MINISTERIUMDES INNERN UND FÜR SPORT VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 2009 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Internet: www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2009 1 2 Vorwort Die aktuelle Entwicklung stellt hohe Anforderungen an Politik und Sicherheitsbehörden. Im Zuge der Globalisierung schreitet die weltumspannende wirtschaftliche, informationelle und soziokulturelle Vernetzung voran. Moderne Gesellschaften hängen vom Funktionieren komplexer, sensibler Infrastrukturen ab - eine davon ist das Internet. Gleichzeitig müssen immer mehr Menschen unterschiedlicher Herkunftsregionen und Kulturen lernen, in nationalen Grenzen friedlich und ohne Furcht voreinander zusammenzuleben. Dies alles schafft Chancen. Es birgt aber auch Risiken und Gefahren für die Innere Sicherheit, mit denen wir uns offensiv auseinandersetzen müssen. Extremisten unterschiedlicher Couleur, religiös motivierte Fanatiker und autoritär geführte Staaten haben ein Interesse, Prozesse wie die genannten zu stören. Auch im Jahr 2009 musste sich der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz mit einer Vielzahl extremistischer und sicherheitsgefährdender Bestrebungen auseinandersetzen. Die Islamisten stellen unter den Muslimen innerhalb und außerhalb Deutschlands eine absolute Minderheit dar. Doch die von ihnen ausgehenden Gefahren für die Sicherheit und das friedliche Zusammenleben der Menschen sind gravierend. Besorgniserregend war 2009 die großangelegte Propagandaoffensive 3 islamistischer Terroristen gegen Deutschland. Mit Terrordrohungen versuchten sie, die deutsche Außenund insbesondere Afghanistan-Politik zu beeinflussen. Der Rechtsstaat ist jedoch nicht erpressbar. Er muss seine Bevölkerung vor den Gefahren, die von "al-Qaida", "Islamischer Jihad-Union" und anderen Gruppierungen ausgehen, wirksam schützen. Bislang ist dies gelungen, aber die Anschlagsgefahr besteht fort und damit auch die Notwendigkeit der Wachsamkeit. Die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren bleiben virulent. Die Landesregierung sieht sich daher in ihrer konsequenten Politik gegen den Rechtsextremismus bestätigt. Seine Bekämpfung ist eine vordringliche Aufgabe. Besondere Schwerpunkte sind die Aufklärungsarbeit unter Jugendlichen und die Beratung von Kommunen. Hier hat sich die Einrichtung der Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz bewährt. Es gilt vor allem, den geistigen Nährboden der Rechtsextremisten auszutrocknen und deren Spielräume einzuengen. Rechtsextremisten ist es 2009 in Rheinland-Pfalz gelungen, wenn auch mit mäßigem Erfolg, Mandate in Kommunalparlamenten zu erringen. Dies spiegelt ihr anhaltendes Bestreben wider, sich "regional zu verankern". Es muss im Interesse aller liegen, dass ihnen dies nicht gelingt. Der militante Linksextremismus hat 2009 an Dynamik gewonnen. Wenngleich Rheinland-Pfalz bislang von Gewaltexzessen weitgehend verschont blieb, stelle ich fest: Gewaltbereite Linksextremisten haben in mehreren Bundesländern ihre Aktionen verstärkt. Die Anwendung von Gewalt wird durch die zivilisierte Gesellschaft nicht geduldet und ist ein Angriff auf die Freiheit. Auch der Kampf gegen den "Faschismus", der von Linksextremisten als Legitimation für Gewalt gegen Menschen und Sachen bemüht wird, stellt keine Rechtfertigung dar. Es ist vielmehr ein Vehikel für das Erreichen einer links-totalitären Gesellschaftsordnung. Unter den nicht islamistischen extremistischen Ausländerorganisationen blieb 2009 der "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) dominierend. Solange es in der Türkei keinen entscheidenden Durchbruch bei der Lösung der innenpoliti- 4 schen Fragen mit Blick auf die kurdische Minderheit gibt, bleibt die Sicherheitslage fragil. Das Verhalten hier ansässiger Gefolgsleute extremistischer Gruppen steht daher im Blickpunkt des Verfassungsschutzes. Auch im Jahr 2009 war Deutschland Ausspähungsversuchen fremder Nachrichtendienste ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der wettbewerbsverschärfenden Globalisierung und der internationalen Finanzund Wirtschaftskrise hat die Bedeutung der Wirtschaftsspionage weiter zugenommen. Dabei spielt die Ausforschung durch das Internet eine immer größere Rolle. Hackerangriffe aus China richteten sich gegen bundesdeutsche Regierungsstellen und eine Vielzahl deutscher Firmen. Die vom Verfassungsschutz im Rahmen seiner "Sicherheitspartnerschaft" mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ergriffenen Maßnahmen haben sich auch in diesem Zusammenhang bewährt und werden intensiv fortgeführt. Die Versuche einzelner Staaten wie der Iran, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie zu gelangen, dauern an. Erkenntnisse über Beschaffungsversuche in Deutschland, so auch in Rheinland-Pfalz, belegen die Notwendigkeit, derartige Vorgänge weiterhin intensiv zu beobachten und sie zu unterbinden. Der Verfassungsschutzbericht 2009 informiert umfassend über die Erkenntnislage zu sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen in unserem Bundesland. Ich hoffe, er findet Ihr Interesse. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport 5 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 2. Verfassungsschutzbericht 2009 12 3. Strukturdaten 13 4. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch 13 Information 5. Programme zur Bekämpfung des 14 Rechtsextremismus Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus 16 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 18 Überblick 2009 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 20 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 21 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 21 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 21 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 22 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 26 1.4.1 "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) 28 1.4.2 "Hilfsorganisation für nationale politische 29 Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1.5 "Kameradschaften" 30 1.6 Rechtsextremistische Parteien 33 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 33 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN) 39 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 40 7 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 42 und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - 42 Landesverband Pfalz" 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in 42 Rheinland-Pfalz 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten 42 in Rheinland-Pfalz 1.8 Revisionisten 43 1.9 Auslandskontakte 44 2. Linksextremismus 45 Überblick 2009 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 46 2.2 Linksextremistische Gewalt 47 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 47 2.3.1 Verfahren gegen ehemalige terroristische Gewalttäter 48 2.3.2 Autonome 48 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 51 2.4 Marxisten-Leninisten und andere 55 revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 55 2.4.2 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" 57 (MLPD) 3. Islamismus 59 Überblick 2009 3.1 Islamistisches Personenpotenzial 60 3.2 Ideologie 60 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2009 62 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen 69 in Rheinland-Pfalz 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 70 3.4.2 "Kalifatsstaat" 76 8 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft 77 der Muslimbrüder") 3.4.4 "Hizb Allah" (auch: "Hizbullah", "Hizbollah"; 79 "Partei Gottes") 3.4.5 "Tablighi Jamaat" 80 ("Gemeinschaft der Verkündung") 3.4.6 Salafistische Islamisten 82 3.4.7 Jihadistische Islamisten 84 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische 86 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Überblick 2009 4.1 Personenpotenzial 87 4.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 87 4.3 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 94 (DHKP-C) 4.4 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten96 Leninisten" (TKP/ML) 4.5 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 97 5. Internet/Neue Medien 100 5.1 Rechtsextremisten 100 5.2 Linksextremisten 101 5.3 Islamismus/Ausländerextremismus 101 6. Spionageabwehr 103 6.1 Auftrag und allgemeine Lage 103 6.2 Aktivitäten der Spionageabwehr 105 6.2.1 Spionage 105 6.2.2 Proliferation 105 6.2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz 107 9 7. Geheimschutz/Sabotageschutz 111 C. Anhang 113 Gesetze Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Verfassungsschutz ist ein Element der wehrhaften Demokratie und dient dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 eigenständige Landesbehörden. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern und für Sport eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes (vgl. Teil C. Anhang) Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen und wertet diese aus. Darüber hinaus ist er für die Abwehr von Spionage zuständig und wirkt bei Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen mit. Die Analysen und Lagebilder des Verfassungsschutzes sind ein wichtiger Beitrag für die politische Auseinandersetzung mit Extremisten und Grundlage für exekutive Maßnahmen, etwa Vereinigungsverbote oder strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Seine Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz vornehmlich aus öffentlich zugänglichen Quellen. Er setzt zudem unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur geheimen Informationsbeschaffung ein (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Sachen beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz darf auch nicht die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten. 11 Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt einer umfassenden Kontrolle. Die vom Landtag eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus gibt die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien und gestattet die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Rechte stehen auch dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der vom Landtag eingesetzten unabhängigen G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. 2. Verfassungsschutzbericht 2009 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über bedeutende verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den genannten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz vor. Es wird nur zu Organisationen berichtet, die nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch nicht aussagt, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Die Zahlenangaben sind teilweise geschätzt und datieren vom 31. Dezember 2009. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten personenbezogene Daten vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung 12 umfassende vorwiegend personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. 3. Strukturdaten Dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz gehörten 2009 163 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Im Haushaltsjahr 2009 betrug sein Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten 1.348.560,EUR und 757.000,EUR für Investitionen. 4. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung vor den Menschenrechten können nicht ohne politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Die Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit haben deshalb für den Verfassungsschutz seit Jahren einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb werden auch auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus, durchgeführt. Das Angebot richtet sich an interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen. Kontaktaufnahme bitte unter: 13 Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat: Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Darüber hinaus informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Folgende aktuelle Informationsbroschüren können über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden: - Der Verfassungsschutz - Aufgaben, Befugnisse* - Kommunen gegen Rechtsextremismus - Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen - Rechtsextremistische Skinheads* - Rechtsextremismus - Nicht mit uns! (Faltblatt) - Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus* - Spionage - Was geht mich das an? (Faltblatt) - Wirtschaftsspionage - Proliferation - das geht uns an! - Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - mit Sicherheit ein Gewinn (* derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) 5. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz steht die konsequente und nachhaltige Bekämpfung des Rechtsextremismus auf folgenden Säulen: 14 # Konsequente Repression (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Repression - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich direkt gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Vertreter. Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie Konzertveranstaltungen, Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial etc. werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und im Rahmen des Rechts bekämpft. Dadurch wird der Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, soweit wie möglich eingeschränkt. Prävention - Verbesserung von Lebenssituationen, Stärkung von Demokratiebewusstsein und Zivilcourage, umfassende Aufklärung Repression allein trocknet den Nährboden für Rechtsextremismus nicht aus. Daher legt Rheinland-Pfalz großen Wert auf eine umfassende Prävention. Diese setzt schon bei der Verbesserung von Lebenssituationen, so beispielsweise durch Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut an, denn Menschen in prekärer Lage gehören zu den bevorzugten Zielgruppen rechtsextremistischer Agitation. Darüber hinaus werden Jugendliche mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, damit sie die Gefahren dieser menschenverachtenden Ideologie erkennen und ihnen begegnen können. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische Umtriebe abgerundet. Allein der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hat im Jahr 2009 über 40 Informationsveranstaltungen mit etwa 2.500 überwiegend jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. 15 Hilfen für Aussteiger - Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Für alle, die in den Rechtsextremismus abzugleiten drohen oder die schon verstrickt sind, gilt: Niemand wird aufgegeben. Deshalb hat die Landesregierung ein Aussteigerprogramm beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 4546 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Das Angebot können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Die vom Ministerrat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus dokumentiert und koordiniert Projekte der Landesund Kommunalverwaltung gegen Rechtsextremismus und baut ein landesweites Präventionsnetzwerk auf. Gezielt wird auf rechtsextremistische Umtriebe hingewiesen, damit entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Die Aufmerksamkeit gilt auch Regionen, in denen bislang "nur" von einer latenten oder abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" werden insbesondere junge Menschen über die Gefahren, die vom Gedankengut der braunen Verführer ausgehen, aufgeklärt. Die Präventionsagentur hat im Jahr 2009 ein Internetportal für die Landesund Kommunalver16 waltung eingerichtet, das über den Rechtsextremismus informiert, Tipps und Hinweise gibt sowie geeignete Bekämpfungsstrategien zur Verfügung stellt. Darüber hinaus steht die Präventionsagentur Mandatsund Amtsträgern, Bediensteten und Gremien der Landesund Kommunalverwaltung als Ansprechpartner zur Verfügung. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, da die Präventionsagentur über aktuelle Lageinformationen verfügt. So werden Kreise, Städte und Gemeinden kompetent beraten, wenn z.B. Rechtsextremisten Immobilien anmieten oder erwerben wollen. 17 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus Dem Rechtsextremismus und seiner konsequenten Bekämpfung gilt weiterhin die besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Rechtsextremisten bedienen sich einer Weltanschauung, die vor allem von Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit geprägt ist. Sie sind eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat und das friedliche Zusammenleben der Menschen. Der Rechtsextremismus in Deutschland befindet sich in einem Wandlungsprozess. Das rechtsextremistische Parteienspektrum und straff hierarchisch gegliederte Organisationen haben in den letzten Jahren an Anziehungskraft verloren. Dies trug auch 2009 dazu bei, dass sich die Zahl der Rechtsextremisten bundesweit wie landesweit weiter verringert hat. Gleichzeitig ist in den letzten Jahren eine junge, weitgehend informelle und aktionsorientierte Szene im rechtsextremistischen Spektrum herangewachsen. Mit dieser Entwicklung geht zum Teil eine Radikalisierung in Worten und Taten einher, die insbesondere bei öffentlichen Aktionen von Rechtsextremisten offensichtlich wird. Ziele und politische Vorstellungen bleiben dabei oft verschwommen; nicht wenige Rechtsextremisten verzichten auf tiefergehende politisch-ideologische Betrachtungen. Für sie stehen das von der Szene suggerierte Gemeinschaftsgefühl und die vermeintliche Stärke in der Gruppe im Vordergrund. Erlebnisorientierte Akzente und die Suche nach der Konfrontation mit Gegnern prägen den Alltag dieser Rechtsextremisten. In Zahlen hat der Neonazismus im Jahre 2009 hinzugewonnen. Der gesunkenen Gesamtzahl der Rechtsextremisten stand im Bundesgebiet ein anhaltender Anstieg im Neonazispektrum gegenüber; in Rheinland-Pfalz stagnierte die Zahl der Neonazis. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich das Neonazipotenzial im Bundesgebiet damit verdoppelt. Profitiert von diesem Zuwachs im Neonazilager hat u.a. die aktionsorientierte, gewaltbereite Bewegung der "Autono18 men Nationalisten" (AN). Diese konnte bislang in Rheinland-Pfalz noch nicht Fuß fassen. Geblieben ist der Einfluss, den Neonazis auf die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ausüben. Die militant-subkulturelle, durch ihr martialisches Auftreten gekennzeichnete rechtsextremistische Skinheadszene, hat weiter an Mitgliedern und Zuspruch verloren. Der Trend unter jungen Rechtsextremisten, sich im äußeren Erscheinungsbild an anderen Jugendszenen und Subkulturen zu orientieren oder sich betont unauffällig zu geben, hielt an. In Rheinland-Pfalz sind die Strafund Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation gestiegen. Dabei vollzog sich der Anstieg entgegen dem Bundestrend. Die Zahl der Körperverletzungsdelikte lässt auf ein Sinken der Hemmschwelle schließen. Auch bei Demonstrationen zeigten Teile der rechtsextremistischen Szene ein aggressiveres Auftreten. Vermehrt gingen 2009 in anderen Bundesländern Provokationen und Gewalttätigkeiten von so genannten Autonomen Nationalisten (AN) aus. Unter den rechtsextremistischen Parteien blieb im Jahr 2009 die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) der dominierende Faktor. Allerdings stellen eine desaströse Finanzlage, interne Querelen und weitgehend ausgebliebene Wahlerfolge die NPD vor Probleme. Sie konnte auch von dem anhaltenden Niedergang der "Deutschen Volksunion" (DVU) nicht profitieren. Die Mitgliederzahl der NPD ging bundeswie landesweit leicht zurück. Die DVU geriet ungeachtet gegenteiliger Erwartungen seitens ihres neuen Parteivorsitzenden an den Rand der Bedeutungslosigkeit. In Brandenburg schaffte sie den Wiedereinzug in den Landtag nicht. Der Rückzug ihres langjährigen Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY, Überalterung der Partei und fehlende inhaltliche Impulse beschleunigten ihren Niedergang. Die NPD erreichte ihr Ziel nicht, bei der Bundestagswahl und mehreren Landtagswahlen in erwartetem Umfang Parlamentssitze zu gewinnen. Allerdings gelang ihr in Sachsen zum ersten Mal der Wiedereinzug in einen Landtag. Außerdem gewann die rechtsextremistische Partei in mehreren Bundesländern Mandate bei Kommunalwahlen, so auch erstmals in Rheinland-Pfalz. Die NPD 19 hat ihre Aktivitäten fortgesetzt, durch vordergründig zurückhaltendes Agieren und Taktieren in den Kommunen langfristig eine gewisse Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen ("völkische Graswurzelrevolution"). Dies ist Teil ihrer Bestrebungen, sich regional zu verankern. Die Nachwuchswerbung von Rechtsextremisten unter Jugendlichen hielt auch 2009 an. Werbeträger wie die "Schulhof-CD" der NPD wurden überarbeitet und neu aufgelegt. Als Medium der rechtsextremistischen Weltanschauung und als Integrationsmittel spielt die Musik weiterhin eine wichtige Rolle, wenn auch die Zahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen im Jahr 2009 in RheinlandPfalz zurückging. Rechtsextremisten haben im Jahr 2009 ihre Agitation auf die Themen Wirtschaftsund Sozialpolitik sowie auf sicherheitspolitische Fragen konzentriert. Kennzeichnend dabei waren wieder die bekannte undifferenzierte Weltsicht und ein eindimensionales Denken in Feindbildern. Letzteres spiegelt sich in dem Verhalten der Rechtsextremisten wider, echte oder vermeintliche gesellschaftliche Probleme zu ethnisieren, indem deren Ursachen auf das Verhalten bestimmter Volksgruppen und (religiöser) Minderheiten zurückgeführt wird. Triebfedern sind Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2009 2008 2009 2008 Gesamt 825 * 1.000 * 26.600* 30.000* Gewaltbereite 125 125 9.000 9.500 Neonazis 150*** 150** 5.000 4.800 Parteien 450 600 11.300 13.000 Sonstige 175 175 2.500 3.800 * ohne Mehrfachmitgliedschaften ** davon 75 Gewaltbereite Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 20 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) stieg im Jahr 2009 in Rheinland-Pfalz auf 819 (2008: 708). Von den 819 registrierten Straftaten waren 596 so genannte Propagandadelikte (2008: 509). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 39 (2008: 28). In 36 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2008: 24). Zudem wurde in Rheinland-Pfalz im Jahr 2009 ein jüdischer Friedhof geschändet (2008: 4). Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2009 2008 Gesamt 39 28 Körperverletzungen 36 24 Versuchte Brandstiftung 1 - Landfriedensbruch - 1 Andere Gewaltdelikte (Raub etc.) 2 3 (Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen) 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die 21 Mehrheit der Täter ist männlich, mit überwiegend einfachen oder mittleren Bildungsabschlüssen. Gewalttaten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen, sehr häufig unter Alkoholeinfluss. Zu den gewalttätigen und gewaltbereiten Rechtsextremisten wurden 2009 bundesweit ca. 9.000 Personen gezählt (2008: etwa 9.500). Diese stammen zwar weiterhin vornehmlich aus dem Bereich der subkulturell geprägten Skinheadszene, allerdings verliert die rechtsextremistische Skinheadszene an Anziehungskraft. In Rheinland-Pfalz sind diesem Personenkreis weiterhin ca. 50 Skinheads und 75 Neonazis zuzurechnen. Bezogen auf das Bundesgebiet entspricht dies einem Anteil von etwa 1,4 Prozent der erfassten gewaltbereiten und gewalttätigen Rechtsextremisten. Aufgrund der Affinität zu Waffen und Sprengstoffen, birgt dieser Personenkreis stets ein unterschwelliges Gefahrenpotential. Rechtsterroristische Strukturen waren im Jahr 2009 nicht festzustellen. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads Der größte Teil der rechtsextremistischen Skinheadszene besteht aus losen, unstrukturierten Personenzusammenschlüssen, die auf regionaler Ebene agieren. Die Aufgabenverteilung innerhalb solcher Gruppen ist nicht durch hierarchische Strukturen geprägt, sondern vielmehr durch persönliche Beziehungen unter den führenden Akteuren. Innerhalb der Gruppen, die sich meist aus jungen Szeneangehörigen zusammensetzen, herrscht eine erhöhte Fluktuation. In der Regel ist nur der "harte Kern" von einem extremistischen Weltbild geprägt, das eng mit neonazistischem Gedankengut verknüpft ist. Dessen Inhalte sind allerdings oft nur fragmentarisch in den Köpfen verankert; ein tiefgehender politischer Diskurs findet weitgehend nicht statt. Vor allem den ideologisch wenig gefestigten Mitläufern geht es vornehmlich um eine gemeinsame, aktionsorientierte Freizeitgestaltung. Bei der Teilnahme an Konzerten oder Szenefeiern steht der Erlebnisfaktor im Vordergrund. Politische Schulungen werden nur sporadisch abgehalten. Rechtsextremistische Skinheads sind oft in "Kameradschaften" organisiert. Verbindungen zum rechtsextremistischen Parteienspektrum sind eher selten. Le22 diglich mit der NPD, die sich gegenüber dem gewaltbereiten und neonazistischen Lager geöffnet hat, besteht eine gewisse Zusammenarbeit. Auf regionaler Ebene kooperieren Neonazis, Skinheads und die NPD bei der Durchführung von Demonstrationen oder Parteiveranstaltungen mit musikalischem Rahmen. Obwohl die NPD um die Neuwerbung von Mitgliedern bemüht war, gelang es ihr nicht, die rechtsextremistischen Skinheads in die aktive politische Arbeit einzubeziehen. Subkulturell-gewaltbereite Rechtsextremisten brachten in der Vergangenheit ihre Gesinnung häufig durch ein einheitliches Erscheinungsbild zum Ausdruck. Mittlerweile gehören jedoch Erkennungsmerkmale wie Glatze, Bomberjacke und Schnürstiefel immer mehr der Vergangenheit an. Stilelemente anderer Jugendgruppen und allgemeine Modetrends prägen heute das Erscheinungsbild. Oft lässt sich deshalb die Szenezugehörigkeit nur an symbolträchtiger Kleidung bestimmter Marken und Firmen ausmachen. Rechtsextremisten vermeiden auf diese Weise zunehmend ein martialisches, uniformiertes Auftreten in der Öffentlichkeit. Die etwa 50 in Rheinland-Pfalz agierenden Skinheads, die zum größten Teil in "Kameradschaften" organisiert sind, können als neonazistisch eingestuft werden. Sie treten vornehmlich im Raum Zweibrücken/Westpfalz und in der Vorderpfalz in Erscheinung. 23 Rechtsextremistische Musik Die rechtsextremistische Musikszene wird anhaltend von Skinheadbands dominiert. Musik und Konzerte sind von großer Bedeutung, um den Zusammenhalt und die Motivation zu stärken. Zudem werden bisher unpolitische Jugendliche an das extremistische Gedankengut herangeführt und in die Szene integriert. Die NPD und die neonazistischen "Kameradschaften" haben das Potenzial dieses Mediums erkannt. Vor allem bei Konzerten steht die Förderung des Gemeinschaftsgefühls im Vordergrund. Gesinnungsgenossen kommen zusammen, knüpfen neue Kontakte und pflegen alte Bekanntschaften. Die Musik fungiert als Medium des rechtsextremistischen Gedankengutes. Rechtsextremistische Musikgruppen transportieren mit ihren Texten rassistische und volksverhetzende Inhalte. So werden Feindbilder geschaffen und gepflegt, Menschen entwürdigt und als vermeintliche Verursacher gesellschaftlicher Probleme diffamiert. Nicht selten erfüllen insbesondere die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands den Straftatbestand der Volksverhetzung. Auch während der Konzerte werden immer wieder Propagandadelikte, wie beispielsweise das Skandieren von NS-Parolen oder das Zeigen des Hitlergrußes, begangen. Szenetypische, teilweise indizierte Utensilien (T-Shirts, CDs, Abzeichen etc.) werden am Rande dieser Veranstaltungen zum Kauf angeboten. Auch außerhalb der Konzerte entfaltet rechtsextremistische Musik ihre Wirkung. So können im Internet einschlägige Musikstücke heruntergeladen werden. Damit wird zur weiteren Verbreitung der Musik und der damit verbundenen Ideologie beigetragen. Die im Internet speziell auf Jugendliche angepassten Angebote lassen jedoch nicht immer einen eindeutigen rechtsextremistischen Hintergrund erkennen. Das extremistische Gedankengut findet schleichend und unbemerkt seinen Weg in die Köpfe der Jugendlichen. Das Musikangebot folgt dabei den aktuellen Jugendtrends und umfasst neben der nach wie vor dominierenden Musikrichtung des "Hardrock", auch Stilrichtungen wie "Hardcore" (auch "Hatecore" genannt) oder "Black Metal". Bei diesen sprachlich nur schwer verständlichen Spielarten wird versucht, den Zeitgeist der Jugendlichen aufzugreifen. Innerhalb der rechtsextremistischen 24 Musikszene variieren die Besetzungen der Bands, da sich Musikgruppen häufig nach wenigen Auftritten auflösen oder sich mit anderen Gruppen zu kurzzeitigen Projekten zusammenfinden. Einige Sänger treten auch als Solokünstler ("Liedermacher") im Rahmen politischer Veranstaltungen auf. Aus RheinlandPfalz ist aktuell lediglich eine Skinheadband bekannt. Die Organisation von Skinheadkonzerten obliegt häufig Mitgliedern ortsansässiger Gruppierungen. Veranstaltungen werden in der Regel getarnt als "Geburtstagsoder Verlobungsfeiern" etc. angemeldet, um polizeiliche Verbote zu vermeiden. Die Organisatoren sind dabei stets bemüht, Räumlichkeiten zu finden, die im Besitz oder Eigentum von Personen aus der Szene oder ihr nahestehende Personen sind. Eine kurzfristige Kündigung des Mietvertrages und Absage des Konzertes sollen so verhindert werden. Ort und Uhrzeit der Veranstaltung sind selten öffentlich bekannt; nur die Organisatoren selbst haben davon Kenntnis. Die vorher durch SMS, E-Mail, Maillisten oder durch Mundpropaganda geladenen Gästen, werden zunächst an Treffpunkte gelotst, von denen sie dann zu den endgültigen Konzertorten geführt werden. Die Zahl rechtsextremistischer Konzerte sank in Rheinland-Pfalz gegenüber dem letzten Jahr auf drei Veranstaltungen (2008: 7). Das Skinheadkonzert in Osann-Monzel/Raum Wittlich wurde am 30. Mai 2009 durch die Polizei verboten und das Konzert in Deimberg/ Landkreis Kusel am 1. August 2009 aufgelöst. 25 Bei allen Musikveranstaltungen war die Polizei vor Ort und hat die rechtlich möglichen Maßnahmen (bspw. Personenund Fahrzeugüberprüfungen) ergriffen. Datum Ort Art der Veranstaltung Teilnehmer 25.04.2009 Bernkastel-Kues Liederabend ca. 100 30.05.2009 Osann-Monzel Skinheadkonzert ca. 35 01.08.2009 Deimberg Skinheadkonzert ca. 50 Im kleinen Kreis fanden weiterhin so genannte Skinheadpartys statt, bei denen Musik von CDs abgespielt und nicht von Skinheadbands eigenständig dargeboten wurde. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Die Weltanschauung der Neonationalsozialisten gründet auf dem historischen Nationalsozialismus und ist insbesondere durch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus geprägt. Dabei stützt sich ihre Ideologie, zu der sie sich öffentlich meist nicht bekennen, auf das "25-Punkte-Programm" der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) von 1920 und Hitlers Schrift "Mein Kampf". Ihre wesentlichen Ziele sind die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines "Vierten Reiches", in dem der einzelne Bürger seine Würde und Existenz dem mutmaßlichen "Volkswillen" unterzuordnen hat. Neonazis streben einen totalitären Führerstaat an, dessen Staatsoberhaupt nicht wählbar und somit demokratisch nicht legitimiert ist. Szeneangehörige schrecken bei aus ihrer Sicht günstiger Gelegenheit vor massiver Gewalt nicht zurück, um ihre Ziele durchzusetzen. Seit 2005 sind die "Autonomen Nationalisten" (AN) als weiterer Typus innerhalb dieser Szene auffällig. Hierbei handelt es sich vornehmlich um junge Rechtsextremisten, die "erlebnisorientiert" handeln und ihre Gewaltbereitschaft offen zeigen. So treten die "Autonomen Nationalisten" überwiegend bei Demonstrationen in so genannten Schwarzen Blöcken in Erscheinung. Ihr äu26 ßeres Erscheinungsbild haben sie dem linksextremistischen Spektrum der Autonomen angepasst. Innerhalb der Neonaziszene stößt ihre Gewaltbereitschaft gegen den politischen Gegner und die Polizei aus taktischen Erwägungen oft auf Unmut, da staatliche Repressionen und Ansehensverluste in der Öffentlichkeit befürchtet werden. Im Jahr 2009 stieg die Zahl der Neonazis bundesweit auf 5.000 an (2008: 4.800). In Rheinland-Pfalz blieb sie mit ca. 150 Szeneangehörigen konstant. Davon sind etwa 75 Personen als gewalttätig bzw. gewaltbereit zu bezeichnen. Neonazis sind überwiegend in "Kameradschaften" organisiert, die besonders bei Demonstrationen in Erscheinung treten. Für die Neonaziszene ist das jährliche Gedenken zum Todestag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 17. August bedeutsam, so dass alljährlich eine zentrale Veranstaltung in Wunsiedel angemeldet wird. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte - wie in den Jahren zuvor - das Verbot der von dem zwischenzeitlich verstorbenen Neonazi und NPD-Funktionär Jürgen RIEGER für den 22. August 2009 angemeldeten Veranstaltung "Gedenken an Rudolf Heß" wegen der Gefahr der Verwirklichung von Straftaten (insbesondere nach SS 130 Abs. 4 StGB1 ). Daraufhin führten die Rechtsextremisten vom 13. bis 23. August 2009 mehrere kleinere Veranstaltungen durch. So kamen am 15. August 2009 rund 150 Personen in Friedland (Mecklenburg-Vorpommern) zu einem Fackelmarsch zusammen, der durch die Polizei aufgelöst wurde. Weitere unangemeldete Aktionen mit zum Teil deutlich unter 50 Teilnehmern fanden u. a. in Malchow (Mecklenburg-Vorpommern), Gotha (Thüringen) und Kellinghusen (Schleswig-Holstein) statt. Für den 17. August 2009 war über eine Internet-Homepage zu "Flashmob"-Aktionen (blitzartige Zusammenkünfte von Aktivisten) in insgesamt 138 Städten mobilisiert worden. Es gelang den Rechtsextremisten aber nur vereinzelt, ihre Planungen in die Tat umzusetzen. Insgesamt beteiligten sich weni- 1 Durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. November 2009 wurde die Verfassungsmäßigkeit des SS 130 Abs. 4 StGB bestätigt. 27 ger als 100 Personen daran. In vielen Fällen waren die angegebenen Orte von Gegendemonstranten besetzt, so dass die rechtsextremistischen Personengruppen ihre Vorhaben einstellten. Wie in den Vorjahren wurden zahlreiche Gegenveranstaltungen sowohl des linksextremistischen als auch des bürgerlichen Spektrums durchgeführt, deren Teilnehmerzahlen deutlich höher waren als die der rechtsextremistischen Veranstaltungen. In mehreren Bundesländern - so auch in Rheinland-Pfalz - kam es zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Heßplakaten und -aufklebern, sowie dem Aufstellen von "Heß-Gedenktafeln". 1.4.1 "Heimattreue Deutsche Jugend e.V." (HDJ) Der 1990 gegründete neonazistische Verein "Heimattreue Deutsche Jugend e.V." (HDJ) wurde am 31. März 2009 vom Bundesminister des Innern verboten, weil sich seine Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. Mit einer aktivkämpferischen, aggressiven Grundhaltung diffamierte die HDJ unverhohlen den demokratischen Verfassungsstaat, den sie durch ein auf dem Ideal der Volksgemeinschaft und dem Führerprinzip basierendes Staatsgefüge ablösen wollte. Die HDJ sah sich ideologisch in der Tradition der bündischen Jugend, zeigte aber in ihrem Handeln eine hohe Wesensverwandtschaft mit der früheren Hitlerjugend und der 1994 verbotenen Wiking-Jugend auf. Dem Verein gehörten ca. 400 Mitglieder an. Personell und strukturell war die HDJ mit anderen Teilen der rechtsextremistischen Szene eng verbunden, beanspruchte jedoch innerhalb dieser, eine Eliteorganisation ("Kaderschmiede") für künftige neonazistische Führungspersönlichkeiten zu sein. Die Aktivitäten des Vereins richteten sich vornehmlich an Jugendliche, denen in Zeltlagern und auf Fahrten ein völkisch-nationalistisches Gedankengut vermittelt wurde. 28 Kennzeichnend für die in den Zeltlagern stattgefundenen Aktivitäten war ihr militärischer Charakter, der sich beispielsweise im Tragen von Uniformen, dem militärischen Sprachgebrauch und dem Erlernen von Kampfsportarten äußerte. Eine besondere Stellung für die Kontaktpflege und den Zusammenhalt innerhalb des Vereins kam der vierteljährlich erschienenen Mitgliederzeitschrift "Funkenflug" zu, die der Organisation als Sprachrohr diente. Vielfach fanden sich in der Zeitschrift Artikel mit rassistischer, völkischer und nationalistischer Thematik, die in glorifizierender Art und Weise die NS-Diktatur darstellten. Die infolge des Verbotes durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen bei Personen der HDJ bestätigten die ideologische Orientierung am Nationalsozialismus. So konnte eine Vielzahl an NS-Devotionalien und nationalsozialistischer Literatur beschlagnahmt werden. 1.4.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist bundesweit zahlenmäßig der größte neonazistische Personenzusammenschluss mit noch ca. 600 Mitgliedern. Die Organisation wird von der 1. Vorsitzenden Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim geleitet. Bereits seit Anfang der achtziger Jahre gehört sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER zu den führenden HNGAktivisten. Das Anwesen der Eheleute war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwendund Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. Die HNG hat sich die so genannte Gefangenenbetreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen zur Aufgabe gemacht. Dabei verfolgt sie das Ziel, 29 diese Rechtsextremisten in der Szene zu halten. Die Publikation "Nachrichten der HNG" vermittelt Briefkontakte zu den Inhaftierten und bietet ihnen so die Möglichkeit eines öffentlichen Forums. Die Bedeutung der HNG innerhalb der Szene ist inzwischen gering. 1.5 "Kameradschaften" "Kameradschaften" sind organisationsunabhängige und informelle Personenzusammenschlüsse, denen durchschnittlich 10 bis 25 Personen - meist junge Männer - angehören. Ihre Ideologie basiert auf einem neonazistischen Weltbild, das von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus geprägt ist. Dabei stehen die Verherrlichung und Schaffung eines nationalsozialistischen Führerstaates im Mittelpunkt. "Kameradschaften" sind meist regional verankert und haben einen hierarchischen Aufbau. Nach Außen sollen sie den Anschein von privaten Freundeskreisen und Cliquen vermitteln. Ihre Unabhängigkeit und Trennung zum rechtsextremistischen Parteienspektrum demonstrieren die Mitglieder der "Kameradschaften", indem sie sich selbst als "Freie Nationalisten" bezeichnen. Die Bildung von "Kameradschaften" erfolgte als Reaktion auf Verbote zahlreicher rechtsextremistischer Vereine in den 1990er Jahren. Durch den Verzicht auf die üblichen Vereinsstrukturen versucht man, staatliche Aufklärungsund Verbotsmaßnahmen zu umgehen. Bei den so genannten Kameradschaftsabenden, die in der Regel Stammtischcharakter haben, wird selten unmittelbar politisch agiert. Vielmehr werden dort gemeinsame Aktivitäten, so Fahrten zu Demonstrationen oder Konzerte im Inund Ausland, besprochen. Zuweilen werden aber auch eigens einberufene politische Schulungen abgehalten. Durch öffentliche Aktionen wie beispielsweise das Verteilen von Flugblättern, soll die neonazistische Weltanschauung an den Bürger herangetragen werden. Da die Ideologie bei den allermeisten Menschen auf Abneigung stößt, versuchen die Rechtsextremisten durch das Aufgreifen aktueller, konsensfähiger Themen, ihre gesellschaftliche Isolation zu überwinden. In diesem Sinne werden beispielsweise Demonstrationen gegen Kindesmissbrauch veranstaltet. 30 Durch den Zusammenschluss einzelner "Kameradschaften" zu "Aktionsbündnissen" und "Aktionsbüros" versucht man, die Koordinierung von Aktionen und Kampagnen zentral zu steuern. Wegen fehlender Strukturen innerhalb der Szene soll auf diesem Weg die Aktionsund Mobilisierungsfähigkeit verbessert und gemeinsame Aktivitäten wie die Teilnahme an Demonstrationen oder Konzerten abgestimmt werden. Hervorzuheben ist hier das seit 2003 existierende "Aktionsbüro Rhein-Neckar" aus dem Raum Ludwigshafen am Rhein/ Mannheim, dem eigenen Angaben nach Vertreter rechtsextremistischer Organisationen aus Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz angehören. Zur Unterstützung dieser "Aktionsbündnisse" und "-büros", erstellen "Kameradschaften" im Internet Homepages, welche den Anschein vernetzter und mitgliederstarker Organisationen erwecken sollen. Tatsächliche Strukturen können diesen Internetauftritten allerdings oft nicht zugeordnet werden, so dass sich deren Präsenz lediglich auf die kurzfristige, virtuelle Darstellungsform beschränkt. Dennoch ist es den Rechtsextremisten durch das Medium Internet möglich, innerhalb kürzester Zeit zu Veranstaltungen zu mobilisieren. "Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken" Der "Kameradschaft", die seit ca. sieben Jahren besteht, gehören etwa 15 bis 20 Mitglieder des rechtsextremistischen Spektrums aus dem Umkreis von Zweibrücken an. Neben internen Treffen führte sie auch im Jahr 2009 mehrere Veranstaltungen durch. So organisierte sie am 14. März 2009 mit ca. 75 Teilnehmern einen "Gedenkmarsch" durch Zweibrücken anlässlich des im 2. Weltkrieg durchgeführten Bombenangriffs auf die Stadt. Am 8. August 2009 demonstrierten 31 100 Rechtsextremisten gegen den Bau einer Moschee. Im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2009 veranstaltete der "Nationale Widerstand Zweibrücken" mehrere Infostände in Zweibrücken. Außerdem wurde ein alljährliches "Heldengedenken" organisiert, an dem am 14. November 2009 ca. 80 Rechtsextremisten durch die Innenstadt von Zweibrücken zogen. Die Veranstaltungen stießen in der Bevölkerung auf keinerlei Resonanz. "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Seit Juni 2006 verfügen die "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" über eine Internetpräsenz. Laut eigener Aussage verstehen sie sich als "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen". Das Internetportal dient der Koordination und informiert über Termine und Aktivitäten der regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Szene. Domaininhaber ist ein bekannter Neonazi und NPD-Funktionär. 32 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil- / Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: ca. 6.800 (2008: ca. 7.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 300 (2008: unter 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 10 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die NPD hat sich in den letzten Jahren - mit bedingt durch den Niedergang anderer rechtsextremistischer Parteien - zur mitgliederstärksten und gleichzeitig auch aggressivsten Organisation im rechtsextremistischen Parteienspektrum entwickelt. Die Partei orientiert sich an der Weltanschauung des Nationalsozialismus, agiert fremdenfeindlich, antisemitisch und revisionistisch. Grundlegendes Ziel ist die Beseitigung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates. Die Politik der NPD ist auf das Streben nach Macht in Gesellschaft und Staat ausgerichtet; der Einzelne hat bedingungslos hinter dem "Volkswillen" zurückzustehen. Diese Vision einer gleichgeschalteten "Volksgemeinschaft", die bereits in Zeiten des Nationalsozialismus als politisches Modell diente und in deren Mittelpunkt ein autoritäres Staatsverständnis steht, soll die parlamentarische Demokratie und den politischen Pluralismus ersetzen. Die NPD vertritt das für Rechtsextremisten typische Weltbild einer "natur33 gegebenen hierarchischen Ordnung", in der die Menschen willkürlich in "Höherwertige" und "Minderwertige" kategorisiert werden. Die "Höherwertigen" haben nach Auffassung der Rechtsextremisten in der Gesellschaft ein "natürliches Recht", sich über alle anderen zu stellen. Die in der Verfassung verankerten Freiheits-, Leistungsund Gleichheitsgrundrechte sollen nur Menschen der "deutschen Volksgemeinschaft" zuerkannt werden; in Deutschland lebende Ausländer sollen aus dem deutschen Sozialsystem "entfernt" werden. In ihrem "Aktionsprogramm" will die NPD die Renten beispielsweise durch eine "Ausgliederung der Ausländer aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem und der Beendigung der Transferleistungen" sichern. Ausländer und Minderheiten sollen auf diesem Weg ausgegrenzt und entrechtet werden, jegliche Sozialleistungen ausschließlich dem "deutschen Volk" zukommen. Durch die systematische Abwertung bestimmter Gruppen, die zwangsläufige Folge der NPD-Ideologie, werden Feindbilder geschaffen und Mitmenschen als Verursacher gesellschaftlicher Probleme verleumdet. Dies verdeutlicht eine Aussage des NPD-Stadtrats in Trier, Safet BABIC, wonach die Wahl des USAmerikanischen Präsidenten, einen "definitiven Untergang einer weißen Nation markiert". "Der politische und wirtschaftliche Niedergang resultiert", seiner Meinung nach, "nahezu zwangsläufig aus dem ethnozidalen Kulturabriß".2 Auch das Frauenbild der NPD weist Parallelen zu der Zeit des Nationalsozialismus auf. Die Partei betrachtet die Familie als Grundlage des "völkischen Gemeinschaftslebens", in der die Frau vornehmlich die Rolle der Mutter und Hausfrau annimmt. Frauen werden als "Bewahrerinnen des deutschen Volkes" glorifiziert und als Beistand ihrer Gatten im Kampf gegen das demokratische System angesehen. Keine Mutter soll ihr Einkommen außerhäuslich verdienen müssen; ein nach der Anzahl der Kinder gestaffeltes Müttergehalt soll deshalb die Arbeit der Frau würdigen. Die Mutter/Kindpolitik und die finanzielle Sicherheit von ethnisch deutschen Müttern steht im familienpolitischen Mittelpunkt der Partei. 2 "Deutsche Stimme", Januar 2009 34 Strategie Die Partei bemüht sich nach außen um ein demokratisches Erscheinungsbild, damit sie und ihre Mitglieder in der Öffentlichkeit als kompetente "Problemlöser" wahrgenommen werden. So will die NPD die Isolation durchbrechen, die gesellschaftlich rund um die Thematik Rechtsextremismus besteht. Sie versucht die Sorgen und Nöte des "kleinen Mannes" aufzugreifen und sozial benachteiligte Menschen direkt anzusprechen. Für die Bewältigung wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen bietet die NPD nationalistische und fremdenfeindliche "Lösungen" an. Die Partei laviert dabei aus taktischen und rechtlichen Gründen zwischen bürgerlichem Anschein und öffentlichem Bekenntnis zu ihrer "Idealwelt" eines "nationalen Sozialismus". Es konnte festgestellt werden, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Verbotsdiskussion, Funktionäre der NPD sich mit rassistischen, ausländerfeindlichen Aussagen in der Öffentlichkeit sehr zurückgehalten haben. Diese Zurückhaltung ändert jedoch nichts an der verfassungsfeindlichen Einstellung der Partei und ihrer Mitglieder. Seit Udo VOIGT im Jahre 1996 zum NPD-Bundesvorsitzenden gewählt wurde, verfolgt die Partei ihre so genannte Vier-Säulen-Strategie. Mit dem "Kampf um die Parlamente" strebt die NPD an, ihren Einfluss in Volksvertretungen systematisch auszubauen und sich regional zu verankern. Der "Kampf um die Köpfe" soll den völkischen Gedanken in das bürgerliche Lager tragen. Dazu dient die so genannte Wortergreifungsstrategie. Um ihre Isolation zu überwinden, sollen sich Rechtsextremisten aktiv an öffentlichen Diskussionen beteiligen. Insbesondere sollen die Veranstaltungen besucht und auf ihnen das Wort ergriffen werden, die sich mit dem Thema des Rechtsextremismus befassen ("Keine Veranstaltung über uns, ohne uns!"). Politische Gegner sollen auf diese Weise verunsichert und bloßgestellt werden; der (nicht informierte) Bürger soll von der "Kompetenz" der NPD überzeugt werden. 35 Die Mobilisierung von NPD-Anhängern zu Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Aufmärsche gehört zum "Kampf um die Straße". Durch den "Kampf um den organisierten Willen" soll eine Konzentration "nationaler Kräfte" erfolgen. So hatten sich NPD und "Deutsche Volksunion" (DVU) Anfang 2005 im so genannten Deutschlandpakt darauf geeinigt, bei künftigen Bundestags-, Europaund Landtagswahlen bis Ende 2009 nicht mehr gegeneinander anzutreten. Parallele und konkurrierende Wahlantritte beider Parteien sollten damit verhindert werden. Das Übereinkommen wurde Mitte 2009 vom Bundesvorstand der NPD aufgelöst. Grund sei das passive und unkooperative Verhalten der DVU gewesen. Die DVU wertete die Aufkündigung als Vertragsbruch. Letztendlich erkannte die NPD, dass die erfolglose DVU sich im Niedergang befindet und sie nicht mehr auf die DVU angewiesen ist. Zur Durchsetzung ihrer Ziele bemüht sich die NPD um einen Schulterschluss mit der bislang eher parteiunabhängigen Neonaziszene. Auch sucht die NPD in der rechtsextremistischen Skinheadszene Wege für eine funktionierende Zusammenarbeit. Parteifunktionäre und Mitglieder fungieren deshalb zuweilen als Veranstalter von Skinheadkonzerten oder engagieren Skinheadbands für ihre eigenen Veranstaltungen. Entwicklung NPD - Bundespartei und Landesverband Die NPD verzeichnete im Jahr 2009 einen leichten Mitgliederrückgang. Gehörten ihr 2008 noch 7.000 Personen an, sank die Zahl zum Jahresende 2009 auf 6.800. Die Mitgliederzahl des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz belief sich wie schon im Vorjahr auf weniger als 300 Personen. Die NPD gliedert sich in Rheinland-Pfalz in 10 Kreisverbände; verschiedene dieser Organisationseinheiten werden von in die NPD eingetretenen Neonazis geleitet, die zum Teil in Kontakt zum neonazistischen "Aktionsbüro Rhein-Neckar" stehen. Bereits im Vorfeld des Bundesparteitages im April 2009 steckte die Partei in einer ernsten Krise. Es entbrannte ein offener Konkurrenzkampf um das Amt des Parteivorsitzenden zwischen Udo VOIGT und dem NPD-Landesvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern Udo PASTÖRS. Nachdem sich der Amtsinhaber VOIGT gegen seinen Herausforderer durchsetzen konnte, scheint seine 36 Stellung innerhalb der Partei wieder gefestigter. Gleichwohl gibt es innerhalb der Partei noch immer unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der NPD. Vor dem Hintergrund der schlechten Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl 2009 und um die Partei wieder auf einen einheitlichen Kurs zu bekommen, fand Anfang 2010 eine Tagung einer neu eingerichteten Strategiekommission statt. Ziel des Treffens war die Erstellung eines Empfehlungskataloges zur Beratung und Umsetzung für den Parteivorstand. Bei den Teilnehmern der Tagung handelte es sich neben VOIGT u.a. um Mitglieder unterschiedlicher Parteiebenen und Landtagsabgeordnete der NPD. Hingegen waren weder PASTÖRS noch ein anderer Vertreter aus seinem Landesverband eingeladen worden. Als Ergebnis wurde unter anderem die Ersetzung des bisherigen Partei-Namenszusatzes "Die Nationalen" durch "Die soziale Heimatpartei" beschlossen. Weiter soll eine Öffnung der Partei für alle "volksund heimatnahen" Kräfte erfolgen, um so die "Einheit aller nationalen Kräfte" zu fördern. Es bleibt abzuwarten, ob es VOIGT so gelingt, die Partei wieder auf eine Linie zu bringen oder sich der entstandene Riss weiter ausbreiten wird. Auch innerhalb des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz kam es 2009 zu Zerwürfnissen zwischen der Landesvorsitzenden und verschiedenen Kreisverbänden. Hintergrund der Streitigkeiten waren Vorwürfe, die Landesvorsitzende sei bei der Durchführung von Veranstaltungen untätig gewesen. Wahlen Der Bundestagsund Kommunalwahlkampf 2009 der NPD in Rheinland-Pfalz zielte durch das Verteilen von Flugblättern und das Betreiben von Infoständen auf eine breite Wirkung in der Öffentlichkeit. Die NPD wurde dabei von Neonazis und Skinheads unterstützt, ohne die ein medienwirksamer Wahlkampf nur schwer umzusetzen gewesen wäre. Ungeachtet dessen blieb die NPD bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 und bei der rheinland-pfälzischen Kommunalwahl am 7. Juni 2009 unterhalb ihrer Erwartungen, was parteiintern teilweise sehr kritisch bewertet wurde. 37 Bei der Bundestagswahl erreichte die NPD bei den Erststimmen gegenüber dem Jahr 2005 einen gleichbleibenden Anteil von 1,8 %. Im Gegensatz zum letztmaligen Wahlergebnis verschlechterte sie sich beim Zweitstimmenanteil von 1,5 % um 0,1 %. In Rheinland-Pfalz verfehlte die NPD mit 1,6 % der Erststimmen und 1,2 % der Zweitstimmen deutlich das selbst gesteckte Ziel. Bei der rheinland-pfälzischen Kommunalwahl errang die NPD in den Stadträten der kreisfreien Städte Pirmasens und Trier je einen Sitz mit 1,5 % bzw. 1,1 % der abgegebenen Stimmen, ebenso in der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland (Stimmenanteil 2,5%). Darüber hinaus errang sie jeweils weitere Mandate in den Kreistagen der Landkreise Südwestpfalz (2,7 %), Bad Dürkheim (1,6 %), Alzey-Worms (2,9%) und des Westerwaldkreises (1,7 %). Finanzen Die NPD ist auf Bundesals auch auf Landesebene weiterhin finanziell stark angeschlagen. Anfang 2009 wurden von der Bundestagsverwaltung ca. 1.270.000 Euro wegen Fehlern im Rechenschaftsbericht 2007 aus der staatlichen Parteienfinanzierung zurückgefordert. Im Jahr 2009 wurde ein weiteres staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Parteiengesetz und Untreue eingeleitet. Jahrelang sollen Spenden und Mitgliedsbeiträge zu hoch angegeben worden sein, was dazu führte, dass die Partei womöglich unberechtigte Zuschüsse in Höhe von 270.000 Euro erhielt. Bei einer Verurteilung droht der NPD eine Strafzahlung von bis zu 1.700.000 Euro. Seit dem Tod des stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen RIEGER am 29. Oktober 2009 fehlt der NPD zudem ein wichtiger Kreditgeber. Die finanzielle Lage der NPD innerhalb von Rheinland-Pfalz stellt sich ähnlich angespannt wie die Situation auf Bundesebene dar. Gleichwohl ist es der Partei in Rheinland-Pfalz gelungen, einen flächendeckenden Bundestagswahlkampf durchzuführen. Dies ist auf das persönliche Engagement einiger Mitglieder in den einzelnen Kreisverbänden zurückzuführen. Auch künftig kann deshalb davon ausgegangen werden, dass Geldmangel den Aktionismus der Mitglieder und Sympathisanten nicht nachhaltig beeinflusst. 38 Demonstrationen Im oberfränkischen Wunsiedel (Bayern) führte die NPD am 14. November 2009 einen Trauermarsch für ihren verstorbenen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Jürgen RIEGER durch. Dabei gedachten ca. 800 Rechtsextremisten dem Verstorbenen unter dem Motto "Gedenkmarsch für Jürgen Rieger - Ewig lebt der Toten Tatenruhm". Die Veranstaltung wurde zunächst vom Landratsamt Wunsiedel mit der Begründung verboten, es handle sich um eine getarnte Gedenkveranstaltung für den in Wunsiedel beerdigten Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob das Verbot jedoch wegen fehlender Beweise für eine Tarnveranstaltung auf. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Bernburg (Sachsen-Anhalt) Mitglieder Bund: ca. 430 (2008: ca. 400) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 20 (2008: unter 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband; 3 Stützpunkte Publikationen: nur regional; in Rheinland-Pfalz keine eigene Publikation Als einzige rechtsextremistische Partei in Deutschland verfügt die NPD über eine zahlenmäßig bedeutsame Jugendorganisation. Die JN ist gemäß NPD-Satzung integrierter Bestandteil der Partei. Als Jugendorganisation mit "revolutionärer Ausrichtung" fungiert die JN als Bindeglied zwischen der Parteiebene und den "Freien Kräften". Ihre nationalrevolutionäre Ausrichtung dokumentiert sie u.a. auch in der Mitgliederzeitschrift "Der Aktivist". 39 In Rheinland-Pfalz waren mehrere Jahre weder auf Landesnoch auf Kreisebene Organisationsstrukturen erkennbar. Ende des Jahres 2009 legte die JN jedoch ihre Inaktivität in Rheinland-Pfalz ab und gründete drei neue Stützpunkte in Landau, Bad Dürkheim und Haßloch. Nennenswerte Aktivitäten dieser "Stützpunkte" konnten jedoch bislang nicht festgestellt werden. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU-Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder Bund: ca. 4.500 (2008: ca. 6.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 150 (2008: ca. 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "National Zeitung - Deutsche Wochenzeitung" monatliche Auflage: 30.000 Exemplare Politische Ausrichtung und Entwicklung Die DVU konnte auch 2009 weder auf Bundesebene noch in Rheinland-Pfalz Wahlerfolge erzielen. Sie gleitet zunehmend in die politische Bedeutungslosigkeit ab. Die Aufkündigung des "Deutschlandpakts" durch die NPD und das damit unmittelbar verbundene schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen, die desolate finanzielle Lage und der deutschlandweite Mitgliederrückgang schwächen die Partei zusätzlich. Bei der Landtagswahl im September 2009 in Brandenburg blieb die DVU unter der Fünf-Prozent-Klausel, so dass sie in keinem Landtag mehr vertreten ist. Der im Januar 2009 neu ernannte Bundesvorsitzende Matthias FAUST vermochte weder die Partei aus ihrer Isolation innerhalb des rechtsextremistischen Parteienspektrums herauszuführen, noch ihr ein moderneres 40 und jüngeres Profil zu geben. Vor diesem Hintergrund erscheint der von der Partei angestrebte Aufbau einer Jugendorganisation, mit der man dem Mitgliederschwund entgegentreten will, äußerst fraglich. Mit dem Verzicht von Dr. Gerhard FREY auf eine Fortführung seines Amtes als DVU-Bundesvorsitzender verlor die Partei auch ihren wichtigsten Geldgeber. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der DVU zeigen sich insbesondere in einem übersteigerten Nationalismus, der sich in fremdenfeindlicher und antisemitischer Agitation äußert. In Parteibroschüren wird gegen Ausländer gehetzt. Ziel diskriminierender Darstellungen ist, Ängste vor Überfremdung und Kriminalität zu schüren. Ein weiteres Feindbild sind Menschen jüdischen Glaubens, wobei sich die Partei hier den im Rechtsextremismus weit verbreiteten Verschwörungstheorien eines angeblich weltweit agierenden jüdischen Machtkartells bedient. Vertreter der Bundesregierung sieht die DVU als "Handlanger Israels". Die antisemitische Haltung äußert sich auch mittelbar in Solidaritätsbekundungen für Palästinenserorganisationen und für die iranische Führung. Charakterisierend für die DVU ist auch ihre Glorifizierung von Personen und Einrichtungen der NS-Diktatur. So werden NS-Kriegsverbrechen und Kriegsschuld relativiert und revisionistische Thesen vertreten. Die Partei propagiert einen am Volksbegriff orientierten Gebietsrevisionismus, indem sie Österreich und Teile Osteuropas zu Deutschland zählt. Entwicklung in Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz verfügt die DVU weder über einen strukturierten Landesverband, noch nahm sie in irgendeiner Form am politischen Geschehen teil. Wahrnehmbar ist die Partei nur im Raum Ludwigshafen am Rhein. Die Aktivitäten der Mitglieder beschränkten sich in der Vergangenheit auf das 41 Verteilen von Handzetteln, das Abhalten von Stammtischen und den Besuch einschlägiger rechtsextremer Veranstaltungen. Bei der Kommunalwahl kandidierte die DVU lediglich in der Gemeinde Altrip im Rhein-Pfalz-Kreis und erhielt dort ein Mandat. Zur Bundestagswahl erzielte die DVU in Rheinland Pfalz 1.729 (0,1%) der Zweitstimmen. Das Landesergebnis der Europawahl mit 3.648 (0,2%) Stimmen wurde von der Partei als Enttäuschung gewertet. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" Der "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde 1970 gegründet. Seine Auflösung erfolgte im März 2002. Die Vereinigung existiert jedoch unter dem Namen "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" fort. Landesführer ist ein amtsbekannter Rechtsextremist aus Kaiserslautern. Auch 2009 wurden überwiegend interne Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Die rechtsextremistische Szene führte auch im Jahr 2009 Aktionen des so genannten Heldengedenkens (z. B. Kranzniederlegungen) durch. So versammelten sich am 9. Mai 2009 ca. 10 Rechtsextremisten am "Feld des Jammers" in der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) zu einem Totengedenken. An gleicher Örtlichkeit fanden am 15. und 22. November 2009 zwei weitere Veranstaltungen statt, an denen sich ca. 80 bzw. 25 Teilnehmer versammelten. Zu Störungen kam es nicht. 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 1. Mai 2009 versuchten rund 175 Personen des rechtsextremistischen Spektrums in der Mainzer Innenstadt unter dem Motto "1. Mai 2009 - Sozial geht nur National" einen Umzug durchzuführen. Dieser wurde jedoch durch Blockaden von bis zu 2.500 Gegendemonstranten verhindert, darunter auch Linksextremisten. Diese warfen Steine, Rauchbomben und Glasflaschen auf Polizisten und den politischen Gegner. Insgesamt wurden etwa 60 Linksextremisten vorläufig festgenommen. 42 In Kaiserslautern und Neustadt an der Weinstraße fand am 2. Mai 2009 eine Doppeldemonstration mit den Mottos "Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen! Gemeinsam gegen Globalisierung" und "Arbeit, Heimat, Familie - sozial geht nur national" mit ca. 130 bzw. 80 Rechtsextremisten statt. Doppeldemonstrationen gelten in der rechtsextremistischen Szene als strategische Maßnahme, um trotz eines begrenzten Mobilisierungspotenzials eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Zum Thema "Trauer - Wut - Widerstand - keine Gnade für Kinderschänder" versammelten sich ca. 55 Demonstranten am 27. Juli 2009 in Nieder-Olm (Rheinhessen). Etwa 150 Personen des bürgerlichen Spektrums demonstrierten gegen die Versammlung der Rechtsextremisten. In Remagen demonstrierten am 21. November 2009 etwa 200 Rechtsextremisten unter dem Motto "Besiegt! Besetzt! Gedemütigt & systematisch belogen! So bringt man ein Volk im Frieden um...". 1.8 Revisionisten Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzudeuten. Das Bild des Nationalsozialismus soll so verändert werden, dass dessen verbrecherischer Charakter relativiert wird. Revisionisten leugnen vor allem die Schuld des Hitler-Regimes am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern. Sie stellen einzelne Phasen des Nationalsozialismus verfälscht dar, indem historische Fakten verdreht und Dokumente einseitig interpretiert werden. Damit zielen sie auf eine Verharmlosung und Rechtfertigung der damaligen Geschehnisse ab. Dabei bedienen sich die Revisionisten pseudowissenschaftlicher Gutachten und suggerieren somit Interesse an der Erforschung der Historie. Geschichtliche Ereignisse wie der Holocaust werden auf diese Weise verfälscht und unter dem Vorwand der Wissenschaft neu "interpretiert". 43 1.9 Auslandskontakte Die rechtsextremistische Szene in Deutschland unterhält trotz ihrer nationalistischen Ausrichtung teilweise gute Beziehungen zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Diese beruhen auf persönlichen Kontakten und losen Verbindungen zwischen einzelnen Organisationen. Deutsche Rechtsextremisten treffen sich mit ausländischen - meist europäischen - Gesinnungsgenossen, um Demonstrationen, Gedenkfeiern und Parteiveranstaltungen im Inund Ausland durchzuführen. Insbesondere im Bereich der Musikszene ist die internationale Vernetzung ausgeprägt. So nehmen deutsche Rechtsextremisten und rechtsextremistische Bands aus Deutschland an rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Ausland mit bis zu 2.000 Besuchern teil. Am 14. Februar 2009 fand in Budapest die alljährliche "Gedenkfeier" zum sogenannten "Tag der Ehre" statt. An der Veranstaltung nahmen ca. 2.000 Rechtsextremisten teil, von denen etwa 100 Aktivisten aus Deutschland anreisten. 44 2. Linksextremismus Linksextremistische Bestrebungen lassen sich in zwei Hauptrichtungen einteilen. Revolutionär ausgerichtete Marxisten-Leninisten wollen eine sozialistische oder kommunistische Gesellschaftsordnung. Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre propagieren demgegenüber eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft frei von jeglicher staatlicher Autorität. Die revolutionär-marxistischen Organisationen setzen zur Erreichung ihrer Ziele auf das traditionelle Konzept eines langfristig betriebenen Klassenkampfes und geben sich in der Frage der Gewaltanwendung zurückhaltend. Im anarchistisch orientierten Spektrum, insbesondere unter so genannten Autonomen, wird hingegen Gewalt grundsätzlich als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele angesehen. Die Zahl der Linksextremisten ist im Bundesgebiet im Jahr 2009 leicht gestiegen. Zuwächse verzeichnete vor allem das gewaltbereite Spektrum. In Rheinland-Pfalz blieb die Gesamtzahl der Linksextremisten konstant, während auch hier das Potenzial der Gewaltbereiten anwuchs. Die von militanten Linksextremisten ausgehende Gefahr ist im Jahr 2009 im Bundesgebiet gestiegen. Dies belegt nicht zuletzt die große Zahl an Brandanschlägen mit linksextremistischer Motivation, die vornehmlich in Großstädten wie Berlin und Hamburg verübt wurden, sowie gewalttätige Aktionen gegen Polizeieinrichtungen und -kräfte. Auch auf Ereignisse mit großer Symbolkraft, wie das im April 2009 in Straßburg und Baden-Baden anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO stattgefundene Gipfeltreffen, hat das militante linksextremistische Spektrum mit zum Teil massiver Gewaltanwendung reagiert. Rheinland-Pfalz ist von den Auswirkungen dieser Entwicklung verschont geblieben. Wichtigstes Aktionsfeld der militanten Linksextremisten in Rheinland-Pfalz ist der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen geblieben. Die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit 45 der Konfrontation "gegen rechts" ist erneut angestiegen. Unter den dogmatischen Marxisten-Leninisten und sonstigen Sozialrevolutionären herrschte in Rheinland-Pfalz im Jahre 2009 weitgehend Stagnation. Inhaltliche Impulse oder Erfolge bei der Erweiterung des Anhängerpotenzials waren nicht zu verzeichnen. Im Vordergrund der Agitation standen anhaltend sozialpolitische Themen, die Globalisierung und ihre Folgen sowie das deutsche Engagement in Afghanistan. Zum rheinland-pfälzischen Landesverband der Partei "DIE LINKE." konnten im Berichtszeitraum keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen mehr festgestellt werden. Ungeachtet dessen duldet der Landesverband innerhalb seiner Organisationsstrukturen nach wie vor die Arbeitsgemeinschaft "Kommunistische Plattform" (KPF). Die KPF vertritt marxistisch-leninistische Zielsetzungen, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen. Wegen der geringen Bedeutung der KPF in Rheinland-Pfalz wird allerdings auf eine gesonderte Darstellung im Verfassungsschutzbericht verzichtet. 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2009 2008 2009 2008 Gesamt 700* 700* 31.600 * 31.200* Gewaltbereite 120 100 6.600 6.300 Marxisten-Leninisten und sonstige 580 ** 600 ** 25.300 ** 25.200** revolutionäre Marxisten * ohne Mehrfachmitgliedschaften Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 46 2.2 Linksextremistische Gewalt Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2009 2008 Gesamt 24 13 Körperverletzungen 11 6 Brandund Sprengstoffanschläge - 3 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 1 Landfriedensbruch 7 2 Widerstand 5 1 (Die Angaben sind der rheinland-pfälzischen Polizeilichen Kriminalstatistik entnommen) 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten, vor allem die so genannten Autonomen, beeinträchtigten auch im Jahr 2009 die Innere Sicherheit Deutschlands durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße. Ihre Aktionen konzentrierten sich in Rheinland-Pfalz vorwiegend auf Themen wie "Antifaschismus", "Antirassismus" und "Antirepression". Exzessive gewalttätige Ausschreitungen durch die linksextremistische Szene, wie beispielsweise in Berlin und Hamburg mit zahlreichen Verletzten und einer Vielzahl von Brandanschlägen sowie Sachbeschädigungen, gab es in Rheinland-Pfalz vergleichsweise nicht; auch kam es zu keinen Straftaten mit bundesweiter Resonanz. Gleichwohl konnte gegenüber dem Vorjahr ein erheblicher Anstieg der Gewaltdelikte festgestellt werden. Diese Zunahme ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund "antifaschistischer" Aktionen gegen den versuchten Aufmarsch von Rechtsextremisten am 1. Mai 2009 in Mainz zu sehen. 47 2.3.1 Verfahren gegen ehemalige terroristische Gewalttäter Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte am 19. Februar 2009 Thomas KRAM wegen Mitgliedschaft in der ehemaligen terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen" (RZ) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. KRAM war seit 1987 mit Haftbefehl gesucht worden und hatte sich Anfang Dezember 2006 gemeinsam mit einer bereits 2007 verurteilten ehemaligen Angehörigen der RZ-Frauengruppe "Rote Zora" den Strafverfolgungsbehörden gestellt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am 23. Dezember 2009 den Haftbefehl gegen das ehemalige Mitglied der "Rote Armee Fraktion" (RAF) Verena BECKER aufgrund ihrer Beschwerde auf. BECKER war am 27. August 2009 wegen des Vorwurfs der Mittäterschaft an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback (7. April 1977) sowie zwei seiner Begleiter festgenommen worden und saß seitdem in Untersuchungshaft. Der BGH hält Verena BECKER zwar der Beihilfe an diesem Anschlag für dringend verdächtig, sieht jedoch für die weitere Anordnung der Untersuchungshaft keinen zwingenden Haftgrund. 2.3.2 Autonome Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Sie verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Die Anwendung von Gewalt, auch gegen Personen, zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen sie als legitim an. Mit bundesweit 6.100 Aktivisten (2008: ca. 5.800) bilden die Autonomen mit Abstand den größten Teil im gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. 120 Autonome (2008: ca. 100), die schwerpunktmäßig in Koblenz, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung, in Trier sowie im Westerwald aktiv sind. Die Szene setzt sich überwiegend aus lose strukturierten Personenund Gruppenzusammenschlüssen zusammen. Treffen finden u.a. in so genannten Szene48 kneipen, "Antifa Cafes" und "Infoläden" statt, wo man sich intern über aktuelle Geschehnisse informieren kann und geplante Aktionen besprochen werden. Mit unterschiedlichsten Angeboten wie Filmvorführungen, Infound Vortragsveranstaltungen etc. sollen zudem neue Aktivisten geworben werden. Weiterhin bemüht man sich um eine stärkere Vernetzung bzw. den Aufbau von regionalen als auch überregionalen Organisationsstrukturen. Die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen sind dabei vorrangige Ziele. Im August 2009 fand im hessischen Homberg/Ohm (Vogelsbergkreis) ein überregionales "Antifaschistisches Sommercamp" statt, an dem sich gewaltbereite Linksextremisten (Autonome) aus dem Rhein-Main-Gebiet beteiligten. In dem durch Patrouillen abgeschirmten "Camp" wurden unter anderem mit "Tonfas" und anderen Schlagwerkzeugen bestimmte Angriffsund Verteidigungstechniken eingeübt. Einzelne so genannte autonome Zusammenhänge, die vornehmlich unter wechselnden Aktionsnamen auftreten, führten im Bundesgebiet zunehmend schwere Gewalttaten aus, darunter insbesondere Brandanschläge. Die vorwiegend im Raum Berlin/Brandenburg seit 2001 für zahlreiche Brandanschläge verantwortliche "militante gruppe" (mg) erklärte Anfang Juli 2009 in der Szenezeitschrift "radikal" (Nr. 161) ihre Selbstauflösung. Am 16. Oktober 2009 verurteilte das Berliner Kammergericht drei Angehörige der "mg" wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie versuchter Brandstiftung zu mehrjährigen Haftstrafen. Gewaltorientierte Linksextremisten in Rheinland-Pfalz bezeichnen sich zumeist als (autonome) "Antifa"-Gruppen. Ihre politischen Aktivitäten richten 49 sich vordergründig gegen rechtsextremistische Bestrebungen und darüber hinaus gegen den verhassten, als "kapitalistisches System" diffamierten, freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat mit seinen angeblichen faschistischen Wurzeln. Wichtigstes Kommunikationsmittel des linksextremistischen Spektrums ist das Internet, in dem regelmäßig - auch verschlüsselt und nur einem internen Personenkreis zugänglich - Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen eingestellt werden. Die Möglichkeit eines geschützten Informationsaustausches begünstigt das konspirative Verhalten der Linksextremisten und erschwert den Sicherheitsbehörden die Aufklärung. Neben Angaben zu Treffpunkten und Veranstaltungen finden sich auf den Internetseiten vor allem Beiträge zu "linken" politischen Themen sowie Veranstaltungsbzw. Demonstrationstermine mit Mobilisierungsaufrufen, die regional und überregional mit zahlreichen (autonomen) "Antifa"-Gruppen verlinkt sind. Durch die Kommunikation über das Internet sieht sich die autonome Szene neben der Nutzung von E-mail und Handy in der Lage, unmittelbar auf entsprechende szenerelevante Anlässe zu reagieren. Via Internet wurde beispielsweise auch verbreitet, dass am 28. November 2009 in Ludwigshafen am Rhein ca. 25 Personen einen "antifaschistischen Spaziergang" durchführten, dabei Flugblätter verteilt und "Nazi-Propaganda" entfernt hätten. Die Verlautbarung endete mit der Parole "Nazistrukturen zerschlagen - Autonomen Antifaschismus organisieren". Zur Umsetzung und Verbreitung ihrer politischen Ideologie bedient sich die autonome Szene in Rheinland-Pfalz unterschiedlichster Mittel, die von Aufkleber-Aktionen über Internetaufrufe bis hin zu organisierten Kampagnen gegen "Nazi-Läden" und Sachbeschädigungen reichen. 50 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Die Mobilisierung und Teilnahme an "antifaschistischen" Demonstrationen stellt auch weiterhin das Haupttätigkeitsfeld der autonomen Szene dar. Vornehmlich handelt es sich dabei um Aktionen gegen Aufzüge rechtsextremisstischer Parteien/Organisationen. So reklamierte die rheinland-pfälzische gewaltorientierte linksextremistische Szene die Verhinderung der "1. Mai"-Veranstaltung der NPD in Mainz für sich als besonderen Erfolg, nachdem aufgrund massiver Proteste von insgesamt etwa 2.500 Gegendemonstranten - darunter ca. 350 Gewaltbereite (Autonome) - die geplante Demonstration der Rechtsextremisten wegen Straßenblockaden nicht starten konnte. Aus den Reihen militanter Linksextremisten wurden vereinzelt Rauchbomben und Steine auf Polizeibeamte und Fahrzeuge geworfen. Am Rande des Demonstrationsgeschehens kam es zu Flaschenwürfen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern. Die Glasfront eines Geschäfts wurde zerstört; ein Polizeifahrzeug wurde erheblich beschädigt. Die Polizei nahm mehrere Personen aus Rheinland-Pfalz, Hessen, dem Saarland und Niedersachsen vorläufig fest, u.a. wegen Landfriedensbruch. Das autonome Spektrum hatte sich bereits mit einer "Vorabend-Demonstration" am 30. April 2009 in Wiesbaden unter dem Motto "Gegen Nazis, Deutschland und Arbeitswahn!", an der ca. 200 Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet teilnahmen, auf die "1. Mai"-Veranstaltung in Mainz eingestimmt. Zur Teilnahme an diesen Demonstrationen hatte u.a. der "AK Antifa Mainz" im Internet aufgerufen. Am 31. Mai 2009 demonstrierten ca. 800 Menschen gegen eine NPD-Veranstaltung in Bad Marienberg (Westerwaldkreis), darunter ca. 30 Aktivisten der regionalen autonomen "Antifa", die einen "schwarzen Block" bildeten. Zuvor hatte die "Antifa Westerwald" im Internet unter dem Motto "Der NPD das Heimspiel zum Desaster machen" zur Teilnahme aufgerufen. Um ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu erreichen, beteiligen sich Autonome 51 zuweilen an Bündnissen gegen "Rechts" und versuchen diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. So organisierte das seit 2008 existierende "Bündnis Ladenschluss Ludwigshafen", in dem neben einem breiten gesellschaftlichen Spektrum auch revolutionär-marxistische Gruppen und maßgeblich gewaltbereite "Antifas" mitarbeiten, am 17. Januar 2009 in Ludwigshafen am Rhein eine Demonstration unter dem Motto "Ladenschluss - Kein Shopping für Nazis" mit ca. 700 bis 800 Personen, darunter ein "schwarzer Block" mit ca. 250 gewaltorientierten Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland und Baden-Württemberg. Wenige Tage später, am 23. Januar 2009, setzten Unbekannte einen Altpapiercontainer vor einem mit "rechter" szenetypischer Bekleidung handelnden Ludwigshafener Garagenladen namens "Thugs" in Brand, beschmierten das Garagentor mit der Parole "Tod dem Faschismus" und mit einem "Anarcho"-Symbol (A im Kreis). "Massenmilitanz" und "Kleingruppentaktik" sind weiterhin ein aus Sicht der Autonomen geeignetes Mittel, um rechtsextremistische Aufmärsche, die immer als Provokation empfunden werden, zu verhindern oder zu stören. Am 14. März und 8. August 2009 versuchten in der Zweibrücker Innenstadt gewaltorientierte Linksextremisten aus der Pfalz und dem Saarland im Rahmen von jeweils friedlichen Gegenkundgebungen des bürgerlichen Lagers rechte Aufmärsche zu stören; u.a. gelang es ihnen, am 14. März eine Straßenblockade zu initiieren. An beiden Tagen kam es zu mehreren Festnahmen von Gegendemonstranten. Im Vorfeld war über das Internet verstärkt zu den "linken" Protestveranstaltungen aufgerufen worden. Zu den Unterstützern des Aufrufs am 14. März zählten u.a. "Antifa Mittelmosel", "Antifa Landau", "Autonome Linke Vorderpfalz" und "Antifa Trier". Den Aufruf "Völkischen Rassismus bekämpfen - auch am 8. August in Zweibrücken" unterstützte die "Autonome Antifa Worms" auf einer eigens eingerichteten Internetseite mit der unmissverständlichen Parole "Nazis den Tag versauen". 52 Autonome versuchten weiterhin, Aktivitäten von Rechtsextremisten aufzudecken und diese zu "outen". Mittels "Antifa-Recherchen" sammelten sie Informationen über Funktionäre, Trefflokale, Schulungseinrichtungen und Geschäfte, die rechtsextremistische Devotionalien verkaufen. Verschiedene "antifaschistische Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen" aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz initiierten eine Kampagne "Ladenschluss! - Keine Geschäfte mit Neonazis", um "gemeinsam gegen Neonazis vorzugehen". In einer im Mai 2009 veröffentlichten Schrift wird zum Ziel dieser "antifaschistischen Kampagne" ausgeführt, "über Läden, Versände, Marken, Inhaber, deren Kundschaft und die neuen Lifestyle-Trends der Neonaziszene" aufzuklären und entsprechende "Strategien" entwickeln zu wollen. Das Pamphlet stellt gleichzeitig in Frage, "ob Gesetze und staatliche Behörden die Lösung" dafür seien. Anti-Globalisierungsbewegung Bei internationalen Gipfeltreffen, u.a. der Staatsund Regierungschefs der acht bedeutendsten Industriestaaten (G8), kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Gewaltaktionen militanter Globalisierungsgegner wie beispielsweise bei den G8-Treffen 2001 in Genua und 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern). Anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO fand Anfang April 2009 ein weiteres Gipfeltreffen in Straßburg und Baden-Baden statt. Am Rande einer internationalen Großdemonstration in Straßburg am 4. April 2009 unter dem Motto "No to War - No to NATO" kam es dabei zu massiven Gewaltexzessen. Vom 7. bis 18. Dezember 2009 wurde in Kopenhagen die "15. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention" (COP 15, auch Weltklimagipfel) mit Verhandlungen über ein neues globales Klimaschutzabkommen durchgeführt. Den Mittelpunkt der Proteste bildete eine internationale, weitgehend friedliche Großde53 monstration am 12. Dezember 2009 mit ca. 100.000 Personen. Im Rahmen von Protestaktionen bildeten etwa 300 gewaltbereite Linksextremisten einen "schwarzen Block", aus dem von einer Gruppe Vermummter heraus Sachbeschädigungen begangen wurden. Insgesamt war die Protestbeteiligung deutscher Linksextremisten während des Weltklimagipfels in Kopenhagen gering. Antirepression Das Thema "Antirepression" bildet für Linksextremisten nach wie vor einen Aktionsschwerpunkt. Autonome diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, indem sie ihnen fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Unter dem Motto "Die Verhältnisse zum Tanzen bringen - Nazis auf die Füße treten" fanden sich am 30. Mai 2009 rund 150 Personen aus der Südund Vorderpfalz, aus Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland - darunter ein großer Anteil der autonomen Szene - zu einer vom örtlichen "Antifa"-Spektrum initiierten Demonstration mit Kundgebung in der Landauer Innenstadt zusammen. In Zweibrücken kam es am 29. August 2009 zu einer vom linksextremistischen Spektrum angemeldeten Demonstration unter dem Motto "Kein Fußbreit dem Rassismus - für breiten Widerstand, gegen Polizeigewalt" mit ca. 50 Teilnehmern, die mit Transparenten mit der Aufschrift "Nazis raus" und "Gegen Polizeigewalt und Repression!" durch die Innenstadt zogen. Der Protest von überwiegend jugendlichen "Antifaschisten" aus der Pfalz und dem Saarland richtete sich gegen die ihrer Ansicht nach zu harte Vorgehensweise der Polizei gegen eine "antifaschistische" Demonstration gleichenorts am 8. August 2009. Antirassismus Linksextremisten setzten im Berichtszeitraum ihre demonstrativen Aktionen gegen den "kapitalistischen Staat" und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik fort. Insbesondere die so genannten Abschiebeknäste in Trier, Zweibrücken und In54 gelheim am Rhein sind für das "antirassistische" Spektrum immer wieder Anreiz, demonstrative Aktionen zu Agitationsthemen wie "Migration", "Abschiebung" und "rassistische Polizeigewalt" zu initiieren. In diesem Sinne demonstrierten am 6. Juni 2009 unter dem Motto "Gegen den Abschiebeknast - gegen das unmenschliche Asylregime - für globale Bewegungsfreiheit!" in Ingelheim am Rhein rund 250 Personen gegen die örtliche Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige, darunter auch mehrere gewaltorientierte Linksextremisten in einem "schwarzen Block". Vom 22. bis 29. August 2009 fand in Mainz, Wiesbaden, Mannheim und Ludwigshafen am Rhein unter Beteiligung des linksextremistischen Spektrums eine "Aktionswoche gegen Abschiebung" mit Vortragsund Diskussionsveranstaltungen, Filmvorführungen, Infoständen, Aktionstheater und Demonstrationen statt. Die Auftaktveranstaltung war am 22. August auf dem Mainzer Neubrunnenplatz; es folgte eine Kundgebung am 28. August vor dem Mainzer Innenministerium unter dem Motto "Abschiebehaft abschaffen! - Weg mit dem Abschiebeknast Ingelheim!". Den Abschluss am 29. August bildete ein Sternmarsch "gegen die Residenzpflicht" mit etwa 300 Teilnehmern aus Mannheim und Ludwigshafen am Rhein. 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder Bund: ca. 4.000 (2008: ca. 4.200) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 90 (2008: ca. 90) Organisation in Rheinland-Pfalz: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit sechs regionalen Gruppen Publikationen: Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) Auflage: ca. 7.000 Exemplare zweimonatlich erscheinendes Theorie-Organ "Marxistische Blätter" Auflage: ca. 3.000 Exemplare 55 Die sich an Theorien von Marx, Engels und Lenin orientierende "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) definiert sich unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse. Zu ihren grundlegenden politischen Zielen gehört die Schaffung einer kommunistischen Staatsform. In diesem Sinne äußerte der DKP-Vorsitzende Heinz STEHR auf der Bundeswahlkonferenz der Partei für die EU-Parlamentswahlen: "Die DKP sieht sich als Kraft, deren Ziel der revolutionäre Bruch mit diesen kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen, die Öffnung des Weges für eine sozialistisch-kommunistische Zukunft ist." (DKP-Zeitschrift "Unsere Zeit" vom 16. Januar 2009) An der Kommunalwahl 2009 in Rheinland-Pfalz hat sich die DKP nicht mit einer eigenen Liste beteiligt; allerdings errang ein DKP-Mitglied in Idar-Oberstein über die Liste der Partei "DIE LINKE." ein Stadtratsmandat. Bei der gleichzeitigen Wahl zum EU-Parlament entfielen auf die DKP nur 0,1 % der Stimmen. Die DKP befindet sich wegen ihrer dogmatischen Grundeinstellung in politischer Isolation. Dennoch sucht sie fortgesetzt die Nähe zu politischen und sozialen Bewegungen sowie zu anderen kommunistischen Parteien/Organisationen. So beteiligte sie sich an Demonstrationen, wie z.B. am 11. April 2009 in Mainz am Mainz-Wiesbadener Ostermarsch unter dem Motto "Deutschland ist im Krieg. Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt!" und im April 2009 gegen den "NATO-Gipfel in Straßburg". Etwa 90 Mitglieder gehören dem DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit seinen regionalen Gruppen in Andernach, Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Landau, Mainz und Trier an. Im Berichtszeitraum standen Aktivitäten wie Infostände, Verteilung von Wahlplakaten und Flugblättern im Vordergrund. Daneben wurden Publikationen (z.B. zum Bildungsstreik 2009), die Kleinzeitung "trierer keiken" und die in Idar-Oberstein verbreitete Stadtzeitung "Einblick" herausgegeben. Öffentliche Mitgliederversammlungen fanden z.B. in Bad Kreuznach unter dem Thema 56 "Einführung in die politische Ökonomie des Kapitalismus" statt. Die von der DKP als parteieigene Jugendorganisation betrachtete "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) zählt nach wie vor zu den der DKP-nahestehenden Organisationen. 2.4.2 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder Bund: ca. 2.000 (2008: ca. 2.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 10 (2008: 10) Organisation in Rheinland-Pfalz: Kreisverband Ludwigshafen Wichtigstes Ziel der 1982 gegründeten MLPD ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals" und "die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Entscheidende Grundlagen im Kampf für den "echten Sozialismus" bilden für die MLPD und ihren Jugendverband "Rebell" die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Mao Tsetung und Stalin. In einer Internet-Erklärung der MLPD vom 5. Januar 2009 heißt es u.a.: "Wer für eine Welt des Friedens, der Freiheit und des Sozialismus kämpfen will, der muss für die Beseitigung des Imperialismus und den Sieg der internationalen sozialistischen Revolution eintreten!". Im Gegensatz zu den meisten kommunistisch geprägten Gruppen verteidigt die MLPD das politische Wirken der für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Mao Tsetung und Stalin. Mit Nachdruck grenzt sie sich von anderen Organisationen wie der DKP ab; politisch ist sie seit langem isoliert. In Rheinland-Pfalz existiert ein aktiver Kreisverband im Bereich Ludwigsha57 fen am Rhein, der die rheinland-pfälzische Landesliste der MLPD sowie die Direktkandidatin zur Bundestagswahl 2009 im Kreiswahlvorschlag des Wahlbezirks 208 Ludwigshafen/Frankenthal ohne nennenswertes Ergebnis unterstützt hat. An der Kommunalwahl 2009 in Rheinland-Pfalz hat die MLPD nicht teilgenommen. Durch Internetauftritte, die Herausgabe der Wochenzeitung "Rote Fahne" sowie die Verteilung von Flugblättern (z.B. "Außergewöhnliche Situationen erfordern radikale Lösungen!", "Bildungsproteste Herbst 2009 - Mobil machen gegen schwarz-gelb!", "Schluss mit dem Krisenchaos! Vorwärts zum echten Sozialismus"), versucht die MLPD weiterhin bundesweit auf sich aufmerksam zu machen. In Rheinland-Pfalz beschränkten sich die Aktivitäten der MLPD überwiegend auf Infostände, die Sammlung von Unterschriften und die Verteilung von Wahlkampfzeitungen für die Bundestagswahlen. 58 3. Islamismus Bereits mit Beginn des Jahres 2009 starteten islamistisch-terroristische Gruppierungen eine großangelegte Propagandaoffensive gegen die Bundesrepublik Deutschland. In mehreren deutschsprachigen Audiound Videobotschaften wandten sie sich mit direkten Drohungen gegen Deutschland, insbesondere auf Grund des militärischen Engagements in Afghanistan. Hinter der Propagandaoffensive, die in den Wochen vor und nach der Bundestagswahl vom 27. September 2009 ihren Höhepunkt erreichte, standen in erster Linie "al-Qaida", die "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) und die "Islamische Jihad-Union" (IJU). Allerdings sind die Drohungen in der Zeit nach der Bundestagswahl bis zum Jahresende nicht verwirklicht worden und Anschläge auf deutschem Boden ausgeblieben. Die Gefahr zukünftiger terroristischer Anschläge in Deutschland ist damit jedoch keineswegs gebannt. Die grundsätzliche Bereitschaft der genannten Terrororganisationen zu Gewaltakten in Deutschland zur Verwirklichung ihrer Ziele besteht auch nach dem Abklingen der Propagandaoffensive fort. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass durch die Drohbotschaften Einzelpersonen und unabhängige Kleingruppen zu Anschlägen in Deutschland motiviert werden können. Im Jahresverlauf hat sich zudem die Zahl von Ausreisen und Ausreiseversuchen radikalisierter Muslime in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet sowie ihrer paramilitärischen Ausbildung in dortigen Lagern stark erhöht. Einzelne Fälle aus der Vergangenheit belegen, dass hiermit nicht nur die Gefahr eines Anschlags an der dortigen "Jihad-Front", sondern vor allem auch die Gefahr einer Rückkehr nach Deutschland mit dem Ziel, auf deutschem Boden Gewaltakte zu verüben, gestiegen ist. Erinnert seien in diesem Zusammenhang an einen Anschlag des aus Ansbach (Bayern) stammenden Cüneyt CIFTCI auf einen US-Militärstützpunkt in Afghanistan im März 2008 und an die Pläne einer 2007 im Sauerland festgenommenen IJU-Zelle, Anschläge innerhalb Deutschlands zu verüben. 59 Insofern ist davon auszugehen, dass islamistisch-terroristische Gruppierungen weiterhin bestrebt sein werden, Deutschland und seinen Interessen massiv zu schaden. Der islamistische Terrorismus stellt aus diesem Grund eine der größten Gefahren für die Innere Sicherheit dar. Daneben darf nicht aus dem Blick geraten, dass der Islamismus hierzulande auch - und im Hinblick auf seine Anhängerund Mitgliederzahlen sogar mehrheitlich - in einer gewaltfreien Ausprägung existiert. Auch in diesem so genannten legalistischen Bereich wird ein Weltbild verbreitet, das die freiheitliche demokratische Grundordnung in zentralen Punkten, z.B. hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie der Religionsund Meinungsfreiheit, ablehnt und darüber hinaus durch dezidierte Feindbilder gekennzeichnet ist. Aus diesem Grund und in Anbetracht der verhältnismäßig großen Anhängerschaft ist der Islamismus auch in dieser Form ein Beobachtungsschwerpunkt des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes. 3.1 Islamistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2009 2008 2009 2008 Islamisten Gesamt 800 800 36.270 34.720 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3.2 Ideologie Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Erscheinungsform des Islam mit politischen und zugleich religiösen Komponenten. Politisch ist der Islamismus in zweierlei Hinsicht: # Er strebt eine bestimmte Staatsund Gesellschaftsordnung an, # er behandelt in hohem Maße tagespolitische Themen. 60 Beiden Aspekten liegt allerdings eine religiöse Perspektive und Rhetorik zugrunde. Als Grundlage der angestrebten Staatsund Gesellschaftsordnung gilt das islamische Recht (Scharia), das sich aus dem Koran und den Sammlungen überlieferter Aussprüche und Taten Muhammads sowie seiner Gefährten (Hadithe) ableitet. Gemäß diesem Islamverständnis untersteht die Religion nicht der staatlichen Ordnung, sondern erhebt vielmehr ihrerseits den Anspruch, die Staatsund Rechtsordnung zu regulieren. Rechtsvorschriften, die eine andere Quelle besitzen als den Islam, werden von Islamisten als gegenstandslos oder gar illegitim erachtet. Die islamistischen Diskurse über tagespolitische Themen wie Irak-Krieg oder Palästina-Konflikt sind inhaltlich in keiner Weise religiös. Eine religiöse Dimension erhalten diese Themen jedoch dadurch, dass sie nahezu ausschließlich aus der Perspektive der Religionszugehörigkeit betrachtet werden. Hierbei wird zunächst eine Zweiteilung der Menschen in Muslime und Nichtmuslime - gemäß islamistischer Rhetorik vielfach "die Ungläubigen" - vorgenommen. Als dritte Kategorie kommen oftmals diejenigen Muslime hinzu, die nach islamistischer Auffassung vom wahren Islam abgefallen sind und mit den Nichtmuslimen kooperieren. Die Rollenverteilung erfolgt durchgängig und ohne Differenzierung nach dem Schema "wir Muslime sind die Opfer, die Nichtmuslime sind die Täter". Während Gewalt an Muslimen scharf verurteilt und als Teil eines Kreuzzuges gegen den Islam gewertet wird, werden von Muslimen ausgehende Gewaltaktionen entweder als Selbstverteidigung gerechtfertigt oder aber in Abrede gestellt. Das Phänomen des islamistischen Terrorismus wird nicht als reale Bedrohung, sondern entweder als Notwehr umgedeutet oder als ein Konstrukt westlicher Nachrichtendienste, Politiker und Medien dargestellt. Nach islamistischer Auffassung dient das "künstlich erzeugte Bedrohungsszenario" westlichen Staaten dazu, mittels Besetzungen muslimischer Länder und verschärfter Sicherheitsgesetze die Muslime insgesamt zu diskriminieren. Maßnahmen von Sicherheitsbehörden gegen das islamistische Spektrum werden als Islamophobie kritisiert. In der Feindbildhierarchie stehen Israel, die USA sowie die westliche Welt im Allgemeinen ganz oben. Hinzu kommen aufgrund eher regionaler Begebenheiten Länder wie z.B. Indien bei vielen kaschmirischen und pakistanischen Islamisten oder China bei vielen uighurischen und anderen zentralasiatischen Islamis61 ten. Auch wenn die Frontalkritik bei der Mehrzahl der Islamisten durch Worte und nicht durch Gewaltaktionen artikuliert wird, geht von ihr doch eine stark polarisierende Wirkung aus. Sie ist daher imstande, Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung in Gang zu setzen. Im militant-islamistischen Spektrum werden machtpolitische Interessen und Gewaltanwendung mittels einer islamisch gefärbten Rhetorik "legitimiert". Hierzu gehören die häufige Bezugnahme auf Gott/Allah, die Heranziehung ausgewählter Koranverse und Hadithe sowie der zentrale Stellenwert von Begriffen wie Märtyrer, Mujahidin und Jihad. Auf Grund dessen ist diese Strömung auch unter der Bezeichnung Jihadismus bekannt. Die Anhänger dieser Bewegung werden folglich Jihadisten genannt. Sowohl Islamisten als auch Jihadisten haben eine umfassende und nahezu globale Infrastruktur aufgebaut. Hierzu gehören neben offiziellen Organisationsstrukturen bzw. informellen Personenzusammenschlüssen zahlreiche Internetseiten und Chatforen, eigene Verlage, Schriften, Zeitungen, TV-Sender, Audiound Videomaterial, Kursangebote, Vortragsveranstaltungen, soziale Dienstleistungen, organisierte Spendensammlungen u.a. Für Islamisten ist es daher einfach, Muslime - speziell junge, die mit den zeitgenössischen Medien vertraut sind - zu erreichen. Bei den terroristischen Gruppierungen kommen paramilitärische Trainingslager und eigene, verdeckte Finanzierungswege hinzu. 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2009 International Das Jahr 2009 war international betrachtet erneut durch zahlreiche Gewaltaktivitäten jihadistischer Terroristen geprägt. Sie wirkten sich wie schon in den Vorjahren zunächst einmal verheerend auf die jeweilige regionale Sicherheitslage aus. Die daraus resultierende staatliche Destabilisierung stellt mittelbar aber auch eine Gefahr für die Sicherheit in anderen Teilen der Welt dar. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass ein Teil der Terroranschläge und Angriffe vor Ort eine dezidiert antiwestliche Stoßrichtung hatte. 62 Schwerpunkte terroristischer Gewalt waren 2009 abermals Afghanistan, der Irak und Pakistan. In Afghanistan nahm die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im Jahre 2009 weiter zu. Insbesondere in den von Paschtunen bewohnten Landesteilen im Osten und Süden war die Situation durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate und Überfälle geprägt. Zu einer erhöhten Frequenz sicherheitsrelevanter Vorfälle kam es im Vorfeld und in den Tagen um die Präsidentschaftsund Provinzratswahlen am 20. August. Auch in einigen Provinzen des vormals eher ruhigen Nordens, so u.a. in der Provinz Kunduz, trat 2009 eine Verschärfung der Sicherheitslage ein. Dies bedeutet nicht zuletzt für die dort stationierten Bundeswehrsoldaten eine erhebliche Gefährdung. Im Nachbarland Pakistan verschärfte sich 2009 der Machtkampf zwischen Regierung und Militär einerseits und jihadistischen Gruppierungen andererseits. Jihadisten insbesondere aus den Reihen der pakistanischen Taliban beeinträchtigen mit Terroranschlägen zusehends die öffentliche Sicherheit (seit 2007 pro Jahr mehr als 1.000 Todesopfer). Darüber hinaus erzielten sie in einigen nördlichen Landesteilen vermehrt Geländegewinne und setzten in den von ihnen kontrollierten Regionen eine streng islamistische Ordnung durch. Nicht zuletzt entwickelte sich das Grenzgebiet zu Afghanistan zum wichtigsten Rückzugsraum für Terrororganisationen ("al-Qaida", "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) und "Islamische Jihad-Union" (IJU)) weltweit. Als Reaktion auf diese Entwicklungen führte das pakistanische Militär 2009 nacheinander Großoffensiven gegen Jihadisten im Swat-Tal (Nordwestgrenzprovinz) und in Süd-Wasiristan durch. Dies führte zu neuen Vergeltungsanschlägen der Terrorgruppen. Ob sie durch das militärische Vorgehen nachhaltig geschwächt werden, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Im Irak ging 2009 die terroristische Gewalt gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, es waren allerdings noch immer etwa 4.500 Todesopfer zu beklagen. In den Monaten nach dem Abzug US-amerikanischer 63 Soldaten aus den Städten zur Jahresmitte verübten "al-Qaida"-Terroristen einige verheerende Anschläge auf Einrichtungen des Staates und der Regierung in Bagdad. In erhöhtem Maße ist der Jemen zu einem Rückzugs-, Vorbereitungsund Operationsgebiet für "al-Qaida" geworden. Ende Januar 2009 schlossen sich "alQaida im Jemen" und die saudische "al-Qaida"-Fraktion unter dem Namen "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" zusammen. Zweck dieses Zusammenschlusses ist die Intensivierung des Kampfes gegen die unter westlichem Einfluss stehenden arabischen Regime sowie gegen Ausländer und westliche Interessen in der Region. Mit dem versuchten Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug am 25. Dezember 2009 in den USA hat die Organisation ihre Entschlossenheit demonstriert, auch außerhalb der Arabischen Halbinsel Anschläge zu verüben. Innerhalb des Jemen wurden bei einem Selbstmordanschlag im März vier südkoreanische Touristen und ihr einheimischer Begleiter getötet. Für diesen Anschlag trug "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" die Verantwortung. Im Juni wurden mehrere Ausländer entführt, darunter eine bislang vermisste Familie aus Deutschland (Stand: 31. Januar 2010), und drei der Geiseln getötet, unter ihnen zwei deutsche Frauen. Die beiden Frauen, die an einer kleinen Bibelschule in Deutschland studierten, hielten sich im Rahmen eines Praktikums in dem südarabischen Land auf, engagierten sich im humanitären Bereich und betrieben möglicherweise christliche Missionsarbeit. Die genauen Umstände ihrer Ermordung sind ungeklärt, doch gilt ein islamistischer Hintergrund als wahrscheinlich. Nach Überzeugung vieler Islamisten stellt Missionierung für nicht-islamische Religionen in muslimischen Ländern ein Verbrechen dar - wobei sie gleichzeitig Missionsarbeit für den Islam in allen Ländern der Erde als ihr Recht und sogar ihre Pflicht ansehen. In Nordafrika und in der Sahelzone agiert eine weitere "al-Qaida"-Regionalorganisation unter der Bezeichnung "al-Qaida im Islamischen Maghreb". In ihrem Visier standen 2009 erneut algerische Regierungseinrichtungen und Sicherheitskräfte. Weiterhin war "al-Qaida im Islamischen Maghreb" für Aktivitäten verantwortlich, die sich gegen westliche Staatsbürger in der Sahelregion richteten, so u.a. die Tötung eines zuvor entführten Briten im Grenzgebiet zwischen 64 Mali und Niger am 31. Mai sowie eines US-Amerikaners in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott am 23. Juni 2009. Zunehmend macht sich die Organisation in der dünn besiedelten Region die nicht flächendeckende Zentralgewalt für ihre Vorbereitungshandlungen und Operationen zunutze. Im Nahen Osten eskalierte um die Jahreswende 2008/2009 erneut die Gewalt. Hierbei kam es zu schweren Luftangriffen und einer anschließenden Bodenoffensive Israels im Gaza-Streifen. Zeitgleich setzte HAMAS den bereits seit Jahren andauernden und zum Jahresende 2008 verstärkten Raketenbeschuss auf israelisches Territorium fort. Im Januar 2009 fanden in mehreren deutschen, darunter auch rheinland-pfälzischen Städten, Demonstrationen gegen das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen statt. Die von unterschiedlichen Bündnissen und Organisationen, darunter auch von der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) veranstalteten Demonstrationen mit teilweise mehreren tausend Teilnehmern verliefen bis auf einzelne Zwischenfälle friedlich. Von den ungefähr 300 in Deutschland wohnhaften Aktivisten und Anhängern der HAMAS gingen hierzulande keine gewaltsamen Reaktionen aus. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass HAMAS einen Strategiewechsel im Sinne einer Ausweitung von Terroranschlägen außerhalb Israels und der palästinensischen Gebiete plant. Die dargestellten Ereignisse verdeutlichen, dass Terroranschläge und gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen vor allem in Teilen der mehrheitlich muslimischen Welt Realität sind. Ein versuchter Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug am 25. Dezember 2009 bestätigt jedoch die Befürchtungen und die Erfahrungen vergangener Jahre, dass Terroristen bestrebt sind, Anschläge gerade auch in westlichen Ländern zu verüben. Das Flugzeug der US-Gesellschaft Delta Airlines mit knapp 300 Personen an Bord befand sich auf dem Flug von Amsterdam nach Detroit, als ein nigerianischer Staatsbürger die Maschine kurz vor der Landung mit Sprengstoff zur Explosion bringen wollte. Die fehlerhafte Handhabung des Attentäters mit der technischen Vorrichtung sowie das Eingreifen einiger Passagiere und Besatzungsmitglieder verhinderten dies. 65 Am 28. Dezember 2009 bekannte sich "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" im jihadistischen Internetforum AL-FALOJA zu dem Anschlagsversuch und bezeichnete ihn als Vergeltung für einen militärischen Luftangriff gegen "alQaida"-Kämpfer im Jemen, der unter US-Beteiligung stattgefunden haben soll. Nach bisherigem Ermittlungsstand (31. Januar 2010) wurde der 23-jährige Attentäter von dem "al-Qaida"-Ableger im Jemen ausgebildet, erhielt dort den Sprengstoff und handelte im Auftrag der Organisation. Bundesrepublik Deutschland Islamistisch-terroristische Organisationen eröffneten 2009 eine großangelegte Medienoffensive gegen die Bundesrepublik Deutschland. Bereits in der ersten Jahreshälfte veröffentlichten die Terrororganisationen "al-Qaida", "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) und "Islamische Jihad-Union" (IJU) etwa zehn Videobotschaften mit Deutschlandbezügen, teilweise sogar in deutscher Sprache. Zudem stammen mehrere Sprecher, die in den Videos erscheinen, aus Deutschland. Zu nennen sind hierbei u.a. Bekkay HARRACH alias Abu Talha sowie die Brüder Yassin und Munir CHOUKA alias Abu Ibrahim beziehungsweise Abu Adam. Alle drei hatten vor ihrer Ausreise ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet in Bonn gelebt. Einige der Videos enthielten allgemeine Aufrufe an die Muslime in Deutschland, sich den Mujahidin anzuschließen und sich am Jihad zu beteiligen. In einer Videobotschaft der IBU vom 27. Februar 2009 mit dem Titel "Soldaten Allahs" hieß es beispielsweise: "Der Koran ruft Euch! Er ruft Euch, den ehrenvollen Tod für Allah zu sterben. Drum beteiligt Euch an diesem gesegneten Jihad. Kämpft fi sabili llah [auf dem Wege Gottes] und sterbt den Tod der Ehre." In einem von "as-Sahab", der Medienstelle der "al-Qaida", produzierten Video vom 19. Januar 2009 mit dem Titel "Rettungspaket für Deutschland" verknüpfte der vermummte Sprecher Bekkay HARRACH den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit einer gegen Deutschland gerichteten Drohung: 66 "Mich für Allah in die Luft zu sprengen, ist mein Wunsch seit 1993. Deutschland ist mit der uneingeschränkten Solidarität mein größter Wunsch geworden ... Die Briten haben als zweitgrößtes Kontingent einen Vorgeschmack bekommen. Und sollten die Deutschen, wovon ich nicht ausgehe, leichtgläubig und naiv meinen, als drittgrößter Truppensteller ungeschoren davon zu kommen, dann sind deutsche Politiker im Bundestag leider fehl am Platz ... Ich gehe davon aus, dass das deutsche Volk [bei der Bundestagswahl am 27. September] die richtige Wahl treffen wird und jeden unnötigen Ärger vermeiden will. Die Deutschen haben eine neue Hoffnung, wieder in Sicherheit zu leben, schlafen und beruhigt einkaufen zu gehen, ohne ständig von der Angst begleitet zu werden, dass der Schwarzkopf oder der bärtige Blonde eine Bombe sein könnte. Es liegt einzig und allein in Eurer Hand. Sollten die Deutschen diesmal jedoch nicht diesen Weg gehen, dann haben sie ihr eigenes Urteil gefällt." In der Zeit vom 18. September bis 8. Oktober 2009, also unmittelbar vor und nach der Bundestagswahl, nahm die Propagandaoffensive an Intensität und Schärfe deutlich zu. Im Einzelnen wurden folgende Audiound Videobotschaften festgestellt: # 1 8. September:"Sicherheit - ein geteiltes Schicksal"; Sprecher: "al-Qaida"Mitglied Bekkay HARRACH; # 2 0. und 24. September: "O Allah, ich liebe Dich" (2 Teile); Sprecher: Bekkay HARRACH; # 22. September: "Der Westen und der dunkle Tunnel", Video "al-Qaidas"; # 2 5. September: "Botschaft an die Völker Europas"; Sprecher: Usama BIN LADIN. Keine namentliche Nennung Deutschlands, aber Deutschland-Bezüge in Form deutscher Untertitel, einem schwarz-rot-goldenen Hintergrund und Umschreibung Deutschlands als "Herz Europas"; # 2 5. September: "Der Ruf zur Wahrheit"; Video des "Islamischen Emirates Afghanistan"/ der afghanischen Taliban; # 2 7. September: "Nachruf auf den Märtyrer und Emir Baituallah, Vorbild der Jugend"; Sprecher: "al-Qaida"-Vize Aiman AL-ZAWAHIRI; # 3. Oktober: "Vorzüge des Jihad"; Video der IBU; # 8 . Oktober: "Die einzige Alternative ist der Widerstand und die Verbundenheit mit dem Jihad"; Video der "Deutschen Taliban Mujahidin". 67 In seiner Videobotschaft "Sicherheit - ein geteiltes Schicksal" wiederholte HARRACH die schon zu Jahresbeginn ausgesprochenen Drohungen von "al-Qaida" gegen Deutschland u.a. mit den folgenden Worten: "Was würde das deutsche Volk davon halten, seine Soldaten aus Afghanistan abzuziehen und somit dem Frieden und der Sicherheit in Deutschland eine Chance zu geben und Afghanistan dem afghanischen Volk zu überlassen? Sollte allerdings das deutsche Volk seine zur Auswahl stehenden Parteien nicht mehrheitlich dazu bewegen wollen, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, dann wird es nach den Wahlen ein böses Erwachen geben. An die Muslime in Deutschland [...] Meine lieben Geschwister im Islam! Al-Qaida bittet Euch, sofern das deutsche Volk sich nicht für den Abzug seiner Soldaten aus Afghanistan entscheidet, in den zwei Wochen nach den Wahlen von allem, was nicht lebensnotwendig ist, fernzubleiben. Behält [sic!] in dieser Zeit bitte Eure Kinder in Eurer Nähe." Weitere Drohungen gab es in einigen arabischsprachigen jihadistischen Internetforen. Auf Verunsicherung der Bevölkerung zielte nicht zuletzt die Versendung einer Massen-Email, in der mit einem Terroranschlag an einem Sonntag im Oktober 2009 gedroht wurde. Der Adressatenkreis umfasste neben Privatpersonen auch Regierungsbehörden, Bildungseinrichtungen und Sportvereine. Insbesondere in den ersten Monaten des Jahres war darüber hinaus eine Häufung von Ausreisen und Ausreiseversuchen von Islamisten aus Deutschland in aktuelle Jihadregionen, d.h. insbesondere in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet, festzustellen. Etwa 185 Personen mit Deutschland-Bezug sollen nach Informationen der Sicherheitsbehörden seit Beginn der 1990er Jahre eine paramilitärische Ausbildung im Ausland erhalten haben bzw. eine solche beabsichtigen (Stand: 6. November 2009). Bei etwa 65 dieser 185 Personen existieren konkrete Hinweise für eine absolvierte paramilitärische Ausbildung. Etwa 20 von diesen 65 Personen sollen sich aktuell wieder in Deutschland aufhalten, von denen wiederum etwa die Hälfte inhaftiert ist. 68 Wenngleich islamistische Terroristen ihre Anschlagsdrohungen bisher nicht wahrgemacht haben, besteht vor dem Hintergrund, dass sich in den zurückliegenden Jahren vermehrt Islamisten aus Deutschland Terrororganisationen angeschlossen haben und von ihnen ausgebildet wurden, weiterhin eine hohe abstrakte Anschlagsgefahr für die Bundesrepublik Deutschland. Im Prozess gegen die Mitglieder der so genannten Sauerland-Gruppe vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf legten die vier Angeklagten im Jahresverlauf umfangreiche Geständnisse ab und bekannten sich zu ihrer paramilitärischen Ausbildung in einem Lager der "Islamischen Jihad-Union" (IJU) in Pakistan sowie zur Planung von Sprengstoffanschlägen in Deutschland. Um ein Zeichen gegen die Unterdrückung der Muslime durch die westlichen Staaten zu setzen, seien Anschläge mit möglichst hohen Opferzahlen angestrebt worden. Als Angriffsziele seien der US-Militärstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein, Diskotheken sowie Flughäfen in Erwägung gezogen worden. Durch ihre Festnahme am 4. September 2007 im Sauerland bzw. am 6. November 2007 in der Türkei konnten Anschläge der IJU-Zelle verhindert werden. Am 4. März 2010 verurteilte das OLG Düsseldorf drei der Angeklagten u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Verabredung zu Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Vorbereitung eines Explosionsverbrechens zu zwölfbzw. elfjährigen Freiheitsstrafen. Ein Unterstützer des Trios wurde zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz Von den schätzungsweise etwa 150.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 800 Personen islamistische Bestrebungen, z.B. durch die Mitwirkung in einer extremistischen Vereinigung, Propagandaaktionen oder Geldbeschaffung. Ihre Anzahl hat sich gegenüber dem Vorjahr nicht erhöht. Die meisten der ca. 800 Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen gewaltfreien Islamismus. Ein deutlich klei69 nerer Teil propagiert, ohne einer Organisation anzugehören, eine salafistische Weltsicht (siehe hierzu 3.4.6). Eine weitere Minderheit steht in Beziehung zu gewaltbereiten Personen aus dem jihadistischen Spektrum (siehe 3.4.7). Rund 20 der insgesamt ca. 110 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Im Einzelnen handelt es sich dabei um etwa 15 IGMGOrtsvereine, zwei Moscheen des verbotenen "Kalifatsstaats" sowie einzelne unabhängige Moscheevereine mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern sowie Konvertiten. In solchen Vereinen mischen sich Einzelpersonen mit Bezügen zur islamistischen Bewegung unter Besucher, die nicht im islamistischen Sinne aktiv sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer solchen Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen mehrfach, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz aber bisher nur sehr vereinzelt festgestellt werden. In Rheinland-Pfalz sind im Wesentlichen die unter den nachfolgenden Unterpunkten dargestellten Organisationen und Gruppierungen vertreten. Darüber hinaus gibt es im Bundesgebiet weitere islamistische Organisationen, u.a. "Ansar al-Islam" ("Unterstützer des Islam"), HAMAS und die mit einem Betätigungsverbot belegte "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"). Zwar leben in Rheinland-Pfalz einzelne Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu diesen Gruppierungen gibt, die Organisationen traten in Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr allerdings nicht beziehungsweise nur sehr am Rande in Erscheinung. 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder Bund: ca. 29.000 (2008: ca. 27.500) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 650 (2008: ca. 650) 70 Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen überwiegend türkische und türkischstämmige Personen. Die IGMG bietet hiesigen Muslimen und speziell ihren Mitgliedern ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Moscheebau, Hausaufgabenbetreuung, Seelsorge, Pilgerund Kulturreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Die IGMG präsentiert sich nach außen zwar als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Organisation, sie ist jedoch aus der von dem türkischen Politiker Necmettin ERBAKAN gegründeten islamistischen "Milli Görüs"Bewegung hervorgegangen und bis heute mit dieser Bewegung personell und ideologisch verbunden. Das Weltbild ERBAKANs - bekannt aus zahlreichen schriftlichen und mündlichen Verlautbarungen - folgt ausgeprägten Schwarz-Weiß-Schemata. Auf der einen Seite stehen der Islam, die Muslime, die islamische Ordnung und mit ihr Gerechtigkeit und Frieden, auf der anderen Seite stehen die Nichtmuslime und mit ihnen pauschal Imperialismus, Rassismus und Gewalt. Den Weg zur Überwindung heutiger Missstände sieht ERBAKAN einzig und allein in der Errichtung einer islamischen anstelle der westlich geprägten Ordnung, und zwar weltweit. Charakteristisch für die von ERBAKAN seit Jahren verbreiteten Feindbilder ist das folgende Zitat vom 28. Februar 2009 anlässlich des "Jugendtags der Milli Görüs" in Istanbul: "Der Zionismus bedroht heute die Welt wie ein Krokodil, dessen Oberkiefer die USA bilden. Den Unterkiefer bildet die EU, den Schwanz Israel." Zu den Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung gehören u.a. die "Saadet 71 Partisi" ("Glückseligkeitspartei") sowie der "Anatolische Jugendverein" in der Türkei, die Tageszeitung "Milli Gazete", der Fernsehsender tv5 und nicht zuletzt die IGMG. Folgende Beispiele belegen die personelle und ideologische Verbundenheit der IGMG mit der "Milli Görüs"-Bewegung: # D er Vorsitzende der "Saadet Partisi", Numan KURTULMUS, war Teilnehmer und Redner bei mehreren Veranstaltungen, die von der IGMG organisiert wurden und/oder unter Teilnahme von IGMG-Funktionären stattfanden. Zu nennen sind hier eine Sitzung der IGMG-Regionalvorsitzenden und der so genannte "Tag der Brüderlichkeit" in Köln am 2. Januar (siehe "Milli Gazete", 3./4. Januar 2009), der "Uniday" am 4. April in Dortmund ("Milli Gazete", 9. April 2009), eine Koranrezitationsveranstaltung ("Milli Gazete", 16. April 2009) sowie eine Veranstaltung zum Gedenken an die osmanische Eroberung Konstantinopels/Istanbuls im Jahre 1453 ("Milli Gazete", 17. Juni 2009). # D er Jugendverband der IGMG Remscheid präsentierte auf seiner Webseite das Video des "Jugendtags der Milli Görüs" am 28. Februar 2009 in Istanbul (s. obiges Zitat). Die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung und nimmt in ihr eine zentrale Rolle als Nachrichtenund Propagandamedium ein. Sie berichtet umfangreich über IGMG-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet, enthält Veranstaltungshinweise der IGMG sowie Stellungnahmen von IGMG-Funktionären. Zudem veröffentlicht sie regelmäßig Kondolenzanzeigen, Genesungsoder Glückwünsche von IGMG-Mitgliedern. Nicht zuletzt liegt die "Milli Gazete" in den Räumlichkeiten von rheinland-pfälzischen IGMGOrtsvereinen für die Mitglieder zur Information, gelegentlich auch zur Mitnahme aus. In der "Milli Gazete" wird extremistisches Gedankengut verbreitet. So veröffentlichte die Zeitung auch 2009 wieder zahlreiche Artikel, die ein reformnegierendes Islamverständnis, dezidierte Feindbilder sowie Verschwörungstheorien propagieren. 72 Die islamische Religion erscheint in den Artikeln (z.B. in den Ausgaben vom 22. April, 9. und 11. Juni 2009) meist als ein Korpus unabänderlicher Dogmen und Rechtsvorschriften, die für alle Muslime verbindlich sind. In einer Kolumne mit dem Titel "33 Artikel" vom 31. August 2009 heißt es beispielsweise: "Die Konfessionslosigkeit und das Negieren der islamischen Rechtswissenschaften gefährden die islamische Scharia und bedeuten schwere und zerstörerische Ketzerei [...] Was Koran, Sunna und Scharia über die Frauen sagen, ist richtig und wahr [...] Der Islam ist eine göttliche Religion. Daher kann er nicht reformiert, verändert oder erneuert werden. Sämtliche Ideen, Bewegungen und Versuche, den Glauben zu reformieren, sind null und nichtig. Die Behauptung und die Überzeugung, die kategorischen Bestimmungen, Vorschriften, Gebote und Verbote des Korans und der Sunna seien heute nicht mehr gültig, sind gottlos. Die Bestimmungen des Islams sind bis zum Jüngsten Tag gültig." In der Konsequenz bedeuten diese Aussagen, dass der Verfasser des Artikels u.a. die im Koran genannten Körperstrafen und die rechtliche Benachteiligung von Frauen z.B. in den Bereichen des Erbund Eherechts billigt oder gar als obligatorisch ansieht. Wiederholt werden in der "Milli Gazete" universalistische Vorstellungen und Machtansprüche geltend gemacht, so etwa, wenn "Milli Görüs" als Befreiungsrezept für die gesamte Menschheit postuliert wird oder die Errichtung einer Großtürkei sowie Schaffung einer neuen und gerechten Welt als Grundpfeiler der "Milli Görüs" bezeichnet werden (Ausgaben vom 19. Oktober und 8. Dezember 2009). In diesem Sinne äußerte sich in der Zeitung auch Necmettin ERBAKAN: "Die gerechte Ordnung wird mit der Machterlangung der SP [Saadet Partisi] einkehren. Aus diesem Grund liegt die wahre Befreiung in der Macht der SP." (31. August 2009) 73 Regionale Konflikte werden in der "Milli Gazete" ungeachtet ihrer Komplexität regelmäßig auf die einfache Formel reduziert: Gewalt geht nur von Nichtmuslimen aus, ob in Gaza, im Irak oder in der westchinesischen Provinz Xinjiang. Muslime erscheinen in den Artikeln unabhängig von der spezifischen Situation stets und in ihrer Gesamtheit als unschuldige Opfer. Hierbei werden - bezogen auf die Palästinenser, Iraker und uighurischen Muslime in China - auch Begriffe wie Völkermord, Vernichtung und millionenfache Tötung inflationär gebraucht ("Milli Gazete", 6. und 12. Januar, 24. März, 15. Juli 2009). Eine zusätzliche Schärfe enthalten die Anschuldigungen durch Verschwörungstheorien, wonach beispielsweise die Zionisten bestrebt seien, die Weltherrschaft zu erlangen (Wochenendausgabe vom 31. Januar/ 1. Februar 2009). In einem anderen Artikel wird ERBAKAN mit den Worten zitiert, dass die Ideologie der rassistischen Imperialisten - ein Begriff, den er synonym für westliche und westlich orientierte Politiker verwendet -, darin bestünde, ein Großreich Israel zu gründen und die gesamte Menschheit zu ihren Sklaven zu machen ("Milli Gazete", 15. Juni 2009). Die Ideologie der "Milli Görüs" findet sich - rhetorisch abgemildert sowie weniger verbindlich formuliert - auch in IGMG-Publikationen und Äußerungen von IGMG-Funktionären wieder: Das ganzheitliche Religionsverständnis kommt in einem Magazin mit dem Namen "TOM" zum Ausdruck, das die IGMG anlässlich des Tags der offenen Moschee am 3. Oktober 2009 herausgab. Dort wird in einem Glossar ohne Autorenangabe der arabische und türkische Begriff Din, im Allgemeinen mit "Religion" übersetzt, folgendermaßen definiert: "die Religion, der Glaube (...) Lebensweise, die alle Lebensäußerungen umfasst und auf dem Hintergrund der Beziehungen des Menschen ordnet, nämlich zu seinem Schöpfer, sich selbst, seinen Mitmenschen, den Geschöpfen und zur Schöpfung insgesamt." (sic!, S. 36) Im Gegensatz hierzu wird Kufr, d.h. Unglaube, als "die Wurzel allen Übels und die Ursache aller Unterdrückung" bezeichnet (S. 38). Diese Aussage fügt sich in die bekannte "Milli Görüs"-Ideologie ein, die auf einem Gegensatzpaar von gerecht (adil), d.h. islamisch sowie nichtig (batil), d.h. unislamisch beruht. In der lo74 gischen Konsequenz wird hiermit zudem die sog. negative Religionsfreiheit bestritten, also das Recht, keiner oder keiner bestimmten Religionsgemeinschaft anzugehören bzw. eine solche jederzeit verlassen zu können. In einem dreibändigen Lehrwerk mit dem Titel "Temel Bilgiler 1-3" ("Grundwissen"), das als Standardwerk im Bereich der IGMG-Jugendbildung gilt, wird dem Mann in bestimmten Situationen gestattet, die Ehefrau "leicht" zu schlagen (Bd. 2, S. 122). Die Aussagen zu den Rechten der Eheleute beruhen auf dem Prinzip Gehorsam als Gegenleistung für materielle Versorgung und weichen somit von der Vorstellung eines gleichberechtigten Miteinanders ab (Art. 3 GG). Auch in diesem Lehrwerk wird ein ganzheitliches Islamverständnis vermittelt. So heißt es mit Bezug auf die Jahre 622 bis 632, die Muhammad überwiegend in Medina verbrachte: "In dieser 10 Jahre dauernden Periode sind alle Scharia-Anordnungen gekommen, die für eine in einer Staatsordnung lebenden Gesellschaft notwendig sind, wie etwa Pilgerfahrt, Almosensteuer, Opfer, Dschihad, Ehe, islamische Politik, Scheidung, Unterhalt, Erbe, Landwirtschaft, Bekräftigung/Sanktionen des Zivilund Strafrechts und Personenund Staatsbeziehungen." (Bd. 3, S. 165) Der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik KARAHAN ging in einer Botschaft anlässlich des islamischen Neujahrs ebenfalls auf die Zeit ein, in der Muhammad in Medina wirkte und eine Verfassung entwarf ("Milli Gazete", 17. Dezember 2009). Laut KARAHAN verschaffte diese Ordnung den Angehörigen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Kultur erstmals in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit, im gegenseitigen Einvernehmen in einem Staat zusammenzuleben. Dies sei nicht selbstverständlich, wie KARAHAN mit den folgenden Worten darlegte: "Sogar in den fortschrittlichsten Demokratien werden Menschen von Zeit zu Zeit von der dominierenden Kultur unterdrückt. Das einfachste Beispiel dafür kann man in der Unterdrückung von Juden in Europa in der Vergangenheit und in der Unterdrückung der Muslime in der Gegenwart erkennen." Dieser Vergleich ist unter Berücksichtigung der bekannten Judenpogrome, die im nationalsozialistischen Deutschland im Holocaust gipfelten, gänzlich un75 angemessen. Er spiegelt die für Islamisten typische Vorstellung einer einseitig gegen Muslime gerichteten Verschwörung wider und ist dazu geeignet, bei Muslimen Ängste sowie Misstrauen gegenüber den europäischen Mehrheitsgesellschaften zu schüren und damit im Ergebnis das gesellschaftliche Miteinander zu beeinträchtigen. Umgekehrt glorifiziert KARAHAN die zwischenreligiösen Verhältnisse in Medina im 7. Jahrhundert. Die überlieferten historischen Berichte, die von muslimischen Chronisten selbst verfasst wurden, geben jedoch Auskunft darüber, dass die dortige jüdische Bevölkerung binnen vier Jahren nach Inkrafttreten der Gemeindeordnung vertrieben und teilweise getötet wurde. Die Vorbildfunktion, die der IGMG-Vorsitzende diesen Verhältnissen zuschreibt, verdeutlicht, dass sein Verständnis von einem friedlichen Zusammenleben der Religionsgemeinschaften mit dem Gedanken der Völkerverständigung, wie er hier und heutzutage Gültigkeit hat, kollidiert. 3.4.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 750 (2008: ca. 750) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2008: ca. 40) Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" lässt bereits auf einen der wesentlichen Programmpunkte dieser türkisch-islamistischen Organisation schließen: die Wiedererrichtung des Kalifats und gleichzeitige Abschaffung der Republik als Staatsform. Als erster Schritt hierzu erfolgte die Ausrufung des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN zum Kalifen durch die Vereinsmitglieder. Nach seinem Tod im Jahre 1995 führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel. Er fand jedoch ebenso wie sein Vater außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Wenngleich die Rhetorik des "Kalifatsstaats" stark auf die Tür76 kei zugeschnitten ist, werden die Demokratie und ihre wesentlichen Prinzipien wie Volkssouveränität oder Mehrparteiensystem doch grundsätzlich abgelehnt. Dies führte zusammen mit der vehementen Agitation gegen Israel und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker zu seinem Verbot im Jahr 2001. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden, nämlich den "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", die "Islamische Union Ludwigshafen" sowie den "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung". Das Vereinsverbot und die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei im Jahre 2004 bewegten einen großen Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger dazu, offene Nachfolgeaktivitäten in Deutschland zu vermeiden. Einzelne versuchen allerdings weiterhin, organisatorische Zusammenhänge aufrecht zu erhalten. Zudem präsentiert sich der "Kalifatsstaat" im Internet. So betreibt er eine unter türkischer Adresse registrierte Internetseite (www.ilimdiyari.com; Stand: Januar 2010), welche die "Kalifatsstaat"-Ideologie in ihrer bekannten Form verbreitet. Dies heißt u.a., dass der Koran als Verfassung, die Scharia als Gesetz und das Kalifat als Staatsform der Muslime proklamiert werden. Umgekehrt wird die Demokratie als gegen den Islam gerichtet sowie als Götze und Tyrannei bezeichnet. In Rheinland-Pfalz wurden Bestrebungen zur Aufrechterhaltung und Propagierung der "Kalifatsstaat"-Ideologie festgestellt, u.a. im Internet und mittels der Verteilung von einschlägigem Schriftgut. Aus diesem Grund wurden 2009 eine Internetseite mit eindeutigen "Kalifatsstaat"-Bezügen abgeschaltet und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.300 (2008: ca. 1.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 15 (2008: einzelne) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine 77 Die "Muslimbruderschaft" existiert in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der "Muslimbruderschaft" gingen zudem neue Organisationen hervor, so u.a. die HAMAS in den palästinensischen Gebieten. Die "Muslimbruderschaft" strebt die Durchdringung der staatlichen und rechtlichen Ordnung durch den Islam und seine Vorschriften an. Sie bezieht damit eine Oppositionshaltung zu den meisten Regierungen in der arabischen Welt, ist jedoch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Vergangenheit wie zeitweise in Ägypten und Syrien abgerückt. Stattdessen ist sie bestrebt, ihre Position im vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu stärken, um schließlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. Im Weltbild der "Muslimbruderschaft" sind u.a. folgende extremistischen Positionen erkennbar: # g anzheitliches Islamverständnis mit ewig und universell gültigen Rechtsnormen, # Vorrangstellung der Scharia gegenüber allen anderen Rechtssystemen, # eingeschränkte Religionsund Meinungsfreiheit, # rechtliche Benachteiligung von Frauen und Nichtmuslimen, # Feindbilder Israel und Westen, # Rechtfertigung von Gewaltanwendung gegen Israel. In Deutschland wird die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse von den Verfassungsschutzbehörden der "Muslimbruderschaft" zugerechnet. Gemäß ihren eigenen Angaben sind der IGD acht Islamische Zentren angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Sie unterhält Verbindungen zu europäischen Organisationen, die ebenfalls der Ideologie der "Muslimbruderschaft" verpflichtet sind, so zur "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE) und deren Mitgliedsorganisation "Europäischer Rat für islamische Rechtsgutachten und Forschung" (ECFR). 78 In Rheinland-Pfalz gibt es keine Vereine oder Moscheen, die der "Muslimbruderschaft" zugeordnet werden können. Es liegen jedoch in Einzelfällen Erkenntnisse über eine ideologische Nähe zur "Muslimbruderschaft" sowie eine Mitwirkung in ihrem organisatorischen Umfeld vor - mit dem Ziel, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch in Rheinland-Pfalz die Bildung von Strukturen zu fördern. 3.4.4 "Hizb Allah" (auch: "Hizbullah", "Hizbollah"; "Partei Gottes") Gründung: 1982 im Libanon Mitglieder Bund: ca. 900 (2008: ca. 900) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 25 (2008: ca. 25) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Die schiitische "Hizb Allah" wurde 1982 - nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon - auf Betreiben Irans gegründet. Sie wird finanziell und ideologisch weiterhin vom Iran unterstützt. Die "Hizb Allah" stellt im Libanon einen in das politische System integrierten, zugleich aber eigenständigen, in Konkurrenz zur Regierung stehenden Machtfaktor dar. Die von Hasan NASRALLAH geleitete Organisation besitzt nicht nur einen sozialen Flügel, der Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser unterhält und weitere karitative Dienste insbesondere für die schiitische Bevölkerung des Landes leistet, sondern auch einen paramilitärischen Arm mit der Bezeichnung "Islamischer Widerstand". Mit dem in Beirut ansässigen Satelliten-Fernsehsender, "AlManar" ("Der Leuchtturm") besitzt die "Hizb Allah" darüber hinaus ein wichtiges - in Deutschland seit 2008 verbotenes - Medium für ihre antiisraelische und antijüdische Propaganda. Am 30. November 2009 veröffentlichte die "Hizb Allah" ein neues Manifest. Anders als im ersten "Hizb Allah"-Manifest von 1985 ist hier nicht von der Begründung 79 einer Islamischen Republik im Libanon die Rede. Die Haltung gegenüber der Islamischen Republik Iran ist jedoch auch in dem neuen Dokument von Sympathie und Bewunderung geprägt. Demgegenüber werden die USA als "weltbedrohliche Gefahr" charakterisiert und der "US-Terrorismus" für den Tod von Millionen von Menschen und "weltweite Zerstörung" verantwortlich gemacht. Israel, an mehreren Textstellen als "zionistisches Gebilde" bezeichnet, wird pauschal mit Attributen wie rassistisch, aggressiv und kriegslüstern belegt. Jeder Kompromiss mit Israel wird zurückgewiesen, seine Legitimität wird bestritten. Die Schlussfolgerung des Manifests lautet vielmehr, dass der bewaffnete Kampf und Widerstand die beste Methode zur Beendigung der Besatzung seien. Eine veränderte Strategie der "Hizb Allah" gegenüber dem Nachbarland lässt das neue Manifest insofern nicht erkennen. Es ist vielmehr ein neuerlicher Beleg für den extremistischen und gewaltbejahenden Charakter der Organisation. In Rheinland-Pfalz tritt die "Hizb Allah" öffentlich nur wenig in Erscheinung. Es gibt gleichwohl Erkenntnisse über Aktivitäten zur Unterstützung der Organisation, u.a. in Form von Spendensammlungen. 3.4.5 "Tablighi Jamaat" ("Gemeinschaft der Verkündung") Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Delhi und Raiwind bei Lahore, Pakistan Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien Anhänger Bund: ca. 700 (2008: ca. 700) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2008: ca. 40) Die "Tablighi Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von ihrem Ursprungsland Indien in zahlreiche Länder auf allen Kontinenten verbreitet und befindet sich weiterhin in einem Expansionsprozess. Ihre Anhängerschaft soll Schätzungen zufolge weltweit im zweistelligen Millionenbereich liegen. Eine diesbezügliche Präzisierung fällt insofern schwer, als die "Tablighi Jamaat" trotz ausgeprägter Organisationsstrukturen im Hinblick auf Neuzugänge eine offene Bewegung ist und keine Mitgliederlisten im klassischen Sinne führt. 80 Die "Tablighi Jamaat" charakterisiert sich selbst als eine religiös-missionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat liegen die Hauptaktivitäten der "Tablighi Jamaat" im Bereich der Missionierung und religiösen Erziehung. Konkret sieht sie es als ihren Auftrag, Muslime über die Glaubenslehren, rituellen Vorschriften und Verhaltensregeln des Islam zu informieren und sie zu einem Leben hinzuführen, das sich strikt am Koran und der überlieferten Lebensweise Muhammads und seiner Gefährten (Sunna) orientiert. Das Bemühen um die Wiederherstellung eines "reinen" Islam und Betonung der muslimischen Identität geht mit einer Abgrenzung gegenüber anderen Religionen und Lebensformen einher. So wird bezeichnenderweise in einer maßgeblichen Schrift der "Tablighi Jamaat" beklagt, die Muslime des 20. Jahrhunderts seien allzu sehr darauf aus, Seite an Seite mit den Nichtmuslimen die Annehmlichkeiten des Diesseits zu genießen (Muhammad Zakariyya Kaandhlawi: Fa-za'il-e-A'maal [Die Segnungen frommer Taten]. Karachi 1997, S. 35.). Dieses umfangreiche Werk ist im Wesentlichen eine kommentierte Zusammenstellung überlieferter Aussagen und Taten Muhammads sowie seiner Zeitgenossen. Es vermittelt zwar keine geschlossene Ideologie, führt aber gleichwohl in die Gedankenwelt der "Tablighi Jamaat" ein. Kritisch zu werten sind in dem Werk vor allem folgende Punkte: # U nterordnung der Frau unter den Mann einschließlich einer Gehorsamspflicht, sexuellen Verfügbarkeit und eingeschränkten Bewegungsfreiheit, # G lorifizierung von Jihadund Märtyreraktivitäten früher Muslime. Heutige Muslime werden zwar nicht explizit zur Teilnahme am kämpferischen Jihad aufgerufen, die entsprechenden Textstellen können aber als indirekte Motivierung für den Jihad verstanden werden, # K ollektivzwang in Glaubensfragen, z.B. Androhung von Strafen bei Vernachlässigung des Gebets sowie Verpflichtung zum Gemeinschaftsgebet. Das von der "Tablighi Jamaat" vermittelte Weltbild birgt im Zusammenwirken mit den gegebenen politischen Konflikten die Gefahr, individuelle Radikalisierungsprozesse in Gang zu setzen oder zumindest zu fördern. Ferner besteht die Gefahr, dass jihadistische Gruppierungen die Anhängerschaft der "Tablighi Jamaat" als geeignete Rekrutierungsbasis sehen und deren weltweite Strukturen 81 für eigene Zwecke nutzen. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich einzelne Fälle ergeben, in denen Glaubenskämpfer zumindest zeitweise der "Tablighi Jamaat" angehörten. Von der "Tablighi Jamaat" als solcher gingen bisher aber keine Gewaltaktionen aus. Die "Tablighi Jamaat" hat innerhalb der vergangenen Jahre auch in Rheinland-Pfalz Aktivitäten entfaltet, um neue Anhänger zu gewinnen. Hierbei nehmen Missionsgruppen Kontakt zu bestehenden Moscheevereinen zwecks Schulungsseminaren auf. Gegenüber den Vorjahren war 2009 allerdings keine Intensivierung der Missionierungstätigkeiten zu verzeichnen. 3.4.6 Salafistische Islamisten Salafistische Islamisten sind zumeist organisatorisch ungebundene Anhänger einer bestimmten Bewegung beziehungsweise Richtung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Salafisten sind bestrebt, das Leben der ersten muslimischen Generationen (im Arabischen salaf) möglichst detailgenau zu kopieren. Dies spiegelt sich u.a. im äußeren Erscheinungsbild wider und bedeutet für Frauen in der Regel die Verpflichtung zur Vollverschleierung. Glaubensinhalte, Verhaltensweisen und Zeiterscheinungen, die sich nicht aus den islamischen Quellen, d.h. Koran und Sunna (überlieferte Lebensweise Muhammads), ableiten lassen, lehnen Salafisten meist kategorisch ab. So wenden sie sich beispielsweise gegen die Heiligenverehrung, die unter Muslimen seit mehr als 1.000 Jahren weit verbreitet ist, aber keine Verankerung in den islamischen Quellen hat. Bezeichnend ist weiterhin, dass sie die strikte Einhaltung des in der Sunna enthaltenen Verbots figürlicher Abbildungen und im Extremfall sogar deren Zerstörung fordern. In Rheinland-Pfalz wurden in den zurückliegenden Jahren vermehrt Aktivitäten von Salafisten festgestellt. Im Jahr 2009 gingen von ungefähr 30 Personen Bestrebungen im salafistischen 82 Sinne aus. Konkret äußerten sich diese beispielsweise im Besuch salafistisch geprägter Islamseminare, in der Gestaltung des Islamunterrichts in einzelnen Moscheen oder in der Verteilung salafistischer Literatur und somit der Propagierung dieses Gedankenguts. Die kostenlos verteilten Bücher und Schriften sind vielfach in deutscher Sprache gehalten und wenden sich somit an Muslime unterschiedlicher ethnischer Herkunft, u.a. auch an deutschsprachige Konvertiten. Sie enthalten die für den Salafismus charakteristischen Lehren und Forderungen, u.a.: # Zurückweisung von Neuerungen (bida') im Bereich der Religion, # B efürwortung der Scharia-Vorschriften einschließlich der Körperstrafen für bestimmte Straftatbestände sowie der Todesstrafe für Apostaten, d.h. für Muslime, die ihre Religion aufgeben, # Ablehnung der Demokratie als das Werk ungläubiger Menschen, # T akfir-Gedanke, d.h. die Erklärung "nicht-linientreuer" Muslime, z.B. Schiiten, Ahmadis, Mystiker (Sufis) und säkular orientierter Muslime, zu Ungläubigen, # Rechtfertigung oder gar Befürwortung des bewaffneten Jihad, # E inteilung der Menschheit in Gläubige und Ungläubige; Feindbild Nichtmuslime, meist verknüpft mit der Aufforderung, sich von ihnen zu distanzieren und sie nicht nachzuahmen, # Vertretung eines alleinigen Wahrheitsanspruchs, # M issionsbestrebungen (da'wa) mit machtpolitischer Expansionskomponente. Salafisten haben in den zurückliegenden Jahren eine starke Internetpräsenz aufgebaut und nutzen ihre zahlreichen Seiten, z.B. www.dawah.de, www.salaf.de, www.as-sunnah.de, www.al-tamhid.net, für die Verbreitung ihres Gedankenguts. Wenngleich das salafistische Spektrum hinsichtlich seines Politisierungsgrades und seiner Haltung zur Gewalt interne Differenzierungen aufweist, bleibt festzuhalten, dass jihadistische Gruppierungen vielfach durch salafistisches Ge83 dankengut inspiriert sind. Insbesondere vor diesem Hintergrund, aber auch auf Grund verfassungsfeindlicher Überzeugungen und Ziele im Allgemeinen, ist die Entwicklung im Salafismus-Bereich aufmerksam zu beobachten. 3.4.7 Jihadistische Islamisten Die zahlreichen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Jihad gegen die von ihnen als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter ihrer Eigenbezeichnung Mujahidin oder der Fremdbezeichnung Jihadisten zusammengefasst. Charakteristisch für sie ist eine Gewalt betonende Auslegung des Jihad-Begriffs unter Einschluss terroristischer Mittel. Die heutige Jihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen - zu nennen sind derzeit vor allem Afghanistan, Pakistan und der Irak. Die Kampffront ist allerdings räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Dies bedeutet, dass auch andere - der Islamfeindlichkeit beschuldigte - Länder in das Visier von Jihadisten geraten und zum Schauplatz von terroristischen Aktionen werden können beziehungsweise schon geworden sind. Die jihadistische Bewegung ist auch im Hinblick auf die Herkunft ihrer Anhänger, ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen nahezu global. In Europa gehören dem jihadistischen Spektrum autonom agierende Einzeltäter oder Kleingruppen wie die beiden so genannten Kofferbomber, aber auch Mitglieder von Terrororganisationen an. So handelte beispielsweise die 2007 im Sauerland festgenommene Personengruppe im Auftrag der "Islamischen Jihad-Union" (IJU). In beiden Fällen kann eine maßgebliche Beeinflussung durch die von "al-Qaida" propagierte globale Jihad-Ideologie festgestellt werden. Gesicherte Zahlen über das Gesamtpotenzial von Jihadisten in der Bundesrepublik Deutschland liegen nicht vor. Einen ungefähren Anhaltspunkt geben die Angaben des Bundeskriminalamtes. Gemäß dem Stand von Juni 2009 wurden demnach in Deutschland 290 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund geführt. 84 In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum jihadistischen Spektrum vorlagen bzw. vorliegen. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte am 13. Juli 2009 den Deutsch-Pakistaner Aleem N. aus Germersheim wegen Unterstützung "al-Qaidas" zu acht Jahren Haft. Das Gericht befand den Edelsteinhändler der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung für schuldig. Zudem habe er "al-Qaida" im Rahmen mehrerer Reisen mit technischen Geräten und Geld versorgt. Schließlich habe er Kämpfer für die Organisation rekrutiert und sie in Ausbildungslager in der pakistanischen Grenzprovinz Südwasiristan schleusen lassen. Im Zusammenhang mit der 2007 enttarnten und im Sauerland festgenommenen IJU-Terrorzelle (siehe 3.3, letzter Absatz), die Anschläge in Deutschland plante, ermittelt der Generalbundesanwalt inzwischen u.a. auch gegen eine Person aus Rheinland-Pfalz. Das Ermittlungsverfahren wurde wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens eingeleitet. Für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz ist die Identifizierung von Jihadisten, die Verifizierung der tatsächlichen Jihadismus-Bezüge und die diesbezügliche Erkenntnisgewinnung eine Aufgabe von höchster Priorität, da von diesem Spektrum unzweifelhaft die größte Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. 85 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Die Aktionen der im Jahr 2009 in Deutschland in Erscheinung getretenen (nicht islamistischen) extremistischen Ausländerorganisationen wurden, wie schon in den Jahren zuvor, durch aktuelle politische Ereignisse und Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt. Linksextremistische Ausländerorganisationen orientieren sich in ihrer Ideologie an einer marxistisch-leninistischen, bisweilen auch maoistischen Vorgabe und haben die "revolutionäre Überwindung" der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Errichtung kommunistischer Systeme in den jeweiligen Herkunftsländern zum Ziel. Die nach wie vor in der EU-Liste terroristischer Organisationen geführte türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) verlor im August 2008 ihren Führer KARATAS, der nach schwerer Krankheit starb. Auf einen Nachfolger konnte man sich bislang nicht festlegen. Insoweit bleibt fraglich, ob der seit 1999 außerhalb der Türkei durch KARATAS vorgegebene friedliche Kurs auch in Zukunft eingehalten wird. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die sich 2003 in "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) umbenannt hat, setzte weiterhin auf eine Doppelstrategie eines überwiegend gewaltfrei geprägten Kurses in Europa und eines offensiv militanten Verhaltens in der Heimat. Das politische Handeln der Organisation ist eng verbunden mit dem Schicksal des seit 1999 in der Türkei inhaftierten Parteigründers Abdullah ÖCALAN. Das Jahr 2009 war weiterhin geprägt von Protestaktionen der PKK-Anhängerschaft für verbesserte Haftbedingungen ÖCALANs sowie gegen das Verbot der kurdischen "Partei für eine demokratische Gesellschaft - DTP -" und damit verbundene Repressalien durch den türkischen Staat. Die separatistische "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) wurde in ihrem Kampf für die Errichtung eines eigenen Tamilenstaates in Sri Lanka von den Regierungstruppen besiegt. Dies hinderte sie nicht, außerhalb der Heimat, so auch 86 in Rheinland-Pfalz, über Hilfsund Tarnorganisationen ihre Unterstützungsleistungen in Form regelmäßiger so genannter Spendensammlungen fortzuführen. 4.1 Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2009 2008 2009 2008 Gesamt 600 600 24.710 24.750 Linksextremisten 500 500 16.870 16.870 Extreme Nationalisten 100 100 7.840 7.880 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 4.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Umbenennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und Anfang November 2003 in "Volkskongress Kurdistan" (KONGRA GEL) Weitere Bezeichnungen: Seit 2005 "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (KKK) 2007 Umbenennung in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, kurz: HPG) Leitung in Westeuropa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 11.500 (2008: ca. 11.500) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2008: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 87 Allgemeine Lage Die 1978 gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit Jahren für eine größere politische und kulturelle Eigenständigkeit der in der Türkei und ihren Nachbarländern lebenden Kurden. Nach den Vorstellungen ihres seit 1999 inhaftierten Gründers und Anführers Abdullah ÖCALAN soll die kurdische Identität durch die Schaffung eines föderalen Verbundes aller Kurden im Nahen Osten erreicht werden, ohne bestehende Staatsgrenzen zu verändern. Ihre politischen Ziele versucht die PKK auch unter Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Sie verfügt in der Türkei und im Nordirak über paramilitärische Guerillaeinheiten, die sich in einer andauernden kriegerischen Auseinandersetzung mit türkischen Sicherheitskräften befinden. Dieser Konflikt hat auch Auswirkungen auf Europa, wo eine große Zahl von Anhängern und Unterstützern der Organisation lebt. Aktuelle politische Ereignisse im Heimatland und im Nordirak führen regelmäßig zu entsprechenden Reaktionen der PKK-Anhängerschaft in Westeuropa/ Deutschland. Die PKK unterliegt seit 1993 in Deutschland einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Diesem liegt die Feststellung zugrunde, dass die Tätigkeit der PKK und ihrer Teilorganisationen gegen Strafgesetze verstößt, und darüber hinaus die Innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Trotz des Verbots verfügt die PKK in Deutschland weiterhin über ein breites Netz von illegal und konspirativ agierenden Funktionären. Diese betreuen bundesweit etwa 11.500 Anhänger und betreiben eine intensive Propagandaarbeit. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. 450 PKK-Anhänger, die vorwiegend in den Bereichen Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Trier und im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz/Neuwied) aktiv sind. Der "Kurdische Kulturverein e.V." in Ludwigshafen am Rhein dient der PKK-Anhängerschaft der Region Mannheim/Ludwigshafen als Kontaktund Anlaufstelle. Von dort aus wurde eine Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen initiiert bzw. koordiniert, u.a. im Mai 2009 eine Demonstration mit 200 Teilnehmern in 88 der Mannheimer Innenstadt unter dem Motto "Schluss mit dem Missbrauch von Kindern", "Freiheit für DTP-Arbeiter, keine Festnahmen mehr." Es wurden Parolen wie "Türkei/Terrorist", "Deutsche Panzer raus aus Kurdistan", "Es lebe ÖCALAN" skandiert. Die rheinland-pfälzischen PKK-Anhänger/Sympathisanten beteiligten sich zahlreich an den bundesund europaweiten Propagandaveranstaltungen der Organisation. Die u.a. von der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistete PKK betreibt weiterhin eine Doppelstrategie. In Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern verfolgt sie überwiegend einen gewaltfreien Kurs, um sich einen Rückzugsraum zu bewahren und für politische Akzeptanz zu werben. In der Türkei und im Nordirak hingegen agiert sie offensiv militant. Trotz der in den letzten Jahren wiederholten "einseitigen" Gewaltverzichtserklärungen der PKK gegenüber der türkischen Regierung haben die Gefechte im Grenzgebiet zum Nordirak zwischen den kurdischen Guerilla-Einheiten, den so genannten Volksverteidigungskräften (HPG), und dem türkischen Militär unvermindert angehalten. Die Haftbedingungen und der Gesundheitszustand des PKK-Anführers Abdullah ÖCALAN waren auch 2009 wieder Anlass für deutschlandund europaweite Protestaktionen der PKK-Anhängerschaft. Gerade die jugendlichen Kurden bekannten sich in besonderer Weise zu ÖCALAN und zeigten dies bundesweit mit vielfältigem, teilweise militantem Aktionismus. Am 1. Februar fand in Mannheim eine Veranstaltung der PKK-Jugendorganisation "KOMALEN CIWAN" mit rund 1.000 Teilnehmern unter dem Motto "Wir sind ÖCALANs Falken" und "Imrali muss geschlossen werden" statt. Während diese Veranstaltung friedlich verlief, kam es an den darauffolgenden Tagen in Düsseldorf, Dortmund und Wuppertal zu Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen. 89 Im April 2009 führten türkische Sicherheitskräfte verstärkt Exekutivmaßnahmen (Verhaftungen und Verhöre) gegenüber Unterstützern und Sympathisanten der PKK durch, u.a. waren auch zahlreiche Parteifunktionäre/ -mitglieder der DTP ("Demokratik Toplum Partisi" - Partei für eine demokratische Gesellschaft) davon betroffen. Dies führte zu gewalttätigen Protesten und Demonstrationen der PKK-Anhängerschaft. Die Reaktionen in Deutschland und Europa verliefen überwiegend friedlich. In Stuttgart eskalierte die Situation; es kam zu Zusammenstößen gewaltbereiter kurdischer Jugendlicher mit der Polizei. Für Mitte August 2009 hatte PKK-Führer ÖCALAN aus dem Gefängnis heraus die Veröffentlichung einer neuen "Roadmap" als Richtlinie für einen zukünftigen Friedensprozess angekündigt; die Veröffentlichung wurde jedoch durch türkische Behörden verhindert. Zur Bestärkung ihres Friedenswillens entsandte die PKK so genannte Friedenstruppen aus den Kampfgebieten in die Türkei. Diese überschritten unter dem Jubel zehntausender kurdischer Landsleute am 19. Oktober 2009 die türkisch/ irakische Grenze. Einer geplanten Friedensgruppe aus Europa, die von Düsseldorf aus in die Türkei fliegen wollte, wurde die Einreise durch türkische Behörden verweigert. Nachdem die Türkei sich jahrelang geweigert hatte, die Existenz eines Kurdenproblems anzuerkennen, erklärte nun erstmals 2009 der türkische Staatspräsident Abdullah Gül das Kurdenproblem zur Hauptaufgabe der künftigen türkischen Innenpolitik. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan führte in diesem Zusammenhang aus, "kurdisch" als Wahlfach an Universitäten und Schulen zuzulassen, sowie die bisherigen zeitlichen Beschränkungen für Rundfunkund Fernsehsendungen in kurdischer Sprache aufzuheben. Nach fast elfjähriger Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Imrali zeichnete sich Anfang November 2009 eine Aufhebung der strengen Haftbedingungen des PKKFührers Abdullah ÖCALAN ab. Laut den Anwälten ÖCALANs sollen sich die Haftbedingungen nicht, wie von türkischer Seite behauptet, verbessert, sondern verschlechtert haben. Dies habe sich auch negativ auf seinen Gesundheitszustand ausgewirkt. 90 Daraufhin reagierten die PKKAnhänger in der Türkei mit gewalttätigen Protesten. In Europa blieben die Reaktionen friedlich, wie z.B. bei einem zweiwöchigen Sitzstreik vor dem "Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe" (CTP), an dem auch Kurden aus Rheinland-Pfalz teilnahmen. Letztlich führten die veränderten Haftbedingungen ÖCALANs, das Vorgehen gegen PKK-Aktivisten und das Verbot der DTP zu einer erneuten Lageverschärfung. Organisationsstrukturen Nach der Umbenennung der PKK 2002 in KADEK und 2003 in KONGRA GEL beschloss die PKK ihre Neugründung auf einem "Kongress zum Wiederaufbau" im Frühjahr 2005. Seither gibt es neben dieser neu gegründeten PKK, als "ideologischer Motor", den 2003 gebildeten KONGRA GEL, der die politischen Ziele der PKK umsetzen soll; daneben existiert eine neu installierte Organisation "Koma Komalen Kurdistan" (KKK), 2007 umbenannt in "Koma Ciwaken Kurdistan" (KCK), die eine Schlüsselrolle in der Demokratisierung des Nahen Osten spielen soll. Maßgebliche Funktionen in allen drei Organisationen sind mit langjährigen PKK-Funktionären besetzt. Die Aktivitäten der PKK in Europa werden weiterhin von der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK), dem politischen Arm der PKK, bestimmt. Deutschland ist in drei Regionen, den so genannten Serits (SAHAs) Nord, Mitte und Süd mit jeweils einem Führungsfunktionär an der Spitze unterteilt. Den Regionen nachgeordnet sind annähernd 30 Gebiete, die wiederum in mehrere Teilgebiete unterteilt sind. Über die verschiedenen Organisationsstufen werden politische Vorgaben der Führung in der Regel von konspirativ agierenden Funktionären bis auf die lokale Ebene transportiert. Die zahlreichen kurdischen Kulturvereine setzen diese letztlich um. Die überwiegende Anzahl dieser ca. 50 Vereine gehört der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) an. Eine Reihe Massenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessengrup91 pen repräsentieren (z.B. Aleviten, Yeziden, Jugendliche, Frauen, Studenten etc.), vervollständigen die Organisationsstruktur der PKK. Die Jugendorganisation "KOMALEN CIWAN" entfaltet zum Teil auch gewalttätige Aktivitäten. Zur öffentlichen Verbreitung der politischen Ziele stützen sich PKK bzw. CDK auf die in den Niederlanden angesiedelte Nachrichtenagentur "FIRAT News Agency" sowie auf diverse Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" ("Neue Freie Politik"). Im Jahr 2009 sammelte die PKK im Rahmen ihrer jährlichen Spendenkampagne erneut mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung von Einrichtungen der Organisation in Europa, darüber hinaus auch der Unterstützung der kämpfenden Einheiten in den Kurdengebieten. Neben Spenden erzielt die Organisation Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und den Verkauf eigener Publikationen. Propaganda Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte die PKK zum Teil durch bundesund europaweit ausgerichtete Propagandaaktionen. Zu den überwiegend friedlich verlaufenen Veranstaltungen (Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Gedenkfeiern etc.) konnte die PKK mehrere Tausend Anhänger und Sympathisanten, auch aus Rheinland-Pfalz, mobilisieren. PKK-Anhänger führten während des gesamten Berichtszeitraums vielfältige Aktionen in ganz Europa durch. Der Gesundheitszustand und die Haftbedingungen von Abdullah ÖCALAN sowie das Verbot der DTP waren hierbei die Schwerpunktthemen. Die zentrale Feier zum traditionellen kurdischen "Newroz-(Neujahrs)Fest" fand am 21./22. März in Hannover mit insgesamt 15.000 Personen statt, darunter auch zahlreiche rheinland-pfälzische PKK-Anhänger. Das "17. Internationale Kurdische Kulturfestival" unter dem Motto "Ein freier Führer, eine freie Identität und demokratische Autonomie" wurde am 12. September in Gelsenkirchen mit ca. 40.000 Teilnehmern aus ganz Europa durchgeführt. Im Laufe dieser Veranstaltung rief der Vorsitzende des von der PKK 92 dominierten "Kurdischen Nationalkongress" (KNK, Sitz: Brüssel) die kurdischen Jugendlichen dazu auf, in die Berge Kurdistans zu gehen und sich dem Widerstand anzuschließen. Den 31. Jahrestag der Gründung der PKK feierten Kurden Ende November in vielen deutschen Städten, so auch im Gebiet Mannheim/Ludwigshafen am Rhein mit ca. 700 Personen. An den 10. Jahrestag der Verhaftung ÖCALANs (15. Februar 1999) erinnerten bei einer Großveranstaltung am 14. Februar 2009 in Straßburg 10.000 Teilnehmer, darunter auch zahlreiche Sympathisanten aus Rheinland-Pfalz. Der KONGRA GEL Vorsitzende betonte, dass das kurdische Volk entschlossen weiter für die Freiheit ÖCALANs kämpfen werde. Gerichtliche Verfahren Im Jahr 2009 waren bundesweit mehrere Verfahren gegen PKK/KONGRA GELVerantwortliche anhängig, zum Teil auch mit rheinland-pfälzischem Bezug. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilte im Juli 2009 den ehemaligen Chef der PKK in Deutschland wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der Vorsitzende Richter führte aus, dass die PKK weiterhin systematisch Straftaten begehe und der "führende Funktionärskörper" eine kriminelle Vereinigung bilde. Am 12. August wurde der ehemalige PKK-Leiter der Region Süd wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie schwerer und versuchter Brandstiftung vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Zweibrücken verurteilte im November 2009 einen PKK-Funktionär aus Ludwigshafen zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro, weil er sich in den Jahren 2002 - 2006 als Spendensammler betätigte. Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main verurteilte am 1. Dezember einen 36-jährigen Führungsfunktionär wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte u.a die Leitung der PKK-Gebiete Mainz, Nürnberg und Darmstadt innehatte. 93 4.3 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 650 (2008: ca. 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2008: einzelne) Die türkische linksextremistische Organisation DHKP-C hat das Ziel, in der Türkei im Wege des "bewaffneten Kampfes" ein marxistisch-leninistisches Regime zu errichten. Sie verfügt in Europa über Organisationsstrukturen, die sie unter anderem zur Finanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten, zur Beschaffung von Waffen und sonstiger militärischer Ausrüstung sowie zur logistischen Unterstützung (Gewähr von Unterschlupf) für ihre Mitglieder nutzt. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bis in die jüngste Vergangenheit hat die Gruppierung in der Türkei zahlreiche Tötungsdelikte begangen sowie viele Brandund Sprengstoffanschläge verübt, zu denen sie sich jeweils öffentlich bekannt hat. Seit dem Jahr 2001 hat sie dabei wiederholt ihre Kämpfer für Selbstmordattentate eingesetzt. Aus der DHKP-C-Führung heraus, die sich in Deutschland aus dem Deutschland-, den Regionsund Gebietsverantwortlichen zusammensetzt, bildete sich 1995 eine terroristische Vereinigung, die Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen, aber auch Gewalttaten gegen vermeintliche innere und äußere Parteifeinde zentral anordnete und lenkte. Mit Verfügung vom 6. August 1998 wurde die DHKP-C vom Bundesminister des Innern als Ersatzorganisation der "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") verboten. Im Februar 1999 erklärte die Organisation durch ihren Führer Dursun KARATAS einen "Gewaltverzicht" für Deutschland und Europa. Seitdem sind Gewalttaten der terroristischen Vereinigung im Inland nicht mehr bekannt geworden. KARATAS ist 2008 in den Niederlanden verstorben; ein Nachfolger wurde seitdem nicht benannt. 94 Sprachrohr und Kommunikationsmittel für Mitglieder und Anhänger der DHKP-C sind die Zeitschriften "Yürüyüs" (Demonstration, Marsch) und "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke). Daneben betreibt sie mittels eigener Homepage Propagandaarbeit im Internet. Die DHKP-C finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und eine jährliche Spendenkampagne. Weitere Einnahmequellen sind Erlöse aus Parteiveranstaltungen mit kulturellem Rahmenprogramm und Musikdarbietungen. Auch nach dem Tod ihres langjährigen Führers KARATAS im Jahr 2008 versucht die Organisation in der Türkei den Weg zur Revolution sowohl politisch-propagandistisch als auch gewaltsam zu ebnen. Von der Europäischen Union wird die DHKP-C seit dem 2. Mai 2002 als terroristische Organisation gelistet. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) leitete im Jahr 2009 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der DHKP-C wegen Bildung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung ein. Darüber hinaus verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart fünf hochrangige Führungsfunktionäre der DHKP-C - darunter auch Regionsund Gebietsverantwortliche für das DHKP-C-Gebiet "Mitte", das auch Teile von Rheinland-Pfalz umfasst - teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen. Am 6. Oktober erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen zwei mutmaßliche Funktionäre der DHKP-C Anklage wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Ihnen wird vorgehalten, Gelder zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C beschafft, Kader geschult und neue Mitglieder rekrutiert zu haben. Am 15. Dezember wurde ein mutmaßlicher Funktionär der DHKP-C in Karlsruhe festgenommen. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, versuchter Brandstiftung in zwei Fällen und Verabredung zum Totschlag strafbar gemacht zu haben. 95 4.4 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei 1994 Spaltung in "Partizan"-Flügel und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 1.300 (2008: ca. 1.300) ("Partizan" und MKP) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2008: einzelne) ("Partizan" und MKP) Die 1972 in der Türkei als Kaderorganisation maoistischer Prägung gegründete TKP/ML hat sich den gewaltsamen Umsturz des türkischen Staates zum Ziel gesetzt, um eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Seit ihrer Gründung durch Ibrahim KAYPAKKAYA führt die TKP/ML einen mit Waffengewalt geführten Kampf gegen den türkischen Staat, der bislang zahlreiche Todesopfer forderte. Im Jahr 1994 führte eine Spaltung der Mutterpartei TKP/ML zur Bildung zweier selbständiger Fraktionen: "TKP/ML-Partizan" und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP). Beide Fraktionen unterhalten in der Türkei eigenständige bewaffnete Guerillaeinheiten mit den Bezeichnungen "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) und "Volksbefreiungsarmee" (HKO). In Deutschland treten die Gruppierungen in erster Linie durch Propagandaaktivitäten und Geldsammlungen in Erscheinung. Hierbei wird der Partizan-Flügel von den Umfeldorganisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und auf europäischer Ebene von der "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) unterstützt; der MKP-Flügel wird von der "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e.V." (ADHF) und auf europäischer Ebene von der "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) unterstützt. Die TKP/ML führt alljährlich anlässlich des Todestages ihres Parteigründers (18. Mai 1973) eine zentrale Gedenkveranstaltung durch. Im Jahr 2009 wurden - wie bereits im Vorjahr - zwei getrennte KAYPAKKAYA-Gedenkveranstaltungen or96 ganisiert, die am 9. Mai in Ludwigshafen am Rhein (Partizan) unter dem Motto "Wir gedenken unseres Genossen, des kommunistischen Führers Ibrahim Kaypakkaya, im 36. Jahr seiner Ermordung" mit ca. 2.800 Teilnehmern und am 23. Mai in Köln-Mühlheim (MKP) mit ca. 1.200 Teilnehmern durchgeführt wurden. In einer im November 2009 in Deutschland verteilten Flugschrift bekennt sich das Politbüro des Zentralkomitees der Partizan-Fraktion der TKP/ML unverändert zum Marxismus-Leninismus und Maoismus sowie dem in der Türkei praktizierten bewaffneten "Volkskrieg". Die Verfasser führen hierzu u.a. aus: "Die Existenz unserer Partei TKP/ML beruft sich darauf, in unserem Land [Anm. Türkei] die NeuDemokratische Revolution durchzuführen und unter der proletarischen Diktatur bis zum Endziel, dem Kommunismus, voranzuschreiten. Diese Revolution ist ein Teil der Weltrevolution. Der Volkskrieg, den wir organisieren wollen, hat einen lang andauernden und schweren Weg vor sich und für diesen Weg muss man ohne Weiteres viele Opfer bringen. In diesem Zusammenhang hat unsere Partei bereits viele Opfer gebracht und es wird auch noch mehr kosten." 4.6 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 800 (2008: ca. 800) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2008: ca. 30) Nach der militärischen Niederlage im Mai 2009 ist das von der LTTE verfolgte Ziel, einen eigenen Tamilenstaat sozialistischer Prägung (Tamil Eelam) in Sri Lanka zu errichten, in derzeit unerreichbare Ferne gerückt. In der Schlussphase der Kämpfe zwischen der srilankischen Armee (SLA) und den LTTE-Kämpfern wurden mehrere Führerpersonen der LTTE getötet. Auch der Kopf der LTTE, Velupillai PRABHAKARAN, soll nach unbestätigten Pressemeldungen vom 18. Mai 2009 bei einem Fluchtversuch erschossen worden sein. Auf Grund ihrer in Sri Lanka bis in die Gegenwart hinein verübten Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate wird die LTTE seit 2006 in der Europäischen Liste terroristischer Organisationen geführt. 97 Im Frühjahr 2009, als sich die militärische Niederlage der LTTE im Kampf mit der SLA bereits abzeichnete, wurden die in Deutschland lebenden Tamilen bundesweit verstärkt unter dem Motto "Gegen die täglichen Angriffe der srilankischen Armee auf tamilische Zivilisten und Verbrechen gegen die tamilische Minderheit in Sri Lanka" für die Teilnahme an Großdemonstrationen mobilisiert. Am 4. Februar nahmen ca. 5.500 Demonstranten, überwiegend tamilischer Volkszugehörigkeit, an einem Aufmarsch in Berlin teil. In Düsseldorf demonstrierten am 24. Februar ca. 2.000 und am 9. April etwa 4.000 Tamilen, darunter zahlreiche Sympathisanten der LTTE. Nach der offiziellen Erklärung des srilankischen Präsidenten Rajapakse, die LTTE sei nunmehr endgültig militärisch besiegt, kam es am 16. und 17. Mai 2009 bundesweit zu Protestaktionen tamilischer Volkszugehöriger gegen den Krieg in Sri Lanka, die zum Teil mit gefährlichen Eingriffen in den Straßenund Schienenverkehr verbunden waren. Bei allen Aktionen führten die Demonstranten Fahnen der LTTE mit sich. Am 30. Mai demonstrierten in Berlin ca. 6.000 Tamilen unter dem Motto "Stoppt den Genozid an den Tamilen in Sri Lanka"; sie führten Portraits von PRABHAKARAN sowie LTTE-Symbole mit sich. Am 27. November fand in Essen der alljährlich veranstaltete so genannte Heldengedenktag der LTTE mit ca. 5.000 Teilnehmern statt. Die Organisation nimmt traditionell den Geburtstag des Vellupillai PRABHAKARAN zum Anlass, ihrer im Kampf für einen unabhängigen Tamilen-Staat ums Leben gekommenen Kämpfer zu gedenken. Auch in Rheinland-Pfalz konnten im Berichtsjahr vermehrt Aktivitäten innerhalb der Anhängerschaft der LTTE festgestellt werden. Neben der Sammlung von Spendengeldern beteiligten sich Angehörige und Unterstützer der LTTE aus Rheinland-Pfalz an dem bundesweiten Demonstrationsgeschehen. Am 27. Februar führten ca. 250 tamilische Volkszugehörige in Landau unter dem Motto "Stoppt den Völkermord in Sri Lanka" eine Demonstration mit Ab98 schlusskundgebung auf dem Stiftsplatz durch. Am 13. März wurde auf dem Stiftsplatz in Landau von Anhängern der Organisation ein "Hungerstreik" organisiert und ein Infostand betrieben. Am 22. Mai demonstrierten in Landau ca. 200 Tamilen unter dem Motto "Genozid gegen das tamilische Volk". Am 23. Juli führten in Mainz ca. 80 tamilische Volkszugehörige einen Demonstrationszug mit Abschlusskundgebung vor dem Landtag durch. Es wurden LTTEFahnen mitgeführt und eine Petition übergeben. Gegenwärtig versucht sich die LTTE bundesund europaweit zu restrukturieren. Ob sich bei diesem Erneuerungsprozess die "Hardliner", die auch den Einsatz militärischer Mittel befürworten, oder moderate Kräfte, die den politischen Weg eingeschlagen haben, letztendlich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. 99 5. Internet/Neue Medien Die digitalen Technologien haben durch ihre rasante Entwicklung nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Information und Kommunikation in allen Bereichen des täglichen Lebens geschaffen. Hierzu zählt an erster Stelle das World-WideWeb. Es steht zu jeder Zeit zur Verfügung, ist nahezu flächendeckend erreichbar, kann mit mobilen Endgeräten erreicht werden und ist mit entsprechenden Vorkehrungen auch anonym nutzbar. Im Jahr 2009 nutzten in Deutschland über 50 Mio. Menschen das Internet; in der Altersgruppe der 14 bis 29jährigen waren es ca. 96% und bei den 30 bis 40jährigen ca. 85%. Die mediale Vielfalt eröffnet auch Extremisten die Möglichkeit, ihre Terrorbotschaften zu verbreiten, Propaganda für ihre Ziele zu betreiben, subversive Aktionen vorzubereiten oder über kommunikative Strukturen zeitnah Informationen auszutauschen. Diese extremistisch ausgerichteten Aktivitäten im Internet zu beobachten, gehört zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. 5.1 Rechtsextremisten Die Anzahl der vom rechtsextremen Spektrum betriebenen deutschsprachigen Internetwebsites liegt mit 1.000 auf Vorjahresniveau; dies trifft ebenfalls auf die in Rheinland-Pfalz zuordenbaren 30 Internetpräsenzen zu. Durch die zunehmende Medialisierung und Nutzung der interaktiven Möglichkeiten der so genannten Web 2.0-Angebote ist das Internet eines der wichtigsten Kommunikations-, Informations-, Schulungsund Agitationsfelder der rechtsextremistischen Szene geworden. Auf zahlreichen Internetseiten werden verfassungsfeindliche Ziele propagiert, so indem gegen die Gleichwertigkeit der Menschen, die Menschenwürde und die Grundlagen des demokratischen Zusammenlebens gehetzt wird. Zielgruppe der über das Internet verbreiteten rechtsextremen Weltanschauung sind vor allem jugendliche Nutzer. Foren, Nachrichtenund Infoportale informieren über aktuelle rechtsextremistische Veranstaltungen (u.a. Rechtsrock100 konzerte, Demonstrationen, Sonnwendfeiern). Umfangreiche Internetberichte der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" über Gruppenaktivitäten, so z.B. über eine im Sommer 2009 stattgefundene mehrtätige "Ostpreußenfahrt" (Veranstalter: JN Stützpunkte Bad Dürkheim und Landau), sind Beleg für eine verstärkte rechtsextreme Jugendarbeit. Seit die NPD bei der Landtagswahl 2009 sieben kommunale Mandate in Rheinland-Pfalz erringen konnte, nutzen die Mandatsträger die von der rechtsextremistischen Partei in Rheinland-Pfalz betriebenen Homepages zur Selbstdarstellung und versuchen auf kommunalpolitischer Ebene ihre Partei, bei gleichzeitiger Diskreditierung des politischen Gegners, in einem vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen. 5.2 Linksextremisten Im Bereich des Linksextremismus sind nahezu alle Parteien, Organisationen und Initiativen mit eigenen Informationsportalen vertreten. Sie nutzen die Vielfalt des Mediums zur Darstellung ihrer Ziele. Neben Video-, Audiound Schriftmaterial, Newsletter, Livechats, Twitter-Angeboten, Diskussionsforen und Blog-Boards werden auch zugangsbeschränkte Inhalte angeboten, die einen verdeckten, sensiblen oder strafrechtlich relevanten Datenaustausch ermöglichen. Die Zahl der Internet-Auftritte ist schwankend und liegt wie bereits im Vorjahr bei bundesweit ca. 1.100 Seiten. 5.3 Islamismus/Ausländerextremismus Seit einigen Jahren ist das Internet das wichtigste Kommunikationsund Propagandamedium im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus. Das gesamte Spektrum von Religionsauslegungen über Rechtsgutachten (Fatwas) bis hin zu politischen Botschaften wird abgedeckt. Auf den Seiten mit jihadistischer Prägung finden sich zudem Märtyrerverherrlichung und Anlei101 tungen zur Herstellung von Sprengkörpern. Im Bereich der jihadistischen Internetseiten setzte sich 2009 der Trend fort, vermehrt Material in deutscher Sprache oder mit deutschen Untertiteln einzustellen. Eine zuverlässige Bestimmung der Anzahl islamistischer Seiten im weltweiten Internet ist nicht möglich. Dies liegt u.a. daran, dass Islamisten neben ihren zahlreichen eigenen Internetseiten auch interaktive, teilweise nicht spezifisch islamistische Internetdienste wie Weblogs, Diskussionsforen oder Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen. So haben Islamisten umfängliches Videomaterial auf kostenlosem und anonym nutzbarem Speicherplatz kommerzieller Anbieter eingestellt. Besonders türkische linksund rechtsextremistische aber auch kurdische Organisationen präsentieren sich zum Teil mit deutschsprachigen Webseiten. Dabei ist oft erkennbar, dass sich der Informationsgehalt zwischen der deutschund heimatsprachlichen Version deutlich unterscheidet. Zumeist wird das politische Geschehen in den jeweiligen Ländern kritisch reflektiert, wobei insbesondere türkische Linksextremisten die Überwindung der politischen Verhältnisse in der Türkei propagieren. Solidarisierungseffekte ergeben sich dabei auch mit deutschen Linksextremisten, die sich in gemeinsamen Veranstaltungen und demonstrativen Aktionen widerspiegeln. Zu gemeinsamen Protestveranstaltungen rufen auch kurdische Organisationen in ihren teilweise in deutscher Sprache gehaltenen Webseiten auf. Darüber hinaus informieren sie regelmäßig über das aktuelle Geschehen im kurdischen Siedlungsraum und die Situation ihres inhaftierten Anführers Abdullah ÖCALAN. 102 6. Spionageabwehr 6.1 Auftrag und allgemeine Lage Die Spionageabwehr hat die gesetzliche Aufgabe, planmäßig und gezielt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland zu sammeln und auszuwerten. Aufgeklärt werden ihre Strukturen, Arbeitsmethoden und Ziele. Neben der klassischen Spionage zählen auch die Sabotage sowie die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten dieser Dienste. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Methoden bisweilen als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Im Fokus der Spionageabwehr stehen zunehmend die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche so genannter kritischer Staaten3 , in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und der zu deren Einsatz benötigten Trägertechnologie sowie des dazugehörenden Know-hows zu gelangen. Besondere Aufmerksamkeit galt auch im Berichtszeitraum den proliferationsrelevanten Aktivitäten des Iran. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein bevorzugtes Ausspähungsziel ausländischer Nachrichtendienste, was sich durch die anhaltend hohe Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland widerspiegelt. Ihr Aufklärungsinteresse an dem wirtschaftlichen Entwicklungsprozess und den wissenschaftlichtechnologischen Ressourcen unseres Landes hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mit einer Exportquote von über 40 Prozent nimmt Rheinland-Pfalz bundesweit eine Spitzenstellung ein und weckt somit nachrichtendienstliche Begehrlichkeiten. 3 "Kritische Staaten" sind vor allem proliferationsrelevante Länder. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien). 103 Nach wie vor reichen die Mittel und Methoden fremder Nachrichtendienste von offener Beschaffung bis hin zur klassischen Agentenführung. Ziel ist der Aufbau einer verdeckt operierenden Struktur zur illegalen Informationsund Güterbeschaffung, vor allem in den Bereichen Wirtschaftsspionage und Proliferation.4 Die größten Erfolgschancen bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bietet die Quelle im Objekt.5 Ausgesuchte Zielpersonen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung werden zunächst im Rahmen belanglos erscheinender Gespräche abgeschöpft. Kennzeichnend für die gewählten Ansprechmodalitäten sind die zuvor erforschten Hintergrundinformationen zu und aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld der Zielperson. Arglose Auskunftspersonen werden somit als nachrichtendienstliche Tippgeber missbraucht. Weitere Kontakte mit der Zielperson dienen einem entsprechenden Vertrauensaufbau und letztlich ihrer nachrichtendienstlichen Einbindung, um dadurch an sensible Informationen aus internen und vertraulichen Unterlagen zu gelangen. Die besondere Zugangslage des/der gewonnenen Agenten/Agentin, seine/ihre Vertrautheit mit den betrieblichen Abläufen und den ggf. vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen erleichtern die Gewinnung sensibler Daten. Angereichert mit einer persönlichen Bewertung durch die Quelle können die so gewonnenen Informationen von hohem nachrichtendienstlichem Wert sein. Auch die elektronische Aufklärung mit nachrichtendienstlicher Technik6 und die Überwachung elektronisch übertragener Daten7 zählen zu den praktizierten nachrichtendienstlichen Methoden. Die über das Internet betriebene Ausforschung wird nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang des Anwenders begünstigt. 4 Unter Proliferation versteht man die illegale Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen, einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows. 5 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 6 z.B. Einsatz von Richtmikrophonen, "Wanzen", Sprachund Videoaufzeichnungsgeräten 7 z.B. Internetüberwachung (insbesondere E-Mail-Verkehr, VoIP) 104 Besondere Risiken ergeben sich aus der Nutzung spezieller Web 2.0-Anwendungen8 im Internet. So erfreuen sich "Soziale Netzwerke" (Online-Communities) im privaten wie geschäftlichen Bereich steigender Beliebtheit und sind zu einem Massenphänomen mit globaler Reichweite geworden. Durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Daten entwickeln sich diese Plattformen auch für fremde Nachrichtendienste zu einer interessanten und aufschlussreichen Informationsquelle. 6.2 Aktivitäten der Spionageabwehr 6.2.1 Spionage Schwerpunkte der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr liegen in der Aufklärung von Aktivitäten russischer und chinesischer Nachrichtendienste, wobei dem gesetzlichen Auftrag eines "360@-Blickes" Rechnung getragen und mögliche Gefahren von allen Seiten abgewehrt werden. Der regelmäßige Kontakt zu Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik, die Auswertung gewonnener Informationen und Erkenntnisse sowie der Austausch mit den Verfassungsschutzbehörden in ganz Deutschland, verhindern die Bemühungen fremder Nachrichtendienste und schränken deren Aktionsradius ein. 6.2.2 Proliferation Auch im Jahr 2009 waren deutsche Unternehmen, darunter auch Firmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz, Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus dem Iran. Proliferationsrelevante Güter waren aufgrund ihrer eindeutigen Endverwendung oder der bestehenden UN-Embargos ausfuhrgenehmigungspflichtig oder generell nicht ausfuhrgenehmigungsfähig. Abgetarnt in internationalen Netzwerken versuchten ausländische Geschäfts- 8 Der Begriff "Web 2.0" beschreibt eine veränderte Nutzung des Internets, bei der nicht mehr statische Informationsangebote, sondern die kommunikative Beteiligung der Nutzer im Vordergrund stehen. 105 leute Steuerungsund Antriebsteile (Kreiselkompasse und Motoren/Triebwerke), Navigationsgeräte militärischer Prägung, Hochgeschwindigkeitskameras, Messgeräte für die Nukleartechnik sowie Kegelventile und Vakuumpumpen, zu erwerben. Diese Güter sollten nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zur Weiterentwicklung des iranischen Nuklearund Trägertechnologieprogramms eingesetzt werden. Bei ihren Beschaffungsversuchen zeigten sich die iranischen Einkäufer äußerst fachkundig und methodisch geschult. Bereits in der Auswahl ihrer Ansprechpartner verfolgten sie verschiedene Varianten. Sie wandten sich nicht nur unmittelbar an die in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Hersteller sensibler Technik. Bisweilen suchten sie sich im Imund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Kenntnisse im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. In Einzelfällen leisteten rheinland-pfälzische Unternehmen unbewusst illegale Unterstützungshandlungen, z.B. im Rahmen von ausfuhrgenehmigungspflichtigen Finanztransfers. Einigen angefragten Unternehmen war das Ansinnen der iranischen Einkäufer zumindest zweifelhaft, weshalb sie, sensibilisiert u.a. durch Veröffentlichungen und Vortragsveranstaltungen, Kontakt mit der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr aufnahmen. Durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz konnten bereits im Vorfeld illegale Ausfuhren und Reputationsverluste verhindert werden. Welche Konsequenzen in diesem Zusammenhang Verstöße gegen ausfuhrrechtliche Bestimmungen nach sich ziehen können, zeigen beispielhaft die nachfolgend aufgeführten Fälle: Verurteilung wegen mehrfacher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte einen 63-jährigen Geschäftsmann im Mai 2009 zu sechs Jahren Haft und 705.000 Euro Geldstrafe. Das Gericht sah von einer weitaus höheren Haftstrafe ab, da der Angeklagte voll geständig 106 und kooperativ war. Er räumte ein, dass er ca. 16 Tonnen Graphit an den Iran geliefert hatte. Diese Handlungen waren nach Ansicht des Gerichts geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Das gelieferte Graphit wird unter anderem zum Bau von Mittelund Langstreckenraketen eingesetzt. Ermittlungsverfahren wegen mehrfacher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz Trotz des bestehenden Iran-Embargos hat ein Geschäftsmann aus Sankt Augustin (Nordrhein-Westfalen) versucht, Kegelventile und Vakuumpumpen an ein Unternehmen im Iran zu verkaufen. Diese speziellen Ventile und Teile der Pumpen sollen beim Bau von Raketen eingesetzt werden können. Der Angeklagte muss sich deswegen in sechs Fällen vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Bonn verantworten. Verurteilung wegen versuchten Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz Ein deutsch-iranischer Geschäftsmann wurde im September 2009 durch das Landgericht Frankfurt am Main zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten sowie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro verurteilt. Er hatte eine Lieferung von russischen Spezialkameras für den Einsatz in Nuklearanlagen und den Schmuggel amerikanischer Strahlungsdetektoren vermittelt. Das Gericht sah von einer höheren Freiheitsstrafe ab, da das Geschäft im Versuchsstadium geblieben war. 6.2.3 Wirtschaftsspionage/Wirtschaftsschutz Die Wirtschaft zählt seit jeher zu den klassischen Aufklärungszielen fremder Nachrichtendienste, denn eine prosperierende Volkswirtschaft ist Grundvoraussetzung für die innere Stabilität eines Staates. Aus diesem Grund haben beispielsweise Russland und China ihren Nachrichtendiensten seit Jahren gesetzlich allumfassende Aufklärungsaufträge erteilt. 107 Generell sollen bei jeder Form von staatlich gelenkter Wirtschaftsspionage Forschungsund Entwicklungskosten eingespart und bestehende Rückstände in der wissenschaftlich/technischen Entwicklung aufgeholt werden. Angesichts der verschärften Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt und der internationalen Finanzund Wirtschaftskrise und ihrer anhaltenden Folgen gewinnen sowohl Wirtschaftsspionage9 als auch ihre erfolgreiche Abwehr zunehmend an Bedeutung. Mit der bereits Mitte der 90er Jahre gegründeten und in den letzten Jahren inhaltlich und organisatorisch breiter angelegten Sicherheitspartnerschaft nahm Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle für die Einbindung von Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft in präventive Abwehrstrategien ein. Durch gezielte Sensibilisierungsgespräche (ca. 40) setzte der Verfassungsschutz seine Präventionsarbeit auf hohem Niveau fort. Nachgefragt wurden insbesondere Vortragsveranstaltungen in Unternehmerkreisen, Workshops und Tagungen, die durch ihre Multiplikatorenwirkung die Sensibilität für Spionagegefahren erhöhen sollen. Die notwendige betriebliche Eigenvorsorge gegen nachrichtendienstliche Ausspähung kann ein Unternehmen auch vor der wirkungsgleichen Konkurrenzspionage schützen. Beispiel: Verurteilung wegen Industriespionage Im August 2009 fertigte ein chinesischer Geschäftsmann im Rahmen einer Werksführung konspirativ Bildund Tonaufnahmen der Produktionsstätten und -abläufe, obgleich er zuvor durch die Firmenleitung auf ein entsprechendes Verbot hingewiesen worden war. Einem Mitarbeiter der betroffenen Firma war eine kaum erkennbare und mit einem Clip am Gürtel des Chinesen befestigte Minikamera aufgefallen. Die Aufzeichnungen hätten ausgereicht, die Produktionsabläufe und das Produkt in China kopieren und nachbauen zu können. 9 Unter Wirtschaftsspionage versteht man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. 108 Hierdurch wäre der betroffenen Firma ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Das Landgericht München II verurteilte den chinesischen Geschäftsmann zu einer 18-monatigen Haftstrafe auf Bewährung. Die Firma des geständigen Chinesen zahlte vorab 80.000 Euro an das geschädigte Unternehmen. Die Aktivitäten des Verfassungsschutzes zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft haben durch die auffällige Steigerung von Netzwerkangriffen gegen Staat und Wirtschaft einen weiteren Schwerpunkt erfahren. Die im Jahr 2009 vorgetragenen E-Mail-Attacken betrafen erneut bundesdeutsche Behördennetzwerke und Firmen im ganzen Bundesgebiet. Gezielte Angriffe, denen meist ein "Social Engineering"10 vorgeschaltet war, waren in einigen Fällen offenkundig chinesischen Ursprungs. Die gewonnenen Erkenntnisse korrespondieren mit dem Ausbau der Kapazitäten chinesischer Nachrichtendienste im Bereich der elektronischen Ausspähung. Unzureichend geschützte Netzwerkstrukturen ermöglichten den Angreifern bundesweite Zugriffe auf nahezu alle Informationsebenen. Die Bandbreite der eingesetzten Schadsoftware reichte dabei von einfachen Virusprogrammen zu Sabotagezwecken bis hin zu signaturarmen und somit schwer lokalisierbaren Trojanern, die in Netzwerksystemen eine so genannte Backdoor11 öffneten und es dem Angreifer ermöglichten, auf das gekaperte Netzwerk zuzugreifen. Angereichert durch einen interessanten Inhalt wurde der Empfänger der E-Mail dazu "verführt", die anhängende infizierte Datei zu öffnen. Hierdurch installierte sich unbemerkt die Malware. Die betroffenen Unternehmen standen/stehen im Kontakt mit dem Verfassungsschutz und wurden/werden fortlaufend betreut. Ein ungewollter Informationsabfluss wurde bisher in Rheinland-Pfalz nicht bekannt. Die Spionageabwehr bietet u.a. mit der Herausgabe ihrer Broschüren "Wirt10 Social Engineering nennt man zwischenmenschliche Beeinflussungen mit dem Ziel, unberechtigt an Daten oder Dinge zu gelangen. 11 Backdoor (dt. Hintertür) ist eine Umgehung der normalen Zugriffssicherung, um einen Zugang zu einem Computer/ Netzwerk zu erlangen. 109 schaftsspionage - Risiko für Ihr Unternehmen" und "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft" einen aktuellen Überblick zum Thema Wirtschaftsspionage und Gefahrenpotenziale. Weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind jederzeit abrufbar unter http://www.verfassungsschutz.rlp.de. 110 7. Geheimschutz/Sabotageschutz Der Geheimschutz gehört zum Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats, indem er Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme schützt. Diese geheim zu haltenden Tatsachen werden als staatliche Verschlusssachen (VS) bezeichnet. Der Verfassungsschutz ist im Bereich des Geheimschutzes als mitwirkende Behörde, gemeinsam mit den originär zuständigen Behörden wie auch den Sicherheitsbevollmächtigten der geheimschutzbetreuten Wirtschaft, für die personellen Sicherheitsüberprüfungen verantwortlich. Er hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die im staatlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen durch geeignete materielle und organisatorische Maßnahmen gesichert werden. Personeller Geheimschutz Der staatliche personelle Geheimschutz wirkt dem Geheimnisverrat durch Personen entgegen, die in Behörden Zugang zu staatlichen Verschlusssachen haben oder erhalten sollen. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) wird festgestellt, ob der (zukünftige) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten für den Umgang mit den ihm anvertrauten VS geeignet ist. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) übermittelt der Verfassungsschutz dem Geheimschutzbeauftragten der Behörde oder Stelle als "Sicherheitsvotum". Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die mit staatlichen Verschlusssachen umgehen und deshalb der staatlichen Geheimschutzbetreuung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unterliegen. Neben dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz ist hier das "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) Grundlage der weitergehenden Maßnahmen, zu dessen Anwendung alle Beteiligten sich freiwillig verpflichten. 111 Die in Rheinland-Pfalz ansässigen Betriebe, insbesondere solche der Hochtechnologie, werden im Interesse eines umfassenden Wirtschaftsschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse. Diesbezüglich werden seitens der Verfassungsschutzbehörde im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft für die Wirtschaft auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen entsprechend sensibilisiert. Sabotageschutz Im Jahr 2003 wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz in das LSÜG aufgenommen. Danach ist einer Sicherheitsüberprüfung auch die Person zu unterziehen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung beschäftigt ist oder beschäftigt werden soll. Auch bei den diesbezüglichen Sicherheitsüberprüfungen wirkt die Verfassungsschutzbehörde wie beim personellen Geheimschutz mit. Ebenso ist der Verfassungsschutz beispielsweise bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach SS 12b Atomgesetz sowie nach SS 7 Luftsicherheitsüberprüfungsgesetz für den Flughafen Hahn beteiligt. 112 C. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 113 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 (GVBl. S. 184) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009, GVBl. S. 413 Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS 1 Zweckbestimmung SS 2 Verfassungsschutzbehörde SS 3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS 4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Beobachtungsaufgaben SS 6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS 7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS 9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle 114 Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung dess Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 115 Teil 1 Grundgesetzes stehen der VerfassungsschutzbeAllgemeine Bestimmungen hörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem LandesgeSS1 setz hat. Zweckbestimmung SS4 Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der Begriffsbestimmungen freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Länder. 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes SS2 oder eines Landes politisch bestimmte, Verfassungsschutzbehörde zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammen(1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom des Bundes oder eines Landes von fremder Ministerium des Innern und für Sport als VerfasHerrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit sungsschutzbehörde wahrgenommen. zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, SS3 zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen Zusammenarbeit in Angelegenheiten des in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Verfassungsschutzes Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funk(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, tionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokrades Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. tische Grundordnung politisch bestimmte, Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen gegenseitiger Unterstützung und im Informationsin einem oder für einen Personenzusammenaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer schluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Einrichtungen. diesem Gesetz genannten Verfassungsgrund(2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachsetzen. tung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Für einen Personenzusammenschluss handelt, Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungswer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich schutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsunterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, schutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. die nicht in einem oder für einen Personenzusam2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des menschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden beschädigen. Länder zulassen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundord(3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines nung im Sinne dieses Gesetzes zählen Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in 116 Wahlen und Abstimmungen und durch 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrebesondere Organe der Gesetzgebung, der publik Deutschland, die gegen den Gedanken vollziehenden Gewalt und der Rechtspreder Völkerverständigung ( Artikel 9 Abs. 2 des chung auszuüben und die Volksvertretung in Grundgesetzes) oder das friedliche Zusamallgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und menleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des geheimer Wahl zu wählen, Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasBestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. sungsmäßige Ordnung und die Bindung der Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung planmäßige Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer personenbezogenen Auskünften, Nachrichten parlamentarischen Opposition, und Unterlagen. 4. die Ablösbarkeit der Regierung und SS6 ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Volksvertretung, Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherr1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, schaft und denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder 7. die im Grundgesetz konkretisierten Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang Menschenrechte. dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, Teil 2 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen EinrichSS5 tungen beschäftigt sind oder werden sollen, Beobachtungsaufgaben 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme demokratische Grundordnung, den Bestand durch Unbefugte sowie oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes SS7 oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Deutschland für eine fremde Macht, Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschnach SS 5 . land, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachauswärtige Belange der Bundesrepublik lich zuständige Minister unterrichtet die ÖffentDeutschland gefährden, und lichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach 117 SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des SS 10 Verfassungsschutzes. Besondere Befugnisse (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten und Gegenstände einschließlich technischer Mittel bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der richtendienstliche Mittel) anwenden. NachrichtenDarstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteder Bekanntgabe das schutzwürdige Interesse der ten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das betroffenen Person überwiegt. Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Teil 3 Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde tendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die SS8 Anordnung solcher Informationsbeschaffungen Allgemeine Rechtsgrundsätze regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamenta(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz rischen Kontrollkommission vorzulegen. und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Grundgesetzes). Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufzeichdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und nen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg durch die fachlich zuständige Ministerin oder den erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. Dezember 2002 (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten Kommission; bei gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsGefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. erhobenen personenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel SS9 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, Allgemeine Befugnisse 2298), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfül(3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes lung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen der Verfassungsschutzbehörde für ihre TarnmaßMaßnahmen treffen, insbesondere Informationen nahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur 17 die Befugnisse besonders regeln. zulässig, wenn 118 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht Lebensgefahr für einzelne Personen, unerlässlich von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von solcher Erkenntnisse erforderlichen NachBildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahrichtenzugänge gewonnen werden können, men nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzudie fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich nehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 zuständigen Minister angeordnet werden; eine richverdächtige Person bestimmte Mitteilungen terliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. entgegennehmen oder weitergeben oder sonDie Verwendung der durch Maßnahmen nach den stigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Strafdiese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgetaten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS fährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes . Die durch für eine fremde Macht oder gewalttätige Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezoBestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu genen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in gewinnen, SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen genannten Straftaten verwendet werden. und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum und Nachrichtenzugänge der VerfassungsSchutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich erforderlich ist oder zuständigen Minister angeordnet werden. Eine 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum und der hieraus gewonnenen Informationen Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche zwingend erforderlich ist. Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die RechtErforschung des Sachverhaltes auf andere, Betrofmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; fene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheieine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel dung unverzüglich nachzuholen. anzunehmen, wenn die Information auch aus (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtskann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen gericht Mainz. Für das Verfahren gelten die BestimMittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur mungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stefreiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte zen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme Weise erreicht werden kann. ausgeschlossen werden kann. Lässt sich zu diesem (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die MitWohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit teilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks technischen Mitteln nur heimlich mithören oder der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission ist 119 über die Gründe, die einer Mitteilung entgegensteTelediensten verlangt werden. Telekommunikatihen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für onsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsgeboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. daten sind 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, SS 10a Standortkennungen sowie Rufnummer oder Weitere Einzelfallbefugnisse Kennung des anrufenden und angerufenen (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Anschlusses oder der Endeinrichtung, bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu und Uhrzeit, Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Betei3. Angaben über die Art der vom Kunden ligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen in Anspruch genommenen Telekomeinholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben munikationsund TeledienstDienstnach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und leistungen, tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. Schutzgüter vorliegen. (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des von Transportleistungen und sonstigen Umständen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmelihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderdegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu begrünlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer den. Über den Antrag entscheidet die Leiterin oder wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 der Leiter oder die stellvertretende Leiterin oder genannten Schutzgüter vorliegen. der stellvertretende Leiter der für den Verfassungs(3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des zelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz Innern und für Sport. Die fachlich zuständige Mini- 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 sterin oder der fachlich zuständige Minister unterAbs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen und richtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleiparlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen stungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebilder Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, dete Kommission über die beschiedenen Anträge unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die Postfächern und sonstigen Umständen des Postverfachlich zuständige Ministerin oder der fachlich kehrs einholen. zuständige Minister den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall anordnen. Für die Aufgaben und Befugnisse der zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Kommission sowie die Mitteilung von Maßnahmen bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des nach den Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen findet Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsdas Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmelerbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich degeheimnisses entsprechende Anwendung. Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst Auskünfte können auch in Bezug auf zukünftige dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AusTelekommunikation und zukünftige Nutzung von kunftsgeber nicht mitgeteilt werden. 120 (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 bis 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 des betroffenen Person nicht entgegenstehen. Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben über die durchgeführten Maßnahmen nach den nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Konuntrennbar verbunden sind. Daten, die für das trollgremium des Bundes unter entsprechender Verständnis der zu speichernden Informationen Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfasmit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in sungsschutzgesetzes . diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei BetrofTeil 4 fenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErheDatenverarbeitung bungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. SS 11 (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen Erhebung, Speicherung und Nutzung personenzur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogener Daten bezogene Daten über die Personen gespeichert (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, unterliegen oder in diese einbezogen werden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensivon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 cherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgevorliegen, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 2. dies für die Erforschung und Bewertung von gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfornur insoweit verarbeitet werden, als dies zur derlich ist oder Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder erforderlich ist. Freiheit einer Person erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezoSS 12 gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS Berichtigung, Löschung und Sperrung personen- 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder bezogener Daten andere Datenträger belegbar sein. (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächSinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarsind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, beitet werden, wenn dass in Akten gespeicherte personenbezogene 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen Daten unrichtig oder unvollständig sind. oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien ist, im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für wäre und die Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 121 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unteröffentlichen Stellen des Landes und der kommubleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass nalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden einschließlich personenbezogener Daten überpersonenbezogenen Daten entsprechenden Akten mitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittder Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin lung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungserforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand schutzbehörde erforderlich ist. möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle für sonstige Akten, wenn die VerfassungsschutzbeAngelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung hörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine kommunalen Gebietskörperschaften Informationen Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der EinVerfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden wortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des soll nur dann gestellt werden, wenn die InformaSS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen tionen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu bericherhoben werden können. tigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personen(3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete bezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung persoJahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten nenbezogener Informationen oder Informationsberelevanten Information zu löschen, es sei denn, die stände von öffentlichen Stellen des Landes und der Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungskommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, schutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürTätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrediger Interessen Betroffener erforderlich ist. bungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den SS 13 Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Informationsübermittlung an die VerfasLandes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bunsungsschutzbehörde desrepublik Deutschland gefährden oder gegen den (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der Gedanken der Völkerverständigung oder das friedkommunalen Gebietskörperschaften übermitteln liche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die von sich aus der Verfassungsschutzbehörde InforVerfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur die amtlichen Dateien und sonstigen InformationsErfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit bestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungszwingend erforderlich ist und durch eine andere Art handlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die det oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträch122 tigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 a des Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 des Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Strafdurch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende taten sowie sonstige Straftaten, bei denen Merkmale zu beschränken. auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel Zwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte genannten Schutzgüter gerichtet sind, dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des Stelle erforderlich ist und die Übermittlung Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden SS 14 Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Informationsübermittlung durch die VerStraftaten oder von Verbrechen, für deren Vorfassungsschutzbehörde bereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffent4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Erfüllung der Aufgaben der empfangenden ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, Stelle erforderlich ist und diese die personensoweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbenur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übersondere dem Schutz von Leben, Gesundheit mittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes oder Freiheit einer Person oder dem Schutz bestimmt ist. von Sachen von bedeutendem Wert oder der (2) Zu anderen Zwecken darf die VerfassungsschutzGewährleistung der Sicherheit von lebensbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt oder verteidigungswichtigen Einrichtungen im ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes dienen und dies mit den Aufgaben der 1. die Dienststellen der StationierungsstreitVerfassungsschutzbehörde nach den SS 5 und SS kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzab- 6 vereinbar ist. kommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des BunRechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der desverfassungsschutzgesetzes übermittelt die in der Bundesrepublik Deutschland statioVerfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch nierten ausländischen Truppen vom 3. August den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, geändert durch Abkommen vom 18. März den Polizeibehörden des Landes Informationen 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeibeAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . hörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a der Strafprozessordnung (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Straftaten und sonstigen Straftaten im Landes und der kommunalen GebietskörperRahmen der organisierten Kriminalität; schaften Auskunft einschließlich personenbezo123 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Macht, Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstdenen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen lichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss zur Unterwanderung von WirtschaftsunternehErfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle men durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zwingend erforderlich sein. genannten Bestrebungen oder (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzoder Vermögen einer Person erforderlich. Die gesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Übermittlung bedarf der Zustimmung der Militärischen Abschirmdienst Informationen fachlich zuständigen Ministerin oder des facheinschließlich personenbezogener Daten. lich zuständigen Ministers oder der Leiterin (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbeoder des Leiters der für den Verfassungsschutz zogene Daten an ausländische Nachrichtendienste zuständigen Abteilung des Ministeriums des angrenzender Staaten, an andere ausländische Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu öffentliche Stellen sowie an überund zwischenmachen. Die empfangende Stelle ist darauf staatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermitthinzuweisen, dass die übermittelten personenlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 bezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt interessen der empfangenden Stelle erforderlich wurden, und dass die Verfassungsschutzist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichbehörde sich vorbehält, Auskunft über die tendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Nutzung der personenbezogenen Daten zu Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt verlangen. in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende SS 15 schutzwürdige Interessen Betroffener entgegensteÜbermittlungsverbote hen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, Die Übermittlung von personenbezogenen Daten dass die übermittelten personenbezogenen Daten nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der sie ihr übermittelt wurden, und dass die VerfasBetroffenen dies erfordern, sungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies verlangen. erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentoder sonstige Geheimhaltungsgründe entgeliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, genstehen oder dies ist 3. besondere gesetzliche Übermittlungsrege1. zum Schutze der freiheitlichen demokralungen entgegenstehen; die Verpflichtung tischen Grundordnung, des Bestandes oder der zur Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsSicherheit der Bundesrepublik Deutschland pflichten oder von Berufsoder besonderen oder eines ihrer Länder oder zur GewährleiAmtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen stung der Sicherheit von lebensoder verteiVorschriften beruhen, bleibt unberührt. digungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder 124 SS 16 (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten Besondere Pflichten bei der Übermittlung persovon Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensnenbezogener Daten jahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind SS 18 sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Auskunft an Betroffene Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über wenn die Trennung von anderen personenbepersonenbezogene Daten in nichtautomatisierten zogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroferforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem fenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persosoweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden nenbezogenen Daten zu sperren. der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht SS 17 besteht nicht. Minderjährigenschutz (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebens1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüljahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 lung zu besorgen ist, Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein gespeichert werden. können oder die Ausforschung des Erkenntnis(2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. standes oder der Arbeitsweise der VerfasLebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. sungsschutzbehörde zu befürchten ist, 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder gespeicherte personenbezogene Daten sind nach sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Nachteile bereiten würde oder Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit überwiegenden berechtigten Interessen sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. Dritter geheimgehalten werden müssen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteidieses Gesetzes übermittelt werden, solange die lung des Ministeriums des Innern und für Sport oder Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt hierzu besonders Beauftragte. sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeuder Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die tung erforderlich ist. Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun125 dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abge(3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrolllehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für kommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der ParlaLandesbeauftragten für den Datenschutz wenden mentarischen Kontrollkommission bekannt werden. können. Mitteilungen der oder des LandesbeaufDies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. tragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seikeine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der ner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied hat. zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausSS 19 scheidet. Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den DatenSS 21 schutz ist auf Verlangen Zutritt zu den DiensträuBefugnisse der Parlamentarischen Konmen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft trollkommission zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachsonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die lich zuständige Minister unterrichtet die Parlamenfachlich zuständige Ministerin oder der fachlich tarische Kontrollkommission mindestens zweimal zuständige Minister im Einzelfall feststellt, dass jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von Landes gefährdet wird. besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich Teil 5 überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Parlamentarische Kontrolle Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist SS 20 insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Parlamentarische Kontrollkommission Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen 4 zu geben. Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbeumfassende Unterrichtung der Parlamentarischen hörde bildet der Landtag zu Beginn jeder WahlpeKontrollkommission verlangen. Dies schließt ein riode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und Unterlagen ein. der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Parlamentarischen Kontrollkommission werden Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission unter Beachtung des notwendigen Schutzes des bleiben unberührt. Nachrichtenzugangs durch die politische Verant(2) Die Parlamentarische Kontrollkommission wortung der fachlich zuständigen Ministerin oder besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische KontrollTeil 6 kommission wählt eine Vorsitzende oder einen Schlussbestimmungen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. 126 SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) 127 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 128 Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131 16-3772 ATWWATSIEEERITGE STETEAK. RV2ehrfas0