MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2013 Impressum Herausgeber: Ministerium desInnern, für Sport und Infrastruktur Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Druck: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Der Verfassungsschutzbericht 2013 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel.: 06131/16-3773 Mail: info.verfassungsschutz@isim.rlp.de Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2013 ISSN 0948-8723 1 Vorwort Auch das Jahr 2013 stand aus sicherheitspolitischer Sicht unverkennbar unter dem Eindruck der Ereignisse um die Ende 2011 aufgedeckte rechtsextremistische Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Im Mai begann vor dem Oberlandesgericht München der Strafprozess gegen fünf Beschuldigte. Der mit der Aufarbeitung des NSU-Terrors befasste Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat im August seinen Bericht nebst Beschlussempfehlungen vorgelegt. Wichtig ist: Weder die gerichtliche, noch die parlamentarische Befassung stellen Schlussstriche unter die Aufarbeitung dar. Die Exekutive und damit vor allem die Sicherheitsbehörden bleiben in der Pflicht, alles zu tun, damit sich solche Taten nicht wiederholen können. Der bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des NSU eingeleitete umfassende und tiefgreifende Reformprozess wird daher von der Landesregierung weiter konsequent mitgetragen. Die Empfehlungen aus der Mitte des Bundestages und der mit dem NSUKomplex befassten Gremien werden zur weiteren Verbesserung auch der Sicherheitsarchitektur in Rheinland-Pfalz beitragen. Es gibt viele Gründe, die Sicherheitsbehörden in ihrer Funktionsfähigkeit zu stärken. Gerade die fortdauernden Gefahren, die vom Rechtsextremismus ausgehen, belegen dies hinlänglich. Rechtsextremisten lassen nichts unversucht, um einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Sie hetzen, polarisieren und stigmatisieren. Ihr Ton hat sich verschärft. Im Jahr 2013 haben Rechts- 3 extremisten ihre menschenverachtende Agitation vor allem gegen Asylsuchende und Zuwanderer aus Osteuropa intensiviert. Diesem Angriff auf den gesellschaftlichen Frieden und damit die innere Stabilität gilt es entschieden zu begegnen. Für die Landesregierung bedeutet dies, bei der Integrationspolitik sowie der Prävention gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz konsequent Kurs zu halten. Im Bereich des islamistischen Terrorismus haben die konfliktbehafteten politischen Verhältnisse in mehreren Staaten insbesondere Nordafrikas und des Nahen Ostens Auswirkungen bis nach Deutschland. Der Jihad ist näher an Europa und Deutschland herangerückt. Mehr als 200 Personen des islamistischen Spektrums in Deutschland reisten im Jahresverlauf 2013 allein in das Bürgerkriegsland Syrien aus. Ein Teil der Ausgereisten schloss sich dort dem bewaffneten Kampf gegen das syrische Regime an. Die Nachwirkungen, die von der Rückkehr ausgebildeter Kämpfer nach Deutschland ausgehen können, sind derzeit noch nicht im Einzelnen absehbar. Dies ist insoweit eine Entwicklung, die vom Verfassungsschutz genauestens im Auge zu behalten ist - neben weiteren Entwicklungen innerhalb des Islamismus. Auch 2013 sind Linksextremisten im Bundesgebiet durch gewalttätige Aktionen in Erscheinung getreten und stellen damit fortgesetzt eine Gefährdung der Inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Neben dem schon traditionell hohen Aggressionsniveau gegenüber Rechtsextremisten war dies in zunehmenden Maß auch bei Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte zu beobachten. Hierbei ist augenscheinlich ein Nord-Süd-Gefälle, mit einer Konzentration in urbanen Räumen sowie die Existenz von besonders ausgeprägten Szenen in Großstädten wie Hamburg und Berlin erkennbar. Rheinland-Pfalz blieb von entsprechenden Gewaltexzessen verschont; hinsichtlich des gewaltorientierten Personenpotenzials war ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Ebenso stellen (nichtislamistische) extremistische Bestrebungen von Ausländerinnen und Ausländern auf deutschem Boden eine Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Wenngleich diese Organisationen, wie beispielsweise die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), bei vielfältigen öffentlichen Propagandaaktionen in Deutschland weitgehend friedlich agier- 4 ten, besteht die Gefahr, dass sich der an den schwelenden Konfliktherden der jeweiligen Heimatländer orientierende Aktionismus jederzeit gewalttätig ausbreitet. Die Abwehr von Spionage bleibt nach wie vor eine zentrale Herausforderung für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, auch unter dem Eindruck der Enthüllungen des "Whistleblowers" Edward Snowden. Dies belegen aktuelle und zum Teil spektakuläre Spionagefälle. Im Fokus fremder Nachrichtendienste stehen die Bereiche Politik und Militär, aber die Ausspähungsbemühungen richten sich verstärkt auch gegen Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Elektronische Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Beratung und Sensibilisierung rheinland-pfälzischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz wird daher fortgeführt. Der Verfassungsschutzbericht 2013 informiert wieder ausführlich über die Erkenntnislage zu extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen in unserem Bundesland. Ich hoffe, er findet Ihr Interesse. Roger Lewentz Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur 5 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 II. Verfassungsschutzbericht 2013 12 III. Strukturdaten 13 IV. Öffentlichkeitsarbeit: Prävention durch 13 Information V. Programme gegen Rechtsextremismus 14 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 18 1. Personenpotenzial 21 2. Lagebild Strafund Gewalttaten 21 3. Rechtsextremistisches Spektrum 22 3.1 Gewaltbereite Rechtsextremisten und Rechtsterrorismus 23 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 26 3.3 Neonationalsozialisten (Neonazis) 27 3.3.1 "Kameradschaften" 29 3.3.2 Aktionsbündnisse der Neonationalsozialisten 33 3.3.3 "Autonome Nationalisten"(AN) 34 3.4 Rechtsextremistische Parteien 35 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 36 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN) 42 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 43 3.4.2 "Der III. Weg" 43 (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") 7 3.4.3 "Die Rechte" 46 43 3.5 Rechtsextremistische Gefangenenhilfe 48 3.6 Rechtsextremistische Musik 49 3.7 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und 52 Aktionsformen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz II. Linksextremismus 54 1. Linksextremistisches Personenpotenzial 55 2. Lagebild Strafund Gewalttaten 55 3. Gewaltbereiter Linksextremismus 56 3.1 Autonome 57 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 59 III. Islamismus 63 1. Islamistisches Personenpotenzial 63 2. Ideologie des Islamismus 64 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des 65 Jihadismus 3.1 International 65 3.2 Bundesrepublik Deutschland 69 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz 70 4.1 Salafistische Bestrebungen 72 4.2 "Muslimbruderschaft" 75 (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") 4.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." 78 (IGMG) 4.4 "Kalifatsstaat" 81 4.5 Weitere islamistische Organisationen 83 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische 85 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 1. Personenpotenzial 87 8 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya 87 Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) 0 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 095 (DHKP-C) 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten098 Leninisten" (TKP/ML) 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 099 V. Elektronische Medien 102 VI. Spionageabwehr 106 1. Auftrag, allgemeine Lage und Methodik 106 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 109 2.1 Spionage 109 2.2 Proliferation 111 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 114 2.4 Sicherheitspartnerschaft 115 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 118 1. Geheimschutz 118 2. IT-Geheimschutz/IT-Sicherheit 120 3. Sabotageschutz 121 C. Anhang Rechtliche Grundlagen 122 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 123 (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) 9 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient mithin dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes - LVerfSchG (vgl. Teil C. Anhang) u.a. Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen und wertet diese aus. Bestrebungen sind nach dem LVerfSchG ausschließlich politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder andere im Gesetz genannte Schutzgüter gerichtet sind (vgl. insb. SS 4 LVerfSchG). Nicht beobachtet und ausgewertet werden vom Verfassungsschutz demnach entsprechend motivierte Meinungsbekundungen, Einstellungen etc. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die in dem Verfassungsschutzbericht dargelegten Erkenntnislagen der einzelnen, vielschichtigen Phänomenbereiche allein auf die jeweiligen Verhaltensebenen beschränken, d.h. auf einen (vom Gesetzgeber definierten) fokussierten Ausschnitt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind ein wichtiger Beitrag für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Parteiund Vereinsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz ganz vornehmlich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem unter Wahrung des Grund11 satzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur geheimen Informationsbeschaffung ein (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz darf auch nicht die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten. Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer umfassenden Kontrolle. Die vom Landtag eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daneben hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit umfassende Kontrollrechte. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind durch die vom Landtag eingesetzte unabhängige G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2013 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinlandpfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. 12 Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2013. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Die Mitarbeiterzahl (Vollzeitäquivalent) der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz betrug 145 Mitarbeiter/-innen (Stichtag: 1. Mai 2014). Das Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2013 betrug 1.315.000 EUR und 785.000 EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsarbeit: Prävention durch Information Unter der Prämisse weitmöglichster Transparenz betreibt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, indem er über sich und seine Arbeit umfassend informiert. Dies erfolgt aus guten Gründen: Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung der Menschenrechte können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Hierzu leistet der Verfassungsschutz einen wichtigen Beitrag. Auf Anfrage werden Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. 13 Das Angebot richtet sich an alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen (insb. Schulen). Wenn Sie an einer solchen Veranstaltung interessiert sind, nehmen Sie bitte Kontakt auf unter: Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat: Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: info.verfassungsschutz@isim.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. V. Programme gegen Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Protagonisten. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Konzertveranstaltungen, Aufmärsche oder die Verbreitung von Propa14 gandamaterial werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Dadurch werden der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Prävention - viele Bausteine Repression allein trocknet den Nährboden für Rechtsextremismus nicht aus. Daher wird in Rheinland-Pfalz großer Wert auf eine dauerhafte, vielgestaltige Prävention gelegt. Die Prävention setzt früh an, etwa bei der Verbesserung von Lebenssituationen durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut. Denn Menschen in prekärer Lage gehören zu den bevorzugten Zielgruppen rechtsextremistischer Agitation. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, ihre Toleranz gefördert, damit sie die Gefahren dieser menschenverachtenden Ideologie erkennen und ihnen begegnen können. Zu den wichtigen Bausteinen der Prävention zählen zudem die Förderung von Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement sowie die Festigung und Verstetigung der Integration. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische Umtriebe abgerundet. Allein der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hat im Jahr 2013 insgesamt 25 Informationsveranstaltungen mit ca. 1.800 überwiegend jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Hilfen für Aussteiger: Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" und Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung einge15 richtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 45 46 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte der Landesund Kommunalverwaltung gegen Rechtsextremismus und baut ein landesweites Präventionsnetzwerk auf. Gezielt wird auf rechtsextremistische Umtriebe hingewiesen, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch, wenn "nur" von einer latenten oder abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" werden insbesondere junge Menschen über die Gefahren, die vom Gedankengut der braunen Verführer ausgehen, aufgeklärt. Die Präventionsagentur hat auch im Jahr 2013 vor allem die Beratung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fortgeführt. 16 Die Präventionsagentur steht Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner und Dienstleister zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe der Präventionsagentur zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da sie über aktuelle Lageinformationen verfügt. Ergeben sich Probleme mit rechtsextremistischem Bezug in Kreisen, Städten und Gemeinden, so wird, auf Wunsch auch vor Ort, individuell und kompetent beraten. Zum Thema Rechtsextremismus sind bislang u.a. folgende Publikationen erschienen: # Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen # Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus # Kommunen gegen Rechtsextremismus # Frauen im Rechtsextremismus # Erscheinungsformen # Extremistische Gewalt # Rechtsextremismus und Jugend # Musik im Rechtsextremismus # Intellektueller Rechtsextremismus # Weltanschauung und Ideologie im Rechtsextremismus # Erscheinungsbild junger Rechtsextremisten # "Autonome Nationalisten" (AN) # Agitation und Propaganda # "Reichsbürgerbewegung" # Geschichte des Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz 17 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus ist und bleibt eine zentrale gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Für den Verfassungsschutz gehören daher eine intensive Beobachtung und Analyse rechtsextremistischer Bestrebungen zu den Schwerpunktaufgaben. Rechtsextremisten gefährden auf vielfältige Weise die Innere Sicherheit und den gesellschaftlichen Frieden. Sie agitieren und hetzen gegen "Fremde", greifen Mitmenschen an und versuchen auf lange Sicht, den freiheitlichen Rechtsstaat zu unterminieren, um ihn letzthin zu Fall zu bringen. Ihr Tun, das auf einer menschenverachtenden Weltanschauung fußt, zielt darauf ab, die grundlegenden Rechte des Einzelnen zu beseitigen, ebenso wie die demokratische Ordnung als ein Garant dieser Rechte. Die daraus resultierenden abstrakten wie konkreten Gefahren sind offenkundig. Rechtsextremismus kann sich in letzter Konsequenz bis hin zur terroristischen Gewalt entwickeln, wie zuletzt die zu Tage getretenen Erkenntnisse um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) mahnend dokumentieren. Wenngleich auch im Jahr 2013 keine vergleichbaren Aktivitäten bekannt geworden sind, so ist angesichts der Möglichkeit, dass im Zuge von individuellen Radikalisierungsprozessen jederzeit wieder neue terroristische Strukturen entstehen können, weiterhin größte Wachsamkeit geboten. Solche Entwicklungen müssen bereits im Ansatz erkannt und konsequent bekämpft werden. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten ging im Jahr 2013 zwar bundeswie landesweit leicht zurück. Auf weiter hohem Niveau blieben hingegen die Zahlen der erkannten Neonazis und der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten in Rheinland-Pfalz ging 2013 zurück, gleichzeitig stieg aber die darin enthaltene Zahl der Gewaltdelikte nach einem Rückgang im Vorjahr wieder an. 18 Aus Sicht der Verfassungsschutzbehörde Rheinland-Pfalz dürfen die Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschland und in Europa ein Erstarken rechtspopulistischer Tendenzen zu beobachten ist und eine gewisse latente Nähe zu rechtsextremistischem Gedankengut unterstellt werden kann. Der seit mehreren Jahren andauernde Transformationsprozess im subkulturell geprägten rechtsextremistischen Spektrum, das zu einem überwiegenden Teil als gewaltorientiert charakterisiert werden kann, setzte sich auch 2013 fort. In der Praxis bedeutet dies in erster Linie einen Bedeutungsverlust der vormals dominierenden Skinheadszene. Es bleibt dabei, dass weniger ideologische Klammern im subkulturell geprägten Spektrum integrierend wirken, als vielmehr ein diffuses, über Aktionismus und Musik definiertes Gemeinschaftsgefühl. Teile der Neonaziszene haben ihre Bestrebungen fortgesetzt, Parteistrukturen aufzubauen oder sich ihnen anzuschließen. So hatten sich in 2012 die Partei "DIE RECHTE" und im September 2013 die Partei "Der III. Weg" gegründet. Offenkundig sind die Parteigründungen nicht zuletzt taktischem Kalkül geschuldet, insoweit als u.a. versucht wird, unter dem Schutz des Parteienprivilegs möglichen Verbotsmaßnahmen zu entgehen. Diese Vorgehensweise stößt allerdings nicht bei allen Neonazis auf positive Resonanz. Mehrheitlich lehnt man aus programmatisch-ideologischen Gründen die Organisationsform einer Partei nach wie vor ab. Die rechtsextremistische Parteienlandschaft selbst hat sich durch die Neugründung der Partei "Der III. Weg" 2013 weiter verändert. Neben der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) existieren nunmehr zwei relativ neue, neonazistisch geprägte Splitterparteien ("DIE RECHTE" und "Der III. Weg"), die sich bundesweit allerdings bislang nicht gefestigt oder gar etabliert haben. Insofern bleibt die NPD trotz vieler Schwierigkeiten (Stichworte: Führungsund Finanzkrise, laufendes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht) die zahlenmäßig stärkste Gruppierung mit Strukturen in allen Bundesländern. 19 Ein lange schwelender Führungsstreit in der NPD führte Ende 2013 zum Rücktritt des Bundesvorsitzenden Holger Apfel, der erst im November 2011 in dieses Amt gewählt worden war. Bei allem, was dabei eine Rolle gespielt haben mag, kann festgehalten werden, dass sein Konzept, das Erscheinungsbild der NPD zu reformieren (sogenannte seriöse Radikalität), in der Parteianhängerschaft offensichtlich nicht aufging. Inhaltliche Veränderungen standen im Übrigen nicht zur Debatte. Insofern bleibt die NPD ungeachtet aller internen Positionskämpfe eine betont fremdenund demokratiefeindliche, aggressiv agitierende Organisation. Als Agitationsund Aktionsfelder der Rechtsextremisten sind im Jahr 2013 wieder die Themen Asyl und Zuwanderung in den Vordergrund gerückt. Einschlägige Hetzparolen richteten sich insbesondere gegen den Zuzug von EUBürgerinnen und -bürgern aus osteuropäischen Staaten. Durch öffentliche Aufmärsche und andere Aktionen wurde versucht, die von Teilen der Bevölkerung empfundenen subjektiven Ängste und Bedrohungsgefühle für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren. Den Rechtsextremisten ist dabei vordringlich daran gelegen, Solidarisierungseffekte zu erzielen. Das Medium Internet spielt für Rechtsextremisten eine anhaltend wichtige Rolle. Es dient neben Propagandazwecken vor allem der szeneinternen Kommunikation und trägt somit zum Zusammenhalt und zur informationellen Vernetzung des rechtsextremistischen Spektrums bei. Unvermindert wurden und werden zudem soziale Netzwerke und andere unverfängliche Foren genutzt, um zu versuchen, sich unter dem Deckmantel scheinbarer Seriosität möglichst breit gefächert gesellschaftlich zu etablieren. 20 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2013 2012 2013 2012 Gesamt 660 680 21.700 22.150 Gewaltbereite * 150 150 9.600 9.600 Subkulturell geprägte 50 50 7.400 7.500 Rechtsextremisten Neonazis 200 210 5.800 6.000 Parteien 290 <300 7.000 7.150 Sonstige 120 120 2.500 2.500 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltbereiten beinhaltet vor allem das subkulturelle Potenzial und einen Teil der Neonazis. 2. Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) belief sich im Jahr 2013 in Rheinland-Pfalz auf 525 (2012: 604). Von den 525 registrierten Straftaten waren 357 so genannte Propagandadelikte nach SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch (StGB), die die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellen (2012: 429). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) lag bei 36 (2012: 22). In 30 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2012: 20). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2013 drei jüdische Friedhöfe geschändet (2012: drei). 21 Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2013 2012 Gesamt 36 22 Körperverletzungen 30 20 Andere Gewaltdelikte 6 2 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. 3. Rechtsextremistisches Spektrum Rechtsextremisten bilden keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block, eine "rechte Volksfront" existiert nicht. Vielmehr gibt es unterschiedliche Erscheinungsformen (Hauptrichtungen, Strömungen). Im Wesentlichen wird unterschieden zwischen: # subkulturellen Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Innerhalb dieser Strömungen sind verschiedene Organisationsformen (z.B. Parteien, Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (feste Strukturen oder lose, informelle Zusammenschlüsse) zu beobachten. Unterschiede gibt es auch beim Verhalten der jeweiligen Rechtsextremisten (z.B. aktions-, diskursoder parlamentsorientiert) und in Bezug auf ihre ideologisch-politischen Überzeugungen und Ziele. Bei der unter 1. Personenpotenzial aufgeführten Gruppe der Gewaltbereiten handelt es sich nicht um eine eigenständige Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich vornehmlich aus subkulturellen Rechtsextremisten und Neonazis, aber auch anderen Rechtsextremisten zusammensetzt. Teile der rechtsextremistischen Szene sind (u.a. bedingt) durch Doppeloder 22 Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. 3.1 Gewaltbereite Rechtsextremisten1 und Rechtsterrorismus Die rechtsextremistische Weltanschauung ist von exzessivem Feindbilddenken und gleichermaßen von diffusen Bedrohungsvorstellungen geprägt. Hieraus resultiert bei ihren Protagonisten ein stetes Aggressionspotenzial. Hinzu kommt, dass in rechtsextremistischen Kreisen das historisch gewachsene, tief verwurzelte Rollenverständnis eines "politischen Soldaten" (resp. "Kriegers") gepflegt wird. Damit einher geht eine unkritische Verherrlichung des Militärischen und vermeintlich vorbildhafter militärischer Tugenden. Die Neigung, Gewalt zumindest als Option zur Durchsetzung politischer Ziele zu betrachten oder zu erwägen, ist unter Rechtsextremisten demnach erfahrungsgemäß groß. Wenngleich bei Weitem nicht jeder Rechtsextremist zwangsläufig auch zum Täter wird, besteht angesichts dieser Umstände und generell niedriger Hemmschwellen fortwährend die Gefahr, dass sich das Aggressionspotenzial entlädt. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten werden häufig spontan aus Alltagssituationen heraus und von Gruppen begangen. Die Gewalt richtet sich dabei vor allem gegen Menschen, die in die Feindbildraster der Rechtsextremisten passen. Im Verlauf von (geordneten) Aktionen wie Demonstrationen kommt es hingegen vergleichsweise weniger zur Begehung solcher Delikte. Wohl aber geschieht dies immer wieder am Rande von Demonstrationen, während der Anund Abreise. Ziel rechtsextremistischer Gewalt sind in solchen Situationen bevorzugt Linksextremisten und Personen, die man für solche hält. Dabei kann sich die Gewalt zwischen den Lagern aufschaukeln. Bei den rechtsextremistischen Gewalttätern handelt es sich zumeist um männliche Jugendliche und junge Erwachsene mit einfachem bis mittlerem 1 Hiervon erfasst sind Gewalttäter und Tatverdächtige sowie Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Bereitschaft zur Gewalt(anwendung) vorliegen. 23 Bildungsabschluss. Vorschub bei der Tatausübung leisten ein Gefühl vermeintlicher Stärke innerhalb einer Gruppe mit Gleichgesinnten und oft auch der Einfluss von Alkohol, der Hemmschwellen senkt. Das Potenzial gewaltbereiter Rechtsextremisten belief sich bundesweit im Jahr 2013, wie auch im Jahr 2012, auf etwa 9.600 Personen, davon konnten rund 150 in Rheinland-Pfalz festgestellt werden (2012: ca. 150). Mit Schwerpunkt rekrutieren sich gewaltbereite Rechtsextremisten nach wie vor aus der subkulturellen Szene sowie dem Neonazispektrum. In Rheinland-Pfalz setzen sich die etwa 150 gewaltbereiten Rechtsextremisten aus ca. 50 subkulturell geprägten Personen mit Skinheadhintergrund und rund 100 Neonazis zusammen. Rechtsterrorismus Terrorismus als konkrete Handlungsoption wird bis heute zwar innerhalb der rechtsextremistischen Szene mehrheitlich abgelehnt. Es gibt aber eine Reihe von Faktoren, die das Entstehen von Rechtsterrorismus fördern bzw. bewirken können. Hierzu zählen insbesondere die unter Rechtsextremisten verbreitete, weltanschaulich determinierte Gewaltbereitschaft und ihre ausgeprägte Affinität zu Waffen, Munition und Sprengstoffen. Wiederholt wurde zudem in Teilen der Szene über die Führbarkeit eines "bewaffneten Kampfes", auch auf der Grundlage einzelner Theorieschriften, diskutiert. In den vergangenen rund drei Jahrzehnten haben sich mehrere rechtsterroristische Kleingruppen gebildet, denen es jedoch zumeist weder gelang, sich dauerhaft zu etablieren, noch ein nennenswertes Unterstützerumfeld um sich zu scharen. Zudem gab es eine Reihe von Einzeltaten/-tätern von terroristischem Format. Eine neue Dimension der Bedrohung trat mit dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 zu Tage. Den mutmaßlichen NSU-Mitgliedern werden zehn Morde zur Last gelegt. Die Mordopfer waren acht türkischstämmige und ein griechischer Kleinunternehmer sowie eine Polizeibeamtin. Zudem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge, bei denen 23 Personen zum Teil schwer verletzt wurden, zugerechnet. Verübt wurden die Taten im Zeitraum zwischen 2000 und 2007. Die Vorgehensweise bei den Tatbegehungen 24 dokumentiert ein bislang kaum gekanntes Maß an Brutalität und Kaltblütigkeit. In einer Pressemitteilung charakterisiert die Bundesanwaltschaft den NSU als "eine aus drei gleichberechtigten Mitgliedern bestehende Gruppierung. Deren wahre Identität und terroristische Zielsetzung war nur einem eng begrenzten Kreis von wenigen Unterstützern und Gehilfen bekannt. Die 'NSU'-Mitglieder verstanden sich als ein einheitliches Tötungskommando, das seine Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Beteiligung ortskundiger Dritter an den Anschlägen des 'NSU' oder eine organisatorische Verflechtung mit anderen Gruppierungen haben die Ermittlungen nicht ergeben".2 Am 8. November 2012 hat der Generalbundesanwalt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München u.a. wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung Anklage gegen das mutmaßliche NSUMitglied Beate Zschäpe sowie gegen vier mutmaßliche Helfer der Gruppe erhoben. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft haben letztere den NSU zum Teil über Jahre unterstützt, so indem sie die Gruppe mit Papieren, Fahrzeugen und sogar mit einer Tatwaffe versorgten. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, soll die Gruppe selbst mindestens 15 Banküberfälle begangen haben, so dass sie augenscheinlich nicht zwingend auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen war. Am 6. Mai 2013 wurde der Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) gegen den genannten Personenkreis eröffnet. Die Anklageschrift gegen Beate Zschäpe sowie die mutmaßlichen Unterstützer des rechtsterroristischen NSU umfasst 488 Seiten. Die im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den NSU gewonnenen Erkenntnisse belegen hinlänglich die weiter bestehende erhebliche Gefahr der Bildung terroristischer Strukturen im rechtsextremistischen Spektrum sowie die Ausübung schwerster terroristischer Straftaten durch Einzelne. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Früherkennung möglicher individueller Radikalisierungsverläufe. 2 Auszug, DER GENERALBUNDESANWALT beim Bundesgerichtshof, Pressemitteilung 32/2012 vom 8. November 2012. 25 Im Jahr 2013 sind in Rheinland-Pfalz keine rechtsterroristischen Aktivitäten im Sinne des SS 129a Strafgesetzbuch (StGB) bekannt geworden. 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Die heterogene subkulturell geprägte Szene verfügt über keinen geschlossenen ideologischen Überbau. Sie zeigt sich vielmehr von unterschiedlichen rechtsextremistischen weltanschaulichen Versatzstücken beeinflusst. Einen verdichteten rechtsextremistischen Hintergrund können daher auch nur vergleichsweise wenige subkulturell geprägte Rechtsextremisten vorweisen. Der erlebnisorientierte "Eventcharakter", wie beispielsweise durch gemeinsame Besuche von Konzerten oder Demonstrationen generiert, ist stattdessen das tragende Element für den Zusammenhalt. Dies spricht erfahrungsgemäß besonders junge Menschen an. Eine auf Dauer angelegte, inhaltsreiche politische Betätigung und die Einbindung in straffe Strukturen lehnen subkulturelle Rechtsextremisten zwar weitestgehend ab, dennoch existieren oftmals Verbindungen und auch Verflechtungen mit anderen Lagern, vor allem mit Neonazis bzw. mit neonazistischen "Kameradschaften". So ist es nicht ungewöhnlich, dass subkulturelle Rechtsextremisten gerade an Veranstaltungen der "Kameradschaftsszene" und auch rechtsextremistischer Parteien wie der NPD teilnehmen, obgleich sie kein ernsthaftes Interesse an deren politischer Arbeit haben. Der gegenseitige Nutzen liegt vielmehr darin, dass subkulturelle Rechtsextremisten am ihnen entgegenkommenden Aktionismus teilhaben können, während die andere Seite ein über die eigene Mitgliederschaft hinausgehendes Personenpotenzial suggerieren kann. Äußerlich orientiert sich die subkulturell geprägte Szene heute zumeist an den gängigen Modetrends Jugendlicher. Das in der Vergangenheit überwiegend bevorzugte traditionelle "Skinhead-Outfit" mit Attributen wie Bomberjacke, Glatze und Springerstiefel wird seit Längerem als unzeitgemäß angesehen. Dies nicht zuletzt, um ein auffälliges Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zu vermeiden und somit eine Identifizierung durch Außenstehende zu erschweren. Das "klassische" Outfit wird daher vielfach nur noch bei szeneinternen Veranstaltungen getragen. Der Veränderungsprozess dürfte aber nicht 26 allein modischen Vorlieben oder taktischen Erwägungen geschuldet sein. Eine neue, nachgewachsene Generation pflegt ebenso ein neues Selbstverständnis, mit dem andere Darstellungsformen einhergehen. Bundesweit gehören der subkulturellen rechtsextremistischen Szene rund 7.400 Personen an (2012: ca. 7.500). Während ansonsten der Typus des rechtsextremistischen Skinheads, der das subkulturelle Spektrum über eine lange Phase dominiert hat, immer mehr an Bedeutung verliert, bleibt in Rheinland-Pfalz dieses Milieu nach wie vor (noch) von ebensolchen geprägt. Bei den entsprechenden Gruppierungen handelt es sich meist um lose Personenzusammenschlüsse, die räumlich begrenzt agieren. Charakteristisch für die Szene, der überwiegend junge Männer angehören, ist eine hohe Fluktuation. Die in Rheinland-Pfalz festgestellten etwa 50 Skinheads sind zumeist Angehörige von "Kameradschaften"3 und können als neonazistisch geprägt bezeichnet werden. 3.3. Neonationalsozialisten (Neonazis) Neonationalsozialisten (Neonazis) identifizieren sich mit der Ideologie, den Persönlichkeiten und den Organisationen des historischen Nationalsozialismus von 1920 bis 1945. Auftreten und Symbolik der Neonaziszene sind daher ebenso einschlägig geprägt wie ihre Propaganda und Agitation. Die Parallelen zu den Verhaltensmustern der Nationalsozialisten sind unverkennbar. Die an den einschlägigen historischen "Vorbildern" orientierten Überzeugungen und politischen Vorstellungen der Neonazis sind daher auch bis heute in besonders deutlicher Weise von Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und einem zutiefst autoritären Staatsverständnis durchdrungen. Neonazis streben einen ethnisch homogenen ("rassereinen"), diktatorisch gelenkten (Unrechts-)Staat an. Dabei findet nach wie vor das Modell des zentralistisch ausgerichteten "Führerstaats", wie ihn das sogenannte Dritte Reich verkörperte, breiten szeneinternen Zuspruch. 3 Vgl. 3.3.1 27 Die nach neonazistischem Verständnis am Rassegedanken ausgerichtete "Volksgemeinschaft" geht zwangsläufig mit der Diskriminierung und Ausgrenzung aller "artfremden" Ethnien und Kulturen einher, aber auch der von Neonaziseite als Feindbilder gebrandmarkten Teile der Gesellschaft wie Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Obdachlose und nicht zuletzt politisch Andersdenkende. "Volksgemeinschaft" im neonazistischen Sinn ist gleichbedeutend mit der Abschaffung der Freiheit des Individuums und der Liberalität. Jeder "Volksgenosse" hat sich bedingungslos einem diffusen "Volkswillen" zu unterwerfen. Die verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen, wie das auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, sowie tragende Säulen der freiheitlichen Demokratie, wie der Pluralismus, werden somit ausnahmslos negiert. Wenngleich das gesamte Neonazispektrum prinzipiell deutliche Bezüge zum nationalsozialistischen Gedankengut erkennen lässt, ist die Szene nicht gänzlich homogen. Sowohl in der ideologischen Prägnanz als auch strukturell lassen sich Unterschiede feststellen. Nicht alle Neonazis interpretieren beispielsweise den historischen Nationalsozialismus in gleicher Weise oder sind erklärte Hitler-Anhänger. So existieren auch Befürworter "linksnationalistischer" Ideen (z.B. orientiert am historischen Gedankengut des sozialrevolutionären Flügels der frühen NSDAP). Für andere Neonazis wiederum hat die Ideologie der Nationalsozialisten insgesamt ihre grundlegende Verbindlichkeit verloren. Sie bedienen sich zwar einiger aus ihrer Sicht relevanter weltanschaulicher Teilaspekte, ohne daraus aber einen zielgerichteten politischen Willen zu entwickeln. Bei solchen eher cliquenhaften neonazistischen Zusammenschlüssen stehen das Gemeinschaftserlebnis und der gemeinsame Aktionismus im Vordergrund. Kennzeichnend für die Neonaziszene bleibt, allein aufgrund der sie prägenden Weltanschauung, eine latente Gewaltbereitschaft. Teile des Neonazispektrums werden dem rechtsextremistischen Gewaltpotenzial zugerechnet. Nicht alle dieser Aktivisten suchen allerdings in der politischen Auseinandersetzung die offene, militante Konfrontation. Dem liegt in aller Regel aber politisch-taktisches Kalkül zugrunde und nicht eine Abkehr von der Gewalt 28 als probatem "Mittel zum Zweck". Strukturell fährt die Neonaziszene mehrgleisig. Weite Teile finden sich in mitunter strukturarmen Gruppierungen mit regionalem Zuschnitt wieder, wie beispielsweise "Kameradschaften". Solche Neonazis und organisationsunabhängige Aktivisten titulieren sich u.a. als "Freie Nationalisten" oder "Freie Kräfte". Andere Neonazis wiederum orientieren sich in jüngerer Zeit verstärkt am Organisationsmodell einer Partei, wie die Gründungen der rechtsextremistischen Parteien "DIE RECHTE" im Jahr 2012 und "Der III. Weg" im Jahr 2013, die jeweils unter maßgeblicher Beteiligung von Neonazis stattfanden, zeigen.4 Bislang ist dies aufgrund des dominierenden Selbstverständnisses erklärter Opposition zum demokratischen Verfassungsstaat und dem diesen mittragenden Parteiensystem innerhalb der Neonaziszene nicht mehrheitsfähig. Bundesweit belief sich die Zahl der Neonazis im Jahr 2013 auf etwa 5.800 Personen (2012: 6.000). In Rheinland-Pfalz lag die Zahl bei rund 200 Personen (2012: 210). Etwa 100 der in Rheinland-Pfalz zumeist in "Kameradschaften" organisierten Neonazis gelten als gewaltbereit. 3.3.1 "Kameradschaften" Neonazistische "Kameradschaften" sind überwiegend organisationsund parteiunabhängige Gruppen mit lokalem oder regionalem Zuschnitt und Aktionsradius. Durchschnittlich kann man von einer Größenordnung zwischen fünf und 20 Personen ausgehen; zumeist handelt es sich dabei um junge Männer. Die regionale Verankerung von "Kameradschaften" wird in der Regel durch entsprechende Selbstbezeichnungen (z.B. "Kameradschaft Zweibrücken") zum Ausdruck gebracht. Nicht hinter jeder augenfälligen Selbstbezeichnung müssen sich jedoch bereits aktionsfähige Zusammenschlüsse gebildet haben. Mitunter treten "Kameradschaften" oder vermeintlich vergleichbare Strukturen ausschließlich mit einer Internetpräsenz auf. Die szenetypisch gestalteten Seiten stehen häufig in keinem Verhältnis zu der Bedeutung oder Mitgliederzahl der entsprechenden Gruppierungen. Unter Umständen kann es sich lediglich um 4 Vgl. Kapitel 3.4.2 und 3.4.3 29 (zunächst) rein virtuelle Gebilde handeln, die von Einzelpersonen erstellt und gepflegt werden, um Aufmerksamkeit und ggf. Resonanz zu erzielen. Die "Kameradschaften" besitzen meist einen streng hierarchischen Aufbau, obgleich nach außen bisweilen der Anschein von losen Cliquen oder privaten Freundeskreisen erweckt werden soll. Insgesamt stellen die Gruppierungen keine geschlossene, einheitliche Bewegung dar. Allerdings ist die Szene nicht zuletzt aufgrund vielerlei persönlicher Kontakte sowie durch die intensive Nutzung des Internets und anderer Kommunikationsmittel untereinander gut vernetzt. Somit können bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen oder Mahnwachen punktuell weitaus mehr Personen mobilisiert werden, als in den jeweiligen Regionen vorhanden. Entsprechende Kontakte werden im Übrigen auch zu Rechtsextremisten im Ausland gepflegt. Neonazistische "Kameradschaften" sind grundsätzlich darauf bedacht, ihre Eigenständigkeit im rechtsextremistischen Lager zu bewahren. Vordergründig grenzen sie sich beispielsweise von rechtsextremistischen Parteien ab, die als zu systemkonform kritisiert werden. Dennoch bestehen seit Jahren auch zwischen "Kameradschaften" und der NPD mitunter enge Verbindungen oder vereinzelt personelle Überschneidungen. Die politische Arbeit in den "Kameradschaften" ist unterschiedlich stark ausgeprägt und hängt meist vom Engagement Einzelner ab. Interne Veranstaltungen, wie die so genannten Kameradschaftsabende, haben größtenteils einen eher geselligen Charakter, um losgelöst von theoretischer politischer Bewusstseinsbildung in erster Linie das Gruppengefühl und den Zusammenhalt zu stärken. Die Treffen werden auch genutzt, um Aktionen wie Fahrten zu regionalen und überregionalen Demonstrationen oder rechtsextremistischen Konzerten zu planen. Politische Schulungen im eigentlichen Sinne werden nur selten durchgeführt. "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken" Die seit 2003 bestehende "Kameradschaft" hat derzeit eine Mitgliederzahl von etwa 10 bis 15 Personen. Diese stammen überwiegend aus dem näheren Umkreis von Zweibrücken. Verbindungen bestehen insbesondere zu Rechts30 extremisten im Saarland und zum NPD Kreisverband Westpfalz. Die Gruppierung führt vor allem interne Treffen und öffentliche Aktionen durch. Im August 2013 organisierte die "Kameradschaft" anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens eine vergleichsweise große Musikveranstaltung auf einem abgelegenen Gartengrundstück in der Südwestpfalz. An dieser Veranstaltung, bei der auch der szenebekannte Sänger und Rechtsextremist Michael R. aus Berlin (gen. "Lunikoff") auftrat, nahmen etwa 300 Besucher teil. Weitere nennenswerte Aktivitäten waren ein am 14. März 2013 durchgeführter "Fackelmarsch" zum "Gedenken" an die Bombardierung von Zweibrücken am 14. März 1945 unter dem Motto "Der Bombenholocaust über Zweibrücken". An der Veranstaltung nahmen etwa 70 Personen teil. Im Rahmen der Bundestagwahl konnte eine verstärkte Unterstützung der NPD durch die Kameradschaft wahrgenommen werden. Es wurden Infostände und Verteilaktionen mit NPD Wahlwerbematerial organisiert und durchgeführt. Alle Veranstaltungen verliefen ohne besondere Vorkommnisse und ohne Anteilname der Bevölkerung ab. "Heimatschutz Donnersberg" Die seit etwa drei Jahren bestehende "Kameradschaft Heimatschutz Donnersberg" ist in der Region Rockenhausen angesiedelt. Im Jahr 2013 haben die Aktivitäten der Gruppierung merklich nachgelassen. So konnten im Gegensatz zu den Vorjahren keine öffentlich wirksamen Aktionen mehr wahrgenommen werden. Auch die Internetseite des "Heimatschutz Donnersberg", die über Aktionen und aktuelle Themen der Szene berichten soll, wird kaum noch gepflegt. Sie enthält jedoch weiterhin Verweise auf andere rechtsextremistische Gruppierungen. 31 "Kameradschaft Pfalzsturm" Zum Jahresbeginn 2013 hat sich im Bereich Kaiserslautern die "Kameradschaft Pfalzsturm" gegründet, die aus weniger als zehn Personen besteht. Sie ist bislang überwiegend in Kaiserslautern aktiv, wo im Innenstadtbereich mehrere Veranstaltungen und Kundgebungen durchgeführt wurden. Engere Kontakte bestehen zur "Kameradschaft Nationaler Widerstand Zweibrücken", was u.a. durch wechselseitige Unterstützung bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen und "Mahnwachen" zu Tage tritt. "Initiative Südwest" Wie bereits im Jahr 2012 entwickelte die im Raum Alzey angesiedelte Gruppierung "Initiative Südwest" auch 2013 keinerlei öffentlich wirksame Aktivitäten mehr. "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Die seit 2006 existierenden "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" waren auch 2013 mit einem Internetportal präsent, welches jedoch nicht mehr aktualisiert wurde. Es soll nach eigenen Angaben ein "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen" sein. Auf ihrer Homepage propagieren sie u.a.: "Wir wollen Dich! Tritt ein in den Widerstand" und weiter (Auszug): "Wenn Du es nicht mehr ertragen kannst, wie deine Heimat zerstört wird, wenn Du kotzen mußt bei all der Überfremdung und Schande, wenn du es leid bist, wie die Natur und Umwelt zubetoniert wird, nur um noch eine Fabrik oder Supermarkt zu bauen, den keiner wirklich braucht. Dann bist Du bei uns richtig!".5 Im Jahr 2013 konnten kaum noch Aktivitäten der "Kameradschaft" verzeichnet werden. 5 Internethomepage, Stand: 12. März 2013 32 3.3.2 Aktionsbündnisse der Neonationalsozialisten Einzelne Führungsaktivisten oder "Kameradschaften" aus dem Neonazispektrum haben sich zu sogenannten Aktionsbündnissen oder Aktionsbüros zusammengeschlossen. Diese mitunter länderübergreifenden Netzwerkstrukturen sollen der Koordinierung von gemeinsamen Aktivitäten innerhalb der rechtsextremistischen Szene dienen und so deren Zersplitterung entgegenwirken. Darüber hinaus wird der Zweck verfolgt, die Mobilisierungsfähigkeit bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen zu verbessern. Die Mitglieder und vor allem Verantwortliche dieser Zusammenschlüsse unterhalten in der Regel gute Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen und deren Führungspersonen in angrenzenden Regionen und auch darüber hinaus. Als Kommunikationsplattform wird in erster Linie das Internet genutzt; über eigens dafür gestaltete Internetseiten werden neben Terminankündigungen - oft tagesaktuell - Veranstaltungsberichte nebst einschlägigem Bildund Filmmaterial verbreitet. Die Seiten verweisen zudem auf die anderer rechtsextremistischer Gruppen. Seit 2003 existiert im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim das "Aktionsbüro Rhein-Neckar" (ABRN). Nach eigener Darstellung wird es durch die Initiative einzelner Aktivisten betrieben. "Kameradschaften" oder andere Gruppierungen selbst sollen beabsichtigter Weise nicht Bestandteil oder Untersektionen des "Aktionsbüros" sein. Alle durchgeführten Aktionen werden "von den jeweiligen Projektverantwortlichen geleitet".6 Der Wirkungsschwerpunkt des ABRN liegt im Rhein-Neckar-Dreieck; somit sind durch dessen Aktionen die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und RheinlandPfalz betroffen. Als Kommunikationsplattform nutzt das "Aktionsbüro" eine rechtsextremistische Internetseite, auf der über geplante und durchgeführte Aktionen berichtet wird. Mit dem "Aktionsbüro Mittelrhein" (ABM) gibt es seit 2007 im Norden von Rheinland-Pfalz eine weitere entsprechende Struktur. Das ABM verfügt über langjährige gute Kontakte zu Rechtsextremisten vor allem nach NordrheinWestfalen. 6 Homepage (ABRN) 33 Im März 2012 wurden umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen das "Aktionsbüro" eingeleitet, in deren Zuge 34 Gebäude in vier Bundesländern durchsucht wurden, darunter auch das sogenannte Braune Haus in Bad NeuenahrAhrweiler, das als Wohnund Treffobjekt der rechtsextremistischen Szene fungierte. Im Verfahren vor dem Landgericht Koblenz, das am 20. August 2012 eröffnet wurde, waren ursprünglich 26 mutmaßliche Mitglieder des "Aktionsbüros" angeklagt. Ihnen wird unter anderem die Bildung beziehungsweise die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB vorgeworfen. Gegen vier der Angeklagten, die im Laufe des Verfahrens Geständnisse abgelegt hatten und beteuerten, mit der Szene gebrochen zu haben, sprach das Gericht im November 2012 die ersten Urteile. Zwei Angeklagte im Alter von 23 Jahren wurden zu Jugendstrafen von 21 Monaten wegen Landfriedensbruch sowie 18 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung auf Bewährung verurteilt. Zwei weitere 20 und 22 Jahre alte Angeklagte wurden unter anderem wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch schuldig gesprochen, eine Jugendstrafe wurde zunächst aber nicht verhängt. Das Verfahren gegen die weiteren Angeklagten wird 2014 fortgesetzt werden. 3.3.3 "Autonome Nationalisten" (AN) In der Neonaziszene existiert seit dem Jahr 2003 die Strömung der sich selbst so bezeichnenden "Autonomen Nationalisten" (AN). Von den sonstigen Neonazivereinigungen unterscheiden sich die AN vor allem im Auftreten und der Agitationsweise, beides ist von betont jugendkonformem Zuschnitt. Das äußere Erscheinungsbild der AN orientiert sich dabei stark an dem linksextremistischer Autonomer, was bei uninformierten Betrachtern zu Irritationen führen kann und auch soll. Bei Demonstrationen traten AN-Aktivisten in der Anfangszeit in sogenannten Schwarzen Blöcken auf, wobei das einheitlich martialische Aussehen Geschlossenheit und Durchsetzungswillen dokumentieren sollte. Auch die Verwendung von Versatzstücken linksextremistischer Parolen und Symbolen oder die Nutzung von Anglizismen erinnern an die linksautonome Szene. Von Beginn an zeigten die AN bei öffentlichen Aktionen ein hohes Maß 34 an Aggressivität und Gewaltbereitschaft, was sich wiederholt in Gewalttaten entlud. Dieses Verhalten fand nicht ungeteilte Zustimmung in der Szene. Eine kontinuierliche, tiefgreifende politische Arbeit findet in AN-Kreisen kaum statt; ihre Ziele bleiben oft vage. Im weitesten Sinne streben "Autonome Nationalisten" eine autoritäre, völkisch-nationalistische Gesellschaftsform an. Damit einhergehende Vorstellungen, wie die einer auf Vergemeinschaftung durch Enteignung beruhenden Wirtschaftsordnung, tragen ansatzweise Züge der kommunistischen Ideologie. Brennpunkte der AN waren bislang insbesondere in Nordrhein-Westfalen (Ruhrgebiet) und im Großraum Berlin. In Rheinland-Pfalz sind keine Strukturen zu erkennen. Angehörige der rechtsextremistischen Szene im Norden von Rheinland-Pfalz unterhalten jedoch gute Kontakte zu AN-Aktivisten in Nordrhein-Westfalen. Zudem wurden in Rheinland-Pfalz Internetauftritte bekannt, deren Aufmachung eine Nähe zur AN-Szene erkennen ließen. Zwischenzeitlich ist die Entwicklung weiter vorangeschritten und hat zu Veränderungen geführt. Zum Einen haben die AN als Strukturmodell an Bedeutung verloren. Sie kommen heute mehr als eine Art Aktionsform zum Tragen. Zu beobachten ist auch, dass eine Reihe von AN-Aktivisten heute (wieder) in hergebrachten Neonazistrukturen wie "Kameradschaften" integriert ist. Insofern kann bei den AN auch nicht mehr in Gänze von einer eigenständigen Strömung im rechtsextremistischen Spektrum ausgegangen werden. Eine aussagekräftige Gesamtzahl des Potenzials lässt sich aufgrund der beschriebenen Entwicklung nicht darstellen. 3.4 Rechtsextremistische Parteien Das rechtsextremistische Parteienlager hat sich in den vergangenen Jahren, bei insgesamt sinkenden Mitgliederzahlen, deutlich verändert. Nach dem gescheiterten Fusionsversuch zwischen der NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) im Jahr 2011 erfolgte 2012 faktisch die Auflösung der DVU, die als Partei seit 1987 existierte. Ebenso 2012 entstand die rechtsextremistische Partei "DIE RECHTE" unter der Führung des bekannten Neonazis Christian Worch. Zwischenzeitlich hatte die Partei acht Landesverbände, so auch seit Ende 2013 in Rheinland-Pfalz; Ende März 2014 haben zwei Landesverbände ihre Arbeit eingestellt. 35 Im September 2013 wurde mit der Organisation "Der III. Weg" eine weitere rechtsextremistische Partei neben der NPD gegründet, die anstrebt, bundesweit Fuß zu fassen. Die beiden neuen Parteien "DIE RECHTE" und "Der III. Weg" sind erkennbar neonazistisch geprägt. Damit dürften sie stärker polarisieren als die NPD, die sich mit Blick auf ein möglichst breiteres Sympathisantenfeld zumindest nach außen nicht so pointiert gibt. 3.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganistationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) Mitglieder Bund: ca. 5.500 (2012: ca. 6.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 250 (2012: unter 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband; drei Kreisverbände Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Die NPD ist nach der Auflösung der "Deutschen Volksunion" (DVU) im Jahr 2012 die älteste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie wurde im Jahr 1964 gegründet, um das seinerzeit zersplitterte rechtsextremistische Lager zu vereinen. Damals wie heute schließt dies die Integration auch von Befürwortern und Anhängern der nationalsozialistischen Ideologie mit ein. Am 14. Dezember 2012 fasste der Bundesrat den Beschluss, gemäß Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz in Verbindung mit SS 13 Nr. 2 und SSSS 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zu beantragen. Die Antragsschrift wurde am 3. Dezember 2013 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie verfolgt das Ziel, die NPD einschließlich ihrer Teilorganisationen (JN, RNF, KPV) für 36 verfassungswidrig zu erklären. Mit diesem Verbot würde die NPD nicht mehr von staatlichen Parteienprivilegien, wie der Parteienfinanzierung, profitieren. Die Antragsschrift wurde der NPD am 12. Dezember 2013 zur Stellungnahme zugeleitet. In ihrer daraufhin abgegebenen Stellungnahme vom 25. März 2014 beantragte die NPD erwartungsgemäß, den Verbotsantrag als unzulässig zu verwerfen. Der Ausgang des Verbotsverfahrens bleibt abzuwarten. Politische und weltanschauliche Ausrichtung Ideologisch und programmatisch ist die NPD unverändert von rassistischem, antisemitischem und demokratiefeindlichem Gedankengut geprägt. Sie missachtet und bekämpft die freiheitliche demokratische Grundordnung unserer Verfassung, betreibt Hetze gegen Minderheiten und schürt Hass in der Gesellschaft. Offenkundig wird dies insbesondere durch eine abwertende, respektlose Ausdrucksweise in Bezug auf die demokratische Ordnung, verfassungsmäßige Parteien und demokratisch legitimierte Repräsentanten. Der NPD schwebt ein Staat vor, der dem in letzter Konsequenz autoritären Präsidialsystem in der Zeit der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 ähnelt, welches faktisch von Hitler in der Frühphase der Machtkonsolidierung im "Dritten Reich" fortgeführt wurde. Parteien, als verfassungsmäßig verbriefter Ausdruck politischer Willensbildung, haben in diesem Staat keinen Platz. Von Beginn ihrer Entwicklung an propagiert die NPD zudem ein völkisches Staatsmodell, basierend auf einer homogenen "Volksgemeinschaft", das in letzter Konsequenz auf Erniedrigung, Ausgrenzung und Gewalt gründet. Der Menschen, die den weltanschaulichen Faktoren der NPD nicht entsprechen, will sich die Partei systematisch durch Abschiebung entledigen. Die NPD spricht u.a. von "Rückführung von Ausländern in die Heimatländer" und propagiert dies in einer zynischen, menschenverachtenden Weise. Das der rechtsextremistischen Weltanschauung innewohnende exzessive Feindbilddenken findet bei der NPD insbesondere gegen Menschen jüdischen Glaubens Ausdruck. Weiterhin trifft es Muslime 37 sowie in jüngster Vergangenheit verstärkt Minderheiten wie Sinti und Roma. Die Feindschaft gegenüber Juden, landläufig als Antisemitismus bezeichnet, nährt sich bei Rechtsextremisten, so auch im Falle der NPD, in erster Linie aus rassistischen Motiven, obgleich fortwährend versucht wird, andere Beweggründe wie beispielsweise wirtschaftliche Aspekte vorzuschieben. Im Kern sieht die Anhängerschaft der NPD im Menschen jüdischen Glaubens ein von Natur aus minderwertiges, nicht gesellschaftsfähiges Wesen. Entlarvend sind diesbezügliche Verlautbarungen, die stets von Stereotypen und erniedrigenden Begriffen durchdrungen sind. Auch Muslime werden von der NPD generell als Bedrohung angesehen und systematisch diffamiert, indem sie undifferenziert mit religiösen Eiferern oder gar religiös motivierten Gewalttätern und Terroristen gleichgesetzt werden. Auf diese Weise werden Bedrohungsszenarien konstruiert, die in der Bevölkerung Ängste gegenüber Muslimen wachrufen sollen. Die im Jahr 2013 verstärkt geführte Debatte um die Zuwanderung aus osteuropäischen Staaten wurde von der NPD u.a. im Bundestagswahlkampf aufgegriffen, um insbesondere Sinti und Roma zu diffamieren. Den Personengruppen wird von der NPD generell die Fähigkeit zur Integration abgesprochen. Besonders verwerflich sind stupide wiederholte Vorurteile wie beispielsweise eine vermeintlich im Zusammenhang mit dem Zuzug stehende steigende Kriminalitätsrate. Auf diese Weise sollen Ressentiments geschürt und Solidarisierungseffekte in Teilen der Bevölkerung erzielt werden. Organisation Der erst im November 2011 zum NPD-Bundesvorsitzenden gewählte Holger Apfel erklärte am 19. Dezember 2013 unter Angabe gesundheitlicher Gründe seinen Rücktritt von diesem Amt. Zugleich legte er den Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag nieder. Apfel trat 2011 in die Fußstapfen des seit 1996 amtierenden Udo Voigt. Wie 38 auch seinerzeit Voigt strebte er an, der Partei eine neue strategische Ausrichtung zu geben. Voigt schuf die so genannte Dreibzw. später Vier-SäulenStrategie ("Kampf um die Köpfe, Straße, Parlamente und den organisierten Willen"), mit der er die Mitte der 1990er Jahre ins Trudeln geratene Partei vorübergehend konsolidieren konnte. Mit Voigt verband sich auch eine bis heute fortwährende Öffnung zum Neonazilager, welche die Partei personell wie ideologisch prägt. Holger Apfel versuchte einen strategischen Wandel einzuleiten, um die NPD zukunftsfähig zu machen. Letztlich ging es darum, der rechtsextremistischen Partei Akzeptanz im bürgerlichen Lager zu verschaffen ("Marsch in die Mitte der Gesellschaft"). Der von Beginn an innerparteilich zum Teil heftig umstrittene Erneuerungsprozess zielte nach eigenem Bekunden auf eine "zukunftsorientierte und volksnahe Ausrichtung" der NPD ab. Apfel kleidete sein Vorhaben in das Schlagwort "seriöse Radikalität". Im Klartext bedeutete dies: Modernisierung der Fassade unter strikter Beibehaltung der einschlägigen politisch-weltanschaulichen Positionen. Zu keinem Zeitpunkt standen die menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte der NPD-Programmatik zur Disposition. Am 10. Januar 2014 wurde Udo Pastörs zum kommissarischen Parteivorsitzenden der NPD gewählt. Pastörs war der bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende und ist Chef der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern.7 Ziele und Strategien Die NPD hält weiter an ihrem strategischen Ziel der Beseitigung der demokratischen Staatsund Verfassungsordnung fest. Damit strebt sie eine radikale gesellschaftliche Umwälzung zum Nachteil insbesondere von Minderheiten und politisch Andersdenkenden an. Ungeachtet der in den vergangenen Jahren intern verstärkt ausgetragenen Strategiediskussion kann mit Blick auf die grundsätzliche strategische Positio- 7 Veröffentlicht auf der Internetseite der NPD am 10.01.2014. 39 nierung der Partei in jüngerer Zeit nur von marginalen Veränderungen gesprochen werden. Im Kern hält sie an dem strategischen Modell aus der Ära Udo Voigt ("Vier-Säulen-Konzept", s.o.) fest. Die menschenverachtende Grundüberzeugung der Partei steht offensichtlich nicht zur Disposition. Politisch versuchte die NPD weiter auf der Woge der Euro-Krise mit zu schwimmen und mit einer "Anti-Euro-Kampagne" zu punkten. Dies zeigte sich aber nicht allein in einer fortwährenden Polemik gegen die Gemeinschaftswährung als solche. Auch der Europagedanke, die europäische Integration und die gemeinsamen europäischen Institutionen waren Ziel vielfacher verbaler Attacken. Mit einer gewissen Intensität betreibt die NPD weiterhin an der gesellschaftlichen Basis eine Art "Graswurzelarbeit". In diesem Sinne versucht die rechtsextremistische Partei u.a., durch zunächst unpolitische, insofern unverfänglich erscheinende Angebote und Aktivitäten, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern zu gewinnen. Dies schließt beispielsweise ehrenamtliches Engagement, Vereinstätigkeit oder bloße "Nachbarschaftshilfe" mit ein (Stichwort: "Kümmerer"). Unter dem Deckmantel scheinbarer Bürgernähe und Heimatverbundenheit will man auf diese Weise von der Basis her auf langfristige Sicht das NPD-typische, eindimensional autoritäre Gegenmodell zur freiheitlich-pluralistischen Gesellschaftsordnung verankern. Insbesondere vor dem Hintergrund des laufenden Verbotsverfahrens dürfte die NPD zumindest zeitweise bemüht sein, ihre demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Positionen stärker zu verschleiern. Teilnahme an Wahlen Die NPD hat das selbstgesetzte Ziel, sich mittels möglichst vieler Mandate auf allen parlamentarischen Ebenen dauerhaft zu etablieren und zu verankern. Sie verspricht sich davon neben einem gewissen politischen Einfluss nicht zuletzt eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage durch Teilhabe an der staatlichen Parteienteilfinanzierung, sowie von Fraktionsgeldern. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft allerdings eine deutliche Lücke, wie die in den 40 vergangenen Jahren insgesamt rückläufigen Wahlergebnisse zeigen. Bei der Bundestagswahl 2013 erhielt die NPD 1,3 % der Wählerstimmen (2009: 1,5 %); in Rheinland-Pfalz waren es gegenüber 2009 gleichbleibend 1,2 % der Wählerinnen und Wähler, die der NPD ihre Zweitstimme gaben. Entwicklung der NPD in Rheinland-Pfalz Im Juli 2013 erfolgte die Wahl eines neuen NPD-Landesvorstandes. Mit geprägt wird der NPD-Landesverband auch weiterhin von Angehörigen des Neonazilagers, sei es als Funktionäre und Mitglieder oder durch personelle Unterstützung bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Im Anschluss an die Neubesetzung des Vorstandes wurden verstärkt interne Querelen deutlich, die auch offen im Internet, insbesondere via Facebook und auf einschlägigen rechtsextremistischen Seiten und Foren, von Szeneangehörigen kommentiert wurden. So soll es einem Rundbrief des neuen Landesvorsitzenden zu Folge durch den früheren Landesvorstand zur Unterschlagung von Parteigeldern gekommen sein; man habe deshalb Anzeige gegen die in Verdacht stehenden Personen erstattet. Der Streit gipfelte Ende September 2013 im Austritt mehrerer Parteifunktionäre und -mitglieder, die die Partei "Der III. Weg" mit gründeten, was sodann weitere NPD-Mitglieder zum Übertritt in die neue rechtsextremistische Partei veranlasste. Dem rheinland-pfälzischen Landesverband der NPD gehören mit sinkender Tendenz ca. 250 Personen an. Die vormals elf Kreisverbände wurden im Januar 2013 durch Zusammenlegungen auf zunächst vier und später auf drei Kreisverbände reduziert. Nach eigenen Angaben verfolgt die NPD damit das Ziel, "organisatorisch handlungsfähig" zu bleiben. Erkennbare Aktivitäten entfalten derzeit die Kreisverbände Trier, Westpfalz und der neu gegründete KV Rheinhessen-Pfalz. Im Bereich Koblenz/Westerwald können derzeit keine festen NPD-Strukturen festgestellt werden. Insbesondere anlässlich des Bundestagswahlkampfs 2013 trat die NPD in der Öffentlichkeit im Rahmen von Demonstrationen und anderen Aktionen wie Infoständen und Flugblattverteilungen in Erscheinung. Die Teilnehmerzahlen 41 blieben zumeist gering. Eine nennenswerte, über den normalen Gegenprotest hinausgehende Resonanz seitens der Bevölkerung blieb aus. Regelmäßig betrug die Teilnehmerzahl der Gegenveranstaltungen ein Vielfaches der rechtsextremistischen Teilnehmer. Eine durch die NPD angemietete Immobilie in der Gemeinde Herschberg (Landkreis Südwestpfalz) wurde nach Auflösung des Mietvertrages Ende 2013 durch den Parteivorstand geräumt. Das als "Haus der Demokratie" titulierte Gebäude wurde zuvor von der NPD als Versammlungsstätte für Rednerveranstaltungen und Feste genutzt. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: ca. 380 (2012: ca. 350) Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 (2012: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband; mehrere Stützpunkte Publikationen: Zentralorgan "Der Aktivist" erscheint unregelmäßig; in Rheinland-Pfalz keine eigene Publikation Die JN sind die einzige Jugendorganisation im organisierten Rechtsextremismus. Mit der Mutterorganisation NPD sind sie gemäß Parteisatzung eng verbunden. Weltanschaulich wie thematisch unterscheiden sich die JN daher auch nicht von der NPD. In Rheinland-Pfalz verzeichneten die JN im Jahr 2013 eine rückläufige Mitgliederzahl. Die bestehenden Strukturen befinden sich im Wandel, so dass hierüber keine verlässlichen Angaben gemacht werden können. Einzig der neu gegründete "JN Stützpunkt Ahrtal" informierte in jüngster Vergangenheit im Internet, insbesondere via Facebook, vermehrt über seine Aktivitäten. Nennenswerte, öffentlichkeitswirksame Aktionen der JN konnten in Rheinland-Pfalz 2013 nicht festgestellt werde, was auf fehlende flächendeckende Strukturen und wenig motivierte Mitglieder schließen lässt. 42 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Der RNF wurde im Jahr 2006 gegründet und gilt seit 2008 als eigenständige Unterorganisation der NPD. Nachfolgerin der bisherigen Bundesvorsitzenden des RNF ist seit März 2014 die stellvertretende Vorsitzende des NPD Landesverbandes Rheinland-Pfalz Ricarda Riefling. In Rheinland-Pfalz sind auch nach der Wahl einer neuen Landesvorsitzenden im Oktober 2013 keine nennenswerten öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen des RNF bekannt geworden. In einem auf der organisationseigenen Internet-Webseite veröffentlichten Statement erklärt die Landesvorsitzende jedoch, dass der RNF zukünftig vermehrt öffentlich in Erscheinung treten möchte. Ebenso wird der NPD weitere Unterstützung und Zusammenarbeit zugesagt.8 3.4.2 "Der III. Weg" (auch: "Der 3. Weg" / "Der dritte Weg") Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal Mitglieder Bund: weniger als 100 Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 25 Organisation in Rheinland-Pfalz: bundesweit vier Gebietsverbände im Aufbau Publikationen: keine (Internethomepage) Ende September 2013 wurde in Heidelberg die neue rechtsextremistische Partei "Der III. Weg" gegründet9. Dies geschah offenkundig auch in Folge einer Abspaltung ehemaliger NPD-Funktionäre vom Landesverband RheinlandPfalz. Der Parteivorstand setzt sich überwiegend aus ehemaligen NPD-Mitgliedern mit neonazistischer Prägung zusammen. Ausweislich der Unterlagen des Bundeswahlleiters nahmen bekannte Rechtsextremisten aus mehreren Bundesländern an der Gründungsveranstaltung teil. 8 Veröffentlicht auf der Homepage des RNF am 11.10.2013 9 Die Partei wurde am 24. Oktober 2013 durch den Bundeswahlleiter zugelassen. 43 Politische und weltanschauliche Ausrichtung Weltanschaulich lehnt sich die Partei "Der III. Weg" unverkennbar am Gedankengut des historischen Nationalsozialismus an, was eine neonazistische Prägung bedingt. So propagiert die Partei in ihrem Zehn-Punkte-Programm an erster Stelle die "Schaffung eines Deutschen Sozialismus", parallel hierzu verbreitet sie Propagandamaterial mit der entlarvenden Parole "NATIONAL, REVOLUTIONÄR, SOZIALISTISCH".10 Ein von der Partei verwendetes Symbol kombiniert einen Zahnradkranz, der in vergleichbarer Form im "Dritten Reich" (zusammen mit einem Hakenkreuz) Kennzeichen der NSDAP-Organisation "Deutsche Arbeitsfront" war, mit überkreuztem Hammer und Schwert, welche von der sogenannten Schwarzen Front, einem frühen sozialrevolutionären ("linken") Flügel der NSDAP verwendet wurden. Eine stringente Ideenverbindung zur Weltanschauung der Nationalsozialisten lässt die Partei "Der III. Weg" vor allem durch die offenkundig von ihr vertretene Vorstellung einer biologistisch determinierten (d.h. konkret am Rassegedanken ausgerichteten) Volksgemeinschaft erkennen. Im Punkt 4 des Parteiprogramms wird unter der Überschrift "Heimat bewahren" ausgeführt: "Zur Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes sind die Überfremdung Deutschlands und der anhaltende Asylmißbrauch umgehend zu stoppen. Kriminelle sowie dauerhaft erwerbslose Ausländer sind aus Deutschland stufenweise auszuweisen". Insbesondere in Bezug auf die Frage, was letzthin unter "nationale Identität des deutschen Volkes" zu verstehen ist, wird im Punkt 7 "Umweltschutz ist Heimatschutz" konkretisiert: "Ziel der Partei DER DRITTE WEG ist die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Gesundheit."11 10 Hervorhebungen nicht im Original. 11 Hervorhebung nicht im Original. 44 Organisation Nach ihrer Satzung vom 30. September 2013 hat die Partei "Der III. Weg" ihren Sitz im rheinland-pfälzischen Weidenthal, dem Wohnort ihres Bundesvorsitzenden und ehemaligen NPD-Funktionärs K. A..12 Getragen von der Absicht, sich bundesweit zu betätigen, gliedert sich die Partei gemäß Satzung in die Gebietsverbände Süd, West, Nord und Mitte. Der Gebietsverband Süd besteht aus den Ländern Bayern und BadenWürttemberg, der Gebietsverband West aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen, der Gebietsverband Nord aus den Ländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern sowie der Gebietsverband Mitte aus den Ländern Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Unterhalb der Gebietsverbände sollen Kreisverbände gegründet werden. Ziele und Strategien Die Partei "Der III. Weg" verfolgt gemessen an ihrer Programmatik und ihrer Mitgliederschaft langfristig zweifelsohne das Ziel einer grundlegenden, im Widerspruch zum Grundgesetz stehenden Systemveränderung, wenngleich sie diesbezüglich eindeutige Aussagen vermeidet oder verschleiert. Fernziel dürfte demnach ein Staat sein, in dessen Zentrum eine ethnisch homogene Volksgemeinschaft steht. Diese Zielsetzung läuft auf eine systematische Ausgrenzung und Entrechtung von Minderheiten hinaus. In der Satzung der Partei heißt es verharmlosend: "Die Partei DER DRITTE WEG ist eine Volkspartei, die politisch die deutsche Volksherrschaft und wirtschaftlich die deutsche Volkswirtschaft anstrebt". Die Partei "Der III. Weg" folgt in diesem Sinne der für Rechtsextremisten typischen Strategie, durch Stigmatisierung und einseitige Schuldzuweisungen systematisch Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Sie will auf diese Weise den gesellschaftlichen Frieden stören und die Gesellschaft langfristig destabilisieren. Konkret umgesetzt wird diese Strategie bislang durch eine Fixierung auf die Themenfelder Asyl und Zuwanderung. Dies geschieht nicht zuletzt mit dem Ziel, unterschwellige subjektive Ängste zu instrumentalisieren. Hiervon verspricht man sich Solidarisierungseffekte in Teilen der Bevölkerung. 12 http://www.bundeswahlleiter.de/de/parteien/downloads/parteien/DER_DRITTE_WEG.pdf 45 Agitation und Aktionismus Auf einer Internetseite veröffentlicht die Partei "Der III. Weg" regelmäßig Artikel und Kommentierungen zu aktuellen Themen. Die Texte und gleichsam Schwerpunkte der Agitation befassen sich überwiegend mit der Asylthematik bzw. der Zuwanderung. Ebenso wurden themenbezogen mehrere Veranstaltungen durchgeführt: An der ersten Demonstration der Partei am 4. Oktober 2013 in Schifferstadt, die sich gegen ein geplantes Asylantenheim richtete, nahmen ca. 40 Personen teil. Am 13. November 2013 fand eine gleichlautende Protestaktion in Ludwighafen am Rhein mit etwa gleicher Teilnehmerzahl statt. Dort demonstrierte man gegen eine geplante Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende, was vor Ort einzelne Solidaritätsbekundungen bei Anwohnerinnen und Anwohnern auslöste. Ein daraufhin von der Partei geplantes Grillfest wurde durch die Polizei untersagt. Im Januar 2014 fanden in Rheinland-Pfalz weitere Kundgebungen zur genannten Thematik mit vergleichbarer Teilnehmerzahl statt. 3.4.3 "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) Tei- / Nebenorganisation keine Mitglieder Bund: ca. 500 (2012: ca. 150) Mitglieder Rheinland-Pfalz: Einzelmitglieder Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Publikationen: keine (Internethomepage) 46 Die rechtsextremistische Partei "DIE RECHTE" bildete sich 2012 im Wesentlichen aus Teilen der aufgelösten "Deutschen Volksunion" (DVU). Sie steht seitdem unter der Leitung des Bundesvorsitzenden Christian Worch, einem seit mehr als 30 Jahren aktiven Neonazi.13 Die Partei positionierte sich zu Beginn nach eigenen Angaben zwischen der NPD sowie der so genannten ProBewegung und wollte sich insofern offenkundig vergleichsweise "gemäßigter" geben als die NPD. Das Parteiprogramm ist nach eigenem Bekunden eine modernisierte Fassung der DVU-Programmatik. Zwischenzeitlich hat die Partei "Die Rechte", nicht zuletzt aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung, eine deutliche neonazistische Ausrichtung und Prägung angenommen. Weltanschauliche Ausrichtung und Ziele Ideologisch trägt "DIE RECHTE" unverkennbar antidemokratische, fremdenfeindliche, geschichtsund gebietsrevisionistische Züge, obgleich sie diese und ihre letztendlich verfolgten Ziele sprachlich stark verschleiert. Das 15-Punkte-Programm der Partei lässt insofern zumindest andeutungsweise erkennen, dass die Partei einen autoritären Staat anstrebt, der auf einem völkischen Ordnungsprinzip beruhen soll. Im Parteiprogramm ist im Kapitel 10. "Demokratie", verklausuliert die Rede davon, "die Bürger in wesentlichen Fragen mitbestimmen zu lassen" und einen Präsidenten direkt wählen zu lassen, der "weiterer Befugnisse und Funktionen" bedarf.14 Diese Formulierungen sind offensichtlich bewusst unpräzise gehalten und somit interpretationsfähig. Sie legen aber unter Berücksichtigung der einschlägigen historischen Erfahrungen mit dem Rechtsextremismus, dem personellen Hintergrund der Partei und im Kontext mit weiteren Programminhalten den Schluss nah, dass im Kern das Ziel der (verfassungswidrigen) Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und der Etablierung einer in Form und Ausprägung nur schwammig umrissenen Präsidialherrschaft verfolgt wird. Ein solches Konstrukt kann, und dieses langfristige Ziel entspricht erfahrungsgemäß rechtsextremistischen Vorstellungen, unter bewusst herbeigeführtem Verlust demokratischer Legitimation in letzter Konsequenz zu einem diktatorisch gelenkten Staat führen. 13 Die Parteigründung vom 27. Mai wurde Anfang Juni 2012 auf den Homepages der ehemaligen DVU-Landesverbände Niedersachsen und Schleswig-Holstein bekannt gegeben. 14 Hervorhebungen nicht im Original. 47 Organisation Strukturell strebt die Partei "DIE RECHTE" eine bundesweite Ausbreitung an. Mit Stand Ende 2013 verfügte sie über acht Landesverbände, von denen zwischenzeitlich zwei wieder aufgelöst wurden (Hessen und Sachsen). Nennenswerte Aktivitäten gehen bislang fast ausschließlich von dem von Neonazis dominierten Landesverband Nordrhein-Westfalen aus. Seit dem 28. Dezember 2013 existiert auch in Rheinland-Pfalz ein Landesverband der Partei "DIE RECHTE". Dessen erster Vorsitzender, ein Rechtsextremist aus Berlin, legte jedoch Anfang April 2014 seine Parteiämter nieder. Agitation und Aktionismus Ebenso wie die meisten anderen rechtsextremistischen Organisationen agitiert die Partei "DIE RECHTE" mit (einem) Schwerpunkt gegen "Fremde". Ausländer werden pauschal diffamiert, so heißt es in dem Flugblatt der Partei mit dem Titel "Darum sollten wir Deutschen keine Syrer aufnehmen!": "Wir deutschstämmigen Deutschen haben nur dieses eine Heimatland - und das gilt es zu bewahren und zu verteidigen gegen multikriminelle Ausländer...". Zu Beginn des Jahres 2014 kündigte der rheinland-pfälzische Landesverband der Partei für den 12. April des gleichen Jahres eine Demonstration in Worms unter dem Motto "Sicher leben! Asylflut stoppen" an, die aber abgesagt wurde. 3.5 Rechtsextremistische Gefangenenhilfe Die Gefangenenhilfe hat in rechtsextremistischen Kreisen eine lange "Tradition". Sie zielt jedoch nicht auf die Resozialisierung einsitzender Straftäter ab, sondern dient vielmehr allein der Erhaltung weltanschaulicher Kontinuität bei den inhaftierten Rechtsextremisten und deren unmittelbarer Reintegration in die Szene nach Haftentlassung. 48 Über viele Jahre bedeutendste und aktivste Gruppierung war die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG), die zuletzt über bundesweit rund 600 Mitglieder verfügte. Die HNG verstand sich als Betreuungswerk für inhaftierte rechtsextremistische Strafund Gewalttäter und sah ihre Aufgaben vor allem in der Vermittlung von Kontakten zwischen Szeneangehörigen und inhaftierten Rechtsextremisten. Die HNG wurde vom Bundesministerium des Innern mit Wirkung vom 21. September 2011 verboten, das Verbot wurde am 19. Dezember 2012 vom Bundesverwaltungsgericht als rechtmäßig bestätigt.15 Mit dem Verbot der HNG hat die rechtsextremistische Szene zwar eine wichtige netzwerkbildende Organisation verloren. Dessen ungeachtet sind aber Bestrebungen zur Unterstützung Inhaftierter nicht gänzlich zum Erliegen gekommen. Neben Versuchen einzelner Inhaftierter, Netzwerke zwischen Insassen von Justizvollzugsanstalten und Unterstützern von außen zu bilden, besteht die Tendenz, verstärkt das Internet für Zwecke der Gefangenenhilfe zu nutzen, um die durch das Verbot der HNG entstandene Lücke zu schließen. 3.6 Rechtsextremistische Musik Musik ist ein wichtiges Medium, um Emotionen zu wecken. Rechtsextremisten missbrauchen diesen Umstand und nutzen die Musik als politischen Impulsgeber und identitätsstiftendes Element. Vor allem bislang unpolitische Jugendliche sollen durch das Hören einschlägiger Musik mit der rechtsextremistischen Weltanschauung vertraut gemacht werden. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren war die Musik zunächst ein wesentlicher Bestandteil der von Jugendlichen geprägten subkulturellen rechtsextremistischen Bewegung, so vor allem der Skinheadszene. Heute werden beinahe alle Musikstile für die Verbreitung von rechtsextremistischem Gedankengut genutzt und damit 15 BVerwG 6 A 6.11 49 ein breiteres Spektrum angesprochen. Vor allem "Hardrock", "Hardcore" und "Black Metal" bestimmen das Bild. Aber auch Genres wie "Hip Hop" oder "Schlager" sind mittlerweile fester Bestandteil der rechtsextremistischen Musik geworden. Die Texte rechtsextremistischer Bands spiegeln vielfach in aller Deutlichkeit die dem Rechtsextremismus zugrunde liegende menschenverachtende, demokratiefeindliche Weltanschauung wider. Charakteristisch sind vor allem Rassismus und Antisemitismus. "Jüdische Brigaden, die ihr noch lebt, hört genau zu, die SS der Neuzeit ist da, bringt euch um eure scheinheilige Ruh, Jüdische Brigaden, Racheengel mit irrem Ziel, hier kommt der Deutschen Rache, euer Tod ist beschlossene Sache." Band "Deutsch Stolz Treue" ("D. S. T.", jetzt "X.x.X.") aus dem Album "Ave et Victoria" Viele Texte verherrlichen und verklären zudem die Zeit und die Folgen des Nationalsozialismus. Dies wird beispielsweise durch die Namensgebung rechtsextremistischer Bands wie "Blitzkrieg", "Sturmwehr" oder "Gestapo" deutlich. Rechtsextremistische Bands variieren oftmals in ihrer personellen Besetzung. Während Szenekonzerten kommt es immer wieder zu spontanen Zusammenschlüssen. So kommen einzelne Bandmitglieder mit anderen Bands oder Einzelpersonen für kurzfristige Auftritte zusammen. In Rheinland-Pfalz sind zurzeit zwei rechtsextremistische Bands bekannt. Bei der Planung und Durchführung von rechtsextremistischen Konzerten geht die Szene weiterhin meist konspirativ vor. Über soziale Netzwerke, Mail oder Handy wird im Vorfeld nur der Veranstaltungstag und ein Sammelpunkt mitgeteilt, an welchem die Besucher die genaue Örtlichkeit erfahren. Die Szene will auf diese Weise staatliche Repressionen und ein daraus resultierendes, mögliches Konzertverbot verhindern. Beliebter ist deshalb die Durchführung 50 von Veranstaltungen in Räumlichkeiten, die von Szenepersonen oder deren Angehörigen betrieben werden. Am Rande von rechtsextremistischen Konzerten kommt es oftmals zu Gesetzesverstößen wie dem Zeigen des Hitlergrußes oder Sieg-Heil-Rufen. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen verbinden überdies Aktivisten im Inund Ausland. In Rheinland-Pfalz bestehen gute Kontakte zu Rechtsextremisten u.a. in Frankreich (Regionen Elsaß und Lothringen). So werden von hier aus vermehrt Konzerte im Nachbarland organisiert. In Rheinland-Pfalz sank die Zahl der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr auf drei (2012: vier). Datum Ort Art der Veranstaltung Teilnehmer 09.02.2013 Ludwigshafen am Rhein Skinheadkonzert ca. 150 17.08.2013 Riedelberg Skinheadkonzert ca. 400 30.11.2013 Pirmasens Liederabend ca. 50 Neben rechtsextremistischen Musikveranstaltungen wird Musik auch im Internet verbreitet. Über soziale Netzwerke, Internet-Videoportale oder Internetradios können die Lieder problemlos weitergegeben werden. Die rechtsextremistische Ideologie lässt sich dabei für die Konsumenten nicht immer auf den ersten Blick erkennen - eine Heranführung an die einschlägige Gesinnung erfolgt schleichend. "Schulhof-CD" der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) Speziell für junge Menschen werden von der rechtsextremistischen Szene Musik-CD's bevorzugt als Werbeträger verwendet. Zuletzt wurde im November 2012 eine neue "Schulhof-CD" mit dem Titel "Die Jugend für Deutschland - Die Zukunft im Blick" von der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in mehreren länderbezogenen Versionen herausgegeben. Diese Art der Propaganda wird bereits seit mehreren Jahren genutzt. Um mög51 lichst viele rechtsextremistische Jugendkulturen anzusprechen, enthält die neue CD "Die Zukunft im Blick" Musiktitel von szenebekannten rechtsextremistischen Skinheadbands und Liedermachern unterschiedlicher Stilrichtungen. Inhaltlich werden rassistische und demokratiefeindliche Botschaften oftmals nur angedeutet oder indirekt ausgedrückt. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat die CD mit Entscheidung vom 5. März 2013 indiziert.16 Die in Rheinland-Pfalz festgestellte inhaltsgleiche "SchulhofCD JN Rheinland & Pfalz - Aktivismus - Bildung - Gemeinschaft" wurde ebenfalls indiziert.17 3.7 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und Aktionsformen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Wie bereits in den Vorjahren führten am 23. November 2013 Rechtsextremisten in Remagen einen "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" durch, an dem sich etwa 250 Personen beteiligten. Seit Mitte 2011 wurde unter der Bezeichnung "Die Unsterblichen" in der rechtsextremistischen Szene eine neue Aktionsform bekannt. Meist in den späteren Abendstunden werden unangemeldete und äußert konspirativ vorbereitete Aufmärsche mit bis zu 300 Teilnehmern organisiert. In einheitlicher dunkler Kleidung und mit weißen Gesichtsmasken/Totenmasken marschieren die Teilnehmer mit Fackeln und unter dem Abbrennen von Pyrotechnik sowie dem Skandieren von Parolen durch städtische Wohngebiete. Die martialischen und beängstigenden Aufzüge werden mittels selbst erstellter Videoaufnahmen dokumentiert. Diese werden dann professionell bearbeitet, ereignisnah und ggf. mit "Erlebnisberichten" versehen in das Internet eingestellt. Die Aktionsform der "Unsterblichen" steht im direkten Zusammenhang mit der von Rechtsextremisten initiierten Kampagne gegen den "Volkstod", dem angeblich nahenden "Aussterben" der Deutschen. Die simple Botschaft lautet: "Die Demokraten bringen uns den Volkstod", "Werde unsterblich - damit die Nachwelt nicht vergisst, dass Du Deutscher gewesen bist". 16 Veröffentlichung im Bundesanzeiger AT vom 13. März 2013, eingetragen im Listenteil A. 17 Entscheidung Nr. I 10/13 vom 3. April 2013 der BPjM, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 30. April 2013 im Listenteil A. 52 Nach dem Verbot der "Widerstandsbewegung Südbrandenburg" Mitte 2012, zu deren Aktionsschwerpunkten Aufmärsche unter dem Signet der "Unsterblichen" zählten, hat die Aktionsform als solche bundesweit an Bedeutung verloren. Hierzu trugen auch Durchsuchungsmaßnahmen gegen Aktivisten in Baden-Württemberg bei, die zu einer weiteren Verunsicherung innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums führten. Im Jahr 2013 kam es kaum noch zu nennenswerten Aktionen der "Unsterblichen"; in Rheinland-Pfalz fanden wie bereits im Vorjahr keine Aufzüge statt. 53 II. Linksextremismus Linksextremisten wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung überwinden und stattdessen eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft errichten. Während die revolutionär-marxistischen Organisationen auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes setzen, ist das Selbstverständnis der Anarchisten, insbesondere der sogenannten Autonomen, von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in "herrschaftsfreien Räumen" geprägt. Die Aktionsformen von Linksextremisten gestalten sich von offener Agitation bis hin zu massiver Militanz. Gezielt beteiligten sich Linksextremisten an Bündnissen mit nichtextremistischen gesellschaftlichen Gruppen, um diese für ihre systemüberwindenden Ziele zu instrumentalisieren. In Rheinland-Pfalz gab es zum Ende des Jahres 2013 ca. 550 Linksextremisten, davon ca. 100 gewaltbereite Autonome. Damit ergibt sich gegenüber dem vorausgegangenen Jahr ein leichter Rückgang. Gemessen an der Dichte von gewaltbereiten Linksextremisten je 100.000 Einwohner und den von ihnen ausgehenden Aktivitäten findet sich Rheinland-Pfalz in einer vergleichenden Betrachtung aller Länder am Schluss einer "Belastungsrangliste" wieder. Autonome traten fortgesetzt bei demonstrativen Veranstaltungen als formierter "schwarzer Block" auf und gingen gewaltsam sowohl gegen Rechtsextremisten als auch verstärkt gegen Polizeibeamte vor. Angriffe auf Polizisten oder polizeiliche Institutionen sind im Kampf gegen die "staatliche Repression" nach linksextremistischem Selbstverständnis inzwischen zu einem zentralen Bestandteil ihrer Systembekämpfung geworden. Gewaltbereite Linksextremisten zeigten sich insbesondere aktiv bei der Planung und Durchführung zahlreicher Aktionen und Kampagnen gegen Wahlkampfveranstaltungen rechtsextremistischer Parteien anlässlich der Bundestagswahl am 22. September 2013. Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Rheinland-Pfalz, vor allem 54 der Autonomen, blieb der "Antifaschismus" mit der primären Ausrichtung gegen Rechtsextremismus. Linksextremisten empfinden das offene Auftreten von tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten als Provokation. In ihrem "Antifaschistischen Kampf" treten neben Protestdemonstrationen gegen Aufzüge rechtsextremistischer Gruppierungen zunehmend zielgerichtete Outing-Aktionen gegen "Nazis" in den Vordergrund. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten entfalteten in Rheinland-Pfalz kaum Außenwirkung und blieben - wie schon in den Jahren davor - ohne nennenswerte Bedeutung. Hierzu zählt die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) mit ca. 100 Mitgliedern. 1. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2013 2012 2013 2012 Gesamt 550 600 27.700 29.400 Gewaltbereite 100 110 6.900 7.100 Marxisten-Leninisten und sonstige 450* 490** 21.600** 22.600** revolutionäre Marxisten Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2. Lagebild Strafund Gewalttaten Insgesamt wurden 2013 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - links in Rheinland-Pfalz einschließlich der Gewalttaten 78 Straftaten gezählt (2012: 59). 55 Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2013 2012 Gesamt 8 3 Körperverletzungen 4 1 Landfriedensbruch 2 1 Brand-/Sprengstoffdelikte * 1 - Widerstandsdelikte * 1 - Andere Gewaltdelikte * - 1 3. Gewaltbereiter Linksextremismus Gewaltbereite Linksextremisten - allen voran das autonome Spektrum - beeinträchtigten erneut durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße die Innere Sicherheit Deutschlands. Die Gewaltbereitschaft gegen Polizisten und andere Repräsentanten staatlicher Einrichtungen sowie gegen Rechtsextremisten hielt unvermindert an. Bei bundesweiten Protestaktionen gegen Aufmärsche von rechtsextremistischen Parteien, die vielfach von breiten Bündnissen demokratischer Organisationen dominiert wurden, gelang es vertretenen autonomen Gruppen die rechten Aufmärsche in der Regel nicht in dem von ihnen geplanten Ausmaß zu stören bzw. zu verhindern; militante Aktionsformen konnten zumeist durch geeignete Polizeimaßnahmen verhindert werden. Gewaltbereite rheinlandpfälzische Aktivisten traten - wie schon in den Jahren zuvor - nur in geringer Anzahl oder in kleineren Gruppen bei "antifaschistischen" Demonstrationen und Kundgebungen gegen "Faschos" auf, ohne dabei schwere Strafoder Gewalttaten begangen zu haben. Für ihr Handeln, das im Kern auf die Abschaffung des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats zielt, finden Autonome in verschiedenen Aktionsfeldern wie unter anderem "Antifaschismus", "Antirassismus", "Antirepression", "Antikapitalismus" und Kampf um eigene "Freiräume" politische Ansatzpunkte. Dabei werden einzelne Aktionsfelder oftmals miteinander verknüpft. Im Jahr 2013 rückte der Protest gegen die Asylund Flüchtlingspolitik staatli56 cher Einrichtungen, denen "institutioneller Rassismus" unterstellt wird, mehr und mehr in den Blickpunkt linksextremistischer Akteure. In Hamburg gelang es im Kampf um eigene "Freiräume", die linksextremistische Kampagne "Flora bleibt" um das gleichnamige (von Räumung bedrohte) autonome Kulturzentrum mit dem gesellschaftlichen Protest gegen die seit dem 11. Oktober 2013 durchgeführten verstärkten Kontrollen der Hamburger Polizei zur Feststellung von Personen illegalen Aufenthalts zu verknüpfen. Höhepunkt war eine am 21. Dezember 2013 in Hamburg besonders gewaltsam verlaufene Demonstration mit nachfolgenden bundesweiten Resonanzaktionen. Auch in Trier wurde am 12. Januar 2014 eine unangemeldete, friedlich verlaufene Solidaritätsaktion für den Erhalt des autonomen Zentrums in Hamburg und zu den "Opfern der Polizeigewalt" durchgeführt. 3.1 Autonome Mit bundesweit anhaltend 6.400 Aktivisten bilden die Autonomen mit Abstand den größten Teil im gewaltbereiten Linksextremismus. In RheinlandPfalz gibt es ca. 100 Personen (2012: ca. 110), die dem autonomen Spektrum zugerechnet werden. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie lehnen das staatliche Gewaltmonopol strikt ab und wollen wie alle Linksextremisten das "herrschende kapitalistische System" überwinden. In der politischen Auseinandersetzung sehen Autonome die Anwendung von Gewalt als legitim an. Zu ihren Aktionsformen zählen unter anderem "Kleingruppentaktik" zur Umgehung polizeilicher Kontrollen, Blockaden, Zünden von Pyrotechnik sowie Steinund Flaschenwürfe. Typisch für militante Autonome sind Straßenkrawalle. Dabei treten sie für gewöhnlich vermummt in "schwarzen Blöcken" auf, so unter anderem am 13. April 2013 in der Münchner Innenstadt bei einer Großdemonstration "Gegen 57 Naziterror, staatlichen und alltäglichen Rassismus - Verfassungsschutz abschaffen - Gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus". Aus mehreren "schwarzen Blöcken" wurden Parolen wie "Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack!" und "BRD Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt!" skandiert. Zu den Unterstützern des Demonstrationsaufrufs zählten zahlreiche nichtextremistische Personenvereinigungen, extremistische Ausländergruppierungen, linksextremistische Organisationen und Parteien sowie mehrere autonome Gruppen, darunter die rheinland-pfälzische "Antifa Koblenz". Wichtigstes Kommunikationsmittel der autonomen Szene ist das Internet. Dort werden regelmäßig Demonstrationsaufrufe und Dokumentationen sowie darüber hinaus umfangreiche Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen mit Bildmaterial ("Outings") eingestellt. "Antifa-Recherchearbeit" und "Outing"-Aktionen zielen darauf ab, echte oder vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität zu holen und in der Öffentlichkeit anzuprangern, um sie in ihrem privaten und beruflichen Umfeld zu schädigen. Ein gebräuchliches Mittel ist dabei die Verteilung von Flyern und die Herausgabe von Szenezeitschriften, die regelmäßig auch zum Download im Internet bereitgestellt werden. Mitte März 2013 gab die linksextremistische Szene eine "Antifa"-Broschüre mit dem Titel "braune flecken zwischen wingert und chemie" über die Strukturen und Personen der "rechten" Szene in Ludwigshafen am Rhein und der Vorderpfalz heraus. Auf zahlreichen Abbildungen wurden neben Strukturen auch Akteure und Hintermänner der "Nazi"-Szene in der Vorderpfalz und Ludwigshafen am Rhein als "Schwerpunkt" dargestellt. Für die Broschüre zeichnete ein "Antifaschistisches Infokollektiv Rhein/Neckar/Pfalz" verantwortlich; für "Kontakt und Informationen" sind länderübergreifend (Rheinland-Pfalz/ Baden-Württemberg) "Antifa"-Gruppen aus Mannheim, Heidelberg, Speyer, Landau und das "Bündnis Ladenschluss Ludwigshafen" genannt. Im "Bündnis Ladenschluss Ludwigshafen" arbeiten seit 2008 neben einem breiten gesellschaftlichen Spektrum auch revolutionär-marxistische Gruppen und zum Teil gewaltbereite Antifaschisten zusammen. Zu einer anderen Art des "Outings", wo durch intensive Einschüchterung ein "Fascho" davon abgehalten werden soll, weiter im rechtsextremistischen 58 Milieu und in Subkulturen zu agieren, kam es am 6. Dezember 2013 in Worms. Aktivisten aus dem regionalen autonomen Spektrum hefteten Flugblätter mit der Überschrift "Nazi in der Nibelungenstadt" an die Windschutzscheiben mehrerer Fahrzeuge. Zudem wurden "Steckbriefe" mit Fotos und Angaben über beruflichen und politischen Werdegang am Wohnort des "Geouteten" in umliegende Hausbriefkästen geworfen und im Internet verbreitet. Unter anderem wurde bekundet, man "beobachte die lokale Naziszene genau" und werde sich "Bestrebungen der NPD (...) entschieden und solidarisch entgegenstellen". Weiterhin agiert das linksextremistische Spektrum verstärkt in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+, nutzt Kurznachrichtendienste wie Twitter oder stellt (gewaltverherrlichende) Videos auf YouTube ein, vor allem, um für ihre politischen Ziele zu werben und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Ereignisse bzw. Kampagnen zu lenken. 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Öffentlichkeitswirksame Aktionen zur Störung und Verhinderung von Aufzügen rechtsextremistischer Parteien/Organisationen haben bei den (gewaltbereiten) Linksextremisten einen fortgesetzt hohen Stellenwert. So störten im Zusammenhang mit der Bundestagswahl am 22. September 2013 linksextremistische Gruppen zahlreiche Wahlkampfveranstaltungen rechtsextremistischer sowie rechtspopulistischer Parteien und initiierten Kampagnen mit dem Ziel, die Wahlkampfauftritte politischer Gegner zu bekämpfen und zum Boykott der Bundestagswahl aufzurufen. Eine Kampagne richtete sich gegen die "Deutschlandfahrt" der NPD. Auf verschiedenen Internetseiten riefen vor allem Linksextremisten zu "bundesweiten Aktionen gegen das NPD-Flaggschiff" auf, einen LKW, der bei der sechswöchigen "Deutschlandfahrt" der NPD zum Einsatz kam. Im August und September 2013 führte die NPD mit Stationen in mehreren 59 rheinland-pfälzischen Städten Wahlkampfkundgebungen durch, die unter anderem in Koblenz, Trier und Kaiserslautern von Gegendemonstranten - darunter gewaltbereite Linksextremisten - lautstark durch Trillerpfeifen, Zwischenrufe, Eierwürfe und Straßenblockaden gestört wurden. Polizeikräfte vor Ort konnten ein Aufeinandertreffen von Linksund Rechtsextremisten verhindern. Eine weitere, maßgeblich von rheinland-pfälzischen Linksextremisten initiierte Kampagne wurde unter dem Slogan "Keine Stimme der NPD - Naziwahlkampf unmöglich machen" von einem Bündnis "antifaschistischer" Gruppen aus Landau, Kaiserslautern, Speyer, Schifferstadt und Ludwigshafen am Rhein/Mannheim getragen. Am 2. September 2013 rief das "Antifa"-Bündnis kurzfristig via Internet zu einer nicht angemeldeten Demonstration gegen eine NPD-Versammlung in Worms auf. Mit dem Ziel, einen rechtsextremistischen "Trauermarsch" anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt Kaiserlautern im Zweiten Weltkrieg zu verhindern, kam es am 28. September 2013 in Kaiserslautern zu Protestaktionen des autonomen Spektrums. Aus einer angemeldeten bürgerlichen Gegenkundgebung heraus versuchten wiederholt gewaltbereite Linksextremisten, in mehrere Kleingruppen aufgeteilt, vergeblich Polizeisperren zu überwinden und an die Aufzugsstrecke der Rechtsextremisten zu gelangen. Rund 60 Gegendemonstranten bildeten sodann eine Sitzblockade; etwa 25 Autonome initiierten eine "Spontandemonstration" durch die Innenstadt. Antikapitalismus Der ihnen verhasste kapitalistische Staat und die Finanzkrise blieben fortgesetzt im Fokus gewaltbereiter Linksextremisten. Dies zeigten zahlreiche Ausschreitungen bei "Blockupy"-Protesten gegen den "Kapitalismus" am 31. Mai und 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main. Zum "Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes" hatte ein breites Bündnis "Blockupy Frankfurt" aufgerufen, dem auch Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen angehörten. Am 31. Mai 2013 fanden mehrere Blockadeaktionen statt. An der zentralen Blockade vor der Europäischen Zentralbank (EZB) beteiligten sich ca. 1.100 Personen. 60 Vereinzelt musste die Polizei gegen Demonstranten vorgehen, die versuchten, Absperrgitter zu entfernen. An der internationalen Demonstration am 1. Juni 2013 beteiligten sich mehrere tausend Personen, darunter ein "Antikapitalistischer Block" mit Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz. Bereits kurz nach Beginn stoppte die Polizei den Demonstrationszug. Die Teilnehmer waren zum Teil vermummt und hatten Schutzbewaffnung angelegt, zündeten Pyrotechnik und warfen Farbbeutel. Polizeikräfte wurden mit Pyrotechnik, spitzen Gegenständen, Holzlatten, Fahnenstangen, Pfefferspray und Tritten attackiert sowie mit Flaschen und Farbbeuteln beworfen. Die Demonstration wurde daraufhin für beendet erklärt. Es kam insgesamt zu 45 vorläufigen Festnahmen, 21 Polizeibeamte trugen Verletzungen davon. Antirepression Das Thema "staatliche Repression" spielt für Linksextremisten eine wichtige Rolle. Autonome diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, indem sie ihnen fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Diese Sichtweise dient als Legitimierung für Gewalt und die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols. Am 14. Dezember 2013 fand in Mannheim eine Demonstration unter dem Motto "Unsere Solidarität gegen ihre Repression - polizeiliche Repression und rassistische Ausgrenzung bekämpfen" mit ca. 150 zumeist schwarz gekleideten Teilnehmern statt, darunter gewaltbereite Szeneaktivisten aus Ludwigshafen am Rhein, Mannheim, Heidelberg und Frankfurt am Main. Antirassismus Linksextremisten versuchten auch im Jahr 2013 die öffentliche Debatte über die Lage von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu nutzen, um ihre politischen Ziele zu propagieren und um staatlichen Einrichtungen einen "institutionellen Rassismus" zu unterstellen. Ihre demonstrativen Aktionen richteten sich insbesondere gegen Einrichtungen, die als Teil der so bezeichneten "Abschiebemaschinerie" gesehen werden. So kamen am 8. Juni 2013 unter dem Motto "Für Grenzenlose Menschenrechte" rund 350 Personen, darunter Linksextremisten aus Trier und dem nördlichen Rheinland-Pfalz, zu einer "antirassistischen" Demonstration mit Kundgebung auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier zusammen. 61 Als Reaktion auf rechtsextremistische Kundgebungen gegen örtliche Asylantenheime fanden am 4. Oktober 2013 in Schifferstadt und am 13. November 2013 in Ludwigshafen am Rhein Protestversammlungen mit mehreren hundert Personen statt, an denen jeweils Angehörige des regionalen gewaltbereiten "Antifa"-Spektrums beteiligt waren. Dieses Spektrum hatte im Vorfeld via Internet zur Teilnahme an den "antirassistischen" Protestaktionen aufgerufen. Kampf um selbstverwaltete "Freiräume" Vom Staat nicht kontrollierte "Freiräume" (z.B. besetzte Häuser) erachten gewaltbereite Linksextremisten als unabdingbar für die Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe. Gleichzeitig verstehen sie diese als Rückzugszone und Ausgangspunkt für "antistaatliche" Aktivitäten, um permanent Einfluss auf gesellschaftliche Protestbewegungen nehmen zu können. Im Zusammenhang mit einem von der autonomen Szene in Frankfurt am Main besetzten und von Räumung bedrohten "Institut für vergleichende Irrelevanz" (IvI), einem ehemaligen Gebäude der Goethe-Universität, kam es am Abend des 26. Februar 2013 zu einer unangemeldeten Solidaritätskundgebung am Mainzer Hauptbahnhof. Unter der Bezeichnung "Antifa Mainz" wurde anschließend ein Beitrag "Spontane Soli-Demo fürs IvI" mit der Forderung "IvI bleibt!!!" ins Internet gestellt. Als es am 22. April 2013 in Frankfurt am Main zur von der Szene befürchteten Räumung kam, wurden Polizeibeamte angegriffen und erhebliche Sachbeschädigungen im Frankfurter Stadtbereich begangen. In mehreren deutschen Städten, so auch in Mainz, kam es zu Solidaritätsaktionen unter Beteiligung gewaltbereiter Linksextremisten. Unbekannte beschmierten dort in der Nacht zum 24. April 2013 die Fassade der "Burschenschaft Germania Halle" mit dem Schriftzug "IvI statt Nazihaus" und setzten zwei Mülltonnen in Brand. Am Folgetag fand in der Mainzer Innenstadt eine unangemeldete, friedlich verlaufene Demonstration statt. Es wurden Banner und Plakate mit Solidaritätsbekundungen für das geräumte Frankfurter Szeneobjekt gezeigt. 62 III. Islamismus Die Aktivitäten unterschiedlicher islamistischer Gruppierungen erforderten auch im Jahr 2013 die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Dies gilt in besonderem Maße für individuelle Radikalisierungsprozesse unter dem Einfluss extremistischer Propaganda im Internet sowie durch Kontakte zu anderen Extremisten. In vermehrten Fällen führte der eingeschlagene Weg der Radikalisierung im Jahr 2013 aus Deutschland in das Bürgerkriegsland Syrien - und dort mitten in die Kampfhandlungen auf Seiten jihadistischer Gruppierungen. Die Zahl derjenigen Islamisten aus Deutschland, die 2013 im Ausland eine Kampfausbildung erhielten und Kampferfahrung sammelten, erreichte damit einen neuen Höchststand. Neben diesen Entwicklungen, die perspektivisch eine konkrete Sicherheitsgefährdung für Deutschland darstellen können, stehen auch die Aktivitäten gewaltfrei-islamistischer Organisationen im Blickfeld des Verfassungsschutzes. Unter Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit fordern sie zur Durchsetzung ihrer Interessen in zunehmendem Maße politische und gesellschaftliche Mitbestimmung ein, halten zugleich aber an ihrer extremistischen Ideologie fest. 1. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2013 2012 2013 2012 Islamisten Gesamt 845 835 43.190 42.550 Angaben gerundet Bei einer muslimischen Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland von schätzungsweise 4,5 Millionen Personen beträgt der Anteil der Muslime, von denen islamistische Bestrebungen ausgehen, ungefähr ein Prozent. 63 In Rheinland-Pfalz, wo schätzungsweise etwa 160.000 Muslime leben, ist der Anteil mit ca. 0,6 Prozent noch geringer. Gegenüber dem Vorjahr wurde 2013 bundesweit ein Anstieg des islamistischen Personenpotenzials um knapp 650 Personen registriert. Dieser Anstieg resultiert hauptsächlich aus dem Zulauf im Bereich des Salafismus, einer spezifischen Ausprägung des Islamismus (4.1). 2. Ideologie des Islamismus Beim Islamismus handelt es sich um eine Form des politischen Extremismus. Charakteristisch für ihn ist die Erhebung einer Religion - in diesem Fall des Islam - zu einem politischen Programm. Kernpunkt des Programms ist die Durchsetzung des islamischen Rechts, d.h. der Scharia. Dieses Ziel verfolgen Islamisten insbesondere in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern. Auch Islamisten in der Bundesrepublik Deutschland betrachten die Scharia als ideale Rechtsordnung und propagieren unter ihren Anhängern ein Islamverständnis, das sämtliche Lebensbereiche, d.h. auch Recht und Politik einschließt. Ein Teil der hiesigen Islamisten strebt darüber hinausgehend rechtliche Sonderund Ausnahmeregelungen für Muslime in Deutschland an. Konkret bedeutet dies, dass Muslime befugt sein sollen, "interne Angelegenheiten", d.h. insbesondere Fragen des Ehe-, Familienund Erbrechts auf der Grundlage des islamischen Rechts, und zwar in seiner traditionellen Auslegung, zu regeln und nicht anhand des geltenden Zivilrechts. Im Ergebnis würde dies beispielsweise bedeuten, dass eine muslimische Frau aufgrund einer entsprechenden Scharia-Vorschrift lediglich einen muslimischen Mann heiraten darf, nicht aber den Angehörigen einer anderen Religion oder einen Atheisten. Eine solche Vorschrift widerspräche jedoch sowohl Art. 2 des Grundgesetzes (Persönliche Freiheitsrechte) als auch Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz), da der muslimische Mann bei der Wahl der Ehepartnerin gemäß Scharia geringeren Einschränkungen unterliegt. Ebenso wäre die Frau im Falle der Anwendung Scharia-gebundener Erbschaftsangelegenheiten gegenüber dem Mann benachteiligt. 64 Eine zweite Komponente der islamistischen Ideologie ist die stete Bewertung von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen sowie Vorgängen nach dem Kriterium der Religionszugehörigkeit. Zentral für die islamistische Weltsicht ist die Aufteilung der Bevölkerung in Muslime und Nichtmuslime. Diese Aufteilung geht mit kollektiven Rollenzuweisungen einher. Demnach sind Muslime nahezu weltweit Opfer von Gewalt und Diskriminierung, Nichtmuslime die Verursacher. Eine sehr viel komplexere Realität ausblendend, präsentieren Islamisten diese These als unumstößliche Wahrheit. Mit pauschalen Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien tragen sie bei einem Teil ihrer eigenen Glaubensangehörigen zur Verinnerlichung von Feindbildern bei. Hieraus entstehen bei einer Minderheit Radikalisierungsprozesse, im Extremfall bis hin zum Wunsch nach Vergeltung und zur Beteiligung an einem gewaltsam geführten Jihad18. Die gewaltbereiten Anhänger des Islamismus werden folglich als Jihadisten bezeichnet, das Phänomen als Jihadismus. Mehrheitlich wird der Islamismus in Deutschland allerdings von Organisationen und Gruppierungen vertreten, die bestrebt sind, ihre Vorstellungen einer religiös begründeten Staatsund Rechtsordnung auf legalem Weg mit friedlichen Mitteln zu verbreiten und schrittweise durchzusetzen, zumindest innerhalb der muslimischen Gemeinde. 3. Ereignisse und Entwicklungen im Bereich des Jihadismus 3.1 International Jihadistisch-terroristische Gruppierungen setzten 2013 ihre Expansion insbesondere in Teilen Afrikas und (West)Asiens fort. "Al-Qaida" verfügt neben seiner Kerngruppe im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet mittlerweile über mehrere Regionalorganisationen: # "Islamischer Staat im Irak"19, # "Jabhat al-Nusra" ("Unterstützungsfront") in Syrien, 18 Der arabische Begriff Jihad besitzt ein weites Bedeutungsspektrum, das von der Bemühung des Einzelnen um eine islamische Lebensführung (sogenannter Großer Jihad) bis zum Einsatz für den Islam - seine Verteidigung ebenso wie seine Verbreitung (sogenannter Kleiner Jihad) - reicht. 19 Die Gruppierung hat ihr Operationsgebiet - entgegen der Weisung von Aiman al-Zawahiri, dem Führer von Kern-"alQaida" - auf Syrien ausgedehnt. 65 # "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel", insbesondere im Jemen, # "Al-Qaida im Islamischen Maghreb" in der Sahara und Sahelzone. Einige Gruppierungen beziehungsweise Milizen haben sich in den vergangenen Jahren "Al-Qaida" unterstellt oder stehen ihr nahe: # "Al-Shabab" ("Die Jugend") in Somalia und weiteren Teilen OstAfrikas (verantwortlich u.a. für den Angriff auf die Westgate Shopping Mall in der kenianischen Hauptstadt Nairobi im September 2013 mit über 70 Toten), # "Boko Haram" (sinngemäß "Westliche Bildung ist verboten"), schwerpunktmäßig in Nord-Nigeria, # "Ansar Bait al-Maqdis" ("Die Unterstützer des heiligen Hauses") in Ägypten. Darüber hinaus sind in unterschiedlichen Regionen noch weitere jihadistischterroristische Gruppierungen aktiv. Zu nennen sind hier u.a. # Taliban in Afghanistan, # "Tehrik-e Taliban Pakistan" ("Bewegung der Taliban Pakistan"), # "Islamische Bewegung Usbekistans", schwerpunktmäßig im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, # "Kaukasisches Emirat" in Russland, insbesondere im Nord-Kaukasus, # "Organisation für Monotheismus und Jihad in Westafrika" (MUJAO) in Mali. Gemeinsam ist diesen Gruppierungen, dass sie es als ihre Pflicht beziehungsweise als die Pflicht aller Muslime erachten, für einen "wahrhaft islamischen Staat" zu kämpfen, in dem die Scharia beziehungsweise ihr Scharia-Verständnis herrscht. Widerstände auf dem Weg dorthin sind gemäß ihrer Überzeugung zu bekämpfen; als Hauptgegner gelten: # die als ungläubig beschuldigte Regierung, Armee und Sicherheitskräfte des jeweiligen Landes, # ihre Kritiker sowie die Befürworter eines säkularen Systems, 66 # ausländische Truppen, # Angehörige anderer islamischer Richtungen (insbesondere Schiiten) und anderer Religionen. Die genannten Gruppen waren auch 2013 wieder bevorzugte Zielscheibe von Terroranschlägen und Angriffen. Sie trafen daneben aber auch vielfach Zivilisten, die sich berufsbedingt oder zufällig am Anschlagsort aufhielten. In einigen Ländern kam es 2013 wöchentlich oder sogar täglich zu Anschlägen, so im Irak, in Afghanistan, Pakistan und im Bürgerkriegsland Syrien. Auch weitere Länder waren von fortgesetztem oder erhöhtem Anschlagsaufkommen betroffen, darunter Ägypten, Algerien, Bangladesch, Jemen, Libanon, Libyen, Mali, Niger, (Nord-)Nigeria, Somalia sowie einzelne Regionen der Philippinen und Thailands. Wie schon in den Vorjahren wirkten sich die Kampfhandlungen und Sprengstoffanschläge jihadistischer Terroristen nicht nur auf die Sicherheitslage der betroffenen Länder und damit auf die unmittelbare Lebenssituation der dortigen Bewohner aus. Die staatliche Destabilisierung stellt darüber hinaus mittelbar auch eine Gefahr für die Sicherheit in anderen Teilen der Welt dar. Terrororganisationen nutzen bevorzugt Gebiete ohne funktionierende staatliche Strukturen als Rückzugs-, Planungsund Aktionsräume sowie zur Waffenund Sprengstoffausbildung von Kampfwilligen aus dem Inund Ausland. Auch aus Deutschland sind in den vergangenen Jahren vermehrt radikalisierte Personen in "Jihad-Gebiete" ausgereist (s. 3.2). Die Ermittlungen zu verhinderten Anschlägen der vergangenen Jahre haben ergeben, dass an den Terrorplanungen in einigen Fällen Rückkehrer - nach absolvierter Ausbildung und/oder Kampferfahrung - beteiligt waren. Im Zielspektrum jihadistischer Gruppierungen liegen nach wie vor westliche Staatsangehörige und Einrichtungen. Die Gefährdung gilt für sie primär in den oben genannten Hauptoperationsgebieten der Terrororganisationen. In westlichen Ländern selbst zeichnet sich eine Entwicklung ab, wonach radikalisierte Einzeltäter ohne organisatorische Anbindung, aber unter dem Einfluss jihadistischer Propaganda, Anschläge oder gezielte Attentate begehen. 67 Auch die Vorfälle des Jahres 2013 fügen sich in dieses Schema: # Am 15. April explodierten zwei Sprengsätze während des MarathonLaufs in der US-amerikanischen Großstadt Boston. Bei dem Anschlag wurden drei Personen getötet und mehr als 200 zum Teil schwer verletzt. Der Anschlag wurde von einem in den USA wohnhaften Brüderpaar kaukasischer Herkunft verübt. Einer von ihnen wurde beim Fluchtversuch wenige Tage später angeschossen und erlag seinen Verletzungen. Sein jüngerer Bruder und Mittäter wurde festgenommen. Nach bisherigem Ermittlungsstand stellte die Tat eine Vergeltungsaktion für die Tötung von muslimischen Zivilisten durch das US-Militär in Afghanistan und Irak dar. Während die bisherigen Ermittlungen eine Beeinflussung durch jihadistisches Gedankengut erbrachten, gibt es keine Erkenntnisse über eine Organisationszugehörigkeit beziehungsweise eine Auftragserledigung für eine bestimmte Organisation. # Am 22. Mai wurde ein britischer Soldat auf offener Straße in London von zwei radikalisierten Tätern regelrecht hingerichtet. # Nur wenige Tage später, am 26. Mai, fand in Paris ebenfalls ein gewaltsamer Übergriff eines radikalisierten Einzeltäters auf einen Soldaten statt. In beiden Fällen wurde ein einzelner Armeeangehöriger herausgegriffen, um Vergeltung für das militärische Engagement ihrer Staaten in mehrheitlich muslimischen Ländern zu üben. Die Attentate folgen einem Konzept, das bereits Ende 2001 von dem syrischen Staatsangehörigen Abu Musab Al-Suri entwickelt wurde. Es sieht einen weltweiten "dezentralisierten" beziehungsweise "führerlosen" Jihad vieler kleiner Gruppen und Individuen vor. In den zurückliegenden Jahren wurde dieses Vorgehen insbesondere vom englischsprachigen Online-Magazin "Inspire", das in Verbindung zu "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" steht, massiv propagiert. Mehr noch: potentielle Einzeltäter wurden mit technischen Anschlagsanleitungen versorgt. In gleicher Weise wertete auch Kern-"Al-Qaida" in einer Videobotschaft mit dem Titel "Du bist nur verantwortlich für dich selber" die Anschläge sogenannter Einsamer Wölfe im Westen als eine wirksame Form des Jihad (veröffentlicht am 25. Dezember 2013 über das Mediencenter "As-Sahab"). 68 3.2 Bundesrepublik Deutschland Jihadistische Drohbotschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland konnten auch 2013 festgestellt werden. Erwähnt seien ein Liedvortrag (arab. nashid) mit dem Titel "Die Ummah" (d.h. die "(islamische) Gemeinde") sowie eine Audiobotschaft der "Islamischen Bewegung Usbekistans" mit dem Titel "Der König von Setterich20". Unter dem Eindruck des Bürgerkriegs in Syrien fand im Ganzen aber eine auffällige Verschiebung der Propaganda und anderer Aktivitäten hiesiger Islamisten - unter ihnen insbesondere Salafisten - in Richtung Syrien statt. Das nahöstliche Land entwickelte sich 2013 schlagartig zum wichtigsten Zielland von Islamisten aus Deutschland. Im Jahresverlauf reisten mehr als 200 Islamisten nach Syrien aus. Auch Führungspersonen und Anhänger der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" ("Gemeinde Abrahams"), die 2012 nach Nordafrika ausgereist waren, begaben sich 2013 dorthin. Die unübersichtliche Lage in dem Bürgerkriegsland erschwert die Erkenntnisgewinnung, welchem Zweck die Ausreise im Einzelfall dient. Grundsätzlich zu unterscheiden sind: # die Überbringung von Spendengeldern, humanitären Versorgungsgütern oder medizinischen Geräten, wobei auch hier zu berücksichtigen ist, ob die Empfänger Zivilisten in Not oder "Kämpfer" sind und die Güter deren Unterstützung dienen, # die Teilnahme an Kampfhandlungen auf der Seite einer jihadistischen Gruppierung gegen das Regime von Bashar al-Assad und andere zu Gegnern erklärte Gruppen. Den Verfassungsschutzbehörden liegen bei den ausgereisten Islamisten Erkenntnisse sowohl über humanitäre Hilfsleistungen als auch über eine aktive Beteiligung an Kampfhandlungen und den Anschluss an jihadistische Gruppierungen vor. Einige der ausgereisten Personen sind bereits nach Deutschland zurückgekehrt, weitere werden voraussichtlich folgen. Ähnlich wie bei den um 1990 20 Ort in der Nähe von Aachen. 69 aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückgekehrten Kämpfern (Mujahidin) besteht auch bei Syrien-Rückkehrern die potentielle Gefahr, dass sie # ihrer Kampfgruppe verbunden bleiben, # eventuell gar in ihrem Auftrag sowie unter Nutzung der vor Ort erworbenen Fähigkeiten Aktivitäten bis hin zu einem Terroranschlag ausüben, # in islamistischen Kreisen als Vorbilder angesehen werden und andere zu ähnlichen "Jihad"-Aktivitäten motivieren bzw. rekrutieren. Dass es die Entschlossenheit zur Gewaltanwendung gibt, zeigten im Jahr 2013 die aufgedeckten mutmaßlichen Vorbereitungen einer Vier-Personen-Gruppe, einen Sprengstoffund Schusswaffenanschlag auf den Vorsitzenden der islamfeindlichen (und damit verfassungsfeindlichen) "Bürgerbewegung PRO NRW" zu verüben. Am 13. März wurden die Gruppenmitglieder in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens festgenommen. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen wegen des Verdachts eines geplanten Attentats und der Bildung einer inländischen terroristischen Vereinigung radikal-islamistischer Prägung (SS 129a Abs. 1 StGB). Einer der Beschuldigten steht aufgrund von kriminaltechnischen Erkenntnissen und Durchsuchungsergebnissen ferner im Verdacht, hinter dem Anschlagsversuch am Hauptbahnhof Bonn zu stehen. Am 10. Dezember 2012 war auf einem Bahnsteig eine Tasche mit einem Sprengsatz deponiert worden, der allerdings - wahrscheinlich aufgrund eines technischen Konstruktionsfehlers - nicht detonierte und daher keinen Schaden anrichtete. 4. Islamismus in Rheinland-Pfalz Von den schätzungsweise etwa 160.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz21 unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 845 Personen islamistische Bestrebungen. Die Zahl der rheinland-pfälzischen Islamisten blieb gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert. Konkret äußerten sich die Bestrebungen hiesiger Islamisten hauptsächlich in der Mitwirkung in einer extremistischen Vereinigung und/oder in finanziellen Unterstützungsleistungen, 21 Gesicherte Zahlen liegen aufgrund einer fehlenden statistischen Erfassung nicht vor. 70 Propagandaund Indoktrinierungsaktivitäten. Hierbei kommt der Propaganda im Internet eine hervorzuhebende, aber nicht alleinige Bedeutung zu (s. S. 102). Etwa 20 der insgesamt mehr als 100 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Im Einzelnen handelt es sich dabei um 11 Moscheegemeinden der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." sowie eine Reihe unabhängiger Moscheevereine. In solchen Vereinen mischen sich Angehörige islamistischer Organisationen und/oder Salafisten unter andere Gebetsbesucher. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten und Salafisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen ausüben und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer entsprechenden Beeinflussung konnten in rheinlandpfälzischen Moscheevereinen mehrfach, gezielte Rekrutierungsversuche von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz aber bisher nur vereinzelt festgestellt werden. Die Entwicklung von Radikalisierungsverläufen kann alternativ bzw. in Ergänzung hierzu auch mittels des Internets oder über persönliche Kennverhältnisse erfolgen. In ihrer großen Mehrheit wenden die Islamisten in Rheinland-Pfalz - und im Bundesgebiet - keine Gewalt zur Verfolgung ihrer Ziele an. Einzelpersonen sind jedoch auch hier dem jihadistischen Spektrum zuzuordnen. Insbesondere die folgenden Aktivitäten sind und waren in den vergangenen Jahren dabei festzustellen: # logistische und/oder propagandistische Unterstützung jihadistischterroristischer Gruppierungen oder Einzelpersonen im Inland oder, häufiger, im Ausland, # Rekrutierung von Glaubenskämpfern, # Kontaktpflege zu Jihadisten. Eine Beteiligung rheinland-pfälzischer Jihadisten an Kampfhandlungen und Terroraktivitäten - im Ausland - ist bisher in sehr wenigen Einzelfällen bekannt geworden. Dominiert wird der Islamismus in Rheinland-Pfalz durch die salafistischen Bestrebungen und die im Anschluss daran vorgestellten Organisationen. 71 4.1 Salafistische Bestrebungen Anhänger Bund: ca. 5.500 (2012: ca. 4.500) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 70 (2012: ca. 65) Unter dem Oberbegriff "salafistische Bestrebungen" werden die Aktivitäten zahlreicher Einzelakteure, Vereine und Internetseiten zur Verbreitung der salafistischen Ideologie zusammengefasst. Sie weisen keine feste Struktur im Sinne eines Dachverbandes mit zugehörigen Ortsvereinen auf. In entsprechender Weise handelt es sich bei den salafistischen Bestrebungen um eine mehrstimmige und dynamische Bewegung. Die Begriffe "Salafismus" und "salafistisch" basieren auf dem arabischen Wort salaf, d.h. "Altvordere" oder "Vorfahren". Nach islamischem Verständnis sind mit den sogenannten rechtschaffenen Vorfahren (al-salaf al-salih) die ersten drei Generationen von Muslimen gemeint, d.h. die Zeitgenossen Muhammads sowie die beiden nachfolgenden Generationen. Sofern Salafisten deren Verhalten lediglich als persönliches Vorbild betrachten und daraus keinen allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Auftrag ableiten, liegt keine extremistische Bestrebung im Sinne des Beobachtungsauftrags des Verfassungsschutzes vor. Oftmals erklären Salafisten die Sunna, d.h. die überlieferte Lebensweise Muhammads und der salaf, jedoch zu einem verbindlichen Rollenmodell für alle Muslime unabhängig von Ort und Zeit. Zugleich lehnen sie nachträgliche Neuerungen innerhalb der islamischen Glaubenslehre und Glaubenspraxis sowie Verhaltensweisen, Zeiterscheinungen und gesetzliche Bestimmungen, die sich nicht aus den islamischen Quellen Koran und Sunna herleiten lassen, kategorisch ab. Problematisch aus verfassungsschutzrechtlicher Sicht ist hierbei in erster Linie die Zurückweisung weltlicher Gesetze - dies mit dem Argument, dass die Gesetzgebung lediglich Gott (Allah) zustehe. Damit wird zum einen die Volkssouveränität, ein Element der Demokratie, grundsätzlich abgelehnt. Zum anderen wird die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zumindest indirekt, mitunter aber sogar explizit als illegitim bezeichnet. Die stattdessen geforderten Rechtsvorschriften sind hingegen in vielen Fällen unvereinbar mit der hiesigen Verfassung und Rechtsordnung, u.a. 72 # Todesstrafe bei Abfall vom islamischen Glauben und Mord, # Körperstrafen unter anderem bei Alkoholkonsum, außerehelichem Geschlechtsverkehr und Diebstahl. Darüber hinaus werden Frauen in vielen Einzelpunkten mindere Rechte gegenüber dem Mann eingeräumt. Aufgrund dieses Verständnisses, das den Islam der Frühzeit als politische und rechtliche Ordnung begreift und entsprechend durchsetzen will, wird diese Form des Salafismus zumeist als "politischer Salafismus" bezeichnet. Er unterliegt als solcher der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Der "politische Salafismus" geht mit ausgeprägten Feindbildern und einem ebenso ausgeprägten Expansionsstreben einher. Die Feindbilder resultieren aus der Ablehnung sämtlicher Systeme, Glaubensdogmen und Verhaltensmuster, die aus seiner Sicht unislamisch sind. Repräsentiert wird der "Unglaube" nach weit verbreitetem salafistischen Verständnis insbesondere durch den Westen, der zudem einer islamfeindlichen Politik beschuldigt wird. Aber selbst Muslime, deren Glaubenslehre, Religionsausübung und Lebensführung nicht den eigenen Vorstellungen vom Islam entspricht, werden von Salafisten häufig zu Ungläubigen erklärt. Betroffen von dieser "Exkommunizierung" (takfir) durch Salafisten sind insbesondere säkular eingestellte Muslime, Anhänger der sufischen (mystischen) Strömung und Schiiten. Die stark angestiegene antischiitische Grundhaltung der vergangenen Jahre hat nicht nur religiöse, sondern auch politische Ursachen. Sie liegt im Machtkampf begründet, der im Irak und im Bürgerkriegsland Syrien in hohem Maße entlang konfessioneller Linien verläuft. Salafisten verstehen sich hierbei als die Verteidiger der sunnitischen Muslime. Das Expansionsstreben von Salafisten findet seine konkrete Ausdrucksform in den Dawa-Aktivitäten seiner Anhänger. Dieser ebenfalls arabische Begriff bedeutet Einladung beziehungsweise Aufruf zum Islam. Aufgrund der politischen Komponente des vermittelten Islamund Weltbilds gehen die Dawa-Aktivitäten jedoch über eine rein religiöse Missionsarbeit weit hinaus. Die wichtigsten Dawa-Aktivitäten sind der Betrieb von Internetseiten und sozialen Netzwerken im Internet, die Durchführung von Informationsständen, Kundgebungen und Seminaren sowie entsprechende Predigtinhalte in bestimmten Moscheen. 73 Die vielfältigen Aktivitäten dienen nicht nur der Verbreitung des salafistischen Gedankenguts, sondern auch der Vernetzung innerhalb der salafistischen Anhängerschaft. Politische Salafisten wenden im Ganzen gewaltfreie Mittel an. Ihre Rhetorik lässt mitunter aber ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt erkennen. Zu den wichtigsten und öffentlichkeitswirksamsten Aktivitäten politischer Salafisten gehört seit Herbst 2011 die Missionierungskampagne "Lies!". Ziel dieses Projekts ist es, in Deutschland 25 Millionen Exemplare einer Koranübersetzung kostenlos zu verteilen. Initiiert wurde die Kampagne von der salafistischen Vereinigung/Internetplattform "Die wahre Religion", insbesondere ihrer Führungsperson Ibrahim Abou-Nagie. Im Rahmen der Kampagne fanden 2013 erneut Verteil-Aktionen in zahlreichen Städten im Bundesgebiet statt, so auch in Rheinland-Pfalz, u.a. in Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Neustadt/Weinstraße, Neuwied und Speyer. Wenngleich bei diesem Projekt tatsächlich die religiöse Missionierung im Vordergrund steht - und diese Aktion mithin durch Art. 4 Grundgesetz (Glaubensund Gewissensfreiheit) abgedeckt ist -, so sind doch zwei Aspekte zu berücksichtigen. Die verantwortliche Vereinigung "Die wahre Religion" ist in den vergangenen Jahren regelmäßig durch die Verbreitung extremistischen Gedankenguts, teilweise unter Billigung von Gewaltanwendung, aufgefallen. Zudem dient die unter großem Personalaufwand betriebene Aktion dazu, Helfer und Anhänger für die Gruppierung zu gewinnen und sie an sich zu binden und ideologisch zu beeinflussen. Ideologisch eng mit dem "politischen Salafismus" verwandt ist der "jihadistische Salafismus". Er unterscheidet sich von ihm jedoch durch die Wahl der strategischen Durchsetzungsmittel. Jihadistische Salafisten propagieren, unterstützen oder gebrauchen gewaltsame Mittel, um ihre Ziele im Inland, häufiger aber noch im Ausland zu verfolgen und gegen jene Kräfte vorzugehen, die diesem Ziel im Wege stehen. Ihren Kampf deklarieren sie als Jihad. Der "jihadistische Salafismus" stellt innerhalb des salafistischen Gesamtspektrums ein kleines Segment dar, bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz. Die Übergänge zwischen den politischen und jihadistischen salafistischen Bestrebungen sind mitunter fließend. So ist die Rhetorik im Bereich des politischen Salafismus teilweise imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse bis 74 hin zur Gewaltanwendung in Gang zu setzen oder zu fördern. Ein Netzwerk mit ebensolchem Radikalisierungspotenzial war "DawaFFM" mit Sitz in Frankfurt am Main. Mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 25. Februar 2013 wurde es wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung verboten. Die folgenden Liedtexte, die auf der Internetseite von "DawaFFM" als Intround Hintergrundmusik von Videos festgestellt wurden, vermitteln einen Eindruck von der Agitation: "Zerstört den Unglauben [...] Ruft laut auf zum Aufbruch zum Krieg [...] Wir sind immer die Soldaten Allahs [...] Und von Neuem unternehmen wir den Jihad und kämpfen und töten [...] Nimm das Schwert auf und töte diejenigen, die Unrecht tun [...] Zerstöre sie [...] Reißt ihren Staat in Stücke, verbrennt ihr Banner [...]" 4.2 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.300 (2012: ca. 1.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 30 ..(2012: 20) Die von Hasan al-Banna (1906-1949) gegründete "Muslimbruderschaft" markiert den Beginn des Islamismus in seiner organisierten Form. Von ihrem Ursprungsland Ägypten breitete sich die hierarchisch aufgebaute Kaderorganisation in den folgenden Jahrzehnten zunächst in arabische Länder, später auch in andere Regionen aus. Nach eigenen Angaben ist sie heutzutage in 70 Ländern weltweit vertreten, darunter in Deutschland. Aus ihr gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und "En Nahda" ("Die Erneuerung") in Tunesien hervor. Programmatischer Kernpunkt der "Muslimbruderschaft" ist die Einheit von Religion und Staat, die gemäß ihrem Verständnis durch die Anwendung der islamischen Rechtsvorschriften (Scharia) verwirklicht werden soll. "Muslimbruderschaft" in Ägypten: In Ägypten, der Hauptbasis der "Muslimbruderschaft", eröffneten sich nach dem Sturz des ehemaligen Staatspräsidenten Hosni Mubarak im Jahr 2011 75 plötzlich neue politische Räume, die sie konsequent zur Realisierung ihres Ziels, nämlich die Errichtung eines Staates auf der Grundlage der Scharia, nutzte. Ihre Angehörigen gründeten einen parteipolitischen Arm, die "Freiheitsund Gerechtigkeitspartei" (arab. Hizb ul-hurriya wal-adala), die nach ihrem Wahlsieg 2011/2012 die größte Fraktion im Parlament darstellte. Der aus der Führungsriege der "Muslimbruderschaft" stammende Muhammad Mursi wurde im Juni 2012 zum Staatspräsidenten gewählt. Die im Dezember 2012 durch Referendum angenommene, aber zugleich umstrittene Verfassung der Arabischen Republik Ägypten trug deutlich die Handschrift der "Muslimbruderschaft", da ihre Angehörigen in der Verfassungsgebenden Versammlung - neben Salafisten - stark vertreten waren. So wurde der unverändert belassene Artikel 2, der u.a. den Islam als Staatsreligion und die Prinzipien der Scharia als die Hauptquelle der Gesetzgebung festlegt, durch den neuen Artikel 219 ergänzt: "Die Prinzipien der islamischen Scharia umfassen die allgemeine Beweisführung, die Bestimmungen ihrer Rechtsprechung und ihre Quellen, wie sie in den Rechtsschulen der sunnitischen Gemeinde formuliert sind." Die relativ allgemein formulierten "Prinzipien der Scharia" erfuhren dadurch eine Konkretisierung im Sinne einer islamischen Rechtsprechung sunnitischen Zuschnitts. Mit Art. 44 wurde zudem die Meinungsfreiheit in religiösen Fragen stark eingeschränkt: "Die Beleidigung und Bloßstellung der Gesandten und Propheten ist untersagt."22 War das Jahr 2012 von einem bis dato unbekannten Machtzuwachs der ägyptischen Muslimbruderschaft gekennzeichnet, kam es 2013 zu einer 180-GradKehrtwende. In der ägyptischen Bevölkerung machte sich zunehmender Unmut über die Politik Muhammad Mursis breit - auch weil sie von vielen Ägyptern als die Politik von Muslimbrüdern für Muslimbrüder und deren Interessen wahrgenommen wurde. Dies bescherte der Protestbewegung Tamarod (arab. "Rebellion") wachsenden Zulauf. Nach anhaltenden Massenprotesten und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten enthob das Militär Muhammad Mursi am 3. Juli 2013 seines Amtes und stellte ihn unter Arrest. Darüber hinaus wurden mehrere Führungsmitglieder der "Muslimbruderschaft" verhaftet. Anhänger Mursis und der "Muslimbruderschaft" protestierten in den Folgewochen gegen das Vorgehen des 22 Die Verfassung wurde im Juli 2013 außer Kraft gesetzt. Im Januar 2014 trat in Ägypten eine neue Verfassung in Kraft. 76 Militärs (von ihnen und auch von vielen Beobachtern als Putsch bezeichnet) und für die Wiedereinsetzung Mursis in das Präsidentenamt. In Kairo errichteten sie zwei Protestcamps, die am 14. August vom Militär gewaltsam geräumt wurden. Dabei wurden mehrere Hundert Menschen getötet. Am 23. September wurde die "Muslimbruderschaft" durch ein ägyptisches Gericht verboten. Drei Monate später, am 25. Dezember, stufte die Übergangsregierung die "Muslimbruderschaft" als Terrororganisation ein. Anlass hierfür war ein Terroranschlag am Vortag auf eine Polizeistation in der nordägyptischen Stadt Mansura - für eine tatsächliche Urheberschaft oder Anschlagsbeteiligung der "Muslimbruderschaft" wurden jedoch keine stichhaltigen Beweise vorgelegt. "Muslimbruderschaft" in Europa, Deutschland und Rheinland-Pfalz Angehörige der "Muslimbruderschaft" schufen in den zurückliegenden Jahrzehnten in Europa ein Netz von Moscheen, Instituten und Verbänden. Sie verbreiten bis heute ihre Ideologie und verfolgen ihre gesellschaftlichen sowie politischen Interessen. Zu den Einrichtungen gehören u.a. # "Federation of Islamic Organizations in Europe" (FIOE, "Föderation Islamischer Organisationen in Europa") mit Sitz in Brüssel; fungiert als Dachverband von Verbänden, die der Muslimbruderschaft nahestehen. # "European Council for Fatwa and Research (ECFR, "Europäischer Rat für Rechtsgutachten und wissenschaftliche Studien") mit Sitz in Dublin; fungiert als Gremium zur Ausarbeitung von Rechtsfragen für Muslime in Europa. Vorsitzender: Yusuf al-Qaradawi, einflussreicher, in Katar wohnhafter (Fernseh-)Prediger und Verfasser zahlreicher Schriften. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Neben ihrem Hauptsitz in Köln unterhält sie nach eigenen Angaben "Islamische Zentren" in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. 77 In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch in Rheinland-Pfalz die Bildung ihrer Strukturen zu fördern. 4.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder Bund: ca. 31.000 (2012: ca. 31.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 650 (2012: ca. 650) Ortsvereine: 11 Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation; sie ist dem gewaltfreien islamistischen Spektrum zuzuordnen. Es handelt sich bei ihr um einen hierarchisch strukturierten Verband mit Ortsvereinen, Regionalverbänden und einer weisungsbefugten Zentrale in Kerpen, Nordrhein-Westfalen. Die rheinland-pfälzischen IGMG-Mitglieder sind vorwiegend im RegionalverIGMG als Bestandteil der Milli Görüs-Struktur band Rhein-Neckar-Saar organisiert sowie zu einem kleineren Teil im Regionalverband Köln. Unter dem aktuellen Vorsitzenden Kemal Ergün sind Bemühungen erkennbar, die Verbindungen der IGMG zur "Milli Görüs"23-Bewegung und deren parteipolitischen Arm in der Türkei ("Saadet Partisi", d.h. "Glückseligkeitspartei") zu verringern. Das Bemühen um ein eigenständigeres Profil geht mit einer vorrangigen Gewichtung der religiösen Tätigkeiten und sozialen Dienstleistungen für die Mitglieder in Deutschland einher. 23 Der Name bedeutet dem Selbstverständnis der Bewegung nach "Sichtweise der Gemeinde Abrahams/Ibrahims". 78 Gleichwohl ist die IGMG weiterhin bestrebt, ihre aus der Religion abgeleiteten Anliegen politisch durchzusetzen. Die Organisation folgt damit einer Vorgabe ihres Vorsitzenden Kemal Ergün beim "Tag der Solidarität und Brüderlichkeit" am 19. Mai 2013 in Hasselt (Belgien). In seiner Rede vor ca. 20.000 Mitgliedern und Anhängern verkündete er: "Hier dauerhafte Werke zu hinterlassen und die Werte der islamischen Zivilisation zu etablieren, kann nur mit dem Gedanken, hier sesshaft zu sein, verwirklicht werden [...] Wir müssen in der Lage sein, uns auf unsere islamischen Werte und unser islamisches Erbe stützend aktiv an politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen teilzuhaben [...]." Zugleich gab es auch im Jahr 2013 tatsächliche Anhaltspunkte für den Fortbestand von Querverbindungen zwischen IGMG und "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei: # Gedenkveranstaltungen mehrerer IGMG-Gemeinden anlässlich des zweijährigen Todestages des Milli Görüs-Gründers Necmettin Erbakan (Berichterstattung hierüber in "Milli Gazete" vom 19. und 22. Februar sowie 4., 6., 9. und 11. März 2013). # Verehrung Erbakans in der vierzehntägig erscheinenden IGMG-Zeitung "camia" vom 22. Februar 2013 sowie in der IGMG-Monatszeitschrift "Perspektif" (Februar 2013). # regelmäßige und nahezu exklusive Berichterstattung der Europa-Ausgabe der Tageszeitung "Milli Gazete", dem wichtigsten Printmedium der "Milli Görüs"-Bewegung, über IGMG-Veranstaltungen im Bundesgebiet und die "Saadet Partisi". Nutzung der Zeitung für Anzeigen der IGMG-Zentrale und ihrer Regionalverbände sowie Glückwunsch-, Genesungsund Kondolenzanzeigen von IGMG-Mitgliedern. Das Beziehungsgeflecht zwischen IGMG und "Milli Gazete" ist insoweit erwähnenswert, als in der Zeitung die extremistische "Milli Görüs"-Ideologie unverändert zu Tage tritt. Das dort propagierte Weltbild weist konstant folgende Bestandteile auf - und findet sich in rhetorisch abgeschwächter Form auch in Verlautbarungen der IGMG: 79 # Feindbilder in Kombination mit Verschwörungstheorien: Die Politik westlicher Staaten erscheint durch eine wesenseigene Aggression motiviert sowie ausschließlich darauf angelegt, dem Islam und den Muslimen zu schaden. Die einseitig dem Westen zugeschriebene Gewalt und Ausbeutung korrespondiert mit der Erläuterung des Begriffs Kufr (Unglaube) auf der IGMG-Internetseite. Im dortigen Glossar wird er als "die Wurzel allen Übels und die Ursache aller Unterdrückung" bezeichnet (abgerufen am 2. August 2013). # Globale Heilsansprüche im Namen des Islam, einer islamischen Union unter türkischer Führung und eine Machtübernahme der "Milli Görüs": Verklausuliert formuliert, spiegelte sich dieses Denken auch in einer Rede des IGMG-Generalvorsitzenden Kemal Ergün wider: "Unser Ziel ist es, Gottes Wille zu erfüllen, unser Streben ist es, dass das Bekenntnis zum Monotheismus in der Welt angenommen und verbreitet wird." Weiter: "Ergün betonte die Notwendigkeit, unsere Mission "Es gibt keinen Gott außer Gott" [erster Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses] zu verdeutlichen, damit auf der ganzen Welt Gerechtigkeit vorherrscht." (s. "Milli Gazete", 30. Oktober 2013). # Ganzheitliches und reformfeindliches Islamverständnis: Reformen im Bereich des Islam wird eine entschiedene Absage erteilt. Zu den Pflichten des Gläubigen werden in einer Kolumne der "Milli Gazete" auch die "Anerkennung des Korans als Verfassung", die "Anerkennung des Islams als Rechtssystem" und die "Ablehnung von Freundschaften zu Ungläubigen und Polytheisten" gezählt (22. Mai 2013). In IGMG-Verlautbarungen wird ebenfalls ein ganzheitliches Islamverständnis offenkundig, z.B: "In ihrer Eigenschaft als eine religiöse Gemeinde betrachtet die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs den Islam als eine Religion, die sämtliche Lebensbereiche umfasst, und die das Ziel hat, die Menschen und die Gesellschaften in allen Bereichen des Lebens zu steuern." (Stellungnahme der IGMGAbteilung für religiöse Wegweisung in "camia", 30. November 2012). 80 Die Vorstellung einer individuell bestimmten Lebensführung sowie gesellschaftlicher Bereiche ohne religiöse Vorschriften wird damit negiert. Konkret zeigt sich dies auch an Aussagen wie "Die tesettür (d.h. Kopftuchbedeckung, Verhüllung) ist kein Wunsch, sondern ein göttlicher Befehl", so das Diskussionsmotto einer Veranstaltung des Frauenverbandes der IGMG Berlin (s. "Milli Gazete" vom 15. März 2013). Im Jahr 2013 haben sich in Deutschland weitere Institutionen etabliert, die mit der "Milli Görüs"-Bewegung verbunden sind. Zu nennen ist hierbei insbesondere die Deutschland-Vertretung der "Saadet Partisi". Ihre Gründungsveranstaltung fand am 27. Dezember 2013 in Köln statt; zudem existieren inzwischen in mehreren deutschen Städten Büros der "Saadet Partisi". Darüber hinaus gründete Fatih Erbakan, Sohn des "Milli Görüs"-Gründers Necmettin Erbakan, im Juni 2013 in Ankara die "Erbakan-Stiftung" ("ErbakanVakfi"). Sie verfügt bereits über einen Europa-Ableger und einen eigenen, wenngleich begrenzten Unterstützerkreis in Deutschland. Insoweit wird die "Milli Görüs"-Bewegung in Deutschland nicht mehr allein durch die IGMG und die Zeitung "Milli Gazete" repräsentiert. 4.4 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 750 (2012: ca. 800) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 50 .(2012: ca. .40) Der "Kalifatsstaat" ist eine türkisch-islamistische Organisation, die 2001 durch das Bundesministerium des Innern verboten wurde. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden. In der Verbots81 verfügung wurde festgestellt, dass sich der "Kalifatsstaat" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Vereinsverbot bewegte einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Die Abschiebung des Vereinsoberhauptes Metin Kaplan - von den Anhängern als "Kalif" bezeichnet - in die Türkei im Jahr 2004 und seine dortige Inhaftierung schwächten die Gruppierung zusätzlich. Allerdings können weiterhin verdeckte Aktivitäten zur Aufrechterhaltung organisatorischer Zusammenhänge festgestellt werden. Darüber hinaus nutzt der "Kalifatsstaat" mehrere Medienorgane, um seine charakteristische Ideologie zu propagieren. Zu nennen sind vor allem die türkischsprachige Monatszeitschrift "Muhacirun", die auch im Internet abrufbar ist, sowie weitere - im Ausland gehostete - Internetseiten. Auf ihnen sind zahlreiche Predigten, Vorträge und Schriften insbesondere des "Kalifatsstaat"-Gründers Cemaleddin Kaplan abrufbar. Die folgenden kurzen Textzitate gewähren einen Einblick in das dort verbreitete Gedankengut: # "Das demokratische System ist ein Götze." # "Die Herrschaft steht bedingungslos und uneingeschränkt Gott zu." # "Die Verfassung der Muslime ist der Koran." # "Gesetze zu schaffen bedeutet, Krieg gegen Gott zu eröffnen." Im selben Maße, wie die Demokratie und ihre wesentlichen Bestandteile wie die Volkssouveränität oder die Zuschreibung der legislativen Gewalt an gewählte Volksvertreter abgelehnt werden, wird in den "Kalifatsstaat"-Medien ein Feindbild "Ungläubige" geschürt, so zum Beispiel unter der Überschrift "Tek düsman Islam!" ("Der einzige Feind ist der Islam", im Internet abgerufen am 23. Januar 2014): "Die Islamfeinde sehen zwei Möglichkeiten zur Beseitigung der wahren Muslime, die sich für einen islamischen Staat mit dem Koran als Verfassung und der Scharia als Gesetz einsetzen, die jene aber als radikale Islamisten bezeichnen. So sagen sie: "Entweder schlagen wir ihnen die Köpfe ein und zermalmen sie oder wir stiften mit heuchlerischen Spielen Zwietracht und Unruhe unter ihnen und 82 vernichten sie!" Auf diese Art wollen die Ungläubigen die Muslime für sich selbst unschädlich machen." Auch in Rheinland-Pfalz sind Bestrebungen zur Aufrechterhaltung und Propagierung der "Kalifatsstaat"-Ideologie festzustellen, u.a. im Internet und mittels der Verteilung von einschlägigem Schriftgut. Gegen einen Aktivisten wurden aufgrund entsprechender Tätigkeiten eine Bewährungsstrafe und Geldbuße verhängt. Die Außenwirkung der Propaganda ist begrenzt, da es sich beim "Kalifatsstaat" um eine Splittergruppe handelt, die unter der muslimischen Bevölkerung nur einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt und wenig Akzeptanz findet. Das Vereinsverbot verhindert zudem eine Mitwirkung in Gremien und Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Gleichwohl ist die "Kalifatsstaat"Propaganda imstande, individuelle Radikalisierungsprozesse auszulösen, zu fördern oder für ideologisch verwandte Strömungen - wie den Salafismus - empfänglich zu machen. 4.5 Weitere islamistische Organisationen In der Bundesrepublik Deutschland sind weitere islamistische Organisationen vertreten. Zu nennen sind hier insbesondere # HAMAS ("Islamische Befreiungsbewegung"), eine palästinensischsunnitische Organisation mit ca. 300 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland, # "Hizb Allah" ("Partei Gottes"), eine libanesisch-schiitische Organisation mit ca. 950 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland, # "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"), eine ursprünglich palästinensisch-sunnitische Organisation mit ca. 300 Anhängern in Deutschland; seit 2003 mit einem Tätigkeitsverbot belegt, # "Nordkaukasische Separatistenbewegung", gespalten in "Tschetschenische Republik Itschkeria" und "Kaukasisches Emirat", ca. 250 Mitglieder/Anhänger in Deutschland, 83 # "Türkische Hizbullah", eine tatsächlich vorwiegend kurdisch-sunnitische Organisation mit ca. 350 Mitgliedern/Anhängern in Deutschland. In Rheinland-Pfalz leben Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu den genannten Gruppierungen gibt. Die Organisationen als solche traten hier im Berichtsjahr allerdings nicht beziehungsweise nur am Rande in Erscheinung. 84 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland als auch deutsche Interessen im Ausland werden weiterhin durch eine Reihe von extremistischen / terroristischen Organisationen mit unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung gefährdet. Linksextremistische Ausländergruppen überwiegend türkischen Ursprungs, deren ideologische Wurzeln zumeist auf einer marxistisch-leninistischen bzw. maoistischen Weltanschauung basieren, verfolgen nach wie vor die "revolutionäre" Zerschlagung der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Errichtung sozialistischer bzw. kommunistischer Systeme in ihren Heimatländern. Nationalistische Ausländerorganisationen messen der Nation sowohl ethnisch-kulturell als auch politisch-territorial den höchsten Stellenwert zu und missachten die Rechte und Interessen anderer Völker. Sie bemessen den Wert eines Menschen nach seiner Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse. Dies steht in einem elementaren Widerspruch zu den fundamentalen Menschenrechten und dem Gedanken der Völkerverständigung. Separatistische Organisationen streben die Loslösung eines Teils des Staatsgebietes ihrer Heimatländer und die Errichtung eigener Staaten teilweise unter Anwendung von Gewalt an. Hierzu gehören z.B. die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) aus Sri Lanka. Die Aktivitäten der in Deutschland agierenden nichtislamistischen extremistischen Ausländerorganisationen werden im Wesentlichen durch aktuelle politische Entwicklungen und Ereignisse in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Deutschland dient den meisten dieser Organisationen als sicherer Rückzugsund Rekrutierungsraum sowie als Basis für logistische Aktivitäten (z.B. Spendensammlungen). In Rheinland-Pfalz werden ca. 600 Personen extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet (500 Linksextremisten, 100 extreme Nationalisten). 85 Besondere Bedeutung kommt der seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu, die einen staatenähnlichen Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak anstrebt, ebenso die Freilassung, zumindest jedoch eine Verbesserung der Haftbedingungen, ihres in der Türkei inhaftierten Führers Abdullah Öcalan. Während die Organisation in Deutschland / West-Europa vornehmlich einen friedlichen Kurs verfolgt, kam es in der Türkei in den vergangenen Jahren fortgesetzt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen PKK-Guerillaeinheiten und dem türkischen Militär. Im ersten Halbjahr 2013 waren Annäherungen zwischen der PKK und türkischer Regierung festzustellen. Es gab intensive Gespräche um eine Lösung des Kurdenkonflikts, die in der Folge zum beidseitigen Waffenstillstand sowie zu einem Rückzug der PKK-Guerilla führten. Letzterer wurde jedoch schon nach wenigen Monaten gestoppt, weil seitens der PKK die "Demokratisierungsbemühungen" der türkischen Regierung als unzureichend bewertet wurden und man die eigenen zentralen Forderungen hinsichtlich einer Konfliktlösung als nicht erfüllt sah. Die Situation ihres Führers Öcalan sowie insbesondere der am 9. Januar 2013 in Paris verübte Mord an drei PKK-Aktivistinnen boten der Organisation in Deutschland über das ganze Jahr 2013 hindurch Anlass, friedliche öffentlichkeitsund medienwirksame Veranstaltungen durchzuführen. Die Bestrebungen der LTTE in Sri Lanka einen unabhängigen tamilischen Staat sozialistischer Prägung ("Tamil Eelam") - gegebenenfalls unter Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes - zu errichten, hielten unvermindert an. Die beiden in den vergangenen Jahren konkurrierenden, mit unterschiedlichen Strategien operierenden Flügel "Tamil Coordinating Committee" (TCC) und "Transnational Government of Tamil Eelam" (TGTE) haben sich 2013 ein stückweit angenähert. 86 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2013 2012 2013 2012 Gesamt 600 600 28.810 28.810 Linksextremisten 500 500 17.970 17.970 Extreme Nationalisten 100 100 10.840 10.840 (Angaben gerundet) 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Weitere Bezeichnungen: Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 Umbenennung in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, kurz: HPG) Leitung in Westeuropa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 13.000 (2012: ca. 13.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2012: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 87 Allgemeine Lage Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von dem seit 1999 in der Türkei auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Abdullah Öcalan gegründet. Die Organisation ist bestrebt, auf der politischen Ebene als einziger legitimer Vertreter und Ansprechpartner in der Kurdenfrage anerkannt zu werden; sie verfolgt mithin eine Doppelstrategie: Während sie sich in Westeuropa um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht, setzt sie in der Türkei und der nordirakischen Grenzregion, aber auch im Osten Syriens, mit ihren bewaffneten Einheiten weiterhin auf die Anwendung von Gewalt. An dieser ambivalenten Ausrichtung änderten auch die seit 2002 erfolgten diversen Umbenennungen der Organisation nichts, die einzig dazu dienten, nach außen hin den Eindruck einer politischen Neuausrichtung zu erwecken und sich vom Makel einer Terrororganisation zu befreien. Die PKK ist straff organisiert und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über hierarchische Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ebene der örtlichen kurdischen Kulturvereine. Die PKK und ihre Nebenorganisationen sind durch Verfügung des Bundesministers des Innern seit November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt, weil sie strafrechtliche Bestimmungen verletzen sowie die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und andere erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Seit 2002 ist die PKK von der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistet. Gemäß der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20. Oktober 2011 sind bei der Strafverfolgung der PKK-Strukturen regelmäßig die SSSS 129b Abs. 1 i.V.m. 129a Abs. 1 StGB anzuwenden. Zuvor war die PKK strafrechtlich als inländische kriminelle Organisation nach SS 129 StGB bewertet worden. Seit Ende 2012 berichteten die Medien über Fortschritte bei Gesprächen zwischen der türkischen Regierung und der PKK um eine Lösung des Kurdenkonflikts. Abdullah Öcalan unterbreitete der prokurdischen "Partei des Friedens und der Demokratie" (BDP), der PKK-Führung im Nordirak und den PKKStrukturen in Europa konkrete Lösungsvorschläge für einen Friedensprozess. 88 Sein "dreistufiger" Friedensplan sah zunächst einen Waffenstillstand, eine sich anschließende Phase der "Aktionsruhe" und letztlich einen vollständigen Rückzug der PKK-Guerilla aus der Türkei bis Mitte August 2013 vor. Von der türkischen Regierung erhoffte sich die PKK die Schaffung rechtlicher Grundlagen bzw. eine Verfassungsänderung in ihrem Sinne. Die türkische Regierung ihrerseits ernannte am 3. April 2013 einen sogenannten Rat der Weisen, der im Friedensprozess eine unterstützende und begleitende Rolle übernehmen und in der türkischen Öffentlichkeit aktiv für die Kurdenpolitik der Regierung werben sollte. Zum kurdischen Neujahrsfest "Newroz" (21. März) rief Öcalan sodann in einer Botschaft seine Anhänger zur Beendigung des bewaffneten Kampfes in der Türkei auf. An die PKK-Guerillakämpfer appellierte er, sich aus der Türkei zurückzuziehen: "Es ist an der Zeit, dass die Waffen schweigen und Ideen sprechen." Von der türkischen Regierung forderte er im Gegenzug die Aufnahme politischer Verhandlungen sowie den Beginn einer Demokratisierung der Türkei. Ein daraufhin von der türkischen Regierung beschlossenes "Demokratisierungspaket" mit Reformvorschlägen für die kurdisch stämmige Bevölkerung bewertete die PKK als unzureichend und sah ihre zentralen Forderungen darin als nicht erfüllt an. Unter Beibehaltung des Waffenstillstandes wurde deshalb der begonnene Rückzug der PKK-Guerillaeinheiten gestoppt. Am 9. Januar 2013 wurden drei PKK-Aktivistinnen im Kurdistan Informationsbüro in Paris ermordet. Es handelt sich dabei um Sakine Cansiz, eine hochrangige Funktionärin und Mitbegründerin der PKK, um Fidan Dogan, eine Vertreterin des PKK-nahen "Kurdischen Nationalkongresses" (KNK) und um Leyla Saylemez, die für die Jugendorganisation "Komalen Ciwan" (KC) in Deutschland aktiv war. Schon einen Tag später, am 10. Januar 2013, versammelten sich ca. 1.500 kurdische Demonstranten nahe des Tatorts in Paris und zeigten Plakate mit den Aufschriften "Die Märtyrer sind unsterblich" und "Mörder Türkei". PKK-nahe kurdische Organisationen forderten eine lückenlose Aufklärung der Morde; sie unterstellten dem türkischen Geheimdienst, mit Unterstützung französischer Stellen für die Morde verantwortlich zu sein. 89 Während türkische Medien eine Täterschaft innerhalb des extremistischen kurdischen Spektrums vermuten, sehen kurdische Medien hinter den Morden den türkischen Staat als Drahtzieher. Als Reaktion auf die Morde in Paris fanden in Deutschland und anderen europäischen Ländern überwiegend friedliche Aktivitäten in Form von öffentlichen Kundgebungen und Kranzniederlegungen vor türkischen und französischen Konsulaten und Botschaften statt. Am 12. Januar 2013 nahmen ca. 15.000 Menschen an einer Großdemonstration in Paris teil, darunter auch zahlreiche PKK-Anhänger aus Rheinland-Pfalz. Die französische Polizei nahm am 17. Januar 2013 Ömer Güney fest, der als mutmaßlicher Täter nach wie vor in Untersuchungshaft sitzt. Auf Initiative der YEK-KOM wurde am 17. August 2013 in Berlin ein Aktionsbündnis für die Solidarität mit den Menschen im kurdischen Siedlungsgebiet in Nordsyrien (Rojava) gegründet. Bereits mit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen in der syrisch-türkischen Grenzregion zwischen dem syrischen "Ableger" der PKK, der "Partei der demokratischen Einheit" (PYD), und islamistischen Gegnern des Assad Regimes hatte sich in Deutschland eine Welle von Solidaritätsaktionen und -veranstaltungen für die syrischen Kurden abgezeichnet. Im Bestreben in den kurdischen Siedlungsgebieten Syriens weiter an Einfluss zu gewinnen, unterstützt die PKK diese Aktivitäten. Organisationsstrukturen Nach der Umbenennung der PKK 2002 in KADEK und 2003 in KONGRA GEL beschloss die PKK ihre Neugründung auf einem "Kongress zum Wiederaufbau" im Frühjahr 2005. Eine Schlüsselrolle in dem angestrebten Demokratisierungsprozess des Nahen Ostens spielt die "Koma Ciwaken Kurdistan" (KCK). Daneben kommt dem gleichsam als "ideologischem Motor" wirkenden KONGRA GEL die Aufgabe zu, die politischen Ziele der PKK umzusetzen. Bei der "9. Außerordentlichen Generalversammlung des KONGRA GEL" vom 30. Juni bis zum 5. Juli 2013 in den Kandil Bergen im Nordirak wählten die Delegierten Abdullah Öcalan erneut zum Präsidenten der KCK. In den Führungsebenen des KONGRA GEL und des KCK wurden personelle Veränderungen beschlossen. Cemil Bayik und Bese Hozat wurden als Doppelspitze zu Vorsitzenden der KCK gewählt. Hacer Zagros und Remzi Kartal zu Vorsitzenden des 90 KONGRA GEL. Murat Karayilan wurde zum neuen Oberbefehlshaber der HPG ernannt. Die Politik der PKK in Europa wird von der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) gesteuert. Mehrere Massenbzw. Nebenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessensgruppen repräsentieren (z.B. Alewiten, Jeziden, Jugendliche, Frauen, Studenten etc.), vervollständigen die Organisationsstruktur der PKK. In Deutschland existieren konspirative Organisationsformen, die in die Regionen Nord, Mitte, Süd unterteilt sind. Diese und die ca. 30 Gebiete (Unterbereiche) werden von regelmäßig wechselnden PKK-Führungsfunktionären, sogenannten Regionalbzw. Gebietsleitern geleitet. Sie wiederum haben starken Einfluss auf die nachgeordneten Organisationsebenen, die jeweiligen Teilgebiete und die örtlichen kurdischen Kulturvereine. Die der PKK nahestehende YEK-KOM listet auf ihrer Internetseite 45 kurdische Kulturvereine in Deutschland auf, darunter auch den "Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen" (KKV), der Anlaufstelle für PKK-Anhänger im gesamten Rhein-Neckar-Raum ist. Weitere unorganisierte PKK-Anhänger gibt es im südlichen Landesteil von Rheinland-Pfalz (Landau, Pirmasens, Zweibrücken), in Rheinhessen (Mainz, Alzey, Worms), in Trier und Umgebung und im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz, Neuwied, Westerwald). Insgesamt werden in Rheinland-Pfalz ca. 450 Personen der PKK zugerechnet. Bei bundesweiten Propagandaveranstaltungen ist das Sympathisantenpotential deutlich höher einzuschätzen. Im Jahr 2013 agierte der KKV vielfältig im regionalen Bereich und konnte darüber hinaus seine Anhänger auch für Aktionen im europäischen Ausland mobilisieren. Medien / Propaganda/ Finanzen Zur Verbreitung ihrer Propaganda stützt sich die PKK auf die in den Niederlanden angesiedelte Nachrichtenagentur "FIRAT News Agency", den TV-Sender "Sterk-TV" sowie auf verschiedene Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP). Darüber hinaus gibt es eine mannigfaltige Internetpräsenz. Ein dänisches Gericht entzog am 3. Juli 2013 den 91 Mediengesellschaften "Roj TV A/S" und "Mesopotamia Broadcast METV A/S" in zweiter Instanz die Sendelizenzen für die Fernsehsender "Roj TV" und "Nuce TV", weil diese als Sprachrohr der PKK fungierten und durch die Organisation unterstützt wurden. Zusätzlich wurden gegen die beiden Gesellschaften hohe Geldstrafen verhängt. Im Jahr 2013 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne und durch Sonderspenden in Europa mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung ihrer Organisationsstrukturen und Medien in Europa sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Zusätzlich erzielte die PKK Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge der Vereine, den Verkauf von Publikationen sowie Gewinne aus Feiern und Veranstaltungen. Veranstaltungen / Ereignisse Aufmerksamkeit erlangte die PKK durch bundesund europaweite Propagandaaktionen, die sich im besonderen Maße auf die im Januar 2013 in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen bezogen. Weiteres Thema war die fortdauernde Inhaftierung von Abdullah Öcalan. Aus Anlass des 14. Jahrestages der Festnahme von Abdullah Öcalan (15. Februar 1999) fand am 16. Februar 2013 eine Großdemonstration in Straßburg (Frankreich) statt. An der störungsfrei verlaufenden Veranstaltung nahmen ca. 10.000 Personen teil, u.a. aus Belgien, Frankreich und Deutschland. Aus verschiedenen rheinland-pfälzischen Städten erfolgten organisierte Busreisen. Am 23. März 2013 nahmen ca. 9.000 Personen an der "Zentralen NewrozFeier" (Frühjahrsfest) in Bonn teil. Die von der YEK-KOM angemeldete und organisierte Großkundgebung stand unter dem Motto "Freiheit für Abdullah Öcalan" und "Frieden in Kurdistan". In der Eröffnungsrede wurde die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert. Parallel wurden bundesweit lokale NEWROZ-Veranstaltungen und Fackelmärsche durchgeführt. Die YEK-KOM veranstaltete am 21. September 2013 das "21. internationale 92 kurdische Kulturfestival" im Westfalenpark in Dortmund. Das Festival wurde den drei ermordeten PKK-Aktivistinnen gewidmet und stand unter dem Motto "Freiheit für Öcalan" und "Frieden in Kurdistan". An der friedlich und störungsfrei verlaufenden Veranstaltung nahmen ca. 25.000 Personen aus ganz Europa teil. Aus verschiedenen rheinland-pfälzischen Städten fuhren Reisebusse zu der Veranstaltung. Zentrales Thema waren die Kämpfe in der syrisch-türkischen Grenzregion. In einer per Videobotschaft übermittelten Rede bezichtigte der Vorsitzende des Exekutivrates der KCK, Cemil Bayik, den türkischen Staat der Schuld an der Aussetzung des Guerilla-Rückzuges im Rahmen des aktuellen Friedensprozesses. Anlässlich des Jahrestages des Betätigungsverbotes der PKK demonstrierten am 16. November 2013 in Berlin ca. 5.500 Personen. Die Kundgebung stand unter dem Motto "Den Friedensprozess in Kurdistan fördern", "Aufhebung des PKK-Verbots" und "Freiheit für Öcalan". Demonstranten führten vereinzelt verbotene Fahnen mit sich. Die vielfältigen Aktivitäten der rheinland-pfälzischen PKK-Anhängerschaft bezogen sich auch auf den Stadtbereich Mannheim: Am 16. Januar 2013 fand ein vom "Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen" (KKV) organisierter Trauermarsch unter dem Motto "Gegen die Hinrichtung der drei ermordeten kurdischen Aktivistinnen" in Mannheim statt. Eine Gedenkveranstaltung am 21. März 2013 in Mannheim (Maulbeerinsel) war zwei kurdischen Guerillakämpferinnen gewidmet, die 1994 am selben Ort durch Selbstverbrennung den Freitod gefunden hatten. Der KKV veranstaltete am 5. April 2013 in Ludwigshafen eine Feier anlässlich des Geburtstages von Abdullah Öcalan. In einer besonderen Aktion wurden Grußkarten an den Inhaftierten verschickt. Anhänger und Sympathisanten der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" (KC) veranstalteten am 6./7. April 2013 in Hessen und Rheinland-Pfalz einen Marsch unter dem Motto "Solidarität mit der Revolution mit Westkurdistan". 93 Die ca. 50 Teilnehmer führten Fahnen mit dem Konterfei von Abdullah Öcalan mit; daneben wurden Parolen wie "Freiheit für Öcalan" und "Freiheit für alle politischen Gefangenen" skandiert. Am 9. August 2013 kam es zu einem Protestmarsch mit Kundgebung in der Mannheimer Innenstadt gegen die Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in "Rojava". Nach einem Bericht von "Nuce TV" am 10. August 2013 nahmen daran ca. 2.000 Menschen teil. Laut "Sterk TV" vom 31. August 2013 haben kurdische Jugendliche in Mannheim mit Unterstützung des KKV eine zweitägige Zeltwache abgehalten; dabei wurde über die Massaker in "Rojava" informiert. Gerichtsverfahren Das OLG Stuttgart verurteilte am 12. Juli 2013 zwei türkische Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung zu Freiheitsstrafen von jeweils drei Jahren und sechs Monaten. Der Verantwortungsbereich des einen Angeklagten erstreckte sich ab Dezember 2009 als hochrangiger Kader der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" (KC) auf das gesamte Bundesgebiet. Nach zwischenzeitlicher Übernahme der PKK-Jugendorganisation in Frankreich leitete er von Oktober 2010 bis März 2011 die PKK-Jugendorganisation im Gebiet Mannheim / Ludwigshafen am Rhein. Der zweite Angeklagte stand als dessen Nachfolger von März 2010 bis März 2011 in Deutschland an der Spitze der KC. Darüber hinaus war er ab August 2010 KC-Leiter in Stuttgart. Beide Angeklagten hatten vor allem die Aufgabe, Jugendliche für die PKK zu rekrutieren sowie Geld und Ausweispapiere für deren Reisen zur PKK in den Nordirak zu beschaffen. Bewertung: Die bislang unaufgeklärten Morde an den drei PKK-Aktivistinnen in Paris sowie die ins Stocken geratenen Friedensgespräche um die Lösung des Kurdenkonflikts werden auch künftig das politische und aktive Handeln der PKK und ihrer Anhängerschaft bestimmen. 94 Eintretende Veränderungen wie beispielsweise eine abrupte Beendigung der Friedensverhandlungen könnten auf Seite der PKK insbesondere auch bei den weniger berechenbaren Jugendlichen ("Komalen Ciwan") zu gewalttätigem Aktionismus führen und sich somit auf die Sicherheitslage in Deutschland negativ auswirken. 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 650 (2012: 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2012: einzelne) Organisationsverbot in Deutschland: seit August 1998 Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi") verfolgt seit ihrer Gründung das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei durch einen revolutionären Umsturz zu beseitigen und durch ein kommunistisches System zu ersetzen. In der Türkei verübte sie in der Vergangenheit zahlreiche terroristische Anschläge, bei denen auch Menschen getötet wurden. Im Jahr 2013 bekannte sich die DHKP-C zu mehreren Selbstmordanschlägen, so Anfang Februar auf die amerikanische Botschaft in Ankara, wobei der von Deutschland aus über Griechenland mit falschen Papieren in die Türkei eingereiste Attentäter einen Wachmann mit in den Tod riss. Bei weiteren, im März verübten Anschlägen auf den Hauptsitz der türkischen Regierungspartei AKP und das Gebäude des Justizministeriums sowie im September auf die Polizeizentrale in Ankara wurden mehrere Personen verletzt. Im Internet 95 begründete die DHKP-C die Anschläge als Vergeltung für eine anhaltende staatliche Repression gegen die Organisation in der Türkei. Als Reaktion auf die Anschläge durchsuchten Sicherheitskräfte in der Türkei wiederholt diverse der DHKP-C zugerechnete Objekte und nahmen dabei zahlreiche Angehörige fest. In Deutschland führten Ende März 2013 DHKP-C - Unterstützer in mehreren Großstädten kleinere, friedliche Protestaktionen gegen den "Polizeiterror in der Türkei" durch. Die DHKP-C verfügt in Europa über eine Auslandsorganisation mit gefestigten hierarchischen Strukturen. Auf dieser Basis und mit Unterstützung von mehreren Umfeldorganisationen entfaltet sie verschiedenartige Aktivitäten. Hierzu zählen insbesondere die Anwerbung neuer Mitglieder, Propagandaarbeit sowie die Beschaffung von Geldmitteln durch Spendenund Beitragssammlungen. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot; von der EU ist sie seit Mai 2002 als terroristische Organisation gelistet. Am 26. Juni 2013 wurden umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen Strukturen der DHKP-C in Nordrhein-Westfalen und Berlin durchgeführt. Mehrere mutmaßliche Funktionäre der DHKP-C wurden festgenommen; sie sollen sich als Mitglieder in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C betätigt haben. In verschiedenen deutschen Großstädten (u.a. Hamburg, Köln und Berlin) kam es zu Protestaktionen, die alle friedlich verliefen - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des fortgesetzten Bestrebens der Organisation, ihren logistisch bedeutsamen Rückzugsraum in Deutschland nicht durch gewalttätige Aktionen zu gefährden. In Rheinland-Pfalz waren Aktivitäten der DHKP-C und ihres Umfeldes im Verlauf des Jahres 2013 nur vereinzelt festzustellen. So beteiligte sich die Organisation mit einem Infostand an einer Gedenkfeier der "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) am 11. Mai 2013 in Ludwigshafen am Rhein. 96 Im Zusammenhang mit den umfangreichen Exekutivmaßnahmen gegen DHKP-C Angehörige in der Türkei führte ihre Tarnorganisation "Anatolische Föderation" am 3. März 2013 in Mannheim in der "Rüya-Halle" eine Solidaritätsveranstaltung durch, an der u.a. auch rheinland-pfälzische Organisationsanhänger teilnahmen. Im Jahr 2013 trugen erneut mehrere Strafverfahren gegen mutmaßliche Führungsfunktionäre der DHKP-C in Deutschland dazu bei, die Handlungsfähigkeit der Organisation weiter einzuschränken: Am 16. Mai 2013 verurteilte der erste Strafsenat des Kammergerichts Berlin eine türkische Staatsangehörige wegen DHKP-C-Mitgliedschaft zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Die hohe Freiheitsstrafe wurde damit begründet, dass es sich bei der DHKP-C um eine ausgesprochen gefährliche Organisation handele. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Betroffene in den Jahren 2002/2003 als Europaverantwortliche der DHKP-C vor allem für die Beschaffung von Geldern zur Finanzierung der terroristischen Aktivitäten der Organisation in der Türkei zuständig war. Der sechste Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verurteilte am 18. Juni 2013 einen türkischstämmigen deutschen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Der Betroffene habe in Kenntnis der Zielsetzungen der Organisation auf Anweisung vorgesetzter Führungskader verschiedene Aufgaben wahrgenommen. So sei er in finanzielle Angelegenheiten sowie in die Öffentlichkeitsarbeit eingebunden gewesen, habe an Schulungsveranstaltungen teilgenommen und bei der Vorbereitung kommerzieller Veranstaltungen mitgewirkt. Am 22. Juli 2013 verurteilte der fünfte Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf einen 38-jährigen türkischen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Betroffene sei von 2007 bis 2011 in die hierarchischen Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste neben Propagandaund Schulungsaktivitäten auch die Beschaffung von Geldern zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten in der Türkei. 97 Bewertung: Die verstärkten Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die DHKP-C in Deutschland und damit verbundene Festnahmen von Funktionären führten zu eingeschränkter Handlungsfähigkeit bei der Organisation. Über die "Anatolische Föderation" gelang es jedoch der DHKP-C, ihre Anhängerschaft für ihre Belange zu sensibilisieren und auch mehrfach zu demonstrativen Aktionen zu mobilisieren. Die DHKP-C dürfte alles daran setzen, ihre vorübergehenden Handlungsdefizite sobald als möglich zu kompensieren. 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei seit 1994 Spaltung in "Partizan"-Flügel und Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 1.300 (2012: ca. 1.300) ("Partizan" und MKP) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2012: einzelne) ("Partizan" und MKP) Die als Kaderorganisation gegründete "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) strebt fortgesetzt einen gewaltsamen Umsturz in der Türkei an, um dort eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung zu errichten. Ideologisch orientiert sie sich an den Lehren von Marx und Lenin, daneben unterliegt sie maoistischen Einflüssen. Die TKP/ML spaltete sich 1994 in zwei selbständige miteinander konkurrierende Fraktionen, den so genannten Partizan - Flügel und das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) - seit Ende 2002 umbenannt in "Maoistische kommunistische Partei (MKP). Beide Fraktionen nehmen für sich in Anspruch, die Nachfolge der Mutterpartei TKP/ML angetreten zu haben. Sie unterhalten in 98 der Heimat bewaffnete Guerillaeinheiten, auf Seiten der "Partizan" - Fraktion die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) und auf Seiten der MKP die "Volksbefreiungsarmee" (HKO). In Deutschland agiert die TKP/ML gewaltfrei. Im Vordergrund steht die logistische Unterstützung des "Volkskriegs" in der Türkei, insbesondere in Form von Spendenkampagnen. Daneben wird die TKP/ML von ihrem offen agierenden Umfeldorganisationen propagandistisch unterstützt. Im Mai führte die "Partizan"-Fraktion anlässlich des 40. Todestages des Parteigründers Ibrahim Kaypakkaya eine Vielzahl von Veranstaltungen durch. Neben mehreren kleineren Demonstrationen und Kundgebungen in verschiedenen deutschen Städten (Berlin, Darmstadt, Essen, Hamburg, Hannover und Stuttgart) fand die für Deutschland zentrale Gedenkveranstaltung am 11. Mai 2013 in Ludwigshafen am Rhein mit rund 3.000 Teilnehmern statt. Bei allen Veranstaltungen wurden insbesondere die "Verdienste" Kaypakkayas herausgestellt. 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: 1.000 (2012: 1.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2012: ca. 30) Die separatistisch ausgerichtete LTTE verfolgt das Ziel, einen unabhängigen Tamilenstaat ("Tamil Eelam") im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten von Sri Lanka zu errichten. Über viele Jahre führte sie einen erbitterten Kampf gegen die von der Bevölkerungsgruppe der Singhalesen getragene Regierung Sri Lankas und setzte dabei auf Waffengewalt und Terroranschläge. Im Mai 2009 wurde die LTTE militärisch besiegt und ihre gesamte Infrastruk99 tur in Sri Lanka weitgehend zerschlagen. Die seit 2006 von der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistete LTTE verfügt auch nach ihrer militärischen Niederlage weltweit in der tamilischen Diaspora über intakte Strukturen und ist bestrebt, unter Befürwortung der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes die Errichtung eines eigenen Staates voranzutreiben. Im Verlaufe dieses Restrukturierungsprozesses hat sich die LTTE in zwei miteinander konkurrierende Fraktionen gespalten. Neben der "Internationalen Verbindungsstelle", die in der Diaspora vom nationalen "Tamil Coordinating Committee" (TCC) vertreten wird und ausschließlich im bewaffneten Kampf einen gangbaren Weg zu einem unabhängigen "Tamil Eelam" sieht, existiert ein moderater Flügel, der sich selbst als "Headquarter" bezeichnet und durch das "Transnational Government of Tamil Eelam" (TGTE) vertreten wird. Das TGTE hält an seinem Alleinvertretungsanspruch für alle Tamilen weltweit fest und fordert gleichberechtigte Gespräche mit der Regierung in Sri Lanka. Der angestrebte unabhängige Tamilenstaat "Tamil Eelam" soll nach Angaben der Organisation gewaltfrei und auf politischem Wege erreicht werden. Beide Strukturen sind in Deutschland vertreten. Über die größere Anhängerschaft und damit auch den stärkeren Einfluss auf die tamilische Bevölkerung verfügt das TCC mit Sitz in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Mit vielfältigen Aktivitäten versucht die LTTE die Öffentlichkeit auf ihre Belange aufmerksam zu machen, u.a. mit der Durchführung von Veranstaltungen und Demonstrationen sowie dem Sammeln von Geldern zur Aufrechterhaltung der eigenen Strukturen. Dabei wird Sie regelmäßig von verschiedenen Tarnund Umfeldorganisationen - meist mit kulturellen oder humanitären Bezügen - unterstützt. Aufgrund der Unvereinbarkeit beider konkurrierender Flügel war es bislang nicht möglich, eine gemeinsame handlungsfähige Basis zu erreichen. Beide Seiten bemühen sich, ihren Einfluss auf die tamilische Bevölkerung in 100 Deutschland auszuweiten, auch im Hinblick auf möglichst ertragreiche Spendensammlungen zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele. Zuletzt war eine vorsichtige Annäherung beider Seiten festzustellen. So wurde der jährlich am 27. November, dem Geburtstag des ehemaligen Anführers Velupillai Prabhakaran, zur Erinnerung an im Kampf gefallene und als Märtyrer verehrte LTTE-Kämpfer initiierte "Heldengedenktag" 2013 erstmals von beiden Fraktionen wieder gemeinsam durchgeführt. An dieser Veranstaltung in der Helmut-Körnig-Halle in Dortmund nahmen ca. 3.500 LTTE-Anhänger teil. Die rheinland-pfälzischen LTTE-Anhänger beteiligten sich neben dem "Heldengedenktag" in Dortmund u. a. auch am 4. März 2013 in Genf (Schweiz) an einer Demonstration mit mehreren tausend Tamilen aus verschiedenen europäischen Staaten. Die Demonstranten prangerten u.a. die angeblich vom sri-lankischen Militär an den Tamilen begangenen Kriegsverbrechen an und forderten die Einsetzung eines internationalen und unabhängigen Untersuchungsausschusses in Sri Lanka. Daneben führte die rheinland-pfälzische LTTE-Anhängerschaft - vorwiegend im südlichen Landesteil - diverse eigene Aktionen und Gedenktage durch. So wurde am 28. September 2013 in Landau anlässlich des 26. Todestages des als Märtyrer verehrten "Colonel Thileepan" eine Gedenkveranstaltung durchgeführt, an der ca. 100 Tamilen teilnahmen. Eine weitere Märtyrer-Gedenkveranstaltung zu Ehren von "Colonel Maladee" fand am 10. Oktober 2013 ebenfalls in Landau mit ca. 20 Teilnehmern statt. 101 V. Elektronische Medien Im Jahr 2013 stieg der Anteil der Online-Nutzer in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um weitere 1,3 % auf 77,2 % oder 54,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Eine deutliche Zunahme verzeichnete die Online-Nutzungsdauer: 2013 war der deutsche Internetnutzer im Schnitt 169 Minuten am Tag online (2012: 133 Minuten). Die Onlinenutzung der jüngsten Altersgruppe (14-19 Jahre) hat seit 2010 eine ganzheitliche Durchdringung von 100 % erreicht.24 Während klassische Webseiten an Bedeutung verloren haben, kommt den sozialen Netzwerken immer größere Bedeutung zu. Dazu zählen insbesondere: # Youtube, das größte Video-Portal, ist mittlerweile in 61 Ländern und 61 Sprachen präsent und wird aktuell von mehr als einer Milliarde einzelner Nutzer jeden Monat frequentiert.25 # Die Kommunikationsplattform Facebook verzeichnete im 3. Quartal 2013 weltweit 1.189 Mrd. Nutzer.26 # Twitter, eine Kommunikationsplattform mit 870 Mio. Mitgliedern27, wird zur Verbreitung von kurzen Textnachrichten (Tweets) im Internet genutzt. Durchschnittlich werden 5.700 Tweets pro Sekunde gesendet.28 # Google+, das soziale Netzwerk von Google Inc., hat zurzeit rd. 300 Mio. Mitglieder, davon rd. 8,3 Mio. in Deutschland.29 # Mit über 250 Mio. Mitgliedern in mehr als 200 Ländern und Regionen ist LinkedIn das größte Online-Berufsnetzwerk der Welt und bietet seinen Mitgliedern Zugang zu Personen, Stellen, News, Updates und Insider-Informationen.30 24 http://www.ard-zdf-onlinestudie.de 25 http:/youtube.com/yt/press/de/statistics.html 26 htttp://www.thomashutter.com/index.php/2013/10/facebook-aktuelle-zahlen-zu-facebook-q32013/ 27 http://twopcharts.com/twitter1billion.php (englisch) Abgerufen am 02. November 2013 28 https://blog.twitter.com/2013/new-tweets-per-second-record-and-how 29 http://www.circlecount.com/statistic/countrypopulation/?special=EU 30 http://www.logr.org 102 Extremistische Gruppierungen nutzen die Online-Affinität vor allem der jugendlichen User zu eigenen Zwecken aus. Sie betreiben Websites und Blogs und missbrauchen insbesondere die sozialen Netzwerke für ihre Agitationszwecke, zur Mobilisierung und Rekrutierung. Rechtsextremismus Die rechtsextremistische Szene nutzt das Internet und dabei in besonderem Maße die sozialen Netzwerke, indem sie zu Themen von allgemeinem Interesse, wie Umweltschutz, Bankenund Finanzkrise, Tierschutz aber auch zu populistischen Themen wie islamistisch-salafistische Gewalt oder Kindesmissbrauch mit scheinbar seriösen Beiträgen berichtet bzw. Stellung bezieht. Damit wird die rechtsextremistische Weltanschauung jedoch nur verschleiert, verbunden mit dem Versuch, insbesondere Jugendliche zu ködern. In gleichem Maße existieren rechtsextremistische "Nachrichten"-Portale, die unverblümt und offen gegen politische Gegner und "Multikulturismus" hetzen. Sie sind, wie viele der einschlägigen Diskussionsforen, rassistisch, homophob und antidemokratisch. Rechtsextremisten missbrauchen Facebook und andere Netzwerke, um über Szeneaktivitäten wie geplante Aufmärsche und Demonstrationen zu informieren. Die Durchführung rechtsextremistischer Aktionen wird darüber hinaus zeitnah und medial in den sozialen Netzwerken begleitet. Rechtsextreme Webhoster wie u.a. "logr.org" (nach eigenen Angaben "der Bloghoster für Freigeister und Selbstdenker")31 bieten rechten Usern die Möglichkeit, unbehelligt Texte online zu schreiben, zu diskutieren, Bilder hochzuladen und zu bearbeiten sowie Filme und Audiodateien zu verbreiten. In der Regel werden solche Webspace-Angebote bei Providern im Ausland gehostet, was ein anonymes und vor Strafverfolgung im Inland sicheres Agieren ermöglicht. 31 http://linkedin.com/about-us 103 Mittlerweile hat sich die rechte Szene auf die immer größer werdende Anzahl mobiler Internet-Nutzer eingestellt. Durch Apps für das Smartphone lassen sich in der Szene beliebte Computerspiele oder das Hitler-Buch "Mein Kampf" als E-Book herunterladen. Rechtsextremistische Gruppierungen nutzen zudem QR-Codes, die - über Kamera ins Smartphone eingelesen - zu deren Webseiten führen. Linksextremismus Linksextremisten nutzen das Internet, um auf Ereignisse oder Veranstaltungen hinzuweisen oder die Aufmerksamkeit auf bestimmte Kampagnen zu lenken. Sie verbreiten als "unregistrierte Nutzer" oder unter falschem Namen ihr extremistisches Gedankengut innerhalb der sozialen Netzwerke. Der Austausch von Informationen erfolgt nicht nur über ein Personenprofil oder einen Account, sondern über eigens eingerichtete Seiten. Für die Durchführung spontaner "Aktionen" ist es durch internetfähige Smartphones oder Kurznachrichtendienste wie Twitter relativ einfach geworden, während einer Demonstration in Echtzeit ("live") zu Protestund Blockadeaktionen zu mobilisieren. Vor allem das gewaltorientierte linksextremistische Spektrum nutzt weiterhin intensiv das Internet für seine "Antifa"-Arbeit und für die Veröffentlichung von Daten und Bildmaterial über den politischen Gegner ("Outings"). So hat das linksextremistische Spektrum unter anderem das Anfang Januar 2013 in Facebook eingerichtete Profil "We're watching you" für sich entdeckt. Bei den Veröffentlichungen handelt es sich in erster Linie um Hinweise auf vermutet rechtsextremistische Profile, oft verbunden mit der Aufforderung, durch Meldungen an Facebook gegen diese vorzugehen oder ausgemachte Seiten und Betreiber "mit anderen Mitteln" als nur mit Anzeige zu "bekämpfen". Zur Verschleierung ihrer Kommunikation nutzen sie darüber hinaus spezielle Verschlüsselungsprogramme, verfälschen rechtsextremistische Webseiten oder blockieren deren Abruf. Vorwiegend linksextremistische Parteien und Organisationen sind mit eigenen Informationsangeboten präsent, die beispielsweise der politischen Selbst104 darstellung dienen und über Parteiveranstaltungen, Projekte und Pressearbeit informieren sollen. Islamismus Auch im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus hat sich das Internet als wichtigstes Kommunikationsund Propagandamedium etabliert. Eine Vielzahl von Seiten deckt dabei ein weites Spektrum von Fragen einer islamischen Lebensführung und Rechtsordnung bis hin zu politischen Botschaften ab. Seiten jihadistischer Prägung verbreiten darüber hinaus Drohungen, Verherrlichung von Gewalt und sogenannten Märtyrern, Informationen zum Bau von Sprengsätzen, Anleitungen zur konspirativen Nutzung des Internet sowie Aufrufe, sich dem Jihad anzuschließen oder die Jihadisten auf anderem Wege zu unterstützen. Eine zuverlässige Bestimmung der Anzahl der Internetseiten mit islamistischen oder jihadistischen Inhalten ist nicht möglich. Dies liegt u.a. daran, dass Islamisten neben ihren zahlreichen eigenen Internetseiten auch interaktive, teilweise nicht spezifisch islamistische Internetdienste wie Weblogs, Diskussionsforen, Soziale Netzwerke oder Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen und dass Internetseiten aus verschiedenen Gründen zeitweise oder permanent geschlossen werden, während an anderer Stelle neue entstehen. 105 VI. Spionageabwehr 1. Auftrag, allgemeine Lage und Methodik Nach wie vor steht die Bundesrepublik Deutschland im Blickfeld ausländischer Nachrichtendienste. Bereits die anhaltend hohe Präsenz von erkannten Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland lässt auf entsprechende Auftragslagen schließen. Ihr Aufklärungsinteresse vor allem an dem wirtschaftlichen Entwicklungsprozess und den wissenschaftlich-technologischen Ressourcen der Bundesrepublik hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Mit einer Exportquote von über 50 Prozent nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Spitzenstellung ein und belegt damit die hohe Nachfrage an qualitativ hochwertigen Gütern und Technologien im internationalen Wettbewerb. Dies bleibt auch von fremden Nachrichtendiensten nicht unbeobachtet. Deren Mittel und Methoden reichen von der offenen Beschaffung bis hin zur klassischen Agentenführung. Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur Informationsgewinnung und des illegalen Gütertransfers, vor allem in den Bereichen Wirtschaftsspionage und Proliferation.32 Hierbei nutzen die Nachrichtendienste die gesamte Bandbreite nachrichtendienstlicher Methodik: Quelle im Objekt Die größten Erfolgschancen bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bietet die Quelle im Objekt.33 Dabei werden Zielpersonen aus Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zunächst im Rahmen belanglos erscheinender Gespräche abgeschöpft. Kennzeichnend für die gewählten Ansprechmodalitäten sind die zuvor erforschten Hintergrundinformationen 32 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. 33 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 106 zu und aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld einer Zielperson (sog. Social Engineering). Arglose Auskunftspersonen werden als nachrichtendienstliche Tippgeber missbraucht. Weitere Kontakte mit der jeweiligen Zielperson dienen einem entsprechenden Vertrauensaufbau und letztlich ihrer nachrichtendienstlichen Einbindung, um dadurch an sensible Informationen aus internen und vertraulichen Unterlagen zu gelangen. Die besondere Zugangslage des/der gewonnenen Agenten/ Agentin, seine/ihre Vertrautheit mit den betrieblichen Abläufen und den ggf. vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen erleichtern die Gewinnung sensibler Daten. Angereichert mit einer persönlichen Bewertung durch die Quelle können die so gewonnenen Informationen von hohem nachrichtendienstlichem Wert sein. Fallbeispiel eines klassischen Innentäters (Quelle im Objekt): Am 19. November 2013 verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz den ehemaligen NATO-Zivilangestellten Manfred K. wegen versuchter und vollendeter landesverräterischer Ausspähung gemäß SS 96 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren.34 Der Senat folgte damit im Wesentlichen dem Antrag der Bundesanwaltschaft, die eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert hatte. Er sah es aufgrund der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass sich der Zivilangestellte des NATOHauptquartiers Ramstein in einem Fall geheimhaltungsbedürftige Daten seines Arbeitgebers zur Weitergabe an einen fremden Geheimdienst verschafft und dies in einem weiteren Fall erfolglos versucht hat. Im Hauptquartier der NATO werden zur Datenverarbeitung zwei voneinander getrennte Netzwerke genutzt. Das geschlossene Netz ist in besonderem Umfang gesichert und nur für ausgewählte NATO-Bedienstete nutzbar (NATO SECRET), wohingegen das offene ein mit dem Internet verbundenes System für alle Bedienstete darstellt. Zwischen beiden Netzwerken besteht keine elektronische Verbindung. Daten aus dem gesicherten System dürfen nur nach interner Prüfung der Geheimhaltungsbedürftigkeit durch besonderes Personal (Service-Desk) übertragen werden. 34 Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 107 Im März 2012 ließ Manfred K. durch das Service-Desk, das offenkundig die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Daten verkannt hatte, elf Dateien aus dem NATO-SECRET-Netz in das offene Netzwerk übertragen. Hierbei handelte es sich um für einen kleinen Kreis von Technikern und Administratoren bestimmte Dateien mit den Konfigurationsund Zugangsdaten für die Server wichtiger militärischer Informationsund Kommunikationssysteme. Der Angeklagte verschickte die Dateien über seinen privaten E-Mail-Account und speicherte sie u.a. auf USB-Sticks, die er in seinem Haus versteckte. Die Weitergabe der Dateien hätte es nach Feststellung des Senats einem potentiellen Gegner der NATO ermöglichen können, sich Zugang zum geheimen Netzwerk der NATO zu verschaffen und die zentralen Informationsund Kommunikationssysteme zu stören oder zu beeinflussen. Dieser hohe Grad der Gefährdung, der mit einer Weitergabe der Daten für die Funktionsfähigkeit des NATO-Bündnisses und die Sicherheit der Mitgliedstaaten verbunden gewesen wäre, war aus Sicht des Senats für die hohe Strafzumessung von besonderer Bedeutung. Ein zweiter Versuch des Angeklagten im Juni 2012 aktualisierte Informationen aus dem NATO-SECRET-Netz abzuziehen scheiterte. In diesem Fall verweigerte eine Mitarbeiterin des Service-Desk den Transfer und informierte die NATOSicherheitsbehörden. Elektronische Aufklärung Auch die elektronische Aufklärung mit nachrichtendienstlicher Technik35 und die Überwachung elektronisch übertragener Daten36 zählen zu den praktizierten nachrichtendienstlichen Methoden. In diesen Kontext rücken offensichtlich auch westliche Staaten. Die über das Internet betriebene Ausforschung wird nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang des Anwenders begünstigt. Besondere Risiken ergeben sich aus der Nutzung spezieller Web 2.0-Anwendungen37 im Internet. So erfreuen 35 z.B. Einsatz von Richtmikrophonen, Wanzen, Sprachund Videoaufzeichnungsgeräten. 36 z.B. Internetüberwachung (insbesondere E-Mail-Verkehr, VoIP ). 37 Der Begriff "Web 2.0" beschreibt eine veränderte Nutzung des Internets, bei der nicht mehr statische Informationsangebote, sondern die kommunikative Beteiligung der Nutzer im Vordergrund stehen. 108 sich "Soziale Netzwerke" (Online-Communities) im privaten wie geschäftlichen Bereich weiter steigender Beliebtheit und sind zu einem Massenphänomen mit globaler Reichweite geworden. Durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Daten haben sich diese Plattformen auch für fremde Nachrichtendienste zu einer interessanten und aufschlussreichen Informationsquelle, insbesondere zur (verdeckten) Kontaktanbahnung, entwickelt. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Mit der breiten Medienberichterstattung zu dem "Whistleblower" Edward Snowden und dessen Veröffentlichungen über nachrichtendienstliche Aktivitäten der Vereinigten Staaten von Amerika und anderer westlicher Staaten in Deutschland ist auch der für die Spionageabwehr zuständige Verfassungsschutz in den Fokus öffentlicher Diskussionen geraten. Gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag geht die Spionageabwehr allen konkreten Verdachtshinweisen nach, um illegale Aktivitäten fremder Nachrichtendienste aufzuklären oder zu verhindern. Als grundlegende Konsequenz für die Zukunft gilt es vor allem den "Rundumblick" des Verfassungsschutzes (sog. 360-Grad-Blick) weiter zu schärfen. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Darüber hinaus sind auch Länder des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens sowie Nordafrika mit ihrem nachrichtendienstlichen Personal in der Bundesrepublik aktiv. Russische Nachrichtendienste Die russischen Nachrichtendienste haben den gesetzlichen Auftrag, die politischen Interessen, die wirtschaftliche Entwicklung und den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt Russlands zu fördern. Sie unterstützen die Staatsführung zur Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. 109 Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt entweder aus der Zentrale in Moskau oder über getarnte Repräsentanzen an den diplomatischen Auslandsvertretungen, den sogenannten Legalresidenturen. In nahtloser Fortsetzung des früheren sowjetischen KGB verfügen seine heutigen Nachfolger (der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB) nahezu über die gleichen, umfassenden Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Das vom OLG Stuttgart am 2. Juli 2013 verurteilte russische Ehepaar Anschlag ist bundesweit erstmalig ein Beleg für die Übernahme ehemaliger KGB-Agenten in die aktuelle Geheimdienstorganisation der Russischen Föderation. Chinesische Nachrichtendienste Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres absoluten Herrschaftsanspruchs. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen vor. Sie sind mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"38 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong39. Nachrichtendienste des Nahen Ostens und aus Nordafrika Seit Beginn des so genannten Arabischen Frühlings verstärken auch die Geheimdienste aus Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika ihre Aktivitäten gegen Regimegegner in der Bundesrepublik. Unter Rechtfertigungszwang 38 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10. Juni 1999 39 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung mit ihren Wurzeln in China. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt. 110 werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Bisherige Höhepunkte waren die Festnahme und Verurteilung von zwei syrischen Agenten sowie die Ausweisung ihrer Führungskader an der syrischen Botschaft in Berlin. Fallbeispiel - syrischer Spionagehelfer zu Bewährungsstrafe verurteilt: Der 5. Strafsenat des Kammergerichts Berlin verurteilte am 27. November 2013 den syrischen Staatsangehörigen Mohamad K. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die Strafvollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Gerichts gab der Angeklagte Informationen über in Deutschland lebende syrische Oppositionelle an einen bereits verurteilten Zuträger eines syrischen Nachrichtendienstes weiter.40 Fallbeispiel - Anklage wegen mutmaßlicher Spionage für einen syrischen Geheimdienst: Die Bundesanwaltschaft erhob am 10. Juli 2013 vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin Anklage gegen den 37-jährigen Samer C. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit Unterschlagung (SS 99 Abs. 1 Nr. 1, SS 246 Abs. 1, SS 52 StGB). Demnach war der Angeschuldigte von März 2011 bis Februar 2012 für einen syrischen Geheimdienst tätig gewesen. In Erfüllung seiner nachrichtendienstlichen Aufträge beschaffte er insbesondere Fotos von Angehörigen der syrischen Opposition in Berlin, um seinem geheimdienstlichen Auftraggeber die Identifizierung von Gegnern des syrischen Regimes zu ermöglichen. Die von ihm beschafften Informationen und Bilddateien übergab er dem Militärbüro an der syrischen Botschaft in Berlin.41 2.2 Proliferation Im Fokus der Spionageabwehr stehen unverändert die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten42, in den Besitz von Mas40 Quelle: Kammergericht Berlin, PM 51/2013 vom 27. November 2013 41 Quelle: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof; 19. Juli 2013 42 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien). 111 senvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie (z.B. Raketen und Drohnen) sowie des dazugehörenden Know-how zu gelangen. Besondere Aufmerksamkeit galt im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten des Iran. Auch im Jahr 2013 waren deutsche Unternehmen, darunter Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus dem Iran. Proliferationsrelevante Güter waren aufgrund ausfuhrrechtlicher Restriktionen bzw. bestehender UN-Embargos genehmigungspflichtig oder generell nicht genehmigungsfähig. Diese Güter können zur Entwicklung eines iranischen Nuklearund Trägertechnologieprogramms verwendet werden. Verwoben in internationalen Firmengeflechten versuchten ausländische Geschäftsleute vorzugsweise Analysatoren, Generatoren oder Spezialventile für die Nukleartechnik zu erwerben. Dabei zeigten sie sich äußerst fachkundig und methodisch geschult. Bereits in der Auswahl ihrer Ansprechpartner verfolgten sie verschiedene Varianten. Sie wandten sich nicht nur unmittelbar an die in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Hersteller sensibler Technik. Bisweilen suchten sie sich im Inund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Kenntnisse im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. Um die gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen zu umgehen sowie den wahren Endempfänger zu verschleiern, werden Anfragen und Lieferungen über mehrere Firmen in Drittländer (sog. Umweglieferungen) geleitet oder kleinere Firmen eigens für die Abwicklung eines einzigen Geschäfts gegründet. Aktueller Fall aus Rheinland-Pfalz: Im März 2013 setzte ein rheinland-pfälzisches Unternehmen die Spionageabwehr bezüglich einer "verdächtigen" Materialanfrage einer aus Pakistan stammenden Firma in Kenntnis. Das angeforderte Material ließ den Rückschluss auf eine mögliche Verwendung im Bereich der Trägertechnologie zu. Darüber hinaus ergab eine Recherche, dass zu der anfragenden Firma keine Homepage und keine Informationen zu Kunden oder Produkten existierten. Durch die Kooperation des Verfassungsschutzverbundes mit Nachrichtendiensten befreundeter Staaten konnte bestätigt werden, dass die pakistanische Firma in einem europäischen Staat als proliferationsrelevantes Unterneh112 men geführt wurde. Dem rheinland-pfälzischen Unternehmen wurde seitens der Spionageabwehr von einem Geschäftsabschluss und einer entsprechenden Ausfuhr der angefragten Waren abgeraten. Durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz konnten somit bereits im Vorfeld illegale Ausfuhren und damit einhergehende Reputationsverluste verhindert werden. Welche Konsequenzen in diesem Zusammenhang Verstöße gegen ausfuhrrechtliche Bestimmungen nach sich ziehen können, zeigen die nachfolgend aufgeführten Beispielfälle: Hohe Haftstrafe wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz: Am 8. Oktober 2013 wurde der Geschäftsmann Mahmood E. vom Landgericht Mannheim zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dieser nutzte seine Karlsruher Firma, um von April 2010 bis zu seiner Festnahme im November 2012 Geräte für die Nachrichtenund Satellitentechnik in den Iran auszuführen. Dabei handelte es sich u.a. um Analysatoren, Generatoren, weltraumgeeignete Solarzellen und Satellitenreaktionsräder. Zur Verschleierung der eigentlichen Enduser im Iran nutzte Mahmood E. eine Tarnfirma in der Türkei. Durch seine illegalen Lieferungen erzielte der Geschäftsmann Einnahmen in Höhe von ca. 1,8 Millionen Euro. Neben einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilten die Richter den Angeklagten zu einem Wertersatz von 123.000 Euro. Haftstrafen wegen des Verstoßes gegen das Iran-Embargo: Das OLG Hamburg verurteilte am 8. November 2013 vier Geschäftsleute wegen eines Verstoßes gegen das Iran-Embargo. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Täter zahlreiche Spezialventile aus Deutschland u.a. über Drittstaaten in den Iran geliefert hatten. Empfängerin der Ventile sei eine für den Bau des Schwerwasserreaktors in Arak zuständige Organisation gewesen, die in den Anhängen der Iran-Embargo-Verordnung gelistet ist. Der Hauptbeschuldigte wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Mittäter erhielten Freiheitsstrafen von je neun Monaten bis zu drei Jahren, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Einnahmen aus den illegalen ExportGeschäften wurden eingezogen. 113 Die Spionageabwehr Rheinland-Pfalz bietet mit der Herausgabe ihrer Broschüre "Proliferation - Wir haben Verantwortung" einen aktuellen Überblick zu dieser Thematik. 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz Die Wirtschaft zählt seit jeher zu den klassischen Aufklärungszielen fremder Nachrichtendienste, denn eine prosperierende Volkswirtschaft ist Grundvoraussetzung für die innere Stabilität eines Staates. Generell sollen bei jeder Form von staatlich gelenkter Wirtschaftsspionage Forschungsund Entwicklungskosten eingespart und bestehende Rückstände in der wissenschaftlichtechnischen Entwicklung aufgeholt werden. Insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik China betreiben mit ihren Nachrichtendiensten intensive Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik. Im Fokus ihrer Ausspähungsbemühungen stehen Schlüsseltechnologien, die für die Konkurrenzfähigkeit ihrer Volkswirtschaften und bei der Eroberung von zukunftsträchtigen Märkten relevant sind. Betroffen sind neben der Rüstungstechnologie insbesondere die Umwelttechnologien und fast alle Sparten der elektronischen und chemischen Industrie, der Maschinenund Anlagenbau sowie die Luftund Raumfahrt. Darüber hinaus sind strategische Informationen aus Politik und Wirtschaft von Interesse. Internationales Beispiel - "Elektronische Angriffe" im Vorfeld des G20-Gipfeltreffens im September 2013: Im Dezember 2013 wurde ein Bericht des US-amerikanischen IT-Sicherheitsunternehmens FireEye über "Elektronische Angriffe" auf fünf europäische Außenministerien veröffentlicht.43 Dem Bericht zufolge wurden Teilnehmer des G20-Gipfels von chinesischen Hackern durch Schad-E-Mail mit Bezug zur Syrienkrise angegriffen. Nach Angaben von FireEye habe sich beim Öffnen der angehängten Dokumente eine Späh-Software auf den Computern installiert. 43 Vgl. "Operation Ke3chang. Targeted Attacks Against Ministeries of Foreign Affairs", in http://www.fireeye.com; abgerufen am 17. Dezember 2013 114 Ziel der Angreifer war die Schaffung von Zugängen zu Regierungsstellen und hochentwickelten Industrieunternehmen in den Bereichen Verteidigung, Luftund Raumfahrt sowie den Sparten Chemie und Energie. Angesichts der verschärften Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt und der anhaltenden Folgen der internationalen Finanzund Wirtschaftskrise gewinnen sowohl Wirtschaftsspionage44 als auch ihre erfolgreiche Abwehr zunehmend an Bedeutung. 2.4 Sicherheitspartnerschaft Mit der bereits Mitte der 1990er Jahre gegründeten und in den vergangenen Jahren inhaltlich und organisatorisch breiter angelegten Sicherheitspartnerschaft nahm Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle für die Einbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung in präventive Abwehrstrategien ein. Durch gezielte Sensibilisierungsgespräche hat der Verfassungsschutz seine Präventionsarbeit auf hohem Niveau fortgesetzt. Nachgefragt wurden insbesondere Vortragsveranstaltungen in Unternehmerkreisen, Workshops und Tagungen, die durch ihre Multiplikatorenwirkung die Sensibilität für Spionagegefahren erhöhen sollen. Die notwendige betriebliche Eigenvorsorge gegen Wirtschaftsspionage schützt ein Unternehmen im Übrigen auch vor der wirkungsgleichen Konkurrenzausspähung.45 Die Expertisen der Spionageabwehr werden darüber hinaus auch auf Fachkongressen einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert, wie beispielsweise beim Mittelstandstag der Landesregierung im ZDF-Konferenzzentrum in Mainz. Dort trafen sich am 11. April 2013 Experten und Unternehmer zu informativen Diskussionsrunden und gegenseitigem Austausch. Der Verfassungsschutz informierte über die aktuelle Gefahrenlage im Bereich der Wirtschaftsspionage und zeigte durch vorgeführtes Live-Hacking Schwachstellen unterschiedlicher IT-basierter Systeme auf. 44 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 45 Die illegale Beschaffung unternehmerischer Informationen durch einen Wettbewerber - ohne Auftrag eines Nachrichtendienstes - wird als Konkurrenzausspähung oder Industriespionage bezeichnet. 115 Die Aktivitäten des Verfassungsschutzes zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft haben durch die auffällige Steigerung von Netzwerkangriffen gegen Staat und Wirtschaft einen weiteren Schwerpunkt erfahren. Die im Jahr 2013 von den Sicherheitsbehörden festgestellten Internetattacken betrafen erneut bundesdeutsche Behördennetzwerke und Firmen im ganzen Bundesgebiet. Größtenteils waren diese gezielten Angriffe offenkundig chinesischen Ursprungs. Dies korrespondiert mit dem Ausbau der Kapazitäten chinesischer Nachrichtendienste im Bereich der elektronischen Ausspähung. Unzureichend geschützte Netzwerkstrukturen ermöglichten den Angreifern bundesweite Zugriffe auf nahezu alle Informationsebenen. Die Bandbreite der eingesetzten Schadsoftware reichte dabei von einfachen Virenprogrammen zu Sabotagezwecken bis hin zu signaturarmen und somit schwer lokalisierbaren Trojanern, die in Netzwerksystemen eine so genannte Backdoor46 öffneten und es dem Angreifer ermöglichten, auf das gekaperte Netzwerk zuzugreifen. Die betroffenen Unternehmen standen/stehen im Kontakt mit dem Verfassungsschutz und wurden/werden fortlaufend betreut. Ein ungewollter Informationsabfluss wurde bisher in Rheinland-Pfalz nicht bekannt. Einen aktuellen Überblick zu verschiedenen Aspekten des Informationsschutzes und den einzelnen Gefahrenpotenzialen der Wirtschaftsspionage bietet der Verfassungsschutz u.a. mit der Herausgabe seiner Broschürenreihe: # Verfassungsschutz - Ihr Ansprechpartner für Wirtschaftsschutz # Sicherheit im Know-how-Transfer # Elektronische Attacken auf Informationsund Kommunikationstechnik # Schrankenlose Offenheit - "soziale Netzwerke" im Web 46 Backdoor (dt. Hintertür) ist eine Umgehung der normalen Zugriffssicherung, um einen Zugang zu einem Computer/ Netzwerk zu erlangen. 116 # Sicherheitslücke Mensch - Der Innentäter als größte Bedrohung für die Unternehmen # Wissenschaftsspionage - Gefahren für Forschung und Lehre # Geschäftsreisen - Schützen Sie Ihr Know-how! # Personalauswahl - Sicherheitsaspekt im Unternehmen # Besuchermanagement - Umgang mit Besuchern und Fremdpersonal # Wirtschaftsspionage durch Diebstahl und Einbruchdiebstahl. Die Broschüren und weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter http://www.verfassungsschutz.rlp.de jederzeit abrufbar. 117 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 1. Geheimschutz Der Geheimschutz gehört zum Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats, indem er Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme schützt. Diese geheim zu haltenden Tatsachen werden als Verschlusssachen (VS) bezeichnet. Abhängig von der Schutzwürdigkeit einer VS erfolgt die Einstufung innerhalb folgender Geheimhaltungsgrade: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH VS-VERTRAULICH amtlich geheim gehalten GEHEIM amtlich geheim gehalten STRENG GEHEIM amtlich geheim gehalten Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät und unterstützt der Verfassungsschutz landesweit Behörden im vorschriftskonformen47 Umgang mit Verschlusssachen. Auch Wirtschaftsunternehmen arbeiten mit Verschlusssachen, wenn geheimhaltungsbedürftige Aufträge des Bundes / der Länder vergeben werden. Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststellen und die 47 Nach der Anweisung zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung/VSA) Rheinland-Pfalz betrifft dies insbesondere technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. 118 Sicherheitsbevollmächtigten der Unternehmen, die auch im Berichtszeitraum durch Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren beraten und informiert wurden. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse Verschlusssachen anvertraut werden sollen, die Zugang zu Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit verschaffen könnten. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) ist die Sicherheitsüberprüfung darauf gerichtet festzustellen, ob der (vorgesehene) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten und einer prognostischen Bewertung für den Umgang mit den ihm anzuvertrauenden Verschlusssachen persönlich geeignet ist. Hierbei kommen, je nach Art der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, unterschiedliche Überprüfungsverfahren zur Anwendung. Sein Votum der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) übermittelt der Verfassungsschutz dem Geheimschutzbzw. dem Sabotageschutzbeauftragten der jeweils zuständigen Behörde oder dem Sicherheitsbeauftragten der nicht öffentlichen Stelle. Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die zur Aufgabenerfüllung Zugang zu Verschlusssachen erhalten und deshalb der Geheimschutzbetreuung unterliegen. In Rheinland-Pfalz sind dies am Ende des Berichtjahres ca. 70 Unternehmen. Ein Sicherheitsrisiko, welches die Übertragung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verbietet, können Umstände sein, die nach eingehender Bewertung bspw. festgestellter # verfassungsfeindlicher Bestrebungen / fehlender Verfassungstreue, # relevanter vorangegangenen Straftaten, # Gründe der (möglichen) Erpressbarkeit, # nachrichtendienstlicher Beziehungen, # Drogenund Alkoholmissbrauch, die persönliche Zuverlässigkeit der überprüften Person in ihrer Funktion als Geheimnisträger in Zweifel zieht oder gar verneint. 119 Neben dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz bildet das "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) die Grundlage für weitergehende Maßnahmen, zu deren Anwendung sich alle geheimschutzbetreuten Unternehmen freiwillig verpflichten. Die in Rheinland-Pfalz ansässigen Firmen, insbesondere solche aus der Hochtechnologiebranche, werden im Interesse eines umfassenden Wirtschaftsschutzes über aktuelle Ausspähungsmethoden anderer Nachrichtendienste unterrichtet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse unterstützen die Wirtschaftsunternehmen insbesondere auch beim Know-how-Schutz. Diesbezüglich werden seitens der Verfassungsschutzbehörde im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft für die Wirtschaft auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen entsprechend sensibilisiert. 2. IT-Geheimschutz/IT-Sicherheit Ohne eine reibungslos funktionierende IT-Infrastruktur sind viele staatliche und wirtschaftliche Prozesse heute nicht mehr vorstellbar. IT-Sicherheit hat sich damit zu einem integralen Bestandteil der Informationsund Kommunikationstechnologie entwickelt. Die Gefahr, Opfer einer IT-Sabotage oder eines Cyber-Angriffs zu werden, betrifft die IT-Infrastrukturen der Wirtschaft als auch staatlicher Institutionen gleichermaßen. Aufgrund ihrer hohen IT-Affinität rücken im Rahmen des ITGeheimschutzes und der IT-Sicherheit vermehrt neue Themenfelder auf die Agenda des Verfassungsschutzes. Beispiele sind: # "Kritische Infrastrukturen" - Organisationen und Einrichtungen mit herausragender Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere Folgen für die zu gewährleistende Daseinsvorsorge eintreten würden. # Behördenund Firmennetze sind zunehmend einem erheblichen Gefährdungspotential durch Außenaber auch Innentäter ausgesetzt. Die Folgen sind ungewollter Informationsabfluss, eine Fremdsteuerung oder auch Sabotage einzelner Rechner und ggf. auch ganzer ITNetzwerke. 120 # Die Präsenz von Firmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in sozialen Netzwerken, welche Angreifern durch den Einsatz sogenannter Social-Engineering Methoden der weiteren Informationsbeschaffung oder als Ausgangspunkt zur Korrumpierung von ITSystemen dienen. # Nicht zuletzt das Zukunftsprojekt "Industrie 4.0", dessen Schwerpunkte auf intelligenten Produktionssystemen und -verfahren sowie auf der Realisierung verteilter und vernetzter Produktionsstätten beruhen und damit vermehrt in das Visier fremder Nachrichtendienste geraten werden. Als Antwort auf die gestiegenen Anforderungen der neuen IT-Sicherheitsrisiken hat der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz seine Aktivitäten auf dem Gebiet des IT-Geheimschutzes und der IT-Sicherheit weiter intensiviert. So erstecken sich diese auf die Mitarbeit im Krisenstab der Landesregierung, ressortübergreifende Sensibilisierungsmaßnahmen mit konkreten Sicherheitshinweisen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung, zielorientierte Vortragsveranstaltungen der Kammern und Verbände sowie Sensibilisierungsgespräche in Unternehmen. Die bisherige Resonanz zeigt, dass die intensivierten Maßnahmen durchweg positiv aufgenommen wurden und zu einer Reduzierung der Gefahrenpotentiale in Behörden und Unternehmen führten und führen. 3. Sabotageschutz Im Jahr 2003 wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz in den Anwendungsbereich des Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG) aufgenommen. Danach sind einer Sicherheitsüberprüfung auch die Personen zu unterziehen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen. Auch bei diesen Sicherheitsprüfungen wirkt die Verfassungsschutzbehörde mit. Ebenso ist der Verfassungsschutz beispielsweise bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach SS 12b Atomgesetz sowie nach SS 7 Luftsicherheitsüberprüfungsgesetz beteiligt. 121 C. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 122 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 123 SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten 124 Teil 1 behörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung Allgemeine Bestimmungen der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Begriffsbestimmungen Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in SS2 einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzbehörde schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Ministerium des Innern und für Sport als Gebiet abzutrennen; Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Bundes oder eines Landes politisch beeinander nicht angegliedert werden. stimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen SS3 Personenzusammenschluss, der darauf gerichZusammenarbeit in Angelegenheiten des tet ist, den Bund, Länder oder deren Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demomit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten kratische Grundordnung politisch bestimmte, des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegeneinem oder für einen Personenzusammenseitiger Unterstützung und im Informationsausschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer diesem Gesetz genannten VerfassungsgrundEinrichtungen. sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einverihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unternehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutznicht in einem oder für einen Personenzusammengesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 schluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses beschädigen. Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden (2) Zur freiheitlichen demokratischen Länder zulassen. Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c Wahlen und Abstimmungen und durch besondes Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzdere Organe der Gesetzgebung, der vollzie125 henden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelZusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 barer, freier, gleicher und gehei-mer Wahl zu wähdes Grundgesetzes) gerichtet sind, len, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasTätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung sungsmäßige Ordnung und die Bindung der erfolgt durch gezielte und planmäßige vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer und Unterlagen. parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre SS6 Verantwortlichkeit gegenüber der VolksverAufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung tretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrdenen im öffentlichen Interesse geheimhalschaft und tungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang 7. die im Grundgesetz konkretisierten dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen Menschenrechte. können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Teil 2 die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, SS5 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Beobachtungsaufgaben Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen oder die Sicherheit des Bundes oder eines Fällen. Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der SS7 Verfassungsorgane des Bundes oder eines Unterrichtung der Landesregierung und der Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienst((1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Landesregierung regelmäßig und umfassend über Deutschland für eine fremde Macht, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifachlich zuständige Minister unterrichtet die tungshandlungen auswärtige Belange der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten Bundesrepublik Deutschland gefährden, und nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Ge(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach danken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten 126 bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe tendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtenfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Bediensteten, Vertrauensleuten und GewährsInteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige personen, das Anwerben und Führen gegnerischer Interesse der betroffenen Person überwiegt. Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Teil 3 Verwendung von Tarnpapieren und TarnkennBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde zeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die SS8 Zuständigkeit für die Anordnung solcher InformaAllgemeine Rechtsgrundsätze tionsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzu(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz legen. und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und die zeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlaoder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsbefugBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. nisse gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsDezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersudie Genehmigung dieser Kommission nachträglich chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoSS9 genen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung Allgemeine Befugnisse des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßund der kommunalen Gebietskörperschaften leisnahmen treffen, insbesondere Informationen einten der Verfassungsschutzbehörde für ihre schließlich personenbezogener Daten verarbeiten, Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Befugnisse besonders regeln. zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn SS 10 Besondere Befugnisse 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung und Gegenstände einschließlich technischer Mittel solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachzur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichrichtenzugänge gewonnen werden können, 127 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehsie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unvermen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verzüglich zu veranlassen. dächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu SS 10 a ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um Weitere Einzelfallbefugnisse auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall keiten für eine fremde Macht oder gewalttäbei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten tige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu gewinnen, zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanund Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände lagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer und Nachrichtenzugänge der VerfassungsAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wieoder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend gende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist oder genannten Schutzgüter vorliegen. 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und der hieraus gewonnenen Informationen bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zwingend erforderlich ist. zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Beihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordertroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich lich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 anzunehmen, wenn die Information auch aus allgegenannten Schutzgüter vorliegen. mein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stebis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unterwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltsnehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen punkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf erbringen, sowie bei denjenigen, die an der diese Weise erreicht werden kann. Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz 2 Postfächern und sonstigen Umständen des nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Postverkehrs einholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausge(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall schlossen werden kann. Lässt sich zu diesem zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsMitteilung so lange, bis eine Gefährdung des mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentaAuskünfte über Telekommunikationsverbinrischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, dungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einhoPostund Fernmeldegeheimnisses gebildete len. Die Auskünfte können auch in Bezug auf Kommission ist über die Gründe, die einer zukünftige Telekommunikation und zukünftige 128 Nutzung von Telediensten verlangt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 Telekommunikationsverbindungsdaten und bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet Standortkennungen sowie Rufnummer oder über die durchgeführten Maßnahmen nach den Kennung des anrufenden und angerufenen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen KontrollAnschlusses oder der Endeinrichtung, gremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen und Uhrzeit, Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundes3. Angaben über die Art der vom Kunden in verfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Wohnungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondedie G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufre einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, sichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des technische Mittel zur optischen und akustischen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die von Beschränkungen des Brief-, Postund FernErforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der meldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von begründen. Über den Antrag entscheidet die Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließLeiterin oder der Leiter oder die stellvertretende lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich Vertreter angeordnet ist. zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem (2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldetatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von geheimnisses gebildete Kommission über die Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 besteht. beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung Ministerin oder der fachlich zuständige Minister steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Bezug zu den in SS 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontaktoder Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz unvermeidbar betroffen werden. zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheim(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in nisses entsprechende Anwendung. Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AuskunftsAnnahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach geber nicht mitgeteilt werden. Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Über129 wachung der Wohnung allein dieser Person zur automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprewerden. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz chend erscheint. 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterSatz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der brochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungs(7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und 53 a der schutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz Strafprozessordnung geschütztes Vertrauenstechnischer Mittel anordnen; eine richterliche verhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entspreEntscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit chend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern die Anordnung des Leiters der VerfassungsschutzTatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die behörde oder seines Vertreters nicht binnen drei zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen SS 5 steht oder eine Kontaktoder Begleitperson nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu (Absatz 2 Satz 2) ist. löschen. SS 10 c (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Besondere Bestimmungen für Maßnahmen zu überwachende Wohnung und die Person, gegen nach SS 10 b die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeich(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorgestaltung oder aus Eingriffen entgegen SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokueinen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, mentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht fortbestehen. In der Begründung der Anordnung mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Daten nach SS 10 b der gerichtlichen Kontrolle Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so des Landesbeauftragten für den Datenschutz und sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen die Informationsfreiheit. Maßnahmen unverzüglich zu beenden. (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur der Abwehr von Gefahren für die öffentliche angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitaufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondeliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, re hinsichtlich der Art der überwachten Räumwenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme lichkeit und des Verhältnisses der überwachten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurech(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu untergericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsbrechen, soweit sich während der Überwachung schutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Verfahren in Familiensachen und in den AngeKernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechlegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine sprechend. 130 (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b gewonMaßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten nenen personenbezogenen Daten sind zu kennohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem zeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtsperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. zuerhalten. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem sein Vertreter kann anordnen, dass bei der ÜberJahr der Löschung folgt, zu vernichten. SS 11 Abs. 5 mittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 vergilt entsprechend. zichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungs(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht ten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit der zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßgabe, dass die Zurückstellung der BenachAnordnung bereits vor der Zustimmung getroffen richtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer Teil 4 gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, Datenverarbeitung oder SS 11 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Erhebung, Speicherung und Nutzung personennach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. bezogener Daten Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, wurden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die über1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht mittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffevon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 nen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass vorliegen, eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfordieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser derlich ist oder Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die erforderlich ist. Übermittlung ist zu protokollieren. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezo(8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks oder andere Datenträger belegbar sein. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unver(2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich lichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 131 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verardass in Akten gespeicherte personenbezogene beitet werden, wenn Daten unrichtig oder unvollständig sind. 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr wäre und erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie betroffenen Person nicht entgegenstehen. schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenDaten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werbezogenen Daten entsprechenden Akten oder den, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderVerständnis der zu speichernden Informationen lich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögVoraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. lich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffetrotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine nen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErhebungsLöschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach zweck anzugeben. Betroffene sind auf die FreiSatz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. willigkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürEinzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur persozenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 nenbezogene Daten über die Personen gespeichert und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach unterliegen oder in diese einbezogen werden. drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu berichtigen oder zu löschen sind. Zwecken der Datenschutzkontrolle, der DatenGespeicherte personenbezogene Daten über sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgeBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin erheblicher Gefährdungen der öffentlichen oder der Leiter der für den Verfassungsschutz Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern Freiheit einer Person erforderlich ist. und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Berichtigung, Löschung und Sperrung personenInteressen Betroffener erforderlich ist. bezogener Daten SS 13 (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Informationsübermittlung an die Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenVerfassungsschutzbehörde bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln 132 von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Infortigen Informationsbestände nehmen, soweit dies mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsder Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 hältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die lung personenbezogener Daten ist auf Name, öffentlichen Stellen des Landes und der kommuAnschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangenalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle hörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Veranderen ihnen bekannt gewordenen Informationen fassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu einschließlich personenbezogener Daten übermitbeschränken. teln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ÜbermittStrafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für lung für die Erfüllung der Aufgaben der VerfassungsZwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz schutzbehörde erforderlich ist. nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhalts(2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle punkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Strafihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich taten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde kommunalen Gebietskörperschaften Informationen findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Anwendung. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die SS 14 Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Informationsübermittlung durch die Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Verfassungsschutzbehörde Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentnur durch eine die Betroffenen stärker belastende liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Maßnahme erhoben werden können. ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete empfangende Stelle darf personenbezogene Daten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitVerfassungsschutzbehörde die Übermittlung persotelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes nenbezogener Informationen oder Informationsbestimmt ist. bestände von öffentlichen Stellen des Landes und (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsder kommunalen Gebietskörperschaften nur verlanschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes gen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übersicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen mitteln an Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzgegen die freiheitliche demokratische Grundordabkommens zu dem Abkommen zwischen den nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes Parteien des Nordatlantikvertrages über die oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden in der Bundesrepublik Deutschland statiooder gegen den Gedanken der Völkerverständigung nierten ausländischen Truppen vom 3. August oder das friedliche Zusammenleben der Völker 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann geändert durch Abkommen vom 18. März auch Einsicht in die amtlichen Dateien und son s- 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 133 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeiVoraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie behörden zur Verfolgung von StaatsschutzAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. delikten, den in SS 100 a der Strafprozess(3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf ordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des genannten Straftaten und sonstigen StrafLandes und der kommunalen Gebietskörpertaten im Rahmen der organisierten Kriminaschaften Auskunft einschließlich personenbezolität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Einstellungs-, Disziplinarund KündigungsverStraftaten sowie sonstige Straftaten, bei fahren, im Einbürgerungsverfahren und in den denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift der Täterin oder des Täters oder der Verbinvorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft dung zu einer Organisation tatsächliche muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen Stelle zwingend erforderlich sein. die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gerichtet sind, gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit dem Militärischen Abschirmdienst Informationen sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies einschließlich personenbezogener Daten. zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenzur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden bezogene Daten an ausländische Nachrichtenerheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden dienste angrenzender Staaten, an andere auslänBekämpfung der in Nummer 2 genannten dische öffentliche Stellen sowie an überund zwiStraftaten oder von Verbrechen, für deren schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher dient, Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen Stelle erforderlich ist und diese die personenmit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesonBelange der Bundesrepublik Deutschland oder dere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen BeFreiheit einer Person oder dem Schutz von troffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist Sachen von bedeutendem Wert oder der aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Gewährleistung der Sicherheit von lebensist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten peroder verteidigungswichtigen Einrichtungen im sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt Sinne des Landessicherheitsüberprüfungswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, gesetzes dienen und dies mit den Aufgaben und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbeder Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 hält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. und SS 6 vereinbar ist. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöfIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesfentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei verfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verdenn, dies ist fassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staats1. zum Schutze der freiheitlichen demokraanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den tischen Grundordnung, des Bestandes oder Polizeibehörden des Landes Informationen einder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschschließlich personenbezogener Daten unter den land oder eines ihrer Länder oder zur 134 Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder SS 16 verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Besondere Pflichten bei der Übermittlung perLandessicherheitsüberprüfungsgesetzes, sonenbezogener Daten 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses de Macht, Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherStelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich heitsgefährdenden oder geheimdienstlichen ohne Bedeutung. Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unter(2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den wanderung von Wirtschaftsunternehmen Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten perdurch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sonenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer genannten Bestrebungen oder Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu oder Vermögen einer Person erforderlich. Die vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, Übermittlung bedarf der Zustimmung der wenn die Trennung von anderen personenbezofachlich zuständigen Ministerin oder des fachgenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforlich zuständigen Ministers oder der Leiterin derlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persooder des Leiters der für den Verfassungsschutz nenbezogenen Daten zu sperren. zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf SS 17 hinzuweisen, dass die übermittelten persoMinderjährigenschutz nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übervon Minderjährigen vor Vollendung des 14. mittelt wurden, und dass die VerfassungsLebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des schutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten die Nutzung der personenbezogenen Daten Akten gespeichert werden. zu verlangen. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 SS 15 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten Übermittlungsverbote gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit Betroffenen dies erfordern, sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten erfordern, insbesondere Gründe des Quellenvon Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen schutzes, des Schutzes operativer Maßdieses Gesetzes übermittelt werden, solange die nahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt entgegenstehen oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregemehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur lungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsBedeutung erforderlich ist. pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebens135 jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Gesetzes nicht an ausländische oder überoder Informationsfreiheit wenden können. Mitteilungen zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an Betroffene SS 18 dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Auskunft an Betroffene der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zuge(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffestimmt hat. nen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für SS 19 deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Datenschutzkontrolle Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Der oder dem Landesbeauftragten für den Datennicht auf die Herkunft der Daten und auf die empschutz und die Informationsfreiheit ist auf Verlangen fangende Stelle bei Übermittlungen. Über persoZutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder nenbezogene Daten in nichtautomatisierten ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in Dateien und Akten, die nicht zur Person von alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Auffinden der personenbezogenen Daten mit angeEinzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des messenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Teil 5 Parlamentarische Kontrolle 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, SS 20 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein Parlamentarische Kontrollkommission können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Ver(1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen fassungsschutzbehörde zu befürchten ist, Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzsonst dem Wohl des Bundes oder eines behörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Landes Nachteile bereiten würde oder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkom4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung mission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausnach einer Rechtsvorschrift oder wegen der schüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlaüberwiegenden berechtigten Interessen mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Dritter geheimgehalten werden müssen. Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Abteilung des Ministeriums des Innern und für besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus Sport oder hierzu besonders Beauftragte. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontroll(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf kommission wählt eine Vorsitzende oder einen keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun(3) Die Beratungen der Parlamentarischen dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgeKontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder lehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verdas Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, pflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt 136 werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des LandesdatenAusscheiden. schutzgesetzes keine Anwendung (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine MitgliedSS 23 schaft in der Parlamentarischen KontrollkomEinschränkung von Grundrechten mission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrolldes Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für kommission ausscheidet. Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 SS 21 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung Befugnisse der Parlamentarischen für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. Kontrollkommission SS 24 (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der (Änderungsbestimmung) fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens SS 25 zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Inkrafttreten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unter(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung richtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz in Kraft. 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erfolgten Einsatz tech(2) (Aufhebungsbestimmung) nischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 137 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 138 Titelbild: Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße 5 MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de