muslimbruderschaft" ist die Einheit von Religion und Staat, die nach ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. Als der parteipolitische Arm der Muslimbruderschaft von 2012 bis Sommer 2013 die Regierung in Ägypten dominierte, wurde die Umgestaltung des Rechtssystems entsprechend ihrer Vorstellungen konsequent vorangetrieben. Angehörige der "Muslimbruderschaft" schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. 64 In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch in Rheinland-Pfalz die Bildung ihrer Strukturen zu fördern. 4.3 "Milli Görüs"-Bewegung Mitglieder Bund: 2013: ca. 31.000 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 360 (2013: ca. 650) Die "Milli Görüs"14-Bewegung geht auf den 2011 verstorbenen Politiker Necmettin ERBAKAN in der Türkei zurück. Die Ideologie dieser Bewegung ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: # Globale Heilsansprüche im Namen einer islamischen Union unter der Führung einer "neuen großen Türkei" in Anlehnung an das Osmanische Reich, # antiwestliche und antisemitische Feindbilder und Verschwörungstheorien, # Islamverständnis mit politischem und rechtlichem Geltungsanspruch. Der wichtigste Vertreter der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei ist ihr politischer Arm, die "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei"). In Deutschland wurde die "Milli Görüs"-Bewegung in den vergangenen Jahren vor allem durch die Organisation "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) mit ihrer Zentrale in Kerpen, ihren 15 Regionalverbänden und ca. 320 Ortsvereinen repräsentiert. Unter dem aktuellen Vorsitzenden Kemal ERGÜN sind Ansätze erkennbar, die Verbindungen der IGMG zur türkischen "Milli Görüs"-Bewegung und ihrem parteipolitischen Arm zu verringern. Das Bemühen um ein eigenständigeres Profil geht mit einer vorrangigen Gewichtung der religiösen Tätigkeiten und sozialen Dienstleistungen für die Mitglieder in Deutschland einher. 14 Der Name bedeutet dem Selbstverständnis der Bewegung nach "Sichtweise der Gemeinde Abrahams/Ibrahims". 65 Parallel zu dieser Entwicklung beziehungsweise als Reaktion hierauf hat sich die "Milli Görüs"-Bewegung seit 2013 in unterschiedliche Institutionen aufgegliedert, im Einzelnen: # Deutschland-Vertretung der "Saadet Partisi" zur Unterstützung der Mutterpartei in der Türkei sowie Verbreitung der "Milli Görüs"Ideologie, # Europa-Vertretung der "Erbakan-Stiftung" ("Erbakan Vakfi"). Die "Erbakan-Stiftung" erklärt die stärkere Besinnung auf die Ideen Necmettin ERBAKANs als ihr Hauptziel. Die beiden Organisationseinheiten der "Milli Görüs"-Bewegung" waren im Jahr 2014 überwiegend mit dem Aufund Ausbau eigener Strukturen befasst, sind aber in Rheinland-Pfalz bislang nicht institutionell vertreten. Dies trifft auch für die "Ismail Aga cemaati" ("Ismail Aga-Gemeinschaft") zu, die gleichfalls dem "Milli Görüs"-Gesamtkomplex zuzurechnen ist. Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung" bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. Die Zahl der Anhänger der "Milli Görüs"-Ideologie war 2014 in RheinlandPfalz rückläufig. 66 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: 2013: ca. 750 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 (2013: ca. 50) Der "Kalifatsstaat" ist eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Die Abschiebung des Vereinsoberhauptes Metin KAPLAN - von den Anhängern als "Kalif" bezeichnet - in die Türkei im Jahr 2004 und seine dortige Inhaftierung schwächten die Gruppierung zusätzlich. Allerdings können noch immer verdeckte Aktivitäten zur Aufrechterhaltung organisatorischer Zusammenhänge festgestellt werden. Darüber wird die demokratiefeindliche "Kalifatsstaat"Ideologie sowohl intern als auch unter Nutzung elektronischer Medien weiterhin propagiert. Die betriebenen Internetseiten mit den Namen "seriat" (Scharia) und "hakkhaber" ("Wahre Nachrichten") werden im Ausland gehostet und entziehen sich damit dem Vereinsverbot im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim "Kalifatsstaat" um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevöl67 kerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die "Kalifatsstaat"-Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder für ideologisch verwandte Strömungen - wie den Salafismus - empfänglich zu machen. 4.5 Weitere islamistische Organisationen In Rheinland-Pfalz sind weitere islamistische Organisationen vertreten. Zu nennen sind hier insbesondere # HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung"), eine palästinensischsunnitische Organisation mit ca. 300 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland, # "Hizb Allah" ("Partei Gottes"), eine libanesisch-schiitische Organisation mit ca. 950 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland (s. auch 3.2.5 auf S. 60), # "Türkische Hizbullah", eine tatsächlich vorwiegend kurdisch-sunnitische Organisation mit ca. 360 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland. In Rheinland-Pfalz leben Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu den genannten Gruppierungen gibt. Die Organisationen als solche traten hier im Berichtsjahr allerdings nur am Rande in Erscheinung. 68 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Der nichtislamistische Ausländerextremismus ist durch eine Vielzahl von Organisationen unterschiedlichster Ideologie, Struktur und Größe geprägt. In Rheinland-Pfalz spielen in erster Linie linksextremistische und ethnisch motivierte Autonomiebestrebungen eine Rolle; insgesamt werden rund 600 Personen extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet. Politik und Aktionismus von Ausländerorganisationen werden maßgeblich von den Entwicklungen und Ereignissen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Deutschland dient den meisten dieser Organisationen als sicherer Rückzugsraum; von hier aus werden die heimatlichen, zentralen Organisationseinheiten propagandistisch, aber auch materiell und finanziell unterstützt. Aufmerksamkeit erlangte vor allem die seit 1993 in Deutschland verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die einen staatenähnlichen Verbund in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, in Syrien sowie im Iran und Irak anstrebt. Zur Verwirklichung ihrer Ziele greift sie im Kampf mit dem türkischen Staat seit vielen Jahren auf terroristische Mittel zurück. 2014 war die PKK in den Kurdengebieten im Nordirak und in Nordsyrien fortgesetzt in bewaffnete Kämpfe mit dem terroristischen "Islamischen Staat" (IS) verwickelt. Die PKK-Anhängerschaft in Deutschland zeigte sich solidarisch, was in zahlreichen überwiegend friedlich verlaufenen Veranstaltungen zum Ausdruck kam; daneben gab es wiederholte Forderungen zur Aufhebung des PKK-Verbots. Die separatistischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) setzten ihre Bestrebungen, einen unabhängigen tamilischen Staat sozialistischer Prägung - auch unter Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes - zu errichten, fort. Der sich seit 2013 abzeichnende Annäherungsprozess der beiden mit unterschiedlicher Strategie operierenden Flügel "Tamil coordinating committee" (TTc) und "Headquarters" ist weiter fortgeschritten. Aktivitäten der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), die sich zum Ziel gesetzt hat, das türkische Staatsgefüge durch eine 69 marxistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen, fielen 2014 in Rheinland-Pfalz nicht an. 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz 2014 2013 Gesamt 600 600 Linksextremisten/Separatisten 500 500 Extreme Nationalisten 100 100 Angaben gerundet 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan) PKK Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Weitere Bezeichnungen: Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 Umbenennung in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel) HPG Leitung in Westeuropa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: 2013: ca. 13.000 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2013: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 70 Allgemeine Lage/Entwicklung Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von dem seit 1999 in der Türkei inhaftierten Abdullah Öcalan gegründet. Seit vielen Jahren kämpft sie auch mit terroristischen Mitteln für eine größere politische und kulturelle Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung. Die Organisation verfolgt weiterhin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei und der nordirakischen Grenzregion, aber auch im Norden Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten weiterhin auf die Anwendung von Gewalt. An dieser ambivalenten Ausrichtung änderten auch die seit 2002 erfolgten diversen Umbenennungen der Organisation nichts, die einzig dazu dienten, nach außen hin den Eindruck einer politischen Neuausrichtung zu erwecken und sich vom Makel einer Terrororganisation zu befreien. Die PKK ist straff organisiert und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Die PKK und ihre Nebenorganisationen sind durch Verfügung des Bundesministers des Innern seit November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt, weil sie Straftaten begehen und die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und andere erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Seit 2002 ist die PKK von der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistet. In den letzten Jahren waren zwischen der PKK und der türkischen Regierung mehrfach Ansätze zu einer Lösung des andauernden Kurdenkonflikts zu beobachten. So kam es regelmäßig zu vereinbarten Waffenpausen. Ein 2013 begonnener Abzug von PKK-Kampfeinheiten aus der Türkei scheiterte letztlich am Verhalten der türkischen Regierung, mit der PKK in konkretere Friedensverhandlungen einzutreten. Seit Mitte des Jahres 2014 beteiligten sich die militärischen Einheiten der PKK in Nordirak und in Nordsyrien an den bewaffneten Auseinandersetzungen gegen den terroristisch agierenden "Islamischen Staat" (IS). Im Mittelpunkt der PKK-Kampfhandlungen stand die vom IS belagerte nord71 syrische Stadt Kobane an der Grenze zur Türkei. Dort sah sich die Organisation einem mit modernen Waffen ausgerüsteten Gegner gegenüber. Hilfestellung bei der militärischen Bekämpfung des IS durch die Türkei blieb aus. Letztere verstärkte vielmehr die Absicherung ihrer Grenze gegenüber Syrien und verhinderte so das Durchkommen zusätzlicher kurdischer Kämpfer. Eine Zuspitzung des türkischen/kurdischen Interessenkonflikts war so unvermeidbar. Landesweit kam es in der Türkei zu überwiegend von Kurden initiierten gewalttätigen Protestveranstaltungen, in denen der Regierungspartei Untätigkeit im Kampf gegen den islamischen Terrorismus vorgeworfen wurde. Bei den Unruhen kamen mehrere Menschen ums Leben. Die PKK-Führung drohte deshalb, den bewaffneten Kampf in der Türkei wieder aufzunehmen. In Deutschland verhielt sich die PKK weitgehend friedlich. In mehreren Städten führten Kurden - überwiegend Anhänger und Sympathisanten der PKK - Solidaritätsveranstaltungen für das von Kurden besiedelte Gebiet "Rojava" im Norden Syriens und die dort gelegene, vom IS militärisch teilbesetzte Stadt Kobane durch. Hierbei wurden sie auch von türkischen und deutschen Linksextremisten unterstützt. Daneben kam es zu Spontandemonstrationen u.a. an Flughäfen, Bahnhöfen sowie Rundfunkund Fernsehanstalten. Im Rahmen der Solidaritätskundgebungen für Rojava wurde verstärkt eine Aufhebung des PKK-Verbotes gefordert. Dies wurde mehrfach durch schriftliche Eingaben an politische Entscheidungsträger zum Ausdruck gebracht und mit einer Änderung der aktuellen politischen Situation begründet. So würde insbesondere die von Deutschland erteilte humanitäre und militärische Hilfe für die Kurden im Widerspruch zu den im Rahmen des PKK-Verbots weiterhin durchgeführten Exekutivmaßnahmen stehen. Die andauernden Kriegshandlungen in den kurdischen Siedlungsgebieten verstärkten die Bemühungen der PKK in Deutschland weitere Personen (Jugendliche) für ihren bewaffneten Kampf zu gewinnen. Entsprechende Aufrufe wurden über die von der PKK beeinflussten Medien oder auch bei jährlichen Großveranstaltungen verbreitet. Im Juli 2014 veröffentlichte die PKK-Jugendorganisation "Komalen ciwan" im Internet einen Aufruf, in dem sie die kurdischen Jugendlichen aus Europa auffordert, sich für sechs Monate am Widerstand in Kobane zu beteiligen. 72 Organisationsstrukturen Nach der Umbenennung der PKK 2002 in KADEK und 2003 in KONGRA GEL beschloss die PKK ihre Neugründung auf einem "Kongress zum Wiederaufbau" im Frühjahr 2005. Eine Schlüsselrolle in dem angestrebten Demokratisierungsprozess des Nahen Ostens spielt die "Komalen ciwalen Kurdistan" (KcK). Daneben kommt dem gleichsam als "ideologischem Motor" wirkenden KONGRA GEL die Aufgabe zu, die politischen Ziele der PKK umzusetzen. Die Politik der PKK in Europa wird von der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (cDK) gesteuert. Mehrere Massenund Nebenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessengruppen repräsentieren (z.B. Alewiten, Jesiden, Jugendliche, Frauen, Studenten), vervollständigen die Organisationsstruktur der PKK. In Deutschland existieren daneben konspirative Organisationsformen, die in die Regionen Nord, Mitte, Süd unterteilt sind. Diese und die ca. 30 Gebiete (Unterbereiche) werden von regelmäßig wechselnden PKK-Führungskadern, sogenannten Regionaloder Gebietsleitern geleitet. Sie wiederum haben starken Einfluss auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine oder Gesellschaftszentren. Bei dem am 21./22. Juni 2014 in Dortmund stattgefundenen Jahreskongress des Dachverbandes der PKKnahen Ortsvereine in Deutschland (YEK-KOM) wurde dessen Umbenennung in "Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum" (NAV-DEM) beschlossen. Anders als YEK-KOM, der als Dachverband für die über 40 kurdischen Vereine in Deutschland fungierte, soll NAV-DEM eine weiter definierte Funktion übernehmen und die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen, verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften und insgesamt 260 Vereinen und Einrichtungen koordinieren. Zu den insoweit aktiveren kurdischen Vereinen in Rheinland-Pfalz zählt das am 27. April 2014 neugegründete (umbenannte) "Kurdische Gemeinschaftszentrum Rhein-Neckar" in Ludwigshafen (ehemals "Kurdischer Kulturverein Ludwigshafen"), das als Anlaufstelle für PKK-Anhänger im gesamten Rhein-Neckar-Raum dient. Insgesamt werden in Rheinland-Pfalz ca. 450 Personen unmittelbar der PKK zugerechnet. Bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen wird ein deutlich größerer Personenkreis angesprochen. 73 Finanzen Im Jahr 2014 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne sowie durch Sonderspenden in Europa erneut mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Erlöse aus Feiern und Veranstaltungen. Bundesweite / Europaweite Veranstaltungen / Ereignisse Auch 2014 führte die PKK zahlreiche bundesund europaweite Propagandaaktionen durch. Im Vordergrund standen Themen wie die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan, der Mord an PKK-Aktivistinnen in Paris, die Situation der Kurden in Rojava und die Aufhebung des PKK-Verbots. Am 11. Januar 2014 versammelten sich in Paris ca. 13.000 Kurden zu einer zentralen friedlich verlaufenden Großkundgebung anlässlich des ersten Jahrestages der Morde an drei PKK-Aktivistinnen in Paris (9. Januar 2013). Unter den Teilnehmern waren etwa 3.000 Aktivisten aus Deutschland, darunter zahlreiche PKK-Sympathisanten aus Rheinland-Pfalz. Aus Anlass des 15. Jahrestages der Festnahme von Abdullah Öcalan fand am 15. Februar 2014 in Straßburg (Frankreich) eine Großdemonstration mit ca. 10.000 Kurden aus Belgien, Frankreich und Deutschland statt, darunter auch Anhänger aus Rheinland-Pfalz. Die Teilnehmer forderten die Freilassung des Kurdenführers sowie eine Lösung der Kurdenfrage. Im Verlauf einer am 12. April 2014 in Duisburg durchgeführten "europaweiten Jugend-Demonstration" unter dem Motto "Freiheit für Öcalan" kam es zu Gewalttätigkeiten, u.a. durch Steinund Flaschenwürfe auf einen türkischen Kulturverein sowie auf ein Wohnhaus, an dem eine türkische Nationalflagge hing. Am 13. September 2014 nahmen etwa 30.000 Kurden aus ganz Europa am "22. Internationalen kurdischen Kulturfestival" in Düsseldorf teil. Aus verschiedenen rheinland-pfälzischen Städten fuhren Reisebusse zur Veranstaltung. Das Kulturfestival war den Opfern der Übergriffe des IS gewidmet. Hauptthema vieler Redebeiträge war auch die Forderung nach der Aufhebung des PKKVerbots. 74 Ereignisse in Rheinland-Pfalz Die Aktivitäten der rheinland-pfälzischen PKK-Anhängerschaft konzentrierten sich auf die Städte Ludwigshafen am Rhein und Mannheim. So fand am 9. Januar 2014 eine vom "Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen" organisierte Kundgebung unter dem Motto "Gedenktag der drei ermordeten PKK-Aktivistinnen am 9. Januar 2013 in Paris" in Mannheim statt. Um auf die militärische Offensive des terroristischen IS aufmerksam zu machen, führten PKK-Jugendliche vom 27. bis 29. August 2014 in Mainz einen Informationsstand durch. Es wurden Flugblätter verteilt und Spenden für die Opfer von Sengal/Sindschar gesammelt. Rund 400 PKK-Sympathisanten beteiligten sich am 26. September 2014 in Mannheim an einem Demonstrationszug zu den Themen "Stoppt die IS-Angriffe auf Kobane" / "Solidarität mit Rojava" / "Waffenlieferung der Türkei an den IS hält an". Während des Monats Oktober fanden in Mannheim wiederholt vom Ludwigshafener Kurdenverein organisierte Solidaritätsveranstaltungen für die umkämpfte nordsyrische Stadt Kobane mit bis zu 400 Personen statt. Ausblick Die Kampfhandlungen der PKK im Irak und in Nordsyrien, insbesondere um die vom IS belagerte Stadt Kobane bestimmen vorrangig den Aktionismus der PKK-Anhängerschaft in Europa und insbesondere in Deutschland. Die weitere Entwicklung in den Kurdengebieten dürfte somit auch als Gradmesser für das künftige Verhalten der Kurden zu sehen sein. Bei einer Verschärfung der Lage ist davon auszugehen, dass dies erneut zu einer hohen Emotionalisierung der hiesigen PKK-Unterstützerszene führt, einhergehend mit einem gesteigerten, womöglich gewalttätigen Aktionismus, der in spontanen veranstaltungstypischen Straftaten zum Ausdruck kommen dürfte. 75 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 2013: 650 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2013: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-c ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - cephesi") verfolgt fortgesetzt das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung der Türkei im Wege des bewaffneten Kampfes zu beseitigen und durch ein kommunistisches System zu ersetzen. In Europa verfügt die DHKP-c über gefestigte hierarchische Strukturen. Auf dieser Basis und mit Unterstützung von mehreren Umfeldorganisationen entfaltet sie vielfältige Aktivitäten. In Deutschland unterliegt die DHKP-c seit 1998 einem Organisationsverbot; von der EU ist sie seit Mai 2002 als terroristische Organisation gelistet. Bis in die jüngste Vergangenheit hat die DHKP-c in der Türkei zahlreiche Tötungsdelikte begangen sowie eine Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen verübt. Mitte 2012 startete sie eine Anschlagsserie, deren Höhepunkt im Februar 2013 das Selbstmordattentat auf die US-amerikanische Botschaft in Ankara darstellte. Im Jahr 2014 ließ die Anschlagsintensität nach, was offensichtlich auf vermehrte Festnahmen von DHKP-c-Aktivisten und die Sicherstellung von Waffen und Sprengstoff zurückzuführen war. Dennoch kam es in der Türkei weiterhin zu militanten Angriffen auf Einrichtungen der Regierungspartei und der Polizei. Im Mittelpunkt der politischen Aktivitäten der DHKP-c in Deutschland 76 stand die Solidarität mit ihren inhaftierten Mitgliedern, den "revolutionären Gefangenen". Besondere Bedeutung kommt der Beschaffung von Geldmitteln durch Spendenund Beitragssammlungen zu. Organisiert werden diese Aktivitäten überwiegend durch DHKP-c-Umfeldorganisationen, wie der "Anatolischen Föderation". Diese zeigte sich u.a. verantwortlich für die Durchführung eines mehrtägigen "Langen Marsches" für die Freiheit der "politischen Gefangenen" vom 18. bis zum 27. März 2014 quer durch Deutschland. Die für den 24. März in Mainz vorgesehene Zwischenstation fiel wegen zu geringer Resonanz aus. Bei der Abschlusskundgebung in Stuttgart kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Polizei; 16 Personen wurden vorläufig festgenommen. Aktivitäten der DHKP-c und ihrem Umfeld waren 2014 in Rheinland-Pfalz nur marginal zu verzeichnen. Ausblick: Die 2014 von der DHKP-c und ihrem Umfeld zahlreich durchgeführten Veranstaltungen sprechen dafür, dass die Organisation die gegen sie durchgeführten Exekutivmaßnahmen und eine damit einhergehende eingeschränkte Handlungsfähigkeit kompensieren konnte. Ihre aktuellen Korruptionsvorwürfe gegenüber der türkischen Regierung und massive Kritik am militanten Auftreten der Polizei bei Protestveranstaltungen geben berechtigten Anlass zur Sorge im Hinblick auf weitere Gewalttaten der DHKP-c in der Türkei. 4. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: 2013: 1.000 Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2013: ca. 30) 77 Die separatistisch ausgerichtete LTTE verfolgt weiterhin das Ziel, einen unabhängigen Tamilenstaat ("Tamil Eelam") im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten von Sri Lankas zu errichten. Ein über lange Jahre geführter Guerillakrieg verbunden mit Waffengewalt und Terroranschlägen in Sri Lanka endete im Mai 2009 mit einer militärischen Niederlage, bei der die gesamte Infrastruktur der LTTE zerschlagen wurde. Die seit 2006 von der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistete LTTE verfügt auch nach ihrer Niederlage weltweit in Ländern mit nennenswerter tamilischer Diaspora über intakte Strukturen. Ihr Ziel, einen eigenen unabhängigen Tamilenstaat zu errichten, hat sie nie aus den Augen verloren. Um auf ihre Belange aufmerksam zu machen, führt die LTTE vielfältige Veranstaltungen durch und sammelt Gelder zur Aufrechterhaltung der eigenen Strukturen. Dabei wird sie von verschiedenen Tarnund Umfeldorganisationen - meist mit kulturellen oder humanitären Bezügen - unterstützt. Seit 2009 ist die LTTE gespalten. Neben der "Internationalen Verbindungsstelle", die in der Diaspora vom nationalen "Tamil coordinating committee" (Tcc) vertreten wird und den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele befürwortet, existiert ein gewaltablehnender Flügel, der sich selbst als "Headquarters" bezeichnet. Beide Strukturen sind in Deutschland aktiv. Über die größere Anhängerschaft und damit auch den stärkeren Einfluss auf die tamilische Bevölkerung verfügt das Tcc mit Sitz in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Seit Ende 2013 ist eine wachsende Zusammenarbeit zwischen den beiden bislang rivalisierenden Flügeln festzustellen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass "Headquaters" keine eigenen öffentlichen Veranstaltungen mehr durchgeführt hat. Rheinland-pfälzische LTTE-Anhänger/-Symphatisanten beteiligten sich an Großveranstaltungen im Inund Ausland (Genf, Düsseldorf), führten jedoch zugleich in Rheinland-Pfalz eigene Veranstaltungen durch. So fand am 12. Januar 2014 in Landau anlässlich des 4. Todestages eines LTTE78 Angehörigen eine Gedenkveranstaltung statt, an der ca. 50 Personen teilnahmen. Der sogenannte "Tamil Van" legte am 6. März 2014 auf seinem Weg zur bereits erwähnten Veranstaltung in Genf einen Zwischenstopp in Landau ein. Im Zeitraum vom 21. bis 23. Juli 2014 veranstaltete die LTTE zum Gedenken an die 1983 zahlreich gefallenen tamilischen Kriegsopfer eine "Black July"Kundgebung und Ausstellung in Landau. Am 27. September 2014 wurde erneut in Landau anlässlich des 27. Todestages des als Märtyrer verehrten und in einem Hungerstreik 1987 verstorbenen "colonel Thileepan" eine Gedenkveranstaltung mit ca. 50 Tamilen durchgeführt. 79 V. Spionageabwehr 1. Auftrag und allgemeine Lage Die Bundesrepublik Deutschland ist unverändert ein prioritäres Ausspähungsziel ausländischer Nachrichtendienste. Ihre politische Führungsrolle innerhalb der EU, die feste Verankerung im westlichen Bündnis sowie ihre wirtschaftliche Stärke und Innovationskraft sind maßgebliche Faktoren, die fremde Nachrichtendienste auf den Plan rufen. Dies belegt allein die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen (sog. Legalresidenturen) fremder Staaten in Deutschland und lässt auf entsprechende Auftragslagen der Entsendestaaten schließen. Ihr Aufklärungsinteresse richtet sich in der gegenwärtig angespannten OstWestsituation vor allem auf (militär-)politisch und strategisch relevante Entwicklungsund Entscheidungsprozesse des Westens und hierbei im Besonderen die Rolle Deutschlands. Darüber hinaus sind die wissenschaftlich-technologischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland für jeden Nachrichtendienst seit Jahren ein besonderes Zielspektrum. Mit einer Exportquote von über 50 Prozent nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Spitzenstellung ein und erklärt damit die hohe Nachfrage an qualitativ hochwertigen Gütern und Technologien im internationalen Wettbewerb. Dies bleibt von fremden Nachrichtendiensten nicht unbeobachtet. Deren Mittel und Methoden reichen von der offenen Beschaffung, über elektronische Aufklärung bis hin zur klassischen Agentenführung. Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur Informationsgewinnung und des illegalen Gütertransfers, vor allem zu Zwecken der Wirtschaftsspionage und der Proliferation.15 Die größten Erfolgschancen bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bietet der sogenannte Innentäter.16 15 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-how. 16 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 80 Hierzu werden gezielt Personen aus Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zunächst im Rahmen belanglos erscheinender Gespräche abgeschöpft. Kennzeichnend für die gewählten Ansprechmodalitäten sind die zuvor erforschten Hintergrundinformationen zu und aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld einer Zielperson (sog. "Social Engineering"). Arglose Auskunftspersonen werden als nachrichtendienstliche Tippgeber missbraucht. Weitere Kontakte mit der jeweiligen Zielperson dienen einem entsprechenden Vertrauensaufbau und letztlich ihrer nachrichtendienstlichen Einbindung, um an sensible Informationen aus internen und vertraulichen Unterlagen zu gelangen. Die besondere Zugangslage des/der gewonnenen Agenten/Agentin, seine/ihre Vertrautheit mit den betrieblichen Abläufen und den ggf. vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen erleichtern die Gewinnung sensibler Daten. Angereichert mit einer persönlichen Bewertung durch die Quelle können die so gewonnenen Informationen von hohem nachrichtendienstlichem Wert sein. Auch die elektronische Aufklärung mit nachrichtendienstlicher Technik17 und die Überwachung elektronisch übertragener Daten18 zählen zu den praktizierten nachrichtendienstlichen Methoden. In diesen Kontext sind offensichtlich auch westliche Staaten gerückt. Gegen Unternehmen und staatliche Einrichtungen gerichtete Hackingund Spionageangriffe werden zunehmend strategisch geplant. Wurden früher unter der Prämisse, dass schon irgendjemand den mit einer Malware infizierten Dateianhang öffnet, massenweise Spam-Mails versandt, suchen die nachrichtendienstlichen Akteure heute gezielt jene Mitarbeiter, die direkten Zugang zu sensiblen Informationen haben. Besondere Risiken ergeben sich aus der Nutzung spezieller Web 2.0-Anwendungen19 im Internet. So erfreuen sich "Soziale Netzwerke" (Online-communities) im privaten wie geschäftlichen Bereich weiter steigender Beliebtheit und sind zu einem Massenphänomen mit globaler Reichweite geworden. 17 z.B. Einsatz von Richtmikrophonen, Wanzen, Sprachund Videoaufzeichnungsgeräten 18 z.B. Internetüberwachung (insbesondere E-Mail-Verkehr, VoIP ) 19 Der Begriff "Web 2.0" beschreibt eine veränderte Nutzung des Internets, bei der nicht mehr statische Informationsangebote, sondern die kommunikative Beteiligung der Nutzer im Vordergrund stehen. 81 Durch die freiwillige aber auch sorglose Preisgabe persönlicher Daten haben sich diese Plattformen zu einer wichtigen, weil aufschlussreichen, Informationsquelle, insbesondere zur (verdeckten) Kontaktanbahnung, entwickelt. Nachrichtendienste erstellen damit Profile und ermitteln Schwachstellen, die sie im Verlauf ihrer weiteren Operationen ausnutzen. Durch Anwendung psychologischer Techniken und auf Basis grundlegender Motivstrukturen werden die Zielpersonen manipuliert. Mitunter wird Anwendern nicht einmal bewusst, dass sie Hackern Zugang zu geschützten Systemen verschaffen. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Die weiteren Veröffentlichungen von Edward Snowden über nachrichtendienstliche Aktivitäten der USA und anderer Partnerstaaten in Deutschland deuten darauf hin, dass neben staatlichen Stellen auch Privatpersonen von diesen Ausspähungen betroffen sein könnten. Der hierzu vom Deutschen Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschuss hat u.a. die Frage zu klären, welche Lebensbereiche der Bürger konkret betroffen waren und sind. Unabhängig davon steht aber bereits heute fest, dass im Bereich der IT-Sicherheit ein erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht. Vorrangig zum Schutz der kritischen Infrastrukturen ist dies von höchster sicherheitspolitischer Relevanz. Mehr als eine Million Rechner in Deutschland sind nach Pressemitteilungen des BSI20 mit Schadprogrammen infiziert und in sogenannten Botnetzen zusammengeschlossen, mit denen die computer für cyberangriffe ferngesteuert 20 http://www.volksfreund.de/nachrichten/welt/themendestages/themen/Topthemen-Bundesamt-warnt-vor-wachsenden-Gefahren-im-Netz;art64,4103357 unter Verweis auf entsprechende dpa-Meldung; letzter Zugriff am 3. Februar 2015 82 werden können. Jeder Rechner kann somit zu einem Tatwerkzeug werden, ohne dass der Nutzer dies bemerkt. Das Entdeckungsrisiko für die Täter ist gering; die technischen Instrumente sind im Netz zu kaufen und beispielsweise Botnetze zu mieten. Nachrichtendienstlich gesteuerte Angriffe zu Zwecken der Spionage oder auch der Sabotage sind dem gegenüber in der Regel technisch höchst ausgereift und auf lange Einsatzzeiten ausgelegt. Die technische Vielfalt der Werkzeuge gestaltet eine Detektion der Angriffe mitunter schwierig. Gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag geht die Spionageabwehr allen konkreten Anhaltspunkten zu sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten nach, um letztlich illegale Aktivitäten fremder Mächte aufzuklären und zu verhindern. Im Rahmen der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes gilt es, den "Rundumblick" der Spionageabwehr (sog. "360-Grad-Blick") weiter zu schärfen. Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit für die USA Im Berichtszeitraum wurden im Rahmen von Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts zwei Personen wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für US-Dienste festgenommen. Einer der Beschuldigten befindet sich seither in Untersuchungshaft. Er soll als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) interne Dokumente / Informationen beschafft und an die US-amerikanische "central Intelligence Agency" (cIA) übermittelt haben. Russische und chinesische Nachrichtendienste Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik china. Die russischen Nachrichtendienste sind gesetzlich verpflichtet, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung zur Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. 83 Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt entweder direkt aus der Zentrale in Moskau oder über abgetarnte Repräsentanzen an den diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen, den sogenannten Legalresidenturen. Die unverändert hohe nachrichtendienstliche Präsenz der Russen in Deutschland unterstreicht deren weiterhin nachhaltiges Aufklärungsinteresse. Durch ihr Agieren im Ukrainekonflikt wurde die Russische Föderation aus der "Gruppe der Acht" (G8) ausgeschlossen und von der EU mit Sanktionen belegt. Das damit zumindest auf diplomatischer Ebene einhergehende Informationsdefizit versucht Russland auf anderem Wege auszugleichen. Dabei werden Maßnahmen des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB wieder aufgegriffen und mit einem nahezu ebenso großen nachrichtendienstlichen Apparat21 auch konsequent betrieben. Dazu gehören neben der Spionage auch medial gezielt verbreitete Desinformationen, die versuchte Einflussnahme auf Entscheidungen des Westens und die Unterstützung extremistischer Gruppen mit dem Ziel der Destabilisierung eines Staates. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen derartige Bestrebungen, die sogenannten "Fünf Gifte", vor. Hierzu gehören die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong22, die Mitglieder der Demokratiebewegung, die Befürworter der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie die nach Unabhängigkeit strebenden Volksgruppen der Uiguren und Tibeter. chinas Nachrichtendienste sind hierbei mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"23 untersteht dem Zentralkomitee der KPch und ist 21 Ziviler Auslandsnachrichtendienst SWR, militärischer Auslandsnachrichtendienst GRU und Inlandsnachrichtendienst FSB. 22 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung mit ihren Wurzeln in China. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt. 23 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10.06.1999 84 in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt vorrangig in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Sonstige Nachrichtendienste Die Geheimdienste aus den Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika forcieren ihre Aktivitäten gegen Regimegegner und Oppositionelle in der Bundesrepublik Deutschland. Unter Rechtfertigungszwang werden die angewendeten illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Aber auch andere Staaten entfalten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland illegale geheimdienstliche Tätigkeiten: So wurde ein indischer Staatsangehöriger am 21. Juli 2014 vom 1. Strafsenat des OLG Koblenz wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Ranjit S. war bereits im Jahr 2002 mit gefälschten Ausweispapieren nach Deutschland eingereist. Nach den Feststellungen des Strafsenats verfügte Ranjit S. über gute Kontakte zu in Deutschland lebenden Indern, insbesondere zu solchen, die der Glaubensrichtung der Sikhs angehören. Durch seine Tätigkeit in der "All India Sikh Student Organisation" (AISSF) war er eingebunden in die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestufte "Babbar Khalsa International" (BKI). Nach Überzeugung des Senats wurde der Angeklagte wegen dieser Verbindungen von einem indischen Nachrichtendienstmitarbeiter angesprochen und für eine Zusammenarbeit angeworben. Ranjit S. lieferte Informationen über in Deutschland lebende Inder aus dem Umfeld der extremistischen Sikh. Aufgrund seiner Mitarbeit für den indischen Geheimdienst verwirklichte er den Straftatbestand der "geheimdienstlichen Agententätigkeit" gem. SS 99 StGB.24 Festnahmen wegen mutmaßlicher Spionage für die Türkei Die Bundesanwaltschaft ließ am 17. Dezember 2014 aufgrund von Haftbefeh24 Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, 21.07.2014 85 len des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs zwei türkische Staatsangehörige Muhammed Taha G. und Ahmet Duran Y. sowie den in Rheinland-Pfalz wohnhaften, deutschen Staatsangehörigen Göksel G. wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) festnehmen. Untersuchungshaft wurde angeordnet. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, für einen türkischen Nachrichtendienst gearbeitet zu haben. Im Auftrag von Muhammed Taha G. sollen Ahmet Duran Y. und Göksel G. diverse Informationen zu in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Landsleuten und hiesigen Organisationsstrukturen gesammelt und an diesen weitergegeben haben. Unter Leitung des Generalbundeanwalts werden die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen durch das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz geführt.25 2.2 Proliferation Im Fokus der Spionageabwehr stehen unverändert die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten26, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie (z.B. Raketen und Drohnen) sowie des dazugehörenden Know-how zu gelangen. Besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten des Iran und Pakistans. Auch im Jahr 2014 waren deutsche Unternehmen, darunter Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus dem Iran und Pakistan. Proliferationsrelevante Güter waren aufgrund ausfuhrrechtlicher Restriktionen / bestehender EUund UN-Embargos genehmigungspflichtig oder generell nicht genehmigungsfähig. Diese Güter können u.a. zur Entwicklung eines iranischen oder pakistanischen Nuklearund Trägertechnologieprogramms verwendet werden. Verstrickt in internationalen Firmengeflechten versuchten ausländische Geschäftsleute vorzugsweise Analysatoren, Aluminium, Karbon oder Spezialven25 Quelle: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof; Pressemeldung 42/2014 vom 18.12.2014 26 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien). 86 tile für die Nukleartechnik zu erwerben. Dabei zeigten sie sich äußerst fachkundig und methodisch geschult. Bereits in der Auswahl ihrer Ansprechpartner verfolgten sie verschiedene Varianten. Sie wandten sich nicht nur unmittelbar an die in Deutschland oder im Ausland ansässigen Hersteller sensibler Technik. Bisweilen suchten sie sich im Inund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Kenntnisse im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. Um die gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen zu umgehen sowie den wahren Endempfänger zu verschleiern, werden Anfragen und Lieferungen über mehrere Firmen in Drittländer (sog. Umweglieferungen) geleitet oder kleinere Firmen eigens für die Abwicklung eines einzigen Geschäfts gegründet. Auch im Jahr 2014 war es der Spionageabwehr aufgrund der bestehenden Kontakte zu den rheinland-pfälzischen Unternehmen und der im Vertrauen geführten Gespräche möglich, Verstöße gegen ausfuhrrechtliche Bestimmungen zu verhindern. Im September 2014 setze ein rheinland-pfälzisches Unternehmen die Spionageabwehr bezüglich einer "verdächtigen" Materialanfrage einer aus Pakistan stammenden Firma in Kenntnis. Das angeforderte Material ließ den Rückschluss auf eine mögliche Verwendung für das dortige Nuklearprogramm zu. Durch die Kooperation des Verfassungsschutzverbundes mit Nachrichtendiensten befreundeter Staaten konnte bestätigt werden, dass die pakistanische Firma in Beschaffungsstrukturen für das pakistanische Nuklearprogramm eingebunden ist. Dem rheinland-pfälzischen Unternehmen wurde seitens der Spionageabwehr von einem Geschäftsabschluss und einer entsprechenden Ausfuhr der angefragten Waren abgeraten. Durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz konnten somit bereits im Vorfeld illegale Ausfuhren und damit einhergehende Reputationsverluste verhindert werden. Welche Konsequenzen in diesem Zusammenhang Verstöße gegen ausfuhrrechtliche Bestimmungen nach sich ziehen können, zeigen die nachfolgend aufgeführten Beispielfälle: Hauptverhandlung im Strafverfahren wegen Lieferung von "Drohnenmotoren" in den Iran vor OLG Frankfurt/Main Der Generalbundesanwalt wirft dem Angeklagten vor, Flugmotoren, die für 87 den Einsatz in sog. Drohnen geeignet sind, ohne behördliche Genehmigung in den Iran ausgeführt und damit gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Der Angeschuldigte L. soll in den Jahren 2008 und 2009 über eine von ihm geleitete Imund Exportfirma insgesamt 61 Flugmotoren eines deutschen Herstellers erworben haben, die zum Antrieb von Drohnen des Systems "Ababil III" geeignet sind und von den iranischen Streitkräften als Zieldarstellungs-, Aufklärungsund Kampfdrohnen verwendet werden. Anklage wegen Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz Der Generalbundesanwalt hat am 24. Juli 2014 vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg Anklage gegen den 63 Jahre alten deutschen und iranischen Staatsangehörigen Dr. Ali Reza B. wegen Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz erhoben. Der Beschuldigte wurde am 18. Februar 2014 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, gewerbsmäßig handelnd in den Jahren 2011 bis 2013 in zehn Fällen Güter aus deutscher Produktion oder aus Drittstaaten für das iranische Raketenprogramm beschafft zu haben. Bei den Waren mit einem Gesamtrechnungswert von rund ca. 438.000,00 Euro handelt es sich u.a. um Vakuumpumpen und Ventile, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können.27 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz Eine prosperierende Volkswirtschaft ist Grundvoraussetzung für die innere Stabilität eines Staates und somit ein Garant für den Wohlstand der Gesellschaft. Für Länder mit Forschungsund Wirtschaftsdefiziten ist deshalb die Wirtschaftsspionage28 darauf ausgerichtet, bestehende Rückstände in der eigenen wissenschaftlichen und technischen Entwicklung aufzuholen und gleichzeitig Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen. 27 Quelle: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof; 18.08.2014 - Pressemitteilung 26/2014 28 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 88 Dem gegenüber liegt der Ausforschungsschwerpunkt für Staaten mit einer hoch entwickelten Wirtschaft im Besonderen auf wirtschaftspolitischen Strategien und den zukünftigen sozioökonomischen Trends der staatlichen Konkurrenten. Neben anderen Staaten betreiben insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik china intensive Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik. Im Fokus der nachrichtendienstlichen Ausspähungsbemühungen stehen im speziellen Hochund Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Volkswirtschaften und bei der Erschließung von zukunftsträchtigen Märkten von entscheidender Bedeutung sein können. Neben der Rüstungstechnologie sind insbesondere die Luftund Raumfahrt, der Maschinenund Anlagenbau sowie zahlreiche Facetten der elektronischen und chemischen Industrie und der Umwelttechnologie betroffen. Darüber hinaus sind strategische Informationen aus der (Bündnis-) Politik und Wirtschaft von hohem Interesse. Nicht zuletzt das Zukunftsprojekt "Industrie 4.0", dessen Schwerpunkte auf intelligenten Produktionssystemen und -verfahren sowie auf der Realisierung verteilter und vernetzter Produktionsstätten beruhen, gerät damit vermehrt in das Visier fremder Nachrichtendienste. Wie in den Vorjahren kam es auch im Jahr 2014 zu zahlreichen elektronischen Attacken auf private wie auch auf IT-Netzwerke von Wirtschaftsunternehmen. Zudem konnten zahlreiche Angriffe auf Behörden der Bundesund Landesebene festgestellt werden. Allein auf das Landesnetz Rheinland-Pfalz konnten in einem Zeitraum von nur einer Woche ca. 14.000 Angriffe aus dem chinesischen IP-Adressraum detektiert werden. Internationales Beispiel: Backdoor Trojaner "Regin" Am 23. November 2014 veröffentlichte der Sicherheitssoftware-Anbieter "Symantec" eine Pressemitteilung, wonach ein hoch komplexer Trojaner in mindestens zehn Ländern die IT-Infrastruktur von Unternehmen, Behörden, Forschungseinrichtungen und insbesondere von Privatpersonen angreift. Die Firma "Symantec" kommt aufgrund der Wirkungsweise und der komplexen Struktur des Trojaners zu dem Schluss, dass ein Staat mit enormem finanziel89 lem und technischem Potenzial hinter dem Einsatz des Trojaners stehen muss.29 2.4 Sicherheitspartnerschaft Mit der bereits Mitte der 90er Jahre gegründeten Sicherheitspartnerschaft nahm Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle für die Einbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung in präventive Abwehrstrategien ein. Diese gewachsene Partnerschaft soll auch in den kommenden Jahren weitergeführt und in ihrer inhaltlichen Strategie an die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft angepasst werden. Durch gezielte Sensibilisierungsgespräche hat der Verfassungsschutz seine Präventionsarbeit auf hohem Niveau fortgesetzt. Nachgefragt wurden insbesondere Vortragsveranstaltungen in Unternehmerkreisen, Workshops und Tagungen, die durch ihre Multiplikatorenwirkung die Sensibilität für Spionagegefahren innerhalb der Unternehmen erhöhen sollen. Die Expertisen der Spionageabwehr werden zudem auf Fachkongressen einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert, wie beispielsweise beim Mittelstandstag der Landesregierung im ZDF-Konferenzzentrum in Mainz. Dort trafen sich am 3. April 2014 Experten und Unternehmer zu informativen Diskussionsrunden und gegenseitigem Austausch. Die notwendige betriebliche Eigenvorsorge gegen Wirtschaftsspionage kann ein Unternehmen auch vor der wirkungsgleichen Konkurrenzausspähung30 schützen. Die Aktivitäten des Verfassungsschutzes zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft haben durch die auffällige Steigerung von Netzwerkangriffen gegen Staat und Wirtschaft einen weiteren Schwerpunkt erfahren. Eine "digitale Sorglosigkeit" ist noch immer weit verbreitet. Viele Nutzer und Firmen bemerken nicht, dass sie Opfer einer cyberattacke geworden sind. Zum Teil fehlt es an Kompetenz, Gefahren zu erkennen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Gerade bei kleinen und mittelständischen Firmen wird zu wenig in IT-Sicherheit investiert. Die betroffenen Unternehmen standen/stehen im Kontakt mit 29 Vgl. hierzu: symantec.com: http://www.symantec.com/connect/blogs/regin-top-tier-espionage-tool-enablesstealthy-surveillance? 30 Die illegale Beschaffung unternehmerischer Informationen durch einen Wettbewerber - ohne Auftrag eines Nachrichtendienstes - wird als Konkurrenzausspähung oder Industriespionage bezeichnet. 90 dem Verfassungsschutz und wurden/werden fortlaufend betreut. Einen aktuellen Überblick zu verschiedenen Aspekten des Informationsschutzes und den einzelnen Gefahrenpotenzialen der Wirtschaftsspionage bietet der Verfassungsschutz u.a. mit der Herausgabe seiner Broschürenreihe: # VerfassungsschutzIhr Ansprechpartner für Wirtschaftsschutz # Sicherheit im Know-how-Transfer # Elektronische Attacken auf Informationsund Kommunikationstechnik # Schrankenlose Offenheit - "soziale Netzwerke" im Web # Sicherheitslücke Mensch - Der Innentäter als größte Bedrohung für die Unternehmen # Wissenschaftsspionage - Gefahren für Forschung und Lehre # Geschäftsreisen - Schützen Sie Ihr Know-how! # Personalauswahl - Sicherheitsaspekt im Unternehmen # Besuchermanagement - Umgang mit Besuchern und Fremdpersonal # Wirtschaftsspionage durch Diebstahl und Einbruchdiebstahl. Die Broschüren und weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter http://www.verfassungsschutz.rlp.de jederzeit abrufbar. 91 VI. Geheimschutz/Sabotageschutz 1. Geheimschutz Der Geheimschutz gehört zum Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats, indem er Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme schützt. Diese geheim zu haltenden Tatsachen werden als Verschlusssachen (VS) bezeichnet. Abhängig von der Schutzwürdigkeit einer VS erfolgt die Einstufung innerhalb folgender Geheimhaltungsgrade: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH VS-VERTRAULICH amtlich geheim gehalten GEHEIM amtlich geheim gehalten STRENG GEHEIM amtlich geheim gehalten Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät und unterstützt der Verfassungsschutz landesweit Behörden im vorschriftskonformen31 Umgang mit Verschlusssachen. Auch Wirtschaftsunternehmen arbeiten mit Verschlusssachen, wenn geheimhaltungsbedürftige Aufträge des Bundes und/oder der Länder vergeben werden. Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten (GSB) der betreffenden Dienststellen und die Si29 Nach der "Anweisung zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung/VSA) Rheinland-Pfalz" betrifft dies insbesondere technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. 92 cherheitsbevollmächtigten (SiBe) der Unternehmen, die auch im Berichtszeitraum durch Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren beraten und informiert wurden. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse Verschlusssachen anvertraut werden, die Zugang zu Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit verschaffen könnten. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) ist die Sicherheitsüberprüfung darauf gerichtet festzustellen, ob der (vorgesehene) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten und einer prognostischen Bewertung für den Umgang mit den ihm anzuvertrauenden Verschlusssachen persönlich geeignet ist. Hierbei kommen, je nach Art der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, unterschiedliche Überprüfungsverfahren zur Anwendung. Sein Votum der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) übermittelt der Verfassungsschutz dem Geheimschutzbzw. dem Sabotageschutzbeauftragten der jeweils zuständigen Behörde oder dem Sicherheitsbeauftragten der nicht öffentlichen Stelle. Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die zur Aufgabenerfüllung Zugang zu Verschlusssachen erhalten und deshalb der Geheimschutzbetreuung unterliegen. In RheinlandPfalz sind dies am Ende des Berichtjahres ca. 70 Unternehmen. Ein Sicherheitsrisiko, welches die Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verbietet, können Umstände sein, die nach eingehender Bewertung bspw. festgestellter # verfassungsfeindlicher Bestrebungen / fehlender Verfassungstreue # relevanter vorangegangenen Straftaten # Gründe der (möglichen) Erpressbarkeit # nachrichtendienstlicher Beziehungen # Drogenund Alkoholmissbrauch die persönliche Zuverlässigkeit der überprüften Person in seiner Funktion als Geheimnisträger in Zweifel zieht oder gar verneint. Neben dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz bildet das "Handbuch für den Ge93 heimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) die Grundlage für weitergehende Maßnahmen, zu deren Anwendung sich alle geheimschutzbetreuten Unternehmen freiwillig verpflichten. Die in Rheinland-Pfalz ansässigen Firmen, insbesondere solche aus der Hochtechnologiebranche, werden im Interesse eines umfassenden Wirtschaftsschutzes über aktuelle Ausspähungsmethoden anderer Nachrichtendienste unterrichtet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse unterstützen die Wirtschaftsunternehmen insbesondere auch beim Know-how Schutz. Diesbezüglich werden seitens der Verfassungsschutzbehörde im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft für die Wirtschaft auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen entsprechend sensibilisiert. 2. IT-Geheimschutz/IT-Sicherheit Die Qualität und Quantität der Gefährdungen sowie die sich daraus ergebenden Risiken für die Informationstechnik (IT) sind auch im Jahr 2014 unverändert als kritisch zu bewerten. Dabei ist zu beobachten, dass Wirtschaft und Verwaltung zunehmend von sehr versierten IT-Angriffen betroffen sind, die mit großem Ressourceneinsatz und Professionalität ausgeführt werden. Die seit 2013 öffentlich bekannt gewordenen Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste haben das Vertrauen vieler Anwender in die Informationstechnik nachhaltig erschüttert. Aber auch wesentlich profanere Umstände führen zu Schwachstellen in der ITSicherheit. So kündigte Microsoft bspw. bereits frühzeitig an, im April 2014 den Support für Windows XP endgültig einzustellen und keine betriebssystemspezifischen Schwachstellen mehr zu beheben. Dies ist quasi gleichbedeutend damit, Hackern Tür und Tor zu öffnen. Der Statistik zufolge ist Windows XP aber immer noch eines der beliebtesten Betriebssysteme weltweit und auf nahezu jedem 5. Pc installiert. Werden diese Systeme in industriellen Umgebungen und sicherheitsempfindlichen Bereichen eingesetzt, stellt dies ein langfristig offenes Einfallstor für Schadprogramme und andere Angriffe aus dem Internet dar. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz stellt bei seinen persönlichen Kontakten im Rahmen des Wirtschaftsschutzes nach wie vor fest, dass diese Sicherheitsmängel vielerorts vorliegen und selbst den jeweiligen ITVerantwortlichen nicht bekannt sind. 94 Aufgrund ihrer hohen IT-Affinität rücken im Rahmen des IT-Geheimschutzes und der IT-Sicherheit vermehrt neue Themenfelder auf die Agenda des Verfassungsschutzes. Als Antwort auf die gestiegenen Anforderungen der neuen IT-Sicherheitsrisiken hat der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz seine Aktivitäten auf dem Gebiet des IT-Geheimschutzes und der IT-Sicherheit weiter intensiviert. So erstrecken sich diese auf die Mitarbeit im Krisenstab der Landesregierung, ressortübergreifende Sensibilisierungsmaßnahmen mit konkreten Sicherheitshinweisen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung, zielorientierte Vortrags(und Beratungstätigkeiten) bei Veranstaltungen der Kammern und Verbände sowie (Beratungsund) Sensibilisierungsgespräche in Unternehmen. Die intensivierten Sensibilisierungsmaßnahmen werden durchweg positiv aufgenommen und führen zu einer Reduzierung der Gefahrenpotenziale in Behörden und Unternehmen. 3. Sabotageschutz Im Jahr 2003 wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz in den Anwendungsbereich des LSÜG aufgenommen. Danach sind einer Sicherheitsüberprüfung auch die Personen zu unterziehen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen. Auch bei diesen Sicherheitsprüfungen wirkt die Verfassungsschutzbehörde mit. Ebenso ist der Verfassungsschutz beispielsweise bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach SS 12b Atomgesetz sowie nach SS 7 Luftsicherheitsüberprüfungsgesetz beteiligt. 95 C. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 96 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 97 SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten 98 Teil 1 behörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung Allgemeine Bestimmungen der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Begriffsbestimmungen Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in SS2 einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzbehörde schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Ministerium des Innern und für Sport als Gebiet abzutrennen; Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Bundes oder eines Landes politisch beeinander nicht angegliedert werden. stimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen SS3 Personenzusammenschluss, der darauf gerichZusammenarbeit in Angelegenheiten des tet ist, den Bund, Länder oder deren Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demomit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten kratische Grundordnung politisch bestimmte, des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegeneinem oder für einen Personenzusammenseitiger Unterstützung und im Informationsausschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer diesem Gesetz genannten VerfassungsgrundEinrichtungen. sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einverihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unternehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutznicht in einem oder für einen Personenzusammengesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 schluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses beschädigen. Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden (2) Zur freiheitlichen demokratischen Länder zulassen. Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c Wahlen und Abstimmungen und durch besondes Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzdere Organe der Gesetzgebung, der vollzie99 henden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelZusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 barer, freier, gleicher und gehei-mer Wahl zu wähdes Grundgesetzes) gerichtet sind, len, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasTätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung sungsmäßige Ordnung und die Bindung der erfolgt durch gezielte und planmäßige vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer und Unterlagen. parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre SS6 Verantwortlichkeit gegenüber der VolksverAufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung tretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrdenen im öffentlichen Interesse geheimhalschaft und tungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang 7. die im Grundgesetz konkretisierten dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen Menschenrechte. können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Teil 2 die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, SS5 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Beobachtungsaufgaben Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen oder die Sicherheit des Bundes oder eines Fällen. Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der SS7 Verfassungsorgane des Bundes oder eines Unterrichtung der Landesregierung und der Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienst((1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Landesregierung regelmäßig und umfassend über Deutschland für eine fremde Macht, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifachlich zuständige Minister unterrichtet die tungshandlungen auswärtige Belange der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten Bundesrepublik Deutschland gefährden, und nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Ge(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach danken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten 100 bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe tendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtenfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Bediensteten, Vertrauensleuten und GewährsInteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige personen, das Anwerben und Führen gegnerischer Interesse der betroffenen Person überwiegt. Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Teil 3 Verwendung von Tarnpapieren und TarnkennBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde zeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die SS8 Zuständigkeit für die Anordnung solcher InformaAllgemeine Rechtsgrundsätze tionsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzu(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz legen. und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und die zeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlaoder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsbefugBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. nisse gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsDezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersudie Genehmigung dieser Kommission nachträglich chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoSS9 genen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung Allgemeine Befugnisse des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßund der kommunalen Gebietskörperschaften leisnahmen treffen, insbesondere Informationen einten der Verfassungsschutzbehörde für ihre schließlich personenbezogener Daten verarbeiten, Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Befugnisse besonders regeln. zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn SS 10 Besondere Befugnisse 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung und Gegenstände einschließlich technischer Mittel solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachzur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichrichtenzugänge gewonnen werden können, 101 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehsie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unvermen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verzüglich zu veranlassen. dächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu SS 10 a ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um Weitere Einzelfallbefugnisse auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall keiten für eine fremde Macht oder gewalttäbei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten tige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu gewinnen, zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanund Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände lagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer und Nachrichtenzugänge der VerfassungsAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wieoder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend gende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist oder genannten Schutzgüter vorliegen. 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und der hieraus gewonnenen Informationen bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zwingend erforderlich ist. zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Beihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordertroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich lich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 anzunehmen, wenn die Information auch aus allgegenannten Schutzgüter vorliegen. mein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stebis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unterwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltsnehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen punkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf erbringen, sowie bei denjenigen, die an der diese Weise erreicht werden kann. Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz 2 Postfächern und sonstigen Umständen des nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Postverkehrs einholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausge(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall schlossen werden kann. Lässt sich zu diesem zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsMitteilung so lange, bis eine Gefährdung des mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentaAuskünfte über Telekommunikationsverbinrischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, dungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einhoPostund Fernmeldegeheimnisses gebildete len. Die Auskünfte können auch in Bezug auf Kommission ist über die Gründe, die einer zukünftige Telekommunikation und zukünftige 102 Nutzung von Telediensten verlangt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 Telekommunikationsverbindungsdaten und bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet Standortkennungen sowie Rufnummer oder über die durchgeführten Maßnahmen nach den Kennung des anrufenden und angerufenen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen KontrollAnschlusses oder der Endeinrichtung, gremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen und Uhrzeit, Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundes3. Angaben über die Art der vom Kunden in verfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Wohnungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondedie G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufre einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, sichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des technische Mittel zur optischen und akustischen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die von Beschränkungen des Brief-, Postund FernErforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der meldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von begründen. Über den Antrag entscheidet die Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließLeiterin oder der Leiter oder die stellvertretende lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich Vertreter angeordnet ist. zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem (2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldetatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von geheimnisses gebildete Kommission über die Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 besteht. beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung Ministerin oder der fachlich zuständige Minister steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Bezug zu den in SS 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontaktoder Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz unvermeidbar betroffen werden. zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheim(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in nisses entsprechende Anwendung. Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AuskunftsAnnahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach geber nicht mitgeteilt werden. Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Über103 wachung der Wohnung allein dieser Person zur automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprewerden. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz chend erscheint. 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterSatz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der brochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungs(7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und 53 a der schutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz Strafprozessordnung geschütztes Vertrauenstechnischer Mittel anordnen; eine richterliche verhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entspreEntscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit chend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern die Anordnung des Leiters der VerfassungsschutzTatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die behörde oder seines Vertreters nicht binnen drei zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen SS 5 steht oder eine Kontaktoder Begleitperson nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu (Absatz 2 Satz 2) ist. löschen. SS 10 c (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Besondere Bestimmungen für Maßnahmen zu überwachende Wohnung und die Person, gegen nach SS 10 b die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeich(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorgestaltung oder aus Eingriffen entgegen SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokueinen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, mentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht fortbestehen. In der Begründung der Anordnung mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Daten nach SS 10 b der gerichtlichen Kontrolle Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so des Landesbeauftragten für den Datenschutz und sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen die Informationsfreiheit. Maßnahmen unverzüglich zu beenden. (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur der Abwehr von Gefahren für die öffentliche angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitaufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondeliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, re hinsichtlich der Art der überwachten Räumwenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme lichkeit und des Verhältnisses der überwachten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurech(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu untergericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsbrechen, soweit sich während der Überwachung schutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Verfahren in Familiensachen und in den AngeKernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechlegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine sprechend. 104 (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b gewonMaßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten nenen personenbezogenen Daten sind zu kennohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem zeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtsperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. zuerhalten. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem sein Vertreter kann anordnen, dass bei der ÜberJahr der Löschung folgt, zu vernichten. SS 11 Abs. 5 mittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 vergilt entsprechend. zichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungs(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht ten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit der zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßgabe, dass die Zurückstellung der BenachAnordnung bereits vor der Zustimmung getroffen richtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer Teil 4 gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, Datenverarbeitung oder SS 11 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Erhebung, Speicherung und Nutzung personennach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. bezogener Daten Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, wurden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die über1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht mittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffevon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 nen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass vorliegen, eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfordieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser derlich ist oder Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die erforderlich ist. Übermittlung ist zu protokollieren. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezo(8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks oder andere Datenträger belegbar sein. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unver(2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich lichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 105 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verardass in Akten gespeicherte personenbezogene beitet werden, wenn Daten unrichtig oder unvollständig sind. 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr wäre und erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie betroffenen Person nicht entgegenstehen. schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenDaten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werbezogenen Daten entsprechenden Akten oder den, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderVerständnis der zu speichernden Informationen lich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögVoraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. lich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffetrotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine nen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErhebungsLöschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach zweck anzugeben. Betroffene sind auf die FreiSatz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. willigkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürEinzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur persozenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 nenbezogene Daten über die Personen gespeichert und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach unterliegen oder in diese einbezogen werden. drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu berichtigen oder zu löschen sind. Zwecken der Datenschutzkontrolle, der DatenGespeicherte personenbezogene Daten über sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgeBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin erheblicher Gefährdungen der öffentlichen oder der Leiter der für den Verfassungsschutz Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern Freiheit einer Person erforderlich ist. und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Berichtigung, Löschung und Sperrung personenInteressen Betroffener erforderlich ist. bezogener Daten SS 13 (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Informationsübermittlung an die Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenVerfassungsschutzbehörde bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln 106 von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Infortigen Informationsbestände nehmen, soweit dies mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsder Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 hältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die lung personenbezogener Daten ist auf Name, öffentlichen Stellen des Landes und der kommuAnschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangenalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle hörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Veranderen ihnen bekannt gewordenen Informationen fassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu einschließlich personenbezogener Daten übermitbeschränken. teln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ÜbermittStrafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für lung für die Erfüllung der Aufgaben der VerfassungsZwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz schutzbehörde erforderlich ist. nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhalts(2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle punkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Strafihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich taten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde kommunalen Gebietskörperschaften Informationen findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Anwendung. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die SS 14 Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Informationsübermittlung durch die Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Verfassungsschutzbehörde Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentnur durch eine die Betroffenen stärker belastende liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Maßnahme erhoben werden können. ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete empfangende Stelle darf personenbezogene Daten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitVerfassungsschutzbehörde die Übermittlung persotelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes nenbezogener Informationen oder Informationsbestimmt ist. bestände von öffentlichen Stellen des Landes und (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsder kommunalen Gebietskörperschaften nur verlanschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes gen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übersicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen mitteln an Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzgegen die freiheitliche demokratische Grundordabkommens zu dem Abkommen zwischen den nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes Parteien des Nordatlantikvertrages über die oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden in der Bundesrepublik Deutschland statiooder gegen den Gedanken der Völkerverständigung nierten ausländischen Truppen vom 3. August oder das friedliche Zusammenleben der Völker 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann geändert durch Abkommen vom 18. März auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sons1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 107 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeiVoraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie behörden zur Verfolgung von StaatsschutzAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. delikten, den in SS 100 a der Strafprozess(3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf ordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des genannten Straftaten und sonstigen StrafLandes und der kommunalen Gebietskörpertaten im Rahmen der organisierten Kriminaschaften Auskunft einschließlich personenbezolität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Einstellungs-, Disziplinarund KündigungsverStraftaten sowie sonstige Straftaten, bei fahren, im Einbürgerungsverfahren und in den denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift der Täterin oder des Täters oder der Verbinvorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft dung zu einer Organisation tatsächliche muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen Stelle zwingend erforderlich sein. die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gerichtet sind, gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit dem Militärischen Abschirmdienst Informationen sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies einschließlich personenbezogener Daten. zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenzur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden bezogene Daten an ausländische Nachrichtenerheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden dienste angrenzender Staaten, an andere auslänBekämpfung der in Nummer 2 genannten dische öffentliche Stellen sowie an überund zwiStraftaten oder von Verbrechen, für deren schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher dient, Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen Stelle erforderlich ist und diese die personenmit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesonBelange der Bundesrepublik Deutschland oder dere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen BeFreiheit einer Person oder dem Schutz von troffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist Sachen von bedeutendem Wert oder der aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Gewährleistung der Sicherheit von lebensist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten peroder verteidigungswichtigen Einrichtungen im sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt Sinne des Landessicherheitsüberprüfungswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, gesetzes dienen und dies mit den Aufgaben und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbeder Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 hält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. und SS 6 vereinbar ist. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöfIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesfentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei verfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verdenn, dies ist fassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staats1. zum Schutze der freiheitlichen demokraanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den tischen Grundordnung, des Bestandes oder Polizeibehörden des Landes Informationen einder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschschließlich personenbezogener Daten unter den land oder eines ihrer Länder oder zur 108 Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder SS 16 verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Besondere Pflichten bei der Übermittlung perLandessicherheitsüberprüfungsgesetzes, sonenbezogener Daten 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses de Macht, Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherStelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich heitsgefährdenden oder geheimdienstlichen ohne Bedeutung. Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unter(2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den wanderung von Wirtschaftsunternehmen Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten perdurch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sonenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer genannten Bestrebungen oder Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu oder Vermögen einer Person erforderlich. Die vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, Übermittlung bedarf der Zustimmung der wenn die Trennung von anderen personenbezofachlich zuständigen Ministerin oder des fachgenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforlich zuständigen Ministers oder der Leiterin derlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persooder des Leiters der für den Verfassungsschutz nenbezogenen Daten zu sperren. zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf SS 17 hinzuweisen, dass die übermittelten persoMinderjährigenschutz nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übervon Minderjährigen vor Vollendung des 14. mittelt wurden, und dass die VerfassungsLebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des schutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten die Nutzung der personenbezogenen Daten Akten gespeichert werden. zu verlangen. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 SS 15 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten Übermittlungsverbote gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit Betroffenen dies erfordern, sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten erfordern, insbesondere Gründe des Quellenvon Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen schutzes, des Schutzes operativer Maßdieses Gesetzes übermittelt werden, solange die nahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt entgegenstehen oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregemehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur lungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsBedeutung erforderlich ist. pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebens109 jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Gesetzes nicht an ausländische oder überoder Informationsfreiheit wenden können. Mitteilungen zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an Betroffene SS 18 dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Auskunft an Betroffene der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zuge(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffestimmt hat. nen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für SS 19 deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Datenschutzkontrolle Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Der oder dem Landesbeauftragten für den Datennicht auf die Herkunft der Daten und auf die empschutz und die Informationsfreiheit ist auf Verlangen fangende Stelle bei Übermittlungen. Über persoZutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder nenbezogene Daten in nichtautomatisierten ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in Dateien und Akten, die nicht zur Person von alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Auffinden der personenbezogenen Daten mit angeEinzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des messenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Teil 5 Parlamentarische Kontrolle 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, SS 20 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein Parlamentarische Kontrollkommission können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Ver(1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen fassungsschutzbehörde zu befürchten ist, Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzsonst dem Wohl des Bundes oder eines behörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Landes Nachteile bereiten würde oder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkom4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung mission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausnach einer Rechtsvorschrift oder wegen der schüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlaüberwiegenden berechtigten Interessen mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Dritter geheimgehalten werden müssen. Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Abteilung des Ministeriums des Innern und für besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus Sport oder hierzu besonders Beauftragte. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontroll(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf kommission wählt eine Vorsitzende oder einen keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun(3) Die Beratungen der Parlamentarischen dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgeKontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder lehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verdas Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, pflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt 110 werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des LandesdatenAusscheiden. schutzgesetzes keine Anwendung (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine MitgliedSS 23 schaft in der Parlamentarischen KontrollkomEinschränkung von Grundrechten mission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrolldes Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für kommission ausscheidet. Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 SS 21 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung Befugnisse der Parlamentarischen für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. Kontrollkommission SS 24 (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der (Änderungsbestimmung) fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens SS 25 zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Inkrafttreten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unter(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung richtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz in Kraft. 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erfolgten Einsatz tech(2) (Aufhebungsbestimmung) nischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 111 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 112 Titelbild: Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de