=5 VO55 a zZ zZ wu x zZ zz530rd zoak VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT 20038 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2008 ISSN 0948-8723 1 2 Vorwort Der internationale islamistische Terrorismus beeinträchtigt zunehmend die Sicherheitslage. Die Bundesrepublik Deutschland stand 2008 zwar nicht unmittelbar vor einem Terroranschlag, Gewalt orientierte islamistische Organisationen und Kleingruppen sind allerdings auch hierzulande existent. Ihre Aktivitäten reichen von Gewalt verherrlichender Propaganda über die Rekrutierung neuer, zumeist junger so genannter Glaubenskämpfer bis hin zur Unterstützung terroristischer Organisationen im Ausland und in einzelnen Fällen gar zu Vorbereitungshandlungen für Terroroperationen im Inland. Sie sind eine ernst zu nehmende Gefahr für die Innere Sicherheit sowie für Deutsche als auch unsere Einrichtungen im Ausland. Dass es in Deutschland und somit auch in Rheinland-Pfalz bislang nicht zu Anschlägen durch islamistische Terroristen gekommen ist, weil Vorbereitungshandlungen rechtzeitig unterbunden werden konnten, ist der guten und professionellen Arbeit unserer Sicherheitsbehörden zu verdanken, zu denen als wichtiger Partner der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz gehört. Das islamistische Spektrum in Rheinland-Pfalz wie im übrigen Bundesgebiet wird von gewaltfreien Organisationen dominiert. Sie setzten 2008 ihre Bemühungen fort, das Konzept einer ganzheitlichen islamischen Lebensund Werteordnung 3 - in Abgrenzung von der hiesigen Lebenswirklichkeit sowie den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - zu verbreiten. Hierbei bedienen sie sich teilweise gut entwickelter Organisationsstrukturen. Auch wenn die Organisationen dieses Spektrums keine Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele anwenden, findet eine Distanzierung von den Aktivitäten islamistisch-terroristischer Gruppierungen aufgrund eines religiös definierten Solidaritätsgedankens eher nicht statt. Der Bekämpfung des Rechtsextremismus gilt weiterhin die besondere Aufmerksamkeit der Landesregierung. Mit der im Juni 2008 beim Verfassungsschutz eingerichteten Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus wurde eigens eine Stelle geschaffen, die nunmehr landesweite Maßnahmen noch besser koordiniert, neue initiiert und kommunalen Gebietskörperschaften als ständiger Ansprechpartner in Fragen der Rechtsextremismusbekämpfung beratend zur Seite steht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Intensivierung der Präventionsarbeit für Jugendliche. Damit wird dem verstärkten Bemühen der Rechtsextremisten um kommunale Verankerung und Nachwuchswerbung zielgenau begegnet. Die zahlreichen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz zeigen Wirkung. Das rechtsextremistische Potenzial und dessen Aktivitäten liegen in unserem Bundesland unter dem Bundesdurchschnitt. Dies ist jedoch kein Anlass zur Beruhigung. Fremdenfeindliche und antisemitische Hetze, Gewalttaten gegen "Fremde", Andersdenkende und Menschen, die dem Feindbild der Rechtsextremisten entsprechen, bleiben eine Herausforderung für die demokratische Gesellschaft. Die Landesregierung und viele demokratische Kräfte haben daher mit der "Gemeinsamen Erklärung gegen Rechtsextremismus" vom 28. Mai 2008 den gemeinsamen Willen bekundet, den Rechtsextremismus weiter entschieden zu bekämpfen. Das Motto lautet: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz! Der Linksextremismus bleibt im Fokus des Verfassungsschutzes. Anhaltende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gehen vor allem von militanten Linksextremisten aus dem autonomen Spektrum aus. Aktuelle politische 4 Themen werden für den Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat instrumentalisiert. Hierzu zählt vor allem die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Autonome Linksextremisten verstehen den "Antifaschismus" nicht als legitimes Engagement gegen rechtsextremistische Umtriebe, sondern als Rechtfertigung, den demokratischen Rechtsstaat anzugreifen, den sie in Tradition zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat wähnen. Um ihre Ziele zu erreichen, schrecken solche Linksextremisten nicht vor der Anwendung von Gewalt zurück. Dem wird die Landesregierung auch künftig mit aller Entschiedenheit begegnen. Weder rechtsnoch linksextremistische Gewalttäter werden toleriert. Unter den nicht islamistischen extremistischen Ausländerorganisationen steht insbesondere die kurdische Gruppierung KONGRA GEL (früher "Arbeiterpartei Kurdistans" - PKK) im Blickpunkt. Die glimpflich ausgegangene Entführung deutscher Staatsangehöriger im Juli 2008 in der Türkei hat das anhaltend bestehende Gefährdungspotenzial dieser Organisation in Erinnerung gerufen. Eine weitere Lageverschärfung in der Osttürkei und im Nordirak, dem militärischen Operationsgebiet der Guerillaeinheiten des KONGRA GEL, könnte auch Auswirkungen auf Deutschland und die europäischen Staaten haben, in denen viele Anhänger des KONGRA GEL leben. Auch im Jahr 2008 war die Bundesrepublik Deutschland Ausspähungsversuchen fremder Nachrichtendienste ausgesetzt, wobei die Informationsgewinnung durch illegale Zugriffe über Schwachstellen in der Informationstechnologie an Bedeutung gewonnen hat. Hackerangriffe chinesischen Ursprungs betrafen im Jahr 2008 neben bundesdeutschen Regierungsstellen auch eine Vielzahl deutscher Firmen, darunter einige aus Rheinland-Pfalz. Die vom Verfassungsschutz im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft vor ungesetzlicher Ausspähung haben sich bewährt und genießen auch künftig Priorität. Das im Jahr 2008 gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium veranstaltete "Sicherheitsund Wirtschaftsforum" zeigte mehr als 100 5 teilnehmenden Vertretern aus der rheinland-pfälzischen Politik und Wirtschaft Chancen und Risiken der Globalisierung auf. Der Verfassungsschutzbericht 2008 informiert umfassend über die Erkenntnislage zu sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen in unserem Bundesland. Ich hoffe, er findet das Interesse der Leserinnen und Leser. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport 6 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie 11 2. Verfassungsschutzbericht 2008 12 3. Strukturdaten 13 4. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch 13 Information 5. Programme zur Bekämpfung des 15 Rechtsextremismus Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus 16 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 18 Überblick 2008 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 20 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 20 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 20 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 21 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 21 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 25 1.4.1 "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) 27 1.4.2 "Hilfsorganisation für nationale politische 29 Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1.5 "Kameradschaften" 29 1.6 Rechtsextremistische Parteien 32 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 32 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN) 39 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 39 7 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 40 und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - 40 Landesverband Pfalz" 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in 41 Rheinland-Pfalz 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten 41 in Rheinland-Pfalz 1.8 Revisionisten 41 1.9 Auslandskontakte 42 2. Linksextremismus 43 Überblick 2008 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 44 2.2 Linksextremistische Gewalt 44 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 45 2.3.1 Autonome 45 2.3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 48 2.4 Marxisten-Leninisten und andere 53 revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 53 2.4.2 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" 54 (MLPD) 2.4.3 Partei "DIE LINKE." 56 - ehemals "Die Linkspartei.PDS" 3. Islamismus 60 Überblick 2008 3.1 Personenpotenzial 61 3.2 Ideologie 61 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2008 63 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen 68 in Rheinland-Pfalz 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 69 8 3.4.2 "Kalifatsstaat" 74 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft 75 der Muslimbrüder") 3.4.4 "Hizb Allah" (auch: "Hizbullah", "Hizbollah"; 77 "Partei Gottes") 3.4.5 "Tablighi Jamaat" 79 ("Gemeinschaft der Verkündung") 3.4.6 Salafistisches Spektrum 81 3.4.7 Jihadistische Islamisten 83 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische 85 Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Überblick 2008 4.1 Personenpotenzial 86 4.2 Gewalttaten 86 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) 87 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 94 (DHKP-C) 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten97 Leninisten" (TKP/ML) 4.6 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) / 98 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 4.7 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 100 5. Internet/Neue Medien 102 5.1 Rechtsextremisten 102 5.2 Linksextremisten 103 5.3 Ausländerextremismus 104 5.3.1 Islamistische Gruppen 104 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen/ 105 Sonstige ausländische Organisationen 9 6. Spionageabwehr 106 6.1 Auftrag und allgemeine Lage 107 6.2 Vorgehensweise der Spionageabwehr 107 7. Geheimschutz/Sabotageschutz 114 C. Anhang 116 Gesetze Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutz in der wehrhaften Demokratie Der Inlandsnachrichtendienst Verfassungsschutz dient als Element der wehrhaften Demokratie dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die föderative Verfassungsschutzstruktur in Deutschland umfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und 16 Landesbehörden. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist als Abteilung 6 im Ministerium des Innern und für Sport eingerichtet. Der Verfassungsschutz beschafft auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes (vgl. Teil C. Anhang) Informationen über politisch bestimmte Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zielen, und wertet diese aus. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Spionageabwehr. Darüber hinaus vollzieht der Verfassungsschutz Mitwirkungsaufgaben, so im Rahmen von Sicherheitsund Einbürgerungsüberprüfungen. Die aufgrund eingehender Analysen (Auswertung) gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind ein wichtiger Beitrag für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur und gegebenenfalls Ausgangspunkt für exekutive Maßnahmen, wie Vereinigungsverbote oder die Einleitung strafprozessualer Ermittlungsverfahren. Der Verfassungsschutz darf unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachrichtendienstliche Mittel zur geheimen Informationsbeschaffung einsetzen (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten). Bei der Aufgabenerfüllung sind ihm polizeiliche oder strafprozessuale Zwangsmittel untersagt; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz darf auch nicht die Polizei um entsprechende Amtshilfe bitten. 11 Die Tätigkeit des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes unterliegt der Kontrolle des Landtags. Die vom Landtag eingerichtete "Parlamentarische Kontrollkommission" (PKK) wird fortlaufend und umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus hat die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien zu geben und die Anhörung von Mitarbeitern zu gestatten. Dieses Recht steht auch dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der durch die vom Landtag bestellte unabhängige G10Kommission im Einzelfall zu genehmigen. 2. Verfassungsschutzbericht 2008 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über bedeutende verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse. Bei den aufgeführten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes vor. Die Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen entwickeln. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2008. Dem Verfassungsschutz liegen auch nicht zu allen Extremisten individuelle Erkenntnisse vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. 12 Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund wie auch politisch motivierte Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. 3. Strukturdaten Zum Jahresende 2008 gehörten dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz 165 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Im Haushaltsjahr 2008 betrug sein Budget für Verwaltungsausgaben ohne Personalkosten 1.397.600,EUR und 411.000,EUR für Investitionen. 4. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung vor den Menschenrechten können dauerhaft nicht ohne geistig-politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit hat deshalb für den Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt frühzeitiger Prävention einen sehr hohen Stellenwert. In diesem Sinne werden auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus durchgeführt. Das Angebot richtet sich an interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen. 13 Kontaktaufnahme bitte unter: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat: Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de Homepage: www.verfassungsschutz.rlp.de Neben dem Vortragsangebot informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Aktuell sind folgende Informationsbroschüren erhältlich, die auch über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de als Datei im pdf-Format abrufbar sind: - Der Verfassungsschutz - Aufgaben, Befugnisse* - Kommunen gegen Rechtsextremismus - Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen - Rechtsextremistische Skinheads* - Rechtsextremismus - Nicht mit uns (Faltblatt) - Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus* - Spionage - Was geht mich das an? (Faltblatt) - Wirtschaftsspionage - Proliferation - das geht uns an! - Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - mit Sicherheit ein Gewinn (* derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) 14 5. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus In Rheinland-Pfalz hat die konsequente und dauerhafte Bekämpfung des Rechtsextremismus Priorität. Die vielfältigen Maßnahmen stehen auf drei Säulen: # Angemessene Repression (Null Toleranz gegenüber der Intoleranz!). # Umfassende Prävention. # Hilfe für Menschen, die den Ausstieg suchen. Repression - keine Foren für Rechtsextremisten Das Leitbild "Null Toleranz!" richtet sich unmittelbar gegen die rechtsextremistische Ideologie und ihre Vertreter. Erkennbare Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wie beispielsweise Konzertveranstaltungen, Aufmärsche, die Verbreitung von Propagandamaterial etc. werden konsequent im Vorfeld aufgeklärt und im Rahmen des Rechts bekämpft. Dies hat zum Ziel, den Bewegungsspielraum der Rechtsextremisten und ihre Möglichkeiten, sich Foren zu verschaffen, soweit wie möglich einzuschränken. Prävention - Verbesserung von Lebenssituationen, Stärkung von Demokratiebewusstsein und Zivilcourage, umfassende Aufklärung Repression allein kann den Nährboden des Rechtsextremismus nicht austrocknen. Daher wird in Rheinland-Pfalz großer Wert auf eine umfassende Prävention gelegt. Prävention beginnt bereits mit der Verbesserung von Lebenssituationen latent für den Rechtsextremismus anfälliger Menschen. Darüber hinaus werden junge Menschen mit den Werten unserer freiheitlichen Staatsund Verfassungsordnung vertraut gemacht, ihr Demokratiebewusstsein und ihre Zivilcourage gestärkt, damit sie immun gegenüber dieser menschenverachtenden Ideologie sind. Die Präventionsmaßnahmen werden durch eine intensive Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische Umtriebe abgerundet. Der rheinland-pfälzische Ver15 fassungsschutz hat allein im Jahr 2008 über 50 Informationsveranstaltungen mit etwa 5.000 überwiegend jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Ein weiteres Projekt ist die mit dem Bildungsministerium gemeinsam konzipierte Reihe von Schülerkongressen gegen Rechtsextremismus. Hilfen für Aussteiger - Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Allen, die drohen, in den Rechtsextremismus abzugleiten oder die schon verstrickt sind, gilt das Signal: Niemand wird aufgegeben. In diesem Sinne hat die Landesregierung ein Aussteigerprogramm beim Landesjugendamt eingerichtet. Es wendet sich mit einer kostenlosen Telefonhotline (0800 4546 000) und über ein Internetportal (www.komplex-rlp.de) besonders an junge Mitläufer und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene und bietet ihnen Hilfe an, den Weg aus dem menschenfeindlichen Milieu zu finden. Das Angebot können auch besorgte oder betroffene Eltern wahrnehmen, für die eigens eine Elterninitiative im Rahmen des Aussteigerprogramms geschaffen worden ist. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus Der Ministerrat beschloss am 10. Juni 2008 die Einrichtung der Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz. Zu den dauerhaft von der Präventionsagentur wahrgenommenen Aufgaben zählen die landesweite Dokumentation und Koordination der vielfältigen Projekte der Landesund Kommunalverwaltung gegen Rechtsextremismus und der Aufbau eines Präventionsnetzwerkes. Mit der Präventionsagentur geht 16 Rheinland-Pfalz einen neuen Weg zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Zum ersten Mal werden Aufgaben der Rechtsextremismusprävention zentral vorgenommen und verantwortet. Zugleich erweitert die Präventionsagentur bewährte Strukturen z.B. der kriminalpräventiven Räte oder des Beraternetzwerkes beim Landesjugendamt um zusätzliche Aktionsmöglichkeiten. Durch jeweils aktuelle Informationen soll dort entgegen gesteuert werden, wo sich regional verstärkt rechtsextremistische Umtriebe zeigen. Die Aufmerksamkeit gilt aber auch Regionen, wo bislang "nur" von einer latenten oder abstrakten Gefährdung gesprochen werden kann. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" gilt es, im Sinne der Prävention insbesondere junge Menschen über die Gefahren, die vom Gedankengut der braunen Verführer ausgehen, aufzuklären. Darüber hinaus möchte die Präventionsagentur regelmäßig verantwortliche Mandatsund Amtsträger der Landesund Kommunalverwaltung über die rechtsextremistische Szene und deren Entwicklung unterrichten. Dabei hilft die personelle und fachliche Nähe zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz in besonderer Weise, da die Präventionsagentur stets über das notwendige aktuelle und umfassende Hintergrundwissen verfügt. So kann sie Kreise, Städte und Gemeinden inhaltlich und zeitlich punktgenau beraten. Das ist z.B. bedeutsam, wenn Rechtsextremisten Immobilien anmieten oder erwerben wollen. Aber auch die jeweils möglichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Veranstaltungen müssen von Kommunen, Polizei und Verfassungsschutz gemeinsam vorbereitet werden. 17 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus gefährdet die Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland. Die dem Rechtsextremismus zugrunde liegende menschenverachtende Weltanschauung ist Triebfeder für fremdenfeindliche und antisemitische Agitation. Die im Jahr 2008 leicht gesunkene Gesamtzahl der Rechtsextremisten gibt keinen Anlass zur Entwarnung. Zwar verloren die rechtsextremistischen Parteien Mitglieder, aber die Zahl der Neonazis stieg bundesund landesweit an. Zuwächse verzeichneten auch Gruppierungen, die eine besondere Anziehungskraft auf einen Teil der Jugendlichen ausüben, so die Bewegung der "Autonomen Nationalisten" (AN). In Rheinland-Pfalz konnten die AN bislang noch nicht Fuß fassen. Das rechtsextremistische Parteienspektrum wurde auch 2008 von der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) dominiert. Gleichwohl konnte die NPD nicht mehr wie in den Vorjahren andere Rechtsextremisten integrieren. Angesichts ihrer internen Führungsquerelen, einer selbst verschuldeten Finanzkrise und ausbleibender Wahlerfolge hat die rechtsextremistische Partei an Attraktivität für ihr Klientel eingebüßt. Insbesondere so genannte Freie Kräfte aus dem Neonazilager gehen zunehmend auf Distanz zur Parteiführung der NPD. Der öffentliche Aktionismus der NPD ging im Berichtsjahr in Rheinland-Pfalz wie auch im übrigen Bundesgebiet zurück. Ungeachtet dessen setzte die Partei ihr Bemühen fort, durch vordergründig zurückhaltendes Agieren Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen ("völkische Graswurzelrevolution"). Ebenso hielten 2008 die (vermeintlichen) Versuche an, sich durch Ankauf oder Anmietung von Immobilien stärker in den Regionen zu verankern. In Rheinland-Pfalz blieb die NPD mit ihrem Unterfangen erfolglos. 18 Der Zuwachs in der Neonaziszene beruht auf einem anhaltenden Wandlungsprozess. Der heute weitgehende Verzicht auf formelle Organisationsstrukturen und den damit verbundenen Zwängen sowie ein betont aktionistisches Gebaren machen die Neonazigruppierungen für junge Sympathisanten und Einsteiger interessant. In Teilen dieses Milieus hat sich eine Art "Eventrechtsextremismus" mit nur noch verschwommener politischer Ausrichtung bzw. Prägung entwickelt. Von "traditionellen" subkulturellen Strömungen, so der rechtsextremistisch motivierten Skinheadbewegung, ging 2008 nicht mehr dieselbe Anziehungskraft auf Jugendliche wie in den Vorjahren aus. Dies zeigte sich nicht zuletzt durch ein bei vielen Szeneangehörigen zu beobachtendes modisch angepasstes Erscheinungsbild unter Verzicht einschlägiger martialischer Attribute wie Springerstiefel oder kahl geschorener Schädel. Die Werbung von Rechtsextremisten unter Jugendlichen hat 2008 nicht nachgelassen. Musik spielte als Werbeträger (Stichwort: "Schulhof-CD"), als Medium der rechtsextremistischen Weltanschauung und als Integrationsmittel eine anhaltend wichtige Rolle. Ihr Angebot, das nahezu jede Stilrichtung abdeckt, blieb umfangreich. Die Zahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen stieg im Jahr 2008 in Rheinland-Pfalz an. Thematisch blieben für die Rechtsextremisten im vergangenen Jahr Fragen der Arbeitsmarktund Sozialpolitik unter dem Eindruck einer sich abzeichnenden Rezession auf der Tagesordnung. Zudem wurde gelegentlich die verbale Konfrontation mit politischen Gegnern im Sinne der "Wortergreifungsstrategie" gesucht. Hiervon waren auch Veranstaltungen demokratischer Gruppierungen in Rheinland-Pfalz betroffen. 19 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2008 2007 2008 2007 Gesamt 1.000* 1.050* 30.000* 31.000* Gewaltbereite 125 100 9.500 10.000 Neonazis 150 *** 75 ** 4.800 4.400 Parteien 600 700 13.000 14.200 Sonstige 175 175 3.800 4.000 (Angaben gerundet) * ohne Mehrfachmitgliedschaften ** davon 50 Gewaltbereite *** davon 75 Gewaltbereite 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2008 lag in RheinlandPfalz bei 708 und blieb damit gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant (2007: 713). Von den 708 registrierten Straftaten waren 509 so genannte Propagandadelikte (2007: 538). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 28 (2007: 39). In 24 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2007: 36). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2008 vier jüdische Friedhöfe geschändet (2007: zwei). 20 Politisch motivierte Kriminalität - rechts - Gewalttaten: 2008 2007 Gesamt 28 39 Körperverletzungen 24 36 versuchte Brandstiftung - 1 Landfriedensbruch 1 1 Raub 3 - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - 1 Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr - - (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten1 werden bundesweit etwa 9.500 Personen zugerechnet (2007: ca. 10.000). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. Diese ist nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in der Bundesrepublik Deutschland. In Rheinland-Pfalz werden den gewaltbereiten bzw. gewalttätigen Rechtsextremisten ca. 50 Skinheads und 75 Neonazis zugeordnet. Rechtsterroristische Strukturen waren auch 2008 in Rheinland-Pfalz nicht feststellbar. Die Affinität der Szene zu Waffen und Sprengstoff birgt jedoch ein latentes Gefährdungspotenzial. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads Die rechtsextremistische Skinheadszene unterliegt einer starken Fluktuation. Es gibt in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften. Rechtsextremistische Skinheads gehören meist losen Cliquen an, die 1 Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die Mehrheit der Täter ist männlich. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen und sehr häufig ist Alkohol im Spiel. 21 auf regionaler Ebene agieren, ohne dass sie eines straffen organisatorischen Rahmens oder Hierarchien bedürfen. Deren Aktivitäten werden häufig von älteren Szeneangehörigen bestimmt. Innerhalb dieser Gruppierungen gibt es in der Regel einen "harten Kern" von Personen mit einem ausgeprägten rechtsextremistischen Hintergrund und weniger gefestigte "Mitläufer". Die Szene ist zu einer politischen Meinungsbildung kaum fähig und an einer fundierten politischen Auseinandersetzung nicht interessiert. Für Skinheads steht bei der Teilnahme an Szenefeiern oder Konzerten der Spaßund Erlebnischarakter im Vordergrund. Zwischen Skinheads und Neonazis existiert häufig ein enges Verhältnis. So sind rechtsextremistische Skinheads nicht selten auch Mitglieder von neonazistischen "Kameradschaften" oder wandeln sich zu Neonazi-Aktivisten. Die Distanz der rechtsextremistischen Skinheadszene gegenüber rechtsextremistischen Parteien hat abgenommen. Besonders deutlich wird die punktuelle Verbindung der NPD mit der rechtsextremistischen Skinheadszene bei Parteiveranstaltungen mit musikalischer Umrahmung und bei Demonstrationen. Es gelang der NPD jedoch nicht, aus den Reihen der Skinheads eine nennenswerte Zahl von Mitgliedern zu rekrutieren und dauerhaft in ihre politische Arbeit einzubinden. Auffallend ist, dass in Rheinland-Pfalz nach wie vor bei der Organisation und Durchführung von Demonstrationen auf regionaler Ebene Skinheads, Neonazis und NPD zusammenwirken. 22 Das Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Skinheadszene unterliegt einem nachhaltigen Wandel. In Teilen wurden Stilmerkmale anderer Jugendsubkulturen übernommen. Modische Kleidung, Piercings und Turnschuhe ersetzen Glatze, Stiefel und Bomberjacken. Die Szenezugehörigkeit lässt sich oftmals nur noch an symbolträchtigen Kleidungsstücken bestimmter Marken oder Firmen erkennen. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz, von denen ein Teil in so genannten Kameradschaften organisiert ist, können eindeutig als neonazistisch eingestuft werden. Diese treten überwiegend in der Vorderpfalz sowie im Raum Zweibrücken/ Westpfalz in Erscheinung. Rechtsextremistische Musik Die rechtsextremistische Musik trägt zum Einstieg bislang unpolitischer Jugendlicher in die rechtsextremistische Szene bei. Rechtsextremisten der NPD oder Neonazis nutzen die Werbewirkung der Musik für Rekrutierung und Mobilisierung. Die Musik trägt auch wesentlich zum Zusammenhalt der Szene bei. Sie ist Ausdruck eines Lebensgefühls. Musikgruppen und so genannte Liedermacher transportieren in ihren Texten offen oder unterschwellig rechtsextremistische Ideologie und deren Feindbilder. Auf Konzerten werden Informationen ausgetauscht sowie verbotene CDs und einschlägige Utensilien (Sticker, Abzeichen, T-Shirts etc.) zum Kauf angeboten. Anlässlich der Konzerte werden immer wieder Propagandadelikte begangen, so durch Skandieren von NS-Parolen und Zeigen des so genannten Hitlergrußes. Oftmals spielen die Bands fremdenfeindliche oder antisemitische Lieder, die den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklichen. Die Skinheadmusik entfaltet ihre Wirkung aber auch jenseits der Konzertsäle. Einschlägige Titel können aus dem Internet herunter geladen werden. Die rechtsextremistische Musik umfasst eine ganze Reihe von Stilrichtungen, zunehmend solche aus der Rockmusik. Neben der nach wie vor dominierenden Musikrichtung des Hardrock finden auch textlich schwer verständliche und wenig melodische Spielarten der Rockmusik wie Hardund Hatecore oder Black Metal Beachtung in der Szene. Beliebt sind darüber hinaus Balladen, die von so 23 genannten Liedermachern oder Bands vorgetragen werden. Lediglich Musikstile wie Soul, Blues oder Jazz wurden aufgrund ihres Ursprungs von Rechtsextremisten als nicht "weiße Musik" abgelehnt. In Rheinland-Pfalz ist eine aktive Skinheadband bekannt. Bundesweit beträgt die Zahl rechtsextremistischer Musikgruppen ca. 150. Skinheadkonzerte werden in aller Regel von Angehörigen ortsansässiger Gruppierungen organisiert. Um mögliche Verbote zu vermeiden, bereiten die Veranstalter die Konzerte häufig konspirativ vor. Sowohl Vermietern als auch Ordnungsbehörden gegenüber treten unverdächtig erscheinende (bürgerlich gekleidet, Strohmänner) Personen als Organisatoren auf. Die geplanten Musikveranstaltungen werden z.B. als Geburtstagsfeiern, Verlobungsfeiern oder Klassentreffen getarnt. Die Veranstaltungsorte, die im Vorfeld nur wenigen Szeneangehörigen bekannt sind, werden so lange wie möglich geheim gehalten. Die Mobilisierung erfolgt sehr kurzfristig per SMS-Ketten oder mündlich. Dabei werden lediglich Treffpunkte - teilweise in anderen Bundesländern oder dem benachbarten Ausland - genannt, von denen aus die Teilnehmer dann zu den eigentlichen Veranstaltungsorten geleitet werden. Um öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden, wird von einigen Veranstaltern bei der Auswahl der Räumlichkeiten darauf geachtet, dass kein Lärm nach außen dringt. Zur Vermeidung von Kündigungen durch den Eigentümer oder den Vermieter bemühen sich die Organisatoren auch um Veranstaltungsräume, die sich im Besitz von Gesinnungsgenossen befinden. 24 Skinheadkonzerte können nur verboten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten bestehen. Mit 127 rechtsextremistischen Skinheadkonzerten in Deutschland fanden rund 8% weniger Veranstaltungen als im Vorjahr statt (2007: 138). Die Mehrzahl der Konzerte hatte zwischen 100 und 300 (durchschnittlich 150) Besucher. In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtszeitraum sieben Skinheadkonzerte (2007: 2) bekannt. Die Skinheadkonzerte am 19. Januar in Kümbdchen, am 27. September in Wittlich-Bombogen und am 15. November in Sinzig-Westum wurden durch die Polizei aufgelöst. Darüber hinaus war die Polizei bei allen Musikveranstaltungen vor Ort und hat die rechtlich möglichen Maßnahmen (bspw. Personenund Fahrzeugüberprüfungen) ergriffen. Datum Ort Art der Veranstaltung Teilnehmer 19.01.2008 Kümbdchen Skinheadkonzert ca. 150 01.03.2008 Osburg Skinheadkonzert ca. 100 12.04.2008 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 120 09.08.2008 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 80 27.09.2008 Wittlich-Bombogen Skinheadkonzert ca. 120 15.11.2008 Sinzig-Westum Skinheadkonzert ca. 100 06.12.2008 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 100 Darüber hinaus fanden wiederum so genannte Skinheadpartys im kleinen Kreis statt, bei denen keine rechtsextremistischen Skinheadbands auftraten. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Neonationalsozialisten streben die Errichtung eines totalitären Staates und einer Volksgemeinschaft auf der Grundlage des 25-Punkte-Programms der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) vom Februar 1920 an. Sie lehnen Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem, Ausübung der parlamentarischen Opposition und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte ab und wollen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die als "herrschendes System" bezeichnet wird, beseitigen. Zur Durchsetzung dieses Ziels schrecken Teile des Neonazispektrums auch vor mas25 siver Gewaltanwendung nicht zurück, ohne sich jedoch dabei offen zu ihrer Ideologie zu bekennen. Seit 2005 organisieren sich überwiegend jüngere Szeneangehörige bei den so genannten Autonomen Nationalisten (AN). Sie treten insbesondere bei Demonstrationen als "Schwarze Blöcke" in Erscheinung. In Erscheinungsbild (schwarze Kleidung) und Gewaltbereitschaft ähneln "Autonome Nationalisten" dem Aussehen und Auftreten linksextremistischer "Autonomer". Ihr Politikansatz ist ideologisch diffus und spricht bewusst eher erlebnisorientierte Jugendliche und Heranwachsende an. Ihre Gewaltbereitschaft, die sich situationsbedingt gegen den politischen Gegner und/oder die Polizei richten kann, findet im neonazistischen Lager keine uneingeschränkte Zustimmung, da sie Anlass zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen geben und dementsprechend die Aktivitäten der Szene beeinträchtigen. Die bundesdeutsche Neonaziszene ist im Jahr 2008 auf 4.800 Aktivisten (2007: 4.400) gewachsen. Auch in Rheinland-Pfalz hat sich die Zahl der überwiegend organisierten Neonazis auf 150 (2007: 75) vergrößert. Die Hälfte von ihnen (2007: 50) kann als gewalttätig eingestuft werden. In der Öffentlichkeit traten Angehörige der rheinland-pfälzischen Neonaziszene im Wesentlichen nur bei Demonstrationen in Erscheinung. Ansonsten fanden in der Regel interne Treffen statt. Ein bundesweit bedeutsames Ereignis für die rechtsextremistische, insbesondere neonazistische Szene ist das jährliche Gedenken zum Todestag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß (17. August). Nachdem das Bundesverfassungsgericht - wie bereits 2007 - das Verbot für einen am 16. August 2008 geplanten zentralen "Rudolf Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel bestätigt hatte, 26 kam es zu Spontanaktionen in Braunschweig, Hanau und Ueckermünde. Die Teilnehmerzahlen schwankten zwischen 20 bis 50 und 250 Personen. Die Veranstaltungen wurden größtenteils durch die Polizei aufgelöst bzw. es wurden Platzverweise ausgesprochen. Eine genehmigte Veranstaltung in Altenburg unter Beteiligung von ca. 230 Personen des rechtsund ca. 20 Personen des linksextremistischen Spektrums verlief störungsfrei. In Rheinland-Pfalz betrieb am 16. August 2008 eine kleine Gruppe von Rechtsextremisten in der Fußgängerzone von Zweibrücken einen Info-Stand mit geringer Außenwirkung. Ebenfalls am 16. August 2008 fand in Frankenthal ein Spontanaufzug mit ca. 30 bis 40 Personen des rechtsextremistischen Spektrums statt. Nach Eintreffen der Polizei löste sich dieser umgehend auf. In mehreren Bundesländern - so auch in Rheinland-Pfalz - kam es außerdem zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Heßplakaten und -aufklebern. 1.4.1 "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) Der neonazistische Verein wurde 1990 unter dem Namen "Die Heimattreue Jugend - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (DHJ) gegründet. Seit 2001 lautete die vollständige Bezeichnung "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.". Der Verein war seit dem 19. März 1990 im Vereinsregister Plön/Kiel eingetragen und wurde aus Berlin geführt. Am 31. März 2009 wurde die HDJ durch den Bundesminister des Innern verboten. Mit mehreren hundert Mitgliedern war die HDJ ein fester Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums. Die Vereinigung unterhielt Verbindungen zur NPD und zur neonazistischen Kameradschaftsszene. Darüber hinaus existierten auch personelle Verflechtungen von HDJ-Angehörigen mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen. Bei der HDJ handelte es sich um eine rechtsextremistische Jugendorganisation 27 mit neonazistischer Ausrichtung. Sie verfügte über einen bundesweiten hierarchischen Aufbau, der in "Bundesführung", "Leitstellen" sowie "Einheiten" untergliedert war. Ein wesentliches Betätigungsfeld des Vereins war die Organisation von Lagern und Fahrten, an denen auch manchmal ganze Familien teilnahmen. Das Ziel der HDJ war, über unpolitisch erscheinende Aktivitäten Kinder und Jugendliche an rechtsextremistisches Gedankengut heranzuführen. Unter der Vorspiegelung der Jugendpflege betrieb die HDJ eine gezielte Ideologisierung ihrer Mitglieder. Obwohl die Schwerpunkte der Aktivitäten der HDJ in anderen Bundesländern lagen, gab es auch Bezüge nach Rheinland-Pfalz. So fand ein "Bundeswinterlager" 2007/2008 auf der Loreley statt. An der Veranstaltung haben ca. 100 Personen teilgenommen. Am 9. Oktober 2008 durchsuchte die Polizei bundesweit Räumlichkeiten von rund 100 Funktionären und Mitgliedern der HDJ, darunter auch drei in Rheinland-Pfalz. Dabei wurden zahlreiche NS-Devotionalien, Schriftstücke und Computer beschlagnahmt. Die Maßnahmen waren Teil des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens. In ihrer vierteljährlich erscheinenden Publikation "Funkenflug" offenbarte die HDJ ihre antisemitische und rassistische Grundhaltung und verherrlichte den Nationalsozialismus. 1.4.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist ein mitgliederstarker Zusammenschluss deutscher Neonazis. Als 1. Vorsitzende fungiert nach wie vor Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim2. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehört sie bereits seit Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNG-Aktivisten. 2 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwendund Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. 28 Die HNG mit nach wie vor ca. 600 Mitgliedern versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer "Gefangenenbetreuung" als zentrale Kontaktstelle für Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen, die damit in der Szene gehalten werden sollen. Publikationsorgan ist die Broschüre "Nachrichten der HNG". Am 26. April 2008 fand in Großrinderfeld-Schönfeld/Baden-Württemberg die turnusgemäße Jahreshauptversammlung mit etwa 100 Teilnehmern ohne Außenwirkung statt. Darüber hinaus entfaltet die HNG keine nennenswerten Aktivitäten mehr. 1.5 "Kameradschaften" "Kameradschaften" sind auf längere Zeit angelegte organisationsunabhängige und informelle Personenzusammenschlüsse der rechtsextremistischen Szene mit gemeinsamer ideologischer Ausrichtung. Die Gründung der meisten "Kameradschaften" erfolgte als Reaktion auf zahlreiche Vereinsverbote in den 1990er Jahren. Um weitere Verbote zu erschweren oder unmöglich zu machen, wird weitgehend auf vereinsähnliche Strukturen verzichtet. Zumeist geben sich diese Gruppen den Anstrich privater Cliquen oder Freundeskreise und verfügen nur über eine regionale Basis sowie über relativ wenige Angehörige. In der Regel gehören solchen Gruppen nicht mehr als 10 bis 25 Personen an, meist junge Männer. Allerdings können einige dieser "Kameradschaften" im Bedarfsfall auf ein Mobilisierungspotenzial zurückgreifen, das über die Zahl ihrer jeweiligen Angehörigen hinausgeht. Um ihre Ungebundenheit zu rechtsextremistischen Parteien zu belegen, bezeichnen sich Mitglieder der "Kameradschaften" gerne als "Freie Nationalisten". "Kameradschaften" vertreten überwiegend ein neonazistisches Weltbild, das von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Sie orientieren sich an den Vorstellungen eines nationalsozialistischen Führerstaates. "Kame29 radschaftsführer" und deren Stellvertreter leiten diese Gruppierungen autoritär. Bei "Kameradschaftsabenden", die in Gaststätten oder in Privatwohnungen stattfinden und die eher Stammtischcharakter haben, wird eher selten politisch agitiert. Weitere Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der "politischen Schulung" und der Planung gemeinsamer Aktivitäten, so der Teilnahme an Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen im Inund Ausland. Einzelne "Kameradschaften" haben sich zu so genannten Aktionsbündnissen oder Aktionsbüros zusammengeschlossen. Diese Zusammenschlüsse dienen der Koordinierung von gemeinsamen Aktionen (z.B. Demonstrationen, Kampagnen, gemeinsamer Besuch von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen) und sollen der Zersplitterung der Szene entgegenwirken. Hierzu zählt weiterhin das seit dem Jahr 2003 bestehende "Aktionsbüro Rhein-Neckar" im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim, dem nach eigener Darstellung Vertreter von Organisationen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz angehören. Regelmäßig werden nach wie vor "Homepages" von "Kameradschaften" als Unterstützer von "Aktionsbündnissen" bzw. "-büros" im Internet festgestellt, deren Präsenz sich lediglich auf eine eingerichtete Internetseite beschränkt. Kameradschaftsmitglieder und/oder Organisationsstrukturen können diesen, meist nur kurzfristig bestehenden virtuellen Darstellungen nicht zugeordnet werden. Sie sollen vielmehr den Eindruck mitgliederstarker Organisationen erwecken. 30 "Kameradschaft Zweibrücken/Nationaler Widerstand Zweibrücken" Seit über sechs Jahren ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Kameradschaft Zweibrücken/Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus dem Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Treffen organisiert die Gruppe auch öffentliche Aktionen: Am 26. Januar 2008 veranstaltete der "Nationale Widerstand" im Stadtgebiet von Zweibrücken mit ca. 15 Teilnehmern eine Kundgebung unter dem Motto "Gegen kriminelle Ausländer - kein Asyl - Abschiebung sofort". Am 13. März 2008 führte die Gruppe mit ca. 30 bis 35 Personen in Zweibrücken eine Kundgebung unter dem Motto "Gegen das Vergessen! 14.03.1945 Bomben-Holocaust über Zweibrücken" durch. Ohne öffentliche Resonanz verlief am 23. August 2008 ebenfalls in Zweibrücken eine Kundgebung mit 12 Rechtsextremisten unter dem Motto "Ruhe sanft! Eine Abrechnung mit der Volkspartei SPD". "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Die seit Juni 2006 bekannten "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" ("Naso Mainz-Bingen") sind nach wie vor im Internet präsent. Nach eigenen Angaben handelt es sich um ein "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen". Domaininhaber ist ein bekannter Neonazi und NPD-Funktionär. In den regelmäßig erscheinenden Internetbeiträgen wird über Planungen und Aktivitäten der regionalen und überregionalen rechtsextremistischen Szene berichtet. 31 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil- / Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: ca. 7.000 (2007: ca. 7.200) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 300 (2007: ca. 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 12 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 25.000 Exemplare Politische Ausrichtung Im rechtsextremistischen Parteienspektrum ist die verfassungsfeindliche NPD inzwischen die größte und aggressivste Organisation. Sie ist durch neonazistische und nationalrevolutionäre Inhalte geprägt, ist fremdenfeindlich, antisemitisch, revisionistisch und will die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. Die NPD ist auch politische Heimat von Neonazis und gewaltbereiten Skinheads, die sich selbst als "Nationaler Widerstand" bezeichnen. Die Partei und ihre Anhänger streben nach Macht in Staat und Gesellschaft, um ein neues "Deutsches Reich" zu errichten. In einem autoritär geführten Staat sollen etwa Parlamentarismus, Pluralismus und Gewaltenteilung durch die Herrschaft einer "homogenen Volksgemeinschaft" abgelöst werden. Mit der Verwendung des Begriffes "Volksgemeinschaft" bedient man sich dabei eines zentralen Elements des Nationalsozialismus, nach dessen Bedeutung die Rechte und Interessen des Einzelnen sich bedingungslos den Interessen der Gemeinschaft, d.h. der Volksgenossen, unterordnen müssen. 32 "Volksherrschaft setzt die Volksgemeinschaft voraus... Der Staat hat dabei über den Egoismen einzelner Gruppen zu stehen und die Gesamtverantwortung wahrzunehmen" 3. Die in der Verfassung verankerten Freiheits-, Leistungsund Gleichheitsgrundrechte werden von einer Zugehörigkeit zur "deutschen Volksgemeinschaft" abhängig gemacht, mit dem Ziel, in Deutschland lebende Ausländer aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem auszugliedern oder ihnen den Erwerb von Grund und Boden zu verbieten. Ausländer und Minderheiten, die nicht in die rassistisch definierte Volksgemeinschaft passen, sollen ausgegrenzt und entrechtet werden. Rassistische und antisemitische Ausfälle von NPD-Mitgliedern und -Anhängern sind angesichts dieser Weltanschauung an der Tagesordnung. So äußerte beispielsweise der NPD-Funktionär Jürgen GANSEL nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Internet unter dem Titel "Afrika erobert das Weiße Haus", dass das weiße, von europäischen Auswanderern getragene Amerika mit dem "Afrika-Sprößling seinen symbolischen Totengräber" gewählt habe. Obamas jüdischer Chefstratege David Axelrod verfolge das Ideal eines "identitätskastrierten Welteinheitsmenschen". Es sei daran erinnert, so GANSEL weiter, dass "Juden und Neger" bereits in den USA der sechziger Jahre eine revolutionäre Koalition gegen das Establishment geschmiedet hätten. Deutschland werde länger brauchen, die wahren Anliegen des neuen Präsidenten zu durchschauen, denn hier seien besonders viele Menschen von einem, an eine "afrikanische Tropenkrankheit" erinnernden "Obama-Fieber" gepackt. 200.000 "Multi-Kulti-Deppen" hätten immerhin bereits im Hochsommer in Berlin dem zur "Promenadenmischung aus John F. Kennedy und Martin Luther King" stilisierten Obama zugejubelt. 3 Parteiprogramm der NPD, Abschnitt 3 33 Auch der "Reichsgedanke" bleibt wichtiger Bestandteil der NPD-Programmatik. Die Partei spricht davon, dass "die Wiederherstellung Deutschlands mit der Vereinigung der Besatzungskonstruktionen BRD und DDR" nicht erreicht sei. Deutschland ist größer als die Bundesrepublik! ...Wir fordern die Revision der nach dem Krieg abgeschlossenen Grenzanerkennungsverträge".4 Diese Auffassung wird bis in die Kreisverbände vertreten, wie eine Aussage auf der Internetseite des NPDKreisverbandes Naheland deutlich macht: "Uns ist das Reich keine Last der Vergangenheit, sondern das Ziel unserer politischen Arbeit".5 Strategie Der seit 1996 amtierende Parteivorsitzende Udo VOIGT ist nach außen um ein attraktives Erscheinungsbild der Partei bemüht. Dabei setzt er weiter auf die von ihm entwickelte Drei-Säulen-Strategie, "Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe" und "Kampf um die Parlamente", die im Jahr 2004 durch eine vierte Säule, dem "Kampf um den organisierten Willen" erweitert wurde. Damit sieht sich die NPD als Wegbereiter einer "sozialen Protestbewegung" unter Einbeziehung von Neonazis und Skinheads und in der Führungsrolle im rechtsextremistischen Lager. Die NPD ist teilweise bestrebt, ihre ausländerfeindlichen und antisemitischen Inhalte zu verbergen. Mit ihrer Kampagne "Sozial geht nur national", greift sie Themen wie die Sozialund Wirtschaftspolitik auf und gibt sich als "Anwalt des kleinen Mannes"6 aus . Es sollen Menschen angesprochen werden, die sich sozial benachteiligt sehen und die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben. Damit möglichst viele Menschen für eine "nationale Politik" gewonnen werden, sollen Mitglieder und Anhänger sich in örtlichen Vereinen oder Einrichtungen engagieren, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger beraten oder Freizeitund Hausaufgabenbetreuung für Jugendliche anbieten. Soziale Kompetenz wird vorgetäuscht, um eine nationale und sozialistische Revolution vorzubereiten. In Rheinland-Pfalz ist die NPD nicht in der Lage, die Ziele der Bundespartei umzusetzen. 4 Parteiprogramm der NPD, Abschnitt 10 5 www.npd-naheland.de aufgerufen am 18. 12. 2008 6 Flugblätter der NPD: "Soziale Erneuerung"; "Stoppt Zeitund Leiharbeit; Arbeit für alle Deutschen 34 Jugendliche werden nach wie vor besonders umworben. Dies zeigen die in den letzten Jahren vermehrt herausgegebenen Schülerzeitungen und Musik-CDs. Das Medium Musik hat dabei eine besondere Bedeutung. Durch Musik wird der Kontakt zu Heranwachsenden gesucht, um diese später in die Parteiarbeit zu integrieren. Hierzu hat die NPD eigens eine "Schulhof CD" produziert, die im Umfeld von Schulen verteilt wird. Mit der so genannten Wortergreifungsstrategie versucht die NPD sich an öffentlichen Diskussionen zu beteiligen. Parteimitglieder sind aufgefordert, bei Veranstaltungen das Wort zu ergreifen und zu diskutieren. Hierzu sollen insbesondere Veranstaltungen besucht werden, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus auseinander setzen (Motto: "Keine Veranstaltung über uns, ohne uns!"). Mittels der "Wortergreifungsstrategie" will sich die NPD in Szene setzen und den Eindruck erwecken, sie sei an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert. Vor allem aber sollen politische Gegner bloßgestellt und verunsichert werden, um so bei uninformierten Zuhörern Sympathie zu erzeugen. Entsprechende Auftritte gab es auch bei öffentlichen Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz7 . Entwicklung NPD - Bundespartei und Landesverband Der NPD gehören bundesweit ca. 7.000 Mitglieder an. Damit musste die Partei nach Jahren des Mitgliederzuwachses 2008 wieder einen Rückgang verbuchen. Dem Bundestrend entsprechend befindet sich der Mitgliederbestand des NPD-Landesverbandes RheinlandPfalz mit weniger als 300 Personen unter dem Niveau des Vorjahres. Am 24. und 25. Mai 2008 veranstaltete die NPD in Bamberg ihren 32. ordentlichen Bundesparteitag unter dem Motto "Sozial geht nur national" mit Wahl eines neuen Bundesvorstands. Bundesvorsitzender ist Udo VOIGT geblieben. In ihren Ämtern als stellvertretende Bundesvorsitzende bestätigt wurden auch Holger 7 Teilnahme und Wortmeldungen anlässlich einer öffentlichen Infoveranstaltung des Vereins "Rheinhessen gegen Rechts" am 10. 12. 2008 in Nieder-Olm 35 APFEL und Sascha ROßMÜLLER. Neu hinzugekommen ist der im Jahr 2006 in die Partei eingetretene Neonazi Jürgen RIEGER. Peter MARX, ehemaliger NPDLandesvorsitzender von Rheinland-Pfalz, und bis zur Wahl in Bamberg ebenfalls stellvertretender Parteivorsitzender, bekleidet nun das Amt des Generalsekretärs. Die NPD ist finanziell stark angeschlagen und musste viele ihrer Mitarbeiter entlassen. Ihre Einnahmen resultieren im Wesentlichen aus der staatlichen Parteienfinanzierung und Spenden. Mitgliedsbeiträge sind dabei von nachrangiger Bedeutung. Im Jahr 2006 forderte die Bundestagsverwaltung von der NPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung ca. 870.000 EUR zurück, da ihre Rechenschaftsberichte in den Jahren 1997 und 1998 zu Unrecht Spenden in erheblichem Umfang auswiesen. Die Rechtmäßigkeit der Rückforderung wurde am 20. Mai 2008 durch das Verwaltungsgericht Berlin bestätigt8. Im September 2008 verurteilte das Landgericht Münster den ehemaligen Schatzmeister der NPD Erwin KEMNA zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Er hatte gestanden, zwischen 2004 und 2007 in 80 Fällen Parteigelder in Höhe von 741.000 EUR veruntreut zu haben. Ende März 2009 forderte die Bundestagsverwaltung von der NPD EUR 2.500.000 wegen Fehlern im Rechenschaftsbericht 2007. Gegen die Entscheidung hat die Partei Klage erhoben. In Anbetracht ihrer notorischen Geldnot versucht die NPD durch Immobiliengeschäfte neue Finanzquellen zu erschließen. Dabei konnte im Zusammenhang mit der Anmietung oder dem (möglichen) Erwerb von Immobilien folgende Vorgehensweise festgestellt werden: Die NPD oder ein NPD-Anhänger geben bekannt, ein bestimmtes Objekt kaufen zu wollen, um ein sogenanntes Schulungszentrum zu errichten. Dies soll bewirken, dass eine besorgte Bevölkerung Druck auf die Kommune ausübt, die - meist schwer verkäufliche - Immobilie selbst zu erwerben, in der Regel zu einem überhöhten Preis, um die Einrichtung der rechtsextremistischen Begegnungsstätte zu verhindern. Gewinne könnten dann zwischen dem "Scheinerwerber" NPD und dem Verkäufer aufgeteilt wer- 8 Urteil der 2. Kammer vom 20. Mai 2008 - VG 2 A 28. 07 - 36 den. Darüber hinaus nutzt die NPD das eintretende Medieninteresse, um den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Einige Eigentümer schwer verkäuflicher Immobilien sahen sich in der Vergangenheit angesichts dieses Szenarios dazu veranlasst, die NPD ohne deren Wissen als vermeintlichen Käufer ins Spiel zu bringen, um eine verkaufsfördernde Drohkulisse aufzubauen. In Rheinland-Pfalz gab es auch im Jahr 2008 Hinweise auf entsprechend politisch motivierte Immobiliengeschäfte. Polizei und Verfassungsschutz beraten im Ereignisfall die betroffenen Kommunen, so dass bislang die Versuche der Rechtsextremisten erfolglos blieben. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen der NPD und den neonazistischen "Freien Kräften" setzten sich auch im Jahr 2008 fort. Gründe hierfür sind weiterhin die zwiespältige Haltung der NPD-Spitze zu den gewaltbereiten "Autonomen Nationalisten" sowie die öffentliche Kritik einzelner NPD-Führungskräfte an namhaften Neonazis, die anlässlich der Beisetzung ihres Gesinnungsgenossen Friedhelm BUSSE im Juli 2008 eine verbotene Reichskriegsflagge auf dessen Sarg ausbreiteten. Neonazis warfen der NPD-Parteispitze "scheinheiliges" und "unkameradschaftliches" Verhalten vor und drohten mit der Aufkündigung der bisherigen Zusammenarbeit. Dabei wurden sie durch den stellvertretenden Parteivorsitzenden und Neonazi Jürgen RIEGER unterstützt. Inzwischen hat sich die Lage in der Partei weiter zugespitzt, so dass zu Beginn des Jahres 2009 von einer ernsthaften Krise gesprochen werden kann. Udo VOIGT steht angesichts der desolaten Finanzen und des Flügelstreits mit den "Freien Kräften" als Parteivorsitzender im Zentrum der Kritik. Im Vorfeld des Bundesparteitages entbrannte ein offener Konkurrenzkampf zwischen VOIGT und PASTÖRS um das Amt des Vorsitzenden. Auf dem Bundesparteitags am 4. und 5. April 2009 in Berlin konnte sich VOIGT nochmals gegen seinen Herausforderer behaupten. Die Wahl zeigt jedoch, dass ein tiefer Riss durch die Partei geht, der bis hinein in die Landesverbände reicht. In Rheinland-Pfalz verteilen sich die Mitglieder der NPD auf 12 Kreisverbände. Wie schon im Vorjahr stehen auch 2008 ein Teil der Kreisverbände unter der Leitung von in die NPD eingetretenen Neonazis. Einige dieser Kreisverbände unterhalten Kontakte zum "Aktionsbüro Rhein-Neckar". 37 Die Kreisverbände sind in sehr unterschiedlichem Maße aktiv. Deren bloße Existenz "auf dem Papier" bedeutet nicht, dass es sich um funktionierende Organisationseinheiten handelt. Einige von ihnen zeigten im Jahr 2008 kaum noch wahrnehmbare Aktivitäten. Dies kann auf innerparteiliche Querelen und den Wegzug von aktiven Parteimitgliedern in andere Bundesländer zurückgeführt werden. Vergleichsweise aktive Kreisverbände konnten jedoch vereinzelt durch medienwirksame Veranstaltungen öffentliche Beachtung erzielen. Beispiele sind die von der "Bürgerinitiative für soziale Gerechtigkeit" durchgeführte Doppeldemonstration mit jeweils ca. 270 Personen in Kaiserslautern und Neustadt am 1. Mai 2008, bei der Mitglieder der NPD als Anmelder fungierten und die Doppeldemonstration in Wörrstadt und Saulheim am 23. Februar 2008, die ebenfalls unter Beteiligung der NPD stattfand. Weitere Parteiaktivitäten im Jahr 2008 waren die im Frühjahr gestartete Kampagne "Sozial geht nur national", das Verteilen von Flugblättern, die Durchführung von Vortragsveranstaltungen, Infoständen und so genannten Mahnwachen. Im Februar 2008 erschien die erste und bislang letzte bekannte Ausgabe der vom Landesverband Rheinland-Pfalz herausgegebenen Publikation "Das Deutsche Eck". Mit dem Blatt "will der Landesverband Freunde und Mitglieder über wichtige und aktuelle Ereignisse" informieren. Im Mittelpunkt der Ausgabe stand die Kommunalwahl 2009. Weiter wurde angekündigt, die Parteiaktivitäten zukünftig verstärken zu wollen und Strukturen aufbzw. auszubauen. Am 18. Mai 2008 wählte der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern Dörthe ARMSTROFF zu seiner neuen Landesvorsitzenden. Der bisherige Vorsitzende Peter MARX stand nach eigenen Angaben aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Die neue Parteivorsitzende strebt trotz innerparteilicher Streitigkeiten einen Erfolg bei den Kommunalwahlen 2009 in Rheinland-Pfalz an: "Nach dem Wegfall der Sperrklausel sei der Antritt in ausgesuchten Kreisen und zum pfälzischen Bezirkstag von strategischer Bedeutung". 38 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Als einzige rechtsextremistische Partei hat die NPD seit 1969 eine auf Bundesebene zahlenmäßig relevante Jugendorganisation mit ca. 400 (2007: ca. 400) Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz sind weniger als 20 Mitglieder in der JN organisiert. Dementsprechend sind in Rheinland-Pfalz weder auf Landesnoch auf Kreisverbandsebene Organisationsstrukturen der JN erkennbar. Auch für eine gezielte Anwerbung von Mitgliedern konnten keine Hinweise gewonnen werden. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU-Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder Bund: ca. 6.000 (2007: ca. 7.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 300 (2007: ca. 400) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "Nationalzeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) monatliche Auflage: 33.000 Exemplare Politische Ausrichtung und Entwicklung Die DVU musste zum wiederholten Male einen Mitgliederrückgang im Bund und in Rheinland-Pfalz hinnehmen. Auf dem Bundesparteitag am 11. Januar 2009 bei Magdeburg wurde der bisherige Bundesorganisationsleiter der DVU Matthias FAUST zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Dieser löste Dr. Gerhard FREY ab, der die Partei seit ihrer Gründung zentralistisch und autokratisch führte. FREY ist jedoch weiterhin Inhaber des rechtsextremistischen "DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag" und Herausgeber der wöchentlich erscheinenden "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ), dem "Zentralorgan" der DVU. Die Mitglieder im Bundesvorstand kamen unter FREY bislang über eine Statistenrolle nie hinaus und auch den 16 Landesverbänden blieb kaum Raum für eine eigenständige politische Arbeit. Diese Umstände führten zu einer gewis39 sen Isolation der DVU im rechtsextremistischen Lager. Der Partei gelang es deshalb auch nicht, einen Ausgleich des altersbedingten Mitgliederschwunds durch junge Rechtsextremisten herbeizuführen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies mit dem neuen Bundesvorsitzenden ändert oder die DVU ihren Abwärtstrend beschleunigt fortsetzt. Kernpunkt der verfassungsfeindlichen Ausrichtung der Partei bleibt ein übersteigerter Nationalismus, der durch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Ausländer und Juden werden herabgewürdigt und in dem Sprachrohr der Partei "National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" als "antideutsche" Feindbilder dargestellt. Des Weiteren berichtet die NZ regelmäßig tendenziös und verharmlosend über die nationalsozialistische Vergangenheit und diskreditiert systematisch den demokratischen Rechtsstaat und seine Repräsentanten. Strategie und Teilnahme an Wahlen Die DVU ist nur noch im Landtag von Brandenburg mit sechs Mandaten vertreten, sie bleibt jedoch bestrebt, auf Landesund kommunaler Ebene in Parlamente einzuziehen. Öffentlich tritt sie außerhalb von Wahlkämpfen kaum noch in Erscheinung und konnte auch ihre Attraktivität in der rechtsextremistischen Szene nicht vergrößern. Der Landesverband Rheinland-Pfalz unterhält lediglich im Raum Ludwigshafen am Rhein eine gewisse Organisationsstruktur. Am 25. Oktober 2008 wurde der Landesvorsitzende Hans-Dieter LIEDERWALD beim rheinland-pfälzische Landesparteitag in seinem Amt bestätigt. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" Der im Jahr 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im 40 März 2002 aufgelöst. Die Vereinigung existiert jedoch unter dem Namen "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" weiter. Auch 2008 wurden überwiegend interne Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. "Landesführer" ist ein amtsbekannter Rechtsextremist aus Kaiserslautern. 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Die rechtsextremistische Szene veranstaltete auch 2008 ihre Aktionen zum "Heldengedenken" (z.B. Kranzniederlegungen). Am 10. Mai 2008 führten ca. 20 Personen des rechtsextremistischen Spektrums am "Feld des Jammers" in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) eine Gedenkveranstaltung durch. An einem "Totengedenken" am 23. November 2008 an der gleichen Örtlichkeit beteiligten sich ca. 80 Angehörige und Symphatisanten der rechtsextremistischen Szene. Beide Veranstaltungen verliefen ohne Zwischenfälle. 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 6. April 2008 fand in Ludwigshafen am Rhein eine Demonstration der rechtsextremistischen Szene mit ca. 100 Personen statt. Anlass war ein Tötungsdelikt zum Nachteil eines Szeneangehörigen in Stolberg/Nordrhein-Westfalen. 1.8 Revisionisten Revisionisten versuchen, die Geschichte über die Zeit des Nationalsozialismus zugunsten einer wohlwollenden bis rechtfertigenden Betrachtung zu korrigieren oder ganz umzuschreiben. Sie bestreiten den verbrecherischen Charakter der NS-Diktatur, die Schuld des NS-Regimes am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und relativieren bzw. leugnen deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen zudem die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern. Der Revisionismus bedient sich pseudowissenschaftlicher Argumente und trägt sein Anliegen in bürgerlicher 41 Sprache vor. Die Imitation von Wissenschaft durch Übernahme ihrer Formen (Abhandlungen, Vorträge und Seminare etc.) soll Seriösität und Wahrhaftigkeit vorspiegeln. Eine Resonanz oder gar Zustimmung wird in der breiten Öffentlichkeit jedoch nicht erreicht. 1.9 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten trotz ihrer grundsätzlich nationalistischen Ausrichtung teilweise gute Kontakte zu Gesinnungsgenossen in anderen Ländern. Deutsche Aktivisten treffen im Rahmen von Demonstrationen, Gedenkmärschen und Parteiveranstaltungen mit Vertretern ausländischer Organisationen zusammen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind die internationalen Kontakte ausgeprägt. An den Gedenkveranstaltungen am 21. und 22. November 2008 in und außerhalb von Madrid zu Ehren des 1975 verstorbenen spanischen Diktators Franco nahmen insgesamt etwa 1.000 meist spanische Rechtsextremisten teil. Unter den ausländischen Gästen befanden sich auch Vertreter aus Deutschland, Bulgarien, Frankreich, Italien, Rumänien und Russland. 42 2. Linksextremismus Linksextremisten streben eine sozialistische, kommunistische oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft an. Während revolutionärmarxistische Organisationen auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes setzen, ist das Selbstverständnis von Anarchisten, insbesondere das der so genannten Autonomen, von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in "herrschaftsfreien Räumen" geprägt. Entsprechend wird jede Form staatlicher und gesellschaftlicher Normen abgelehnt. Die linksextremistische Szene in Rheinland-Pfalz umfasst ca. 700 Aktivisten, davon etwa 100 gewaltbereite Autonome; im Vergleich zum Vorjahr hat sie sich zahlenmäßig nicht verändert. Im Hinblick auf das im April 2009 in Straßburg und Baden-Baden anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO stattfindende Gipfeltreffen hat sich die linksextremistische Szene, insbesondere die Autonomen, zunehmend innerhalb der breiten "Anti-NATO"-Protestbewegung positioniert und Störaktionen angekündigt. Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Rheinland-Pfalz, hauptsächlich der Autonomen, bleibt der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen. Die Partei "Die Linke" sieht sich fortgesetzt als "gestaltende Opposition" zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland. In dem bei ihrem Parteitag im Mai 2008 in Cottbus verabschiedeten Leitantrag bekennt sie sich weiterhin dazu, das bestehende System langfristig durch eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. 43 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2008 2007 2008 2007 Gesamt1 700* 700* 31.200 * 30.800* Gewaltbereite 100 100 6.300 6.300 Marxisten-Leninisten und sonstige 600** 600** 25.200** 24.800** revolutionäre Marxisten2 (Angaben gerundet) * ohne Mehrfachmitgliedschaften ** einschließlich Personen aus beeinflussten Organisationen 1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Einschließlich "Kommunistischer Plattform der Partei DIE LINKE." (KPF) sowie Mitglieder weiterer extremistischer Gruppen in der Partei "DIE LINKE." Hinsichtlich der Partei "DIE LINKE" mit bundesweit ca. 76.000 Mitgliedern (Rheinland-Pfalz: ca. 1.750) wird wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes auf eine gesonderte Ausweisung verzichtet. 2.2 Linksextremistische Gewalt Politisch motivierte Kriminalität - links - Gewalttaten: 2008 2007 Gesamt 13 7 Körperverletzungen 6 4 Brandund Sprengstoffanschläge 3 - Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 1 - Landfriedensbruch 2 - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 3 (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) 44 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten, insbesondere die so genannten Autonomen, beeinträchtigten auch im Jahr 2008 durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße die Innere Sicherheit Deutschlands. Die Aktivitäten autonomer Gruppen konzentrierten sich auf Themenfelder wie "Anti-Repression", "Anti-Rassismus" und "Anti-Kernkraft", im Wesentlichen jedoch auf den traditionell geführten "antifaschistischen Kampf" gegen den verhassten Staat und nur vordergründig gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Zur Verhinderung und Störung rechtsextremistischer Aufmärsche, hauptsächlich die der NPD, suchten Autonome fortgesetzt die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner und nehmen diese auch zum Anlass, Polizeibeamte zu attackieren. Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten ist gegenüber dem Vorjahr bundesweit mit ca. 6.300 und in Rheinland-Pfalz mit etwa 100 Aktivisten gleich geblieben. Mit 13 politisch motivierten Gewalttaten in Rheinland-Pfalz erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr die Zahl um sechs. 2.3.1 Autonome Die Autonomen mit bundesweit 5.800 Aktivisten (2007: ca. 5.800) bilden mit Abstand den größten Teil im gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum. In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 100 Autonome, die schwerpunktmäßig in Kaiserslautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung, im pfälzischen Raum sowie im Westerwald aktiv sind. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Weltbild und lehnen staatliche und gesellschaftliche Normen ab. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von "antikapitalistischen", "antifaschistischen" und "antisexistischen" Einstellungen. Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen sie die Anwendung von Gewalt, auch gegen Personen, als legitim an. 45 Die Bemühungen der autonomen Szene, sich stärker zu vernetzen und regionale bzw. überregionale Organisationsstrukturen aufzubauen, hielten an. Darüber hinaus stand die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen, insbesondere gegen rechtsextremistische Aufmärsche, im Vordergrund. Beispielhaft dafür standen zum Teil gewalttätige Aktionen von Linksextremisten gegen eine rechtsextremistische Veranstaltung am 1. Mai-Feiertag 2008 in Neustadt an der Weinstraße. Unter den insgesamt 1.000 Gegendemonstranten befanden sich ca. 300 gewaltbereite Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland. Durch eine Blockade in der Nähe des Hauptbahnhofs gelang es ihnen, den Umzug der Rechtsextremisten durch die Stadt zu verhindern. Bei Rangeleien wurden 12 Polizeibeamte leicht verletzt. Es gab über 20 Strafanzeigen, u.a. wegen Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffengesetz und wegen Landfriedensbruch. In der Innenstadt wurden Mülleimer umgeworfen und angezündet sowie Schaufenster einer Bank mit Pflastersteinen eingeworfen. Die Polizei sah sich gezwungen, Wasserwerfer einzusetzen. Die Aktionsformen von Autonomen sind vielfältig. Offene Formen umfassen beispielsweise die Agitation mit Flugblättern, Plakaten, Internetaufrufen und Szenepublikationen. Zu den militanten Vorgehensweisen zählen neben Brandund Sprengstoffanschlägen insbesondere gewalttätige Demonstrationen unter Einsatz von Steinen und anderen Wurfgeschossen. Dabei spielt für Autonome die "Vermittelbarkeit ihrer Anliegen" innerhalb der Szene eine Rolle. Häufig stellen sie ihre Aktionen in den Zusammenhang mit aktuellen, auch in bürgerlichen Kreisen diskutierten Themen. Konspirativ durchgeführte Anschläge erfolgen nicht selten im Kontext aktueller linksextremistischer Kampagnen. Hierzu werden regelmäßig Tatbekennungen veröffentlicht. Straßenkrawalle sind ebenso typisch für militante 46 Autonome; dabei treten sie gewöhnlich vermummt in "schwarzen Blöcken" auf. Wichtigstes Kommunikationsmittel der autonomen Szene ist das Internet, wo regelmäßig, auch verschlüsselt und nur einem internen Personenkreis zugänglich, Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Themen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe/Dokumentationen eingestellt werden. So wurde beispielsweise auch über das Internet verbreitet, dass am 15. März 2008 in Ludwigshafen am Rhein ca. 30 Personen einen "antifaschistischen Spaziergang" durchführten, dabei "rechte" Aufkleber und Schmierereien entfernten oder überklebten und mit der Verteilung von Flyern auf die Situation in Ludwigshafen am Rhein als "ein Zentrum neonazistischer Aktivitäten im Westen" aufmerksam machten. Weiterhin dienen Anlaufund Kontaktstellen ("Infoläden" und "Volxküchen") der gewaltbereiten linksextremistischen Szene als Kommunikationsplattform, in Rheinland-Pfalz z.B. in Trier und Koblenz. Zu den bewährten Methoden des Informationsaustauschs gehören darüber hinaus konspirative Treffen sowie Veröffentlichungen und Anzeigen in regionalen und überregionalen Szenepublikationen. Verdeckt operierende autonome Kleingruppen setzten im Berichtszeitraum ihre Anschlagsaktivitäten fort und überschritten dabei die Grenze zur terroristischen Gewalt. Einige benutzten in ihren Taterklärungen zum Schutz vor Strafverfolgung wechselnde oder auch keine Aktionsnamen ("no-name"-Militanz). Hervorzuheben ist die Berliner "militante gruppe" (mg), die sich seit 2001 für zahlreiche Brandanschläge in Berlin und Brandenburg verantwortlich zeigt. In ihren Anschlagsbekennungen bezog sie sich auf verschiedene "linke" Themen wie "Antirassismus", "Antirepression", "Sozialabbau", "Antiimperialistische Solidarität" oder "Antiglobalisierung". Nach einem versuchten Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Brandenburg/Havel im Juli 2007 wurden mutmaßliche Mitglieder der mg vorübergehend inhaftiert. Ein in diesem Zusammenhang ergangener Beschluss des Bundesgerichtshofes vom November 2007 47 stellt ausdrücklich fest, die Zugehörigkeit zur mg begründe in rechtlicher Hinsicht noch nicht den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen, sondern die in einer kriminellen Vereinigung. Am 25. September 2008 begann vor dem Kammergericht Berlin der Prozess gegen drei mutmaßliche mg-Mitglieder wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie versuchter Brandstiftung. Ein von Linksextremisten getragenes "Bündnis für die Einstellung der 129a-Verfahren" organisierte seit August 2007 mehrere Solidaritätsaktionen für die Beschuldigten; so fand u.a. auch am 4. September 2008 in den Räumlichkeiten der Technischen Universität Kaiserslautern eine so genannte Informationsund Diskussionsveranstaltung zum bevorstehenden mg-Verfahren mit ca. 20 Szeneangehörigen statt. 2.3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "antifaschistische Kampf" blieb bei Linksextremisten Schwerpunkt ihrer politischen Aktivitäten. Gewaltbereite Linksextremisten (Autonome) bekämpfen vordergründig rechtsextremistische Strukturen; hauptsächlich wollen sie die als "kapitalistisches System" bezeichnete freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblich faschistischen Wurzeln überwinden. Um ihre politischen Ziele zu erreichen, beteiligen sich Autonome zuweilen an Bündnissen gegen Rechtsextremismus und versuchen diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Um konsequent gegen die neonazistische Szene in der Region Ludwigshafen am Rhein/Mannheim vorzugehen, gründete sich im Oktober 2008 das "Bündnis Ladenschluss Ludwigshafen", in dem neben revolutionärmarxistischen Linken und Gruppierungen aus dem bürgerlichen Spektrum auch maßgeblich gewaltbereite "Antifa-Gruppen" mitarbeiten. Während einer Informationsveranstaltung des Bündnisses am 6. November 2008 in Ludwigshafen am Rhein versuchten Rechtsextremisten sich gewaltsam Einlass in das Veranstaltungsgebäude zu verschaffen. Durch das Eingreifen der Polizei konnte dies jedoch verhindert werden, ebenso eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Linksund Rechtsextremisten. 48 Durch den fortgesetzten bundesweiten Aktionismus rechtsextremistischer Parteien und Organisationen kam es, regional unterschiedlich stark ausgeprägt, auch im Berichtszeitraum immer wieder zu "antifaschistischen" Aktivitäten gewaltbereiter Linksextremisten. Insbesondere Autonome versuchten durch "Massenmilitanz" und "Kleingruppentaktik" rechtsextremistische Aufmärsche, die grundsätzlich als Provokation empfunden werden, zu verhindern oder zu stören. Am 23. Februar 2008 waren in Wörrstadt und Saulheim (Rheinhessen) rechtsextremistische Aufzüge Anlass für bürgerliche, aber auch linksextremistische Protestaktionen unter dem Motto "Gebt Nazis keine Chance". Angriffe des gewaltbereiten "Antifa"-Spektrums gegen "rechte" Demonstrationsteilnehmer scheiterten jeweils an einer starken Polizeipräsenz. Autonome bemühten sich weiterhin, Aktivitäten von Rechtsextremisten aufzudecken und diese zu "outen". Mittels "Antifa-Recherchen" sammelten sie Informationen über Funktionäre, Trefflokale, Schulungseinrichtungen und Geschäfte, die rechtsextremistische Devotionalien verkaufen. In Mülheim/Kärlich wurden von einer so genannten Initiative "Schöner Leben ohne Nazis" Ende April 2008 in der Nachbarschaft eines Rechtsextremisten mehrere Flugblätter per Briefkasteneinwurf mit der Überschrift "Der Nazi von Nebenan ..." verteilt, die diesen als Funktionär der NPD und Betreiber eines "Aktionsbüro Mittelrhein" outeten. Anfang Oktober 2008 wurde das Auto derselben Person, das in der Nähe seiner Wohnung geparkt war, durch unbekannte Täter erheblich beschädigt. Auch Trefflokale oder Infostände von Rechtsextremisten waren erneut Ziele von gewaltbereiten Linksextremisten. Bei einer Spontandemonstration von mehreren Jugendlichen am 15. November 2008 in Betzdorf (Westerwald), mit der auf den Verkauf szenetypischer Kleidung für Rechtsextremisten durch ein örtliches Tattoostudio aufmerksam gemacht werden sollte, wurde die Schaufenster49 scheibe des Studios eingeschlagen. Mehrere Demonstranten, die u.a. Flyer der "Antifa Westerwald" mitführten, wurden vorläufig festgenommen. Am 9. November 2008 beschmierten unbekannte Täter die Eingangstür eines von einem bekannten Rechtsextremisten betriebenen Geschäftes für szenetypische Kleidung namens "Streetwear-Company" in Ludwigshafen am Rhein mit der Parole "Naziladen dicht machen" und warfen mehrere Farbbeutel gegen die Hauswand des Anwesens. Anti-Globalisierungsbewegung Bei internationalen Gipfeltreffen, u.a. der Staatsund Regierungschefs der acht bedeutendsten Industriestaaten (G8), kam es in der Vergangenheit wiederholt zu militanten Aktionen linksextremistischer Globalisierungsgegner. In Erinnerung geblieben sind die Gewaltexzesse 1999 bei der WTO-Jahreskonferenz in Seattle sowie bei den G8-Treffen 2001 in Genua und 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern). Anfang April 2009 fand anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO ein Gipfeltreffen in Straßburg/Frankreich und Baden-Baden/Baden-Württemberg statt. In die Protestplanungen gegen den NATO-Gipfel, waren neben radikalen Antimilitaristen vor allem deutsche Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung eingebunden. Im Mittelpunkt der Proteste stand eine internationale Großdemonstration in Straßburg unter dem Motto "No to War - No to NATO", bei der es am Rande zu Gewaltexzessen kam. Zu den maßgeblichen Kräften innerhalb des Protestpotenzials gehört die "Interventionistische Linke" (IL), ein Ende 2005 gegründeter Zusammenschluss u.a. von Gruppierungen aus dem autonomen Spektrum. Die IL rief Ende des Jahres 2008 unter dem Motto "Make NATO History! Auf die Straße gegen den NATO-Gipfel!" zum Widerstand gegen den NATO-Gipfel 2009 in Straßburg und Baden-Baden auf und kündigte an, in "das Geschehen eingreifen und den Regierenden einen Strich durch ihren wohl geplanten Ablauf" machen zu wollen. Außerdem führte die IL in zahlreichen Städten - u.a. am 1. Dezember 2008 in Frankenthal und 02. Dezember 2008 in Mainz - Veranstaltungen zu den Themen "Krise des Kapitalismus, ihre Hintergründe, das staatliche Krisenmanagement" und "Chancen für linke Interventionen" durch. 50 Antirepression Das Thema "Antirepression" hat für Linksextremisten weiter an Bedeutung gewonnen. Autonome diffamieren den Staat und seine Einrichtungen, indem sie ihnen fortgesetzt die systematische Unterdrückung politischer Meinungen unterstellen. Am 14. März 2008 fand in Neustadt an der Weinstraße eine gemeinsam von der örtlichen anarchistischen "Freien Arbeiter-Union" (FAU) mit der "Autonomen Linken Vorderpfalz" (ALVP) und der "Roten Hilfe Heidelberg" organisierte öffentliche Vortragsveranstaltung zum Thema "Der SS 129a/b - Freibrief für staatliche Repression" im örtlichen Kulturverein "Wespennest e.V." statt. Ebenfalls in Neustadt an der Weinstraße führte am 31. Mai 2008 das linksextremistische gewaltbereite Spektrum eine Demonstration unter dem Motto "Gegen Polizeigewalt und -willkür! - Don't hide - Gegen jede Repression!" mit ca. 100 bis 120 Teilnehmern durch, darunter Szeneangehörige aus der Pfalz, Baden-Württemberg, Südhessen und dem Saarland. Anlass waren die "massiven Übergriffe und Schikanen" der Polizei am 1. Mai an gleicher Stelle. Die Demonstranten zogen durch die Innenstadt und skandierten Parolen wie "Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt!". Antirassismus Linksextremisten setzten ihre demonstrativen Aktionen gegen den "kapitalistischen Staat" und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik fort. Unter dem Motto "In Europa unerwünscht - und was jetzt? Bleiberecht statt Abschiebepolitik" demonstrierten am 6. September 2008 in Trier rund 100 Personen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, darunter auch gewaltbereite Linksextremisten. Für die Veranstaltung wurde via Internet geworben; zu den genannten Unterstützern zählte u.a. auch die "Antifaschistische Aktion Westerwald". 51 Anti-Kernkraft-/Anti-Castor-Bewegung Für Linksextremisten, insbesondere Autonome, ist das Thema "Anti-Kernkraft/ Anti-Castor" zwar nach wie vor ein Aktionsfeld, aber kein besonderer Schwerpunkt. Bis zu 15.000 Atomkraftgegner, darunter Linksextremisten verschiedenster Gruppierungen, beteiligten sich bundesweit vom 7. bis 11. November 2008 an Protestaktionen gegen den 11. Castor-Transport von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague (Frankreich) in das Transport-Behälter-Zwischenlager (TBL) Gorleben. Schwerpunkt war eine friedlich verlaufene Großdemonstration am 8. November in Gorleben. Wegen Blockadeaktionen auf der Schienenund Straßenstrecke von La Hague nach Gorleben erreichte der Castor-Transport mit nahezu eintägiger Verspätung sein Ziel. Der Zug musste im französischen Bahnhof Lauterbourg am 8. November mehrere Stunden anhalten, weil sich drei Personen bei Berg-Neuburg (Südpfalz) durch den Einsatz besonderer Kunststoffröhren in einem Betonklotz an das Gleisbett gekettet hatten. Im Vergleich zum 10. Castor-Transport im Jahr 2006, bei dem sich 3.500 Personen an Protestaktionen beteiligt hatten, war eine signifikante Steigerung demonstrativer Aktionen im Wendland feststellbar. Das Protestpotenzial aus dem linksextremistischen Spektrum ist gegenüber dem letzten Castor-Transport mit 100 bis 150 Personen weitgehend konstant geblieben. 52 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder Bund: ca. 4.200 (2007: ca. 4.200) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 90 (2007: ca. 90) Organisation in Rheinland-Pfalz: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit sechs regionalen Gruppen Publikationen: Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) Auflage: ca. 7.000 Exemplare zweimonatlich erscheinendes Theorie-Organ "Marxistische Blätter" Auflage: ca. 3.000 Exemplare Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DKP sieht sich selbst als Nachfolgerin der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD ("Kommunistische Partei Deutschlands"). Als revolutionäre marxistische Partei strebt sie einen "grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" und somit unverändert eine Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland an. Für die DKP ist der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft die Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme. Im Jahr 2008 feierte die DKP ihren 40. Gründungstag mit einer großen Festveranstaltung in Recklinghausen. In seiner Ansprache ging der Vorsitzende u.a. unter Anspielung auf die Privatisierung öffentlicher Unternehmen auf das Thema der "Eigentumsfrage" ein und stellte in Bezug auf die Finanzkrise klar, dass der DKP "eine einzige Bank" und "eine einzige Versicherung" durchaus reichen würden; diese müssten aber unter öffentlicher Kontrolle stehen. Im Rahmen ihrer Bündnispolitik beteiligte sich die DKP traditionell an Kampagnen 53 und Aktivitäten von politischen und sozialen Bewegungen, zum Teil auch mit anderen kommunistischen Parteien/Organisationen. Hierbei bemühte sie sich, eigene politische Schwerpunktthemen wie z.B. "Privatisierung nein danke!" oder "Banken enteignen und vergesellschaften" mit einzubringen. Dem DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz, mit seinen regionalen Gruppen in Andernach, Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Landau, Mainz und Trier, gehören ca. 90 Mitglieder an. Die Aktivitäten im Berichtszeitraum umfassten im Wesentlichen die Herausgabe von Publikationen sowie die Durchführung von Infoständen und Mahnwachen. So verteilten Mitglieder der DKPGruppe Bad Kreuznach im Oktober 2008 in der Innenstadt von Bad Kreuznach die Kleinzeitung "FUNKEN" mit der Überschrift "470 Mrd. Euro für Zocker und Banken! Aber nichts für die Bildung und für die Kranken!". Nach wie vor nahe steht der DKP in erster Linie die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), die von der DKP als parteieigene Jugendorganisation betrachtet wird. 2.4.2 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder Bund: ca. 2.300 (2007: ca. 2.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 10 (2007: 10) Organisation in Rheinland-Pfalz: Kreisverband Ludwigshafen 54 Für die MLPD und ihren Jugendverband "Rebell" bilden die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Mao Tsetung und Stalin die Grundlage im Kampf für den "echten Sozialismus". Ziel ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals" und "die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Im Unterschied zu den meisten anderen kommunistischen Gruppen verteidigt die MLPD das politische Wirken von Mao Tsetung und Stalin, die für Massenmord und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Dies und das rigorose Herabwürdigen anderer Organisationen wie der DKP isoliert die MLPD im kommunistischen Spektrum. Im Jahr 2008 gab es wesentliche Veränderungen hinsichtlich der bundesweiten Organisationsstrukturen der MLPD. So wurden neben dem bereits bestehenden Landesverband in Nordrhein-Westfalen sechs weitere gegründet, darunter der Landesverband RHS (Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland) mit Sitz in Frankfurt/Main. In Rheinland-Pfalz besteht ein aktiver Kreisverband im Bereich Ludwigshafen am Rhein. Die MLPD engagiert sich in der Friedensbewegung und in Bündnissen "gegen Sozialabbau". Bei ihren bundesweiten Beteiligungen an so genannten Montagsdemonstrationen, verzichtete die MLPD bewusst darauf, den eigenen Namen zu benutzen. Weiterhin machte die MLPD durch Internetauftritte und die Herausgabe diverser Zeitschriften auf sich aufmerksam. In Rheinland-Pfalz waren im Jahr 2008 lediglich einzelne öffentliche Diskussionsveranstaltungen, Protestkundgebungen und Infostände der MLPD festzustellen. An den Bundestagswahlen im Jahr 2009 plant die MLPD, sich mit einer rheinland-pfälzischen Landesliste und mindestens einer Direktkandidatin im Kreiswahlvorschlag des Wahlbezirks 208 Ludwigshafen am Rhein/Frankenthal zu beteiligen. 55 2.4.3 Partei "DIE LINKE." - ehemals "Die Linkspartei.PDS" Gründung: 1989/1990 Umbenennung SED in PDS 2005 Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS" 2007 Zusammenschluss mit der WASG und Um benennung in "DIE LINKE." Sitz: Berlin Mitglieder Bund: ca. 76.000 (2007: ca. 72.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 1.750 (2007: ca. 1.400) (Stand: 30.09.2008 - eigene Angaben der Partei) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 29 Kreisverbänden Die Partei "DIE LINKE." sieht sich nach wie vor als "gestaltende Opposition" zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland. Dabei verfolgt sie die Doppelstrategie, einerseits als Koalitionspartner in Landesregierungen mitzuwirken und andererseits langfristig die Systemüberwindung hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung voranzutreiben. Auf ihrem Parteitag am 24./25. Mai 2008 in Cottbus verabschiedete die Partei einen Leitantrag mit dem Titel "Eine starke Linke für eine andere, bessere Politik". Darin heißt es u.a., die neue Partei "DIE LINKE." sei sich einig in der Auffassung, dass die "bestehenden kapitalistischen Verhältnisse nicht das letzte Wort der Geschichte" seien und dass "demokratischer Sozialismus möglich" sei. "DIE LINKE." habe außerdem die Aufgabe, "die Frage nach den Regeln des Systems zu stellen und über das bestehende System hinauszugehen". Nach wie vor bildet das am 16. Juni 2007 bei der Fusion mit der nicht extremistischen Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative" (WASG) verabschiedete Grundlagenpapier, das die marxistische Geschichtsund Gesellschaftstheorie fortschreibt, die Richtschnur des politischen Handelns. Die Programmatik ist zum Teil wortgleich aus dem Parteiprogramm der PDS vom Oktober 2003 entnommen. Insoweit ist eine weitere Forderung des Leitantrages, wonach "die politische und gesellschaftliche Wirkungsmächtigkeit der neuen Linken" davon bestimmt werde, dass sie "in Kenntnis der Geschichte sozialistischer, sozialdemokratischer, kommunistischer und anderer linker Parteien und ihren Lehren, die programmatische Grundlagen für einen demokratischen Sozialismus entfalten" will, deckungsgleich. Der internationalistische Charakter 56 der Partei "DIE LINKE." wird fortgesetzt deutlich durch die Zusammenarbeit mit linksextremistischen Parteien in Europa sowie in Lateinamerika. Nach wie vor ist einer der beiden Parteichefs der Partei "DIE LINKE." gleichzeitig Vorsitzender der "Europäischen Linken" (EL), einem Zusammenschluss von Mitgliedern sozialistischer und kommunistischer Parteien. Auf der Führungsebene der Partei wird, auch nach dem Cottbuser Parteitag, deutlich, dass eine Vielzahl der Mitglieder bereits im Parteivorstand der "Linkspartei.PDS" vertreten war. Darunter ist auch ein maßgebliches Mitglied der "Kommunistischen Plattform" (KPF), einer offen extremistischen Vereinigung innerhalb der Partei "DIE LINKE.". Zu dieser "pluralistischen Ausrichtung" gehören auch das "Marxistische Forum" und der "Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog". Diese Organisationen besitzen satzungsmäßig verbriefte Rechte und erhalten finanzielle Unterstützung. Am 25. und 26. Oktober 2008 fand in Mainz der erste Landesparteitag der Partei "DIE LINKE." statt. Er war gekennzeichnet von parteipolitischen und persönlichen Differenzen. Mehrere Mitglieder des Landesvorstandes und im Laufe des Jahres auch verschiedene Funktionsträger in den Kreisund Ortsvereinigungen waren zum Teil nach heftigen Differenzen und Enttäuschungen über Ziele, Kurs und Umgang innerhalb der Partei von ihren Ämtern zurückgetreten oder von Parteiausschlussverfahren überzogen worden. Der neu gewählte Landesvorstand besteht aus zwei gleichberechtigten Landesvorsitzenden und 12 weiteren Mitgliedern, die zum Teil bereits der vorangegangenen "Linkspartei.PDS" bzw. der ursprünglichen PDS angehörten. Auch in den Kreisund Ortsvorständen sind einzelne Linksextremisten vertreten. Besonderes Gewicht legte der Parteitag auf den Beschluss eines "kommunalpolitischen Leitantrags", der die programmatischen Eckpunkte für die Kommunalwahl 2009 in Rheinland-Pfalz aufzeigt. Danach ist die Partei "DIE LINKE." bestrebt, mit Personen aus den derzeit 29 Kreisvereinigungen flächendeckend für kommunalpolitische Funktionen zu kandidieren. Thematische Schwerpunkte sollen dabei soziale Belange, Frauenförderung, Bildungschancen, kommunale Finanzen oder öffentliche Dienstleistungen sein. Der sozialistische Jugendverband "Linksjugend" ('solid) der Partei "DIE LINKE." verabschiedete bei seinem ersten Bundeskongress vom 4. bis 6. April 2008 in 57 Leipzig sein Programm. Als Grundziel wird formuliert: "... alle Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." Dazu sei die "Überwindung kapitalistischer Produktionsund Herrschaftsverhältnisse" notwendig. Als "SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen" soll für eine "libertäre, klassenlose Gesellschaft jenseits von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat" gekämpft werden. Eine am 19. Juli 2008 in Mainz in den Räumen der Partei "DIE LINKE." mit ca. 30 Teilnehmern durchgeführte Landesmitgliederversammlung diente der organisatorischen und politischen Ausrichtung des Landesverbandes. Der "LandessprecherInnenrat" hat in einem im Internet veröffentlichten Wahlaufruf zur Kommunalwahl 2009 in Rheinland-Pfalz vom November 2008 seine Partei dazu aufgefordert, jungen Genossinnen und Genossen Gelegenheit zu geben, auf aussichtsreichen Listenplätzen für die Partei zu kandidieren. Der Landesvorsitzende der "Linksjugend" ('solid) ist als Beisitzer im Landesvorstand der Partei "DIE LINKE.", war Mitglied der PDS und der Nachfolgeorganisation "Linkspartei. PDS". Landesweit hat der Jugendverband bisher nur wenige Aktivitäten gezeigt und ist organisatorisch in nur einigen Landesbereichen vertreten. Bei der "Kommunistischen Plattform" (KPF) handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei "DIE LINKE.". Diese steht fest zu und in der marxistisch-leninistischen Tradition. In einem Grundsatzpapier vom November 2007 bezeichnet sie sich als in der Partei "DIE LINKE." organisierte Kommunistinnen und Kommunisten. Während eines Diskussionsbeitrages anlässlich des 18. Parteitages der DKP am 23./24. Februar 2008 in Mörfelden (Hessen) warnte die Bundessprecherin der KPF ihre Partei davor, durch eine Absage an jegliche Zusammenarbeit mit der DKP antikommunistische Maßstäbe zu übernehmen und kündigte den Widerstand der KPF gegen solche Bestrebungen an. In den "Mitteilungen der KPF" vom Mai 2008 wird als wesentliche Aufgabe in der Diskussion um ein neues Parteiprogramm darauf hingewiesen, für eine "Verankerung der eindeutigen gesellschaftlichen Alternative zum kapitalistischen Gesellschaftssystem" zu wirken. Deshalb sollen auch Inhalte auf Bundes-, Landes-, Kreisund insbesondere auf Kommunalebene in die praktische Politik der "Lin58 ken" eingebracht werden. Die intensive Zusammenarbeit mit marxistisch orientierten Kräften innerhalb und außerhalb der Partei, die solidarische Zusammenarbeit mit der DKP sowie mit kommunistischen Organisationen in Kuba, Venezuela und Griechenland soll fortgeführt werden. Nachdem im Oktober 2006 bereits ein Landesverband der KPF bekannt geworden war, fand im April 2008 eine erneute "konstituierende Sitzung" der KPF in Mainz statt. Ihr Sprecher, ehemaliges Mitglied der Partei "DIE LINKE.PDS" betonte, die KPF sei aktiver Bestandteil der "Linken". Man verstehe sich sowohl als "Ideengeber" und als "Regulativ, wenn es um die politische Linie der Partei gehe". Die organisatorische Verfestigung der KPF hat in Rheinland-Pfalz bislang zu keinen nennenswerten öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten geführt. Im Mai 2007 wurde der "Sozialistisch-Demokratischer Studentenverband" (DIE LINKE.SDS) gegründet, der sich satzungsgemäß zu den Grundsätzen der Partei "DIE LINKE." bekennt. Mit dem Kongress in Berlin im Mai 2008 unter dem Motto "40 Jahre 1968 - die letzte Schlacht gewinnen wir" sollte an die Traditionen des 68er SDS angeknüpft werden. Bundeskongresse fanden im Juni 2008 in Marburg und im Dezember 2008 in Bochum statt. Der letztgenannte Kongress stand unter dem Motto "Systemfrage stellen! Alternativen zum Kapitalismus entwickeln". Der Verband ist in Rheinland-Pfalz nicht sehr aktiv; lediglich in Mainz und Trier gibt es Hinweise auf ihn. "DIE LINKE.SDS" gibt die Zeitung "Critica" heraus. 59 3. Islamismus Der islamistische Terrorismus stellt nach wie vor eine der größten Gefahren für die Innere Sicherheit in Deutschland dar. Das islamistisch-terroristische Spektrum setzte seine Aktivitäten und Bestrebungen unbeeindruckt von Ermittlungsverfahren und wiederholten Festnahmen von Terrorverdächtigen fort. Wenngleich die Bundesrepublik Deutschland 2008 nicht unmittelbar vor einem Terroranschlag stand, so gab es doch im Jahresverlauf Anhaltspunkte für sicherheitsgefährdende Bestrebungen sich neu formierender Personengruppen. Das Vorliegen solcher Anhaltspunkte erfordert stets die Einleitung beziehungsweise Fortführung intensiver Aufklärungsmaßnahmen zur Verifizierung des Gefahrenpotenzials. Dass es Personen gibt, die dazu entschlossen sind, Terroranschläge in Deutschland durchzuführen, machten im Jahre 2006 die so genannten Kofferbomber und im Jahre 2007 Angehörige der so genannten Sauerlandgruppe deutlich. Die Anforderungen an die Sicherheitsbehörden, darunter den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, sind insofern erheblich. Die in Deutschland festzustellenden islamistischen Bestrebungen sind die regionale Manifestation einer Bewegung, die sich im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend globalisiert hat und eine transnationale organisatorische, mediale und in Teilbereichen auch paramilitärische Infrastruktur aufgebaut hat. Die islamistische Bewegung ist zwar international betrachtet wie auch in Deutschland in zahlreiche Organisationen aufgegliedert und somit kein monolithischer Block, es bestehen aber gleichzeitig vielfältige Verbindungen zwischen einzelnen Gruppierungen. Darüber hinaus gibt es trotz mancher programmatischer Unterschiede zwischen den islamistischen Akteuren eine Reihe gemeinsamer ideologischer Prämissen (siehe 3.2). Wenngleich der Islamismus hierzulande mehrheitlich in seiner gewaltfreien Ausprägung existiert, ist festzuhalten, dass auch in diesem legalistischen Bereich ein Weltbild verbreitet wird, das die freiheitliche demokratische Grundordnung in zentralen Punkten zurückweist und durch dezidierte Feindbilder gekennzeichnet ist. Der Islamismus stellt insofern auch in seiner gewaltfreien Ausprägung einen Beobachtungsschwerpunkt für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz dar. 60 3.1 Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2008 2007 2008 2007 Islamisten Gesamt* 800 800 34.720 33.170 (Angaben gerundet) 3.2 Ideologie Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Erscheinungsform des Islam mit politischen und zugleich religiösen Komponenten. Politisch ist der Islamismus in zweierlei Hinsicht: # Er strebt eine bestimmte Staatsund Gesellschaftsordnung an, # er behandelt in hohem Maße tagespolitische Themen. Beiden Aspekten liegt allerdings eine religiöse Perspektive und Rhetorik zugrunde. Als Grundlage der angestrebten Staatsund Gesellschaftsordnung gilt das islamische Recht (Scharia), das sich aus dem Koran und den Sammlungen überlieferter Aussprüche und Taten Muhammads sowie seiner Gefährten (Hadithe) ableitet. Gemäß diesem Islamverständnis untersteht die Religion nicht der staatlichen Ordnung, sondern erhebt vielmehr ihrerseits den Anspruch, die Staatsund Rechtsordnung zu regulieren. Die islamistischen Diskurse über tagespolitische Themen wie Irak-Krieg oder Palästina-Konflikt sind inhaltlich in keiner Weise religiös. Eine religiöse Dimension erhalten diese Themen jedoch dadurch, dass sie nahezu ausschließlich aus der Perspektive der Religionszugehörigkeit betrachtet werden. Hierbei wird zunächst eine Zweiteilung der Menschen in Muslime und Nichtmuslime - gemäß islamistischer Rhetorik vielfach "die Ungläubigen" - vorgenommen. Als dritte Kategorie kommen oftmals diejenigen Muslime hinzu, die nach islamistischer Auffassung vom wahren Islam abgefallen sind und mit den Nichtmuslimen kooperieren. Die Rollenverteilung erfolgt durchgängig und ohne Differenzie61 rung nach dem Schema "wir Muslime sind die Opfer, die Nichtmuslime sind die Täter". Während Gewalt an Muslimen scharf verurteilt und als Teil eines Kreuzzuges gegen den Islam gewertet wird, werden von Muslimen ausgehende Gewaltaktionen entweder als Selbstverteidigung gerechtfertigt oder aber in Abrede gestellt. Das Phänomen des islamistischen Terrorismus wird nicht als reale Bedrohung, sondern entweder als Notwehr umgedeutet oder als ein Konstrukt westlicher Nachrichtendienste, Politiker und Medien dargestellt. Nach islamistischer Auffassung dient das "künstlich erzeugte Bedrohungsszenario" westlichen Staaten dazu, mittels Besetzungen muslimischer Länder und verschärfter Sicherheitsgesetze die Muslime insgesamt zu diskriminieren. In der Feindbildhierarchie stehen Israel, die USA sowie die westliche Welt im Allgemeinen ganz oben. Hinzu kommen Feindbilder, die eher regional begrenzt sind, z.B. Indien bei vielen kaschmirischen und pakistanischen Islamisten. Auch wenn die Frontalkritik bei der Mehrzahl der Islamisten durch Worte und nicht durch Gewaltaktionen artikuliert wird, geht von ihr doch eine stark polarisierende Wirkung aus. Sie ist zudem imstande, Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung in Gang zu setzen. Im militantislamistischen Spektrum werden machtpolitische Interessen und Gewaltanwendung mittels einer islamisch gefärbten Rhetorik "legitimiert". Hierzu gehören die häufige Bezugnahme auf Gott/Allah, die Heranziehung ausgewählter Koranverse und Hadithe sowie der zentrale Stellenwert von Begriffen wie Märtyrer oder Jihad. Auf Grund dessen ist diese Strömung auch unter der Bezeichnung Jihadismus bekannt. Die Anhänger dieser Bewegung werden folglich Jihadisten genannt. Sowohl Islamisten als auch Jihadisten haben eine umfassende und nahezu globale Infrastruktur aufgebaut. Hierzu gehören neben offiziellen Organisationsstrukturen bzw. informellen Personenzusammenschlüssen zahlreiche Internetseiten und Chatforen, eigene Verlage, Schriften, Zeitungen, TV-Sender, Audiound Videomaterial, Kursangebote, Vortragsveranstaltungen, soziale Dienstleistungen, organisierte Spendensammlungen u.a. Für Islamisten ist 62 es daher einfach, Muslime - speziell junge, die mit den zeitgenössischen Medien vertraut sind - zu erreichen. Bei den terroristischen Gruppierungen kommen paramilitärische Trainingslager und eigene, verdeckte Finanzierungswege hinzu. 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2008 International Das Jahr 2008 war international betrachtet erneut durch zahlreiche Gewaltaktivitäten jihadistischer Terroristen geprägt. Dies traf weiterhin für den Irak zu, wo zwar die Gesamtzahl der Terroranschläge und Todesopfer gegenüber den Vorjahren spürbar zurückging, sich aber noch immer auf einem hohen Niveau bewegte. Im Jahresdurchschnitt kam es 2008 täglich zu rund 20 Anschlägen, die pro Monat etwa 500 zivile Todesopfer und eine noch höhere Zahl an Verletzten forderten. Auffallend war 2008 ein gegenüber den Vorjahren erhöhter Anteil von Frauen unter den Selbstmordattentätern. Ein gegenteiliger Trend, das heißt eine Steigerung von Sprengstoffanschlägen, Selbstmordattentaten und Überfällen war 2008 in Afghanistan zu verzeichnen. Die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich im Osten und Süden des Landes, aber auch im vormals eher ruhigen Norden hat die Zahl der Zwischenfälle zugenommen. Dies bedeutet auch für die in der nordafghanischen Provinz Kundus stationierten Bundeswehrsoldaten eine erhöhte Gefährdung. Im Jahresverlauf wurden drei Bundeswehrsoldaten bei Anschlägen getötet sowie etwa zwanzig weitere verletzt. Auch das Nachbarland Pakistan war 2008 - wie bereits im Vorjahr - Schauplatz eines Machtkampfes zwischen Regierung und Militär einerseits und jihadistischen Gruppierungen andererseits. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere die erstarkten pakistanischen Taliban ("Tehrik-e Taliban Pakistan"), die vor allem in der Grenzregion zu Afghanistan und in Teilen der Nordwestgrenzprovinz unweit der Hauptstadt Islamabad aktiv sind und mittels zahlreichen Terroranschlägen eine Einschüchterung der Bevölkerung und Destabilisierung der politischen Verhältnisse - nicht zuletzt auch jenseits der Grenze in Afghanistan - bewirken. In 63 der Hauptstadt selbst wurden ebenfalls Anschläge verübt, so am 2. Juni vor der Dänischen Botschaft als Vergeltung für die Wiederveröffentlichung der umstrittenen Muhammad-Karikaturen in dänischen Zeitungen und am 20. September auf das Marriott-Hotel. Allein bei diesem Anschlag wurden über 50 Menschen getötet. Terroristische Aktivitäten haben in den vergangenen Jahren auch im religiös vielfältigen, doch mehrheitlich von Hindus bewohnten Indien zugenommen. 2008 gab es Anschläge u.a. in den Millionenstädten Jaipur (13. Mai, ca. 60 Todesopfer) und Ahmedabad (26. Juli, 50-60 Todesopfer) sowie in der Hauptstadt Delhi (13. September, ca. 30 Todesopfer). Zu den genannten Anschlägen bekannten sich die "Indischen Mujahidin", bei denen es sich nach derzeitigem Erkenntnisstand um einen Zweig der "Islamischen Studentenbewegung Indiens" (SIMI) handelt. Die Gruppierung erhielt bei den Anschlagsvorbereitungen und bei der Durchführung möglicherweise Unterstützung von den insbesondere in Pakistan bzw. Bangladesch ansässigen Terrororganisationen "Lashkar-e Taiba" ("Armee der Reinen") und "Harakat ul-Jihad al-Islami" ("Bewegung des Islamischen Jihad"). Gegen die Interessen des Landes richtete sich außerdem ein Anschlag am Außentor der Indischen Botschaft in Kabul am 7. Juli. Hierbei wurden rund 40 Personen getötet, mehrheitlich afghanische Passanten, aber auch einige Mitarbeiter der Botschaft. Am Abend des 26. November griffen in der indischen Finanzmetropole Mumbai (ehemals Bombay) Terroristen nahezu zeitgleich mittels Sprengstoff, Schnellfeuergewehren und Handgranaten etwa zehn verschiedene Ziele, u.a. den größten Zugbahnhof der Stadt sowie zwei Luxushotels, an. Sie töteten mehr als 170 Personen, darunter ungefähr 25 Ausländer. Eine bis dato unbekannte Gruppierung namens "Deccan Mujahidin" übernahm per e-Mail die Verantwortung für die Angriffe. Indische Sicherheitsbehörden gehen von einer maßgeblichen Unterstützung durch die oben erwähnte Terrororganisation "Lashkar-e Taiba" aus. Auch in Teilen Nordafrikas und der Sahelzone wird die Sicherheitslage durch Terroranschläge beeinträchtigt. So starben allein im August 2008 bei mehreren Anschlägen auf Militäreinrichtungen in Nordalgerien etwa 80 Personen. Hin64 ter den Anschlägen stand die nordafrikanische "al-Qaida"-Sektion mit der Bezeichnung "al-Qaida im Islamischen Maghreb". Sie ging 2007 aus der algerischen "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) hervor. Ihr Aktionsradius und die Herkunft der von ihr rekrutierten "Kämpfer" sind mittlerweile aber nicht allein auf Algerien begrenzt. In der dünn besiedelten Sahelzone macht sie sich die nicht flächendeckende Zentralgewalt für ihre Vorbereitungshandlungen zunutze. Eine Verschlechterung der Sicherheitslage trat 2008 auch im Jemen ein, wo sowohl von "al-Qaida im Jemen" als auch von autark agierenden Terrorzellen vermehrt Aktivitäten ausgingen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang ein Anschlag am Außentor der US-Botschaft in der Hauptstadt Sanaa am 17. September. Hierbei wurden sechs Polizisten und vier unbeteiligte Zivilisten getötet. Eine erneute Gewalteskalation gab es über die Jahreswende 2008/2009 im Nahen Osten, konkret im Gaza-Streifen. In ihrem Verlauf kam es zu schweren Luftangriffen und einer anschließenden Bodenoffensive Israels im Gaza-Streifen. Zeitgleich setzte HAMAS den bereits seit Jahren andauernden und zum Jahresende 2008 verstärkten Raketenbeschuss auf israelisches Territorium fort. Im Januar 2009 fanden in mehreren deutschen, darunter auch rheinland-pfälzischen Städten Demonstrationen gegen das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen statt. Die von unterschiedlichen Bündnissen und Organisationen veranstalteten Demonstrationen mit teilweise mehreren tausend Teilnehmern verliefen bis auf einzelne Zwischenfälle friedlich. Von den ungefähr 300 in Deutschland wohnhaften Aktivisten und Anhängern der HAMAS gingen hierzulande bis dato keine gewaltsamen Reaktionen aus. Ob HAMAS bei ihrer Strategie bleiben wird, keine Terroranschläge außerhalb Israels und der palästinensischen Gebiete zu begehen, kann gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden. Gewaltsame Aktionen von emotionalisierten Einzelpersonen oder Personengruppen in Deutschland, die einer anderen oder keiner Organisation angehören, sind nicht gänzlich auszuschließen, aber auch diesbezüglich sind keine Prognosen möglich. In Europa blieben 2008 Anschläge und Auseinandersetzungen, wie in diesem Kapitel dargestellt, aus. Wiederholte Festnahmen terrorverdächtiger Personen65 gruppen, zum Beispiel am 19. Januar in Barcelona, am 27. September in London und am 11. Dezember in Belgien zeigen jedoch, dass auch europäische Staaten weiterhin im Visier islamistischer Terroristen stehen. Sinnbildlich hierfür ist nicht zuletzt in einer Videobotschaft Usama BIN LADINs vom 19. März die Einblendung einer Europa-Landkarte, auf die eine Pfeilspitze zufliegt. BIN LADIN geht in der Verlautbarung auf die - erneute - Veröffentlichung der MuhammadKarikaturen ein. Sie sei ein Beleg dafür, dass die "Weisen in der EU" auf der Fortsetzung des Krieges bestünden. Für die Muslime stelle dies eine Prüfung dar, ob sie nunmehr bereit seien, ihre Religion zu beschützen oder ob ihnen ihr Geld und ihr Leben mehr wert seien als der Prophet. In Form einer unkonkreten Aufforderung an die Muslime, gegen die der Islamfeindlichkeit bezichtigten europäischen Länder vorzugehen, heißt es schließlich: "Wir werden unseren Worten Taten folgen lassen [...] So sollen uns unsere Mütter verlieren, wenn wir den Propheten nicht unterstützen [...] Seid Opfer für den Gesandten Gottes." Bundesrepublik Deutschland Gesicherte Zahlenangaben über das Gesamtpotenzial von Jihadisten in der Bundesrepublik Deutschland liegen nicht vor. Nach Auskünften des Bundeskriminalamtes wurden in Deutschland gemäß dem Stand vom 31. Oktober 2008 233 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund geführt. Darüber hinaus liegen Erkenntnisse vor, wonach inzwischen mehr als 50 Islamisten aus Deutschland in Lagern der Taliban, von "al-Qaida" und der "Islamischen Jihad-Union" (IJU) unterwiesen wurden. Bei der IJU handelt es sich um eine "al-Qaida"-nahe Terrororganisation usbekischen Ursprungs. Die Agenda der IJU geht mittlerweile aber deutlich über Usbekistan hinaus. Ähnlich wie "al-Qaida" verfolgt auch sie das Konzept des globalen Jihad. Ein Indiz hierfür ist u.a. ihre zentrale Rolle bei den geplanten Sprengstoffanschlägen in Deutschland, welche durch die Festnahme von drei Terrorverdächtigen am 4. September 2007 im Sauerland verhindert wurden. Zu den Islamisten, die sich in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet absetzten, gehörte u.a. Cüneyt CIFTCI aus Ansbach (Bayern). Am 3. März 2008 verübte er mit einem Sprengstoff beladenen Kleinlaster ein Selbstmordattentat auf 66 einen US-Militärstützpunkt im Osten Afghanistans. Hierbei wurden zwei GIs und zwei Afghanen getötet. Wenig später wurde auf einer türkischsprachigen Internetseite, welche der IJU zuzurechnen ist, ein Video veröffentlicht, das CIFTCI bei der Vorbereitung und Ausführung des Anschlags zeigt. Der zum Islam konvertierte Eric BREININGER aus Neunkirchen im Saarland schloss sich ebenfalls der IJU an und begab sich in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet. Es ist davon auszugehen, dass er dort eine Waffenund Sprengstoffausbildung erhielt. Entgegen mancher Spekulationen im Jahresverlauf über eine Rückkehr BREININGERs nach Deutschland wird er noch immer in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion, die als wichtiger Rückzugsraum für einige Terrororganisationen dient, vermutet (Stand: 31. Dezember 2008). BREININGER meldete sich im April, Mai und Oktober 2008 in Videobotschaften zu Wort, die ebenfalls von der IJU beziehungsweise ihrer zugehörigen Internetseite produziert wurden. In seiner Botschaft vom Oktober mit dem Titel "Aufruf vom Hindukusch" verkündete er u.a. (Anmerkung: Grammatikfehler sind aus dem Original übernommen): "Ich befinde mich in Afghanistan und plane persönlich keinen Anschlag auf die Bundesrepublik Deutschland [...] Doch kommt die Gefahr von den Deutschen selber, die ihre Soldaten in Afghanistan und Usbekistan stationieren. Solange dies der Fall ist, hat Deutschland mit Anschlägen zu rechnen [...] Wir werden also solange Krieg gegen diese Besetzungsmächte führen, bis unsere Länder wieder zurückerobert sind und wieder nach den Gesetzen Allahs [...] geherrscht wird. Wir erklären also jedem Land den Krieg, der auf Seiten Amerikas gegen die Muslime kämpft. Also, das deutsche Volk muss sich an ihre eigene Regierung wenden, wenn sie in Deutschland von Angriffen der Muslime verschont bleiben wollen." Der Fall BREININGER reiht sich in eine Entwicklung ein, die seit zwei bis drei Jahren verstärkt sichtbar ist. Vermehrt schließen sich deutsche Islamkonverti67 ten jihadistischen Organisationen an und planen im Extremfall Terroranschläge. So waren im Jahr 2007 im sauerländischen Medebach-Oberschledorn neben einer dritten Person zwei Konvertiten festgenommen worden, die dringend verdächtig sind, Mitglieder in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, der IJU, zu sein sowie Terroranschläge in Deutschland vorbereitet zu haben. Einer der Tatverdächtigen war eine Kontaktperson BREININGERs. Im Nachgang zu den fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlägen auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn fand 2008 der Prozess gegen einen der beiden Tatverdächtigen, Youssef Mohamed EL HAJ DIB, statt. Am 9. Dezember 2008 wurde er vom 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sprach den Angeklagten wegen versuchten vielfachen Mordes sowie der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion schuldig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass EL HAJ DIB und der bereits im Dezember 2007 im Libanon verurteilte Jihad HAMAD die zwei aufgefundenen Kofferbomben vorsätzlich konstruiert und gezielt in den von ihnen ausgewählten Regionalzügen platzierten. Ihr Ziel sei die Tötung einer Vielzahl von Zivilisten gewesen. 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz Von den etwa 110.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 800 Personen islamistische Bestrebungen. Während die 2007 vom Bundesministerium des Innern veröffentlichte Studie "Muslime in Deutschland" (siehe www.bmi.bund.de) die Einstellungen von Muslimen zu einer Reihe von Fragen untersucht, setzt der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes erst dann ein, wenn eine extremistische Einstellung durch Bestrebungen bzw. zielgerichtete Aktivitäten unterstützt wird, z.B. die Mitwirkung in einer extremistischen Vereinigung, Propaganda in Wort und Schrift oder Finanzmittelbeschaffung. Dies erklärt die unterschiedlichen Zahlenwerte der Studie und des Verfassungsschutzes. Die meisten der ca. 800 Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen gewaltfreien Islamismus. Ein deutlich 68 kleinerer Teil propagiert, ohne einer Organisation anzugehören, eine salafistische Weltsicht (siehe hierzu Punkt 3.4.6). Eine weitere Minderheit steht in Beziehung zu gewaltbereiten Personen aus dem jihadistischen Spektrum (siehe Punkt 3.4.7). Knapp 20 der insgesamt ca. 110 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Im einzelnen handelt es sich dabei um etwa 10 IGMG-Vereine, zwei Moscheen des verbotenen "Kalifatsstaats" sowie einzelne unabhängige Moscheevereine mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern sowie Konvertiten. In solchen Vereinen mischen sich Einzelpersonen mit Bezügen zur islamistischen Bewegung unter Besucher, die nicht im islamistischen Sinne aktiv sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer solchen Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen mehrfach, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz aber bisher nur sehr vereinzelt festgestellt werden. In Rheinland-Pfalz sind im Wesentlichen die unter den nachfolgenden Unterpunkten dargestellten Organisationen und Gruppierungen vertreten. Darüber hinaus gibt es im Bundesgebiet weitere islamistische Organisationen, u.a. "Ansar al-Islam" ("Unterstützer des Islam"), HAMAS und die mit einem Betätigungsverbot belegte "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"). Zwar leben in Rheinland-Pfalz einzelne Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu diesen Gruppierungen gibt, die Organisationen traten in Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr allerdings nicht beziehungsweise nur sehr am Rande in Erscheinung. 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder Bund: ca. 27.500 (2007: ca. 27.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 650 (2007: ca. 650) 69 Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen weit überwiegend türkische und türkischstämmige Personen. Die IGMG bietet hiesigen Muslimen und speziell ihren Mitgliedern ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Moscheebau, Hausaufgabenbetreuung, Seelsorge, Pilgerund Kulturreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Zwar präsentiert sich die IGMG nach außen als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Organisation, doch bei näherer Betrachtung werden Verbindungen zum - gewaltfreien - islamistischen Spektrum offenkundig, und zwar speziell zur "Milli Görüs"-Bewegung. Die "Milli Görüs"-Bewegung geht organisatorisch wie ideologisch auf Necmettin ERBAKAN zurück. Von zentraler Bedeutung ist hierbei seine programmatische Schrift "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). Gerechtigkeit wird nach seinem Verständnis untrennbar mit dem Islam bzw. einer strikten islamischen Ordnung verbunden, während vom Islam abweichende Politikoder Gesellschaftsmodelle gleichsam als Synonyme für Ungerechtigkeit und Despotie gelten und überwunden werden sollen. Diese bipolare Weltsicht einschließlich einer ausgeprägten antiisraelischen und antiwestlichen Propaganda ist für die "Milli Görüs"-Ideologie ebenso kennzeichnend wie ein ganzheitliches Islamverständnis. Zu den Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung gehören u.a. die "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei") in der Türkei, die Tageszeitung "Milli Gazete", der Fernsehsender tv5 und die IGMG. Es sind Bemühungen einiger IGMG-Führungsfunktionäre erkennbar, eine größere Eigenständigkeit der Organisation gegenüber ERBAKAN und der "Saadet Partisi" zu erreichen. Gleichwohl gibt es noch immer Anhaltspunkte für vielfältige Querverbindungen zwischen den einzelnen Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung, wie die nachfolgenden Erkenntnisse aus dem Jahr 2008 belegen: 70 # Das Bildungszentrum des Mainzer IGMG-Vereins organisierte einen Kurs, in dessen Rahmen die Teilnehmer die Vertretung der "Milli Gazete" in Frankfurt besuchten ("Milli Gazete", 17. April). In derselben Ausgabe wird auch über eine Veranstaltung der "Milli Gazete"-Vertretung in Heilbronn berichtet, bei der IGMG-Funktionäre, u.a. aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit, zugegen waren. # Bei einer Versammlung der Arbeitsdelegation der IGMG Berlin nahm neben einigen hochrangigen IGMG-Funktionären auch Numan KURTULMUS, zu diesem Zeitpunkt der stellvertretende Generalvorsitzende der "Saadet Partisi", teil ("Milli Gazete", 6. Februar). # Gemäß einem Bericht der "Milli Gazete" vom 31. März übersandte Necmettin ERBAKAN während einer IGMG-Großveranstaltung in Bremen eine Grußbotschaft. # Wie die "Milli Gazete" in ihrer Ausgabe vom 19. Mai berichtet, reisten dreißig Angehörige der Freiburger IGMG-Jugendorganisation in die Türkei, wo sie zu Gesprächen mit Necmettin ERBAKAN und Vertretern der "Saadet Partisi" zusammentrafen. # Während einer IGMG-Großveranstaltung unter dem Titel "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" am 31. Mai in Hasselt (Belgien), an der auch zahlreiche IGMG-Mitglieder und -Funktionäre aus Deutschland teilnahmen, wurde eine Videobotschaft von Necmettin ERBAKAN übertragen. Wie "Milli Gazete" in ihrer Ausgabe vom 2. Juni berichtet, gab es Zurufe wie "Mücahid [Glaubenskämpfer] Erbakan". # Im November 2008 empfing der neue Vorsitzende der "Saadet Partisi", Numan KURTULMUS, eine Delegation der IGMG, die von ihrem Vorsitzenden Yavuz Celik KARAHAN geleitet wurde ("Milli Gazete", 25. November). # Auf dem Videoportal "YouTube" wurde ein Video der IGMG-Jugend Offenbach gesichtet, das eingangs die Porträts ERBAKANs und des seinerzeitigen Vorsitzenden der "Saadet Partisi", Recai KUTAN, sowie die Logos der IGMGJugend und des Fernsehsenders tv 5 zeigt. Der Liedtext lautet u.a. folgendermaßen: 71 "Sag, Bruder, sag, sag, die ganze Welt soll es hören - Wer sind wir? Wir, wir, wir, wir sind die Generation der Eroberer [...] Wir haben es auf dieser Welt weder auf Geld noch Gut abgesehen, Wir marschieren auf dem Weg Allahs. Wir sind die Männer/Soldaten [beide Übersetzungen möglich] der Milli Görüs, unser lichtvolles Herz ist mit Glauben angefüllt, Qualen sind uns ganz egal, das Paradies ist unser Traum. Wir sind die Männer/Soldaten der Milli Görüs." Die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" und der Sender tv5 nehmen innerhalb der "Milli Görüs"-Bewegung eine zentrale Rolle als Nachrichtenund Propagandamedium ein. "Milli Gazete" ist zwar formal von der IGMG unabhängig, liegt aber regelmäßig in den Räumlichkeiten von rheinland-pfälzischen IGMG-Ortsvereinen zur Lektüre, gelegentlich auch zur Mitnahme aus. Auf eine Verflechtung lässt ferner die umfangreiche Berichterstattung der "Milli Gazete" über IGMG-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet schließen. Nicht zuletzt sind in "Milli Gazete" häufig Interviews mit IGMG-Funktionären zu lesen. Die Problematik dieser Verflechtung liegt in der Verbreitung extremistischen Gedankenguts durch "Milli Gazete". Die Zeitung veröffentlichte auch 2008 wieder zahlreiche Artikel mit dezidierter Feindbildpropaganda in Kombination mit Verschwörungstheorien. Jenseits sachlich-ausgewogener Kritik werden beispielsweise die USA als Gendarm bezeichnet, welcher die Welt Blut spucken lasse (16. Januar). In einem Artikel vom 22./23. November wird den USA vorgeworfen, ihre gesamte Macht aus der Ausbeutung und Besetzung anderer Staaten zu beziehen. Im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren, dem die türkische Regierungspartei AKP im Jahresverlauf gegenüberstand, werden die USA und andere ausländische Mächte ohne Vorlage von Belegen als Drahtzieher bezeichnet (16. Juli). Als Ursache für die Unruhen in Athen und anderen griechischen Städten gegen Jahresende 2008 wird in einem Kommentar nicht der Tod eines Jugendlichen gewertet, sondern u.a. das "Zionismus-Projekt des rassisti72 schen Imperialismus" ("Milli Gazete", 15. Dezember). In einem am 22. Oktober abgedruckten Interview mit einem Funktionsträger der "Saadet Partisi" wird die Regierung von George W. Bush beschuldigt, die Terroranschläge vom 11. September 2001 selbst inszeniert zu haben, um danach gegen die Muslime vorzugehen und Afghanistan sowie den Irak zu besetzen. Im Irak hätten die Amerikaner mehr als eine Million Menschen getötet und annähernd fünf Millionen Kinder zu Waisen gemacht. Dass Terrororganisationen einen erheblichen Anteil an der Gewalt im Irak und anderswo haben, wird hingegen weder erwähnt noch verurteilt. In der Ausgabe vom 1. Dezember widmen sich mehrere Artikel den Terroranschlägen von Mumbai. Die durchgängige These lautet hierbei, dass die Muslime die Zielscheibe eines "Szenarios" der "globalen Mächte" gewesen seien und nunmehr erneut als Terroristen an den Pranger gestellt würden. Um zudem den Verdacht auf Muslime zu lenken, hätten westliche Medien berichtet, es seien ein jüdisches Zentrum sowie Inhaber amerikanischer, britischer und israelischer Pässe angegriffen worden. Die Negierung des Phänomens islamistischer Terrorismus zeigt in exemplarischer Weise auch ein Kommentar in der Ausgabe vom 4. August. Hierin heißt es, dass Muslime keine ungläubigen Kriegsgegner, Frauen oder Kinder töteten, während dies ebenso wie grausamste Folter und sonstige Verbrechen bei den Nichtmuslimen üblich sei. Wiederholt werden in "Milli Gazete" universalistische Vorstellungen und Machtansprüche geltend gemacht, so etwa, wenn "Milli Görüs" als "globales Zivilisationsprojekt" bezeichnet wird und von der Begründung einer "Neuen Welt" sowie einem "neuen Zeitalter für die islamische Welt und die gesamte Menschheit" die Rede ist (7. April, 20. Oktober, 24. November, 12. Dezember). In der Ausgabe vom 16. Juni heißt es beispielsweise: "Wir befinden uns auf der Schwelle einer neuen Eroberung. Eroberung steht für eine neue Phase. Eine neue Phase bedeutet eine Neue Welt. Eine neue Welt bedeutet Milli Görüs. Milli Görüs steht für unser edles Volk. Unser edles Volk steht für Sieg. Der Sieg ist unser und der Sieg steht bevor." 73 Dieses Eroberungsdenken spiegelt sich auch in einer Rede des IGMG-Generalvorsitzenden Yavuz Celik KARAHAN am 31. Mai 2008 im belgischen Hasselt wieder. Dort äußerte er sich u.a. folgendermaßen: "Es ist unsere Pflicht, dem Islam im europäischen Raum nicht länger die Rolle des Gastes zuzuweisen, sondern die Rolle des Gastgebers anzunehmen." Bezeichnend für das in der "Milli Gazete" vermittelte Islamverständnis sind Aufrufe zur Vollverschleierung von Frauen (8./9. und 11. November) sowie die Zurückweisung von Reformen im Bereich des Islam (8./9. sowie 21. November). Die dargelegten Erkenntnisse belegen zum einen die fortbestehende Anbindung der IGMG an "Milli Gazete", Necmettin ERBAKAN, "Saadet Partisi" und damit an den Gesamtkomplex "Milli Görüs". Zum anderen machen sie deutlich, dass das dort vermittelte Weltbild in mehreren Bereichen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widerspricht. 3.4.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 750 (2007: ca. 750) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2007: ca. 40) Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" lässt bereits auf einen der wesentlichen Programmpunkte dieser türkisch-islamistischen Organisation schließen: die Wiedererrichtung des Kalifats und gleichzeitige Abschaffung der Republik als Staatsform. Als erster Schritt hierzu erfolgte die Ausrufung des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN zum Kalifen durch die Vereinsmitglieder. Nach seinem Tod im Jahre 1995 führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel, fand jedoch ebenso wie sein Vater außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Wenngleich die Rhetorik des "Kalifatsstaats" stark auf die Türkei bezogen 74 ist, werden die Demokratie und ihre wesentlichen Prinzipien wie Volkssouveränität oder Mehrparteiensystem doch grundsätzlich abgelehnt. Dies führte zusammen mit der vehementen Agitation gegen Israel und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker zu seinem Verbot im Jahr 2001. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden, nämlich den "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", die "Islamische Union Ludwigshafen" sowie den "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung". Das Vereinsverbot und die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei im Oktober 2004 bedingten, dass ein großer Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger in Deutschland offene Nachfolgeaktivitäten vermeidet. Einzelne versuchen allerdings, organisatorische Zusammenhänge aufrecht zu erhalten. Zudem präsentiert sich der "Kalifatsstaat" im Internet. So betreibt er eine unter türkischer Adresse registrierte Internetseite auf einem Server in den Niederlanden (www.ilimdiyari.com; Stand: Dezember 2008). Auf Grund des dort eingestellten Bildund Textmaterials lässt sich die Seite eindeutig dem "Kalifatsstaat" zurechnen. Die auf Cemaleddin KAPLAN zurückgehende "Kalifatsstaat"-Ideologie wird hier in ihrer bekannten Form verbreitet. Dies heißt u.a., dass der Koran als Verfassung, die Scharia als Gesetz und das Kalifat als Staatsform proklamiert werden. 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder Bund: ca. 1.300 (2007: ca. 1.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: Einzelne (2007: einzelne) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine 75 Die "Muslimbruderschaft" existiert in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der "Muslimbruderschaft" gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und die "Islamische Heilsfront" (FIS) in Algerien hervor. Die "Muslimbruderschaft" strebt die Durchdringung der staatlichen und rechtlichen Ordnung durch den Islam und seine Vorschriften an. Sie bezieht damit eine Oppositionshaltung zu den meisten Regierungen in der arabischen Welt, ist jedoch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Vergangenheit wie zeitweise in Ägypten und Syrien abgerückt. Stattdessen ist sie bestrebt, ihre Position im vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu stärken, um schließlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. In Deutschland stellt die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München eine Art Interessensvertretung der "Muslimbruderschaft" dar. Gemäß ihren eigenen Angaben sind ihr acht so genannte Islamische Zentren angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Die offiziellen Verlautbarungen der IGD stehen in der Regel im Einklang mit der Staatsund Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig unterhält sie jedoch Verbindungen zu Organisationen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" verpflichtet sind, so zur "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE) und deren Mitgliedsorganisation "Europäischer Rat für islamische Rechtsgutachten und Forschung" (ECFR). Im Weltbild der "Muslimbruderschaft" lassen sich u.a. folgende Punkte erkennen: # ganzheitliches Islamverständnis mit ewig und universell gültigen Rechtsnormen, # Vorrangstellung der Scharia gegenüber allen anderen Rechtssystemen, # eingeschränkte Religionsund Meinungsfreiheit, # rechtliche Benachteiligung von Frauen und Nichtmuslimen, # Feindbilder Israel und Westen, # Rechtfertigung von Gewaltanwendung gegen Israel. 76 Eine zumindest verbal Gewalt bejahende Haltung von Teilen der Muslimbruderschaft wurde 2008 erneut offenkundig, als sich der oberste Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft, Muhammad Mahdi AKIF, am 22. Mai 2008 im arabischen Internetportal "Elaph" mit den folgenden Worten über Usama BIN LADIN äußerte: "Bin Ladin ist ein Mujahid, der einen ehrlichen Widerstandskampf gegen die ausländische Besatzung führt, um Allah näher zu kommen." AKIF hatte Mitte der 80er Jahre das der IGD angegliederte "Islamische Zentrum München" geleitet. Die Verflechtung der IGD mit Organisationen, deren Weltbild durch die "Muslimbruderschaft" geprägt ist, lässt Zweifel aufkommen, ob sie wirklich hinter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland steht oder sich nicht vielmehr für die Verbreitung islamistischer Positionen bei hiesigen Muslimen einsetzt. In Rheinland-Pfalz gibt es keine Vereine oder Moscheen, die der "Muslimbruderschaft" bzw. der IGD zugeordnet werden können. Es liegen jedoch in Einzelfällen Erkenntnisse über eine ideologische Nähe zur "Muslimbruderschaft" sowie eine Mitwirkung in ihrem organisatorischen Umfeld vor - mit dem Ziel, das Gedankengut der "Muslimbruderschaft" zu verbreiten und auch in Rheinland-Pfalz die Bildung von Strukturen zu fördern. 3.4.4 "Hizb Allah" (auch: "Hizbullah", "Hizbollah"; "Partei Gottes") Gründung: 1982 im Libanon Mitglieder Bund: ca. 900 (2007: ca. 900) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 25 (2007: ca. 25) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Die schiitische "Hizb Allah" wurde 1982 - nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon - auf Betreiben Irans gegründet. Sie wird finanziell und ideologisch weiterhin vom Iran unterstützt und unterhält zugleich Verbindungen zu Syrien. Die "Hizb Allah" stellt im Libanon einen in das politische System integrierten, zugleich aber eigenständigen, in Konkurrenz zur Regierung stehen77 den Machtfaktor dar. Vom Herbst 2006 bis Frühsommer 2008 ging sie eine offene Konfrontation mit der Regierung ein. In der im Juli 2008 gebildeten Regierung der Nationalen Einheit ist die "Hizb Allah" mit einem Minister vertreten, im Parlament verfügt sie über 14 von insgesamt 128 Sitzen. Die von Hasan NASRALLAH geleitete Organisation besitzt nicht nur einen sozialen Flügel, der Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser unterhält und weitere karitative Dienste insbesondere für die schiitische Bevölkerung des Landes leistet, sondern auch einen paramilitärischen Arm mit der Bezeichnung "Islamischer Widerstand". Dieser bewaffnete Arm war in den vergangenen Jahren für die Entführung israelischer Soldaten, Anschläge und Raketenangriffe auf Israel verantwortlich. Im Sommer 2006 kam es zu schweren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der "Hizb Allah" und Israel. Die "Hizb Allah" betreibt zudem von Beirut aus einen eigenen Satelliten-Fernsehsender, "Al-Manar" ("Der Leuchtturm"). Gegen diesen Fernsehsender erließ das Bundesministerium des Innern am 11. November 2008 ein Betätigungsverbot. Im Einzelnen bedeutet dies u.a., dass die öffentliche und mediale Verwendung von "Al Manar TV"-Kennzeichen verboten ist und das im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandene Vermögen von "Al Manar TV" zugunsten des Bundes eingezogen wurde. Die Verbotsverfügung wurde damit begründet, dass sich der Sender gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet und Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer und religiöser Belange unterstützt, befürwortet und hervorruft. Die Auswertung des Fernsehprogramms hatte eine regelmäßige und massive antijüdische, antiisraelische und antiwestliche Agitation in Verbindung mit der Verherrlichung des eigenen Kampfes und der eigenen, als Märtyrer bezeichneten Kämpfer ergeben. So wurde beispielsweise 2004 mehrmals eine Rede in Verbindung mit einem Liedtext gesendet. Hierbei hieß es u.a.: "Israel ist vollkommen null und nichtig. Es ist ein plünderndes, von der Norm abweichendes, Besitz ergreifendes, terroristisches, krebsartiges Gebilde. Es hat keine Legitimität oder Legalität und die wird es nie haben [Rede] ... Schreib in fließen78 dem Blut Tod! Tod! Tod Israel! Und verursache mit dem sich in die Luft sprengenden Körper den Tod! Tod! Tod Israel!" [Liedtext] In einer Sendung vom 12. September 2007 führte ein eingeladener Studiogast ohne kritische Anmerkungen des Moderators Folgendes aus: "Wir müssen sehr mutig sagen, dass wir uns im Krieg mit den USA befinden [...] Wir müssen diesen Krieg von einem defensiven in einen offensiven ändern [...] Die USA sind die Feinde der Araber, der Muslime und der Humanität. Die Dynastie muss sterben. Daher überlässt man die Fragen nach den Methoden, wie und wo man sie schlagen kann, den Mujahidin und den Kämpfern und dem Widerstand in der ganzen Welt." In Rheinland-Pfalz tritt die "Hizb Allah" öffentlich nur wenig in Erscheinung. Es gibt gleichwohl Erkenntnisse über Aktivitäten zur Unterstützung der Organisation, u.a. in Form von Spendensammlungen. 3.4.5 "Tablighi Jamaat" ("Gemeinschaft der Verkündung") Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Delhi und Raiwind bei Lahore, Pakistan Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien Anhänger Bund: ca. 700 (2007: ca. 700) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2007: ca. 40) Die "Tablighi Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von ihrem Ursprungsland Indien in zahlreiche Länder auf allen Kontinenten verbreitet und befindet sich weiterhin in einem Expansionsprozess. Ihre Anhängerschaft soll Schätzungen zufolge weltweit im zweistelligen Millionenbereich liegen. Eine diesbezügliche Präzisierung fällt insofern schwer, als die "Tablighi Jamaat" trotz ausgeprägter Organisationsstrukturen im Hinblick auf Neuzugänge eine offene Bewegung ist und keine Mitgliederlisten im klassischen Sinne führt. 79 Die "Tablighi Jamaat" charakterisiert sich selbst als eine religiös-missionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat liegen die Hauptaktivitäten der "Tablighi Jamaat" im Bereich der Missionierung und religiösen Erziehung. Konkret sieht sie es als ihren Auftrag, Muslime über die Glaubenslehren, rituellen Vorschriften und Verhaltensregeln des Islam zu informieren und sie zu einem Leben hinzuführen, das sich strikt am Koran und der überlieferten Lebensweise Muhammads und seiner Gefährten (Sunna) orientiert. Das Bemühen um die Wiederherstellung eines "reinen" Islam und Betonung der muslimischen Identität geht mit einer Abgrenzung gegenüber anderen Religionen und Lebensformen einher. So wird bezeichnenderweise in einer maßgeblichen Schrift der "Tablighi Jamaat" beklagt, die Muslime des 20. Jahrhunderts seien allzu sehr darauf aus, Seite an Seite mit den Nichtmuslimen die Annehmlichkeiten des Diesseits zu genießen (Muhammad Zakariyya Kaandhlawi: Faza'il-e-A'maal [Die Segnungen frommer Taten]. Karachi 1997, S. 35.). Dieses umfangreiche Werk ist im Wesentlichen eine kommentierte Zusammenstellung überlieferter Aussagen und Taten Muhammads sowie seiner Zeitgenossen. Es vermittelt zwar keine geschlossene Ideologie, führt aber gleichwohl in die Gedankenwelt der "Tablighi Jamaat" ein. Kritisch zu werten sind in dem Werk vor allem folgende Punkte: # Unterordnung der Frau unter den Mann einschließlich einer Gehorsamspflicht, sexuellen Verfügbarkeit und eingeschränkten Bewegungsfreiheit, # Glorifizierung von Jihadund Märtyreraktivitäten früher Muslime. Heutige Muslime werden zwar nicht explizit zur Teilnahme am kämpferischen Jihad aufgerufen, die entsprechenden Textstellen können aber als indirekte Motivierung für den Jihad verstanden werden, # Kollektivzwang in Glaubensfragen, z.B. Androhung von Strafen bei Vernachlässigung des Gebets sowie Verpflichtung zum Gemeinschaftsgebet. Das von der "Tablighi Jamaat" vermittelte Weltbild birgt im Zusammenwirken mit den gegebenen politischen Konflikten die Gefahr, individuelle Ra80 dikalisierungsprozesse in Gang zu setzen oder zumindest zu fördern. Ferner besteht die Gefahr, dass jihadistische Gruppierungen die Anhängerschaft der "Tablighi Jamaat" als geeignete Rekrutierungsbasis sehen und deren weltweite Strukturen für eigene Zwecke nutzen. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich einzelne Fälle ergeben, in denen Glaubenskämpfer zumindest zeitweise der "Tablighi Jamaat" angehörten. Von der "Tablighi Jamaat" als solcher gingen bisher aber keine Gewaltaktionen aus. Die "Tablighi Jamaat" hat innerhalb der vergangenen Jahre auch in RheinlandPfalz Aktivitäten entfaltet, um neue Anhänger zu gewinnen. Hierbei nehmen Missionsgruppen Kontakt zu bestehenden Moscheevereinen zwecks Schulungsseminaren auf. Gegenüber den Vorjahren war 2008 allerdings keine Intensivierung der Missionierungstätigkeiten zu verzeichnen. 3.4.6 Salafistisches Spektrum Beim salafistischen Spektrum handelt es sich nicht um eine Organisationseinheit mit festen Strukturen, sondern um Anhänger einer Bewegung beziehungsweise Richtung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Salafisten sind bestrebt, das Leben der ersten muslimischen Generationen (im Arabischen: salaf) möglichst detailgenau zu kopieren. Dies spiegelt sich u.a. im äußeren Erscheinungsbild wider und bedeutet für Frauen in der Regel die Verpflichtung zur Vollverschleierung. Wird hierbei Zwang ausgeübt, stellt dies einen Verstoß gegen Art. 2 GG (Freiheit der Person) dar. Glaubensinhalte, Verhaltensweisen und Zeiterscheinungen, die sich nicht aus den islamischen Quellen, d.h. Koran und Sunna (überlieferte Lebensweise Muhammads), ableiten lassen, lehnen Salafisten meist kategorisch ab. So wenden sie sich beispielsweise gegen die Heiligenverehrung, die unter Muslimen seit mehr als 1.000 Jahren weit verbreitet ist, aber keine Verankerung in den islamischen Quellen hat. Bezeichnend ist weiterhin, dass sie die strikte Einhaltung des in der Sunna enthaltenen Verbots figürlicher Abbildungen und im Extremfall sogar deren Zerstörung fordern. In Rheinland-Pfalz wurden in den zurückliegenden Jahren vermehrt Aktivitäten von Salafisten festgestellt. Im Jahr 2008 gingen von ungefähr 30 Personen Be81 strebungen im salafistischen Sinne aus. Konkret äußerten sich diese beispielsweise im Besuch salafistisch geprägter Islamseminare, in der Gestaltung des Islamunterrichts in einzelnen Moscheen oder in der Verteilung salafistischer Literatur und somit der Propagierung dieses Gedankenguts. Die kostenlos verteilten Bücher und Schriften sind vielfach in deutscher Sprache gehalten und wenden sich somit an Muslime unterschiedlicher ethnischer Herkunft, u.a. auch an deutschsprachige Konvertiten. Sie enthalten die für den Salafismus charakteristischen Merkmale, u.a.: # Zurückweisung von Neuerungen (bida') im Bereich der Religion, # Befürwortung der Scharia-Vorschriften einschließlich der Körperstrafen für bestimmte Straftatbestände sowie die Todesstrafe für Apostaten, d.h. für Muslime, die ihre Religion aufgeben, # Takfir-Gedanke, d.h. die Erklärung "nicht-linientreuer" Muslime, z.B. Schiiten, Ahmadis, Mystiker (Sufis) und säkular orientierter Muslime, zu Ungläubigen, # Rechtfertigung oder gar Befürwortung des bewaffneten Jihad, # Feindbild Nichtmuslime, meist verknüpft mit der Aufforderung, sich von ihnen zu distanzieren und sie nicht nachzuahmen, # Vertretung eines alleinigen Wahrheitsanspruchs, # Missionsbestrebungen (da'wa) mit machtpolitischer Expansionskomponente. Wenngleich das salafistische Spektrum hinsichtlich seines Politisierungsgrades und seiner Haltung zur Gewalt interne Differenzierungen aufweist, bleibt festzuhalten, dass jihadistische Gruppierungen vielfach durch salafistisches Gedankengut inspiriert sind. Insbesondere vor diesem Hintergrund, aber auch auf Grund verfassungsfeindlicher Überzeugungen und Ziele im Allgemeinen ist die Entwicklung im Salafismus-Bereich aufmerksam zu beobachten. 82 3.4.7 Jihadistische Islamisten Die zahlreichen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Jihad gegen die von ihnen als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter ihrer Eigenbezeichnung Mujahidin oder der Fremdbezeichnung Jihadisten zusammengefasst. Charakteristisch für sie ist eine Gewalt betonende Auslegung des Jihad-Begriffs unter Einschluss terroristischer Mittel. Die heutige Jihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen - zu nennen sind derzeit vor allem der Irak und Afghanistan. Die Kampffront ist allerdings räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Dies bedeutet, dass auch andere - der Islamfeindlichkeit beschuldigte - Länder in das Visier von Jihadisten geraten und zum Schauplatz von terroristischen Aktionen werden können beziehungsweise schon geworden sind. Die jihadistische Bewegung ist auch im Hinblick auf die Herkunft ihrer Anhänger, ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen nahezu global. In Europa ist das jihadistische Spektrum seit einigen Jahren insbesondere durch Kleingruppen geprägt. Diese sind in der Regel durch die von al-Qaida propagierte globale Jihad-Ideologie inspiriert. Dies bedeutet nicht zwangsläufig eine organisatorische Anbindung an al-Qaida oder an eine andere Terrororganisation. Während zum Beispiel die 2007 im Sauerland festgenommene Personengruppe nach bisherigem Ermittlungsstand mit Unterstützung oder gar im Auftrag der "Islamischen Jihad-Union" (IJU) operierte, handelten andere der in Europa tätigen oder enttarnten Terrorgruppen autonom oder zumindest weitgehend autonom. Dies traf beispielsweise für die beiden so genannten Kofferbomber zu. In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum jihadistischen Spektrum vorlagen bzw. vorliegen. Im Zusammenhang mit der 2007 enttarnten IJU-Terrorzelle, die Anschläge in Deutschland plante, ermittelt der Generalbundesanwalt inzwischen u.a. auch gegen eine Person aus Rheinland-Pfalz. Das Ermittlungsverfahren wurde wegen 83 des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens eingeleitet. Im Dezember 2008 begann am Oberlandesgericht Koblenz der Prozess gegen einen Deutsch-Pakistaner. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mann aus Germersheim vor, Geld und technische Geräte für al-Qaida beschafft sowie Kämpfer rekrutiert zu haben. Zudem soll er sich selbst als Kämpfer angedient haben. Ein Gerichtsurteil steht noch aus. Für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz ist die Identifizierung von Jihadisten, die Verifizierung der tatsächlichen Jihadismus-Bezüge und die diesbezügliche Erkenntnisgewinnung eine Aufgabe von höchster Priorität, da von diesem Spektrum unzweifelhaft die größte Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. 84 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) Die Aktionen der im Jahr 2008 in Deutschland in Erscheinung getretenen (nicht islamistischen) extremistischen Ausländerorganisationen wurden, wie schon in den Jahren zuvor, durch Anlässe in ihren Heimatländern bestimmt. Linksextremistische Ausländerorganisationen orientieren sich in ihrer Ideologie an einer marxistisch-leninistischen, bisweilen auch maoistischen Vorgabe und haben die "revolutionäre Überwindung" der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Errichtung kommunistischer Systeme in den jeweiligen Herkunftsländern zum Ziel. Die nach wie vor in der EU-Liste terroristischer Organisationen geführte türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) verlor im August 2008 ihren Führer KARATAS, der nach schwerer Krankheit starb. Auf einen Nachfolger konnte man sich bislang nicht festgelegen. Insoweit bleibt fraglich, ob der seit 1999 außerhalb der Türkei durch KARATAS vorgegebene friedliche Kurs auch in Zukunft eingehalten wird. Der "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL), ehemals "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), setzte weiterhin auf eine Doppelstrategie eines überwiegend gewaltfrei geprägten Kurses in Europa und eines offensiv militanten Verhaltens im Krisengebiet Türkei/Nordirak. Das politische Handeln der Organisation ist weiterhin eng verbunden mit dem Schicksal des seit 1999 in der Türkei inhaftierten Parteigründers Abdullah ÖCALAN. Die Entführung von drei Mitgliedern einer deutschen Reisegruppe in der Türkei führte zu einer Verschärfung in der politischen Auseinandersetzung zwischen PKK/KONGRA GEL und der Bundesregierung. Die extremistische iranische Oppositionsgruppe "Volksmodjahedin Iran Organisation" (MEK) und ihr in Europa agierender politischer Arm "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) konnten in ihren Bemühungen um die Streichung der MEK von der EU-Liste terroristischer Organisationen im Berichtszeitraum einen juristischen Erfolg verbuchen. 85 Die separatistische "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) musste im bewaffneten Kampf für die Errichtung eines eigenen Tamilenstaates in Sri Lanka die bislang schwersten militärischen Niederlagen hinnehmen. Dies hinderte sie nicht außerhalb der Heimat, so auch in Rheinland-Pfalz, über Hilfsund Tarnorganisationen ihre Spendensammlungen durchzuführen. 4.1 Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2008 2007 2008 2007 Gesamt 600 600 24.750 25.250 Linksextremisten 500 500 16.870 16.870 Extreme Nationalisten 100 100 7.880 8.380 (Angaben gerundet) 4.2 Gewalttaten Politisch motivierte Ausländerkriminalität - Gewalttaten: 2008 2007 Gesamt 1 3 Landfriedensbruch - - Körperverletzungen 1 3 (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) 86 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gele Kurdistan, kurz: KONGRA GEL) Gründung: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei Umbenennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (Kongreya Azadi u Demokracya Kurdistane, kurz: KADEK) und Anfang November 2003 in KONGRA GEL Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, kurz: HPG) Leitung in Westeuropa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 11.500 (2007: ca. 11.500) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2007: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Allgemeine Lage Die von Abdullah ÖCALAN 1978 gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit Jahren für eine größere politische und kulturelle Eigenständigkeit des kurdischen Bevölkerungsteils, vor allem in der Türkei. Daneben fordert sie verbesserte Haftbedingungen für ihren seit 1999 auf der türkischen Insel Imrali inhaftierten Anführer. Ihre politischen Ziele versucht sie auch gewaltsam durchzusetzen. Sie verfügt in der Türkei und im Nordirak über paramilitärische GuerillaeinDie Fahne des Kongra-Gel heiten, die sich in einer andauernden kriegerischen Auseinandersetzung mit türkischen Sicherheitskräften befinden. Der Konflikt bedingt auch Auswirkungen in Europa, insbesondere in Deutschland, wo eine große Zahl von Anhängern und Unterstützern der Organisation lebt. Ereignisse in der Türkei und im Nordirak führen regelmäßig zu entsprechenden Reaktionen der Organisation und ihres Umfeldes. Die PKK unterliegt seit dem 26. November 1993 in Deutschland einem vereins87 rechtlichen Betätigungsverbot, weil sie mit einer Serie von Brandanschlägen die Schwelle zum Terrorismus überschritten hatte. Das Verbot erstreckt sich auch auf Aktivitäten unter den späteren Organisationsbezeichnungen KADEK und KONGRA GEL sowie auf den politischen Arm der Organisation, die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK). Trotz des Betätigungsverbots verfügt der KONGRA GEL in Deutschland über ein breites Netz von illegal und konspirativ agierenden Funktionären. Diese betreuen bundesweit etwa 11.500 Anhänger, betreiben eine intensive Propagandaarbeit und organisieren anlassbezogene Kampagnen. In Rheinland-Pfalz leben ca. 450 Anhänger des KONGRA GEL, die vorwiegend im Großraum Ludwigshafen am Rhein, im Gebiet Mainz/Bingen/Bad Kreuznach und im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz/Neuwied) aktiv sind. Die im März 2008 neu eröffneten Räumlichkeiten des "Kurdischen Kulturvereins e.V." in Ludwigshafen am Rhein dienen der KONGRA GEL-Anhängerschaft der Region Mannheim/Ludwigshafen als Kontaktund Anlaufstelle; von dort aus wurde eine Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen initiiert bzw. koordiniert. Die rheinland-pfälzischen KONGRA GEL-Anhänger/Sympathisanten beteiligten sich regelmäßig an den bundesund europaweiten Propagandaveranstaltungen der Organisation. Die u.a. von der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistete PKK betreibt weiterhin eine Doppelstrategie. In Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern verfolgt sie überwiegend einen gewaltfreien Kurs, um sich einen Rückzugsraum zu bewahren und für politische Akzeptanz zu werben. In der Türkei und im Nordirak hingegen agiert sie offensiv militant. Trotz wiederholter "einseitiger" Gewaltverzichtserklärungen von PKK/KONGRA GEL gegenüber der türkischen Regierung, zuletzt am 1. Oktober 2006, haben die Gefechte im Grenzgebiet zum Nordirak zwischen den kurdischen GuerillaEinheiten - den so genannten Volksverteidigungskräften (HPG) - und dem türkischen Militär unvermindert angehalten. Zu einer Verschärfung des Konfliktes kam es Ende 2007, als die türkische Armee auf Stützpunkte kurdischer GuerillaEinheiten gezielte Luftangriffe flog. 88 Das Jahr 2008 war im Wesentlichen von folgenden Ereignissen geprägt: Im Rahmen der vom 21. bis 29. Februar erfolgten Kampfhandlungen der türkischen Streitkräfte gegen mutmaßliche PKK/KONGRA GEL-Stellungen im Nordirak kamen zahlreiche Guerillas und Angehörige des türkischen Militärs ums Leben. An den Kämpfen beteiligten sich mehrere Tausend stark bewaffnete Soldaten. Der KONGRA GEL und ihm nahe stehende Organisationen verurteilten diese seit Jahren größte türkische Militäraktion auf das Schärfste; u.a. wurde der türkische Vorstoß in den Nordirak als "versuchter Völkermord" bezeichnet. Die Kurden und alle kurdischen Organisationen wurden dazu aufgefordert, zusammenzuhalten und überall mit organisierten Aktionsformen zu reagieren. Die KONGRA GEL-Jugendorganisation "KOMALEN CIWAN" rief dazu auf, die türkischen Metropolen in eine "Hölle" zu verwandeln. In Deutschland und den europäischen Nachbarländern reagierte die Anhängerschaft des KONGRA GEL mit vielfachen Protestveranstaltungen, so u.a. auch am 1. März in der Mannheimer Innenstadt (450 Teilnehmer). Es wurden Bilder von Abdullah ÖCALAN gezeigt und themenbezogene Flugblätter verteilt. Am 3. April 2008 erklärte das Europäische Gericht erster Instanz in Luxemburg die Aufnahme der PKK und des KONGRA GEL in die EU-Liste terroristischer Organisationen wegen unzureichender Begründung für nichtig. Der KONGRA GEL bewertete das Urteil als Sieg für die "Freiheitsbewegung" und gegen die "Stigmatisierung" als terroristische Organisation in Europa. Gleichwohl führte das Urteil bislang nicht zu einer Streichung der PKK bzw. des KONGRA GEL von der "EU-Terrorliste"; auch zeigte es keine Auswirkungen auf das bestehende vereinsrechtliche Betätigungsverbot und auf Strafverfahren gegen die Organisation und ihre Funktionäre als "kriminelle Vereinigung" nach SS 129 StGB. Am 19. Juni 2008 sprach der Bundesminister des Innern gegen den von Dänemark ausgestrahlten und über Satellit in Deutschland zu empfangenden Fernsehsender "ROJ-TV" ein vereinsrechtliches Verbot aus. "ROJ-TV" betreibe Propaganda für den KONGRA GEL und verstoße damit gegen deutsche Strafgesetze und den Gedanken der Völkerverständigung. Gleichzeitig wurde ein Organisationsverbot gegen die in Wuppertal ansässige Firma "VIKO Fernsehpro89 duktion GmbH" als Teilorganisation von "ROJ-TV" verhängt. Das Unternehmen stelle Beiträge für den Sender her und sei faktisch dessen Deutschland-Repräsentanz. Der KONGRA GEL bezeichnete das für Deutschland ausgesprochene Verbot von "ROJ-TV" als "Staatshilfe Deutschlands für die Türkei". Die CDK sah darin eine systematische Fortsetzung der "feindlichen Politik" gegen das kurdische Volk. Deutsche Unterstützerkreise nannten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble den "verlängerten Arm und willfährigen Vollstrecker der türkischen Regierung" und forderten dazu auf, sich gemeinsam gegen diese "Vernichtungsund Zerschlagungsstrategie" zu wehren. Die KONGRA GEL-Anhängerschaft reagierte bundesweit mit vielfältigen Protestaktionen. Aktivisten aus Rheinland-Pfalz beteiligten sich am 5. Juli in Stuttgart an einer Demonstration. Die ca. 300 Teilnehmer skandierten Parolen wie "Es lebe ROJ-TV" und "Türkei Terrorist". Eine 13-köpfige deutsche Reisegruppe wurde am 8. Juli beim Aufstieg auf den Berg Ararat (Osttürkei) überfallen. Die Täter, die sich als PKK-Anhänger bezeichneten, nahmen drei Männer der Gruppe elf Tage lang als Geiseln. Mit der Entführung sollte die deutsche Regierung u.a. dazu bewegt werden, das Verbot gegen den kurdischen Fernsehsender "ROJ-TV" rückgängig zu machen, sich für die Einstellung der türkischen Militäroperationen einzusetzen sowie ihre gegen das kurdische Volk und gegen die PKK gerichtete politische Haltung aufzugeben. Die im Jahr 2004 aus PKK-Guerillaeinheiten hervorgegangenen, in der Türkei terroristisch agierenden "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) übernahmen via Internet die Verantwortung für zwei im August 2008 verübte Anschläge. In der türkischen Stadt Mersin tötete sich ein Attentäter durch einen Sprengsatz und verletzte zwölf Polizisten. Zwei Tage später trugen bei der Explosion einer Autobombe in Izmir 16 Menschen Verletzungen davon. Als Reaktion auf eine angebliche Misshandlung von Abdullah ÖCALAN, der nach Verlautbarung der KONGRA GEL-nahen Nachrichtenagentur "FIRAT News Agency" in seiner Gefängniszelle durch Justizvollzugspersonal körperlich ange90 griffen worden sei, fanden Mitte Oktober sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland zahlreiche Protestkundgebungen von Anhängern statt. Bei einer am 18. Oktober in Mannheim durchgeführten Kundgebung mit ca. 500 Teilnehmern beteiligten sich mehrere KONGRA GEL-Aktivisten aus dem Bereich Ludwigshafen am Rhein. Der KONGRA GEL-nahe "Kurdische Kulturverein Ludwigshafen e.V." war im selben Zusammenhang am 25. Oktober Initiator eines Demonstrationsmarsches von Ludwigshafen nach Mannheim mit ca. 500 Teilnehmern. Organisationsstrukturen Nachdem sich die PKK auf ihrem 8. Kongress im Jahr 2002 aufgelöst hatte, wurde auf einem "Kongress zum Wiederaufbau" im Frühjahr 2005 deren Neugründung beschlossen. Neben dieser neu gegründeten PKK blieb der 2003 gebildete KONGRA GEL als Organisation, welche die politischen Ziele der PKK umsetzen soll, bestehen. Daneben wurde das System der "Koma Komalen Kurdistan" (KKK) - 2007 umbenannt in "Koma Ciwaken Kurdistan" (KCK) - präsentiert, welches nach Vorstellung des PKK-Gründers ÖCALAN eine "Föderation eines demokratischen Nahen Ostens" etablieren soll. Maßgebliche Funktionen in allen drei Organen wurden und sind mit langjährigen Funktionären der vormaligen PKK besetzt. Die Aktivitäten des KONGRA GEL in Europa werden weiterhin von ihrem politischen Arm, der CDK, entscheidend bestimmt. Die in Deutschland im Jahr 2007 vorgenommenen organisatorischen Veränderungen hinsichtlich der Gliederung des KONGRA GEL bzw. der Frontorganisation CDK wurden 2008 wieder rückgängig gemacht. Es bestehen nunmehr wieder drei Regionen, die so genannten Serits Nord, Mitte und Süd mit jeweils einem Führungsfunktionär an der Spitze. Den Serits nachgeordnet sind 28 so genannte Gebiete, die wiederum in mehrere Teilgebiete unterteilt sind. Politische Vorgaben der Führung werden nach wie vor über die verschiedenen Organisationsstufen von zumeist konspirativ agierenden Funktionären bis auf die lokale Ebene transportiert. Dort werden sie von den zahlreichen kurdischen Vereinen umgesetzt, in denen die meisten KONGRA GEL-Anhänger/Sympathisanten organisiert sind. Die überwiegende Anzahl dieser Vereine gehört der 91 "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) an. Zahlreiche Massenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessengruppen repräsentieren (z.B. Aleviten, Jeziten, Jugendliche, Frauen, Studenten etc.) vervollständigen die Organisationsstruktur des KONGRA GEL. Besondere, zum Teil auch gewalttätige Aktivitäten entfaltet die Jugendorganisation "KOMALEN CIWAN". Zur öffentlichen Verbreitung der politischen Ziele stützen sich KONGRA GEL bzw. CDK auf die in den Niederlanden angesiedelte Nachrichtenagentur "FIRAT News Agency" sowie auf diverse Publikationen wie z.B. die türkisch sprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (Neue Freie Politik). Obwohl der kurdische Fernsehsender "ROJ-TV" verboten wurde, kann er nach wie vor in Deutschland empfangen werden und wird weiterhin von der KONGRA GEL-Anhängerschaft, insbesondere in den kurdischen Vereinen, gesehen. Im Rahmen seiner jährlichen Spendenkampagne sammelte der KONGRA GEL 2008 erneut mehrere Millionen Euro. Das Geld dient in erster Linie der finanziellen Unterhaltung von Einrichtungen der Organisation in Europa, darüber hinaus der Unterstützung der kämpfenden Einheiten in der Türkei und im Nordirak. Neben Spenden erzielt die Organisation Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und den Verkauf eigener Publikationen. Propaganda Mit zum Teil bundesund europaweit ausgerichteten Propagandaaktionen versuchte der KONGRA GEL auch im Jahr 2008 öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Zu den überwiegend friedlich verlaufenen Veranstaltungen (Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Gedenkfeiern etc.) konnte der KONGRA GEL mehrere Tausend Anhänger und Sympathisanten mobilisieren. Unter dem Kampagnenmotto "Edi Bese!" (Es reicht!) führten KONGRA GEL-Anhänger während des gesamten Berichtszeitraums vielfältige Aktionen in ganz Europa durch. Schwerpunktthemen waren der Gesundheitszustand von 92 Abdullah ÖCALAN sowie das verstärkte militärische Vorgehen der Türkei gegen kurdische Guerilla-Einheiten. Auf unterschiedliche Art und Weise feierten KONGRA GEL-Anhänger deutschlandweit das traditionelle kurdische "Newroz-(Neujahrs)Fest". Die Hauptfeierlichkeiten fanden am 22. März in Essen, Frankfurt am Main und Hamburg mit insgesamt 50.000 Personen statt. Die rheinland-pfälzische KONGRA GEL-Anhängerschaft beteiligte sich an der Großveranstaltung in Frankfurt am Main. Darüber hinaus veranstaltete das KONGRA GEL-Gebiet Mannheim/Ludwigshafen am Rhein am 20. März eine eigene Newroz-Feier mit ca. 400 Personen in Mannheim. Die Teilnehmer führten Bilder von Abdullah ÖCALAN mit und skandierten Parolen wie "Es lebe Newroz - es lebe Apo!", "Türkei Terrorist" und "Edi Bese!" (s.o.). Das "16. Internationale Kurdische Kulturfestival" unter dem Motto "Frieden für Kurdistan, Freiheit für ÖCALAN" wurde am 6. September in Gelsenkirchen mit ca. 35.000 Teilnehmern aus ganz Europa durchgeführt, darunter auch mehrere Hundert rheinland-pfälzische KONGRA GEL-Anhänger. Anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung der PKK fanden Ende November in vielen deutschen Städten Feierlichkeiten statt. So auch im "Kurdischen Kulturverein e.V." in Ludwigshafen am Rhein mit ca. 150 Personen. Der örtliche Gebietsleiter stellte in seiner Ansprache u.a. die Verankerung der PKK im "kurdischen Volk" heraus, ebenso die hohe Anziehungskraft der Guerilla für die kurdischen Jugendlichen. Gerichtliche Verfahren Im Jahr 2008 waren bundesweit mehrere Verfahren gegen KONGRA GEL-Verantwortliche anhängig, zum Teil auch mit rheinland-pfälzischem Bezug. Vor dem Landgericht Koblenz begann am 22. September der Prozess gegen vier mutmaßliche KONGRA GEL-Angehörige, die als verantwortliche Funktionäre und Aktivisten im Raum Koblenz gegen das bestehende Betätigungsverbot für die PKK und ihre Nachfolgeorganisation KONGRA GEL verstoßen haben sollen. Am 28. August wurde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein mutmaßlicher KONGRA GEL-Funktionär wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung 93 einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) angeklagt. Er wird beschuldigt, als ehemaliger Leiter der KONGRA GEL-Gebiete Nürnberg, Mainz, Darmstadt und Berlin tätig gewesen zu sein. Gegen einen am 26. März in Münster festgenommen KONGRA GEL-Funktionär wurde am 25. August vor dem Landgericht Koblenz Anklage wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung erhoben. Als Leiter der KONGRA GEL-Gebiete Darmstadt und Mainz soll er sich um die jährliche PKK-Spendenkampagne im Rhein-Main-Gebiet gekümmert sowie Großveranstaltungen in Deutschland und Frankreich organisiert haben. 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten und 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 650 (2007: ca. 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2007: einzelne) Die in Deutschland seit August 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C), mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als politischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel, strebt unverändert die gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung an und propagiert eine den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgende klassenlose Gesellschaft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 hat die DHKP-C in der Türkei mehrere Tötungsdelikte begangen sowie eine Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen verübt, zu denen sie sich jeweils öffentlich bekannt hat. Ziele waren staatliche türkische Einrichtungen und Angehörige der türkischen Sicherheitsbehörden, der Armee und der Justiz. Im Februar 1999 erklärte die Organisation durch ihren Führer Dursun KARATAS einen "Gewaltverzicht" für Deutschland und Europa, an den sie sich bis heute hält. In der Türkei hat sie ihre gewalttätigen Aktionen fortgeführt. 94 Auch wenn die DHKP-C sich außerhalb der Türkei friedlich verhält, belegen die dortigen Anschläge eindeutig ihren terroristischen Charakter. Die DHKP-C wird seit Mai 2002 in der EU-Liste terroristischer Organisationen geführt. Deutschland ist das wichtigste Betätigungsfeld der DHKP-C außerhalb der Türkei geblieben. Die DHKP-C-Führung besteht aus dem Deutschland-, den Regionsund Gebietsverantwortlichen. Funktionäre und Mitglieder verhalten sich in besonderem Maß konspirativ. Sie verwenden Decknamen und wechseln häufig ihren Aufenthaltsort. In Rheinland-Pfalz sind nur wenige Mitglieder der Organisation aktiv. Um ihre revolutionären Ziele und Ideen zu propagieren, bedient sich die DHKP-C seit Mai 2005 der Zeitschrift "Yürüyüs" (Demonstration, Marsch). Die DHKP-C finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie durch Einnahmen aus dem Verkauf von Publikationen. Weitere Einnahmequellen sind Erlöse aus Parteiveranstaltungen, bei denen regelmäßig auch ein kulturelles Rahmenprogramm mit Musikdarbietungen geboten wird. In einer im Internet veröffentlichten deutschsprachigen Erklärung vom 25. März 2008 gedachte die DHKP-C ihrer bisherigen "Gefallenen der Revolution" und ihres Gründungstages (30. März 1994). Seit Bestehen der Organisation sei es ihr erklärtes Ziel, den "bewaffneten Befreiungskrieg" in der Türkei zu führen und dort die "rote Fahne der Revolution und des Sozialismus" zu hissen. Die mehrseitige Erklärung schließt mit der Parole "Der Weg der Revolution in der Türkei ist der Weg unserer Partei. Der Weg unserer Partei ist der Weg der Befreiung unseres Volkes." Am 19. April 2008 führte die DHKP-C in Paris anlässlich des 14. Jahrestages ihrer Parteigründung eine Festveranstaltung durch, an der - nach Angaben der Organisation - ca. 3.000 Personen teilnahmen. Nach schwerer Erkrankung verstarb am 11. August 2008 der Führer der DHKP-C, Dursun KARATAS, in den Niederlanden. Die DHKP gab in einer am selben Tag im Internet veröffentlichten Erklärung unter der Überschrift "Wir haben unseren Kommandanten, unseren Führer, unseren Onkel verloren" den Tod KA95 RATAS' offiziell bekannt. Anhänger der DHKP-C in Deutschland beteiligten sich aus diesem Anlass an mehreren örtlichen Gedenkveranstaltungen. Bis zum Ende des Jahres 2008 gab es keine Festlegung, wer die Nachfolge von KARATAS antritt. Wie bereits in den Vorjahren führten auch im Jahr 2008 intensive Strafverfolgungsmaßnahmen gegen DHKP-C-Funktionäre zu Festnahmen, Anklagen und Verurteilungen. Am 17. März begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart der Prozess gegen fünf mutmaßliche hochrangige Funktionäre der DHKP-C wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB). Die Angeklagten befinden sich seit ihrer Festnahme (2006 bzw. 2007) in Untersuchungshaft. Drei der Angeklagten sollen u.a. auch in Rheinland-Pfalz als Regionsbzw. Gebietsverantwortliche tätig gewesen sein. Bei Prozessbeginn sowie an den folgenden Verhandlungstagen demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude türkische und deutsche Linksextremisten als "Bündnis gegen Repression" für eine Abschaffung der Paragraphen 129, 129a, 129b StGB sowie für "Freiheit für alle politischen Gefangenen". Am 24. Juni erhob die Bundesanwaltschaft vor dem OLG Düsseldorf Anklage gegen einen Staatenlosen türkischer Abstammung u.a. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie mehrerer Sprengstoffverbrechen. Der Angeklagte gehörte als Mitbegründer der DHKP-C bis zu seiner Verhaftung der obersten Führungsebene der Organisation an. Drei mutmaßliche Führungsfunktionäre der DHKP-C wurden am 5. November im Raum Köln festgenommen. Sie sind dringend verdächtig, hochrangige Führungsfunktionäre der "Rückfront" der DHKP-C in Europa gewesen zu sein und tateinheitlich hierzu gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Am 9. Dezember wurde die deutsche Staatsangehörige Heike S. vom OLG Düsseldorf wegen Unterstützung der in Deutschland verbotenen DHKP-C nach SS 129a StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Haftstrafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. 96 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei 1994 Spaltung in "Partizan"-Flügel und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 1.300 (2007: ca. 1.300) ("Partizan" und MKP) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2007: einzelne) ("Partizan" und MKP) Die von Ibrahim KAYPAKKAYA 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML ist seit 1994 in den "Partizan-Flügel" und in den MKP-Flügel ("Maoistische Kommunistische Partei") gespalten. Beide Fraktionen verbinden die Lehren des Marxismus-Leninismus und Maoismus. Politisches Ziel ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei, die im Wege eines militärisch geführten revolutionären Kampfes erreicht werden soll. Beide Flügel unterhalten in der Türkei eigenständige bewaffnete Guerillagruppen, die seitens des "Partizan-Flügels" unter der Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) und auf Seiten der MKP als "Volksbefreiungsarmee" (HKO) agieren. Zur Finanzierung ihrer Aktionen und des Parteiapparates führen diverse Umfeldorganisationen in Deutschland jährliche Spendenkampagnen durch. Hierbei sind für den "Partizan-Flügel" die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) sowie die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) und für die MKP die "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e.V." (ADHF) sowie die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) aktiv. In Deutschland gehören der TKP/ML einschließlich der MKP ca. 1.300 Mitglieder an, davon einzelne in Rheinland-Pfalz. Die TKP/ML führt zu Ehren des Parteigründers KAYPAKKAYA jährlich anlässlich seines Todestages (18. Mai 1973) eine Gedenkveranstaltung durch; so auch am 24. Mai 2008 mit rund 3.000 Teilnehmern in Ludwigshafen am Rhein. 97 4.6 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) / "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung MEK / NWRI: 1965 im Iran / 1981 in Paris Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 900 (2007: ca. 900) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2007: ca. 30) Die Organisation der "Volksmodjahedin Iran" ("Modjahedin-E-Khalq", kurz: MEK) galt bis 2001/2002 als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe, die sich den gewaltsamen Sturz des islamischen Regimes in Teheran zum Ziel gesetzt hatte. Bis zur Entmachtung Saddam Husseins unterhielt sie im Irak einen militärischen Arm, die "National Liberation Army" (NLA), deren Kämpfer für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich waren. Im Mai 2003 wurden während des Irakkrieges die ca. 4.000 Angehörigen der NLA entwaffnet und im irakischen Lager "Camp Ashraf" unter USamerikanische Aufsicht gestellt. Wegen ihrer in der Vergangenheit zahlreich verübten Terroraktionen wird die MEK seit Mai 2002 durch Beschluss des Europäischen Rates in der EU-Liste terroristischer Organisationen geführt. Für die Durchführung politischer Aktivitäten in Westeuropa und Nordamerika bedient sich die MEK des "Nationalen Widerstandsrats Iran" (NWRI). 1993 konstituierte sich der NWRI in Paris als so genanntes iranisches Exilparlament, das noch im gleichen Jahr Maryam RADJAVI - Ehefrau des MEK-Führers Massoud RADJAVI - zur "künftigen Präsidentin des Iran" wählte. Der NWRI tritt durch eine intensive Propagandatätigkeit gegen das iranische Regime in Erscheinung und versucht, durch geschickte Lobbyarbeit politische Unterstützung und Akzeptanz zu erhalten. Zu den Propagandainstrumenten des NWRI gehört u.a. auch die Farsi sprachige Wochenzeitung "Mojahed". Schwerpunkt der politischen Arbeit des NWRI bildete auch im Jahr 2008 der 98 Kampf gegen die Einstufung der MEK als Terrororganisation. Durch Lobbyarbeit in europäischen parlamentarischen Kreisen - neuerdings auch in Deutschland, mittels Unterschriftenaktionen und der Durchführung von Informationsständen in mehreren deutschen Städten, versuchte man diesen Makel zu beseitigen. Einen ersten juristischen Erfolg erzielte die MEK mit dem Urteil des Europäischen Gerichts Erster Instanz (GEI) in Luxemburg vom 12. Dezember 2006. Darin wurde der EU-Ratsbeschluss, die MEK auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen sowie das damit verbundene Einfrieren von Geldern der MEK aufgrund von Verfahrensmängeln für nichtig erklärt. Gegen Entscheidungen des EU-Rates aus den Jahren 2007 und 2008, die MEK auf der EU-Liste terroristischer Organisationen zu belassen, erwirkte die MEK im Wege der Klage zwei weitere Urteile des GEI vom 23. Oktober und 4. Dezember 2008, in denen die Listung der Organisation erneut für nichtig erklärt wurde. Zu den bedeutendsten Propagandaveranstaltungen des NWRI im Jahr 2008 gehörten eine zentrale Kundgebung am 28. Juni in Paris, an der nach Angaben der Organisation ca. 70.000 Sympathisanten aus ganz Europa einschließlich Deutschland teilnahmen. Anlass war der fünfte Jahrestag der Verhaftung Maryam RADJAVI's und die polizeiliche Durchsuchung der NWRI/MEK-Europazentrale in Auvers-sur-Oise bei Paris am 17. Juni 2003. Vom 23. bis 27. November 2008 führte Maryam RADJAVI einen Besuch in Berlin durch, um öffentlichkeitswirksam für eine politische Unterstützung des NWRI zu werben. Die Strukturen und Aktivitäten der Organisation werden durch umfangreiche und professionelle Spendengeldsammlungen finanziert. Hierbei bedient sie sich verschiedener Tarnvereine, darunter u.a. des "Menschenrechtsverein für Migranten e.V.", Aachen, der 2008 auch in Rheinland-Pfalz Aktivitäten entfaltete. 99 4.7 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 800 (2007: ca. 800) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2007: ca. 30) Ziel der LTTE ist es, in Sri Lanka einen eigenen Tamilenstaat ("Tamil Eelam") sozialistischer Prägung zu gründen. Die von der LTTE beanspruchten Gebiete liegen im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten Sri Lankas. Die singhalesisch dominierte Regierung in Colombo will einen eigenen Tamilenstaat jedoch unter allen Umständen verhindern. Die seit Jahren bestehenden bürgerkriegsähnlichen Zustände in Sri Lanka haben sich seit der Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens seitens der sri-lankischen Regierung im Januar 2008 weiter verschärft. Zu militärischen Offensiven beider Kontrahenten kamen von Seiten der LTTE Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate der LTTE-Kampfeinheit "Black Tigers" hinzu. Am 8. Januar 2008 wurde bei einem Sprengstoffattentat nördlich der Hauptstadt Colombo der sri-lankische Straßenbauminister getötet. Laut Pressemeldungen kamen bei dem Anschlag insgesamt zwölf Menschen ums Leben. Der sri-lankischen Armee (SLA) ist es Ende 2008/Anfang 2009 gelungen, die militärischen Stützpunkte der LTTE-Kämpfer im Lande fast vollständig auszulöschen. In dem nunmehr seit 1983 andauernden bewaffneten Konflikt haben Medienberichten zufolge bereits mehr als 70.000 Menschen ihr Leben verloren. Mit Beschluss vom 29. Mai 2006 (2006/379/EG) hat der Rat der Europäischen Union die LTTE in die Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. In Deutschland tritt die LTTE, die ihren zentralen Sitz in Oberhausen/NordrheinWestfalen hat, nicht offen auf. Ihre Funktionäre/Aktivisten bemühen sich fortgesetzt, unter den tamilischen Flüchtlingen und Zuwanderern für die Ziele der Organisation zu werben und zur Deckung ihres Finanzbedarfs Geld zu beschaffen. 100 Das LTTE-Umfeld versucht mit öffentlichkeitswirksamen, friedlichen Aktionen in der "tamilischen Diaspora" und in der deutschen Bevölkerung auf die kritische Lage im Heimatland aufmerksam zu machen. Unterstützt wird die LTTE hierbei von Hilfsund Tarnorganisationen, die - auch in Rheinland-Pfalz - vor allem mit Spendensammlungen sowie Erlösen aus Folklore-, Theater-, Musikund Sportveranstaltungen ihren Anteil am hohen Finanzbedarf der Organisation beisteuern. Die in Rheinland-Pfalz lebenden Tamilen, hauptsächlich LTTE-Anhänger, beteiligten sich 2008 zahlreich an den regionalen und überregionalen Veranstaltungen der Organisation. Am 28. Juni nahmen 3.500 Anhänger der LTTE vor dem Landtag in Düsseldorf an einer friedlichen Großdemonstration unter dem Motto "Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der Tamilen" teil. Am 27. November führte die LTTE in Dortmund mit ca. 6.000 Teilnehmern ihren so genannten Heldengedenktag durch. Weltweit gedenken die Anhänger der Organisation den im Kampf für ein unabhängiges "Tamil Eelam" gefallenen Kämpfer der LTTE. Ein wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung ist regelmäßig die über Satellit übertragene Ansprache des LTTE-Führers PRABHAKARAN. 101 5. Internet/Neue Medien Das Internet setzt seinen weltweiten Siegeszug fort. Zuverlässige Angaben über die Größe des Internets sind schwer zu treffen und nur von kurzer Dauer. Die Firma Google geht derzeit von mehreren hundert Milliarden unterschiedlichen Webseiten aus. Dazu kommen mit schnell wachsender Tendenz über 150.000 verschiedene Newsgroups und ca. 25.000 verschiedene Chatkanäle im Internet Relay Chat (IRC). Vor diesem Hintergrund ist es nur selbstverständlich, dass auch Extremisten die Möglichkeiten des Netzes nutzen, um Hass und Gewalt global zu verbreiten. Die neuen Techniken des Web 2.0 eröffnen Mittel und Wege der globalen Verbreitung digitaler Informationen von User zu User, ohne Einbindung zentraler Server. Anonymisierungsund Kryptierungsprogramme, offene Schnittstellenprogramme, der Wegfall des desktoporientierten Arbeitens hin zum Web als Plattform, verteiltes, gemeinsames Nutzen von Inhalten und Diensten, die Möglichkeit, überall online zu sein, sind charakteristisch hierfür und stellen den Verfassungsschutz des Bundes und der Länder vor immer größere Herausforderungen. 5.1 Rechtsextremisten Bundesweit existieren rund 1.000 deutschsprachige rechtsextreme Internetseiten (Homepages, Blogs, Diskussionsforen etc.), die den Verfassungsschutzbehörden bekannt sind und unter Beobachtung stehen; etwa 30 davon sind Rheinland-Pfalz zuordenbar. Insoweit hat sich gegenüber dem Vorjahr keine Änderung ergeben. Rechte Internetpräsenzen (Kameradschaftsseiten, Informationsportale etc.) tragen dem Zeitgeist Rechnung und sprechen durch zeitnahe und professionelle Gestaltung gezielt Jugendliche an. Insbesondere die NPD und diverse neonazistische "Aktionsbüros" verstehen es, das Internet als zentrales Informationsund Mobilisierungsmedium zu nutzen. Darüber hinaus werden Communities, die sowohl dem Betreiber als auch dem 102 User Anonymität gewährleisten, von Szeneangehörigen als ideale Kommunikationsplattform genutzt. Aber auch die in der Szene beliebten Online-Spiele und Spieleclans sind gefragte Internet-Treffpunkte und dienen dem internen Informationsaustausch. Nach wie vor nutzen deutsche Rechtsextremisten die unterschiedliche Rechtslage, etwa in den USA und europäischen Staaten aus, um indizierte Inhalte über ausländische Server und Provider weltweit ohne Risiko zu verbreiten. Auch für die Zukunft ist von einer extensiven Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten auszugehen. Eine intensive Beobachtung des Internets durch die Verfassungsschutzbehörden ist daher weiterhin unerlässlich. 5.2 Linksextremisten Auch die linksextremistischen Parteien, Organisationen und Initiativen nutzen die gesamte Palette der schier unerschöpflichen Internetmöglichkeiten, von der einfachen Darstellung ihrer Organisation als klassische Webseite über Videound Audiobeiträge, bis hin zur interaktiven Kommunikation. Dabei spielt die rasante Informationsbereitstellung und -übermittlung, die zum Teil durch Verschlüsselungstechniken dem unbefugten Surfer nicht zugänglich ist, für die Extremisten eine entscheidende Rolle. So sind sie in der Lage schnell ihre Anhänger zu mobilisieren, zum Teil sogar mit minutengenauen Informationen zu versorgen und können aktuellen Geschehnissen zeitnah begegnen. Das Internet dient ihnen auch zur Propagandaarbeit oder Mitgliederwerbung, zum Teil durch aktive Beteiligung an Info-Boards, Newsgroups, Blog-Beiträgen oder auch in so genannten Social-Networks. Durch die technische Vereinfachung in der Anwendung und überwiegend kostenlose Nutzung, zum Teil auf anonymen oder im Ausland gehosteten Servern, haben gerade diese Kommunikationsmöglichkeiten einen besonders hohen Stellenwert. Quantitativ haben sich die Webauftritte der Linksextremisten nicht wesentlich verändert und liegen bundesweit bei ca. 1.100 Portalseiten. 103 5.3 Ausländerextremismus 5.3.1 Islamistische Gruppen Das Internet stellt ebenfalls seit einigen Jahren das wichtigste Kommunikationsund Propagandamedium im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus dar. Auf den Seiten wird das gesamte Spektrum von Religionsauslegungen über Rechtsgutachten (Fatwas) bis hin zu politischen Botschaften abgedeckt. Auf den Seiten jihadistischer Prägung kommen Märtyrerverherrlichung und Anleitungen zur Herstellung von Sprengkörpern hinzu. Im Bereich der jihadistischen Internetseiten setzte sich 2008 der Trend fort, vermehrt Material in deutscher Sprache oder mit deutschen Untertiteln einzustellen. Eine zuverlässige Bestimmung der Anzahl islamistischer Seiten im weltweiten Internet ist nicht möglich. Dies liegt u.a. daran, dass Islamisten neben ihren zahlreichen eigenen Internetseiten auch interaktive, teilweise nicht spezifisch islamistische Internetdienste wie Weblogs, Diskussionsforen oder Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen. So haben Islamisten umfängliches Videomaterial auf kostenlosem und anonym nutzbarem Speicherplatz kommerzieller Anbieter eingestellt. 104 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen / Sonstige ausländische Organisationen Überwiegend türkische und kurdische Organisationen präsentieren sich im Internet mit deutschsprachigen Webseiten, die zumeist das aktuell politische Geschehen in ihrem Heimatland zum Inhalt haben. Besonders türkische Linksextremisten propagieren dabei die Überwindung der politischen Verhältnisse in der Türkei. Dazu solidarisieren sie sich häufig auch mit deutschen Linksextremisten und rufen zur Teilnahme an deren Demonstrationen auf. Besonders umfangreich sind zum Teil in deutscher Sprache gehaltene Webseiten kurdischer Organisationen. Sie informieren über die aktuelle Lage in der Türkei und Kurdistan, schildern tägliche Kampfgeschehnisse und bekunden ihre Solidarität mit dem inhaftierten Kurdenführer Abdullah ÖCALAN. Gemeinsam mit deutschen Linksextremisten rufen sie zu Veranstaltungen und Demonstrationen gegen Folterungen, Verhaftungen, Vertreibungen und militärische Operationen in Kurdistan und in der Türkei auf. Daneben veröffentlichen sie auch Propagandaschriften und Grundsatzerklärungen ihrer Organisationen oder berichten über ihre gefallenen "Freiheitskämpfer". 105 6. Spionageabwehr 6.1 Auftrag und allgemeine Lage Die Spionageabwehr hat die gesetzliche Aufgabe (SS 5 S.1 Nr.2 LVerfSchG), planmäßig und gezielt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten einer fremden Macht zu sammeln und auszuwerten. Dies dient der Aufklärung von Strukturen, Arbeitsmethoden und Zielen fremder Nachrichtendienste und der Verhinderung von Spionageaktivitäten. Neben der Spionage zählten auch die Sabotage sowie die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten dieser Dienste. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Tätigkeiten als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Ferner stehen die Aufklärung und Verhinderung aller Aufrüstungsversuche so genannter Krisenländer9 mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen und der damit einhergehenden Verbreitung dieser Massenvernichtungsmittel im Aufgabenheft der Spionageabwehr. Die im europäischen Vergleich nach wie vor hohe Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland ist ein deutliches Zeichen für ihr großes Interesse an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den wissenschaftlich-technischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland. Die russischen Nachrichtendienste sind seit Jahren am stärksten vertreten und wurden im letzten Jahr von ihrer politischen Führung mehrfach öffentlich aufgefordert, ihre Aktivitäten zu erhöhen, um so einen Beitrag zur Fortentwicklung Russlands zu leisten. Mit einer Exportquote von rund 40 Prozent nimmt Rheinland-Pfalz eine Spitzenstellung ein. Die rheinland-pfälzische Wirtschaft ist vielfältig und macht das Land zu einem begehrten Operationsgebiet für Spione. 9 Krisenländer werden inzwischen als proliferationsrelevante Länder bezeichnet. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABCWaffen in einem Krieg einsetzen oder diese zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u. a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien) 106 Die beliebteste Methode mit den größten Erfolgen ist hierbei die Quelle im Objekt10. Diese Spionageform bezeichnet man als Human Intelligence (HUMINT)11. Aus belanglosen Gesprächen mit Zielpersonen aus Politik, Wirtschaft und Forschung sollen sich enge Vertrauensverhältnisse entwickeln, die dem Erlangen von sensiblen Informationen und Daten aus internen und vertraulichen Quellen dienen. Aber auch die elektronische Aufklärung von Gesprächen mit nachrichtendienstlicher Technik (SIGINT12) und die Überwachung elektronisch übertragener Daten (COMINT13) zählen zum Spektrum nachrichtendienstlicher Methoden. Besondere Risiken ergeben sich aus der Nutzung "Sozialer Netzwerke" (OnlineCommunities) im Internet. Sie erfreuen sich im privaten wie geschäftlichen Bereich steigender Beliebtheit und sind mittlerweile zu einem Massenphänomen mit globaler Reichweite geworden. Die Preisgabe persönlicher Daten spielt hier eine wichtige Rolle und so bieten diese Plattformen eine interessante und aufschlussreiche Informationsquelle für fremde Nachrichtendienste. 6.2 Vorgehensweise der Spionageabwehr Schwerpunkte der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr liegen in der Aufklärung von Aktivitäten russischer und chinesischer Nachrichtendienste. Dennoch wird, gemäß dem gesetzlichen Auftrag, der "360deg-Blick" gewahrt und mögliche Gefahren von allen Seiten werden abgewehrt. Die Auswertung gewonnener Informationen und Erkenntnisse, der regelmäßige Kontakt zu Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik sowie der Austausch mit den Verfassungsschutzbehörden in ganz Deutschland verhindern die Bemühungen fremder Nachrichtendienste und schränken ihren Aktionsradius ein. 10 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 11 Unter HUMINT versteht man das Abschöpfen von Informationen durch Agenten in persönlichen Kontakten. 12 Signals Inelligence 13 Communications Intelligence 107 Beispiele: Fall Eurocopter Die Verurteilung eines deutschen Maschinenbauingenieurs wegen Spionage durch das Oberlandesgericht München am 16. Juni 2008 macht deutlich, welchen Schaden Spionage verursachen kann. Der Verurteilte gab vertrauliche Informationen - Benutzerhandbücher, Firmenunterlagen und auf Datenträgern gespeicherte technische Details über Fluggeräte an den russischen Geheimdienst weiter. Lediglich seine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden verhalf ihm zu einer Bewährungsstrafe. Chinesische Stipendiaten müssen Lehrfilm des Inund Auslandsgeheimdienstes anschauen Ohne Ausnahme muss jeder Chinese, der ein staatliches Stipendium für einen Studienoder Promotionsaufenthalt im Ausland erhalten will, vorher eine Informationsveranstaltung des als Inund Auslandsgeheimdienst strukturierten MSS14 besuchen. Die Filmvorführung dient dazu, über die vermeintlichen Gefahren zu informieren, die von den so genannten Fünf Giften15 ausgehen und soll die Stipendiaten zur Meldung besonderer Auffälligkeiten aus diesen Bereichen anhalten. Chinesische Gastwissenschaftler mehrfach zur Zusammenarbeit mit chinesischen Nachrichtendiensten aufgefordert Dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse darüber vor, dass chinesische Studenten und Postgraduierte, die von ihrem Heimatland ein Staatsstipendium erhalten, häufig bereits vor wie auch nach ihrer Ausreise nach Deutschland zu einer Zusammenarbeit mit der Auslandsabteilung des MSS 14 Ministry for State security 15 Als die "Fünf Gifte" werden in China amticherseits bezeichnet und verfolgt: die Falun Gong Bewegung, die Volksminderheiten der Tibeter und der Uiguren sowie Anhänger der chinesischen Demokratiebewegung und für ein unabhängiges Taiwan. 108 aufgefordert wurden. Auch nach der Ankunft in Deutschland waren sie bisweilen trotz anhaltender Ablehnung den Werbungsversuchen der chinesischen Dienste ausgesetzt. Proliferation Auch im Jahr 2008 waren rheinland-pfälzische Firmen Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche aus dem Iran. Abgetarnt in Netzwerken versuchten ausländische Firmenangehörige, unbemannte Flugobjekte (Unmanned Air Vehicles - UAV; in Deutschland bekannt als Drohnen), Steuerungsund Antriebsteile (Kreiselkompasse und Motoren/Triebwerke), Ersatzteile für die Navigationstechnik, Navigationsgeräte militärischer Prägung, CNC-gesteuerte Werkzeugmaschinen sowie Messgeräte für die Nukleartechnik zu erwerben. Diese Güter waren aufgrund ihrer eindeutigen Endverwendung oder des bestehenden UNEmbargos ausfuhrgenehmigungspflichtig bzw. überhaupt nicht ausfuhrgenehmigungsfähig. In Einzelfällen leisteten rheinland-pfälzische Firmen anderweitig illegale Unterstützungshandlungen, z. B. im Rahmen von ausfuhrgenehmigungspflichtigen Finanztransfers (Cash Flow). Hierbei wandten sich die iranischen Einkäufer nicht nur unmittelbar an die in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Hersteller der sensiblen Technik. Vielmehr suchten sie sich offensichtlich gezielt im Imund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Erfahrungen im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. Der Gütertransfer selbst gehörte nicht unbedingt zum Geschäftszweck und lag auch außerhalb jedweder Interessenssphäre der angefragten Firmen, allerdings verfügten sie international über entsprechende Verbindungen und Beziehungen. Ihnen war das Ansinnen der iranischen Einkäufer zumindest zweifelhaft, weshalb sie sich, sensibilisiert durch Veröffentlichungen, an die rheinland-pfälzische Spionageabwehr wandten. Wie im Vorjahr auch, führten intensive Ermittlungen zur Aufdeckung von bundesweiten Beschaffungsnetzwerken des Iran. Die den angefragten Firmen drohenden ausfuhrrechtlichen wie auch strafrechtlichen Sanktionen, aber auch die Gefahr eines Reputationsverlustes im internationalen Handel konnten durch 109 die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz im Vorfeld abgewendet werden. Beispiel: Verurteilung wegen Proliferation Die hohe Strafbarkeit von proliferationsrelevanten Unterstützungshandlungen wurde durch das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2008 dokumentiert. Es verurteilte einen geständigen deutschen Ingenieur zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, weil er zwei ausländische Tatbeteiligte bei der Herstellung eines Verrohrungssystems für Gasultrazentrifugen (GUZ) zur Hochanreicherung von Uran in Südafrika zwischen 2000 und 2003 durch technische Hilfestellung unterstützt hatte. Ein internationales Netzwerk um den pakistanischen Atomwissenschaftler Dr. Abdul Quader Khan hatte dieses System zur Unterstützung des illegalen Nuklearprogramms von Libyen organisiert. Die Auslieferung wurde verhindert. Nach Anrechnung der Untersuchungshaft von ca. 21 Monaten und Zahlung von 3,5 Millionen Euro durch den Verurteilten wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Wirtschaftsschutz Mit der bereits Mitte der 90er Jahre gegründeten und im Jahr 2005 inhaltlich und organisatorisch breiter angelegten Sicherheitspartnerschaft übernahm Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle für die Einbindung von Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft in präventive Abwehrstrategien. Dem von Sicherheitsverantwortlichen aus den Unternehmen geäußerten Wunsch nach mehr Unterstützung in Sicherheitsfragen wurde im vergangenen Jahr u.a. durch das gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium veranstaltete "Sicherheitsund Wirtschaftsforum" Rechnung getragen. Die Veranstaltung zeigte mehr als 100 teilnehmenden Vertretern aus der 110 rheinland-pfälzischen Politik und Wirtschaft Chancen und Risiken der Globalisierung auf. Darüber hinaus wurden Firmen und Sicherheitspartner über aktuelle Entwicklungen in sicherheitsrelevanten Themenfeldern informiert. Mit gezielten Beratungsgesprächen (ca. 50) in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Industrie wurde die Präventionsarbeit im Rahmen des Wirtschaftsschutzes weiter intensiviert. Hinzu kamen Vortragsveranstaltungen (11) in Unternehmerkreisen, Workshops und Tagungen, die durch ihre Multiplikatorenwirkung die Sensibilität für Spionagegefahren erhöhen. Die Maßnahmen des Verfassungsschutzes zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft haben sich zuletzt auch im Zusammenhang mit der zunehmenden illegalen technischen Ausspähung elektronischer Netzwerke bewährt und genießen auch künftig besondere Relevanz. Dies umso mehr, als oftmals menschliche Unzulänglichkeiten von Mitarbeitern dafür verantwortlich sind, dass entsprechende Zugangsmöglichkeiten für fremde Nachrichtendienste eröffnet werden. Kommunikationstechnik Ein erneuter Anstieg des Erkenntnisaufkommens wurde im Bereich der elektronischen Aufklärung (COMINT) festgestellt. Diese vermehrt über das Internet betriebene Ausforschung mittels Computer wurde nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang des Anwenders begünstigt. Unzureichend geschützte Netzwerkstrukturen ermöglichten Kennern Zugriffe auf nahezu alle Informationsebenen. Die Bandbreite der eingesetzten Schadsoftware reichte dabei von einfachen Virusprogrammen zur Sabotage bis hin zu signaturarmen und deshalb schwer zu lokalisierenden Trojanern, die in Netzwerksystemen eine so genannte Backdoor 16 öffneten und dem Angreifer ermöglichten, auf das so gekaperte Netzwerk zuzugreifen. 16 Backdoor (dt. Hintertür) ist eine Umgehung der normalen Zugriffssicherung um einen Zugang zu einem Computer/ Netzwerk zu erlangen. 111 E-Mail Attacken betrafen neben bundesdeutschen Behördennetzwerken auch rheinland-pfälzische Firmen. Diese gezielten Angriffe, denen meist ein "Social Engineering"17 vorgeschaltet war, ließen sich in einigen Fällen auf chinesische Nachrichtendienste zurückführen, die ihre Kapazitäten im Bereich der elektronischen Ausspähung massiv ausbauten. Angereichert durch einen für den Empfänger interessanten Inhalt wurde dieser dazu "verführt", die E-Mail bzw. die Anlage zu öffnen. Damit installierte sich unbemerkt der Trojaner. Die betroffenen rheinland-pfälzischen Firmen, standen/stehen im Kontakt mit dem Verfassungsschutz und wurden/werden fortlaufend betreut. Es ist bisher in keinem Fall zu einem ungewollten Informationsabfluss gekommen. Eine besondere Gefahr ging von USB-Sticks aus, die dazu genutzt wurden, Schadsoftware zur späteren Ausspähung über das Internet auf ein System einzubringen. Beispiel: USB-Stick als Trojanerfalle Ein Firmenvertreter wurde auf einer Geschäftsreise gezwungen, seine Präsentation mit dem dort vorhandenen Equipment durchzuführen. Dazu musste er mit einem freundlicherweise zur Verfügung gestellten USB-Stick die Daten von seinem Notebook übertragen. Eine spätere Überprüfung dieses Notebooks ergab, dass mit dem USB-Stick ein Trojaner eingeschleust worden war, der bei einer Verbindung des Gerätes mit dem Internet zu enormen Schäden hätte führen können. Die Spionageabwehr bietet mit der Herausgabe ihrer Broschüre "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - mit Sicherheit ein Gewinn!" von August 2008 einen aktuellen Überblick über Risiken, die durch den Verlust von sensiblen Daten drohen. 17 Social Engineering nennt man zwischenmenschliche Beeinflussungen mit dem Ziel, unberechtigt an Daten oder Dinge zu gelangen. 112 Weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter www. ism.rlp.de abrufbar. 113 7. Geheimschutz/Sabotageschutz Der Geheimschutz gehört zum Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats, indem er Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand, lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden kann, vor unbefugter Kenntnisnahme schützt. Diese geheim zu haltenden Tatsachen werden als staatliche Verschlusssachen bezeichnet. Der Verfassungsschutz ist im Bereich des Geheimschutzes als mitwirkende Behörde, gemeinsam mit den originär zuständigen Behörden wie auch den Sicherheitsbevollmächtigten der geheimschutzbetreuten Wirtschaft, für die personellen Sicherheitsüberprüfungen verantwortlich. Er hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die im staatlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen durch geeignete materielle und organisatorische Maßnahmen gesichert werden. Personeller Geheimschutz Der staatliche personelle Geheimschutz wirkt dem Geheimnisverrat durch Personen entgegen, die in Behörden Zugang zu staatlichen Verschlusssachen haben oder erhalten sollen. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LSÜG) wird festgestellt, ob der (zukünftige) Geheimnisträger nach seinem bisherigen Verhalten für den Umgang mit den ihm anvertrauten Verschlusssachen geeignet ist. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung (SÜ) übermittelt der Verfassungsschutz dem Geheimschutzbeauftragten der Behörde oder Stelle als "Sicherheitsvotum". Gleiches gilt für Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, die mit staatlichen Verschlusssachen umgehen und deshalb der staatlichen Geheimschutzbetreuung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unterliegen. Neben dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz ist hier das "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft" (Geheimschutzhandbuch) Grundlage der weitergehenden Maßnahmen, zu dessen Anwendung alle Beteiligten sich freiwillig verpflichten. Die in Rheinland-Pfalz ansässigen Betriebe, insbesondere solche der Hoch114 technologie, werden im Interesse eines umfassenden Wirtschaftschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse. Diesbezüglich werden seitens der Verfassungsschutzbehörde im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft für die Wirtschaft auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen entsprechend sensibilisiert. Sabotageschutz Im Jahr 2003 wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz in das LSÜG aufgenommen. Danach ist einer Sicherheitsüberprüfung auch die Person zu unterziehen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung beschäftigt ist oder beschäftigt werden soll. Auch bei den diesbezüglichen Sicherheitsüberprüfungen wirkt die Verfassungsschutzbehörde wie beim personellen Geheimschutz mit. Ebenso ist der Verfassungsschutz beispielsweise bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach SS 12b Atomgesetz sowie nach SS 7 Luftsicherheitsüberprüfungsgesetz für den Flughafen Hahn beteiligt. 115 C. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 116 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2007, GVBl. 2007, S. 301 Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS 1 Zweckbestimmung SS 2 Verfassungsschutzbehörde SS 3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS 4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS 5 Beobachtungsaufgaben SS 6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS 7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS 9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle 117 Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung dess Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 118 Teil 1 Grundgesetzes stehen der VerfassungsschutzbeAllgemeine Bestimmungen hörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem LandesgeSS1 setz hat. Zweckbestimmung SS4 Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der Begriffsbestimmungen freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Länder. 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes SS2 oder eines Landes politisch bestimmte, Verfassungsschutzbehörde zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammen(1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes schluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom des Bundes oder eines Landes von fremder Ministerium des Innern und für Sport als VerfasHerrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit sungsschutzbehörde wahrgenommen. zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen Gebiet abzutrennen; einander nicht angegliedert werden. 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, SS3 zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen Zusammenarbeit in Angelegenheiten des in einem oder für einen PersonenzusammenVerfassungsschutzes schluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funk(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, tionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokraDie Zusammenarbeit besteht insbesondere in tische Grundordnung politisch bestimmte, gegenseitiger Unterstützung und im Informationszielund zweckgerichtete Verhaltensweisen austausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer in einem oder für einen PersonenzusammenEinrichtungen. schluss, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrund(2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer sätze zu beseitigen oder außer Geltung zu Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung setzen. der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz Für einen Personenzusammenschluss handelt, gemäß wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), die nicht in einem oder für einen Personenzusamzuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom menschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur im Benehmen dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder beschädigen. zulassen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in 119 Wahlen und Abstimmungen und durch 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrebesondere Organe der Gesetzgebung, der publik Deutschland, die gegen den Gedanken vollziehenden Gewalt und der Rechtspreder Völkerverständigung ( Artikel 9 Abs. 2 des chung auszuüben und die Volksvertretung in Grundgesetzes) oder das friedliche Zusamallgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und menleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des geheimer Wahl zu wählen, Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfasBestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. sungsmäßige Ordnung und die Bindung der Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung planmäßige Sammlung und Auswertung von an Gesetz und Recht, Informationen, insbesondere von sachund 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer personenbezogenen Auskünften, Nachrichten parlamentarischen Opposition, und Unterlagen. 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der SS6 Volksvertretung, Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherr1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhalschaft und tungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder 7. die im Grundgesetz konkretisierten Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang Menschenrechte. dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, Teil 2 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen EinrichSS5 tungen beschäftigt sind oder werden sollen, Beobachtungsaufgaben 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme demokratische Grundordnung, den Bestand durch Unbefugte sowie oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes SS7 oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Deutschland für eine fremde Macht, Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschnach SS 5 . land, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachauswärtige Belange der Bundesrepublik lich zuständige Minister unterrichtet die ÖffentDeutschland gefährden, und lichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach 120 SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des SS 10 Verfassungsschutzes. Besondere Befugnisse (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten und Gegenstände einschließlich technischer Mittel bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachfür das Verständnis des Zusammenhanges oder der richtendienstliche Mittel) anwenden. NachrichtenDarstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach dienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteder Bekanntgabe das schutzwürdige Interesse der ten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das betroffenen Person überwiegt. Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Teil 3 Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichBefugnisse der Verfassungsschutzbehörde tendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die SS8 Anordnung solcher Informationsbeschaffungen Allgemeine Rechtsgrundsätze regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamenta(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz rischen Kontrollkommission vorzulegen. und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Grundgesetzes). Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insMaßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde besondere das heimliche Mithören oder Aufzeichdiejenige zu treffen, die einzelne Personen und nen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg durch die fachlich zuständige Ministerin oder den erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. Dezember 2002 (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten Kommission; bei gegenüber der Polizei stehen der VerfassungsGefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung schutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. erhobenen personenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel SS9 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, Allgemeine Befugnisse 2298), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes ihrer Aufgaben nach den SS 5 und und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten SS 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderder Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informanahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. tionen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. zulässig, wenn 121 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht Lebensgefahr für einzelne Personen, unerlässlich von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von solcher Erkenntnisse erforderlichen NachBildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahrichtenzugänge gewonnen werden können, men nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzudie fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich nehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 zuständigen Minister angeordnet werden; eine richverdächtige Person bestimmte Mitteilungen terliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. entgegennehmen oder weitergeben oder sonDie Verwendung der durch Maßnahmen nach den stigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Strafdiese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgetaten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS fährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes . Die durch für eine fremde Macht oder gewalttätige Maß-nahmen nach Satz 1 erhobenen personenbeBestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu zogenen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in gewinnen, SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen genannten Straftaten verwendet werden. und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum und Nachrichtenzugänge der VerfassungsSchutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen schutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich erforderlich ist oder zuständigen Minister angeordnet werden. Eine 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum und der hieraus gewonnenen Informationen Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche zwingend erforderlich ist. Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die RechtErforschung des Sachverhaltes auf andere, Betrofmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; fene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheieine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel dung unverzüglich nachzuholen. anzunehmen, wenn die Information auch aus (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtskann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen gericht Mainz. Für das Verfahren gelten die BestimMittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur mungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stefreiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. hen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätwenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte zen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme Weise erreicht werden kann. ausgeschlossen werden kann. Lässt sich zu diesem (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die MitWohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit teilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks technischen Mitteln nur heimlich mithören oder der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission ist 122 über die Gründe, die einer Mitteilung entgegensteTelekommunikation und zukünftige Nutzung von hen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für Telediensten verlangt werden. Telekommunikatigeboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. onsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind SS 10a 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Weitere Einzelfallbefugnisse Standortkennungen sowie Rufnummer oder (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Kennung des anrufenden und angerufenen bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten Anschlusses oder der Endeinrichtung, und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechund Uhrzeit, tigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Betei3. Angaben über die Art der vom Kunden ligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen in Anspruch genommenen Telekomeinholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben munikationsund TeledienstDienstnach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und leistungen, tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende Gefahren für die in 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. vorliegen. (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des von Transportleistungen und sonstigen Umständen Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmelihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderdegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu begrünlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer den. Über den Antrag entscheidet die Leiterin oder wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 der Leiter oder die stellvertretende Leiterin oder genannten Schutzgüter vorliegen. der stellvertretende Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Innern und für Sport. Die fachlich zuständige Minizur Erfüllung ihrer Aufgaben nach sterin oder der fachlich zuständige Minister unterSS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen richtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstdes Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebilleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an dete Kommission über die beschiedenen Anträge der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich Postfächern und sonstigen Umständen des Postverzuständige Minister den Vollzug der Entscheidung kehrs einholen. auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall anordnen. Für die Aufgaben und Befugnisse der zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 Kommission sowie die Mitteilung von Maßnahmen bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des nach den Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen findet Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsdas Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle mäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmelerbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich degeheimnisses entsprechende Anwendung. Auskünfte über Telekommunikationsverbindungs(6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst daten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die dürfen den Betroffenen oder Dritten vom AusAuskünfte können auch in Bezug auf zukünftige kunftsgeber nicht mitgeteilt werden. 123 (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 bis 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 des betroffenen Person nicht entgegenstehen. Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben über die durchgeführten Maßnahmen nach den nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Konuntrennbar verbunden sind. Daten, die für das trollgremium des Bundes unter entsprechender Verständnis der zu speichernden Informationen Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfasmit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in sungsschutzgesetzes . diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei BetrofTeil 4 fenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der ErheDatenverarbeitung bungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. SS 11 (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen Erhebung, Speicherung und Nutzung personenzur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogener Daten bezogene Daten über die Personen gespeichert (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, unterliegen oder in diese einbezogen werden. in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensivon Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 cherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgevorliegen, mäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage 2. dies für die Erforschung und Bewertung von gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erfornur insoweit verarbeitet werden, als dies zur derlich ist oder Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder erforderlich ist. Freiheit einer Person erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezoSS 12 gener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS Berichtigung, Löschung und Sperrung personen- 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder bezogener Daten andere Datenträger belegbar sein. (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächSinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst bezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarsind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, beitet werden, wenn dass in Akten gespeicherte personenbezogene 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen Daten unrichtig oder unvollständig sind. oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien ist, im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für wäre und die Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 124 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unteröffentlichen Stellen des Landes und der kommubleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass nalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden einschließlich personenbezogener Daten überpersonenbezogenen Daten entsprechenden Akten mitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittder Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin lung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungserforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand schutzbehörde erforderlich ist. möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle für sonstige Akten, wenn die VerfassungsschutzbeAngelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung hörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine kommunalen Gebietskörperschaften Informationen Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der EinVerfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden wortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des soll nur dann gestellt werden, wenn die InformaSS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen tionen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu bericherhoben werden können. tigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personen(3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete bezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung persoJahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten nenbezogener Informationen oder Informationsberelevanten Information zu löschen, es sei denn, die stände von öffentlichen Stellen des Landes und der Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungskommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, schutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürTätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrediger Interessen Betroffener erforderlich ist. bungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den SS 13 Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Informationsübermittlung an die VerfasLandes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bunsungsschutzbehörde desrepublik Deutschland gefährden oder gegen den (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der Gedanken der Völkerverständigung oder das friedkommunalen Gebietskörperschaften übermitteln liche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die von sich aus der Verfassungsschutzbehörde InforVerfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in mationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur die amtlichen Dateien und sonstigen InformationsErfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit bestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungszwingend erforderlich ist und durch eine andere Art handlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährund 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die det oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträch125 tigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 a des Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 des Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Strafdurch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende taten sowie sonstige Straftaten, bei denen Merkmale zu beschränken. auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel Zwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte genannten Schutzgüter gerichtet sind, dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des Stelle erforderlich ist und die Übermittlung Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden SS 14 Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Informationsübermittlung durch die VerStraftaten oder von Verbrechen, für deren Vorfassungsschutzbehörde bereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffent4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur liche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung Erfüllung der Aufgaben der empfangenden ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, Stelle erforderlich ist und diese die personensoweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die bezogenen Daten für Zwecke benötigt, die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbenur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übersondere dem Schutz von Leben, Gesundheit mittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes oder Freiheit einer Person oder dem Schutz bestimmt ist. von Sachen von bedeutendem Wert oder der (2) Zu anderen Zwecken darf die VerfassungsschutzGewährleistung der Sicherheit von lebensbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt oder verteidigungswichtigen Einrichtungen im ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes dienen und dies mit den Aufgaben der 1. die Dienststellen der StationierungsstreitVerfassungsschutzbehörde nach den SS 5 und SS kräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzab- 6 vereinbar ist. kommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des BunRechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der desverfassungsschutzgesetzes übermittelt die in der Bundesrepublik Deutschland statioVerfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch nierten ausländischen Truppen vom 3. August den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, geändert durch Abkommen vom 18. März den Polizeibehörden des Landes Informationen 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie 2. die Staatsanwaltschaften und die PolizeibeAbs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . hörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a der Strafprozessordnung (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Straftaten und sonstigen Straftaten im Landes und der kommunalen GebietskörperRahmen der organisierten Kriminalität; schaften Auskunft einschließlich personenbezo126 gener Daten aus vorhandenen Unterlagen über geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Macht, Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstdenen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen lichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss zur Unterwanderung von WirtschaftsunternehErfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle men durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zwingend erforderlich sein. genannten Bestrebungen oder (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzoder Vermögen einer Person erforderlich. Die gesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Übermittlung bedarf der Zustimmung der Militärischen Abschirmdienst Informationen fachlich zuständigen Ministerin oder des facheinschließlich personenbezogener Daten. lich zuständigen Ministers oder der Leiterin (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbeoder des Leiters der für den Verfassungsschutz zogene Daten an ausländische Nachrichten-dienste zuständigen Abteilung des Ministeriums des angrenzender Staaten, an andere ausländische Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu öffentliche Stellen sowie an überund zwischenmachen. Die empfangende Stelle ist darauf staatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermitthinzuweisen, dass die übermittelten personenlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 bezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitswerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt interessen der empfangenden Stelle erforderlich wurden, und dass die Verfassungsschutzist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichbehörde sich vorbehält, Auskunft über die tendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Nutzung der personenbezogenen Daten zu Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt verlangen. in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende SS 15 schutzwürdige Interessen Betroffener entgegensteÜbermittlungsverbote hen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der sie ihr übermittelt wurden, und dass die VerfasBetroffenen dies erfordern, sungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies die Nutzung der personenbezogenen Daten zu erfordern, insbesondere Gründe des Quellenverlangen. schutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentoder sonstige Geheimhaltungsgründe entgeliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, genstehen oder dies ist 3. besondere gesetzliche Übermittlungsrege1. zum Schutze der freiheitlichen demokralungen entgegenstehen; die Verpflichtung tischen Grundordnung, des Bestandes oder der zur Wahrung gesetzlicher GeheimhaltungsSicherheit der Bundesrepublik Deutschland pflichten oder von Berufsoder besonderen oder eines ihrer Länder oder zur GewährleiAmtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen stung der Sicherheit von lebensoder verteiVorschriften beruhen, bleibt unberührt. digungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder SS 16 127 Besondere Pflichten bei der Übermittlung perso(4) Personenbezogene Daten über das Verhalten nenbezogener Daten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach Gesetzes nicht an ausländische oder überoder ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden SS 18 Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich Auskunft an Betroffene ohne Bedeutung. (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betrof(2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den fenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die wenn die Trennung von anderen personenbeempfangende Stelle bei Übermittlungen. Über zogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben personenbezogene Daten in nichtautomatisierten erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Dateien und Akten, die nicht zur Person von BetrofAufwand möglich ist; in diesem Fall sind die persofenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, nenbezogenen Daten zu sperren. soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem SS 17 Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht Minderjährigenschutz besteht nicht. (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebens1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüljahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 lung zu besorgen ist, Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein gespeichert werden. können oder die Ausforschung des Erkenntnis(2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. standes oder der Arbeitsweise der VerfasLebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. sungsschutzbehörde zu befürchten ist, 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder gespeicherte personenbezogene Daten sind nach sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Nachteile bereiten würde oder Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. überwiegenden be-rechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die der für den Verfassungsschutz zuständigen AbteiVoraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt lung des Ministeriums des Innern und für Sport oder sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht hierzu besonders Beauftragte. mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeuder Auskunftsverweigerung ge-fährdet würde. Die tung erforderlich ist. Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkun128 dig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abge(3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrolllehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für kommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der ParlaLandesbeauftragten für den Datenschutz wenden mentarischen Kontrollkommission bekannt werden. können. Mitteilungen der oder des LandesbeaufDies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. tragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seikeine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der ner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied hat. zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausSS 19 scheidet. Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den DatenSS 21 schutz ist auf Verlangen Zutritt zu den DiensträuBefugnisse der Parlamentarischen Konmen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft trollkommission zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachfachlich zuständige Ministerin oder der fachlich lich zuständige Minister unterrichtet die Parlamenzuständige Minister im Einzelfall feststellt, dass tarische Kontrollkommission mindestens zweimal dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Landes gefährdet wird. Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich Teil 5 überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Parlamentarische Kontrolle Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist SS 20 insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Parlamentarische Kontrollkommission Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen 4 zu geben. Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbeumfassende Unterrichtung der Parlamentarischen hörde bildet der Landtag zu Beginn jeder WahlpeKontrollkommission verlangen. Dies schließt ein riode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und Unterlagen ein. der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Parlamentarischen Kontrollkommission werden Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission unter Beachtung des notwendigen Schutzes des bleiben unberührt. Nachrichtenzugangs durch die politische Verant(2) Die Parlamentarische Kontrollkommission wortung der fachlich zuständigen Ministerin oder besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder Teil 6 gewählt werden. Die Parlamentarische KontrollSchlussbestimmungen kommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. 129 SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) 130 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 131 Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Telefon: 06131 16-3772 www.verfassungsschutz.rlp.de