MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2011 Titelbild: Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Internet: www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2011 1 2 Vorwort Im Jahr 2011 wurde auf erschreckende Weise die Erkenntnis bestätigt: Der Rechtsextremismus ist die zentrale Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Die rechtsextremistische Weltanschauung ist wie kaum eine andere eine Triebfeder für Hass und Menschenverachtung. Unter den Protagonisten von Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus sind auch Rechtsterroristen, die vor schwersten Straftaten nicht zurückschrecken. Über mehrere Jahre hinweg gelang es rechtsterroristischen Gewalttätern, unerkannt zu morden und zu rauben. Die Dimension dieser Untaten hat uns alle erschüttert und manche auch ratlos gemacht. Diese Erschütterung teilen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei. Als Konsequenz des Geschehenen wurden erste organisatorische und rechtliche Maßnahmen eingeleitet, um die bundesweite Sicherheitsarchitektur zu optimieren. Insbesondere wurden die informationelle Verzahnung zwischen den Sicherheitsbehörden und deren Analysefähigkeit verbessert, so durch die Einrichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums von Nachrichtendiensten und Polizei und die neue gemeinsame Verbunddatei zur Erfassung rechtsextremistischer Gewalttäter. Weitere Schritte werden folgen. Es gilt dabei, konsequent und mit Augenmaß die nötigen Schlüsse für die Bewältigung der zentralen Aufgabe des Verfassungsschutzes als "Frühwarnsystem" der Gesellschaft zu ziehen und diese sachgerecht umzusetzen. Früherkennung, Nachhaltigkeit und ein breiter gesellschaftlicher Konsens bleiben die Eckpfeiler für eine wirksame Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die 3 Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus, die in Rheinland-Pfalz seit langem einen hohen Stellenwert genießt, wird in diesem Sinne intensiv fortgeführt und fortentwickelt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, wie wichtig und wirksam gerade das Ineinandergreifen von gesellschaftlichem Engagement, Prävention und entschiedenem Einschreiten in akuten Gefahrensituationen sind. In Rheinland-Pfalz haben Rechtsextremisten daher keine Chance, sich zu entfalten. Die Landesregierung wird alles tun, damit dies auch so bleibt. Ebenso kommt es im Bereich des Islamismus entscheidend darauf an, Radikalisierungsprozesse von Personen zu erkennen und ihr Abgleiten in den Terrorismus zu verhindern. Den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ist es bisher weitgehend gelungen, islamistisch motivierte Terrorplanungen rechtzeitig aufzudecken und ihre Umsetzung zu unterbinden. Dass es aber für die rechtzeitige Erkennung von Terroristen und Attentätern keine Garantie geben kann, zeigt das Attentat auf US-Soldaten am Flughafen Frankfurt am Main im März 2011. Es forderte zwei Todesopfer und zwei Verletzte. Dieser Fall wirft zugleich ein Licht auf die erheblichen Herausforderungen, vor denen die Sicherheitsbehörden stehen. Der Zugang zu islamistischer Propaganda, die in Teilbereichen zur Gewaltanwendung gegen erklärte "Feinde des Islam" aufruft, ist im heutigen Internet-Zeitalter leichter als je zuvor. Dem Verfassungsschutz kommt eine zentrale Aufgabe bei der Erkenntnisgewinnung über virtuelle und reale Orte extremistischer Propagandaarbeit, über die Vernetzung radikalisierter Islamisten und in Einzelfällen über ihre Pläne zur Unterstützung oder Vorbereitung terroristischer Aktivitäten zu. Auch der Linksextremismus und nichtislamistische extremistische Bestrebungen von Ausländerinnen und Ausländern blieben 2011 im Blickfeld des Verfassungsschutzes. In beiden Bereichen waren es vor allem wieder die gewaltbereiten Erscheinungsformen, die besondere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit erforderten. Die Existenz von solchen Gruppierungen bedingt fortwährende Gefahren für unsere Sicherheit. Wenngleich Rheinland-Pfalz von politisch motivierter Gewalt aus den beiden Lagern im Ländervergleich seit Jahren nur marginal betroffen ist, gilt auch hier: Jede Tat ist eine zuviel! Die Ausspähungstätigkeit fremder Nachrichtendienste hielt im Berichtsjahr unvermindert an. Die Begehrlichkeit, vor allem in den Besitz von geschützten 4 Informationen zu gelangen, hat im Informationszeitalter bei aller Transparenz nicht abgenommen. Es gibt im Gegenteil eine Vielzahl von Motiven, intensiv zu spionieren. Die elektronischen Medien wie Internet spielen dabei längst eine Schlüsselrolle. Ungeachtet dessen nutzen fremde Nachrichtendienste auch heute noch menschliche Quellen - dies sollte nicht ignoriert werden. Ein Hauptaugenmerk bei der Ausspähung galt wiederum dem Komplex Wirtschaft. Die Beratung vor allem mittelständischer Unternehmen durch den Verfassungsschutz wird daher fortgeführt. Der Verfassungsschutzbericht 2011 informiert wieder ausführlich über die Erkenntnislage zu extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen in unserem Bundesland. Ich hoffe, er findet Ihr Interesse. Roger Lewentz Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur 5 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 II. Verfassungsschutzbericht 2011 12 III. Strukturdaten 13 IV. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch 13 Information V. Programme zur Bekämpfung des 14 Rechtsextremismus Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus 16 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus 18 Überblick 2011 1. Personenpotenzial 20 2. Lagebild Strafund Gewalttaten 20 3. Rechtsextremistisches Spektrum 21 3.1 Gewaltbereite Rechtsextremisten und 22 Rechtsterrorismus 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 23 3.3 Neonationalsozialisten 25 3.3.1 "Hilfsorganisation für nationale politische 27 Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 3.3.2 "Kameradschaften" 28 3.3.3 "Autonome Nationalisten" (AN) 31 7 3.4 Rechtsextremistische Parteien 32 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 32 (NPD) /"NPD - Die Volksunion" "Junge Nationaldemokraten" (JN) 41 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 42 3.5 Rechtsextremistische Musik 43 3.6 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und Aktions45 formen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz II. Linksextremismus 47 Überblick 2011 1. Linksextremistisches Personenpotenzial 48 2. Linksextremistische Gewalt 48 3. Gewalttätiger Linksextremismus 48 3.1 Autonome 49 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 50 4. Marxisten-Leninisten und andere 54 revolutionäre Marxisten 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 III. Islamismus 56 Überblick 2011 1. Islamistisches Personenpotenzial 57 2. Ideologie 57 3. Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2011 58 3.1 International 58 3.2 Bundesrepublik Deutschland 60 4. Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen 61 in Rheinland-Pfalz 8 4.1 Salafistische Islamisten 62 4.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 65 4.3 "Kalifatsstaat" 69 4.4 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft 71 der Muslimbrüder") 4.5 Jihadistische Islamisten 73 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische 75 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Überblick 2011 1. Personenpotenzial 76 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) 76 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 82 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten84 Leninisten" (TKP/ML) 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 85 V. Elektronische Medien 88 1. Rechtsextremismus 88 2. Linksextremismus 89 3. Islamismus 90 VI. Spionageabwehr 91 1. Auftrag und allgemeine Lage 91 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 92 2.1 Spionage 92 2.2 Proliferation 97 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 98 9 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 102 1. Geheimschutz 102 2. Sabotageschutz 103 C. Anhang Rechtliche Grundlagen 104 Grundgesetz (Auszug) 104 Landesverfassungsschutzgesetz 105 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz I. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz ist ein Element der wehrhaften Demokratie und dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes (vgl. Teil C. Anhang) Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen und wertet diese aus. Darüber hinaus ist er für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt u.a. bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind ein wichtiger Beitrag für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz vornehmlich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur geheimen Informationsbeschaffung ein (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz darf auch nicht die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten. 11 Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer umfassenden Kontrolle. Die vom Landtag eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Rechte stehen auch dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10Kommission im Einzelfall zu genehmigen. II. Verfassungsschutzbericht 2011 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über bedeutende verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren mit Stand 31. Dezember 2011. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungs12 schutz einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. III. Strukturdaten Im Jahr 2011 gehörten dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz 157 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Das Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten im Haushaltsjahr 2011 betrug 1.412.700,EUR und 594.500,EUR für Investitionen. IV. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung vor den Menschenrechten können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Die Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit haben deshalb für den Verfassungsschutz seit Jahren einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb wurden auch auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen. Kontaktaufnahme bitte unter: 13 Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur 55116 Mainz Pressereferat: Tel.: 06131/16-3222 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@isim.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden. V. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus seit Jahren auf folgenden Säulen: # Konsequentes Einschreiten (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Konsequentes Einschreiten - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Vertreter. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Konzertveranstaltungen, Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial etc. werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und im Rahmen des Rechts bekämpft. Dadurch werden der Bewegungsspielraum der 14 Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Prävention - Verbesserung von Lebenssituationen, Stärkung von Demokratiebewusstsein und Zivilcourage, umfassende Aufklärung Repression allein trocknet den Nährboden für Rechtsextremismus nicht aus. Daher legt Rheinland-Pfalz großen Wert auf eine umfassende Prävention. Diese setzt schon bei der Verbesserung von Lebenssituationen, so beispielsweise durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut an, denn Menschen in prekärer Lage gehören zu den bevorzugten Zielgruppen rechtsextremistischer Agitation. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, damit sie die Gefahren dieser menschenverachtenden Ideologie erkennen und ihnen begegnen können. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische Umtriebe abgerundet. Allein der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hat im Jahr 2011 mehr als zwanzig Informationsveranstaltungen mit ca. 2.000 überwiegend jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Hilfen für Aussteiger - Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus", Programm "Rückwege" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder die schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung ein Aussteigerprogramm beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 45 46 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen 15 Milieu zu finden. Seit Ende 2010 gibt es daneben das neue Programm "Rückwege", das unter der gleichen Hotline-Nummer erreichbar ist. "Rückwege" setzt dort an, wo Jugendliche und junge Menschen an der Schwelle zum Einstieg in ein rechtsextremes Umfeld stehen. Ihnen werden die Konsequenzen ihres Handelns und mögliche Alternativen aufgezeigt, bevor sich extremistische Haltungen verfestigen können. Die Angebote können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte der Landesund Kommunalverwaltung gegen Rechtsextremismus und baut ein landesweites Präventionsnetzwerk auf. Gezielt wird auf rechtsextremistische Umtriebe hingewiesen, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch, wenn "nur" von einer latenten oder abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" werden insbesondere junge Menschen über die Gefahren, die vom Gedankengut der braunen Verführer ausgehen, aufgeklärt. Die Präventionsagentur hat im Jahr 2011 vor allem die Beratung von Kommunen und die Präventionsarbeit für Jugendliche mit Schwerpunkt fortgeführt. Die Präventionsagentur steht Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner zur 16 Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe zum rheinlandpfälzischen Verfassungsschutz, da die Präventionsagentur über aktuelle Lageinformationen verfügt. So werden Kreise, Städte und Gemeinden beispielsweise kompetent beraten, wenn es den Anschein hat, dass Rechtsextremisten Immobilien anmieten oder erwerben wollen. Zum Thema Rechtsextremismus sind bislang u.a. folgende Publikationen erschienen: # Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen # Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus # Kommunen gegen Rechtsextremismus # Frauen im Rechtsextremismus # Erscheinungsformen # Extremistische Gewalt # Rechtsextremismus und Jugend # Musik im Rechtsextremismus # Intellektueller Rechtsextremismus # Weltanschauung und Ideologie im Rechtsextremismus # Erscheinungsbild junger Rechtsextremisten # "Autonome Nationalisten" (AN) # Agitation und Propaganda # Geschichte des Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz 17 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick I. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus wird vom Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz intensiv beobachtet und analysiert. Ein Hauptaugenmerk gilt dabei neben gewaltbereiten Rechtsextremisten und Gewalttätern nicht zuletzt auch den geistigen Brandstiftern. Sie sind Träger und Verfechter einer menschenverachtenden Weltanschauung, die rassistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich ist. Die Aufdeckung der von der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) begangenen Mordserie hat 2011 große Betroffenheit ausgelöst, so auch in den Sicherheitsbehörden. Ohne den Ergebnissen der Untersuchungsausschüsse oder der Bund-Länder-Kommission vorzugreifen, wurde das frühzeitige Erkennen der terroristischen Gefahr um die Gruppe NSU durch das hohe Maß an Konspiration der mutmaßlichen Täter erschwert. Zudem ließ der Verzicht auf öffentliche Tatbekennungen oder entsprechende Bekundungen in der rechtsextremistischen Szene lange Zeit keine belastbaren Rückschlüsse auf die Urheberschaft zu. Dieses Verhalten entsprach keinen gängigen Mustern. Politik und Sicherheitsbehörden sind daher intensiv damit befasst, alle Hintergründe aufzuklären und die Sicherheitsarchitektur anzupassen. Eine ganze Reihe von Maßnahmen wie die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechtsextremismus und einer Verbunddatei wurde bereits umgesetzt. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten ging 2011 bundeswie landesweit zurück. Demgegenüber stieg jedoch die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten weiter an, ebenso die Zahl der Neonazis. Angestiegen ist im Berichtsjahr, nach einem Rückgang im Jahr 2010, die Zahl rechtsextremistischer Gewaltdelikte in Rheinland-Pfalz. Die Veränderungen innerhalb des subkulturellen rechtsextremistischen Milieus hielten an. Während die Skinheadszene an Bedeutung verliert, verzeichnen die Gruppierungen Zulauf, deren zumeist junge Anhänger ein unauffälliges Erschei18 nungsbild pflegen. Dabei geht dieser Wechsel in aller Regel nicht mit einer Veränderung der einschlägigen weltanschaulichen Prägung einher. Das Neonazispektrum ist bundesweit auf eine beachtliche Größe angewachsen. Die "Autonomen Nationalisten" (AN), eine besonders aggressive neonazistische Richtung, haben sich etabliert; sie finden vor allem bei jungen Szeneangehörigen Zuspruch. Auch andere rechtsextremistische Gruppierungen werden von Neonazis durchdrungen. Dies gilt vor allem für die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Immer mehr neonazistische Zusammenschlüsse tendieren zu strukturarmen bis strukturlosen Organisationsformen. Gleichzeitig ist man um eine engere regionale Vernetzung bemüht. Die rechtsextremistischen Parteien verfehlten im Jahr 2011 ihre Ziele. Der Fusionsprozess zwischen NPD und "Deutscher Volksunion" (DVU) geriet bereits im Anfangsstadium ins Stocken. Nennenswerte Mitgliederbewegungen von der DVU zur NPD waren nicht zu verzeichnen. Die politische Arbeit der DVU ist faktisch zum Erliegen gekommen. Auch die NPD schwächelte, so bei den meisten Wahlen, zu denen sie antrat. Ihre Finanzsituation blieb angespannt. Der Wechsel an der Parteispitze der NPD führte zu dem Versuch einer strategischen Neuausrichtung. Die NPD bemüht sich, ihr Profil als "Kümmererpartei" in vordergründig modernem Gewand zu schärfen. Thematische Schwerpunkte waren die Finanz-, Wirtschaftsund Sozialpolitik. Im Zentrum stand die Agitation gegen den Euro. Ideologisch hat sich die NPD hingegen nicht verändert. Es bleibt bei der rassistischen, antisemitischen und demokratiefeindlichen Ausrichtung der Partei. Anhaltend große Bedeutung für das gesamte rechtsextremistische Spektrum hat das Internet. Die Darstellungen der Rechtsextremisten in diesem intensiv genutzten Medium sind professioneller geworden, mit der Folge, dass sie vor allem von jungen Menschen eher wahrgenommen werden. 19 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2011 2010 2011 2010 Gesamt 700 750 22.400 25.000 Gewaltbereite* 160 150 9.800 9.500 Subkulturell geprägte 50 50 7.600 8.300 Rechtsextremisten Neonazis 230 210 6.000 5.600 Parteien 350 <400 7.300 9.600 Sonstige 100 125 2.500 2.500 Angaben gerundet, Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. * Die Zahl der Gewaltbereiten beinhaltet vor allem das subkulturelle Potenzial und einen Teil der Neonazis. 2. Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) stieg im Jahr 2011 in Rheinland-Pfalz auf 673 an (2010: 632). Von den 673 registrierten Straftaten waren 479 so genannte Propagandadelikte (2010: 449). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 32 (2010: 23). In 27 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2010: 22). Zudem wurde in Rheinland-Pfalz im Jahr 2011 ein jüdischer Friedhof geschändet (2010: zwei). Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2011 2010 Gesamt 32 23 Körperverletzungen 27 22 Brandstiftung 1 - Andere Gewaltdelikte 4 1 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen. 20 3. Rechtsextremistisches Spektrum Rechtsextremisten bilden keinen einheitlichen, in sich geschlossenen Block; eine "rechte Volksfront" existiert nicht. Vielmehr gibt es unterschiedliche Erscheinungsformen (Hauptrichtungen, Strömungen). Im Wesentlichen wird unterschieden zwischen # subkulturell geprägten Rechtsextremisten, # Neonationalsozialisten (Neonazis), # rechtsextremistischen Parteien, # sonstigen Rechtsextremisten. Innerhalb dieser Strömungen sind verschiedene Organisationsformen (z.B. Parteien, Vereine, "Kameradschaften" etc.) und Organisationsgrade (feste Strukturen oder lose, informelle Zusammenschlüsse) zu beobachten. Unterschiede gibt es auch beim Verhalten der jeweiligen Rechtsextremisten (z.B. aktions-, diskursoder parlamentsorientiert) und in Bezug auf ihre ideologisch-politischen Vorstellungen und Ziele. Bei der unter 1. Personenpotenzial aufgeführten Gruppe der Gewaltbereiten handelt es sich nicht um eine eigenständige Strömung im rechtsextremistischen Spektrum, sondern um eine "Schnittmenge", die sich vornehmlich aus subkulturell geprägten Rechtsextremisten und Neonazis, aber auch anderer Rechtsextremisten zusammensetzt. Teile der rechtsextremistischen Szene sind (u.a. bedingt) durch Doppeloder Mehrfachzugehörigkeiten und persönliche Kontakte eng vernetzt. Bündnisbestrebungen, um die Zersplitterung des rechtsextremistischen Lagers in größerem Stil zu überwinden, waren bislang allerdings erfolglos. Ungeachtet dessen existieren vielerlei Formen der Zusammenarbeit und der Verzahnung. So unterstützen Neonazis seit mehreren Jahren die rechtsextremistische NPD bei öffentlichen Aufmärschen und bei Wahlkämpfen. 21 3.1 Gewaltbereite1 Rechtsextremisten und Rechtsterrorismus Gewaltbereite Rechtsextremisten rekrutieren sich mit Schwerpunkt aus rechtsextremistischen jugendlichen Subkulturen wie der ideologisch entsprechend ausgerichteten Skinheadszene2 und aus Teilen des Neonazi-Spektrums. Auf Bundesebene wurden dem gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrum im Jahr 2011 etwa 9.800 Personen (2010: ca. 9.500) zugerechnet. In RheinlandPfalz beläuft sich die Zahl der gewalttätigen und gewaltbereiten Rechtsextremisten insgesamt auf rund 160 Personen, die sich in ca. 50 Skinheads und etwa 110 Neonazis aufteilt. Obwohl rechtsextremistisch motivierte Gewalt kein spezifisches Jugendproblem darstellt, werden diese Taten häufig von jungen Erwachsenen und Jugendlichen, zumeist in Gruppen, begangen. Hierbei spielt die Gemeinschaft eine wichtige Rolle. Das Gefühl von scheinbarer Stärke innerhalb einer Gruppe mit Gleichgesinnten, lässt die Hemmschwellen sinken. Auch der Einfluss von Alkohol bedingt häufig aggressives Verhalten und das Begehen von spontanen Gewalttaten. Die Täter von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten sind meist männlich und weisen einen einfachen bis mittleren Bildungsabschluss vor. Frauen und Mädchen - die in der rechtsextremistischen Szene generell unterrepräsentiert sind - "lösen" Auseinandersetzungen nur selten mit Gewalt. Die Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoffen bedingt im Kontext mit der von ihnen verinnerlichten rechtsextremistischen Weltanschauung seit Jahren ein erhebliches Gefährdungspotenzial. Wiederholt wurde zudem in Teilen der Szene in der Vergangenheit über die Führbarkeit eines "bewaffneten Kampfes", auch auf der Grundlage einzelner Theorieschriften, diskutiert. Die Gefahr des Entstehens rechtsterroristischer Zusammenschlüsse oder die Ausübung terroristisch motivierter Taten durch Einzelne war somit stets latent; hiervor hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz in der 1 Hierzu werden neben gewaltbereiten Aktivisten auch Gewalttäter oder Tatverdächtige gezählt. 2 Nicht alle Skinheads können dem rechtsextremistischen Lager zugerechnet werden. Die verschiedenen Erscheinungsformen reichen von unpolitischen Strömungen, über eine Minderheit von linksextremistischen Ideologiemustern orientierenden Skinheads bis hin zu rechtsextremistischen. 22 Vergangenheit wiederholt gewarnt. Zuletzt wurden mehrere Rechtsextremisten in Bayern und Brandenburg im Jahr 2005 nach SS 129a StGB wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Im November 2011 wurde - wie erwähnt - die rechtsterroristische Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) bekannt. Der Gruppe werden zehn Morde, die zwischen 2000 und 2007 begangen wurden, mehrere Banküberfälle und andere Straftaten zur Last gelegt. Der Generalbundesanwalt führt ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung, wegen Mordes und anderer Straftaten. In Rheinland-Pfalz waren auch im Jahr 2011 keine rechtsterroristischen Strukturen festzustellen.3 Ebenso konnten keine Erkenntnisse gewonnen werden, die Bezüge im Zusammenhang mit dem Fallkomplex der terroristischen Gruppierung NSU nach Rheinland-Pfalz erkennen lassen. Hinweise gab es allenfalls auf Kennverhältnisse, die in der Szene nicht ungewöhnlich sind. 3.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Bundesweit gehören der subkulturellen rechtsextremistischen Szene etwa 7.600 Personen an. In Rheinland-Pfalz können die hierzu zählenden rund 50 Skinheads als neonazistisch charakterisiert werden. Die subkulturelle rechtsextremistische Szene in Rheinland-Pfalz, der zumeist junge Männer angehören, unterliegt einer hohen Fluktuation und ist vorwiegend regional begrenzt. Innerhalb dieser lose strukturierten Verbindungen ergeben sich Hierarchien zumeist aus dem Ergebnis gruppendynamischer Prozesse. Sie beruhen oft auf der Durchsetzungsfähigkeit von Einzelpersonen und nicht 3 Bislang kam es in Rheinland-Pfalz zu keinen Verurteilungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach SS 129a StGB. 23 auf einem geordneten Organisationsverhalten. Die agierenden Personen verfügen nur selten über ein ausgeprägtes rechtsextremistisches Weltbild. Sie können vielmehr als typische "Mitläufer" bezeichnet werden. Diskussionen zu gesellschaftlichen oder politischen Fragen werden nur selten geführt. Ideologisch orientiert sich dieses Spektrum in erster Linie an neonazistischem Gedankengut, was u.a. durch die Verwendung entsprechender Symbole Ausdruck findet. Die wichtigste Rolle innerhalb der Gruppierungen spielt der Erlebnisfaktor. Gemeinsame Besuche von Konzerten oder Demonstrationen bieten den jungen Menschen besondere Anreize. Bei kollektiven Erlebnissen können sie neue Freunde finden, bisherige Freundschaften stärken und in der Gruppe/Gemeinschaft etwas erleben. Gerade in der Phase der Persönlichkeitsfindung ist dies für Jugendliche und junge Erwachsene von besonderer Bedeutung. Oftmals stärken Rückhalt und das Auftreten in der Clique das eigene Selbstwertgefühl. Nationalistische Überzeugungen, die das Gefühl vermeintlicher Stärke geben, sind den zumeist Jugendlichen in dieser Lebensphase leichter zu vermitteln. Doch nicht nur das Gruppenerlebnis kann Auslöser für eine Bindung in der subkulturellen rechtsextremistischen Szene sein. Auch der Reiz an Verbotenem oder die Provokation der Gesellschaft wirken zuweilen als Magnet, sich in der Szene zu verankern. Rechtsextremistische Skinheads kooperieren häufig eng mit der Neonaziszene und sind meist in (gemischten) neonazistischen "Kameradschaften" organisiert. Obwohl man sich nicht dauerhaft in feste, politisch kontinuierlich arbeitende Organisationsstrukturen einfügen lässt, gibt es auch punktuelle Verbindungen mit der verfassungsfeindlichen "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). Vor allem auf regionaler Ebene lässt sich dies anlassund aktionsbezogen beobachten. Die NPD selbst ist um eine enge Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Skinheadszene bemüht, um in der Öffentlichkeit ein stärkeres und eindrucksvolleres Auftreten zu gewährleisten. Eine enge Zusammenarbeit der Partei mit der Skinheadund Neonaziszene lässt sich daher insbesondere bei Konzerten oder Demonstrationen beobachten. In der Öffentlichkeit waren die Vorstellungen vom äußeren Erscheinungsbild rechtsextremistischer Skinheads durch Klischees geprägt. Allerdings löst sich die Szene zum Großteil vom "traditionellen" Aussehen mit Glatze, Bomberjacke 24 und Springerstiefeln. Skinheads nehmen Anleihen bei anderen jugendlichen Subkulturen und passen ihr Erscheinungsbild diesen vermehrt an. Der Verzicht auf ein martialisches Äußeres und auf einschlägige Kennzeichen sollen eine sofortige Identifikation durch den poltischen Gegner und die Brandmarkung durch die Öffentlichkeit vermeiden. 3.3 Neonationalsozialisten Als Neonationalsozialisten (Neonazis) werden Personen bezeichnet, die sich direkt oder indirekt zu Ideologie, Organisationen oder Persönlichkeiten des historischen Nationalsozialismus bekennen. Ihre Gesinnung ist von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt. Die Identifikation mit der Zeit des Nationalsozialismus lässt sich unter anderem an ihrem Auftreten und den verwendeten Symbolen erkennen, findet sich aber auch durchgängig in der politischen Propaganda und Agitation wieder. Prinzipiell stellen Neonazis in ihrem Tun Bezüge zum nationalsozialistischen Gedankengut von 1920 bis 1945 her. Das wesentliche Ziel ihres Wirkens ist auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Das bestehende Staatswesen soll durch einen autoritären "Führerstaat" nach dem Vorbild des "Dritten Reiches" ersetzt werden. Das Staatsoberhaupt mit totalitärer Vollmacht wäre nicht mehr wählbar und demokratisch nicht legitimiert. Der Staat selbst würde von einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" (der Deutschen) getragen werden. Menschen anderer Völker und Kulturen würden per se als ungleichwertig angesehen, entrechtet und aus dem Staatsgefüge ausgegrenzt. Als Vorbild dient dabei die Rassenund Bevölkerungspolitik der Nationalsozialisten. Das System zöge aber auch zwangsläufig die Beschneidung der Freiheitsrechte jedes Einzelnen nach sich. Der eigene Wille wäre dem des "Volkes" ausnahmslos unterzuordnen. Die Grenzen zwischen Neonazismus und anderen Richtungen des Rechtsextremismus verlaufen teilweise fließend. Die neonazistische Ideologie findet sich auch in der rechtsextremistischen Skinheadszene wieder, welche überwie25 gend als nicht neonazistisch einzustufen ist. Auch innerhalb der Neonaziszene gibt es jedoch ideologische und strukturelle Unterschiede. Nicht alle Neonazis legen beispielsweise den historischen Nationalsozialismus in gleicher Art aus. Gerade für jüngere Neonazis hat die Ideologie der Nationalsozialisten an Verbindlichkeit verloren. Sie gebrauchen zwar passende weltanschauliche Teile, können daraus aber meist keinen politischen Willen ableiten, der in einer auf Dauer angelegten politischen Arbeit münden würde. Der Sinn von solchen neonazistischen Zusammenschlüssen ist meist im gemeinsamen Aktionismus und dem Gruppengefühl begründet. Allerdings liegt auch verfassungsfeindliches Gedankengut zugrunde. Viele Aktivitäten der Neonazis wie interne Treffen oder Musikveranstaltungen etc. bleiben der Bevölkerung verborgen. In der Öffentlichkeit treten sie hingegen bei Demonstrationen und Aufmärschen in Erscheinung, die oft einen historischen Bezug aufweisen. Von besonderer Bedeutung war in der Vergangenheit der Todestag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Alljährlich um den 17. August wurden zahlreiche Gedenkund Propagandahandlungen durchgeführt, die in jüngster Zeit immer mehr an "Anreiz" verloren haben. Während in früheren Jahren bis zu 4.000 Neonazis an den "Gedenkaktionen" teilnahmen, waren es 2009 noch rund 650 und 2010 ca. 200 Personen. Im Juli 2011 wurde das Grab von Rudolph Heß im bayerischen Wunsiedel aufgelöst. Das Grab diente in der Vergangenheit als zentrale Örtlichkeit für Heß-Gedenkveranstaltungen. Der rechtsextremistischen Szene wurde durch die Exhumierung eine wichtige "Pilgerstätte" genommen. Dennoch fanden sich am 30. Juli 2011 wieder rund 300 Rechtsextremisten zu einer Demonstration in Wunsiedel ein. In Rheinland-Pfalz kam es auch im Jahr 2011 zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Heß-Plakaten, sowie dem Aufstellen von "Heß-Gedenktafeln". Teile des Neonazispektrums werden dem rechtsextremistischen Gewaltpotenzial zugerechnet. Zwar vermeiden diese Neonazis in der politischen Auseinandersetzung zumeist die offene, militante Konfrontation, dennoch bleibt für die Szene eine latente Gewaltbereitschaft kennzeichnend. Nicht zuletzt wegen dieses Umstandes und den einschlägigen ideologischen Positionen wurden allein zwischen 1992 und 2012 bundesweit insgesamt 27 Neonazigruppen und 26 drei neonazistische Skinhead-Vereinigungen verboten. Die Neonaziszene reagiert auf diese Verbotsmaßnahmen mit losen, cliquenhaften Zusammenschlüssen, wobei eine Art von Netzwerken feste Strukturen ersetzen. So organisieren sie sich heute vor allem in sogenannten Kameradschaften (vgl. 3.3.2). Neonazis aus solchen Gruppierungen und organisationsunabhängige Gesinnungsgenossen titulieren sich u.a. als "Freie Nationalisten" oder "Freie Kräfte". Daneben existieren kleinere Zusammenschlüsse mit nur noch nachrangiger Bedeutung. Hierzu zählt in Rheinland-Pfalz beispielsweise die Gruppe "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz", die im Jahr 2011 überwiegend interne Treffen, sogenannte Appelle, durchführte. Bundesweit stieg die Zahl der Neonazis im Jahr 2011 weiter auf nunmehr etwa 6.000 an (2010: ca. 5.600). In Rheinland-Pfalz stieg die Zahl und liegt nun bei ca. 230 Personen (2010: ca. 210). Etwa 110 der in Rheinland-Pfalz zumeist in "Kameradschaften" organisierten Neonazis sind gewaltbereit bzw. gewalttätig. 3.3.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Das Bundesministerium des Innern hat die HNG mit Wirkung vom 21. September 2011 verboten. Von den zur Sicherstellung des Vereinsvermögens bzw. weiterer Beweismittel vorgenommenen Hausdurchsuchungen am gleichen Tag waren Personen in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffen. Dem Verbot der HNG war ein im Juli 2010 eingeleitetes vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren vorangegangen, in dessen Verlauf im September und Oktober 2010 Durchsuchungen bei 30 HNG-Angehörigen in zehn Bundesländern erfolgt waren, so auch in Rheinland-Pfalz. Die HNG hat Ende September 2011 gegen das Verbot Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die 1979 gegründete HNG war mit zuletzt ca. 600 Mitgliedern bundesweit die größte neonazistische Organisation. Die zweite Vorsitzende Ursula MÜLLER und deren Ehemann Curt MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim gehörten seit Anfang der achtziger Jahre zu ihren führenden Aktivisten. Die HNG verstand sich als Betreuungswerk für inhaftierte rechtsextremistische Strafund Gewalttäter 27 und sah ihre Aufgabe vor allem in der Vermittlung von Kontakten zwischen Szeneangehörigen und Inhaftierten. Diese sollten während ihrer Haftzeit in ihrer Ideologie bestärkt werden, um sie nach Strafverbüßung wieder in die Szene integrieren zu können. Die mit einer Auflage von rund 700 Exemplaren monatlich erschienene Publikation "Nachrichten der HNG" enthielt neben Berichten über szenerelevante Veranstaltungen und Vorkommnisse im Inund Ausland auch Listen mit kontaktsuchenden Inhaftierten sowie deren Leserbriefe. 3.3.2 "Kameradschaften" Die Bildung von "Kameradschaften" erfolgte zunächst vor allem als Reaktion auf Verbote zahlreicher rechtsextremistischer Vereine in den 1990er Jahren. Um weiteren Vereinigungsverboten zu entgehen, entwickelten sich Gruppierungen in Form von eher losen Zusammenschlüssen. Bei diesen handelt es sich um organisationsund parteiunabhängige Gruppen, denen durchschnittlich 15 bis 20 Personen - meist junge Männer - angehören. Die regionale Verankerung der Personenzusammenschlüsse zeigt sich häufig in deren Selbstbezeichnungen (z.B. "Kameradschaft Zweibrücken"). "Kameradschaften" haben einen hierarchischen Aufbau - nach außen versuchen die Gesinnungsgenossen jedoch den Anschein von Cliquen oder privaten Freundeskreisen zu vermitteln. Ideologisch gründen ihre Überzeugungen auf einem neonazistischen Weltbild, das auf die Schaffung eines Führerstaates nach Vorbild des historischen Nationalsozialismus angelegt ist. Die Rassenund Bevölkerungspolitik der Nationalsozialisten, die von rigidem Rassismus, von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus geprägt war, steht dabei Pate. Ihre Eigenständigkeit innerhalb der rechtsextremistischen Szene dokumentieren sie durch Bezeichnungen wie "Freie Nationalisten". Dennoch ist fast jede "Kameradschaft" vernetzt und unterhält Kontakte zu Gesinnungsgenossen im Inund Ausland. Verbindungen bestehen teilweise auch zwischen "Kameradschaften" und der verfassungsfeindlichen "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD). Eine typische Aktivität dieser Gruppierungen ist der "Kameradschaftsabend", der oft eher geselligen Charakter hat. Selten wird dort intensiv politisch agiert - 28 zuweilen werden jedoch politische Schulungen durchgeführt. Zudem dienen die Zusammenkünfte Terminabsprachen und der Koordinierung von Aktionen, wie Fahrten zu Demonstrationen oder Konzerten. "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken" Der "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken", die seit ca. neun Jahren besteht, gehören etwa 15 bis 20 Personen an. Diese rekrutieren sich aus Mitgliedern der rechtsextremistischen Szene aus dem Umkreis von Zweibrücken. Verbindungen bestehen auch zu Gesinnungsgenossen im Saarland. Die Gruppierung führt vor allem interne Treffen und öffentliche Aktionen durch. Am 12. März 2011 initiierte die "Kameradschaft" einen sogenannten Trauermarsch der rechtsextremistischen Szene in Zweibrücken. An der Veranstaltung, mit der vorgegeben wurde, der Opfer der Bombardierung Zweibrückens am 14. März 1945 zu gedenken, nahmen rund 60 Rechtsextremisten teil. "Initiative Südwest" In den Jahren 2010 und 2011 trat die "Initiative Südwest" als Veranstalter von rechtsextremistischen Aktionen in Erscheinung. Die Gruppe, die im Raum Alzey-Worms agiert, betreibt seit Januar 2010 einen eigenen Internetauftritt. Dieser enthält Bildund Videodokumente zur Propaganda; außerdem wird über Organisationen und Veranstaltungen berichtet. Die Internetseite verweist überdies auf Homepages von weiteren Organisationen der rechtsextremistischen Szene. Unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise, wir sind nicht das Sozialamt der Welt" führte die "Initiative Südwest" am 24. September 2011 in Alzey eine Demonstration durch, an der sich rund 80 Rechtsextremisten beteiligten. 29 "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Die seit 2006 existierenden "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" betreiben nach wie vor eine Internetpräsenz. Dabei handelt es sich eigenen Angaben zufolge um ein "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen". Als ein Ziel wird die "Vereinigung aller Deutschen in der Volksgemeinschaft und die humane Rückführung der hier lebenden Fremdvölker, die nicht Teil dieser Gemeinschaft sein können" propagiert. In den Beiträgen wird über Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene berichtet und auf Homepages anderer rechtsextremistischer Gruppierungen verwiesen. Aktionsbündnisse der Neonationalsozialisten In der deutschen Neonaziszene gelten sogenannte Aktionsbündnisse als charakteristische Beispiele für länderübergreifende Netzwerkstrukturen. Durch diese Zusammenschlüsse versucht die Szene, Aktivitäten von rechtsextremistischen Neonaziund Skinheadgruppierungen zu koordinieren. Eine erhöhte Mobilisierungsfähigkeit bei Aktivitäten, wie die Teilnahme an Demonstrationen, ist ein weiterer Zweck der Bündnisse. Die Mitglieder der "Aktionsbündnisse" unterhalten meist Kontakte zu rechtsextremistischen Führungspersonen, sowie Gruppierungen in den angrenzenden Regionen. Als Medium nutzen "Aktionsbündnisse" hauptsächlich das Internet. Dort werden Termine verbreitet sowie Veranstaltungsberichte und Bilder der Szene zugänglich gemacht, so auch über soziale Netzwerke. Die Seiten verweisen zudem auf die anderer rechtsextremistischer Gruppen. Seit 2003 existiert das "Aktionsbüro Rhein-Neckar", das im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim agiert. Eigenen Angaben zufolge gehören dem Zusammenschluss Gruppierungen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz an. Das "Aktionsbüro Mittelrhein" hat sich im Norden von Rheinland-Pfalz entwickelt und pflegt Kontakte zu Rechtsextremisten im südlichen 30 Nordrhein-Westfalen. Dies wird belegt durch strafprozessuale Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Koblenz, die im März 2012 erfolgten. 3.3.3 "Autonome Nationalisten" (AN) Die "Autonomen Nationalisten", denen bundesweit etwa 15 % des Neonazipotenzials zugerechnet werden können, haben nicht zuletzt wegen ihrer Attraktivität für junge Rechtsextremisten in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Erscheinungsform der "Autonomen Nationalisten" ist ein relativ neuer Typus des Neonazispektrums, der seit dem Jahr 2003 existiert. In einer für Rechtsextremisten bislang untypischen Verhaltensweise geben sich die Akteure stärker aggressiv aktionsorientiert. So ähnelt ihre Erscheinung dem Bild linksextremistischer Autonomer. Bei Demonstrationen treten sie in einheitlicher Kleidung in sogenannten schwarzen Blöcken in Erscheinung. Auch mitgeführte Symbole, Spruchbänder und Parolen sind von denen der linksextremistischen Szene kaum zu unterscheiden. Charakteristisch ist ein im Vergleich zur übrigen Neonaziszene erhöhtes Gewaltpotenzial, das insbesondere bei Demonstrationen und Konfrontationen gegen den politischen Gegner und die Polizei zu beobachten ist. Durch ihr Auftreten versuchen die "Autonomen Nationalisten" auf undogmatische Weise vor allem Jugendliche anzusprechen - die Akteure der AN sind oft jünger als zwanzig Jahre. Ideologisch orientieren sich die "Autonomen Nationalisten" an nationalrevolutionärem Gedankengut, das auf einem völkisch-nationalen Weltbild mit kollektiven Wirtschaftsvorstellungen beruht. Ihre Agitation richtet sich schwerpunktmäßig gegen vermeintlich imperialistische Bestrebungen der USA und kennzeichnet sich durch Kapitalismusund Imperialismuskritik. Eine regelmäßige politische Arbeit findet allerdings kaum statt. Das restliche rechtsextremistische Lager reagiert auf die AN indes mit geteilter Meinung. Aus taktischem Kalkül vermieden Rechtsextremisten bisher offene Gewaltanwendungen in der Öffentlichkeit. Das militante Auftreten der AN und ihre latente Gewaltbereitschaft werden von Vielen kritisch betrachtet. Die regionalen Schwerpunkte der "Autonomen Nationalisten" erstrecken sich auf Nordrhein-Westfalen (Ruhrgebiet) und den Großraum Berlin. In Rhein31 land-Pfalz sind bisher keine Gruppenstrukturen erkennbar. Im Pfälzer Raum firmiert lediglich eine Internethomepage unter der Bezeichnung "AN". Zudem unterhalten Angehörige der rechtsextremistischen Szene im Norden von Rheinland-Pfalz gute Kontakte zu AN-Aktivisten in Nordrhein-Westfalen. 3.4 Rechtsextremistische Parteien "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) /"NPD - Die Volksunion"4 Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: ca. 6.300 (2010: ca. 6.600) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 300 (2010: unter 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 11 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Politische und weltanschauliche Ausrichtung Die 1964 gegründete NPD ist eine Weltanschauungspartei. Drehund Angelpunkt ihres Weltbildes ist die Ideologie der ethnisch homogenen Volksgemeinschaft. Die NPD bekennt sich in diesem Sinne in ihrem Parteiprogramm zum Abstammungsprinzip und letztendlich zu einer rigiden Volkstumspolitik, die auf Ausgrenzung und Entrechtung fußt.5 Darauf aufbauend ist ihre politische Ausrichtung in allen relevanten Positionen völkisch bestimmt und durch und durch rassistisch. Die Realität einer multiethnischen wie auch multikulturellen Gesellschaft wird rigoros abgelehnt, was sich in fortwährender Polemik und Hetze niederschlägt (z.B.: "Integration ist gleichbedeutend mit Völker- 4 Umbenennung erfolgte im Zuge der Fusion mit der "Deutschen Volksunion" DVU am 15. Januar 2011 5 "Das Parteiprogramm. Arbeit. Familie. Vaterland.", 1. Auflage September 2010, S. 12 32 mord"6). Menschen fremder Herkunft werden systematisch herabgewürdigt, stigmatisiert und vorurteilsbeladenen Anfeindungen ausgesetzt, wie folgender Text eines NPD-Wahlplakats verdeutlicht: "Ist der Ali kriminell, in die Heimat aber schnell". Verstärkt hat die NPD in den letzten Jahren die Agitation gegen Muslime. Menschen islamischen Glaubens werden beleidigt und Spott ausgesetzt ("Heute kräht hier noch der Hahn - und morgen der Imam!").7 Verdichtet wird dies durch Bedrohungsszenarien auf der Grundlage einer einseitigen, unreflektierten Betrachtung der Religion Islam ("Der Islam ist eine intolerante, aggressive Religion. Einmal zur Macht gelangt, können Unterworfene froh sein, wenn sie mit dem Leben davonkommen.")8 oder orientiert an historischen Daten ("...1693, als türkische Kulturbereicherer zum letzten Mal vor Wien standen und die Messer wetzten...").9 Von der aggressiven Hetze sind auch fortlaufend Minderheiten wie Sinti und Roma betroffen, ein Umstand, der Erinnerungen an die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wachruft. Auffällig ist der Sprachgebrauch, mit dem versucht wird, diese Menschen zu entwürdigen. So werden immer wieder sprachliche Kontexte zwischen Menschen und Verheerungen wie Naturkatastrophen hergestellt. Ein Beispiel: "Flut der Sinti und Roma nach Deutschland".10 Signifikant ist in diesem Zusammenhang weiterhin der primär rassistisch motivierte Antisemitismus, der von der NPD gelebt und propagiert wird. Dieser tritt immer häufiger chiffriert zu Tage, aber so, dass jeder Rechtsextremist die "Botschaften" sofort versteht. Gebräuchlich ist dabei beispielsweise das Stereotyp der angeblich von Juden dominierten internationalen Finanzund Bankenwelt, das stets sprachlich mit einer Reihe negativ belegter Begriffe verknüpft wird. In einem Text über ein jüdisches Bankhaus, dessen Chef und weiteren Persönlich- 6 "Das Parteiprogramm...", S. 13 7 "Es reicht!", Wahlkampfzeitung der NPD zur Landtagswahl Baden-Württemberg 2006, S. 3 8 "Jetzt reicht's!", Schrift des NPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, 2010, S. 1 9 "Deutsche Stimme", Ausgabe April 2011, S. 1 10 "Deutsche Stimme", Ausgabe Oktober 2011, S. 6 33 keiten heißt es u.a.: "Blankfein sitzt wie eine Spinne im Netz", wie auch die Rede von "Plutokraten", "Wucherern" und einer "dubiosen Persönlichkeit" ist.11 Der Staat Israel und jüdische Interessenvertretungen in Deutschland werden verächtlich gemacht (zu Israel: "jüdischer Aggressionsund Apartheitsstaat". Zum Zentralrat der Juden: "Dieser sich als bundesrepublikanische Nebenregierung gebärende 'Rat'").12 Historische Figuren, die sich als radikale Antisemiten hervorgetan haben, werden idealisiert. So wird in der NPD-Schrift "Deutsche Stimme" der österreichische Politiker Georg Ritter von Schönerer anlässlich seines neunzigsten Todestages als "weitblickender Volkstumspolitiker" gelobt, der zeit seines Lebens eine "völkisch-germanische Ideologie" vertrat.13 Besonders verwerflich bleibt die NPD-eigene Interpretation des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Vor allem der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz steht dabei im Mittelpunkt. Die NPD bewertet diesen Tag als "willkürliche, obrigkeitsstaatliche Einsetzung" und als "Gedenkereignis mit eindeutig instrumentellem Charakter" der auf eine "kollektive Beschuldigung und Dämonisierung aller Deutschen als 'Tätervolk'" abziele. Derart konditioniert ließen sich die Deutschen u.a. zu Geldzahlungen manipulieren (Anmerkung: Damit sind offenkundig Zahlungen im Rahmen der Wiedergutmachung geschehenen Unrechts gemeint).14 Es steht außer Frage, dass solche Äußerungen einzig die Diffamierung der Opfer des Naziterrors und die Relativierung der von den Nationalsozialisten entfachten Menschheitsverbrechen bezwecken. Begrifflich, programmatisch und im Hinblick auf die weltanschauliche Positionierung von Teilen ihrer Mitgliederschaft besteht eine deutliche Nähe der NPD zum historischen Nationalsozialismus. Beispielsweise werden immer wieder bestimmte Termini wie "Zinsknechtschaft" verwandt, die einen Bezug zum Nationalsozialismus haben.15 In dem Kreuzworträtsel einer 2011 erschienenen Wahl11 "Deutsche Stimme", Ausgabe Juni 2011, S. 7 12 "Deutsche Stimme", Ausgabe August 2011, S. 6 13 "Deutsche Stimme," Ausgabe September 2011, S. 21, Schönerer (1842-1921) vertrat einen radikalen, rassistisch determinierten Antisemitismus und galt als einer der geistigen Väter Hitlers. 14 NPD-Leitbrief 2012-03 des Parteipräsidiums an die Bezirksund Kreisvorstände vom 27.01.2012 15 Der Begriff "Zinsknechtschaft" findet sich unter Nr. 11 des Parteiprogramms der NSDAP vom 25.02.1920. Von der NPD u.a. verwandt in: Artikel "Der politische Rückblick auf den 1. Mai", NPD-Pressestelle vom 4. Mai 2009, auf Homepage http://www.npd.de/html/609/artikel/detail/621/ - aufgerufen am 3. Februar 2012. 34 kampfzeitung des NPD-Landesverbandes Berlin wurde u.a. nach einem "deutschen Politiker (Friedensflieger) des 20. Jahrhunderts" gefragt - gemeint ist der frühere Hitler-Stellvertreter und NSDAP-Funktionär Rudolf Heß. Solche eindeutigen Aussagen oder Bekundungen werden aber zunehmend vermieden oder durch moderatere Zwischentöne ersetzt. Typisch ist in diesem Kontext auch eine systematisch betriebene Geschichtsklitterung. In einem Text über Rudolf Heß ist unter der Überschrift "Verzweifelter Verständigungsversuch" ausgeführt: "Vor 70 Jahren: England hintertreibt die letzte Chance zum Frieden".16 Die Behauptung, der eigenmächtige Flug von Heß nach England im Jahr 1941 hätte einen Friedensschluss herbeiführen können, nachdem von Deutschland bereits weite Teile von Europa mit einem Angriffsund Vernichtungskrieg überzogen worden waren und der geplante Überfall auf die Sowjetunion unmittelbar bevorstand, ist ebenso historisch widerlegt wie absurd. Des Weiteren deutet die NPD historisch determinierte Begriffe mit Bezügen zur Zeit des Nationalsozialismus mit dem Ziel um, deutsche Kriegsund Menschheitsverbrechen durch eine Täter-Opfer-Umkehr zu relativieren. So wird immer wieder die Bezeichnung "Bombenholocaust" im Zusammenhang mit alliierten Luftkriegskampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg verwendet. Die NPD ist weiterhin stark an einer Zusammenarbeit mit Neonazis ("Freie Kräfte") und anderen Rechtsextremisten interessiert und in vielerlei Hinsicht, so mit Blick auf das Mobilisierungspotenzial oder in Wahlkampfzeiten, auch darauf angewiesen. Hierzu äußerte der neue Bundesvorsitzende Holger APFEL in einem Interview: "Wer mich kennt, weiß, daß ich immer ein Verfechter einer Zusammenarbeit war und ein wirklich partnerschaftliches Verhältnis auf Augenhöhe anstrebe" und weiter: "...mit vielen 'Freien' gibt es große Schnittmengen, die ich fördern, ja ausbauen möchte".17 Organisation Während des Bundesparteitags der NPD am 12./13. November 2011 erfolgte ein Führungswechsel an der Parteispitze. Der seit 1996 amtierende Bundesvorsitzende Udo VOIGT wurde durch den Vorsitzenden des Landesverbands 16 "Deutsche Stimme", Ausgabe September 2011, S. 24 17 "Deutsche Stimme", Ausgabe Januar 2012, S. 4 35 Sachsen und Abgeordneten im sächsischen Landtag Holger APFEL abgelöst. Zu dessen neuem Stellvertreter wurde Udo PASTÖRS gewählt. Der bisherige Stellvertreter VOIGTS, der ehemalige DVU-Vorsitzende Matthias FAUST, wurde zum neuen Leiter des "Referats Deutsche Stimme Aktuell" gewählt und damit im Parteivorstand faktisch entmachtet. Ziele und Strategien Ziel der NPD ist die Beseitigung des bestehenden politischen Systems von Demokratie und Rechtsstaat und damit der Verfassungsordnung. In der Ära VOIGT verfolgte die Partei eine Vier-Säulen-Strategie ("Kampf um die Köpfe, die Parlamente, die Straße und den organisierten Willen"), mit der es zumindest zeitweise u.a. gelang, die eigenen Reihen zu festigen und die Anhängerschaft zu motivieren. Unter dem Eindruck von Misserfolgen bei den meisten der letzten Wahlen, insbesondere dem Scheitern bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2011, setzte eine kontrovers geführte Strategiedebatte in den NPD-Führungsgremien ein. Kritisiert wurde beispielsweise die "Rückwärtsgewandtheit" der Partei, die sich in einem "Vergangenheitsghetto" bewege. Dies wurde am Erscheinungsbild (z.B. Verwendung der alten Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot) oder der Fixierung auf eine Vielzahl von dezentralen Gedenkveranstaltungen festgemacht. Demgegenüber solle man sich mehr auf gegenwartsbezogene und zukunftsrelevante Themen konzentrieren. Hardliner hielten mit ihren Vorstellungen eines authentischen, unmissverständlichen Argumentationsstils dagegen. In Folge der parteiinternen Diskussion und des Führungswechsels im November 2011 hat sich das von dem neuen Vorsitzenden Holger APFEL favorisierte Konzept einer "seriösen Radikalität" durchgesetzt. APFEL verbindet damit einen "volksnahen und zukunftsgewandten Nationalismus ohne Anpasserei". Hinter diesen Formulierungen verbirgt sich ausschließlich der Wille, das Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Partei zu verändern. APFEL spricht von einer "zukunftsorientierten und volksnahen Ausrichtung der NPD".18 Damit geht allerdings keine Änderung oder Aufweichung der extremistischen ideologischen Ausrichtung der NPD einher. Hierzu APFEL: "Für Träger einer Weltanschauung versteht 18 "Deutsche Stimme", ebd. 36 es sich von selbst, dass es bei der 'seriösen Radikalität' nicht um inhaltliche Anpassung und die Aufweichung unserer Grundsätze geht. Das klare Bekenntnis zum Abstammungsprinzip, zu den Grundpfeilern unseres politischen Wollens - Nationaler Souveränität, nationaler Identität und nationaler Solidarität - ist beispielsweise unverhandelbar".19 Die NPD verfolgt zudem weiter die Strategie, sich dauerhaft in der "Mitte der Gesellschaft" zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, engagieren sich NPDMitglieder bereits im vorpolitischen Raum, indem sie beispielsweise ehrenamtliche Tätigkeiten anstreben. Durch unverfängliches Verhalten und scheinbar seriöses Auftreten versucht man, bei Uninformierten einen Eindruck von "Normalität" und Harmlosigkeit zu erwecken. Dabei pflegt man vordergründig ein bürgernahes und heimatverbundenes Image. Insgesamt legt man es darauf an, als "Kümmerer"-Partei wahrgenommen zu werden, die sich der Belange des "kleinen Mannes" annimmt. Dieses Gebaren ist allerdings nur Mittel zum Zweck. So haben mehrere NPD-Landesverbände Anfang 2011 ihre Mitglieder und Anhänger aufgerufen, bei der anstehenden Volkszählung als freiwillige Helfer mitzuwirken. Diese Beteiligung wollte die rechtsextremistische Partei missbrauchen, um politische Gegner auszuforschen und um persönliche Daten von potenziellen Wählern zu erlangen. Politisch-inhaltlich versucht sich die NPD vor allem mit den Themen Finanz-, Wirtschaftsund Sozialpolitik zu profilieren. In jüngerer Zeit hat die rechtsextremistische Partei unter dem Eindruck der europäischen Finanzkrise ihre Kritik am Euro als gemeinsamer Währung intensiviert. Offenkundig besteht aber eine tiefe Kluft zwischen politischem Anspruch und einer Wirklichkeit, die von Inkompetenz und eindimensionalem Denken bestimmt ist. Fusionsprozess zwischen NPD und "Deutscher Volksunion" (DVU)20 Nachdem die damaligen Parteivorsitzenden von NPD, Udo VOIGT und DVU, Matthias FAUST, am 29. Dezember 2010 den Verschmelzungsvertrag zwischen 19 "Deutsche Stimme", November 2011, S. 12 20 Vgl. rheinland-pfälzischer Verfassungsschutzbericht 2010, S. 35-36 37 den beiden rechtsextremistischen Parteien unterzeichneten, wurde die Fusion offiziell am 15. Januar 2011 gefeiert. Gegner der Fusion aus den Reihen der DVU haben sodann beim Landgericht München eine einstweilige Verfügung erwirkt, welche den Vollzug der Vereinigung untersagt. Ende Mai 2012 wurde in einem Beitrag auf der Internet-Homepage der niedersächsischen DVU die anhängige Klage für erledigt erklärt und den verbliebenen Mitgliedern geraten, sich anderen "freiheitlichen" Organisationen anzuschließen. Dies bedeutet faktisch die Selbstauflösung der DVU. Bereits vorher hatten die meisten Landesverbände ihre Arbeit eingestellt, ohne sich offiziell aufzulösen. Die NPD hat von dem Fusionsprozess weder personell noch finanziell profitiert. Es gab keine Parteiübertritte in nennenswerter Größenordnung. Dies erklärt sich ein Stück weit aus der Überalterung der DVU und der ohnehin zuletzt weitgehenden Inaktivität des größten Teils ihrer Mitgliederschaft (bundesweit 2011: ca. 1.000, 2010: ca. 3.000). Insofern ist die NPD von ihrem Ziel, einer Bündelung der Kräfte, um mehr Schlagkraft und politische Bedeutung zu erlangen, weit entfernt. Teilnahme an Wahlen Die NPD hat sich 2011 an mehreren Landtagsund Kommunalwahlen beteiligt. Entsprechend der einschlägigen weltanschaulichen Ausrichtung stand auch ungeachtet taktischer Zurückhaltung bei einzelnen Formulierungen wiederum das systematische Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments im Mittelpunkt (z.B. "Kriminelle Ausländer raus", "Polen offen? Arbeit futsch! Auto weg! - Arbeitsplätze sichern - Grenzen dicht"). Eine besondere antisemitische Provokation erfolgte in Berlin durch ein Wahlkampfplakat mit der Aufschrift "Gas geben!", das u.a. vor dem Jüdischen Museum aufgehängt wurde und unverhohlen als Propagandaerfolg gefeiert wurde.21 Ein besonderes Augenmerk richtete die NPD im Wahljahr 2011 wieder auf Erstsowie Jungwählerinnen und -wähler. Während der Wahlkämpfe wurden Schülervertretungen angeschrieben und jugendgerechte Werbeträger wie "Schulhof21 Auf dem Plakat ist der damalige Bundesvorsitzende Udo VOIGT auf einem Motorrad sitzend abgebildet. In einem Artikel in der "Deutschen Stimme", November 2011, S. 15, wird vom "bekanntesten NPD-Plakat aller Zeiten" gesprochen. 38 CDs" und Comics verteilt oder im Internet eingestellt (z.B. Online-Computerspiel). Insgesamt wurde vor allem der Wahlkampf in Sachsen-Anhalt mit einem erheblichen Propagandaaufwand betrieben, was Bedeutung und Erwartungshaltung seitens der NPD mit Blick auf ihre Position in den östlichen Bundesländern unterstreicht. Die bei den Wahlen erzielten Ergebnisse bleiben für die NPD unbefriedigend und weit hinter den selbstgesteckten Erwartungen zurück. Auf der Suche nach den Ursachen für schlechte Wahlergebnisse erfolgten bekannte, reflexartige Schuldzuweisungen an die angeblich einseitig berichtende "Systemjournaille" und Äußerungen, die sich in Verschwörungstheorien verlieren. Ein wichtiges anvisiertes Ziel, der Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt, wurde nicht erreicht. Die NPD scheiterte am 20. März bei der Landtagswahl mit 4,6 % Zweitstimmenanteil an der Fünf-Prozent-Hürde. Für die Gesamtpartei bedeutete das Ergebnis angesichts des aufwändigen Wahlkampfes und der Erwartungen ("sieben plus X %") einen herben Rückschlag. In Rheinland-Pfalz erzielte die NPD bei der Landtagswahl am 27. März nur 1,1 % der Zweitstimmen und blieb damit annähernd auf dem Niveau der vorausgegangenen Landtagswahl (1,2 %). Zuvor hatte der Landesverband erhebliche Probleme, Direktkandidaten zu nominieren. Der Wahlkampf selbst verlief schleppend; man beschränkte sich weitgehend auf die punktuelle Verteilung von Schriften und einige wenige Rednerveranstaltungen ohne Resonanz in der Bevölkerung. Ebenfalls am 27. März erreichte die NPD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg nur 0,97 % Zweitstimmenanteil (2006: 0,7 %). Sie scheiterte damit am Minimalziel der Erreichung der Ein-Prozent-Hürde, um in den Genuss staatlicher Teilfinanzierung zu kommen. Bei der Kommunalwahl in Hessen am 27. März büßte die NPD über ein Drittel ihrer Mandate ein. In Mecklenburg-Vorpommern gelang der NPD mit 6,0 % der Zweitstimmen zwar der Wiedereinzug in den Landtag. Sie verlor bei der Landtagswahl am 4. September aber rund ein Drittel ihrer bisherigen Wähler (2006: 7,3 %). 39 Signifikant ist der Anteil an Wählerstimmen in den Altersgruppen 18 bis 24 (14 %) und 25 bis 35 Jahre (12 %).22 Bei der Wahl in Berlin am 18. September verfehlte die NPD mit ihrem Spitzenkandidaten Udo VOIGT deutlich den angestrebten Einzug in das Abgeordnetenhaus. Die Partei erreichte nur 2,1 % der Zweitstimmen (2006: 2,6 %). Entwicklung der NPD in Rheinland-Pfalz Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz, der keinen nennenswerten Einfluss auf die Politik der Gesamtpartei ausübt, verfügt anhaltend über weniger als 300 Mitglieder. Die maßgeblichen Aktivitäten gehen von einem kleinen Kreis von Funktionären aus. Aktuell setzt sich der Landesverband aus 11 Kreisverbänden zusammen, die zwar das ganze Landesgebiet umfassen, jedoch nur zum Teil öffentlichkeitswirksamen Aktionismus entfalten. Einige sind inaktiv. Auch 2011 fanden mehrere von der NPD angemeldete oder initiierte Demonstrationen in Rheinland-Pfalz statt, so am 30. April mit ca. 40 Teilnehmern in Kusel und am 24. September in Worms mit ebenso ca. 40 Teilnehmern (Motto in Worms: "Rückreise statt Einwanderung - keine neue Moschee in Worms"). Verbindungen der NPD in Rheinland-Pfalz bestehen zur "Kameradschaftsszene". Bei Demonstrationen tritt man mitunter zusammen in Erscheinung. Neonazis aus dem "Kameradschaftsspektrum" haben der NPD während des Landtagswahlkampfes als "Wahlhelfer" bei öffentlichen Aktionen wie Flugblattverteilungen zur Seite gestanden. Das Ergebnis der NPD bei der Landtagswahl Rheinland-Pfalz am 27. März 2011 war mit 1,1 % der Zweitstimmen enttäuschend und blieb weit hinter den Ankündigungen der Partei zurück. Mehrere Versuche von NPD-Funktionären, 2011 bei Bürgermeisterwahlen zu kandidieren, scheiterten bereits im Vorfeld. Die Kandidaten wurden abgewiesen, weil sie keine Gewähr für die Verfassungstreue bieten, was für die Ausübung des Amtes eines Wahlbeamten Voraussetzung ist. 22 Infratest dimap auf http://stat.tagesschau.de/wahlen/2011-09-04-LT-DE-MV/umfrage-alter.shtml, aufgerufen am 3. Februar 2012 40 Am 22. September verlor der NPD-Funktionär Safet B. sein Mandat im Trierer Stadtrat. Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Trier und Beisitzer im NPDLandesvorstand war im Dezember 2010 vom Landgericht Trier wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Im Vorfeld des Stadtratsbeschlusses führte die NPD am 17. September in Trier eine Demonstration unter dem Motto "Widerstand läßt sich nicht ausschließen - Volkswille statt Klüngelherrschaft" durch, an der sich etwa 80 Personen beteiligten. In der Gemeinde Herschberg (Landkreis Südwestpfalz) unterhält der NPDKreisverband Westpfalz eine angemietete Immobilie, die als Schulungsund Versammlungsstätte genutzt wird. Auch 2011 fanden in dem Objekt Zusammenkünfte wie Rednerveranstal-tungen, Feste etc. statt. So warb der NPDKreisverband Westpfalz im Internet für ein "Pfalzforum" am 20. August 2011 und kündigte als Vortragenden die "Person der Zeitgeschichte" Karl-Heinz HOFFMANN an.23 An der Veranstaltung nahmen etwa 50 Personen teil. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: ca. 350 (2010: ca. 430) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 20 (2010: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband; 4 Stützpunkte Publikationen: Zentralorgan "Der Aktivist" erscheint unregelmäßig; in Rheinland-Pfalz keine eigene Publikation Die "Jungen Nationaldemokraten" sind gemäß der NPD-Satzung Bestandteil der Partei. Damit verfügt die NPD als einzige rechtsextremistische Organisation über eine Jugendorganisation. 23 Homepage des NPD-KV Westpfalz, aufgerufen am 25.08.2011. HOFFMANN war Gründer und Leiter der gleichnamigen "Wehrsportgruppe", die am 30.01.1980 vom Bundesinnenminister verboten wurde. Nach dem Verbot hielten sich H. und mehrere Gesinnungsgenossen im Libanon auf und ließen sich dort im Lager einer palästinensischen Terrororganisation paramilitärisch ausbilden. Aus dieser "Libanongruppe" gingen später rechtsterroristische Gewalttäter hervor. Im Jahr 1986 wurde H. u.a. wegen Freiheitsberaubung, schwerer Körperverletzung und Vergehen gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. 41 Ihr politisches Selbstverständnis bringen die JN in der Mitgliederzeitschrift "Der Aktivist", in anderen Publikationen und im Internet zum Ausdruck. Die JN bezeichnen sich dabei als "nationalistische Jugendbewegung mit sozialistischer Grundeinstellung", die nach eigenen Angaben u.a. auf die Ausbildung von Weltanschauung und auf "Gemeinschaftsbildung" Wert legt.24 Aus der ideologischen Prägung als im Grunde "nationale Sozialisten" wird insofern kein Hehl gemacht. Daher erklärt sich, dass die JN eine Brückenfunktion zwischen der NPD und den "Freien Kräften" (d.h. Neonazis) ausüben. Sie dienen damit der Festigung der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Austauschs zwischen Partei und Neonazis. Unter der Firmierung "Interessengemeinschaft Fahrt & Lager" führen die JN Wanderungen, Ausflüge, Lager und Schulungen durch. Mit solchen Angeboten, die sich vor allem an Jugendliche richten, soll für die rechtsextremistische Gruppierung geworben werden. In Rheinland-Pfalz bestehen weiterhin vier sogenannte Stützpunkte der JN in Landau in der Pfalz, Bad Dürkheim, Haßloch und in der Westpfalz. Das Mitgliederpotenzial blieb ebenso konstant. Ein rheinland-pfälzischer JN-Funktionär ist zugleich Mitglied des Bundesvorstands der Organisation. Im April 2011 warb der JN-Landesverband Rheinland-Pfalz zusammen mit "JN-Kräften aus Hessen und Baden-Württemberg" und "unterstützt durch zahlreiche freie Kräfte und Kameraden der NPD" für den "2. Südwestdeutschen Kulturtag 2011" am 17. April 2011. "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Im Jahr 2006 wurde mit dem "Ring Nationaler Frauen" erstmals eine Organisation für Frauen mit "nationaler Gesinnung" gegründet. Der RNF gilt seit 2008 als eigenständige Unterorganisation der NPD. Im Jahr 2010 wurde der "Landesverband Rheinland-Pfalz" des RNF gegründet, 2011 gingen vom RNF in Rheinland-Pfalz keine nennenswerten Aktivitäten aus. 24 Kalender "Unsere Gemeinschaft 2011" der JN-"Interessengemeinschaft Fahrt & Lager" 42 3.5 Rechtsextremistische Musik Die Musik dient im Rechtsextremismus als wichtiges Propagandamedium. Durch sie können die rechtsextremistische Ideologie und entsprechend unterfütterte Inhalte auf ansprechende Weise transportiert und verbreitet werden. Zudem sorgt die Musik in fataler Weise für eine Emotionalisierung in der Szene, so durch Hass und Aggression fördernde Texte und Rhythmen. Insbesondere (unpolitische) Jugendliche können durch das Medium für die rechtsextremistische Szene empfänglich gemacht und später langfristig integriert werden. Faszinieren, um den Einstieg zu finden, sollen zunächst die Musik als solche und gemeinsame Erlebnisse wie Konzertbesuche - die Vermittlung nationalistischer, fremdenfeindlicher Überzeugungen gelingt im Anschluss in aller Regel nahtlos. Bei Konzerten können neue Bekanntschaften geknüpft und bestehende Kontakte gefestigt werden. Das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Szene wird auf diese Weise gestärkt, der Zusammenhalt gefördert. Die von rechtsextremistischen Bands verbreiteten Texte erfüllen nicht selten den Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Inhalte, mit denen sie ihre verfassungsfeindliche Gesinnung deutlich artikulieren, sind von Demokratiefeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus geprägt. Viele der Lieder hetzen unverhohlen gegen die Feindbilder Ausländer oder Juden. Solcherart hasserfüllte Texte stiften die Zuhörer zuweilen zu Gewalttaten an bzw. rufen mit ihren Formulierungen explizit zu solchen auf. Die dabei geschürten Aggressionen und die Anonymität der Menge führen bei Konzertveranstaltungen häufig zu Propagandadelikten, wie das Zeigen des Hitlergrußes oder das Rufen rassistischer Parolen. Am Rande von Konzerten kommt es zudem häufig zum Verkauf von Artikeln, wie Buttons, T-Shirts etc., mit teils indizierten Darstellungen. Die Organisatoren von rechtextremistischen Konzerten gehen meist sehr konspirativ vor. Oft haben die Teilnehmer im Vorfeld nur begrenzt Kenntnis über die geplante Veranstaltung. Es wird lediglich ein zentraler Sammelpunkt per SMS, e-Mail, durch Mundpropaganda oder in sozialen Netzwerken im Internet 43 bekannt gegeben, von dem die Besucher dann zum eigentlichen Konzert gelotst werden. Sofern fremde Räumlichkeiten angemietet werden sollen, geschieht dies häufig unter Tarnung (u.a. als fingierte Geburtstagsoder Verlobungsfeier). Auf diese Weise sollen Absagen oder Verbote umgangen werden. Um diese Problematik gänzlich auszuschließen, ist die Szene bestrebt, eigene Lokalitäten zu verwenden. Zurzeit sind in Rheinland-Pfalz zwei rechtsextremistische Bands bekannt. Im Jahr 2011 wurde in unserem Bundesland ein Skinheadkonzert am 18. Juni in Herschberg mit ca. 40-60 Teilnehmern durchgeführt. Im Vorjahr fanden noch vier Skinheadkonzerte und vier Liederabende statt. Die Stilrichtungen innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene sind mittlerweile breit gefächert. Zu den beliebtesten Genres zählen nach wie vor "Hardcore" (oder "Hatecore") und "Black Metal". Doch auch Musikrichtungen wie Techno oder Schlager, die mit der rechtsextremistischen Skinheadszene zunächst nicht in Verbindung zu bringen sind, finden Anklang bei den Hörern. In jüngster Zeit versuchen Rechtsextremisten mit dem Genre "Hip Hop", der vor allem bei Jugendlichen hohe Beachtung findet, nationalistische Inhalte zu vermitteln und Personen in die Szene zu ziehen. Doch nicht alle Rechtsextremisten reagieren mit Begeisterung auf diese Musikrichtung. Einige sind der Meinung, dass "Nazi-Hip-Hop" nicht mit den eigenen weltanschaulichen Vorstellungen zu vereinen sei, da die Musik nicht von "Weißen" stamme. Innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene herrscht bei den Bandbesetzungen eine hohe Fluktuation. So kooperieren einzelne Bandmitglieder oder Bands mit anderen Gruppierungen zu kurzzeitigen Musikprojekten. Auch rechtsextremistische Liedermacher haben innerhalb der Szene einen Stellenwert. Sie treten als Solokünstler, meist mit Gitarre auf und "unterhalten" sowohl mit Coverstücken als auch mit Eigenkompositionen. Liedermacher spielen häufig bei Parteiveranstaltungen im Rahmenprogramm. Auch die NPD nutzt mittlerweile den Umstand, dass sich junge Menschen mittels rechtsextremistischer Musik für die "nationale Sache" werben lassen. Die bei Parteiveranstaltungen auftretenden Bands oder Liedermacher verbinden so den Unterhaltungsfaktor als Mittel zum Zweck mit der Parteiarbeit. 44 Zur Verbreitung der rechtsextremistischen Musik wird auch intensiv das Internet genutzt. Einschlägige Musikstücke können bei Internetradiosendern oder von Portalen heruntergeladen werden. Für "Neulinge" lassen sich diese Angebote auf den ersten Blick meist nicht als rechtsextremistisch erkennen. Die Verbreitung der Musik findet zudem bei Skinheadpartys statt, auf denen rechtsextremistische Musik von elektronischen Medien abgespielt wird. Musik bietet darüber hinaus die Möglichkeit, mit Gesinnungsgenossen im Ausland zusammenzutreffen und zu kooperieren. So reisen Besucher und Bands zu Konzerten ins Ausland, um die dortige Szene zu unterstützen. Von RheinlandPfalz aus bestehen gute Kontakte zu Aktivisten in Frankreich (Elsaß und Lothringen). Dort werden Konzerte auch von deutschen Veranstaltern durchgeführt. 3.6 Sonstige Veranstaltungen, Aktionen und Aktionsformen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 19. März 2011 nahmen rund 100 Personen an einer Demonstration der rechtsextremistischen Szene unter dem Motto "Politischer Justiz entgegentreten - Die Repression gegen den nationalen Widerstand darf nicht zum Alltag werden" in Koblenz teil. Das bürgerliche Lager protestierte mit ca. 200 Teilnehmern gegen den Aufzug der Rechtsextremisten. Die rechtsextremistische Szene führte am 27. August 2011 eine Versammlung zum Thema "Gemeinsam gegen kapitalistische Kriegstreiberei. Kein deutsches Blut für fremde Interessen" mit 80 Personen in Bad Neuenahr-Ahrweiler durch. Unter Federführung der NPD kamen am 13. November 2011 ca. 50 Gesinnungsgenossen in Böhl-Iggelheim (Rhein-Pfalz-Kreis) zusammen, um den Toten zu gedenken. Rechtsextremisten führten im Jahr 2011 verschiedene Aktionen zum "Heldengedenken" (z. B. Kranzniederlegungen) in Rheinland-Pfalz durch. Rund 20 Gesinnungsgenossen kamen am 8. Mai 2011 in Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) am "Feld des Jammers" zu einem "Heldengedenken" zusammen. Während der Veranstaltung hielten sich rund 20 Personen des bürgerlichen Lagers in Veranstaltungsnähe auf und zeigten ihren stillen Protest. 45 An gleicher Örtlichkeit wurden am 20. November 2011 zwei Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene durchgeführt, wobei jeweils rund 30 Personen teilnahmen. Am 12. November 2011 veranstaltete die "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken" ein "Heldengedenken", an dem sich rund 30 Rechtsextremisten in Zweibrücken beteiligten. Die Versammlung verlief störungsfrei. In Remagen führten am 19. November 2011 ca. 250 Rechtsextremisten einen "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" durch. Rund 200 Personen des bürgerlichen Spektrums demonstrierten gegen den Aufmarsch. "Die Unsterblichen" In der rechtsextremistischen Szene wird unter der Bezeichnung "Die Unsterblichen" eine neue Aktionsform praktiziert. Es handelt sich dabei um in der Regel nicht angemeldete Aufzüge, an denen Rechtsextremisten in einheitlich dunkler Kleidung und mit weißen Gesichtsmasken teilnehmen. Fackeln, das Abbrennen von Pyrotechnik und das Skandieren rechtsextremistischer Parolen bilden den Rahmen, was gerade bei abendlichen Veranstaltungen auf uninformierte Betrachter irritierend wirkt. Bei der Planung gehen die Rechtsextremisten äußerst konspirativ vor. Auch werden die Aufmärsche häufig bereits nach wenigen Minuten beendet, was eine Feststellung durch die Sicherheitsbehörden nahezu unmöglich macht. Diese Aktionen werden durch Videoaufnahmen dokumentiert und zeitnah ins Internet gestellt. Dieses Verhaltensmuster steht im Zusammenhang mit der von Rechtsextremisten initiierten Kampagne gegen den "Volkstod". Da eine "Vermischung des eigenen Volkes mit fremden Völkern" zwangsläufig zum Untergang eines jeden Volkes führt, sei nach Überzeugung der Rechtsextremisten das Aussterben der "deutschen Rasse" vorprogrammiert. Die Protagonisten formulieren es im Rahmen ihrer Auftritte unter der Bezeichnung "Die Unsterblichen" häufig so: "Damit die Nachwelt nicht vergisst, dass du Deutscher gewesen bist". 46 II. Linksextremismus Linksextremisten orientieren sich im Wesentlichen an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Theorien. Anstelle der bestehenden demokratischen Staatsund Gesellschaftsordnung streben sie ein sozialistisches oder kommunistisches System oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft an. Die Aktionsformen der Linksextremisten reichen von Agitation bis hin zu massiver Militanz. Anhaltend versuchen Linksextremisten, demokratische Bewegungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, indem sie sich beispielsweise Protestveranstaltungen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen anschließen. In Rheinland-Pfalz sank - wie im Bundestrend - die Zahl der Linksextremisten 2011 auf etwa 650, konstant ca. 120 von ihnen sind als gewaltbereit einzustufen. Im Bundesgebiet stieg hingegen die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten. Die von Linksextremisten ausgehende Gewalt ist bundesweit unterschiedlich ausgeprägt. Bei Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten ist die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung teilweise deutlich herabgesetzt oder nicht mehr vorhanden. Dies trifft auch mit Blick auf Polizeibeamtinnen und -beamte zu, die von militanten Linksextremisten als Vertreter des "Repressionsapparates" diffamiert und mittlerweile als Angriffsziele gesehen werden. Bei den Gewaltund sonstigen Straftaten befindet sich Rheinland-Pfalz im Ländervergleich mit sechs Gewalttaten im Jahr 2011 weiterhin im unteren Drittel. Es sind keine Ansätze erkennbar, wonach linksextremistische Gewalt - trotz hoher Fallzahlen bundesweit - terroristische Dimensionen erreicht. Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Rheinland-Pfalz ist anhaltend der "Antifaschismus". Im Vordergrund stehen hierbei Protestdemonstrationen gegen Aufzüge rechtsextremistischer Parteien/Organisationen und gegen "Nazis" gerichtete "Outing-Aktionen". Der legalistische Linksextremismus kommunistischer Prägung ist in RheinlandPfalz weiter ohne nennenswerte Bedeutung und entfaltet kaum Außenwirkung. 47 1. Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2011 2010 2011 2010 Gesamt 650 700 31.800 32.200 Gewaltbereite 120 120 7.100 6.800 Marxisten-Leninisten und sonstige 530 580 25.000 25.800 revolutionäre Marxisten Gesamtzahlen ohne Mehrfachmitgliedschaften. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2. Linksextremistische Gewalt Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten25: 2011 2010 Gesamt 6 7 Körperverletzungen 6 4 Landfriedensbruch - 2 Widerstandsdelikte - 1 Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen 3. Gewalttätiger Linksextremismus Das Erscheinungsbild gewaltbereiter Linksextremisten hat sich im Jahr 2011 nicht wesentlich verändert; fortgesetzt bedroht insbesondere das autonome Spektrum die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. 25 Insgesamt wurden 2011 im Bereich Politisch motivierte Kriminalität - links in Rheinland-Pfalz 72 Straftaten gezählt, einschließlich der Gewalttaten (2010: 74). 48 Die von Autonomen ausgehende Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamtinnen/Polizeibeamte und andere Repräsentanten staatlicher Einrichtungen sowie insbesondere gegen Rechtsextremisten hat zugenommen. Verbunden damit war auch eine erhöhte Aggressivität, die allerdings bundesweit unterschiedlich ausgeprägt ist. Bei den linksextremistischen Gewaltund sonstigen Straftaten bleibt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich im unteren Drittel. Der Aktionismus gewaltorientierter Linksextremisten in Rheinland-Pfalz ist auf einem niedrigen Niveau; es gibt keine Brennpunkte wie zum Beispiel in Berlin oder Hamburg. Rheinland-pfälzische Autonome traten zumeist nur in geringer Zahl (Kleingruppen) bei "antifaschistischen" Demonstrationen und Kundgebungen gegen Rechtsextremismus in Erscheinung. Zu Gewaltaktionen oder schweren Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund kam es dabei 2011 nicht. Politische Ansatzpunkte finden gewaltbereite Linksextremisten (Autonome) in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antirassismus", "Antimilitarismus", "Antirepression", "Sozialabbau" und im Kampf um "Freiräume", die im Kern auf die Überwindung des "herrschenden Systems" abzielen. 3.1 Autonome Mit bundesweit 6.400 Aktivisten (2010: ca. 6.200) bilden die Autonomen mit Abstand den größten Teil im gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum. In Rheinland-Pfalz sind unverändert ca. 120 Autonome aktiv. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie streben aber - wie alle Linksextremisten - die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Zur Erreichung dieses Ziels sehen sie die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung an. Die Aktivitäten der Autonomen richten sich fortgesetzt gegen Rechtsextremisten und jene, die sie als solche bezeichnen, vor allem aber gegen den als "kapitalistisches System" bezeichneten und verhassten demokratischen Rechtsstaat. 49 Das wichtigste Kommunikationsmittel der gewaltorientierten linksextremistischen Szene - so auch in Rheinland-Pfalz - ist das Internet. Auf Homepages werden zeitnah Demonstrationsaufrufe, Ereignisberichte oder auch Recherchen mit Bildmaterial über politische Gegner ("Outings") veröffentlicht. Daneben gibt es weiterhin die gängigen und bewährten Formen des Informationsaustausches mittels Szenezeitschriften, Flugblättern und Flyern, die regelmäßig auch zum Download im Internet bereitgestellt werden. In ihrem offensiven "antifaschistischen Kampf" gegen "Nazis" setzten die rheinland-pfälzischen (autonomen) "Antifa"-Gruppen auch im Jahr 2011 wieder auf "Outing"-Aktionen, um tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten öffentlich bloßzustellen; es wurden persönliche Daten und Fotos der Betroffenen ins Internet gestellt sowie Flugblätter in der Nachbarschaft oder auf deren Arbeitsstelle verteilt. So initiierte im Frühjahr 2011 das gewaltorientierte linksextremistische Spektrum eine "antifaschistische Kampagne" mit dem Ziel, "Nazi"-Strukturen im pfälzischen Raum "zurückzudrängen" und die Öffentlichkeit darüber "aufzuklären". Im Rahmen der Kampagne fanden unter anderem ein "antifaschistischer Spaziergang" in Haßloch/Pfalz und eine "antifaschistische Outing"-Aktion in Neustadt an der Weinstraße statt; Flyer mit der Überschrift "ACHTUNG: NEONAZI IN DER NACHBARSCHAFT" wurden in Briefkästen verteilt. Begleitet wurden die Aktionen durch entsprechende Veröffentlichungen im Internet. 3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten "Antifaschismus": Die Mobilisierung zu und Teilnahme an "antifaschistischen" Demonstrationen stellt nach wie vor das wichtigste Tätigkeitsfeld der rheinland-pfälzischen autonomen Szene dar. Hauptziel sind dabei öffentlichkeitswirksame Aktionen zur Störung und Verhinderung von Aufzügen rechtsextremistischer Parteien/Organisationen. Zu den gängigsten Aktionsformen zählen u.a. die Kleingruppentak50 tik zur Umgehung polizeilicher Kontrollen, Blockaden, das Zünden von Pyrotechnik sowie Steinund Flaschenwürfe, um einzelne Gegner anzugreifen. Im März 2011 fanden in Zweibrücken, Landau, Neustadt an der Weinstraße und Bad Dürkheim rechtsextremistische Kundgebungen bzw. "Mahnwachen" zum Jahrestag der Bombardierung dieser Städte im Zweiten Weltkrieg statt. In Zweibrücken scheiterte der Versuch gewaltbereiter Linksextremisten eine Straßenblockade zu errichten und durch die Bildung von Kleingruppen an den Polizeisperren vorbei zur "rechten" Aufzugsstrecke zu gelangen. In Landau wurde während der Demonstration ein Polizeibeamter leicht verletzt. Bereits im Vorfeld der Aktionen veröffentlichten autonome Gruppierungen unmissverständliche Parolen via Internet: "Alle Jahre wieder? - Nicht mit uns! - 16. März 2011 Nazigedenken in Landau sabotieren!" und "Geschichtsrevisionismus angreifen!". Am Vortag der rheinland-pfälzischen Landtagswahl am 26. März 2011 kam es in Trier anlässlich einer rechtsextremistischen Demonstration neben bürgerlichen Protesten auch zu "antifaschistischen" Gegenaktionen des linksextremistischen Spektrums. Im Bereich einer Straßenkreuzung wurden vereinzelt Flaschen und Steine auf die rechtsextremistischen Kundgebungsteilnehmer geworfen. Mehrere Personen wurden festgenommen. An einer Hauswand konnten Parolen wie "Nazis raus, sonst gibt's Krawalle" und "Antifa - braunen Schaum soll man hauen" festgestellt werden. Die Landtagswahl war zugleich Anlass für die "Neuauflage" einer achtseitigen "BROSCHÜRE AUTONOMER ANTIFASCHISTINNEN" mit der Überschrift "NPD-STRUKTUREN IN RLP" und dem Zusatz "RELOADED". Darin heißt es u.a.: "Deckt vorhandene Nazi-Strukturen auf. Nehmt es nicht hin, wenn sie Infostände betreiben und Flugblätter verteilen. Übt Druck auf Gaststätten, Kommunen und Vereine aus, die ihnen Räume überlassen. Stellt Euch ihren Aufmärschen entgegen". Als "Kontakt" wurden organisationsübergreifend die Internetseiten (autonomer) "Antifa"-Gruppen aus Ahrweiler, Andernach, Koblenz, Landau, Trier, Speyer, Vorderpfalz und Westerwald genannt, versehen mit dem Slogan "SUPPORT YOUR LOCAL ANTIFA". 51 "Antirassismus": Linksextremisten initiierten bundesweit zahlreiche demonstrative Aktionen gegen den "kapitalistischen Staat" und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik. Staatliche Einrichtungen wie "Abschiebeknäste" werden von Linksextremisten als Teil der so bezeichneten "Abschiebemaschinerie" tituliert. Die Beteiligung an themenbezogenen Bündnissen folgt ideologischem wie taktischem Kalkül. Es geht den militanten Linksextremisten dabei weniger um eine konstruktive Zusammenarbeit in solchen Bündnissen, als vielmehr um Einflussnahme im Sinne ihrer auf die Systemüberwindung gerichteten Überzeugungen. So fand am 3. September 2011 in Ingelheim am Rhein unter dem Motto "Weg mit dem Knast! Abschiebehaft abschaffen! Für globale Bewegungsfreiheit!" gegen die örtliche Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige eine friedliche Kundgebung statt. Unter den Demonstranten eines breiten demokratisch ausgerichteten Bündnisses befanden sich auch (gewaltorientierte) Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz sowie aus Hessen. "Sozialabbau": Im Rahmen der Kampagne gegen den sogenannten Sozialabbau versuchen Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung sich fortgesetzt in gesellschaftliche Protestbewegungen einzubringen und deren Unterstützer als Potenzial für ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu instrumentalisieren. So beteiligten sie sich bundesweit an der Protestreihe "Wir zahlen nicht für Eure Krise" eines gleichnamigen Bündnisses, dem überwiegend demokratische Organisationen angehören. In Koblenz fand am 5. Februar 2011 eine von einem in der Mehrzahl demokratisch ausgerichteten Bündnis initiierte Demonstration unter dem Motto "Bedingungslos: Soziale Rechte und Menschenwürde weltweit - Sozialabbau lokal stoppen" mit ca. 250 Personen statt, darunter Aktivisten aus dem autonomen Spektrum. "Antirepression": Das Thema "staatliche Repression" hat für Linksextremisten nach wie vor einen hohen Stellenwert. Autonome diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, 52 indem sie ihnen fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Diese Sichtweise dient als Legitimierung für Gewalt und die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols. Am 21. Mai 2011 führte in Heidelberg unter dem Motto "Still not loving the Police" das autonome Spektrum eine Demonstration gegen "staatliche Repression und politischen Terror" durch. An der Veranstaltung beteiligten sich bis zu 200 Personen aus dem Rhein-Neckar-Raum, darunter auch Szeneangehörige aus Ludwigshafen am Rhein und Umgebung. "Anti-Kernkraft-/Anti-Castor-Bewegung": Linksextremisten brachten sich erneut in Protestaktionen der weit überwiegend von einem bürgerlich-demokratischen Spektrum getragenen Anti-Kernkraft-/ Anti-Castor-Bewegung ein. Zwischen 13.000 und 15.000 Atomkraftgegner (2010 ca. 30.000), darunter Linksextremisten, beteiligten sich vom 23. bis 28. November 2011 an Protestaktionen gegen den 13. Castor-Transport von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague (Frankreich) in das Transport-BehälterZwischenlager Gorleben. Wie im Vorjahr hatte die linksextremistisch beeinflusste Kampagne "Castor? Schottern!" zum bundesweiten Protest mobilisiert. Ziel war es, die Transportstrecke durch das Entfernen des Gleisschotters unbefahrbar zu machen. In Deutschland konzentrierten sich die Protestund Schotteraktionen gegen den Castor-Transport im Wesentlichen auf Niedersachsen. Am 25. November 2011 führte ein breites Bündnis "Südwestdeutscher AntiAtom-Initiativen", darunter auch Aktivisten des gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums, eine Sitzblockade auf den Gleisen in Berg/RheinlandPfalz durch; ca. 20 Aktivisten besetzten die Gleise im Bereich Haßloch und brachten den Zug zum Stehen. Außerhalb von Rheinland-Pfalz wurde der Castor-Transport, dessen Verlauf durch eine Vielzahl von Straftaten, Festnahmen und verletzten Polizeibeamten gekennzeichnet war, durch weitere zahlreiche Behinderungen und teilweise militante Protestaktionen aufgehalten. Beim gewaltbereiten linksextremistischen Protestpotenzial war gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von bundesweit 300 auf 450 Personen zu verzeichnen. Rheinland-pfälzische Autonome traten nur vereinzelt in Erscheinung. 53 4. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder Bund: ca. 4.000 (2010: ca. 4.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 100 (2010: ca. 100) Organisation in Rheinland-Pfalz: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit sechs regionalen Gruppen Publikationen: Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) bundesweite Auflage: ca. 6.000 Exemplare zweimonatlich erscheinendes Theorieorgan "Marxistische Blätter" bundesweite Auflage: ca. 3.000 Exemplare Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) bekennt sich weiterhin zum Marxismus-Leninismus und sieht sich selbst als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse". Sie strebt eine kommunistische Gesellschaft an. Auch die im Oktober 2010 gewählte neue Parteispitze um die Bundesvorsitzende Bettina JÜRGENSEN vermochte es im Berichtsjahr nicht, die DKP aus ihrer Bedeutungslosigkeit zu führen. Ungeachtet dessen sucht die DKP weiter die Nähe von gesellschaftskritischen Bewegungen, um Einfluss zu nehmen und Anhänger zu gewinnen. So rief die linksextremistische Partei in ihrem Organ "Unsere Zeit" dazu auf, sich an den Protesten gegen den Bahnhofsneubau Stuttgart21 und gegen den Castortransport (November 2011) zu beteiligen. Soziale Themen blieben dabei ein Schwerpunkt. In Koblenz nahmen im Februar 2011 DKP-Angehörige an einer Demonstration unter dem Motto "Bedingungslos: Soziale Rechte und Menschenwürde weltweit - Sozialabbau lokal stoppen" teil. Die Aktivitäten der DKP wurden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Die rheinland-pfälzischen DKP-Mitglieder verteilen sich auf regionale Gruppen in den Städ54 ten Andernach, Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Landau, Mainz und Trier. Ihre politischen Ziele und Vorstellungen propagiert die DKP in Publikationen wie der Idar-Obersteiner Stadtzeitung "einblick", der Bad Kreuznacher Schrift "der funke" oder der "trierer keicken". An der rheinland-pfälzischen Landtagswahl 2011 nahm die DKP nicht teil. Weiterhin mit der DKP eng verbunden ist die 1968 als "revolutionäre sozialistische Jugendorganisation" gegründete "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ). Ungeachtet formaler Unabhängigkeit agiert die SDAJ als eine Art Jugendverband der DKP. Eine ihrer ganz wenigen Aktivitäten war im Mai 2011 die Verteilung von CDs mit "antifaschistischem" Inhalt in Trier. 55 III. Islamismus Nach verhinderten Terroranschlägen und fehlgeschlagenen Anschlagsversuchen in den Vorjahren wurde im Jahr 2011 erstmals ein islamistisch motiviertes Attentat verübt. Am 2. März 2011 eröffnete ein 21-Jähriger am Flughafen Frankfurt am Main das Feuer auf mehrere US-Soldaten, um Vergeltung für getötete muslimische Glaubensbrüder in Afghanistan zu üben. Bei dem Attentat kamen zwei US-Soldaten ums Leben, zwei weitere wurden schwer verletzt. Der Attentäter wurde am 10. Februar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Attentäter hatte keiner Terrororganisation angehört, sich aber durch islamistische Propaganda im Internet, darunter auch Videos und gewaltbefürwortende Botschaften, beeinflussen lassen. Dieser Fall verdeutlicht die Gefahren, die von der medialen Propagandaarbeit von Islamisten, insbesondere den gewaltbereiten unter ihnen, ausgehen. Vor allem im Bereich des Salafismus, einer spezifischen Erscheinungsform innerhalb des Islamismus, haben die Aktivitäten zur Verbreitung extremistischen und teilweise auch gewaltverherrlichenden Gedankenguts innerhalb der letzten Jahre stark zugenommen. Zu nennen sind hier sogenannte Islamseminare, Vortragsveranstaltungen, öffentliche Kundgebungen, eigene Internetseiten und nicht zuletzt soziale Netzwerke im Internet. Mehrheitlich wird der Islamismus in Deutschland von solchen Organisationen vertreten, die bestrebt sind, ihre Vorstellungen einer religiös begründeten Staatsund Rechtsordnung auf legalem Wege mit friedlichen Mitteln zu verbreiten und langfristig durchzusetzen. Das hierbei propagierte Weltbild steht in mehreren Punkten im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, z.B. hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Volkssouveränität sowie der Religionsund Meinungsfreiheit. Zudem sind auch für dieses Teilspektrum des Islamismus dezidierte Feindbilder und Verschwörungstheorien charakteristisch. 56 1. Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2011 2010 2011 2010 Islamisten Gesamt 830 820 38.080 37.470 (Angaben gerundet) 2. Ideologie Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Form des politischen Extremismus. Charakteristisch für ihn ist die Erhebung einer Religion - in diesem Fall des Islam - zu einem politischen Programm. Kernpunkt dieses Programms ist die Durchsetzung des islamischen Rechts, d.h. der Scharia. Dieses Ziel verfolgen Islamisten insbesondere in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern. Die meisten Islamisten in der Bundesrepublik Deutschland sind politische Realisten: die Befolgung der hiesigen Rechtsordnung ist für sie eine Notwendigkeit, solange sich die Muslime in der Minderheit befinden. Allerdings ist die Einführung der Scharia auch für sie ein Fernziel, das in kleinen Schritten und im Einklang mit der Bevölkerungsentwicklung erreicht werden soll. Als Etappen zur Verwirklichung dieses Ziels gehören die Missionierung sowie die Vermittlung eines ganzheitlichen, auch die Bereiche Recht und Politik umfassenden Islamverständnisses unter den hiesigen Muslimen. Letzteres umschreiben Islamisten vielfach mit den Begriffen Erziehung und Bildung. Ein Teil der Islamisten strebt für die nähere Zukunft Sonderund Ausnahmeregelungen für Muslime in Deutschland an. Konkret bedeutet dies, dass Muslime befugt sein sollen, "interne Angelegenheiten", insbesondere Fragen des Ehe-, Familienund Erbrechts, nicht auf der Grundlage des geltenden Zivilrechts, sondern des islamischen Rechts, und zwar in seiner traditionellen Auslegung, zu regeln. Im Ergebnis würde dies beispielsweise bedeuten, dass eine muslimische Frau aufgrund einer entsprechenden Scharia-Vorschrift lediglich einen Muslim heiraten darf, nicht aber den Angehörigen einer anderen Religion oder einen 57 Atheisten. Eine solche Vorschrift widerspricht zum einen Artikel 2 des Grundgesetzes (Persönliche Freiheitsrechte), zum anderen Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz), da der muslimische Mann gemäß Scharia weniger Einschränkungen bei der Wahl der Ehepartnerin unterliegt. Eine zweite Komponente der islamistischen Ideologie ist die stete Bewertung von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen sowie Vorgängen nach dem Kriterium der Religionszugehörigkeit. Zentral für ihre Weltsicht ist die Aufteilung der Bevölkerung in Muslime und Nichtmuslime. Nach ihrer Überzeugung führen die Nichtmuslime einen systematischen militärischen, politischen und medialen Kreuzzug gegen die Muslime und damit zugleich gegen den Islam. Eine sehr viel komplexere Realität ausblendend, präsentieren sie diese These als unumstößliche Wahrheit. Im Ergebnis beeinträchtigen sie mit ihren dezidierten Feindbildern und Verschwörungstheorien ein vertrauensvolles Miteinander der verschiedenen Religionsangehörigen und tragen dazu bei, dass sich innerhalb der muslimischen Gemeinde Radikalisierungsprozesse bis hin zur Beteiligung an einem gewaltsam geführten Jihad herausbilden können. Die gewaltbereiten Anhänger des Islamismus werden als Jihadisten bezeichnet (s. 4.5). 3. Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2011 3.1 International Das Jahr 2011 war international betrachtet erneut durch zahlreiche Gewaltaktivitäten jihadistischer Terroristen geprägt. Sie wirkten sich wie schon in den Vorjahren zunächst einmal negativ auf die nationale Sicherheitslage einiger Länder aus, so insbesondere in Afghanistan, Somalia und Irak, aber auch in Pakistan, Jemen, Nigeria und einigen Staaten der Sahelzone. Die daraus resultierende staatliche Destabilisierung stellt mittelbar auch eine Gefahr für die Sicherheit in anderen Teilen der Welt dar. Terrororganisationen nutzen bevorzugt Gebiete ohne funktionierende staatliche Strukturen als Vorbereitungsraum für ihre Aktionen, die sie teilweise vor Ort und teilweise in Drittländern durchführen. Ein Teil dieser Aktionen ist gezielt gegen westliche Staatsangehörige, Einrichtungen und Interessen gerichtet. 58 Neben den genannten Staaten waren im Jahr 2011 Ziele in weiteren Staaten von Anschlägen jihadistischer Terroristen betroffen: Ägypten, Algerien, Marokko, Kasachstan, Russland, Israel, Indien sowie der Süden der Philippinen und Thailands. Gleichzeitig haben islamistische Terrororganisationen im Berichtsjahr aber größere Rückschläge hinnehmen müssen als in den Vorjahren. In mehreren Staaten Nordafrikas und der Nahostregion fand eine - noch immer im Prozess befindliche - Bewegung statt, die in den Medien vielfach als "Arabischer Frühling" oder "Arabische Revolution" bezeichnet wird. Ihre Forderung nach politischer Mitbestimmung der Bürger sowie Demokratie ist eine klare Absage an die Ziele islamistischer Terrororganisationen - ungeachtet der Wahlerfolge gewaltfreier islamistischer Parteien in Ägypten, Marokko und Tunesien im Spätjahr 2011. Auch die Methoden der Protestbewegung unterschieden sich fundamental von denen der Terrororganisationen. Zwar versuchte "Al-Qaida", sich mit mehreren Stellungnahmen an die Seite der Demonstranten zu stellen und gegen die (ehemaligen) Herrscher zu positionieren, doch tatsächlich spielte sie bei den Umstürzen in Tunesien und Ägypten keine Rolle. Darüber hinaus wurden die bekannten Terrororganisationen 2011 im Rahmen des Antiterrorkampfes geschwächt: # A m 2. Mai töteten US-amerikanische Spezialkräfte bei einer Kommandoaktion Usama BIN LADIN, den Gründer und Führer von "Al-Qaida" und mithin die Symbolfigur des jihadistischen Terrorismus. Die Aktion erfolgte in der nordpakistanischen Stadt Abbottabad, wo BIN LADIN ein Haus bewohnt hatte. # A m 22. August wurde der in der Hierarchie von "Al-Qaida" hochstehende Atiyah ALLAH bei einem Luftangriff in Wasiristan (Westpakistan) getötet. Der libysche Staatsangehörige hatte u.a. als Sprengstoffexperte fungiert und zudem jihadistische Schriften verfasst. # A m 5. September nahmen pakistanische Sicherheitskräfte Younis AL-MAURITANI in der Stadt Quetta fest. AL-MAURITANI steht im Verdacht, in den Jahren 2009 und 2010 als "Al-Qaida"-Führungsmitglied Anschlagsplanungen gegen europäische Staaten verfolgt zu haben. 59 # A m 30. September wurde Anwar AL-AULAQI bei einem US-Luftangriff im Jemen getötet. AL-AULAQI bewegte sich im Umfeld von "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel". Mit einer Reihe von Aufsätzen und Vorträgen, u.a. "44 Wege, den Jihad zu unterstützen" und "Allahs Vorbereitung auf den Sieg" hatte er sich einen Namen als einer der kompromisslosesten Wortführer des Jihadismus gemacht. Ferner wurden im Zusammenhang mit dem Attentat auf dem US-Militärstützpunkt Fort Hood (Texas, USA) im Jahr 2008 und dem Anschlagsversuch auf ein US-Passagierflugzeug an Weihnachten 2009 Verbindungen zu ihm festgestellt. Zusammen mit AL-AULAQI wurde Samir KHAN, Herausgeber des englischsprachigen Online-Magazins "Inspire", getötet. In dem jihadistischen Magazin wurden wiederholt Strategien veröffentlicht, wie westlichen Staaten Schaden zugefügt werden könne. Die Verlautbarungen "Al-Qaidas" aus der zweiten Jahreshälfte 2011 verdeutlichen jedoch, dass die Organisation unbeeinflusst von diesen Rückschlägen an ihrer antiwestlichen Strategie festhält. 3.2 Bundesrepublik Deutschland Islamistische Terroristen nehmen die Bundesrepublik Deutschland insbesondere wegen ihrer Beteiligung am Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan als Bestandteil einer islamfeindlichen Allianz wahr. Aufgrund dessen steht Deutschland weiterhin in ihrem Zielspektrum. Dies zeigen die Propagandaaktivitäten der bekannten Terrororganisationen, fortgesetzte Ausreisen/Ausreiseversuche radikalisierter Islamisten mit dem Ziel, eine Ausbildung in einem paramilitärischen Ausbildungslager im Ausland zu erhalten, sowie nachrichtendienstlich bekannt gewordene Terrorplanungen. Unter den gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Propagandaaktivitäten aus dem Jahr 2011 ist eine Textbotschaft der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (IBU) vom April mit dem Titel "Der Fall Schokocafe" hervorzuheben. Darin heißt es u.a., dass es sich bei Deutschland um einen "Feindesstaat" handle. In der Botschaft werden die Muslime, die in den "Staaten des Unglau60 bens" leben, dazu aufgerufen, "Beuteüberfälle" durchzuführen, wirtschaftliche Schäden zu verursachen und Deutsche "nach dem Pyramidensystem" zu töten, d.h. "vom Staatsoberhaupt über die Politiker, Bundesbeamten und Bundeswehrsoldaten, abstufend herunter bis zum normalen Bürger, wobei dies nicht für Bundesbürger gilt, die sich öffentlich von den Verbrechen der deutschen Regierung distanzieren". Im Hinblick auf operative Tätigkeiten von Terroristen ist insbesondere der Fall einer mutmaßlichen "Al-Qaida"-Zelle zu erwähnen, die dringend verdächtig ist, im Auftrag der Organisation einen Sprengstoffanschlag in Deutschland vorbereitet zu haben. Am 29. April 2011 wurden drei Personen in Düsseldorf und Bochum festgenommen, am 8. Dezember eine weitere Person ebenfalls in Bochum. Den Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse u.a. über eine konspirative Kommunikation mit "Al-Qaida", die Beschaffung von Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und Zündern sowie die Beschaffung von Informationen über Sicherheitsvorkehrungen an wichtigen Infrastruktureinrichtungen vor. Einer der Festgenommenen ist zudem dringend verdächtig, Anfang des Jahres 2010 von Deutschland aus in ein Lager der "Al-Qaida" im afghanischpakistanischen Grenzgebiet gereist und dort im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet worden zu sein. Daneben besteht eine Gefahr durch Einzeltäter und Kleingruppen, die keiner Terrororganisation angehören, sich aber durch Aneignung jihadistischen Gedankenguts im Internet, durch soziale Netzwerke im Internet und/oder persönliche Kennverhältnisse hierzulande radikalisieren, mitunter innerhalb weniger Monate. Das Attentat am Flughafen Frankfurt am Main ist die bislang gravierendste Folgeerscheinung dieser Entwicklung (s. Seite 56). 4. Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz Von den schätzungsweise etwa 150.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz26 unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 830 Personen 26 Gesicherte Zahlen liegen aufgrund einer fehlenden statistischen Erfassung nicht vor. 61 islamistische Bestrebungen, z.B. durch die Mitwirkung in einer extremistischen Vereinigung, finanzielle Unterstützungsleistungen oder Propagandaaktivitäten. Die Zahl der rheinland-pfälzischen Islamisten hat sich gegenüber dem Vorjahr um etwa 10 Personen erhöht. Zu erklären ist der Anstieg vornehmlich mit dem verstärkten Zulauf im Bereich salafistischer Bestrebungen (s. 4.1). Rund 20 der insgesamt ca. 100 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Im Einzelnen handelt es sich dabei um etwa 15 IGMG-Ortsvereine sowie einzelne unabhängige Moscheevereine. In solchen Vereinen mischen sich Einzelpersonen mit Bezügen zum Bereich salafistischer Bestrebungen bzw. zu islamistischen Organisationen unter Besucher, die nicht im islamistischen Sinne aktiv sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen ausüben und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer entsprechenden Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen mehrfach, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz aber bisher nur sehr vereinzelt festgestellt werden. Im Bundesgebiet gibt es über die nachfolgend vorgestellten Organisationen hinaus weitere islamistische Gruppierungen, u.a. "Ansar al-Islam" ("Unterstützer des Islam"), "HAMAS" ("Islamische Befreiungsbewegung"), "Hizb Allah" ("Partei Gottes"), "Tablighi Jamaat" ("Gemeinschaft der Verkündung") und die mit einem Betätigungsverbot belegte "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"). Zwar leben in Rheinland-Pfalz einzelne Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu diesen Gruppierungen gibt, die Organisationen traten in Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr allerdings nicht beziehungsweise nur sehr am Rande in Erscheinung. 4.1 Salafistische Islamisten Der Salafismus ist aktuell die dynamischste Bewegung innerhalb des Islamismus. Salafisten betreiben deutschlandweit zahlreiche Internetseiten, organisieren Islamseminare, Kundgebungen sowie Informationsstände. Mit ihren vielfältigen Aktivitäten verbreiten sie ihr Gedankengut und erreichen eine zwar kleine, aber wachsende Zahl von Muslimen, darunter vermehrt auch Konvertiten. Mehr 62 noch, sie vernetzen ihre Anhänger untereinander, da ihre Veranstaltungen auch als "Kontaktbörsen" dienen. Hinzu kommen der Betrieb eigener sowie die Nutzung bestehender sozialer Netzwerke im Internet. Organisationsstrukturen im Bereich salafistischer Bestrebungen bestehen in Deutschland bislang jedoch nur ansatzweise, d.h. in Form von Vereinen und teils dazugehörigen Internetseiten. Ein salafistischer Dachverband existiert in Deutschland hingegen nicht. Salafisten streben die vollständige Anpassung der individuellen Lebensführung sowie der Staatsund Rechtsordnung an die als gottgewollt erklärten islamischen Normen an. Entsprechend umgesetzt wurde dieses Ideal gemäß ihrer Auffassung in der frühen muslimischen Gemeinde im 7. Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel, d.h. bei den sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arab. al-salaf al-salih). Neuerungen innerhalb der islamischen Glaubenslehre sowie gesetzliche Bestimmungen, Verhaltensweisen und Zeiterscheinungen, die sich nicht aus den islamischen Quellen ableiten lassen, lehnen Salafisten hingegen kategorisch ab. Mithin besitzt auch die hiesige verfassungsmäßige Ordnung für sie keine Legitimation. Die folgende Textpassage aus dem Buch "Die Religion der Wahrheit" von Abdul Rahmen Bin Hammad Al-Omar, das in einer rheinland-pfälzischen Moschee festgestellt wurde, bringt diese Haltung zum Ausdruck: "Die Rechtsprechung und Gesetzesgebung [sic!] sind Allahs Vorrechte. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des Monotheismus. Niemand besitzt das Recht, ein Gesetz in Kraft zu setzen, das den Gesetzen Allahs widerspricht. Ein Muslim sollte weder anhand von Gesetzen regieren oder richten, die sich von Allahs Gesetzen unterscheiden, noch sollte er seine Zustimmung zu einem Gerichtsurteil oder einer Regierung geben, die auf Gesetzen aufgebaut ist, die denen von Allah widersprechen. Gemäß dem Islam besitzt niemand das Recht, zu verbieten, was Allah erlaubt hat, noch darf man für erlaubt erklären, was Allah verboten hat. Wer eine solche Tat absichtlich tut, ist ein Ungläubiger." (Ausgabe von November 2005, S. 62) Anstelle "weltlichen" Rechts streben Salafisten die Anwendung von Gesetzesvorschriften an, die z.B. bei Diebstahl, Alkoholkonsum und außerehelichem Geschlechtsverkehr Körperstrafen vorsehen, die der Frau mindere Rechte gegenüber dem Mann einräumen sowie die Glaubensund Meinungsfreiheit einschränken. 63 Die für Islamisten charakteristische Zweiteilung der Menschen in Muslime und Nichtmuslime erfährt bei Salafisten eine Zuspitzung. Nichtmuslime werden in ihren Verlautbarungen in der Regel als kuffar (Ungläubige) oder gar als "Feinde des Islam" bezeichnet. Selbst Muslime, deren Glaubenslehre, Religionsausübung und Lebensführung nicht der salafistischen entspricht, werden zu Ungläubigen erklärt. Dieses Phänomen wird im Arabischen als takfir bezeichnet. Salafisten gestatten den Umgang mit "Ungläubigen" unter dem Vorbehalt, dass er der Missionierung dient. Ansonsten propagieren und praktizieren sie eine weitgehende Abschottung oder aber Opposition bis hin zur Bekämpfung. Letzteres ist von der jeweiligen Strömung innerhalb des Salafismus abhängig. Salafistische Bestrebungen unterteilen sich in eine politische Mehrheitsund eine jihadistische Minderheitsströmung. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, die sogenannte da'wa (Aufruf zum Islam, Missionierung), um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des jihadistischen Salafismus hingegen befürworten, unterstützen oder gebrauchen gewaltsame Mittel, um ihren Zielen näher zu kommen und gegen die "Feinde des Islam" vorzugehen. In unterschiedlichem Maße sind beide Strömungen dazu geeignet, individuelle Radikalisierungsprozesse in Gang zu setzen, zu fördern oder zu verfestigen. In Rheinland-Pfalz verfolgen ungefähr 60 Personen salafistische Bestrebungen. Unter den von Salafisten organisierten Aktivitäten des Jahres 2011 sind insbesondere zwei Veranstaltungen zu nennen: Zur Jahreswende 2010/2011 verlegten die Betreiber des salafistischen Internetportals "Die wahre Religion" kurzfristig ein Islamseminar von Nordrhein-Westfalen ins rheinland-pfälzische Mayen (31. Dezember 2010 bis 2. Januar 2011). Während der Veranstaltung hielten u.a. der Betreiber der Internetseite "Die wahre Religion" Ibrahim ABOU NAGIE sowie Said EL EMRANI alias Abu Dujana Vorträge, die charakteristische salafistische Positionen enthielten. EL EMRANI stellte in seinem Vortrag die Todesstrafe für solche Muslime, die aus eigenem Antrieb den Islam aufgeben, als unverrückbare islamrechtliche Vorgabe dar. Dies steht im Widerspruch zum Grundgesetz und dessen Anspruch auf Menschenwürde (Artikel 1), persönliche Freiheitsrechte (Artikel 2) sowie Glaubensund Gewissensfreiheit (Artikel 4). 64 Im Rahmen des Seminars trug darüber hinaus der vormals als Rapper Deso Dogg bekannte Denis CUSPERT aus Berlin, nunmehr auch unter dem Aliasnamen Abu Maleeq bekannt, eine Hymne (arab. nashid) vor. Darin rief er die Muslime dazu auf, angesichts der vermeintlichen Zerstörung des Islam durch die Ungläubigen nicht untätig zu sein, sondern nach Zentralasien auszuwandern, dort zu kämpfen und, den Feind im Auge, den Märtyrertod zu finden. Die Vorträge und die Hymne wurden anschließend in das Internet gestellt und somit einem größeren Empfängerkreis zugänglich gemacht. Am 29. Mai führte der Konvertit und Prediger Pierre VOGEL eine öffentliche Kundgebung auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Koblenz durch. Die Veranstaltung, die von etwa 250 Personen besucht wurde, durfte lediglich unter Auflagen der Stadtverwaltung Koblenz stattfinden. So wurde den Rednern u.a. untersagt, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beschimpfen, jugendgefährdende Inhalte zu verbreiten oder die Versammlungsteilnehmer zwangsweise nach Geschlecht zu trennen. VOGEL und die von ihm eingeladenen Podiumsteilnehmer, die bei anderen Gelegenheiten durch extremistische und teilweise auch gewaltlegitimierende Äußerungen aufgefallen waren, hielten sich an die Auflagen. 4.2 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder Bund: ca. 31.000 (2010: ca. 30.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 650 (2010: ca. 650 ) 65 Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen überwiegend türkische und türkischstämmige Personen. Die IGMG bietet hiesigen Muslimen und speziell ihren Mitgliedern ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Hausaufgabenbetreuung, Seelsorge, Pilgerund Kulturreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Islamverständnis zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Die IGMG präsentiert sich nach außen zwar als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Organisation, sie ist jedoch aus der islamistischen "Milli Görüs"-Bewegung hervorgegangen und bleibt bis heute mit dieser Bewegung dem Namen nach und ideologisch verbunden. Gegründet wurde die "Milli Görüs"-Bewegung von dem türkischen Politiker Necmettin ERBAKAN, der am 27. Februar 2011 im Alter von 84 Jahren in Ankara starb. Das Weltbild ERBAKANs, bekannt aus zahlreichen schriftlichen und mündlichen Verlautbarungen, folgte ausgeprägten Schwarz-Weiß-Schemata. Auf der einen Seite stehen der Islam, die Muslime, die islamische Ordnung und mit ihr Gerechtigkeit und Frieden, auf der anderen Seite stehen die Nichtmuslime und mit ihnen pauschal Imperialismus, Rassismus und Gewalt. Den Weg zur Überwindung heutiger Missstände sah ERBAKAN einzig und allein in der Errichtung einer islamischen anstelle der westlich geprägten Staats-, Rechtsund Wirtschaftsordnung, und zwar weltweit. Das Weltbild ERBAKANs durchdringt bis heute die verschiedenen Komponenten, aus denen sich die "Milli Görüs"-Bewegung zusammensetzt: die "Saadet Partisi" (SP, "Glückseligkeitspartei"), der "Anatolische Jugendverein", das "Zentrum für wirtschaftliche und soziale Studien" (ESAM) und der Fernsehsender "TV 5" in der Türkei, weiterhin die Tageszeitung "Milli Gazete" und die IGMG. Die umfassende Struktur der "Milli Görüs" macht deutlich, dass sie weitaus mehr als eine rein religiöse Bewegung ist, sondern auch einen politischen Durchsetzungswillen hat. Dies gilt ganz besonders im Hinblick auf die Türkei, aber auch auf Deutschland und andere europäische Staaten. 66 Ob sich die IGMG mit dem Tode ERBAKANs künftig aus der "Milli Görüs"-Bewegung herauslösen und zu einer eigenständigen Organisation mit religiöser und weltanschaulicher Neuausrichtung entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Diese Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund eines Wechsels an der Vereinsspitze. Am 14. Mai 2011 wurde Kemal ERGÜN zum neuen Vorsitzenden der IGMG gewählt. Im Jahr 2011 hatte die Einbindung der IGMG in die "Milli Görüs"-Bewegung weiterhin Bestand: # IGMG-Regionalverbände und Ortsvereine führten Gedenkveranstaltungen und Totengebete zu Ehren ERBAKANs durch, wie mehrere Ausgaben der "Milli Gazete" aus den Monaten März und April berichteten. Am 28. Februar erschien in "Milli Gazete" eine Traueranzeige des IGMG-Dachverbandes, vertreten durch den Generalvorsitzenden, und eine weitere Traueranzeige im Namen der IGMG-Regionalvorsitzenden, der IGMG-Jugendorganisation, der IGMG-Frauenorganisation und der IGMG-Frauenjugendorganisation. ERBAKAN wird in den Anzeigen als "unser geschätzter Lehrmeister", in einer der Anzeigen zudem als "Führer der Milli Görüs" bezeichnet. Die vom IGMG-Dachverband herausgegebene Mitgliederzeitschrift "Perspektif" widmete ERBAKAN in ihrer März-Ausgabe neben dem Titelbild und einer ganzseitigen Traueranzeige eine Darstellung seines Lebens. # B ei einer Vorstandssitzung des IGMG-Regionalverbandes Nordbayern am 2. April wurde u.a. ein hochrangiger Funktionär der "Saadet Partisi" als Redner eingeladen und als geistige Autorität willkommen geheißen. Die bei der Veranstaltung gehaltenen Reden spiegelten die charakteristische "Milli Görüs"-Ideologie vollumfänglich wider: Kampf für die Vormachtstellung des Islam und die Wiederbelebung des Osmanischen Reiches in Europa, Warnung vor koordinierten Plänen zur Vernichtung des Islam, Verurteilung angeblicher US-amerikanischer Pläne für ein Großisrael-Projekt vom Nil bis zum Euphrat sowie für ein Großarmenien. Die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung und nimmt in ihr eine zentrale Rolle als Nachrichtenund Propagandamedium 67 ein. Ihre Stellung innerhalb der Bewegung umriss der Chefredakteur Mustafa KURDAS in der Ausgabe vom 31. Mai 2011 höchstpersönlich: "Unser Wunsch ist, dass die Gemeinde die Milli Gazete mit allen Kräften unterstützt. Nur auf diese Art und Weise kann die Milli Gazete den von unserem Hodscha Erbakan gewünschten Punkt erreichen. Wir sind eine Familie. Milli Gazete ist einer der wichtigsten Bestandteile dieser Familie. Die Milli Gazete und die Gemeinde der Milli Görüs sind wie Fleisch und Blut untrennbar." "Milli Gazete" berichtet umfangreich über IGMG-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet, enthält Veranstaltungshinweise der IGMG sowie Stellungnahmen von IGMG-Funktionären. Zudem veröffentlicht sie regelmäßig Kondolenzanzeigen, Genesungsoder Glückwünsche von IGMG-Mitgliedern. Bei IGMG-Veranstaltungen ist sie des Öfteren mit einem Stand vertreten. Nicht zuletzt liegt "Milli Gazete" vielfach in den Räumlichkeiten von IGMG-Ortsvereinen für die Mitglieder zur Information, gelegentlich auch zur Mitnahme aus. In "Milli Gazete" wird seit vielen Jahren extremistisches Gedankengut verbreitet. Auch 2011 veröffentlichte die Zeitung wieder zahlreiche Artikel, die ein reformnegierendes Islamverständnis, Welterlösungsansprüche, Verschwörungstheorien und dezidierte Feindbilder propagieren. Die verbalen Bekenntnisse der IGMG zu Demokratie und Rechtsstaat sind mit ihrer Einbindung in die "Milli Görüs"-Bewegung nicht in Einklang zu bringen. Dies gilt umso mehr, als sich die Ideologie der "Milli Görüs" - rhetorisch abgemildert und weniger verbindlich formuliert - gelegentlich auch in IGMG-Publikationen und Äußerungen von IGMG-Funktionären wiederfindet. So wird im Glossar der IGMG-Internetseite Kufr, d.h. Unglaube, als "Wurzel allen Übels und Ursache aller Unterdrückung" bezeichnet (abgerufen am 25.01.2012). Diese historisch nicht haltbare Aussage fügt sich in die bekannte "Milli Görüs"-Ideologie ein, die auf einem Gegensatzpaar von islamisch, d.h. gerecht (adil) sowie unislamisch, d.h. nichtig (batil) beruht. Die IGMG ist Herausgeber sogenannter Grundwissenskarten (Temel Bilgi Kartlari), die über das Internet bezogen werden können. Sie sind für die religiöse Erziehung von Kindern und Jugendlichen konzipiert. Die im Frageund AntwortStil aufgebauten Karten enthalten u.a. Aussagen wie die nachfolgend zitierten: 68 # "Der Zweck des Jihad ist es, sich dafür einzusetzen, dass universal die Wahrheit, das Recht, Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Auflösung: richtig." Hier ist anzumerken, dass die Begriffe Wahrheit (hak) und Recht (hukuk) im Sprachgebrauch der "Milli Görüs"-Bewegung ausschließlich für die eigene Wahrheit sowie die islamischen Rechtsvorschriften stehen. # " Hinsichtlich des Glaubens werden Menschen in vier Kategorien unterteilt. Auflösung: Gläubiger, Ungläubiger, Götzendiener, Heuchler". # " Welche der unten genannten Religionen hat einen verdorbenen Ursprung? Auflösung: Christentum". Auf ihrer Internetseite bietet sich die IGMG als "kompetenter Ansprechpartner für Gesellschaft und Politik" an. Ferner heißt es: "Die IGMG legt besonderen Wert darauf, dass unterschiedliche Religionsgemeinschaften zusammenkommen und ihre Gläubigen sich gegenseitig kennen lernen [...] Bedingung für einen aufrichtigen Dialog ist der aufrichtige Wille zum Gespräch. Die IGMG setzt auf einen auf gegenseitiges Verständnis aufbauenden Dialog, der den Dialogpartner nicht richtet oder ausgrenzt. Das Kennenlernen darf dabei nicht auf Desinformationen basieren, sondern sollte sich an der Eigenwahrnehmung des Gegenübers orientieren. Diese offene Haltung erwartet die IGMG auch von ihren Gesprächspartnern." Die Diskrepanz zwischen der Außendarstellung im Internet und den für die Bildungsarbeit erstellten Materialien ist hier offenkundig. 4.3 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 800 (2010: ca. 800) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2010: ca. 40) 69 Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" lässt bereits auf einen der wesentlichen Programmpunkte dieser türkisch-islamistischen Organisation schließen: die Wiedererrichtung des Kalifats und gleichzeitige Abschaffung der Republik als Staatsform. Als erster Schritt hierzu erfolgte die Ausrufung des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN zum Kalifen durch die Vereinsmitglieder. Nach seinem Tod im Jahr 1995 führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel. Er fand jedoch ebenso wie sein Vater außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Wenngleich die Rhetorik des "Kalifatsstaats" stark auf die Türkei zugeschnitten ist, werden die Demokratie und ihre wesentlichen Prinzipien wie Volkssouveränität oder Mehrparteiensystem doch grundsätzlich abgelehnt. Dies führte, zusammen mit der vehementen Agitation gegen Israel und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker, zu seinem Verbot im Jahr 2001. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden, nämlich den "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", die "Islamische Union Ludwigshafen" sowie den "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung". Das Vereinsverbot und die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei im Jahre 2004 bewegten einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Es können allerdings weiterhin Aktivitäten zur Aufrechterhaltung organisatorischer Zusammenhänge festgestellt werden. Zudem präsentiert sich der "Kalifatsstaat" im Internet mit den im Ausland registrierten und administrierten Seiten www.hakkhaber.com und www.seriat.net. Auf diesen Internetseiten wird die "Kalifatsstaat"-Ideologie in ihrer bekannten Form verbreitet. So wird u.a. der Koran als Verfassung, die Scharia als Gesetz und das Kalifat als Staatsform der Muslime proklamiert. Umgekehrt wird die Demokratie als eine gegen den Islam gerichtete Institution sowie als Götze und Tyrannei bezeichnet. Darüber hinaus kann auf der Seite www.hakkhaber.com ein Aufsatz mit dem Titel "Das Vermächtnis des Märtyrers Abdallah Azzam" aufgerufen werden. Der inzwischen verstorbene Jihad-Ideologe Azzam war Afghanistan-Veteran und geistiger Mentor Usama bin LADINs. In dem Aufsatz heißt es u.a.: 70 "Diejenigen, die glauben, dass die Religion Gottes ohne Jihad, ohne Krieg, ohne Blut und ohne Verletzungen den Sieg davontragen kann, begreifen das Wesen der Religion nicht [...] Ohne Krieg kann es keine Ehre für die Muslime geben [...] Islamische Jugend! Es sollen die Melodien der Bomben, der Lärm von Kanonenkugeln, das Dröhnen von Flugzeugen, das Geräusch von Panzern und die Melodien Eurer Bildung zu vernehmen sein." Auch in Rheinland-Pfalz wurden Bestrebungen zur Aufrechterhaltung und Propagierung der "Kalifatsstaat"-Ideologie festgestellt, u.a. im Internet und mittels der Verteilung von einschlägigem Schriftgut. In diesem Zusammenhang verurteilte das Landgericht Koblenz am 10. Januar 2011 den Vorsitzenden der Ibadullah-Moschee in Bad Kreuznach zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe. Grundlage für die Verurteilung waren die Verteilung von Propagandamaterial sowie der Betrieb einer mittlerweile nicht mehr erreichbaren Internetseite gewesen. Sowohl die verteilten Kalender als auch die Internetseite hatten eindeutige Bezüge zur Ideologie und Programmatik des "Kalifatsstaats" aufgewiesen. 4.4 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.300 (2010: ca. 1.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 20 (2010: 15) Die "Muslimbruderschaft" existiert - gelegentlich unter anderen Bezeichnungen - in allen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der "Muslimbruderschaft" gingen zudem neue Organisationen hervor. Zu nennen sind hierbei u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und "En Nahda" ("Die Erneuerung") in Tunesien. Programmatischer Kernpunkt der "Muslimbruderschaft" ist die Einheit von Religion und Politik, welche ausschließlich durch eine Anwendung der Scharia-Vorschriften verwirklicht werden kann. 71 Aus der Sicht der "Muslimbruderschaft" war das Jahr 2011 äußerst erfolgreich. In ihrem Ursprungsland Ägypten wurde nach dem Sturz der Regierung Hosni Mubaraks das politische Betätigungsverbot aufgehoben, das mehrere Jahrzehnte für die Organisation bestanden hatte. Sie gründete eine Partei mit dem Namen "Freiheitsund Gerechtigkeitspartei" (arab. Hizb ul-hurriya wal-adala), die bei den Parlamentswahlen 2011/2012 zusammen mit ihren Bündnispartnern rund 45% der Stimmen erzielte. Im Vorfeld der Wahlen präsentierte sich die "Muslimbruderschaft" der ägyptischen Bevölkerung in Bezug auf ihre Agenda uneinheitlich. Ihr Generalsekretär Mahmud IZZAT erregte bei einer Veranstaltung in Kairo im April mit den folgenden Worten Aufmerksamkeit: "Die Durchsetzung der islamischen SchariaKörperstrafen folgt auf die territoriale Eroberung [...] Die Strafen müssen durchgesetzt werden, nachdem der Islam in das Leben, die Ethik und das Handeln der Menschen eingetreten ist." Ein anderer Funktionär der "Muslimbruderschaft", Saad AL HUSSAINI, äußerte sich folgendermaßen: "Während dieser Periode möchten wir die Gesellschaft dahin führen, dass sie ihre islamische Identität erreicht zur Vorbereitung der islamischen Herrschaft." Das Programm der "Freiheitsund Gerechtigkeitspartei", des 2011 gegründeten politischen Arms der "Muslimbruderschaft", enthält das Bekenntnis zu einem republikanischen und parlamentarisch verfassten demokratischen Rechtsstaat. Gleichberechtigung und Religionsfreiheit werden garantiert, die Scharia-Körperstrafen nicht explizit erwähnt. Allerdings wird in dem Programm an Artikel 2 der bisherigen ägyptischen Verfassung, der die Prinzipien der Scharia zur Hauptquelle der Gesetzgebung erklärt, festgehalten. Die Details der Gesetzgebung sollen der vernunftgeleiteten Rechtsfindung aus den religiösen Quellen überlassen werden. Daraus ergibt sich ein letztlich nicht näher definierter und absehbarer Spielraum für eine islamisch geprägte Rechtsordnung. In Europa besteht eine Vielzahl von Organisationen und Einrichtungen, die ungeachtet ihrer formalen Unabhängigkeit sowohl untereinander verflochten sind als auch mit der "Muslimbruderschaft" in Verbindung stehen. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Gemäß ihren 72 eigenen Angaben sind der IGD acht Islamische Zentren angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Die IGD setzt auf eine Strategie der kontinuierlichen Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Aufbauend auf einer ganzheitlichen islamischen Erziehungsund Bildungsarbeit strebt sie für ihre Anhänger Freiräume für eine Lebensweise an, die von islamischen Vorschriften bestimmt ist. Problematisch ist hierbei, dass die Vorschriften u.a. auch rechtlicher Natur sind. Beziehungen personeller und ideologischer Art bestehen ferner zwischen IGD und der "Muslimischen Jugend in Deutschland e.V." (MJD) mit Sitz in Berlin und ihren sogenannten Lokalkreisen im Bundesgebiet. Hierbei handelt es sich um eine Organisation von und für Personen zwischen 13 und 30 Jahren. Mit Aktivitäten insbesondere im Bereich der religiösen Erziehung und Bildung dient sie der Nachwuchsgewinnung. In Rheinland-Pfalz gibt es Personen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" folgen und in ihr deutsches organisatorisches Umfeld eingebunden sind. Es liegen Erkenntnisse darüber vor, dass sie bestrebt sind, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch in Rheinland-Pfalz die Bildung ihrer Strukturen zu fördern. 4.5 Jihadistische Islamisten Die verschiedenen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Jihad gegen die von ihnen als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter ihrer Eigenbezeichnung Mujahidin oder der Fremdbezeichnung Jihadisten zusammengefasst. Charakteristisch für sie ist eine Gewalt betonende Auslegung des Jihad-Begriffs unter Einschluss terroristischer Mittel. Die heutige Jihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen; zu nennen sind derzeit vor allem Afghanistan, Pakistan, Somalia und Irak. Die Kampffront ist allerdings räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Dies bedeutet, dass auch andere - der Islamfeindlichkeit beschuldigte - Länder in das Visier von Jihadisten geraten und zum Schauplatz von terroristischen Aktionen werden können be73 ziehungsweise schon geworden sind. Die jihadistische Bewegung ist auch im Hinblick auf die Herkunft ihrer Anhänger, ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen nahezu global. In Deutschland existiert ein jihadistisches Potenzial von ca. 1.000 Personen. Den Kern bilden hierbei etwa 130 Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie erhebliche Straftaten begehen könnten, d.h. auch einen Terroranschlag. Hinzu kommen rund 900 weitere Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Jihad-Kämpfer anwerben, unterstützen bzw. in Kontakt zu ihnen stehen oder aber zum Jihad in seiner gewaltsamen Ausprägung aufrufen. Ein Teil dieser Personen hat eine paramilitärische Ausbildung im Ausland, vorrangig im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, erfahren und sich Terrororganisationen wie "Al-Qaida" und "Islamische Bewegung Usbekistan" angeschlossen. Während insbesondere 2009 vermehrte Ausreisen radikalisierter Islamisten zu verzeichnen waren, hat sich diese Entwicklung seither abgeschwächt. Eine mögliche Ursache hierfür ist das verstärkte Vorgehen des US-Militärs im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet und damit erschwerte Ausbildungsund Operationsbedingungen für die Terrororganisationen. Auch in Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum jihadistischen Spektrum vorlagen bzw. vorliegen. Im Jahr 2011 wurde gegen eine Person aus dem Westerwald wegen des Verdachts der Unterstützung und der Werbung für terroristische Vereinigungen im Ausland und weiterer Straftaten Anklage erhoben. Am 22. März 2012 wurde der Angeklagte zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, innerhalb der vergangenen Jahre im Internet zahlreiche, darunter gewaltverherrlichende Video-, Audiound Textbotschaften der Terrororganisationen "Al-Qaida", "Islamischer Staat Irak" und "Islamische Bewegung Usbekistan" veröffentlicht zu haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 74 IV. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Weiterhin gefährdet eine Reihe von (nicht islamistischen) extremistischen Organisationen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie deutsche Interessen im Ausland. Diese Gruppierungen streben nach politischen Veränderungen in ihren jeweiligen Herkunftsländern. Darunter sind auch solche, die vor terroristischen Aktionen nicht zurückschrecken. Dies hat naheliegende Gründe: So können z.B. Anschläge in Urlaubsregionen den betroffenen Staaten erhebliche wirtschaftliche Schäden im Tourismussektor zufügen und gefährden zugleich deutsche Staatsangehörige. Deutschland selbst dient vielen dieser Organisationen als Ruhe-, Rückzugsund Rekrutierungsraum sowie als Basis für logistische Aktivitäten (z.B. Spendensammlungen). Art und Umfang ihres Handelns werden in erster Linie durch aktuelle politische Ereignisse und Entwicklungen in den Heimatländern bestimmt. In Rheinland-Pfalz können anhaltend ca. 600 Personen extremistischen Ausländerorganisationen zugerechnet werden (500 Linksextremisten, 100 extreme Nationalisten). Die überwiegende Zahl von ihnen ist türkischer Herkunft. Landesweit wurden 2011 insgesamt 16 Straftaten im Bereich Politisch motivierte Ausländerkriminalität erfasst (2010: 9), darunter eine Gewalttat (Körperverletzung). Im Spektrum des ausländisch-geprägten Extremismus/Terrorismus ist vor allem die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zu nennen. Sie setzte weiterhin auf einen überwiegend friedlichen Kurs in Westeuropa. Aufgrund des Eskalierens der Auseinandersetzungen zwischen den PKK-"Volksverteidigungskräften" (HPG) und den türkischen Streitkräften sowie der aus Sicht der PKK verschlechterten Haftbedingungen ihres Parteigründers Abdullah ÖCALAN konnte bei den zahlreichen öffentlichen Protestaktionen der PKK-Anhängerschaft eine erhöhte Bereitschaft zur Gewalt festgestellt werden, insbesondere bei jugendlichen PKKAnhängern. 75 Die separatistische "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) hält ungeachtet der Niederschlagung ihres Guerillakampfes durch die srilankische Armee im Jahr 2009 an ihrem Kampf für einen in Sri Lanka unabhängigen tamilischen Staat sozialistischer Prägung ("Tamil Eelam") fest. Der fortlaufende Umstrukturierungsprozess der Organisationen in Westeuropa/Deutschland lässt offen, ob das Erreichen ihrer politischen Ziele friedlich oder im bewaffneten Kampf umgesetzt werden wird. 1. Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2011 2010 2011 2010 Gesamt 600 600 26.410 24.910 Linksextremisten 500 500 18.570 17.070 Extreme Nationalisten 100 100 7.840 7.840 (Angaben gerundet) 2. "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Weitere Bezeichnungen: Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 Umbenennung in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, kurz: HPG) Leitung in Westeuropa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 13.000 (2010: ca. 11.500) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2010: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 22. November 1993 76 Allgemeine Entwicklung Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von dem seit 1999 in der Türkei auf der Insel Imrali inhaftierten Abdullah ÖCALAN gegründet. Die Organisation wird von der Europäischen Union seit 1991 als terroristisch eingestuft. Dies fußt nicht zuletzt auf den andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen der HPG mit der türkischen Armee in der Türkei und im Nord-Irak. Anfang 2011 ließ Abdullah ÖCALAN über seine Anwälte im Vorfeld der türkischen Parlamentswahlen (12. Juni 2011) mitteilen, dass 2011 zu einem Jahr der "demokratischen und friedlichen Lösung der Kurdenfrage" werden könne. Er formulierte als Zielsetzung die Anerkennung des kurdischen Volkes, dessen Identität und die Lösung der Kurdenfrage im Rahmen der Demokratischen Autonomie. In Westeuropa, so auch in Deutschland, verhielten sich die PKK und ihre Umfeldorganisationen weitgehend friedlich, um sich einen politisch-propagandistischen und logistischen Rückzugsraum (auch mit Blick auf Spendensammlungen) zu erhalten. Insoweit hält sie an ihrer Doppelstrategie fest: Bewaffnete Auseinandersetzungen, gewalttätige Demonstrationen und Anschläge in der Türkei und überwiegend friedliche Aktionen in Europa. Die PKK bleibt straff organisiert und verfügt in nahezu allen europäischen Ländern über Strukturen. Ihr Einfluss reicht bis auf die Ortsebene, wo sich Anleitungsfunktionäre aktiv in die Arbeit kurdischer Vereine einbringen.27 Organisationsstrukturen Nach der Umbenennung der PKK im Jahr 2002 in KADEK und 2003 in KONGRA GEL beschloss die Organisation ihre Neugründung auf einem "Kongress zum Wiederaufbau" im Frühjahr 2005. Eine Schlüsselrolle in dem angestrebten Demokratisierungsprozess des Nahen Ostens spielt die "Koma Ciwaken 27 Die PKK und ihre Nebenorganisationen sind durch Verfügung des Bundesministers des Innern seit 22. November 1993 nach dem Vereinsgesetz mit einem Betätigungsverbot belegt, weil sie strafrechtliche Bestimmungen verletzen sowie die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und andere erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 77 Kurdistan" (KCK). "Ideologischer Motor" bleibt aber der 2003 gebildete KONGRA GEL, der die politischen Ziele der PKK umsetzt. Die Politik der PKK in Europa wird weiterhin von der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) gesteuert. Mehrere Massenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessensgruppen repräsentieren, gehören ebenso zur Organisationsstruktur der PKK. Ihre Jugendorganisation "Komalen Ciwan" entfaltet zum Teil auch gewalttätige Aktivitäten. Daneben existieren konspirative Organisationsformen, sogenannte Serits, die Deutschland in die Bereiche Nord, Mitte und Süd unterteilen. Die Serits werden von regelmäßig wechselnden Führungsfunktionären geleitet. Diese haben starken Einfluss auf die nachgeordneten ca. 30 Gebiete mit den jeweiligen Gebietsbzw. Teilgebietsleitern. Sie beeinflussen die vor Ort bestehenden kurdischen Kulturvereine. Das sogenannte Halk Meclisi System (VolksräteSystem), das als basisdemokratisches Modell bis in die kleinste Regionalebene hinein wirken soll, konnte bislang nicht flächendeckend gegründet werden. Zur Propaganda und aktuellen Berichterstattung aus den kurdischen Siedlungsgebieten stützen sich die PKK bzw. CDK auf die in den Niederlanden angesiedelte Nachrichtenagentur "FIRAT News Agency", den TV-Sender ROJ-TV (neuerdings Sterka-TV) sowie auf verschiedene Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (Neue Freie Politik). Darüber hinaus gibt es eine vielfältige Internetpräsenz, vorwiegend in kurdischer Sprache, die Videound Schriftendownloads anbietet, Möglichkeiten zum Chatten eröffnet oder historische und aktuelle Informationen bereithält. Strukturen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz Der Zeitschrift "Bülten" zufolge (Ausgabe Nr. 10 vom 1. August 2011) gibt es in Deutschland 47 kurdische Kulturvereine, die der PKK-nahen "Föderation kur78 discher Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) angehören, darunter auch der "Kurdische Kulturverein Ludwigshafen" (KKV). Dieser fungiert als Anlaufstelle für Kurden im gesamten Rhein-Neckar-Raum. Darüber hinaus gibt es unorganisierte PKK-Anhänger im südlichen Landesteil (Landau, Pirmasens, Zweibrücken), in Rheinhessen (Alzey, Worms), in Trier und Umgebung sowie im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz, Neuwied, Westerwald). In RheinlandPfalz werden nach wie vor ca. 450 Personen der PKK zugerechnet. Zu bundesweiten Großveranstaltungen sowie Demonstrationen können darüber hinaus weitere Sympathisanten mobilisiert werden. Bei seinem 11. Volkskongress am 10. April 2011 wählte der KKV einen neuen Vorstand unter Anwesenheit von Vertretern der YEK-KOM. Im Jahr 2011 hat der KKV vielfältige regionale und überregionale Aktivitäten entwickelt und seine Anhänger auch für Aktionen im europäischen Ausland gewinnen können. Hierzu zählten u.a. Infostände und Mahnwachen (z.B. am 16. Februar 2011 in Mannheim aus Anlass des "internationalen Komplotts gegen Abdullah ÖCALAN"), "Gedenkveranstaltungen" (z.B. am 20. März 2011 in Mannheim), Demonstrationen (z.B. am 18. Mai in Ludwigshafen am Rhein mit ca. 150 Teilnehmern und am 29. Juli in Mannheim mit ca. 250 Teilnehmern) und Kundgebungen (z.B. am 21. September und 26. November in Ludwigshafen am Rhein mit ca. 150 und etwa 100 Teilnehmern. Am 30. Dezember beteiligten sich ca. 400 Personen an einer Kundgebung in Mannheim). Bei solchen Anlässen werden regelmäßig einschlägige PKK-Parolen plakatiert und skandiert sowie gegen die Politik der Türkei agitiert. Bei der Demonstration am 18. Mai 2011 in Ludwigshafen am Rhein kam es zu Ausschreitungen zwischen ca. 150 kurdisch-stämmigen Teilnehmern und der Polizei, in deren Verlauf zwei Personen vorläufig festgenommen wurden. Propagandaveranstaltungen Der Aktionismus der PKK in Europa orientiert sich in erster Linie an aktuellen Ereignissen, wie z.B. die Tötung von "Guerillakämpfern" im türkisch-irakischen Grenzgebiet, Verhaftung von kurdisch-stämmigen politischen Vertretern oder Einschränkungen ihrer kulturellen Freiheit. Auch der Personenkult um Abdullah 79 ÖCALAN, seine Haftbedingungen, sein Gesundheitszustand oder "Märtyrerund Gedenkveranstaltungen" der Partei, bestimmen den Aktionsrahmen in Deutschland mit vielen regionalen und überregionalen Großveranstaltungen. Beispiele hierfür sind: # Demonstration am 12. Februar in Straßburg mit ca. 6.500 PKK-Anhängern (Anlass: Erinnerung an den 12. Jahrestag der Festnahme Abdullah ÖCALANs). Unter den Teilnehmern waren auch linksextremistische Gruppen aus Deutschland, Frankreich und der Türkei. # Z entrale Newroz-Feier am 19. März in Düsseldorf mit mehr als 10.000 Teilnehmern, darunter auch zahlreiche Kurden aus Rheinland-Pfalz. # " 3. Dersim Kulturfestival" am 3./4. Juni in Mainz-Hechtsheim mit mehr als 3.000 überwiegend jugendlichen, bundesweit angereisten Teilnehmern, darunter auch Personen der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan". Mehrere Verstöße gegen das Vereinsgesetz wie das Zeigen von ÖCALANBildern und PKK-Symbolen wurden geahndet. Wegen der vermeintlichen Verschärfung der Haftbedingungen von Abdullah ÖCALAN kam es im September zu europaweiten Aktionen, begleitet von der Besetzung öffentlicher Gebäude. Deutschlandweit gab es u.a. in Berlin, Hamburg, Hannover, Bonn und Düsseldorf Proteste. Am 28. September 2011 besetzten 34 kurdische Jugendliche die Sendezentrale des privaten Senders RTL in Köln und versuchten die Veröffentlichung einer Erklärung zum Thema "Freiheit für Abdullah ÖCALAN" im laufenden Programm zu erzwingen. Wegen Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte wurden Besetzer vorläufig festgenommen und Strafanträge wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Als Reaktion auf aktuelle bewaffnete Auseinandersetzungen in der Türkei - HPG-Einheiten hatten am 19. Oktober 2011 zeitgleich mehrere Anschläge auf Stellungen der türkischen Streitkräfte verübt und das türkische Militär PKKStellungen bombardiert - erfolgten gewaltsame Proteste im Inund Ausland. Es wurden Fernsehsender und Zeitungsredaktionen (u.a. in London "The 80 Guardian", in Zürich die "Berner Zeitung"), Universitäten, Ministerien und Rathäuser besetzt. PKK-Anhänger drangen am 26. Oktober 2011 zeitgleich in mehrere CDU-Geschäftsstellen in Hamburg, Berlin, Köln und Stuttgart ein. In Bremen wurden 70 pro-türkische und pro-kurdische Personen festgenommen. Am 29. und 30. Oktober 2011 war es nach Angaben des kurdischen Senders ROJ-TV in Paris, Den Haag und Wien zu teilweise schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Jugendlichen mit zahlreichen Verletzten gekommen. Am 26. November 2011 demonstrierten in Berlin trotz eines Verbots ca. 2.000 Personen, darunter auch gewaltbereite Linksextremisten und zahlreiche Anhänger der PKK. Bei Zwischenfällen wurden 87 Polizeibeamte verletzt, 71 Personen festgenommen und 46 Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Eine weitere, zum Teil von Gewalt begleitete Protestwelle in mehreren europäischen Staaten (Österreich, Schweiz, Frankreich und Deutschland) löste ein versehentlicher türkischer Luftangriff aus, bei dem 35 Personen im türkischirakischen Grenzgebiet zu Tode gekommen waren. In Essen, so auch in Frankfurt am Main, bewarfen Demonstranten am 30. Dezember 2011 Polizeibeamte mit pyrotechnischen Gegenständen, nachdem die Demonstranten zuvor versucht hatten, eine Absperrung vor dem türkischen Generalkonsulat zu überwinden. Auch in Hürth bei Köln und Hamburg kam es zu Sachbeschädigungen an den türkischen Generalkonsulaten. Spendensammlungen Im Jahr 2011 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne und durch Sonderspenden (z.B. für ihren Propagandasender ROJ-TV) in Europa mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung der Organisationsstrukturen in Europa, sowie der Unterstützung ihrer Kampfeinheiten in den Kurdengebieten. Daneben erzielt sie Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge aus Vereinen, den Verkauf eigener Publikationen und Erlöse aus Feiern und Veranstaltungen. Gerichtliche Verfahren - Exekutivmaßnahmen Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte mit Urteil vom 27. Januar 2011 fest, dass die Verurteilung einer PKK-Aktivistin wegen Ver81 stoßes gegen das Vereinsgesetz aufgrund einer von der PKK im Jahr 2001 durchgeführten Kampagne "Ich bin auch ein PKK'ler" nicht ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletze. Am 17. März 2011 verurteilte das Landgericht Stuttgart neun Anhänger der PKK wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten. Am 23. August 2011 begann vor dem OLG Frankfurt am Main ein Revisionsverfahren gegen einen ehemaligen PKK-Gebietsleiter. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein und von 2004 bis 2009 die PKK-Gebiete Nürnberg, Mainz, Darmstadt und Berlin geleitet zu haben. Das Verfahren findet vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 20. Oktober 2011 statt, nach der künftig die Strafverfolgung nach SS 129b StGB auch auf die PKK, deren Teilorganisationen bzw. aus ihr hervorgegangenen Organisationen angewendet werden soll. Der BGH hat damit die bisherige Rechtsprechung, nach der PKK-Funktionäre als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung gemäß SS 129 StGB galten, verworfen. In einem ersten Verfahren war der Angeklagte am 1. Dezember 2009 vom OLG Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Im November 2011 endete in Paris ein Prozess gegen 17 Mitglieder der PKK, die zu mehrjährigen Bewährungsstrafen verurteilt wurden. In der Bewertung kam die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass die PKK - nicht wie von den Angeklagten behauptet - eine legale Widerstandsorganisation sei, sondern eine Terrororganisation, die zivile und militärische Ziele angreife. Außerdem wurde das dortige kurdische Kulturzentrum geschlossen. 3. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: 650 (2010: 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2010: einzelne) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 13. August 1998 82 Die türkische marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi") entstand 1994 in der Folge von Flügelkämpfen innerhalb der türkischen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke). Sie verfolgt unverändert das Ziel, den türkischen Staat mittels "bewaffneten Kampfes" zu zerschlagen und stattdessen eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung zu errichten. Wegen terroristischer und gewalttätiger Aktivitäten in Deutschland wurde die DHKP-C als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" 1998 verboten. Von der Europäischen Union ist sie seit 2002 als terroristische Organisation gelistet. Die DHKP-C entfaltet in Europa über eine Auslandsorganisation vielfältige Aktivitäten. Hierzu zählen insbesondere die Anwerbung neuer Mitglieder, Propagandaarbeit sowie die Beschaffung von Geldmitteln durch Spendenund Beitragssammlungen. Als propagandistisches Sprachrohr und kommunikatives Verbindungsmittel für Mitglieder und Anhänger der Organisation bedient sich die DHKP-C neben einer umfänglichen Internetpräsenz der wöchentlich erscheinenden Schrift "Yürüyüs" (Demonstration, Marsch), in der regelmäßig Beiträge über in Deutschland stattfindende Strafprozesse gegen Parteifunktionäre, im Strafvollzug befindliche Verurteilte und Demonstrationen in deutschen Großstädten veröffentlicht werden. In Rheinland-Pfalz tritt die Organisation nur marginal in Erscheinung wie zum Beispiel im Juni 2011, als ein größeres Stofftransparent mit deutschen und türkischen Parolen einschließlich des Emblems der DHKP-C (roter Stern mit Hammer und Sichel) an einer Straßenbrücke bei Speyer festgestellt wurde. Im Jahr 1999 hatte die DHKP-C durch ihren damaligen Führer Dursun KARATAS für Deutschland und Europa einen Gewaltverzicht erklärt. Seither sind im Bundesgebiet keine Gewalttaten mehr bekannt geworden. Anlässlich ihres 17. Gründungstags veröffentlichte die DHKP-C am 29. März 2011 im Internet eine türkischsprachige Erklärung, in der sie sich allerdings zum bewaffneten Kampf für einen revolutionären Umsturz in der Türkei bekennt. Hierzu heißt es in der Erklärung: "Für unsere eigene Herrschaft gibt es zwei Bedingungen: sich zu organisieren und zu bewaffnen!" 83 Mehrere Exekutivmaßnahmen sowie Strafverfahren gegen mutmaßliche Führungsfunktionäre der DHKP-C in Deutschland trugen auch im Jahr 2011 dazu bei, die Handlungsfähigkeit der Organisation weiter einzuschränken. So wurde am 13. Juli 2011 aufgrund eines Haftbefehls des Bundesgerichtshofs ein mutmaßlicher Führungsfunktionär der DHKP-C in Köln festgenommen. Ihm wird u.a. vorgeworfen, seit 2007 in Deutschland Finanzmittel für die DHKP-C beschafft zu haben und für den Vertrieb der Propagandazeitschrift der Vereinigung zuständig gewesen zu sein. Am 27. September 2011 verurteilte das OLG Düsseldorf einen wegen Mordes und anderer schwerer Verbrechen angeklagten Führungsfunktionär der DHKP-C zu lebenslanger Haft. Nach Überzeugung des Gerichts hatte der angeklagte Staatenlose türkischer Abstammung von Deutschland aus ein im April 1993 durchgeführtes Attentat auf Polizeibeamte in Istanbul angeordnet, bei dem zwei Polizisten erschossen und weitere Beamte verletzt wurden. 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei Seit 1994 Spaltung in "Partizan"-Flügel und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 1.300 (2010: ca. 1.300) ("Partizan" und MKP) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2010: einzelne) ("Partizan" und MKP) Die 1972 in der Türkei gegründete und seit 1994 in zwei selbständige Flügel gespaltene "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) ist bestrebt, die türkische Staatsordnung durch eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Ihre ideologische Ausrichtung basiert auf den Lehren von Marx und Lenin sowie auf maoistischen Einflüssen. Der mitgliederstärkste Flügel der TKP/ML tritt unter dem Namen "Partizan" auf und hat in Deutschland über 800 Mitglieder/Anhänger. Der andere Flügel benannte sich Ende 2002 von 84 "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) in "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) um. Dessen Mitgliederpotenzial beläuft sich in Deutschland auf rund 500 Personen. Beide Fraktionen unterhalten in der Heimat bewaffnete Guerillaeinheiten, in deren Reihen auch eine beachtliche Anzahl Frauen kämpft: Auf Seiten der "Partizan" die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), auf Seiten der MKP die "Volksbefreiungsarmee" (HKO). In Deutschland agiert die TKP/ML zurückhaltend und gewaltfrei; neben propagandistischen Aktivitäten steht vor allem die finanzielle Unterstützung des "Volkskriegs" in der Türkei im Vordergrund. Jährliche Spendenkampagnen sowie Erlöse aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen tragen hierzu bei. Daneben wird die TKP/ML von ihren offen agierenden Umfeldorganisationen propagandistisch unterstützt. Bei den jährlich veranstalteten Gedenkfeiern zu Ehren des Parteigründers Ibrahim KAYPAKKAYA (+ 18. Mai 1973) gelingt es der TKP/ML stets eine beachtliche Teilnehmerzahl zu mobilisieren. An der Feier der MKP am 21. Mai in Köln-Mülheim nahmen rund 1.500 Personen teil. An der aus gleichem Anlass am 28. Mai 2011 vom "Partizan"-Flügel ausgerichteten Veranstaltung in Ludwigshafen am Rhein beteiligten sich ca. 2.000 Personen. Neben kulturellen Darbietungen und dem Gedenken an den Parteigründer und die "revolutionären Märtyrer" wurde in Reden und Podiumsdiskussionen u.a. über die Intensivierung des Klassenkampfes als "das Gesetz der Dialektik dieses Krieges" referiert und eine Grußbotschaft des Politbüros verlesen. Beide Veranstaltungen verliefen störungsfrei. 5. "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: 1.000 (2010: 1.000) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2010: ca. 30) Die tamilische separatistische LTTE verfolgt fortgesetzt das Ziel, in Sri Lanka einen unabhängigen tamilischen Staat sozialistischer Prägung ("Tamil Eelam") 85 zu gründen. Von 1983 führte sie mit eigenen Bodentruppen ("Tigers"), Luftwaffen("Air Tigers") und Marineeinheiten ("Sea Tigers") einen Guerillakrieg gegen die srilankischen Streitkräfte, setzte gezielt Selbstmordkommandos ("Black Tigers") ein und verübte Anschläge gegen Politiker sowie militärische und zivile Ziele. Im Jahr 2006 wurde die LTTE deshalb in die europäische Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. Im Mai 2009 gelang es der srilankischen Armee, die LTTE endgültig militärisch zu besiegen. In der Schlussphase der Kämpfe kamen zahlreiche ranghohe Kommandeure sowie der LTTE-Führer PRABHAKARAN ums Leben. Nach Medienberichten forderte der mehr als zwanzig Jahre dauernde Konflikt zwischen 80.000 und 100.000 Todesopfer. Durch den Verlust der militärischen Basis der LTTE in Sri Lanka haben sich die Handlungspielräume der verbliebenen Kader, soweit sie einer Internierung oder Verhaftung im Heimatland entkommen konnten, auf die Auslandsorganisation der LTTE verlagert. Die in der tamilischen Diaspora bestehenden LTTE-Strukturen sowie die agierenden Personen befinden sich derzeit - auch in Deutschland - in einer Phase der Reorganisation bzw. Neuorientierung. Sogenannte Hardliner, die zur Erreichung ihrer Ziele eine militärische Aufrüstung und die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes im Heimatland anstreben und sogenannte Moderate, die eine politische Lösung des ethnischen Konflikts mittels demokratischer Wahlen und mit friedlichen Mitteln herbeiführen wollen, stehen sich gegenüber. Neben kulturellen Aktivitäten und der Ausrichtung von "Märtyrergedenken" liegt das Interesse der Organisation vor allem auf der Beschaffung von Geldmitteln zur Finanzierung und Aufrechterhaltung der Organisationsstrukturen. Als weitere Einnahmequellen dienen der LTTE Veranstaltungserlöse sowie Erlöse aus dem Verkauf von eigenen Publikationen, Büchern und DVDs mit meist heroisierenden Inhalten. Am 19. September 2011 fand vor dem UN-Gebäude in Genf eine Großkundgebung der LTTE gegen Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der 86 tamilischen Minderheit in Sri Lanka statt, an der laut tamilischer Webseiten mehr als 5.000 Personen teilnahmen. Hierbei wurden auch Bilder des ehemaligen LTTE-Führers PRABHAKARAN sowie LTTE-Flaggen mitgeführt. Beide konkurrierende Flügel der LTTE veranstalteten am 27. November 2011 erstmals eigenständige "Heldengedenktage" in Dortmund und in Mönchengladbach. Der "Heldengedenktag" wird traditionell weltweit am Geburtstag des 2009 getöteten LTTE-Führers PRABHAKARAN durchgeführt. Am 12. Oktober 2011 verurteilte das OLG Düsseldorf vier Führungsfunktionäre der LTTE-Deutschlandzentrale "Tamil Coordinating Committee" (TCC) mit Sitz in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen Bereitstellung erheblicher Finanzmittel für die LTTE. Aktivitäten der Organisation in Rheinland-Pfalz waren 2011 im Bereich der Vorderund der Südpfalz (Raum Neustadt/W., Speyer, Landau) festzustellen. Zum Gedenken an gefallene "LTTE-Kämpfer" und des Jahrestags der militärischen Niederlage der LTTE in Sri Lanka (18. Mai - sogenannter War Crimes Day) fanden Saalveranstaltungen statt; darüber hinaus wurden in den Innenstädten von Neustadt/W. und Landau Infostände betrieben. 87 V. Elektronische Medien Mittlerweile sind 73,3 % der Bevölkerung (2010: 69,4%) online. Damit stieg die Zahl der Internetnutzer ab 14 Jahren in Deutschland binnen eines Jahres von 49 Millionen auf 51,7 Millionen. Auch die Nutzung sozialer Netzwerke wird immer beliebter: Bereits 43 % der deutschen Internetnutzer haben ein eigenes Profil in einer Social Community angelegt (2010: 39 %).28 1. Rechtsextremismus Auch Rechtsextremisten machen weiterhin intensiv Gebrauch von den vielfältigen Möglichkeiten, die das Netz bietet. Im Berichtsjahr existierten etwa 950 deutschsprachige radikale Websites (2010: rund 1.000), 30 davon entfielen auf Rheinland-Pfalz (Vorjahr: 35). Während die Zahl der eigenständigen rechtsextremistischen Websites im Netz gesunken ist, haben sich die Aktivitäten der Szene mit zunehmender Tendenz auf die Internetplattformen des Web 2.0 verlagert. Kennzeichnend für das Web 2.0 ist sein einfaches Handling: Der Nutzer kann ohne technische Vorkenntnisse eigene Beiträge im World Wide Web publizieren, Beiträge anderer kommentieren, sich virtuell vernetzen oder in Foren präsentieren. Jugendaffine virtuelle Spielewelten, Weblogs, Soziale Netzwerke sowie Bilderund Videocommunities sind einem breiten Publikum zugänglich und werden erfolgreich für Propagandaund Mobilisierungszwecke genutzt. So verbreiten Neonazi-Bands ihre hasserfüllten Musik-Videos und erzielen innerhalb kürzester Zeit regelmäßig mehrere hunderttausend Aufrufe. Ähnliche Publikumswirkung ist bei vielen Filmen "Autonomer Nationalisten" zu konstatieren, in deren Machwerken in schnellen, mit aggressiver Musik unterlegten Bildern zum "Kampf gegen das System" aufgerufen wird. Auch die von Neonazis entwickelte und im Web 2.0 publizierte Aktionsform "Die Unsterblichen" hat bundesweit verstärkt Zuspruch und Nachahmung gefunden. Durch die Aktionen sollen über die Botschaften "Die Demo28 http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/ 88 kraten bringen uns den Volkstod" und "Unser Volk stirbt" einer breiten Masse rassistisches Gedankengut nähergebracht werden. Verbunden werden die Aktionen mit einer medialen Aufarbeitung und Verbreitung über das Internet. Als bisheriger Höhepunkt gilt der Marsch von 150 bis 300 "Unsterblichen" durch Bautzen am 1. Mai 2011. E-Mail-Versand Verschiedene staatliche Einrichtungen, so Schulen und Behörden, aber auch Privatpersonen erhalten immer wieder unaufgefordert e-Mails, die zumindest eine gewisse Nähe der Verfasserinnen und Verfasser zu rechtsextremistischem Gedankengut erkennen lassen. Hierunter waren beispielsweise solche, deren Inhalte sich vordergründig mit Fragen der Schulpolitik und "Interessen von Schülerinnen und Schülern" auseinandersetzen. Bei näherer Analyse fallen allerdings nationalistische und revisionistische Thesen auf. Beispielsweise wird die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat negiert und stattdessen die angeblich fortwährende Existenz des "Deutschen Reichs" auf der Grundlage der Reichsverfassung von 1919 propagiert. Solche Texte entstammen Gruppierungen oder Einzelpersonen, die einem mehr oder weniger diffusen Reichsgedanken nachhängen. Nicht in jedem Fall kann dabei bereits von einer explizit rechtsextremistischen Prägung ausgegangen werden. Ungeachtet dessen bleibt bei einer entsprechend tendenziösen, einschlägigen Diktion Aufmerksamkeit geboten. Der Schritt in den Rechtsextremismus kann schnell vollzogen werden. 2. Linksextremismus In Rheinland-Pfalz ist das Internet mittlerweile das wichtigste Medium des (gewaltorientierten) linksextremistischen Spektrums geworden. Im Internet wird politische Propaganda betrieben, entsprechende Überzeugungsarbeit geleistet, und es werden Sachverhalte und Aktivitäten aus den jeweiligen Regionen thematisiert. Auf diese Weise sollen vor allem zeitnah Aufrufe zu Ereignissen wie Demonstrationen erfolgen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Veröffentlichen von Daten und Bildmaterial über den politischen Gegner, d.h. vornehmlich Rechtsextremisten. Dieses als "Outen" bezeichnete Vorgehen von Linksextremisten findet vor allem auch in 89 interaktiven Internetbereichen wie Foren oder Gästebüchern statt. Entsprechende Beiträge und Kommentare dienen der Einschüchterung und Diskreditierung der echten oder vermeintlichen "Rechten". Bezwecken sollen dies zum Beispiel Videos und Audiodateien. Insbesondere gewaltorientierte Linksextremisten nutzen zur Verschleierung ihrer Kommunikation im Internet spezielle Verschlüsselungsprogramme, verfälschen rechtsextremistische Webseiten oder blockieren deren Abruf. Des Weiteren sind nahezu alle linksextremistischen Parteien und Organisationen mit eigenen Informationsangeboten präsent, die beispielsweise der politischen Selbstdarstellung dienen und über Parteiveranstaltungen, Projekte und Pressearbeit informieren sollen. 3. Islamismus Das Internet hat sich als wichtigstes Kommunikationsund Propagandamedium im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus etabliert. Eine Vielzahl von Seiten deckt dabei ein weites Spektrum von Fragen einer islamischen Lebensführung und Rechtsordnung bis hin zu politischen Botschaften ab. Seiten jihadistischer Prägung verbreiten darüber hinaus Drohungen, Verherrlichung von Gewalt und sogenannten Märtyrern, Informationen zum Bau von Sprengsätzen, Anleitungen zur konspirativen Nutzung des Internet sowie Aufrufe, sich dem Jihad anzuschließen oder die Jihadisten auf anderem Wege zu unterstützen. Eine zuverlässige Bestimmung der Anzahl der Internetseiten mit islamistischen oder jihadistischen Inhalten ist nicht möglich. Dies liegt u.a. daran, dass Islamisten neben ihren zahlreichen eigenen Internetseiten auch interaktive, teilweise nicht spezifisch islamistische Internetdienste wie Weblogs, Diskussionsforen oder Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen und dass Internetseiten aus verschiedenen Gründen zeitweise oder permanent geschlossen werden, während an anderer Stelle neue entstehen. 90 VI. Spionageabwehr 1. Auftrag und allgemeine Lage Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein bevorzugtes Ausspähungsziel ausländischer Nachrichtendienste, was sich in der anhaltend hohen Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern in den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland widerspiegelt. Ihr Aufklärungsinteresse vor allem am wirtschaftlichen Entwicklungsprozess und den wissenschaftlich-technologischen Ressourcen Deutschlands hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mit einer Exportquote von über 50 Prozent nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Spitzenstellung ein und weckt damit nachrichtendienstliche Begehrlichkeiten, insbesondere an qualitativ hochwertigen Gütern und Technologien. Weiterhin reichen die Mittel und Methoden fremder Nachrichtendienste von offener Beschaffung bis hin zur klassischen Agentenführung. Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Strukturen zur illegalen Informationsund Güterbeschaffung, mit Schwerpunkt in den Bereichen Wirtschaftsspionage und Proliferation.29 Die größten Erfolgschancen bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bietet die Quelle im Objekt.30 Ausgesuchte Zielpersonen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung werden zunächst im Rahmen belanglos erscheinender Gespräche abgeschöpft. Kennzeichnend für die gewählten Ansprechmodalitäten sind die zuvor erforschten Hintergrundinformationen zu und aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld einer Zielperson. Arglose Auskunftspersonen werden als nachrichtendienstliche Tippgeber missbraucht. Weitere Kontakte mit der jeweiligen Zielperson dienen einem entsprechenden Vertrauensaufbau und letztlich ihrer nachrichtendienstlichen Einbindung, um dadurch an sensible Informa29 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. 30 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 91 tionen aus internen und vertraulichen Unterlagen zu gelangen. Die besondere Zugangslage des/der gewonnenen Agenten/Agentin, seine/ihre Vertrautheit mit den betrieblichen Abläufen und den ggf. vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen erleichtern die Gewinnung sensibler Daten. Zusammen mit einer persönlichen Bewertung durch die Quelle können die so gewonnenen Informationen von hohem nachrichtendienstlichem Wert sein. Auch die elektronische Aufklärung mit nachrichtendienstlicher Technik31 und die Überwachung elektronisch übertragener Daten32 zählen zu den gängigen nachrichtendienstlichen Methoden. Die über das Internet betriebene Ausforschung wird nicht zuletzt durch den vielfach sorglosen Umgang der Anwender begünstigt. Besondere Risiken ergeben sich aus der Nutzung spezieller Web 2.0-Anwendungen33 im Internet. So erfreuen sich "Soziale Netzwerke" (Online-Communities) im privaten wie geschäftlichen Bereich weiter steigender Beliebtheit und sind zu einem Massenphänomen mit globaler Reichweite geworden. Durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Daten haben sich diese Plattformen auch für fremde Nachrichtendienste zu einer interessanten und sehr aufschlussreichen Informationsquelle, insbesondere zur (verdeckten) Kontaktanbahnung, entwickelt. 2. Aktivitäten der Spionageabwehr 2.1 Spionage Der Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr liegt in der Aufklärung von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste. Die Auswertung gewonnener Informationen und Erkenntnisse, der Austausch im Verfassungsschutz31 z.B. Einsatz von Richtmikrophonen, Wanzen, Sprachund Videoaufzeichnungsgeräten 32 z.B. Internetüberwachung (insbesondere e-Mail-Verkehr, VoIP) 33 Der Begriff "Web 2.0" beschreibt eine veränderte Nutzung des Internets, bei der nicht mehr statische Informationsangebote, sondern die kommunikative Beteiligung der Nutzer im Vordergrund stehen. 92 verbund des Bundes und der Länder und nicht zuletzt der regelmäßige Kontakt zu Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik führen zu abgestimmten, nachhaltigen Maßnahmen, die den Aktionsradius fremder Nachrichtendienste einschränken. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Die russischen Nachrichtendienste dienen der Förderung von politischen und wirtschaftlichen Interessen Russlands. Sie unterstützen die Staatsführung bei der Vorbereitung und Durchsetzung der Regierungspolitik auf nationaler Ebene und sind zugleich wichtige Träger der Informationsbeschaffung im Ausland. Gerade die Spionage zur Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung und des wissenschaftlich-technischen Fortschritts gewinnt dabei weiter an Bedeutung. Die Steuerung nachrichtendienstlicher Operationen erfolgt entweder aus der Zentrale im Heimatland oder über abgetarnte Repräsentanzen an den diplomatischen Auslandsvertretungen, den sogenannten Legalresidenturen. In nahtloser Fortsetzung des früheren sowjetischen KGB verfügen seine heutigen Nachfolger (der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU und der Inlandsnachrichtendienst FSB) nahezu über die gleichen, umfassenden Befugnisse, die konsequent und zielgerichtet eingesetzt werden. Beispiel: Festnahme eines mutmaßlichen russischen Agentenehepaares Am 18. Oktober 2011 wurden zwei Personen wegen des dringenden Tatverdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für die Russische Föderation festgenommen. Es handelte sich hierbei um ein Ehepaar mit totalgefälschten österreichischen Personaldokumenten, das seit über 20 Jahren im Bundesgebiet lebte. In der Zeit von 2002 bis 2010 hatten sie ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz. Offensichtlich hatte der ehemalige russische Geheimdienst KGB das Ehepaar bereits zu Zeiten des "Kalten Krieges" angeworben. Nach dem Fall der Sowjetunion führte die Nachfolgeorganisation, der heutige SWR, die beiden als sogenannte illegale Agenten weiter. 93 In dem vorliegenden Fall wurde der klassische UKW-Funk zur Agentenführung eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Festnahme bediente die Ehefrau eine entsprechende UKW-Funkeinrichtung. Zu den tatsächlichen Zielbereichen und Aufklärungsschwerpunkten des russischen "Illegalen-Ehepaares" können derzeit keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Die berufliche Tätigkeit des Ehemannes als Ingenieur in der Automobilbranche nährt allerdings den Verdacht, dass es sich hier um einen Fall der Wirtschaftsspionage handeln könnte. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei dieser aufwändigen und Jahrzehnte andauernden Operation das gesamte Zielspektrum russischer Nachrichtendienste verfolgt worden ist. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betrachtet jegliche politische Opposition und unkontrollierte religiöse Betätigungen als Bedrohung ihres Systems. Die chinesischen Nachrichtendienste gehen mit massiven Repressionen gegen diese Bestrebungen vor. Sie sind mit umfassenden Befugnissen ausgestattet und unterliegen keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen. Insbesondere das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) und der militärische Nachrichtendienst (MID) entfalten Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch das "Büro 610"34 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist in Deutschland nachrichtendienstlich tätig. Seine Zuständigkeit liegt in der Beobachtung und Bekämpfung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong35. Urteil gegen einen Angehörigen eines chinesischen Nachrichtendienstes Das Oberlandesgericht Celle verurteilte den deutschen Staatsangehörigen chinesischer Herkunft Dr. John Zhou am 8. Juni 2011 wegen geheimdienstlicher 34 Benannt nach seinem Gründungsdatum 10.06.1999 35 Bei der Falun Gong-Bewegung handelt es sich um eine ursprünglich unpolitische spirituelle Bewegung mit ihren Wurzeln in China. Seit 1999 kritisiert sie allerdings öffentlich mit weltweiten Aktionen auch die chinesische Staatsführung. Seither sieht sie sich der Verfolgung durch chinesische Behörden ausgesetzt. 94 Agententätigkeit zu einer Geldstrafe von 27.000 EUR. Das Gericht hat den Angeklagten neben dem Schuldspruch verwarnt, die Verurteilung zur Geldstrafe aber vorbehalten. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgelegt. Als Bewährungsauflage muss Dr. John Zhou einen Betrag in Höhe von 15.000 EUR an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Der Angeklagte wurde für schuldig befunden, im Auftrag des chinesischen Nachrichtendienstes "Büro 610" insbesondere die deutsche Sektion der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong ausgespäht zu haben. Beispiel: Verurteilung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) Am 23. September 2011 wurde der in München wohnhafte chinesische Staatsangehörige Liansheng G. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einer Zahlung in Höhe von 1.000 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Liansheng G. Informationen über die exiluigurische Gemeinde in Deutschland und deren Organisationen an einen Geheimdienst der Volksrepublik China geliefert hat und dabei von einem am chinesischen Generalkonsulat in München akkreditierten Diplomaten nachrichtendienstlich geführt wurde. Liansheng G. war über mehrere Jahre hinweg und in zahlreichen Einzelaktionen für den chinesischen Geheimdienst tätig. Trotz einer Abmahnung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz setzte er seine geheimdienstliche Tätigkeit fort. Seit Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings verstärken auch die Geheimdienste aus Staaten des Nahen Ostens und aus Nordafrika ihre Aktivitäten gegen Regimegegner in der Bundesrepublik. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Bisheriger Höhepunkt waren die Festnahme von zwei syrischen Agenten und die Ausweisung ihrer Führungskader an der syrischen Botschaft in Berlin im Februar 2012. 95 Beispiel: Festnahmen von mutmaßlichen syrischen Agenten Am 7. Februar 2012 wurden in Berlin ein Deutsch-Libanese und ein syrischer Staatsangehöriger wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 StGB) festgenommen und deren Wohnungen durchsucht. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, für einen syrischen Geheimdienst seit Jahren planmäßig syrische Oppositionelle in der Bundesrepublik ausgeforscht zu haben. Sechs weitere Beschuldigte sollen sich an der Ausspähung beteiligt haben. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausweisungen von vier syrischen Diplomaten durch den Bundesaußenminister zu sehen. Beispiele: Anklagen wegen mutmaßlicher Spionage für einen marokkanischen Geheimdienst Die Bundesanwaltschaft hat am 26. Januar 2011 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle gegen den 43-jährigen marokkanischen Staatsangehörigen Mhamed J. Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) erhoben. Diesem wird vorgeworfen, in der Zeit von Oktober 2009 bis Oktober 2010 als "Informeller Mitarbeiter" des marokkanischen Geheimdienstes in Deutschland lebende Oppositionelle ausgespäht und die hierbei erlangten Kenntnisse an seine geheimdienstlichen Auftraggeber weitergeleitet zu haben. Ziele der geheimdienstlichen Ausspähungen waren insbesondere Mitglieder der "Frente Polisario", einer Widerstandsbewegung aus der Westsahara. Am 12. August 2011 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle gegen den 34-jährigen marokkanischen Staatsangehörigen Nabil H. Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. Nabil H. soll sich im Januar 2010 gegenüber einem "Informellen Mitarbeiter" des marokkanischen Nachrichtendienstes bereit erklärt haben, Sympathisanten der "Frente Polisario" anhand von Fotos des Geheimdienstes zu identifizieren und zu lokalisieren. In der Folgezeit unterrichtete er bis Juli 2010 seinen Auftraggeber regelmäßig über die Ergebnisse seiner Bemühungen. 96 2.2 Proliferation Im Fokus der Spionageabwehr stehen zunehmend die Aufklärung und Verhinderung der Versuche sogenannter kritischer Staaten36, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie sowie des dazugehörenden Know-how zu gelangen. Besondere Aufmerksamkeit galt auch im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten des Iran. Im Jahr 2011 waren deutsche Unternehmen, darunter Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, weiterhin Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus dem Iran. Proliferationsrelevante Güter sind aufgrund ausfuhrrechtlicher Restriktionen oder bestehender UN-Embargos genehmigungspflichtig oder generell nicht genehmigungsfähig. Diese Güter können zur Entwicklung eines iranischen Nuklearund Trägertechnologieprogramms verwendet werden. Abgetarnt in internationalen Netzwerken versuchten beispielsweise ausländische Geschäftsleute, Steuerungsund Antriebsteile (Kreiselkompasse und Motoren/Triebwerke), Navigationsgeräte militärischer Prägung, Hochgeschwindigkeitskameras, Messgeräte für die Nukleartechnik sowie Kegelventile und Vakuumpumpen zu erwerben. Bei ihren Beschaffungsversuchen zeigten sich die iranischen Einkäufer äußerst fachkundig und methodisch geschult. Bereits in der Auswahl ihrer Ansprechpartner verfolgten sie verschiedene Varianten. Sie wandten sich nicht nur unmittelbar an die in Deutschland oder im Ausland ansässigen Hersteller sensibler Technik. Bisweilen suchten sie sich im Inund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Kenntnisse im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. In Einzelfällen leisteten rheinland-pfälzische Unternehmen unbewusst illegale Unterstützungshandlungen, z.B. im Rahmen von ausfuhrgenehmigungspflichtigen Finanztransfers. Einigen angefragten Unternehmen war das Ansinnen der iranischen Einkäufer zumindest zweifelhaft, weshalb sie, sensibilisiert u.a. durch 36 Kritische Staaten sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien). 97 Veröffentlichungen und Vortragsveranstaltungen, Kontakt mit der rheinlandpfälzischen Spionageabwehr aufgenommen haben. Durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz konnten bereits im Vorfeld illegale Ausfuhren und Reputationsverluste verhindert werden. Welche Konsequenzen in diesem Zusammenhang Verstöße gegen ausfuhrrechtliche Bestimmungen nach sich ziehen können, zeigt beispielhaft der nachfolgende Fall: Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) Das Landgericht München II verurteilte am 14. April 2011 einen iranischen Geschäftsmann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 90.000 EUR. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen hat, indem er sogenannte Schlangenwärmetauscher ohne die notwendige Ausfuhrerlaubnis in den Iran geliefert hatte. Die Spionageabwehr bietet mit der Herausgabe ihrer Broschüre "Proliferation - Wir haben Verantwortung" einen aktuellen Überblick zu dieser Thematik. 2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz Die Wirtschaft zählt seit jeher zu den klassischen Aufklärungszielen fremder Nachrichtendienste, denn eine prosperierende Volkswirtschaft ist Grundvoraussetzung für die innere Stabilität eines Staates. Generell sollen bei jeder Form von staatlich gelenkter Wirtschaftsspionage37 Forschungsund Entwicklungskosten eingespart und bestehende Rückstände in der wissenschaftlich-technischen Entwicklung aufgeholt werden. Insbesondere die Russische Föderation und die Volksrepublik China betreiben mit ihren Nachrichtendiensten intensive Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik Deutschland. Im Fokus ihrer Ausspähungsbestrebungen stehen Tech37 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 98 nologien, die für die Konkurrenzfähigkeit moderner Volkswirtschaften und bei der Eroberung von Märkten von Relevanz sind. Betroffen sind neben der Rüstungstechnologie die Umwelttechnologien und fast alle Sparten der elektronischen und chemischen Industrie, der Maschinenund Anlagenbau sowie die Luftund Raumfahrt. Darüber hinaus sind strategische Informationen aus Politik und Wirtschaft von Interesse. Angesichts der verschärften Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt und der anhaltenden Folgen der internationalen Finanzund Wirtschaftskrise gewinnen sowohl Wirtschaftsspionage als auch ihre Abwehr zunehmend an Bedeutung. Mit der bereits Mitte der 90er Jahre gegründeten und in den letzten Jahren inhaltlich und organisatorisch breiter angelegten Sicherheitspartnerschaft nahm Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle für die Einbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung in präventive Abwehrstrategien ein. Durch gezielte Sensibilisierungsgespräche hat der Verfassungsschutz seine Präventionsarbeit auf hohem Niveau fortgesetzt. Nachgefragt wurden insbesondere Vortragsveranstaltungen in Unternehmerkreisen, Workshops und Tagungen, die durch ihre Multiplikatorenwirkung die Sensibilität für Spionagegefahren erhöhen sollen. Die notwendige betriebliche Eigenvorsorge gegen Wirtschaftsspionage schützt ein Unternehmen auch vor der wirkungsgleichen Konkurrenzausspähung38. Die Aktivitäten des Verfassungsschutzes zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft haben durch die auffällige Steigerung von Netzwerkangriffen gegen Staat und Wirtschaft einen weiteren Schwerpunkt erfahren. Die im Jahr 2011 vollzogenen Internetattacken betrafen erneut bundesdeutsche Behördennetzwerke und Firmen im ganzen Bundesgebiet. Diese gezielten Angriffe waren größtenteils offenkundig chinesischen Ursprungs. Dies korrespondiert mit dem Ausbau der Kapazitäten chinesischer Nachrichtendienste im Bereich der elektronischen Ausspähung. Unzureichend geschützte Netzwerkstrukturen ermöglichten den Angreifern bundesweite Zugriffe auf nahezu alle Informationsebenen. Die Bandbreite der 38 Die illegale Beschaffung unternehmerischer Informationen durch einen Wettbewerber - ohne Auftrag eines Nachrichtendienstes - wird als Konkurrenzausspähung oder Industriespionage bezeichnet. 99 eingesetzten Schadsoftware reichte dabei von einfachen Virusprogrammen zu Sabotagezwecken bis hin zu signaturarmen und somit schwer lokalisierbaren Trojanern, die in Netzwerksystemen eine sogenannte Backdoor39 öffneten und es dem Angreifer ermöglichten, auf das gekaperte Netzwerk zuzugreifen. Betroffene Unternehmen stehen im Kontakt mit dem Verfassungsschutz und werden fortlaufend betreut. Ein ungewollter Informationsabfluss wurde bisher in Rheinland-Pfalz nicht bekannt. Als Reaktion auf die permanent steigende Anzahl von Internetattacken nahm das Nationale Cyberabwehrzentrum unter der Federführung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) am 1. April 2011 seine Arbeit auf. Das Cyberabwehrzentrum ist ein Bestandteil der Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland, die von der Bundesregierung am 23. Februar 2011 beschlossen wurde. Es hat die Aufgabe, IT-Sicherheitsvorfälle schnell und umfassend zu bewerten und abgestimmte Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Auch die Europäische Union (EU) wurde zum Ziel eines IT-Angriffs auf ihr eigenes Netzwerk. Die EU-Kommission verfügt über ein Kommunikationsnetz, das die einzelnen Stellen der EU-Kommission miteinander verbindet. Im Februar 2011 wurde eine Schadsoftware entdeckt, die sich seit mindestens Oktober 2007 auf Rechnern innerhalb des Netzes der EU-Kommission befand. Dies ermöglichte dem Angreifer, über einen Zeitraum von wenigstens 40 Monaten auf sämtliche Daten im Netz der EU-Kommission unkontrolliert zuzugreifen. Nach einhelliger Meinung aller an der Analyse beteiligten Experten ist die EUKommission Opfer eines groß angelegten Angriffs geworden, der auf Informationsabschöpfung angelegt war. Es soll sich um eines der hochwertigsten Schadprogramme handeln, das je bekannt wurde; es geht hinsichtlich Qualität und Funktionalität über bisher bekannte Schadprogramme weit hinaus. Es ist davon auszugehen, dass der Angriff auf das Netz der EU-Kommission einen staatlichen bzw. nachrichtendienstlichen Hintergrund besitzt. 39 Backdoor (dt. Hintertür) ist eine Umgehung der normalen Zugriffssicherung, um einen Zugang zu einem Computer/ Netzwerk zu erlangen. 100 Einen aktuellen Überblick zu verschiedenen Aspekten des Informationsschutzes und den einzelnen Gefahrenpotenzialen der Wirtschaftsspionage bietet der Verfassungsschutz u.a. mit der Broschürenreihe: # Verfassungsschutz - Ihr Ansprechpartner für Wirtschaftsschutz # Sicherheit im Know-how-Transfer # Elektronische Attacken auf Informationsund Kommunikationstechnik # Schrankenlose Offenheit - "soziale Netzwerke" im Web # S icherheitslücke Mensch - Der Innentäter als größte Bedrohung für die Unternehmen # Wissenschaftsspionage - Gefahren für Forschung und Lehre. Die Reihe wird derzeit ergänzt um die Themen Geschäftsreisen, Personalauswahl, Besuchermanagement und Einbruchsdiebstahl. Die Broschüren und weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter http://www.verfassungsschutz.rlp.de abrufbar. 101 VII. Geheimschutz/Sabotageschutz 1. Geheimschutz Der Geheimschutz gehört zum Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats. Er dient dem Zweck, Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme zu schützen. Diese geheim zu haltenden Tatsachen werden als staatliche Verschlusssachen bezeichnet. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät und unterstützt der Verfassungsschutz landesweit Behörden und geheimschutzbetreute Unternehmen im vorschriftskonformen40 Umgang mit Verschlusssachen (VS). Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststellen und die Sicherheitsbevollmächtigten der Unternehmen, die durch VS-Beratungen, Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren informiert werden. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse amtliche Verschlusssachen anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen könnten. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) wird festgestellt, ob der (vorgesehene) Geheimnisträger oder die Geheimnisträgerin nach deren bisherigem Verhalten für den Umgang mit den ihm/ ihr anzuvertrauenden Verschlusssachen geeignet ist. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) übermittelt der Verfassungsschutz dem Geheimschutzbeauftragten der Behörde oder Stelle als "Sicherheitsvotum". Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die mit staatlichen Verschlusssachen umgehen und deshalb der staatlichen Geheimschutzbetreuung unterliegen. Neben dem LSÜG ist hier das "Handbuch 40 Nach der Verschlusssachenanweisung (VSA) Rheinland-Pfalz betrifft dies insbesondere technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. 102 für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) Grundlage der weitergehenden Maßnahmen, zu dessen Anwendung alle Beteiligten sich freiwillig verpflichten. Die in Rheinland-Pfalz ansässigen Betriebe, insbesondere solche der Hochtechnologie, werden im Interesse eines umfassenden Wirtschaftsschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse. Diesbezüglich werden seitens der Verfassungsschutzbehörde im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft für die Wirtschaft auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen entsprechend sensibilisiert. 2. Sabotageschutz Im Jahr 2003 ist der vorbeugende personelle Sabotageschutz in das LSÜG auf genommen worden. Danach sind auch die Personen einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen. Auch bei diesen Sicherheitsüberprüfungen wirkt die Verfassungsschutzbehörde mit. Ebenso ist der Verfassungsschutz beispielsweise bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach SS 12b Atomgesetz sowie nach SS 7 Luftsicherheitsüberprüfungsgesetz beteiligt. 103 C. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 104 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 427) Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10 a Weitere Einzelfallbefugnisse SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen SS 10 c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach SS 10 b Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten 105 SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten 106 Teil 1 behörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung Allgemeine Bestimmungen der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS1 Zweckbestimmung SS4 Begriffsbestimmungen Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes Länder. oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in SS2 einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzbehörde schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Ministerium des Innern und für Sport als Gebiet abzutrennen; Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Bundes oder eines Landes politisch beeinander nicht angegliedert werden. stimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen SS3 Personenzusammenschluss, der darauf gerichZusammenarbeit in Angelegenheiten des tet ist, den Bund, Länder oder deren Verfassungsschutzes Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demomit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten kratische Grundordnung politisch bestimmte, des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegeneinem oder für einen Personenzusammenseitiger Unterstützung und im Informationsausschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer diesem Gesetz genannten VerfassungsgrundEinrichtungen. sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einverihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unternehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutznicht in einem oder für einen Personenzusammengesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 schluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses beschädigen. Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden (2) Zur freiheitlichen demokratischen Länder zulassen. Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c Wahlen und Abstimmungen und durch besondes Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzdere Organe der Gesetzgebung, der vollzie107 henden Gewalt und der Rechtsprechung ausAbs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche zuüben und die Volksvertretung in allgemeiZusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 ner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheides Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatmer Wahl zu wählen, sächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasDie Beobachtung erfolgt durch gezielte und sungsmäßige Ordnung und die Bindung der planmäßige Sammlung und Auswertung von vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Informationen, insbesondere von sachund an Gesetz und Recht, personenbezogenen Auskünften, Nachrichten 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer und Unterlagen. parlamentarischen Opposition, SS6 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhal6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrtungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder schaft und Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen 7. die im Grundgesetz konkretisierten können, Menschenrechte. 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von Teil 2 lebensoder verteidigungswichtigen EinAufgaben der Verfassungsschutzbehörde richtungen beschäftigt sind oder werden sollen, SS5 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Beobachtungsaufgaben Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen oder die Sicherheit des Bundes oder eines Fällen. Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der SS7 Verfassungsorgane des Bundes oder eines Unterrichtung der Landesregierung und der Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienst((1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die liche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Landesregierung regelmäßig und umfassend über Deutschland für eine fremde Macht, Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereifachlich zuständige Minister unterrichtet die tungshandlungen auswärtige Belange der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten Bundesrepublik Deutschland gefährden, und nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Ge(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach danken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten 108 bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe tendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtenfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Bediensteten, Vertrauensleuten und GewährsInteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige personen, das Anwerben und Führen gegnerischer Interesse der betroffenen Person überwiegt. Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Teil 3 Verwendung von Tarnpapieren und TarnkennBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde zeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die SS8 Zuständigkeit für die Anordnung solcher InformaAllgemeine Rechtsgrundsätze tionsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzu(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz legen. und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und die zeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinlich gesprochenen Wortes unter verdecktem trächtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme oder den fachlich zuständigen Minister und der ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlaoder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsbefugBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. nisse gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsDezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersudie Genehmigung dieser Kommission nachträglich chen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoSS9 genen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung Allgemeine Befugnisse des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßund der kommunalen Gebietskörperschaften leisnahmen treffen, insbesondere Informationen einten der Verfassungsschutzbehörde für ihre schließlich personenbezogener Daten verarbeiten, Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist Befugnisse besonders regeln. zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn SS 10 Besondere Befugnisse 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung und Gegenstände einschließlich technischer Mittel solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachzur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichrichtenzugänge gewonnen werden können, 109 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehsie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unvermen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verzüglich zu veranlassen. dächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu SS 10 a ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um Weitere Einzelfallbefugnisse auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätig(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall keiten für eine fremde Macht oder gewalttäbei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten tige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu gewinnen, zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanund Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände lagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer und Nachrichtenzugänge der VerfassungsAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wieoder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend gende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist oder genannten Schutzgüter vorliegen. 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall und der hieraus gewonnenen Informationen bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zwingend erforderlich ist. zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Beihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordertroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich lich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 anzunehmen, wenn die Information auch aus allgegenannten Schutzgüter vorliegen. mein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stebis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unterwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltsnehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen punkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf erbringen, sowie bei denjenigen, die an der diese Weise erreicht werden kann. Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, (5) Betroffenen sind Maßnahmen nach Absatz 2 Postfächern und sonstigen Umständen des nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Postverkehrs einholen. Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausge(4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall schlossen werden kann. Lässt sich zu diesem zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsMitteilung so lange, bis eine Gefährdung des mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentaAuskünfte über Telekommunikationsverbinrischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, dungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einhoPostund Fernmeldegeheimnisses gebildete len. Die Auskünfte können auch in Bezug auf Kommission ist über die Gründe, die einer zukünftige Telekommunikation und zukünftige 110 Nutzung von Telediensten verlangt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 Telekommunikationsverbindungsdaten und bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 Teledienstenutzungsdaten sind des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet Standortkennungen sowie Rufnummer oder über die durchgeführten Maßnahmen nach den Kennung des anrufenden und angerufenen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen KontrollAnschlusses oder der Endeinrichtung, gremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen und Uhrzeit, Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundes3. Angaben über die Art der vom Kunden in verfassungsschutzgesetzes. Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, SS 10 b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Wohnungen Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur ihrer Aufgaben nach SS 5 zur Abwehr dringender auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondedie G 10Aufsichtsbeamtin oder den G re einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des technische Mittel zur optischen und akustischen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die von Beschränkungen des Brief-, Postund FernErforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der meldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von begründen. Über den Antrag entscheidet die Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließLeiterin oder der Leiter oder die stellvertretende lich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich Vertreter angeordnet ist. zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem (2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldetatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von geheimnisses gebildete Kommission über die Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 besteht. beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung Ministerin oder der fachlich zuständige Minister steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Bezug zu den in SS 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontaktoder Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz unvermeidbar betroffen werden. zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheim(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in nisses entsprechende Anwendung. Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AuskunftsAnnahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach geber nicht mitgeteilt werden. Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Über111 wachung der Wohnung allein dieser Person zur automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprewerden. Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz chend erscheint. 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten (4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterSatz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der brochen worden, darf sie unter den in Satz 1 Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungs(7) Ein Eingriff in ein nach den SSSS 53 und 53 a der schutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz Strafprozessordnung geschütztes Vertrauenstechnischer Mittel anordnen; eine richterliche verhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entspreEntscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit chend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern die Anordnung des Leiters der VerfassungsschutzTatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die behörde oder seines Vertreters nicht binnen drei zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen SS 5 steht oder eine Kontaktoder Begleitperson nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu (Absatz 2 Satz 2) ist. löschen. SS 10 c (5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Besondere Bestimmungen für Maßnahmen zu überwachende Wohnung und die Person, gegen nach SS 10 b die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeich(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorgestaltung oder aus Eingriffen entgegen SS 10 b handenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokueinen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, mentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht fortbestehen. In der Begründung der Anordnung mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Daten nach SS 10 b der gerichtlichen Kontrolle Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so des Landesbeauftragten für den Datenschutz und sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen die Informationsfreiheit. Maßnahmen unverzüglich zu beenden. (2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck (6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur der Abwehr von Gefahren für die öffentliche angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitaufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondeliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, re hinsichtlich der Art der überwachten Räumwenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme lichkeit und des Verhältnisses der überwachten richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist. die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurech(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu untergericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsbrechen, soweit sich während der Überwachung schutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Verfahren in Familiensachen und in den AngeKernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechlegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine sprechend. 112 (4) Die aus einer Maßnahme nach SS 10 b gewonMaßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten nenen personenbezogenen Daten sind zu kennohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem zeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtsperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. zuerhalten. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu (5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem sein Vertreter kann anordnen, dass bei der ÜberJahr der Löschung folgt, zu vernichten. SS 11 Abs. 5 mittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 vergilt entsprechend. zichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungs(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht ten die Bestimmungen des SS 10 Abs. 5 mit der zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßgabe, dass die Zurückstellung der BenachAnordnung bereits vor der Zustimmung getroffen richtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende (6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach SS 10 b Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist 1. zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer Teil 4 gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, Datenverarbeitung oder SS 11 2. zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten Erhebung, Speicherung und Nutzung personennach SS 100 c Abs. 2 der Strafprozessordnung. bezogener Daten Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, wurden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die über1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht mittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffevon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 nen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass vorliegen, eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfordieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser derlich ist oder Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die erforderlich ist. Übermittlung ist zu protokollieren. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezo(8) Sind die durch eine Maßnahme nach SS 10 b gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks oder andere Datenträger belegbar sein. und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unver(2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich lichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 113 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verardass in Akten gespeicherte personenbezogene beitet werden, wenn Daten unrichtig oder unvollständig sind. 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr wäre und erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie betroffenen Person nicht entgegenstehen. schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenDaten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werbezogenen Daten entsprechenden Akten oder den, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderVerständnis der zu speichernden Informationen lich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand mögVoraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. lich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine (3) Werden personenbezogene Daten bei BetroffeLöschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach nen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErhebungsSatz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. zweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzuset(4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 fen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur persound des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den nenbezogene Daten über die Personen gespeichert Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 unterliegen oder in diese einbezogen werden. Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu berichtigen oder zu löschen sind. Zwecken der Datenschutzkontrolle, der DatenGespeicherte personenbezogene Daten über sicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgeBestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin erheblicher Gefährdungen der öffentlichen oder der Leiter der für den Verfassungsschutz Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern Freiheit einer Person erforderlich ist. und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 12 den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Berichtigung, Löschung und Sperrung personenInteressen Betroffener erforderlich ist. bezogener Daten SS 13 (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Informationsübermittlung an die Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenVerfassungsschutzbehörde bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln 114 von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Inforstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsder Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 hältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die lung personenbezogener Daten ist auf Name, öffentlichen Stellen des Landes und der kommuAnschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangenalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle hörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Veranderen ihnen bekannt gewordenen Informationen fassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu einschließlich personenbezogener Daten übermitbeschränken. teln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ÜbermittStrafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für lung für die Erfüllung der Aufgaben der VerfassungsZwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz schutzbehörde erforderlich ist. nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhalts(2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle punkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Strafihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich taten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde kommunalen Gebietskörperschaften Informationen findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Anwendung. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die SS 14 Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Informationsübermittlung durch die Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Verfassungsschutzbehörde Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentnur durch eine die Betroffenen stärker belastende liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Maßnahme erhoben werden können. ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete empfangende Stelle darf personenbezogene Daten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitVerfassungsschutzbehörde die Übermittlung persotelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes nenbezogener Informationen oder Informationsbestimmt ist. bestände von öffentlichen Stellen des Landes und (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsder kommunalen Gebietskörperschaften nur verlanschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes gen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übersicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen mitteln an Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitoder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzgegen die freiheitliche demokratische Grundordabkommens zu dem Abkommen zwischen den nung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes Parteien des Nordatlantikvertrages über die oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden in der Bundesrepublik Deutschland statiooder gegen den Gedanken der Völkerverständigung nierten ausländischen Truppen vom 3. August oder das friedliche Zusammenleben der Völker 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann geändert durch Abkommen vom 18. März auch Einsicht in die amtlichen Dateien und son1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 115 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeiVoraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie behörden zur Verfolgung von StaatsschutzAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. delikten, den in SS 100 a der Strafprozess(3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf ordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des genannten Straftaten und sonstigen StrafLandes und der kommunalen Gebietskörpertaten im Rahmen der organisierten Kriminaschaften Auskunft einschließlich personenbezolität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Einstellungs-, Disziplinarund KündigungsverStraftaten sowie sonstige Straftaten, bei fahren, im Einbürgerungsverfahren und in den denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift der Täterin oder des Täters oder der Verbinvorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft dung zu einer Organisation tatsächliche muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen Stelle zwingend erforderlich sein. die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gerichtet sind, gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit dem Militärischen Abschirmdienst Informationen sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies einschließlich personenbezogener Daten. zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenzur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden bezogene Daten an ausländische Nachrichtenerheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden dienste angrenzender Staaten, an andere auslänBekämpfung der in Nummer 2 genannten dische öffentliche Stellen sowie an überund zwiStraftaten oder von Verbrechen, für deren schenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher dient, Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen Stelle erforderlich ist und diese die personenmit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesonBelange der Bundesrepublik Deutschland oder dere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen BeFreiheit einer Person oder dem Schutz von troffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist Sachen von bedeutendem Wert oder der aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle Gewährleistung der Sicherheit von lebensist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten peroder verteidigungswichtigen Einrichtungen im sonenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt Sinne des Landessicherheitsüberprüfungswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, gesetzes dienen und dies mit den Aufgaben und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbeder Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 hält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. und SS 6 vereinbar ist. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöfIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesfentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei verfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verdenn, dies ist fassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staats1. zum Schutze der freiheitlichen demokraanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den tischen Grundordnung, des Bestandes oder Polizeibehörden des Landes Informationen einder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschschließlich personenbezogener Daten unter den land oder eines ihrer Länder oder zur 116 Gewährleistung der Sicherheit von lebensSS 16 oder verteidigungswichtigen Einrichtungen im Besondere Pflichten bei der Übermittlung perSinne des Landessicherheitsüberprüfungssonenbezogener Daten gesetzes, (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremGesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind de Macht, sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherohne Bedeutung. heitsgefährdenden oder geheimdienstlichen (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Tätigkeiten oder vor der planmäßigen UnterBestimmungen dieses Gesetzes übermittelten perwanderung von Wirtschaftsunternehmen sonenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass genannten Bestrebungen oder sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, oder Vermögen einer Person erforderlich. Die wenn die Trennung von anderen personenbezoÜbermittlung bedarf der Zustimmung der genen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforfachlich zuständigen Ministerin oder des fachderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem lich zuständigen Ministers oder der Leiterin Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persooder des Leiters der für den Verfassungsschutz nenbezogenen Daten zu sperren. zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu SS 17 machen. Die empfangende Stelle ist darauf Minderjährigenschutz hinzuweisen, dass die übermittelten perso(1) Personenbezogene Daten über das Verhalten nenbezogenen Daten nur zu dem Zweck von Minderjährigen vor Vollendung des 14. genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr überLebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des mittelt wurden, und dass die VerfassungsSS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten schutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über Akten gespeichert werden. die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 SS 15 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten Übermittlungsverbote gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten erfordern, insbesondere Gründe des Quellenvon Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen schutzes, des Schutzes operativer Maßdieses Gesetzes übermittelt werden, solange die nahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt entgegenstehen oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregesie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur lungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsBedeutung erforderlich ist. pflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebens117 jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Gesetzes nicht an ausländische oder überoder Informationsfreiheit wenden können. Mitteilungen zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an Betroffene SS 18 dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand Auskunft an Betroffene der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zuge(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffestimmt hat. nen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für SS 19 deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Datenschutzkontrolle Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Der oder dem Landesbeauftragten für den Datennicht auf die Herkunft der Daten und auf die empschutz und die Informationsfreiheit ist auf Verlangen fangende Stelle bei Übermittlungen. Über persoZutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder nenbezogene Daten in nichtautomatisierten ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in Dateien und Akten, die nicht zur Person von alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Auffinden der personenbezogenen Daten mit angeEinzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des messenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit Teil 5 Parlamentarische Kontrolle 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, SS 20 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein Parlamentarische Kontrollkommission können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Ver(1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen fassungsschutzbehörde zu befürchten ist, Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzsonst dem Wohl des Bundes oder eines behörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Landes Nachteile bereiten würde oder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkom4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung mission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausnach einer Rechtsvorschrift oder wegen der schüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlaüberwiegenden berechtigten Interessen mentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Dritter geheimgehalten werden müssen. Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission Abteilung des Ministeriums des Innern und für besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus Sport oder hierzu besonders Beauftragte. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontroll(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf kommission wählt eine Vorsitzende oder einen keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun(3) Die Beratungen der Parlamentarischen dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgeKontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder lehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verdas Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, pflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt 118 werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des LandesdatenAusscheiden. schutzgesetzes keine Anwendung (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine MitgliedSS 23 schaft in der Parlamentarischen KontrollkomEinschränkung von Grundrechten mission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrolldes Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für kommission ausscheidet. Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 SS 21 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung Befugnisse der Parlamentarischen für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. Kontrollkommission SS 24 (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der (Änderungsbestimmung) fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens SS 25 zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Inkrafttreten Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unter(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung richtung umfasst auch den nach SS 10 b Abs. 1 Satz in Kraft. 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 b Abs. 1 Satz 2 erfolgten Einsatz tech(2) (Aufhebungsbestimmung) nischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10 a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10 a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 119 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 120 Impressum Herausgeber: Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Schillerplatz 3 - 5 55116 Mainz Druck: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz Der Verfassungsschutzbericht 2011 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.verfassungsschutz.rlp.de ISSN 0948-8723 MINISTERIUM DES INNERN, FÜR SPORT UND INFRASTRUKTUR Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131/16-3773 www.verfassungsschutz.rlp.de