Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2007 ISSN 0948-8723 Vorwort Rheinland-Pfalz ist im Jahr 2007 ungeachtet der vielfältigen Gefahren für die Innere Sicherheit durch Extremismus, Terrorismus und fremde Nachrichtendienste ein sicheres Bundesland geblieben. Der Verfassungsschutz unseres Landes hat daran entscheidenden Anteil. Seine Arbeitsschwerpunkte und Strukturen entsprechen stets der aktuellen Lageentwicklung. Er ist gut aufgestellt und nimmt sich offensiv und kompetent der aktuellen sicherheitsrelevanten Herausforderungen an. Zu diesen Herausforderungen und Gefahren für die Innere Sicherheit zählt weiterhin der internationale, islamistische Terrorismus. Islamistische Terroristen haben eine global vernetzte und auch nach Deutschland reichende organisatorische, virtuelle und paramilitärische Infrastruktur aufgebaut. Im September 2007 wurden im Sauerland mehrere Terrorismusverdächtige festgenommen, die in Vorbereitungshandlungen für schwere Sprengstoffanschläge, möglicherweise auch auf den US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein, verwickelt waren. Schon nach den fehlgeschlagenen Anschlägen auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn 2006 wurde so abermals deutlich, dass auch Deutschland in den Fokus islamistischer Terroristen gerückt ist. Dies unterstreichen mehrere im Jahre 2007 veröffentlichte Videobotschaften, die Drohungen gegen die Bundesrepublik Deutschland enthalten sowie die tödlichen Anschläge gegen drei Bundeswehrsoldaten und drei deutsche Polizisten in Afghanistan. Um der so gestiegenen Terrorgefahr in Deutschland besser begegnen zu können, wurde am 31. Dezember 2006 das Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Antiterrordateigesetz) verabschiedet. Die Antiterrordatei wurde am 30. März 2007 in Betrieb genommen. Sie dient der Bündelung von Daten, die zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland beitragen und zugleich einer engeren Vernetzung der deutschen Sicherheitsbehörden auf der Grundlage eines zügigen Datenaustauschs. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt eine zentrale Aufgabe für Staat und Gesellschaft. Rechtsextremistische Agitation und rechtsextremistische Gewalttaten gegen Mitmenschen sind auch Angriffe auf die freiheitliche demokratische Grundordnung - Toleranz gegenüber rechtsextremistischer Intoleranz darf es daher zu keiner Zeit geben. Die zahlreichen Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und die vielen Aktivitäten aus der Gesellschaft zeigen Wirkung. Die Hoffnung der Rechtsextremisten, in Rheinland-Pfalz an Boden zu gewinnen, ist im Jahr 2007 nicht aufgegangen. Das rechtsextremistische Spektrum ist in unserem Bundesland kleiner geworden. Das soll jedoch kein Anlass zur Entwarnung sein. Teile der rechtsextremistischen Szene haben ihre Bemühungen um Akzeptanz in der demokratischen Mehrheitsgesellschaft verstärkt. Manche wähnen sich gar auf dem "Marsch in die Mitte der Gesellschaft". Ihr Verhalten in der Öffentlichkeit ist zunehmend von taktischen Überlegungen bestimmt, indem etwa auf provokative Auftritte oder aggressive Parolen verzichtet wird. An der rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Gesinnung der Rechtsextremisten hat sich dessen ungeachtet nichts geändert. Rechtsextremisten intensivierten im Jahr 2007 ihre Aktivitäten in einzelnen Kommunen, um sich dort mit Blick auf künftige Wahlen dauerhaft zu verankern. Anhaltend ausgeprägt sind auch ihre Bemühungen um Nachwuchsgewinnung unter Schülern und Jugendlichen. Diesen Versuchen tritt die Landesregierung mit entsprechenden Maßnahmen nachdrücklich entgegen. So werden etwa auf kommunaler Ebene die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus stärker konzentriert. Nach wie vor gelten auch der Linksextremismus und die extremistischen Bestrebungen von Ausländern als Gefahrenpotenziale für den freiheit- lichen Rechtsstaat. Teile des linksextremistischen Spektrums haben 2007 den G-8-Gipfel in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern zum Anlass für gewalttätige Ausschreitungen genommen. Diese Linksextremisten haben damit nicht nur ihre Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates in Szene gesetzt. Durch ihre Gewalttätigkeit haben sie auch ihre Menschen verachtende Skrupellosigkeit bewiesen. Dabei wurden durch Straftaten der militanten Autonomen mehrere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte schwer verletzt und bereits im Vorfeld des Gipfels hohe Sachschäden verursacht. Ein weiteres Themenund Aktionsfeld bleibt nach wie vor für die autonome Szene der Kampf gegen echte oder vermeintliche Rechtsextremisten ("Antifa"). Auch hier duldet die Landesregierung keine Missachtung des Rechts durch militante Linksextremisten. Für den Bereich extremistischer Ausländerorganisationen können neue Gefahren auch in unserem Bundesland durch den kurdischen Extremismus nicht ausgeschlossen werden. Die Situation bleibt hier abhängig von der möglichen weiteren Eskalation des Konflikts zwischen der Türkei und der extremistischen kurdischen Organisation KONGRA GEL (früher PKK) im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Auch im Jahr 2007 war die Bundesrepublik Deutschland Ausspähungsversuchen fremder Nachrichtendienste ausgesetzt. Die Versuche einiger Schwellenländer, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen, dauern an. Dies wurde vor allem am Beispiel der Atompolitik des Iran deutlich. Die Aussagen der US-Geheimdienste Ende des Jahres 2007, der Iran habe sein Programm zum Bau von Atomwaffen im Jahr 2003 aufgegeben, sind kein Anlass zur Entwarnung. Die seitdem festgestellten einschlägigen Beschaffungsversuche in Deutschland im Vorjahr zeigen, dass iranische Aktivitäten zur Förderung oder Unterstützung dieses Proliferationsprogramms weiterhin zu beobachten und nach Möglichkeit zu verhindern sind. Spionage wird neben den bisher bekannten Methoden seit längerem immer umfangreicher über das Internet betrieben. Konkrete Hackerangriffe von vermeintlich chinesischen Stellen betrafen im Jahr 2007 neben bundesdeutschen Regierungsstellen auch eine Vielzahl deutscher Firmen, darunter einige aus Rheinland-Pfalz. Die vom Verfassungsschutz im Rahmen ihrer "Sicherheitspartnerschaft" ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der rheinland-pfälzischen Wirtschaft vor ungesetzlicher Ausspähung haben sich bewährt und genießen auch künftig Priorität. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz wird weiterhin als Frühwarninstrument der wehrhaften Demokratie alle extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen aufmerksam beobachten, analysieren und wenn erforderlich im engen Kontakt mit anderen Sicherheitsbehörden die gesetzlich notwendigen Maßnahmen ergreifen. Ich hoffe, der Verfassungsschutzbericht findet auch dieses Jahr Ihr Interesse. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutzbericht 2007 11 2. Strukturdaten 12 3. Öffentlichkeitsarbeit Prävention durch Information 13 4. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus 14 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" 15 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 16 Überblick 2007 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 17 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 18 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 18 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 19 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 19 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 24 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 25 1.5 "Kameradschaften" 26 1.6 Rechtsextremistische Parteien 29 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 29 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 38 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 39 7 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 40 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" 40 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 41 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 41 1.8 Revisionisten 42 1.9 Auslandskontakte 43 2. Linksextremismus 44 Überblick 2007 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 45 2.2 Linksextremistische Gewalt 46 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 46 2.3.1 Autonome 46 2.3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 51 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 55 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 55 2.4.2 Partei "DIE LINKE." - ehemals "Die Linkspartei.PDS" 56 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 59 3. ISLAMISMUS 60 Überblick 2007 3.1 Personenpotenzial 61 3.2 Ideologie 61 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2007 63 8 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz 67 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 68 3.4.2 "Kalifatsstaat" 72 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziel: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") 73 3.4.4 "Tablighi Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) 75 3.4.5 Jihadistische Islamisten 77 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 79 Überblick 2007 4.1 Personenpotenzial 80 4.2 Gewalttaten 80 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) 81 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 87 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/ML) 90 4.6 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 91 4.7 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) 92 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 4.8 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 95 5. Internet/Neue Medien 98 5.1 Rechtsextremisten 98 5.2 Linksextremisten 99 5.3 Ausländerextremismus 100 5.3.1 Islamistische Gruppen 100 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen 101 9 6. Spionageabwehr 102 6.1 Auftrag und allgemeine Lage 102 6.2 Vorgehensweise der Spionageabwehr 104 6.3 Einzelerkenntnisse 104 7. Geheimschutz/Sabotageschutz 108 D. Anhang 111 Gesetze Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutzbericht 2007 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und für interessierte Bürgerinnen und Bürger zu verstehen. Bei den aufgeführten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes vor. Die Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2007. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Verfassungsschutz nicht zu allen Extremisten individuelle Erkenntnisse vorliegen. Dies folgt schon daraus, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat, zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbar extremistischem Hintergrund, wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen Staatsund Gesellschaftsordnung. 11 Als Nachrichtendienst beschafft er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen, und wertet diese aus. Seine Analysen und Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur bzw. Herkunft und Ausgangspunkt für exekutive Maßnahmen, wie Vereinigungsverbote oder die Einleitung strafprozessualer Ermittlungsverfahren. Der Verfassungsschutz darf bei seiner Aufgabenerfüllung keine polizeilichen oder strafprozessualen Zwangsmittel einsetzen; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz die Polizei in Amtshilfe auch nicht um Handlungen bitten, die ihm selbst untersagt sind. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes unterliegt der Kontrolle des rheinland-pfälzischen Landtags. Die vom Landtag eingerichtete "Parlamentarische Kontrollkommission" (PKK) wird fortlaufend umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus hat die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien zu geben und die Anhörung von Mitarbeitern zu gestatten. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz sind von der durch die vom Landtag bestellte unabhängige G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. 2. Strukturdaten Dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz gehören 167 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Im Haushaltsjahr 2007 betrug sein Budget ohne Personalkosten insgesamt 1.862.000,EUR. 12 Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) betrug 9.231 am 31. Dezember 2007. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags gemäß SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung vor den Menschenrechten können dauerhaft nicht ohne nachhaltige geistig-politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit hat deshalb für den Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt frühzeitiger Prävention einen sehr hohen Stellenwert. In diesem Sinne werden auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus durchgeführt. Das Angebot richtet sich an interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen. Kontaktaufnahme bitte unter: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat : Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de Internet: www.verfassungsschutz.rlp.de 13 Neben dem Vortragsangebot informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Aktuell sind folgende Informationsbroschüren erhältlich, die auch über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de als Datei im pdf-Format abrufbar sind: - Verfassungsschutz transparent - Kommunen gegen Rechtsextremismus - Rechtsextremismus - Symbole und Kennzeichen - Rechtsextremistische Skinheads - Rechtsextremismus - Nicht mit uns (Faltblatt) - Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus - Spionage - Was geht mich das an? (Faltblatt) - Wirtschaftsspionage - Proliferation - das geht uns an! 4. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Die Landesregierung misst der präventiven und repressiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus eine hervorgehobene Bedeutung bei. Auch im Jahr 2007 wurden die vielfältigen Präventions-, Aufklärungsund Bildungsprojekte der einzelnen Ressorts konsequent fortgeführt und durch neue Maßnahmen ergänzt. So wurden im Berichtsjahr allein durch mehr als 40 Vortragsveranstaltungen des Verfassungsschutzes mit Schwerpunkt in rheinland-pfälzischen Schulen etwa 3.000 Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht. Um die Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus weiter zu verbessern und zu vernetzen, wurde im Jahr 2001 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes gegründet. Mit Jahresbeginn 2008 begann die Gruppe die Arbeiten zum Aufbau einer Präventions14 agentur gegen Rechtsextremismus, die künftig die landesweite Koordination und Evaluierung der vielfältigen Projekte gegen Rechtsextremismus übernehmen soll. Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Jugendliche können leicht in den Einflussbereich extremistischer Gruppierungen geraten. Aus diesem Grund hat die Landesregierung ein Programm geschaffen, das jungen Menschen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich in erster Linie nicht an Szene bekannte Aktivisten, sondern vor allem an Mitläufer und Sympathisanten. Die kostenlose Hotline-Nummer 0800-4546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" herzustellen. Aber auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird im Rahmen der "Elterninitiative gegen Rechts - Hilfen für Eltern von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen" fachliche Beratung und Unterstützung angeboten. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 15 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Der Rechtsextremismus ist aufgrund seiner Menschen verachtenden Weltanschauung und der fortwährenden Angriffe von Rechtsextremisten auf Mitbürgerinnen und Mitbürger eine zentrale Herausforderung für die Zivilgesellschaft geblieben. Das rechtsextremistische Spektrum befand sich im Jahr 2007 im Umbruch. Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) etablierte sich zu einem Gravitationszentrum für Rechtsextremisten unterschiedlichster Couleur. Andere rechtsextremistische Parteien haben hingegen anhaltende Mitgliederverluste zu verzeichnen. Insgesamt war 2007 die Zahl der erkannten Rechtsextremisten bundesund landesweit rückläufig. Die NPD ist die aggressivste und zugleich aktionistischste Organisation im rechtsextremistischen Parteienspektrum geblieben. Ihr fortdauerndes Bemühen, durch vordergründig zurückhaltendes Agieren Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen ("völkische Graswurzelrevolution"), blieb in Rheinland-Pfalz erfolglos. Ungeachtet dessen hielten auch 2007 die (vermeintlichen) Versuche der NPD an, sich durch Ankauf oder Anmietung von Immobilien stärker in den Regionen zu verankern. Die Szene der Neonazis und der rechtsextremistischen Gewalttäter ist 2007 nicht größer geworden. Ungeachtet dessen haben sich diese Kreise wiederholt durch öffentlichen Aktionismus in Szene gesetzt, so beispielsweise anlässlich einer Doppeldemonstration am 3. Oktober 2007 in Germersheim und Speyer. Neonazis und rechtsextremistische Skinheads wiesen weiterhin ein hohes Maß an Fluktuation und Mobilität auf. Schwerpunkte des Auftretens von Neonazis und neonazistischen Skinheads blieben die Regionen Vorderund Westpfalz. Neonazis unterstützten auch in Rheinland-Pfalz die Aktivitäten der NPD. 16 Rechtsextremistische Gruppierungen und Organisationen wie die NPD haben weiterhin intensiv unter Jugendlichen für ihre Ziele geworben. Vermehrt wurden 2007 beispielsweise Jugend gerechte Publikationen für Schülerinnen und Schüler verbreitet. In Rheinland-Pfalz erschien die Schrift "Schinderhannes", für die die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) verantwortlich zeichnet. Auch die Musik spielte als Werbeträger ("Schulhof-CD"), als Medium der rechtsextremistischen Weltanschauung und als Integrationsmittel eine wichtige Rolle. Entsprechend umfangreich blieb das Angebot rechtsextremistischer Musikgruppen, die nahezu jede Stilrichtung für ihre Propaganda missbrauchen. Auch im Jahr 2007 fanden in Rheinland-Pfalz wieder mehrere rechtsextremistische Musikveranstaltungen statt. Thematisch orientierten sich Rechtsextremisten im Berichtsjahr an aktuellen Fragen der Arbeitsmarktund Sozialpolitik. Dabei wurde im öffentlichen Raum zunehmend der bisherige unverhohlen aggressive Sprachgebrauch vermieden. Man war taktisch bemüht, altbekannte rassistische, antisemitische und nationalistische Thesen vorsichtiger zu formulieren, um nach Außen den Eindruck eines scheinbar sachorientierten Diskurses zu erwecken. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial1 Rheinland-Pfalz Bund 2007** 2006** 2007* 2006* Gesamt 1.050** 1.550** 33.000* 38.600* Gewaltbereite 100** 100** 10.000* 10.400* Neonazis 75** 75** 4.400* 4.200* Parteien 700** 1.350** 14.200* 21.500* Sonstige 175** 75** 6.000* 3.800* (Angaben gerundet) * ohne Mehrfachmitgliedschaften ** davon 50 in "Gewaltbereite" 1 Bei der Partei "Die Republikaner" (REP) lagen im Berichtsjahr 2007 keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine gesonderte Darstellung im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik "Parteien" veranlasst erscheinen lassen. Für das Jahr 2007 wird bei den Parteien die Mitgliederzahl der REP nicht mehr ausgewiesen. 17 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2007 liegt in Rheinland-Pfalz bei 713 (2006: 558), davon 538 so genannte Propagandadelikte (2006: 426). Von den 713 Taten waren 395 rechtsextremistisch motiviert (2006: 310). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 39 (2006: 24). In 36 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2006: 22). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahr 2007 zwei jüdische Friedhöfe geschändet (2006: zwei). Übersicht der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 2007 2006 Gesamt 39 24 Körperverletzungen 36 22 versuchte Brandstiftung 1 - Landfriedensbruch 1 - Raub - 1 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 - Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr - 1 (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) Am 1. Mai 2007 kam es auf der Rückreise von einer Doppeldemonstration der rechtsextremistischen Szene in Rüsselsheim und Raunheim im Bahnhofsbereich Mainz-Süd -Römisches Theaterzu einem Angriff mehrerer Rechtsextremisten gegen auf dem Bahnsteig stehende Jugendliche, die von den Angreifern als Angehörige des politischen Gegners angesehen wurden. Am 19. August 2007 griffen auf dem Kellerwegfest in Guntersblum mutmaßliche Angehörige der rechtsextremistischen Szene zwei Afrikaner an. 18 Mit Schlägen und Fußtritten wurden die Geschädigten teilweise erheblich verletzt. Beide Strafverfahren sind noch nicht abgeschlossen. 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten werden bundesweit etwa 10.000 Personen zugerechnet (2006: ca. 10.400). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in der Bundesrepublik Deutschland. In RheinlandPfalz werden wie in den Vorjahren den gewaltbereiten bzw. gewalttätigen Rechtsextremisten je ca. 50 Skinheads und 50 Neonazis zugeordnet. Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind dabei stark unterrepräsentiert. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft aus einer Gruppe heraus begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads Der überwiegende Teil der rechtsextremistischen Skinheads, die in der Regel über kein geschlossenes politisches Weltbild verfügen, verzichtet weitgehend auf verbindliche oder feste vereinsähnliche Organisationsstrukturen. Sie gehören grundsätzlich losen Cliquen an, die auf regionaler Ebene agieren, ohne dass sie eines straffen organisatorischen Rahmens oder Hierarchien bedürfen und deren Aktivitäten häufig von älteren Szeneangehörigen bestimmt werden. Innerhalb dieser Gruppierungen gibt es in der Regel einen "harten Kern" von Personen mit einem ausgeprägten rechtsextremistischen Hintergrund. Charakteristisch ist dabei eine hohe Fluktuation, vor allem im Umfeld solcher Gruppierungen. Fundierte und 19 kontinuierliche politische Schulungsarbeit findet in weiten Teilen der rechtsextremistischen Skinheadszene kaum statt. Für Skinheads steht bei der Teilnahme an Szenefeiern oder Konzerten der Spaßund Erlebnisfaktor und nicht eine politische Aussage im Vordergrund. Rechtsextremistische Skinheads sind häufig auch Mitglieder von neonazistischen Kameradschaften. Dagegen bleibt die Skinheadszene gegenüber den rechtsextremistischen Parteien nach wie vor auf Distanz. Lediglich die NPD findet eine gewisse Akzeptanz, weil sie sich gegenüber dem neonazistischen und gewaltbereiten Spektrum bewusst geöffnet hat. Besonders deutlich wird diese sich fortschreitend entwickelnde Verbindung bei Parteiveranstaltungen mit musikalischer Umrahmung und bei Demonstrationen. Dennoch gelang es bislang der NPD in Rheinland-Pfalz nicht, aus den Reihen der Skinheads eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern zu gewinnen und dauerhaft in ihre politische Arbeit einzubinden. Lediglich bei Demonstrationen auf regionaler Ebene ist ein Zusammenwirken von Skinheads, Neonazis und der NPD zu beobachten. Die rechtsextremistische Skinheadszene unterliegt gegenwärtig einem Wandel. Teile der Szene haben Stilelemente anderer Jugendsubkulturen übernommen. Glatze, Stiefel und Bomberjacken werden inzwischen durch modische Kleidung, Piercings und Turnschuhe ersetzt. Dadurch lässt sich die Szenezugehörigkeit oft nur an symbolträchtigen Kleidungsstücken bestimmter Marken oder Firmen erkennen. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz, von denen ein Teil in so genannten Kameradschaften organisiert ist, können eindeutig als neonazistisch eingestuft werden. Diese treten überwiegend in der Vorderpfalz und im Raum Zweibrücken/Westpfalz in Erscheinung. Skinheadmusik Rechtsextremistische Skinheadmusik ist für die Szene eine bewährte Möglichkeit, Jugendliche und junge Erwachsene für ihre Bewegung zu 20 interessieren und zu werben. Auch die NPD und die neonazistischen Kameradschaften haben die Wirkung der rechtsextremistischen Musik auf junge Menschen erkannt. Skinheadkonzerte eröffnen die Gelegenheit, sich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und diese auszubauen. Sie fördern damit die Entstehung und Festigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher. Bei Konzerten werden regelmäßig verbotene CDs und szenetypische Utensilien zum Kauf angeboten sowie Propagandadelikte begangen. Besucher oder Bandmitglieder skandieren bisweilen NS-Parolen und zeigen den Hitlergruß. Oftmals spielen die Bands fremdenfeindliche oder antisemitische Lieder, die den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklichen. Skinheadmusik wirkt aber auch jenseits der Konzertsäle, da problemlos einschlägige Titel aus dem Internet herunter geladen werden können. Musikgruppen und Liedermacher transportieren so mit ihren Texten rechtsextremistische Feindbilder und Ideologie. Die rassistischen und volksverhetzenden Botschaften richten sich insbesondere gegen Ausländer, Juden oder sonstige der "nordischen Rasse" nicht angehörende Menschen. Damit wird das in der Szene verbreitete diffuse rechtsextremistische Weltbild vermittelt und verfestigt. Rechtsextremistische Skinheadmusik umfasst fast alle Arten der Rockmusik. Neben dem nach wie vor dominierenden Hardrock finden zuneh21 mend textlich schwer verständliche und kaum melodische Stilrichtungen des Hatecore oder Black Metal Beachtung in der Szene. Ebenso beliebt sind Balladen, die sowohl von Liedermachern als auch von Bands vorgetragen werden. In Rheinland-Pfalz sind zwei aktive Skinheadbands bekannt. Skinheadkonzerte werden insbesondere von Angehörigen ortsansässiger Gruppierungen organisiert. Um mögliche Verbote zu vermeiden, werden die Konzertveranstaltungen in der Regel konspirativ geplant. Sowohl Vermietern als auch Ordnungsbehörden gegenüber treten unverdächtige Personen als Organisatoren auf. Die Musikveranstaltungen werden aus Angst vor Verbotsmaßnahmen selten öffentlich bekannt gegeben und beispielsweise als Geburtstagsfeiern, Verlobungsfeiern oder Klassentreffen verschleiert. Während die Veranstaltungsorte möglichst lange geheim gehalten werden, erfolgt die Mobilisierung der Teilnehmer/Gäste zumeist sehr kurzfristig per SMS, E-Mail, über Maillisten im Internet oder mündlich. Dabei werden lediglich Treffpunkte, teilweise im benachbarten Ausland, genannt, von denen aus die Teilnehmer dann wiederum per SMS zu den eigentlichen Veranstaltungsorten gelotst werden. Grundsätzlich kennen nur wenige Szeneangehörige die Veranstaltungsorte. Um die öffentliche Wahrnehmung von Konzerten nach Möglichkeit auszuschließen, achten die Veranstalter bei der Auswahl der Räumlichkeiten darauf, Lärmbelästigungen zu vermeiden. Ebenso bemühen sich die Organisatoren um Veranstaltungsräume, die sich im Besitz von der Szene nahe stehenden Personen befinden, da kurzfristige Kündigungen nach Möglichkeit ausgeschlossen werden sollen. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in Deutschland blieb 2007 gegenüber 2006 mit 163 nahezu konstant. In RheinlandPfalz wurden im Berichtszeitraum zwei Skinheadkonzerte (2006: 5) sowie fünf Balladenabende (2006: 1) durchgeführt. In einem Fall wurde der Auftritt eines so genannten Liedermachers festgestellt. Das Skinheadkonzert am 26. Mai 2007 in Kirchheim wurde durch die Polizei aufgelöst. 22 Datum Ort Art der Veranstaltung Teilnehmer 26.05.2007 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 120 17.08.2007 Zweibrücken-Ixheim Balladenabend ca. 35 07.09.2007 Zweibrücken-Ixheim Balladenabend ca. 45 15.09.2007 Weitersburg, Meerbachtal Balladenabend ca. 120 22.09.2007 Zweibrücken-Wattweiler Balladenabend ca. 70 17.11.2007 Kirchheim Balladenabend ca. 60 24.11.2007 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 150 25.11.2007 Dahn Auftritt eines Liedermachers ca. 50 Die Polizei war bei allen Musikveranstaltungen vor Ort und hat die rechtlich zulässigen Maßnahmen von der Aufklärung (bspw. Personenund Fahrzeugüberprüfungen) bis hin zur Auflösung (Kirchheim am 26. Mai 2007) durchgeführt. Darüber hinaus fanden erneut Skinheadpartys im kleinen Kreis statt, bei denen nur Musik vom Band gespielt wurde. Trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden findet nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen weiterhin ein reger Austausch und Handel mit einschlägigem Musikmaterial statt. Eine geplante Propagandaaktion unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof" konnte allerdings weitgehend verhindert werden. Diesem Projekt lag die Idee zugrunde, 50.000 Exemplare des 2004 produzierten Samplers "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" kostenlos flächendeckend im gesamten Bundesgebiet, insbesondere an Schulen, zu verteilen, um die rechtsextremistische Ideologie an Schüler heranzutragen und deren Interesse für die einschlägige Szene zu wecken. Die CD unterliegt weiterhin einem allgemeinen Beschlagnahmebeschluss. Skinhead-"Fanzines" "Fanzines" dienen der rechtsextremistischen Skinheadszene als Kommunikationsmittel und als Werbeträger. Die Szenepublikationen sind von rechtsextremistischer Ideologie durchsetzt. Sie enthalten überwiegend Interviews mit Bandmitgliedern, Liedermachern und Vertriebsinhabern, 23 Konzertund Erlebnisberichte sowie Musikund Buchbesprechungen. Die Publikationen haben zumeist einen regionalen Verteilerkreis und werden über Szeneläden, bei Konzerten oder von Hand zu Hand in Umlauf gebracht. Die Bedeutung der "Fanzines" in Heftform nimmt vor dem Hintergrund der intensiven Nutzung des Internets stetig ab. In Rheinland-Pfalz wurde im Jahre 2007 eine Ausgabe des Fanzines "Nordwind" bekannt. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Der historische Nationalsozialismus bildet die ideologische Grundlage für die Neonazis, die sich dabei häufig am 25-Punkte-Programm der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) von 1920 sowie an Hitlers programmatischer Schrift "Mein Kampf" orientieren. Zielvorstellung ist die Errichtung eines "Vierten Reiches", das auf einer rassistisch geprägten "Volksgemeinschaft" fußt, in der sich das Individuum bedingungslos einem vermeintlichen Volkswillen unterzuordnen hat. Zur Durchsetzung dieser Bestrebungen schrecken Teile der Szene auch vor massiver Gewaltanwendung nicht zurück, ohne sich jedoch dabei offen zu ihrer Gesinnung zu bekennen. Die bundesdeutsche Neonaziszene ist im Jahr 2007 auf 4.400 Aktivisten (2006: 4.200) angestiegen. Die Zahl der in Rheinland-Pfalz überwiegend organisierten Neonazis beträgt nach wie vor 75, von denen ca. 50 als gewalttätig eingestuft werden können. In der Öffentlichkeit traten Angehörige der rheinland-pfälzischen Neonaziszene im Wesentlichen nur bei Demonstrationen in Erscheinung. Ansonsten fanden überwiegend interne Treffen statt. Der jährliche "Heß-Gedenkmarsch" gehört zu den Großereignissen der rechtsextremistischen, insbesondere der neonazistischen Szene. Nachdem das Bundesverfassungsgericht, wie bereits 2006, das Verbot der zentralen Heß-Kundgebung in Wunsiedel/Bayern bestätigt hatte, kam es zu dezentralen Gedenkveranstaltungen in Bayern, Baden-Württemberg, 24 Berlin, Hessen und Thüringen. An den Demonstrationen beteiligten sich insgesamt etwa 1.200 Rechtsextremisten (2006: 1.200). An den Gegenveranstaltungen nahmen ca. 5.000 Personen des linksextremistischen und demokratischen Spektrums teil. Die Proteste verliefen weitgehend störungsfrei; ein direktes Aufeinandertreffen von Rechtsund Linksextremisten konnte durch die Polizei verhindert werden. Vereinzelt wurden Straftaten wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz begangen. In Rheinland-Pfalz führten Rechtsextremisten am 17. August 2007 in Ludwigshafen am Rhein spontan einen "Heß-Marsch" durch. Es wurden 11 Teilnehmer festgestellt und in Gewahrsam genommen. Am 19. August 2007 fand ebenfalls in Ludwigshafen am Rhein eine von einem amtsbekannten Rechtsextremisten angemeldete "Eilversammlung" mit 43 Personen statt. Störungen waren nicht zu beklagen. Hintergrund war der Protest gegen die Ingewahrsamnahme der Gesinnungsgenossen am 17. August 2007. In mehreren Bundesländern, so auch in Rheinland-Pfalz, kam es zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Hessplakaten und -aufklebern. Sollte das auf einer Gesetzesänderung des SS 130 StGB beruhende Verbot einer zentralen Heß-Gedenkveranstaltung gerichtlichen Bestand haben, muss künftig weiterhin mit Ersatzveranstaltungen gerechnet werden. "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist die bundesweit größte neonazistische Vereinigung, die sich die Unterstützung inhaftierter Rechtsextremisten zur Aufgabe gemacht hat. Erste Vorsitzende ist immer noch Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim.2 Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden Akti- 2 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwendund Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. 25 visten der HNG. Durch Anzeigen in ihrer Publikation "Nachrichten der HNG" vermittelt sie Briefkontakte zu inhaftierten Gesinnungsgenossen und gibt diesen eine Plattform für eigene Erklärungen. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter "Kameraden" mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Trotz ihrer nach wie vor rund 600 Mitglieder entwickelte die HNG auch 2007 keine nennenswerten Aktivitäten. Dies dürfte insbesondere auf das mangelnde Engagement und Interesse ihrer Mitglieder zurückzuführen sein. Am 21. April 2007 fand in Franken/Bayern die turnusgemäße Jahreshauptversammlung mit etwa 100 Teilnehmern (2006: ca. 200) ohne jede Außenwirkung statt. 1.5 "Kameradschaften" Nach den Verboten teils bundesweit agierender neonazistischer Vereinigungen in den neunziger Jahren entwickelte die Neonaziszene ein Modell lokal agierender und miteinander vernetzter Personenzusammenschlüsse. In diesen so genannten Kameradschaften organisieren sich nach wie vor Neonazis und rechtsextremistische Skinheads. Den überwiegend aus jungen Männern bestehenden losen Gruppierungen gehören in der Regel etwa 10 bis 25 Mitglieder an. Um Verbote zu erschweren oder unmöglich zu machen, wurden weitgehend Organisationsformen ohne feste Vereinsstrukturen entwickelt. Die Mitglieder der "Kameradschaften" bezeichnen sich auch als "Freie Nationalisten", um so ihre Unabhängigkeit zu rechtsextremistischen Parteien zu dokumentieren. Rekrutierungsfeld der "Kameradschaften" ist die jeweilige örtliche, unstrukturierte rechtsextremistische Szene, insbesondere das Umfeld der rechtsextremistischen Skinheadszene. "Kameradschaftsführer" und deren Stellvertreter leiten die Gruppierungen autoritär. 26 Die Aktivitäten der "Kameradschaften" sind breit gefächert. So genannte Kameradschaftsabende finden in Gaststätten oder in Privatwohnungen statt und haben eher Stammtischcharakter. Nennenswerte politische Arbeit wird nicht geleistet. Weitere Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der politischen Schulung sowie der Planung und Absprache gemeinsamer Aktivitäten, etwa der Teilnahme an regionalen und überregionalen Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Inund Ausland. Einzelne "Kameradschaften" haben sich in Netzwerken, so genannten Aktionsbündnissen und Aktionsbüros, zusammengeschlossen. Wegen fehlender Strukturen und der Zersplitterung der Szene dienen diese Zusammenschlüsse der Koordinierung von gemeinsamen Aktionen, wie etwa Demonstrationen, Kampagnen oder dem gemeinsamen Besuch von Skinheadkonzerten. In diesem Zusammenhang ist nach wie vor das "Aktionsbüro Rhein-Neckar" im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim aktiv, dem nach eigener Darstellung Vertreter von Organisationen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz angehören. Um den Eindruck mitgliederstarker und vernetzter Organisationen zu erwecken, werden regelmäßig Internetpräsentationen von "Kameradschaften" als Unterstützer von "Aktionsbündnissen" festgestellt, deren Präsenz und Aktivitäten zumeist virtuell bleiben. Mitglieder und/oder Organisationsstrukturen können diesen meist kurzfristig existierenden propagandistischen Darstellungen nicht zugeordnet werden. Das Landgericht Koblenz verhängte am 23. März 2007 gegen acht weitere Mitglieder der ehemaligen "Kameradschaft Westerwald" Bewährungsstrafen. Am 14. Mai 2007 wurden sieben Kameradschaftsmitglieder zu 27 Geldstrafen verurteilt, zwei Mitglieder wurden verwarnt und vier weiteren Angeklagten wurde die Ableistung von Sozialstunden auferlegt.3 "Kameradschaft Zweibrücken/Nationaler Widerstand Zweibrücken" Seit über fünf Jahren ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Bei öffentlichen Aufzügen und Demonstrationen tritt die Gruppierung auch als "Kameradschaft Zweibrücken" in Erscheinung. Es handelt sich um einen Personenzusammenschluss von Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus dem Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Zusammenkünften organisiert die Gruppe auch öffentliche Aktionen. Am 13. März 2007 veranstaltete der "Nationale Widerstand" einen Aufzug mit Kundgebung im Stadtgebiet von Zweibrücken. Die Veranstaltung mit ca. 35 Rechtsextremisten unter dem Motto "Gegen das Vergessen, Zweibrücken 13. März 1945" verlief störungsfrei. Am 9. Juli 2007 betrieb die Gruppierung mit weniger als 10 Personen in der Fußgängerzone von Zweibrücken einen Infostand. Auch diese Veranstaltung blieb ohne Resonanz in der Bevölkerung und verlief ohne Zwischenfälle. Ein Balladenabend in einem kleinen Kreis mit einem Liedermacher in einer Gaststätte in Zweibrücken am 17. August 2007 hatte keine Außenwirkung. "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Im Juni 2006 wurden erstmals Aufkleber der "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" ("Naso Mainz-Bingen") im Stadtgebiet von Mainz festgestellt. Ebenfalls seit Juni 2006 besteht eine eigene Internetpräsenz. Nach eigenen Angaben handelt es sich um ein "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen". Domaininhaber ist ein bekannter Neonazi und NPD-Funktionär. Kameradschaftsmit- 3 Bereits am 28. und 30. November 2005 sowie am 28. Dezember 2005 wurden drei Mitglieder der ehemaligen "Kameradschaft Westerwald" zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren, weitere 13 zu Bewährungsund Geldstrafen verurteilt. Das Landgericht Koblenz hatte es als erwiesen angesehen, dass es sich bei der "Kameradschaft" um eine kriminelle Vereinigung handelte, die die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel hatte. 28 glieder und/oder Organisationsstrukturen können dieser bislang virtuellen Gruppierung nicht zugeordnet werden. In Internetbeiträgen wird über Aktivitäten der regionalen rechtsextremistischen Szene berichtet. Am 15. Juni 2007 wurde auf der Internetseite der "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" auf einen "Nationalen Frauenkreis" hingewiesen. Dort heißt es, dass der "Nationale Frauenkreis" eine Gruppe von national gesinnten Frauen sei, die für "Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ihres Volkes" eintreten wollen. Der "Nationale Frauenkreis" ist öffentlichkeitswirksam bislang nicht in Erscheinung getreten. 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder Bund: ca. 7.200 (2006: ca. 7.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 300 (2006: ca. 300) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 12 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" (DS) monatliche Auflage: 21.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die verfassungsfeindliche NPD ist mittlerweile die größte und aggressivste Organisation im rechtsextremistischen Spektrum. Neonazistische und nationalrevolutionäre Inhalte beeinflussen ihre Programmatik, die fremdenfeindlich, antisemitisch, revisionistisch und auf die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats angelegt ist. Ihre Agitation richtet sich insbesondere gegen den Parlamentarismus und die individuellen Menschenrechte. Die Partei und ihr Umfeld haben sich zu einem Sammelbecken von Neonazis und gewaltbereiten Skinheads entwickelt, 29 die sich in ihrer Gesamtheit als "Nationaler Widerstand" bezeichnen. Das Ziel dieses sogenannten Widerstandes wird öffentlich klar definiert: "Weiterhin hat der Nationale Widerstand alles Recht dieses, zubetonierte, korrupte, menschenverachtende System als 'Bestie' zu bezeichnen...Wir bleiben dabei: Das System muss weg. Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht und ein unsägliches, ausschließlich materiell orientiertes, volksfeindliches System eingeführt...das restlos abgeschafft gehört." 4 Ideologische Grundlage der NPD ist das sogenannte "lebensrichtige Menschenbild", welches im krassen Gegensatz zu den grundgesetzlich verankerten und unveräußerlichen Menschenrechten steht.5 Die Menschenwürde, verfassungsrechtliche Gleichheitsund Teilhaberechte werden von einer biologisch-genetischen Zugehörigkeit an die "deutsche Volksgemeinschaft" abhängig gemacht. Das Gesellschaftsmodell der NPD grenzt damit Minderheiten, die nicht in ihre rassistisch definierte Volksgemeinschaft passen, aus. Parallelen zur friedensfeindlichen Weltanschauung der Nationalsozialisten sind im Parteiprogramm und in den Veröffentlichungen der NPD deutlich erkennbar, wenn es beispielsweise heißt, "Angehörige anderer Rassen bleiben ... körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich, wie lange sie in Deutschland leben, und mutieren durch die Verleihung bedruckten Papiers nicht zu germanischstämmigen Deutschen".6 In diesem Kontext wird auch ein Gegensatz zwischen Deutschund Judentum konstruiert. Menschen jüdischen Glaubens können nach Ansicht führender NPD-Funktionäre keine ethnischen Deutschen sein. "Ein Jude ...kann kein Deutscher im Sinne der Volkszugehörigkeit sein", so Udo PASTÖRS, der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern.7 Der von der NPD propagierte völkische Kollektivismus beinhaltet, dass der Einzelne sich unter Verlust seiner Freiheitsrechte einem Gemeinschafts- 4 NPD-Landesgeschäftsführer Heyder in Sachsen-Anhalt am 22. August 2007 auf der Homepage des NPD-Landesverbandes 5 NPD Parteiprogramm, Dezember 2004, 10. Auflage 6 Broschüre des NPD-Parteivorstandes: "Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung, Argumente für Kandidaten und Funktionsträger", Juni 2006, 2. Auflage, S. 12 7 Pastörs, "Vanity Fair", 7. Februar 2007, S. 170 ff. 30 willen zu unterwerfen hat: "Der Mensch an sich existiert nicht, deshalb sind wir nicht unterschiedslos einfach Menschen, wie sie die multikulturalistischen Völkerverächter behaupten. Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes." 8 Die dahinter stehende, wenn auch so nicht offen ausgesprochene, gesellschaftliche Vision ist eine nach dem Führerprinzip regierte, ethnisch homogene Volksgemeinschaft zumindest in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1937. Der Parteivorsitzende Udo VOIGT beschreibt in diesem Zusammenhang die grenzrevisionistischen Vorstellungen so: "Ein Drittel des Gebietes des Deutschen Reichs steht nach wie vor unter polnischer Verwaltung. Pommern, Westpreußen, Ostpreußen, Schlesien. Ob das Königsberg ist, ob das Danzig ist ... das sind alles deutsche Städte für uns. Und die uns nach den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges entgegen dem Völkerrecht abgenommen wurden und auf die wir natürlich Anspruch erheben ... Aber es sind ja nicht nur diese Gebiete. Es gibt ja auch Österreich, zählt ja auch zu Deutschland. Wien war tausend Jahre länger Hauptstadt als Berlin." 9 Auch in ihrem vom Deutsche Stimme-Verlag herausgegebenen Taschenkalender des nationalen Widerstandes 2007 bezeichnet die NPD die "Wiederherstellung des Deutschen Reiches" als die "wichtigste Aufgabe der deutschen Nationalisten".10 Die zentralen Themen der NPD sind weiterhin die Sozial-, Wirtschafts-, Ausländerund Sicherheitspolitik. Arbeitslosigkeit, die Belastung der Sozialversicherungssysteme oder Kriminalität werden regelmäßig als Folgen von Zuwanderung oder einer imperialistischen Politik der USA und ihrer Verbündeten ausgemacht.11 Die Agitation der Partei ist rassistisch und fremdenfeindlich. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger werden systematisch herabgewürdigt. 8 Broschüre des NPD-Parteivorstandes: "Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung, Argumente für Kandidaten und Funktionsträger", Juni 2006, 2. Auflage, S. 14 9 Udo Voigt im ARD-Magazin Report Mainz, gesendet am 10. Dezember 2007 10 Taschenkalender des nationalen Widerstandes 2007, S. 241 11 siehe auch Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 52, 55 31 Die Wiederherstellung der "deutschen Volksgemeinschaft" ist nach Ansicht der NPD das Mittel der ersten Wahl für die von ihr ausgemachten Probleme: Arbeitslosigkeit wird bekämpft, indem Ausländer als "Arbeitsplatzkonkurrenten und Sozialschnorrer" diffamiert werden und "konsequent aus Deutschland ausgewiesen werden".12 "Nationaldemokratische Sozialpolitik" hat nur den Angehörigen der Volksgemeinschaft zu dienen: "Wer keine Ansprüche aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem ableiten kann, hat auch keinen Grund, sich ohne Arbeit in Deutschland aufzuhalten." Alle in Deutschland lebenden und beschäftigten Ausländer sollen daher aus dem deutschen Sozialund Rentenversicherungssystem ausgegliedert werden.13 Hinter der von der NPD propagierten "raumorientierten Volkswirtschaft" verbirgt sich die rigide Abschottung und Kontrolle der Märkte und die teilweise Verstaatlichung privaten Eigentums.14 Die Realisierung der wirtschaftspolitischen "NPD-Maßnahmenpakete" würde gegen internationales Recht und gegen die vom Grundgesetz garantierte allgemeine Handlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, die Berufsfreiheit sowie das Recht auf Eigentum verstoßen. Die Entrechtung von Minderheiten, die kennzeichnend für den Nationalsozialismus war, kommt auch in der Familienund Bildungspolitik der NPD zum Ausdruck. Nur (volks)deutschen Kindern sollen Kindergartenplätze garantiert werden.15 "Ausländische Kinder sollen in homogenen Klassen12 Broschüre des NPD-Parteivorstandes: "Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung, Argumente für Kandidaten und Funktionsträger", Juni 2006, 2. Auflage, S. 11 13 Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 13, 14 14 Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 19, 20, 21, 22 15 Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 31, 32 32 verbänden und in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, um eine spätere Reintegration in den Heimatländern zu erleichtern." 16 Die Kriminalund Sicherheitspolitik werden unter Zugrundelegung nicht tragfähiger Thesen missbraucht, um gegen das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft heftig zu polemisieren: "Besonders auffällig ist der hohe Anteil von ausländischen Tatverdächtigen...Eine Ursache dafür liegt in der völlig verfehlten Bevölkerungspolitik der herrschenden Parteien. Menschen haben wesentlich weniger Hemmungen, Fremde zu betrügen oder andere Straftaten gegen sie zu verüben als gegenüber Bekannten oder Personen, die sie der eigenen Gruppe zurechnen. Daher ist es völlig klar, dass Ausländer, die Deutsche zwangsläufig als Fremde empfinden, wesentlich eher zu Verbrechen gegenüber Deutschen und insbesondere gegenüber einem Gemeinwesen neigen, das sie nicht als das ihre empfinden." 17 Die NPD versucht die Belege ihrer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bisweilen zu vertuschen. Sie verwehrt sich gegen das Attribut "antidemokratisch" und kritisiert stattdessen "einen Liberalismus, in dem Parteien und Interessengruppen sich den Staat unter den Nagel reißen und ihn zum Schacherund Kompromissobjekt machen". Schuld sei das Grundgesetz, das einem "gemeinwohlschädigenden Parteienregime den Weg geebnet habe". Diesem wolle man "ganz demokratisch" ein Ende bereiten. Der Staat müsse stattdessen über den Egoismen einzelner Gruppen stehen. Hinter Begriffen wie "Volksherrschaft" oder "Identität von Regierten und Regierenden" verschleiert die 16 Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 58 17 Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland, S. 37, 38 33 NPD jedoch nichts anderes als ihren Wunsch nach einem autoritären Führerstaat. Dies erklärt auch, weshalb NPD-Funktionäre immer wieder der Versuchung unterliegen, das nationalsozialistische Terrorregime in einem besseren Licht darzustellen, indem sie den Holocaust oder die Kriegsschuld Deutschlands leugnen und die NS-Verbrechen relativieren. Beispielhaft hierzu sind die Ausführungen von VOIGT in einem Interview: "Die sechs Millionen kann nicht stimmen. Es können maximal 340.000 in Ausschwitz umgekommen sein. Das sagen zwar die Juden immer, auch wenn nur ein Jude umgekommen ist, weil er Jude ist, ist das ein Verbrechen. Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob wir für sechs Millionen zahlen oder für 340.000...Und dann ist auch irgendwann die Einmaligkeit dieses großen Verbrechens - angeblich großen Verbrechens - dann fällt auch die Einmaligkeit weg." 18 Strategie Seit der Wahl von Udo VOIGT zum Bundesvorsitzenden im Jahr 1996 hat sich die NPD zu einer Partei entwickelt, die entsprechend ihrem Strategiekonzept ("Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe" und "Kampf um die Parlamente") auf Massenmobilisierung auf der Straße setzt. Als "vierte Säule" ergänzt seit dem Jahr 2004 der "Kampf um den organisierten Willen" dieses Konzept. Damit sieht sich die NPD nicht nur als Wegbereiter einer sozialen Protestbewegung unter Einbeziehung von Neonazis und Skinheads, sondern als Kopf des gesamten nationalen Lagers. Letzteres dokumentiert sich auch in der Absprache mit der Deutschen Volksunion (DVU), nur getrennt zu Wahlen anzutreten, um Stimmen zu bündeln (sogenannter Deutschlandpakt). Die NPD nutzt in der Bevölkerung existierende Ängste vor Arbeitsplatzverlust und Globalisierung aus. Ihr auf Aktionismus angelegter Politikstil beabsichtigt öffentliche Aufmerksamkeit und versucht junge Menschen für sich zu vereinnahmen. 18 Sechs Millionen können nicht stimmen, www.swr.de, aufgerufen am 11.12.2007 34 Die NPD versucht durch regionale Verankerung den Einzug in die Parlamente vorzubereiten. Sie will nicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, sondern als "demokratische Partei" gelten, die sich um die Bedürfnisse der einfachen Menschen sorgt. Deshalb bemüht sie sich, Teil des Alltags und der Gesellschaft zu werden. Dazu treten ihre Funktionäre etwa in örtliche Vereine ein und versuchen in persönlichen Gesprächen, Mitmenschen für "nationale Politik" zu gewinnen. Arbeitslosenund HartzIV-Beratung, Freizeiten und Hausaufgabenbetreuung für Jugendliche dienen allein dem Abbau von Hemmschwellen und der schleichenden Indoktrination mit rassistischem Gedankengut. Soziale Kompetenz wird vorgeschoben, um einen sozialrevolutionären Kampf "unten gegen oben" vorzubereiten. Über das Medium Musik wird entsprechend der Kontakt zu Jugendlichen oder Heranwachsenden gesucht. Um ihre Isolation zu überwinden und in der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen zu werden, versucht die NPD sich mit ihrer "Wortergreifungsstrategie" in öffentlichen Veranstaltungen Gehör zu verschaffen. Parteimitglieder werden dazu aufgerufen, das Wort zu ergreifen: "Besuchen wir daher im Sinne der Wortergreifungsstrategie die Veranstaltungen des politischen Gegners. Dieser hat die Arbeit der Vorbereitung, Planung und Durchführung, doch sobald er eine öffentliche Veranstaltung macht, müssen Nationaldemokraten vor Ort sein, um etablierte Politiker und Kandidaten zur Rede zu stellen." 19 "Mit unserer Wortergreifungsstrategie zwingen wir sie immer öfter in die Diskussion und können deren Versagerpolitik dem Volk vorführen." 20 19 Broschüre des NPD-Parteivorstandes: "Eine Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung, Argumente für Kandidaten und Funktionsträger", Juni 2006, 2. Auflage, S. 4 20 Voigt, "der alte Ruf..", www.npd.de, aufgerufen am 3. Januar 2007 35 Entwicklung NPD - Bundespartei und Landesverband Bundesweit gehören der NPD inzwischen ca. 7.200 Mitglieder an, etwa 200 mehr als im Jahr 2006. Damit hat die Partei seit 2004 einen Zuwachs von ca. 2.000 Mitgliedern verzeichnen können. Die Mitgliederzahl des rheinland-pfälzischen Landesverbandes der NPD befindet sich im Jahr 2007 mit ca. 300 Personen auf dem gleichen Niveau wie 2006. Der Bundesparteitag der NPD, der für Ende 2007 in Oldenburg geplant war, fand nicht statt. Nachdem das OLG Oldenburg einen Antrag auf einstweilige Verfügung der NPD für die Nutzung der Weser-Ems-Halle abgelehnt hatte, konnte die Partei im Jahr 2007 keine geeigneten Räumlichkeiten für die jährliche Parteiveranstaltung finden. Aus diesem Grunde konnte die Partei auch ein neues Parteiprogramm nicht verabschieden. In einer am 16. August 2007 im Internet veröffentlichten Erklärung des NPD-Parteipräsidiums mit dem Titel "Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht" distanzierte sich die Parteispitze der NPD von dem bisher nur von linksradikalen/antifaschistischen Demonstrationen bekannten Phänomen des "Schwarzen Blocks" der "Autonomen Nationalisten". Die Parteiführung spricht sich damit in aller Deutlichkeit gegen eine "derartige anarchistische Erscheinungsform aus, da aus diesem Verhalten keine Erneuerung sichtbar ist". Demonstrationen dürften nicht länger zur Eigendarstellung einzelner Teilnehmer missbraucht werden, sie seien vielmehr dazu da, "das politische Wohle des Veranstalters und der unterstützenden Gruppen und Einzelpersonen in der Öffentlichkeit zu manifestieren! Hoch die Fahnen der Wut, nieder die schwarzen Kappen der Vermummung!". Die Antwort der "Freien Kräfte" ließ nicht lange auf sich warten. Diese zeigten teilweise Verständnis für die Äußerungen der NPD, riefen aber auch dazu auf, sich mit dem "Schwarzen Block" solidarisch zu erklären und die Arbeit der Partei nicht länger zu unterstützen. Bei der Parteiführung der NPD scheint die Kritik der "Freien Kräfte" angekommen zu sein. So wurden auf einer Wahlkampfveranstaltung der NPD Niedersachsen in Hannover vom Parteivorsitzenden der NPD neben Parteifreunden ausdrücklich auch die Anhänger des "Schwarzen Blocks" begrüßt. Im weiteren Verlauf machte VOIGT für die Misshelligkeiten zwischen Partei und dem Schwarzen Block die Medien verantwortlich. Die Auseinanderset36 zung zeigt, wie gegensätzlich die Partei und die "Freien Kräfte" trotz aller Zusammenarbeit sind und wie schnell aktuelle Ereignisse eine Spaltung verursachen könnten. Die NPD hat auf Bundessowie auf Landesebene weiterhin mit knappen finanziellen Mitteln zu wirtschaften. In diesem Zusammenhang hat die NPD erkannt, dass ein Agieren auf dem Immobilienmarkt für sie neben der angestrebten lokalen Verankerung auch finanzielle Vorteile bringen könnte. Dabei bedient man sich folgender Vorgehensweise: Auf der Suche nach geeigneten Objekten wird durch Bekanntmachung von Kaufabsichten öffentlicher Druck auf die betroffenen Kommunen ausgeübt. Es wird erwartet, dass die Kommunen ein eventuell bestehendes Vorkaufsrecht ausüben, um so die Ansiedlung der Partei zu verhindern. Anhaltspunkte belegen, dass ein solches Szenario eigens initiiert wird, um bei Ausübung des Vorkaufsrechts an dem Verkaufserlös in Form einer "Vermittlerprovision" zu partizipieren. In der jüngeren Vergangenheit sahen sich hier auch Eigentümer schwer verkäuflicher Immobilien dazu veranlasst, die NPD ohne deren Wissen als vermeintlichen Käufer ins Spiel zu bringen, um eine "Absatz fördernde Drohkulisse" aufzubauen. Entgegen dem Jahr 2006 kam es im Berichtszeitraum zu keinen wesentlichen Aktivitäten der Partei im Zusammenhang mit dem möglichen Erwerb von Immobilien. So blieben beispielsweise die Versuche, in den Gemeinden Morbach-Gonzerath, Dahn oder Krottelbach Immobilieneigentum auf die NPD zu übertragen, erfolglos. Die Landesregierung hat die Immobiliengeschäfte der NPD mit zum Thema der im Jahr 2007 herausgegebenen Broschüre "Kommunen gegen Rechtsextremismus" gemacht. Gegen die Herausgabe dieser Broschüre erhob der NPD-Landesverband Organklage vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz. Die Klage wurde mit Urteil vom 27. November 2007 zurückgewiesen. Die ca. 300 Mitglieder der NPD in Rheinland-Pfalz verteilen sich auf 12 Kreisverbände, die in unterschiedlichem Maß aktiv sind. Die vergleichsweise aktiven Kreisverbände erzielten gelegentlich öffentliche Beachtung. Beispiele sind die von der NPD gemeinsam mit Angehörigen der "Kameradschaft Zweibrücken" durchgeführte Doppeldemonstration unter 37 dem Motto "Globalisierung stoppen" in Zweibrücken und Pirmasens am 21. Juli 2007, an denen etwa 60 - 70 Personen teilnahmen, sowie die am 18. November 2007 in Bretzenheim am "Feld des Jammers" mit etwa 55 Teilnehmern erfolgte Kranzniederlegung. Die Veranstaltungen verliefen störungsfrei. Landesvorsitzender der NPD ist seit Februar 2005 Peter MARX, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender und Generalsekretär ist. Ein Teil der Kreisverbände steht unter der Leitung von in die NPD eingetretenen Neonazis. Dabei unterhält der Kreisverband Vorderpfalz weiterhin Verbindungen zu dem "Aktionsbüro RheinNeckar". Im Jahr 2007 verteilten Anhänger der NPD in verschiedenen Orten in RheinlandPfalz eine "Schülerzeitung" mit dem Titel "Schinderhannes". Die Partei beabsichtigt, mit "jugendnaher Aufmachung und Themenauswahl die nationalistische Politisierung der deutschen Jugend voranzutreiben und denkende Jugendliche an die NPD zu binden". Die Zeitschrift ist nach Angaben der NPD zufolge in einer Erstauflage von 10.000 Exemplaren erschienen. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD seit 1969 über eine auf Bundesebene zahlenmäßig relevante Jugendorganisation mit ca. 400 (2006: ca. 350) Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz hat die JN weniger als 20 Mitglieder. Am 6. Oktober 2007 fand in Sachsen-Anhalt der 37. Bundeskongress der JN statt. Auf ihm wurde ein neuer Bundesvorstand und mit Michael SCHÄFER ein neuer Bundesvorsitzender gewählt. Mitte 2007 erschien erstmals seit 1999 wieder die JN-Mitgliederzeitschrift "Der Aktivist". Die Publikation sieht ihren Schwerpunkt in nationalrevolu38 tionären Themen. In einem Leitartikel heißt es zum Verhältnis zur Mutterpartei, die JN sei nicht das stumme und kritiklose Anhängsel der NPD. In Rheinland-Pfalz sind weder auf Landesnoch auf Kreisverbandsebene Organisationsstrukturen der JN erkennbar. Auch für eine gezielte Anwerbung von Mitgliedern konnten keine Hinweise gewonnen werden. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU - Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder Bund: ca. 7.000 (2006: ca. 8.500) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 400 (2006: ca. 450) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "National Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) monatliche Auflage: 41.000 Exemplare Politische Ausrichtung und Entwicklung Die DVU musste einen weiteren Mitgliederrückgang im Bund und in Rheinland-Pfalz hinnehmen. Dennoch bleibt sie größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Seit ihrer Gründung wird sie von dem Bundesvorsitzenden und Inhaber des rechtsextremistischen "DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag" Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autokratisch geführt. Die Mitglieder im Bundesvorstand können eher als Statisten bezeichnet werden. Den 16 Landesverbänden bleibt kaum Raum für eine eigenständige politische Arbeit. Diese Umstände führen zu einer gewissen Isolation im rechtsextremistischen Lager. Ein Ausgleich für den auch altersbedingten Mitgliederschwund durch junge Rechtsextremisten konnte nicht festgestellt werden. 39 Kernpunkt der verfassungsfeindlichen Ausrichtung der Partei ist ein übersteigerter Nationalismus, geprägt durch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Ausländer und Juden werden diskreditiert und in dem Sprachrohr der Partei "Nationale Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) als antideutsche Feindbilder dargestellt. Weitere Schwerpunkte in der NZ bilden tendenziöse und verharmlosende Beiträge zur nationalsozialistischen Vergangenheit. Darüber hinaus werden der demokratische Rechtsstaat und seine Repräsentanten systematisch herabgewürdigt. Strategie und Teilnahme an Wahlen Die Partei bleibt bestrebt, auf Landesund kommunaler Ebene in die Parlamente einzuziehen. Gegenwärtig ist sie nur noch im Landtag von Brandenburg mit sechs Mandaten vertreten. Außerhalb von Wahlkampfveranstaltungen tritt sie öffentlich kaum in Erscheinung. Im Gegensatz zur NPD gelang es ihr auch nicht, ihre Attraktivität in der rechtsextremistischen Szene zu erhöhen oder ihre Mitgliederzahl zu stabilisieren. Dies gilt auch für den Landesverband Rheinland-Pfalz, der lediglich im Raum Ludwigshafen am Rhein gewisse Organisationsstrukturen unterhält. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im März 2002 aufgelöst und die Eintragung im Vereinsregister gelöscht. Die Vereinigung existiert jedoch weiterhin zunächst unter der Bezeichnung "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" und nunmehr unter dem Namen "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz". Im Jahr 2007 wurden überwiegend interne Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. "Landesführer" ist ein amtsbekannter Rechtsextremist aus Kaiserslautern. "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband 40 Pfalz" steht in keinem personellen und organisatorischen Zusammenhang mit der bereits am 18. März 1966 durch den rheinland-pfälzischen Innenminister verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.7.2 "Gedenkaktionen" von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Auch im Jahr 2007 führte die rechtsextremistische Szene Aktionen des "Heldengedenkens" (z.B. Kranzniederlegungen) durch. Am 6. Mai 2007 trafen sich ca. 20 Personen des rechtsextremistischen Spektrums in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) zu einer "Gedenkveranstaltung". An einem "Totengedenken" am 25. November 2007 an der gleichen Örtlichkeit beteiligten sich ca. 35 Angehörige der rechtsextremistischen Szene. Aus Protest gegen die Aufzüge versammelten sich in der Katholischen Kirche in Bretzenheim ca. 150 bis 200 Menschen zum Gebet. 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am Tag der Deutschen Einheit fand in Germersheim und Speyer eine von Rechtsextremisten angemeldete Doppeldemonstration unter dem Motto "Deutschland einig Vaterland - Für einen gesunden Nationalstolz" statt. An den Aufzügen beteiligten sich jeweils 120 Rechtsextremisten. In Germersheim hatten sich ca. 200 Gegendemonstranten aus bürgerlichen Kreisen und ca. 100 Linksextremisten eingefunden. Personen aus dem linksextremistischen Bereich versuchten, den Aufzug der Rechtsextremisten durch Eierwürfe und Zünden von Feuerwerkskörpern zu stören. Die Polizei nahm vier Störer fest. In Speyer standen den Rechtsextremisten ca. 100 gewaltbereite Gegendemonstranten gegenüber, die den Aufzug zu stören versuchten. Die Polizei nahm hier fünf Störer fest. 41 Die rechtsextremistische Szene hatte für den 10. November 2007 Demonstrationen mit den Themen "Kundgebung für den Wiederaufbau des Ehrenmals in Marienfels" in Marienfels und "Gegen Repressionsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz" in Nastätten angemeldet. Zu diesen Veranstaltungen erschienen jeweils für wenige Minuten drei Rechtsextremisten, die in der Öffentlichkeit keine Beachtung fanden. Am 17. November 2007 fand in Nastätten eine Demonstration unter dem Motto "Repression hat viele Gesichter in der Republik der kleinen Lichter - Für den Wiederaufbau des Denkmals des 1. SS-Panzerkorps" und in Nassau ein Aufzug unter dem Motto "Totengedenken - Hände weg von den Gräbern unserer Toten" statt. An den Veranstaltungen, die im Wesentlichen störungsfrei verliefen, nahmen zwischen 150 und 170 Rechtsextremisten teil. An beiden Orten hatten sich ca. 400 Gegendemonstranten als "Allianz der Vernunft" eingefunden. 1.8 Revisionisten Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie bestreiten die Schuld des NS-Regimes am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, den verbrecherischen Charakter der NS-Diktatur oder relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern. Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und geben vor, lediglich an der Erforschung der Geschichte interessiert zu sein und sich um eine objektive Neubewertung der Vergangenheit zu bemühen. Am 15. Februar 2007 verurteilte das Landgericht Mannheim den bekannten "Holocaust-Leugner" Ernst ZÜNDEL wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zur Höchststrafe von fünf Jahren. Er hatte von Kanada aus im Internet und in ein42 schlägigen Publikationen regelmäßig und systematisch den Holocaust geleugnet. Die von ZÜNDEL eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12. September 2007 als unbegründet verworfen. Das Landgericht Mannheim verurteilte am 15. März 2007 den als "Holocaust-Leugner" bekannt gewordenen deutschen Rechtsextremisten Germar RUDOLF wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. 1.9 Auslandskontakte Die deutsche rechtsextremistische Szene unterhält teilweise enge Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Gemeinsame Veranstaltungen und Treffen im Inund Ausland dienen dem Informationsaustausch und der Koordination von Aktionen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind die internationalen Kontakte ausgeprägt. Am 10. Februar 2007 fand in Budapest die jährliche Gedenkveranstaltung zum "Tag der Ehre" statt. Auf dem Budapester Heldenplatz trafen sich ca. 800 Rechtsextremisten, darunter etwa 25 Teilnehmer aus Deutschland. Die flämische Sektion des internationalen Skinheadnetzwerkes "Blood & Honour" führte am 10. März 2007 unter dem Motto "SS Memorial Day 2007" eine "Gedenkveranstaltung für die Gefallenen der SS" auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Lommel/Belgien durch. Unter den ca. 300 europäischen Teilnehmern waren ca. 50 deutsche Rechtsextremisten. Am Abend fand in Mechelen/Belgien ein Skinheadkonzert statt, bei dem auch zwei Bands aus Deutschland aufspielten. 43 2. LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung überwinden und stattdessen eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft errichten. Ihr politisches Handeln orientiert sich demzufolge an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien. Während die revolutionär-marxistischen Organisationen auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen Klassenkampfes setzen, ist das Selbstverständnis der Anarchisten, insbesondere der so genannten Autonomen, von der Vorstellung eines freien, selbstbestimmten Lebens in "herrschaftsfreien Räumen" geprägt. Entsprechend wird jede Form staatlicher und gesellschaftlicher Normen abgelehnt. Die linksextremistische Szene in Rheinland-Pfalz, der etwa 100 gewaltbereite Autonome und 600 Aktivisten des revolutionär-marxistischen Flügels angehören, hat sich im Vergleich zum Vorjahr zahlenmäßig nicht verändert. Agitationsschwerpunkt des gesamten linksextremistischen Spektrums war das Treffen der Staatsund Regierungschefs der acht bedeutendsten Industriestaaten (G8) in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern vom 6. bis 8. Juni 2007. Hierbei kam es zu zahlreichen Protestaktionen, zum Teil auch zu Gewaltexzessen, hervorgerufen durch vermummt aufgetretene militante Autonome. Ihr Ziel, über gemeinsame Diskussionen und Aktionen anlässlich des G8-Gipfels die eigene konzeptionelle und strategische Schwäche zu überwinden bzw. nachhaltige Ansätze für eine Systemüberwindung zu schaffen, konnte das linksextremistische Spektrum nicht annähernd realisieren. Im Blickpunkt stand ferner die Fusion der "Linkspartei.PDS" mit der nicht extremistischen Partei "Arbeit & Soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalterna44 tive" (WASG) unter dem neuen Parteinamen "DIE LINKE." im Juni 2007. Aus programmatischen Aussagen der fusionierten Partei ergeben sich weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung; auch wirken nach wie vor offen linksextremistische Kräfte innerhalb der Partei. Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Rheinland-Pfalz, insbesondere der Autonomen, blieb der "Antifaschismus" mit der vordergründigen Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen. Weitere traditionelle Themen wie "Antirassismus" und "Anti-Atom-Bewegung" wurden von der beherrschenden "Anti-Globalisierung"-Debatte (G8-Gipfel) überlagert. 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2007** 2006** 2007* 2006* 1 Gesamt 700** 700** 30.800** 30.700** Gewaltbereite 100** 100** 6.300** 6.000** Marxisten600** 600** 24.800** 25.000** Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten2 (Angaben gerundet) * ohne Mehrfachmitgliedschaften ** einschließlich Personen aus beeinflussten Oragnisationen 1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 E inschließlich "Kommunistischer Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) sowie Mitglieder weiterer Gruppen in der Partei "DIE LINKE.". Hinsichtlich der Partei "DIE LINKE." mit bundesweit annähernd 72.000 ("Linkspartei.PDS" 2006: ca. 60.300) Mitgliedern wird wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes auf eine gesonderte Ausweisung verzichtet. 45 2.2. Linksextremistische Gewalt 2007 2006 Gesamt 6 6 Körperverletzungen 3 3 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr - - Landfriedensbruch - 2 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 3 1 (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten, insbesondere die so genannten Autonomen, beeinträchtigten auch im Jahr 2007 durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße die Innere Sicherheit Deutschlands. Die Proteste gegen das G8-Treffen in Heiligendamm bildeten einen aktionistischen Schwerpunkt. Um eine stärkere Vernetzung und Bündelung der Kräfte bemüht, suchten militante Autonome anlässlich ihres "antifaschistischen Kampfes" die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner. Bundesweit erhöhte sich die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten gegenüber dem Vorjahr von 6.000 auf nunmehr 6.300 Aktivisten. In Rheinland-Pfalz ist die Anzahl von 100 gewaltbereiten Linksextremisten gegenüber den letzten Jahren gleich geblieben; die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten blieb mit sechs auf dem Niveau des Vorjahrs. Terroristische Vereinigungen ähnlich der früheren "Roten Armee Fraktion" (RAF), die für schwerste (Mord)Anschläge verantwortlich waren, gibt es in Deutschland derzeit nicht; gleichwohl bewegen sich einzelne militante autonome Gruppierungen mit ihren Anschlagsaktivitäten im Grenzbereich zum Terrorismus. 2.3.1 Autonome Den mit Abstand größten Teil im gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum stellen die Autonomen mit bundesweit ca. 5.800 Aktivisten dar. 46 In Rheinland-Pfalz sind unverändert ca. 100 Autonome schwerpunktmäßig in Kaiserslautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung, Neustadt an der Weinstraße sowie im Westerwald aktiv. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Weltbild; Führungspersonen oder hierarchische Strukturen sind ihnen fremd. Sie lehnen jede Form von staatlichen und gesellschaftlichen Normen ab. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von "antikapitalistischen", "antifaschistischen" und "antisexistischen" Einstellungen. Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Die Anwendung von Gewalt, auch gegen Personen, zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen sie dabei als legitim an. Seit Jahren gibt es innerhalb der autonomen Szene Bemühungen, sich stärker zu vernetzen und den Aufbau von regionalen und überregionalen Organisationsstrukturen voranzutreiben. Ziele sind die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen, insbesondere gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Beispielhaft dafür ist eine durch das rechtsextremistische "Aktionsbündnis Rhein-Neckar" koordinierte Demonstration am 13. Januar 2007 in Kirchheim. An der Gegendemonstration nahmen ca. 300 Personen aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland teil, darunter etwa 120 gewaltbereite und zum Teil vermummte Autonome in einem "schwarzen Block". Nur durch das konsequente Einschreiten der Polizei konnten einzelne Autonome daran gehindert werden, ein örtliches NPDSzeneobjekt zu stürmen. Die Demonstranten warfen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern. Mehrere von ihnen wurden festgenommen. Die so genannten Antideutschen nehmen im Spektrum der gewaltbereiten 47 Linksextremisten eine Sonderrolle ein. Sie lehnen die Existenzberechtigung der deutschen Nation ab und unterstellen Deutschen eine grundsätzliche Neigung, einen nationalistischen Staat bilden zu wollen, was letztlich zur Vernichtung anderer Ethnien führen würde. Deutschland habe seine nationalsozialistische Vergangenheit bis heute nicht überwinden können und strebe nach einer als Demokratie getarnten Neuauflage des "Dritten Reiches". Ein weiterer Holocaust könne nur durch das "Aufgehen des Deutschen Volkes in einer multikulturellen Gesellschaft" vermieden werden. "Antideutsche" befürworten israelische und US-amerikanische Militäreinsätze gegen Islamisten als notwendige Verteidigung gegen den "Islamfaschismus". Damit stellen sie sich gegen die sonstigen Linksextremisten, denen "Antideutsche" vorwerfen, sich aufgrund ihrer Kritik an der US-Militärpolitik einem latenten bis offenen Antisemitismus sowie Antiamerikanismus verschrieben zu haben. In Rheinland-Pfalz sind "antideutsche Positionen" nach wie vor nur ansatzweise erkennbar; entsprechender Aktionismus war im Berichtszeitraum nicht festzustellen. Anfang Dezember erklärte die seit 2004 auch mit antideutschen/antinationalen Positionen in Erscheinung getretene Gruppe "Linksradikale Initiative für ein französisches Trier" (lif:t) ihre Auflösung. Sie bedauert, mit ihrem "Projekt" zur revolutionären Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse gescheitert zu sein; gleichwohl würde nichts "gegen die Notwendigkeit und Legitimation der Revolte" sprechen. Die Aktionsformen von Autonomen gestalten sich vielfältig. Offene Formen umfassen beispielsweise die Agitation mit Flugblättern, Plakaten, Internetaufrufen und Szenepublikationen. Zu den militanten Vorgehensweisen zählen neben Brandanschlägen insbesondere gewalttätige Demonstrationen unter Einsatz von Steinen und anderen Wurfgeschossen. Autonome versuchen dabei auf die "Vermittelbarkeit ihrer Anliegen" zu achten. Häufig stellen sie ihre Aktionen in den Zusammenhang mit aktuellen, auch in bürgerlichen Kreisen diskutierten Themen. Konspirativ durchgeführte Anschläge erfolgen nicht selten im Kontext 48 aktueller linksextremistischer Kampagnen. Hierzu werden regelmäßig Tatbekennungen veröffentlicht. Straßenkrawalle sind typisch für militante Autonome. Sie treten gewöhnlich vermummt in "schwarzen Blöcken" auf. Am 7. Juli 2007 nahmen ca. 6.500 Personen, darunter auch mehrere gewaltbereite Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz, an einer Demonstration gegen einen Aufmarsch der NPD in Frankfurt am Main teil. Aus einem etwa 1.000 Personen umfassenden Block heraus wollten kleinere Gruppen zum Sammelort der NPD vordringen. Immer wieder wurde versucht, den Aufzug der NPD durch Steinund Flaschenwürfe und durch direkte Konfrontation zu behindern. Polizeikräfte unterbanden ein Aufeinandertreffen der verfeindeten Gruppen. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Mehrere Polizeibeamte wurden verletzt. Wichtigstes Kommunikationsmittel der autonomen Szene ist inzwischen das Internet. Dort werden regelmäßig, auch verschlüsselt und nur einem internen Personenkreis zugänglich, Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Themen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe/Dokumentationen eingestellt. So veröffentlichte beispielsweise im April der "AK Antifa Mannheim" im Internet einen an Ordnungsämter, Parteien und Initiativen in RheinlandPfalz gerichteten "Offenen Brief" zur Nazi-Gewalt in der Pfalz, um mit Nachdruck angebliche gewalttätige Übergriffe von "Rechten" in Ludwigshafen am Rhein, Landau, Kaiserslautern und Neustadt an der Weinstraße anzuprangern. Der Brief endete mit den Parolen: "Die Antifaschistische Selbsthilfe organisieren! Kampf dem Faschismus auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!". Eine in Speyer am 19. Dezember durchgeführte "Spontandemonstration" von ca. 25 "Antifaschisten" wurde zwei Tage später im Internet von der Gruppe "Autonome Linke Vorderpfalz/ALVP" mit den "gestiegenen Aktivitäten und Übergriffen von Rechtsextremen gegen MigrantInnen und linke Jugendliche in der Region" und mit der "gestiegenen Propaganda-Tätigkeit der NPD und deren Umfeld" begründet. Mit der Aktion sollte gerade in 49 Speyer ein Zeichen hinsichtlich des "dort angeblich fehlenden antifaschistischen Widerstandes" gesetzt werden. Neben dem Internet dienen zahlreiche Anlaufund Kontaktstellen ("Infoläden" und "Volxküchen"), in Rheinland-Pfalz z.B. in Koblenz und Trier, der Kommunikation. Zu den bewährten Methoden des Informationsaustausches gehören ebenfalls konspirative Treffen sowie Veröffentlichungen in regionalen Szenepublikationen. Verdeckt operierende autonome Kleingruppen mit terroristischen Ansätzen setzten auch im Berichtszeitraum ihre Anschlagsaktivitäten fort. Dabei benutzen sie in ihren Taterklärungen zum Schutz vor Strafverfolgung wechselnde oder auch keine Aktionsnamen ("no-name"-Militanz). Zu den Ausnahmen gehört die Berliner "militante gruppe" (mg), die seit 2001 unter gleichem Namen in Erscheinung tritt. Der mg sind insgesamt 30 Anschläge gegen "verantwortliche Machtstrukturen aus kapitalistischer Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" zuzurechnen. Der entstandene Sachschaden beläuft sich mittlerweile auf über 1 Mio. Euro. In ihren Anschlagsbekennungen hat die mg bislang auf verschiedene "linke" Themen wie "Antirassismus", "Antirepression", "Sozialabbau", "Antiimperialistische Solidarität" oder "Antiglobalisierung" Bezug genommen. Im Berichtszeitraum war der G8-Gipfel auch für die mg ein Schwerpunkt ihrer "politischen Arbeit". Hier sah sie im Rahmen ihrer seit Jahren geführten "Militanzdebatte" einen geeigneten Ansatzpunkt, mit anderen militanten Linksextremisten über eine stärkere informelle Vernetzung sowie über das Niveau der Sachbeschädigung hinausgehende Anschlagsaktivitäten zu diskutieren. Am 15. Januar und am 16. März 2007 verübte die mg weitere Anschläge, die sie mit dem bevorstehenden G8-Gipfel bzw. mit dem "internationalen Kampftag für die Freiheit der revolutionären Gefangenen weltweit und gegen staatliche Repression" rechtfertigte. Unmittelbar nach einem versuchten Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Brandenburg/Havel am 31. Juli wurden drei mutmaßliche Mitglieder der mg inhaftiert. Aufgrund eines Beschlusses des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 28. November wurden sie wieder freigelassen. Die 50 Zugehörigkeit zur mg begründe nach Auffassung des BGH in rechtlicher Hinsicht noch nicht den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen, sondern lediglich die in einer kriminellen Vereinigung. Zwar seien die Anschläge der mg als "potenziell terroristische Delikte" zu bewerten, die Auswirkungen seien aber "nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Gesetzes erheblich zu schädigen". 2.3.2 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "Antifaschismus" steht bei Linksextremisten, insbesondere aus dem autonomen Spektrum, weiterhin im Mittelpunkt der politischen Aktivitäten. Autonome bekämpfen dabei vordergründig rechtsextremistische Bestrebungen, wollen aber gleichzeitig die als "kapitalistisches System" bezeichnete freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblich faschistischen Wurzeln überwinden. Durch den bundesweiten Aktionismus rechtsextremistischer Parteien und Organisationen kam es, regional unterschiedlich stark ausgeprägt, immer wieder zu "antifaschistischen" Aktivitäten gewaltbereiter Linksextremisten. Autonome versuchten durch "Massenmilitanz" und "Kleingruppentaktik" Aufmärsche der "Rechten", die grundsätzlich als Provokation empfunden werden, zu verhindern oder zu stören. Dabei konnte die von ihnen gesuchte Konfrontation mit den Rechtsextremisten oft nur durch Polizeimaßnahmen verhindert werden. So waren am 3. Oktober zwei aufeinander folgende NPD-Veranstaltungen in Germersheim und Speyer Anlass für gezielte Gegenaktionen. In Ger51 mersheim versammelten sich 300 Demonstranten, darunter ca. 100 Linksextremisten, die den "rechten" Aufzug durch das Werfen von Eiern und Feuerwerkskörpern zu stören versuchten; es kam zu vier Festnahmen. In Speyer demonstrierten ca. 100 gewaltbereite Linksextremisten gegen die NPD. Auch dort flogen Eier und Steine. Die Polizei nahm fünf Störer fest. So genannte "Autonome Zusammenhänge" bemühten sich ebenfalls, Aktivitäten von Rechtsextremisten aufzudecken und diese zu "outen". Mittels "Antifa-Recherchen" sammelten sie Informationen über Funktionäre, Trefflokale, Schulungseinrichtungen und "Nazi-Läden". Dabei nutzten sie verstärkt das Internet und riefen unverhohlen zur Gewaltanwendung auf. In der Nacht zum 20. Juli beschmierten unbekannte Täter in Ludwigshafen die Hauswand des Wohnanwesens eines Rechtsextremisten sowie einen dort angebrachten Schaukasten. Am 22. April zerstörten in Landau unbekannte Täter die Windschutzscheibe eines geparkten Kraftfahrzeuges mit einem Pflasterstein. Die Nutzer des Fahrzeuges verteilten NPD-Publikationen. Autonome schreckten auch nicht vor direkten körperlichen Angriffen zurück. So kam es im Anschluss an eine "antifaschistische" Demonstration am 16. Juni in St. Ingbert/Saarland unter dem Motto "No place for Nazi Business! - Strangeland dichtmachen!" am Saarbrücker Ostbahnhof u.a. durch drei rheinland-pfälzische Szeneangehörige zu einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil eines (vermeintlichen) "Rechten". Antirassismus Linksextremisten setzten ihre demonstrativen Aktionen gegen den "kapitalistischen Staat" und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik fort. Unter dem Motto "Abschiebeknäste und Abschiebelager abschaffen - gegen das Unmenschliche Migrationsregime von EU und G8 - Bleiberecht und Partizipation statt Ausgrenzung und Rassismus" fanden sich am 29. Juni 2007 rund 350 Personen aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland - darunter viele Autonome - zu einer friedlichen 52 Demonstration in der Innenstadt von Ingelheim zusammen. Anschließend marschierte man zu der in der Nähe gelegenen Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige. Zu der Aktion hatte ein überregionales "Bündnis gegen das Abschiebegefängnis in Ingelheim", darunter die "Antifa-Nierstein" und die "Widerstandsgruppe Worms-Wonnegau" aufgerufen. In dem im Internet verbreiteten Aufruf hieß es, "Abschiebehaftanstalten und Abschiebelager bilden das innerstaatliche Pendant zu den scharf bewachten Außengrenzen Europas". Zum System der neoliberalen Politik gehöre, dass Waren, Dienstleistungen, Kapital und die "verwertbaren Menschen" mühelos und selbstverständlich Grenzen passieren könnten, während die Unerwünschten zurückgewiesen würden. Anti-Globalisierungsbewegung Im Mittelpunkt standen die Protestaktionen gegen das G8-Treffen in Heiligendamm vom 6. bis 8. Juni 2007. Sie waren die beherrschenden Themen bei allen Linksextremisten und überlagerten die traditionellen Themen Atomenergie und vermeintlichen Rassismus. Linksextremisten waren die treibende Kraft der schon in den Jahren 2004 und 2005 begonnenen Mobilisierung gegen den G8-Gipfel. Im Jahr 2006 entstanden drei große Bündnisstrukturen "Interventionistische Linke" -IL-, "Dissent! - plus X -" und "Anti-G8-Bündnis für eine revolutionäre Perspektive", in denen linksextremistische und nicht extremistische Organisationen, Gruppen und Personen zusammenarbeiteten. Im Rahmen einer im Juli 2005 initiierten, die Protestvorbereitungen gegen den G8-Gipfel begleitenden "militanten Kampagne" wurden bis zum Ende des Gipfeltreffens 24 Brandanschläge verübt. Daneben gab es bundesweit 685 weitere Straftaten, darunter 351 Sachbeschädigungen. In Rheinland-Pfalz waren insgesamt vier Straftaten zu verzeichnen. In allen Fällen handelte es sich dabei um Farbschmierereien. Von den unmittelbar im Vorfeld des G8-Gipfels in Rheinland-Pfalz, etwa in Kaiserslautern, Trier und Mainz gegründeten und von ihrer Struktur sowie dem Anteil linksextremistischer Kräfte unterschiedlich ausgeprägten "Anti-G8-Bündnissen" gingen vielfältige Mobilisierungsaktivitäten aus. 53 An den Gipfeltagen selbst kam es in Mecklenburg-Vorpommern neben friedlichen auch zu gewalttätigen Protestaktionen. Im Verlauf der "Internationalen Großdemonstration" am 2. Juni in Rostock unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" mit ca. 30.000 Personen formierten sich ca. 2.000 militante Autonome zu einem "schwarzen Block". Aus diesem heraus kam es zu Steinwürfen und ersten Störungen. Im weiteren Verlauf eskalierte die Situation. Militante Linksextremisten attackierten Polizeibeamte mit Pflastersteinen, Flaschen und "Molotow Cocktails". Mehr als 400 verletzte Polizeibeamte waren zu beklagen. An einer Demonstration im Rahmen des Aktionstages "Migration" am 4. Juni in Rostock beteiligten sich ca. 2.500 vermummte Militante, die ihre Hände getapet und Schaumstoff unter der Kleidung trugen. Nach Beendigung der Demonstration wurden vereinzelt Steine und Flaschen geworfen. Vom 6. bis 8. Juni fanden verschiedene "Blockadeaktionen" im Umfeld der Tagungsstätte statt. Dabei wurden wiederum Polizeibeamte angegriffen. An den gewalttätigen Aktionen während des Gipfeltreffens nahmen nur wenige Aktivisten aus Rheinland-Pfalz teil. Linksextremistische Globalisierungskritiker werteten die Proteste auch im Hinblick auf eine Stärkung der (militanten) Linken als Erfolg. Die "Antifaschistische Linke Berlin" (ALB) zeigte sich "völlig überwältigt von den Eindrücken der Gipfelproteste" und befand, die "tatsächliche Störung des G8-Treffens" sei "nur durch die gemeinsame Aktionen und die Vielfältigkeit des Widerstandes" möglich gewesen. Einige Organisatoren sahen in den Protesten bereits Ansätze für den Aufbau einer anderen Gesellschaftsordnung. 54 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder Bund: ca. 4.200 (2006: weniger als 4.500) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 90 (2006: ca. 90) Organisation: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit sieben regionalen Gruppen Publikationen: Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) Auflage ca. 7.200 Exemplare zweimonatlich erscheinendes Theorie-Organ "Marxistische Blätter" Auflage ca. 3.000 Exemplare Die 1968 gegründete DKP definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.21 Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. Der knapp 90 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz betrieb im Berichtszeitraum Infostände, verteilte Flugblätter, organisierte Mahnwachen und gab so genannte Kleinzeitungen heraus. Verhältnismäßig aktiv zeigte sich die Partei in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Trier und Landau, wo u.a. zu den Themen "Streikrecht", "Rentenund Gesundheitsreform", "Hartz IV" und 21 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24 55 "Kampf gegen Krieg, Sozialund Demokratieabbau" politische Schwerpunkte gesetzt wurden. Ein weiterer wichtiger Punkt für die DKP ist die traditionelle Bündnisarbeit mit anderen "fortschrittlichen" Organisationen. Insgesamt können jedoch die aktionistischen Möglichkeiten der Partei wegen ihrer desolaten Finanzlage und der fortschreitenden Überalterung ihrer Mitglieder als zunehmend begrenzt bezeichnet werden. Organisationsstrukturen der Partei existieren in Landau ("Südpfalz"), in Bad Kreuznach ("Rhein-Nahe-Lahn"), in Mainz, Trier, Andernach ("Mittelrhein") und Idar-Oberstein. Aus personellen Gründen erfolgte 2007 eine Fusion der DKP-Ortsgruppen Kusel und Idar-Oberstein. 2.4.2 Partei "DIE LINKE." - ehemals "Die Linkspartei.PDS" Gründung: 1989/1990 Umbenennung SED in PDS 2005 Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS" 2007 Zusammenschluss mit der WASG und Umbenennung in "DIE LINKE." Sitz: Berlin Mitglieder Bund: ca. 72.000 (2006: 60.300) * Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 1.400 (2006: 411) * Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 28 Kreisverbänden * Der Anstieg der Mitgliederzahlen ist auf die Fusion der Partei "Die Linkspartei.PDS" mit der WASG zurückzuführen. Letztere war kein Beobachtungsobjekt des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes. Nicht alle Mitglieder der Partei "DIE LINKE." können als extremistisch eingestuft werden. Die durch eine Umbenennung aus der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) entstandene PDS hatte sich 2005 bundesweit umbenannt in "Die Linkspartei.PDS". Sie sieht sich nach wie vor als "gestaltende Opposition" zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland. Dabei verfolgt sie die Doppelstrategie, einerseits als Koalitionspartner in Landesregierungen mitzuwirken und andererseits langfristig die Systemüberwindung hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung anzustreben. 56 Auch nach der aktuell vollzogenen Fusion auf Bundesebene am 16. Juni 2007 mit der Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative" (WASG) und Umbenennung in die Partei "DIE LINKE." ist bislang keine politische und programmatische Änderung zu erkennen. Das Grundlagenpapier der Partei "DIE LINKE." mit dem Titel "programmatische Eckpunkte" führt Grundlinien der marxistischen Geschichtsund Gesellschaftstheorie fort, auch wenn deren typische Terminologie vermieden wird. Darin werden zur Charakterisierung der neuen Partei Eigenschaften aufgezählt, die zum Teil wortgleich dem Parteiprogramm der PDS vom Oktober 2003 entnommen sind. So propagiert "DIE LINKE." die Errichtung einer neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung als notwendiges Ziel und als gebotenen Ausweg aus der nach ihrer Auffassung bestehenden Krise des kapitalistischen Systems. Dieses Ziel könne langfristig nur durch die Überwindung des politischen Systems erreicht werden; dazu sei die grundlegende Veränderung der Eigentumsund Herrschaftsverhältnisse erforderlich. "DIE LINKE." bezeichnet sich selbst als "pluralistisch", d.h. sie akzeptiert und unterstützt offen extremistische Zusammenschlüsse in der Partei. Zu diesen Zusammenschlüssen gehören u.a. die "Kommunistische Plattform" (KPF), das "Marxistische Forum" und der "Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog". Sie besitzen satzungsmäßig verbriefte Rechte und erhalten eine finanzielle Unterstützung. Die KPF ist im Vorstand der Partei vertreten. Die Partei "DIE LINKE." arbeitet, wie auch schon die "Die Linkspartei.PDS", mit inländischen Linksextremisten zusammen. Das Spektrum reicht dabei von Mitgliedern der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) bis hin zu gewaltbereiten Autonomen. Art und Intensität dieser Kontakte lassen zumindest in Teilaspekten eine ideologische Verbundenheit zu diesen erkennen. Auch die zahlreichen weltweiten Kontakte der Partei "DIE LINKE." zu ausländischen kommunistischen Parteien und Organisationen werden weitergeführt. So wurde der Vorsitzende der Partei "DIE LINKE." auf dem Parteitag der "Europäischen Linken" vom 23. bis 25. November 2007 zu deren neuen Vorsitzenden gewählt. 57 Am 6. und 7. Oktober 2007 fand in Ingelheim der Gründungsparteitag des rheinland-pfälzischen Landesverbandes der Partei "DIE LINKE." statt. Die Delegierten der "Linkspartei.PDS" und der nicht extremistischen Partei WASG stimmten der Fusion beider Parteien zu. Damit trat die am 18. März 2007 vereinbarte Verschmelzungsvereinbarung, die von den Landesvorständen der WASG und der "Linkspartei.PDS" unterzeichnet worden war, in Kraft. Nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes wurde das Vermögen der WASG als Ganzes auf die Partei "DIE LINKE." übertragen. Im Gegenzug gewährte die "Linkspartei. PDS" den WASG-Angehörigen die Mitgliedsrechte. Dem rheinlandpfälzischen Landesverband der Partei "DIE LINKE." gehören nach dieser Fusion etwa 1.400 Mitglieder an. Der neu gewählte Landesvorstand ist mit ehemaligen Mitgliedern der "Linkspartei.PDS" und WASG-Mitgliedern besetzt. Insgesamt gibt es 28 Kreisverbände. Sowohl im Landesvorstand als auch in den Kreisvorständen wirken einzelne Linksextremisten mit. Der Partei "DIE LINKE." nahe stehend ist ihr Jugendverband "solid", der seit Oktober 2000 in Rheinland-Pfalz mit einem eigenständigen Landesverband existiert, jedoch weitgehend inaktiv ist. Nach eigenen Angaben hat "solid" in Rheinland-Pfalz ca. 100 Mitglieder, verteilt auf sechs Ortsgruppen. Bereits im Oktober 2006 hat sich in Mainz nach Angaben der Partei in der Publikation "Die Linke Zeitung" und im Internet der rheinland-pfälzische Landesverband der "Kommunistischen Plattform" (KPF) gegründet.22 Bei der "Kommunistischen Plattform" handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei "DIE LINKE.". Diese steht fest zu und in der marxistisch-leninistischen Tradition. In einem Grundsatzpapier vom November 2006 bezeichnet sie sich als in der Partei "DIE LINKE." organisierte Kommunistinnen und Kommunisten. 22 "Die Linke Zeitung", Nr. 6, November 2006 58 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder Bund: ca. 2.300 (2006: ca. 2.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: 10 (2006: 10) Organisation in Rheinland-Pfalz: Kreisverband Ludwigshafen/Mannheim Grundlegendes Ziel der MLPD ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Dabei greift sie insbesondere auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin zurück. Die MLPD grenzt sich von der DKP ab. In Rheinland-Pfalz besteht ein aktiver Kreisverband im Bereich Ludwigshafen/Mannheim, der sich im Berichtszeitraum mehrfach an den so genannten Montagsaktionen in Ludwigshafen und Mannheim beteiligt hat. Anlässlich einer bundesweiten Neuorganisation wurden 2007 sieben Landesverbände gegründet. Der für die Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland zuständige Landesverband hat seinen Sitz in Frankfurt/Main. Die marxistisch-leninistische MLPD feierte vom 2. bis 5. August 2007 mit verschiedenen Veranstaltungen ihr 25-jähriges Parteijubiläum. 59 3. ISLAMISMUS Im Jahre 2007 wurde erneut sichtbar, dass der Islamismus eine nahezu global agierende Bewegung ist. Dies betrifft seinen Aktionsraum ebenso wie sein Mobilisierungspotential, seine Strukturen und die Thematisierung politischer Fragen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch die Bundesrepublik Deutschland als Teil eines weltweiten Gefahrenraums anzusehen ist und im unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Gruppierungen liegt. Diese Einschätzung wurde nach den fehlgeschlagenen Anschlägen auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn im Vorjahr auch 2007 durch verschiedene Ereignisse bestätigt. So veröffentlichten Islamisten im Jahresverlauf drei Drohvideos, in denen Deutschland explizit genannt und teils sogar in deutscher Sprache adressiert wurde. Am 4. September 2007 wurde im Sauerland eine Personengruppe festgenommen, die schwere Terroranschläge in Deutschland vorbereitete. In der Presseerklärung der Generalbundesanwaltschaft vom Folgetag heißt es hierzu: "Die Planungen der Gruppierung waren darauf ausgerichtet, zur Durchführung des ,Heiligen Krieges' Sprengstoffanschläge durchzuführen. Als mögliche Anschlagsziele nahmen die Beschuldigten von Amerikanern besuchte Einrichtungen - wie Diskotheken, Pubs, Flughäfen - in Aussicht, vor denen mit Sprengsubstanzen beladene Fahrzeuge zur Detonation gebracht und eine Vielzahl von Personen getötet oder verletzt werden sollten." Die Terroranschläge konnten infolge einer intensiven Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sowie eines hohen Engagements der eingesetzten Kräfte verhindert werden. Wenngleich sich der Islamismus hierzulande mehrheitlich in seiner gewaltfreien Ausprägung manifestiert, ist festzuhalten, dass auch in diesem legalistischen Bereich ein Weltbild verbreitet wird, das die freiheitliche demokratische Grundordnung in zentralen Punkten zurückweist und durch dezidierte Feindbilder gekennzeichnet ist. Der Islamismus stellt folglich für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz einen Beobachtungsschwerpunkt dar. 60 3.1 Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2007 2006 2007 2006 Islamisten Gesamt* 800 780 33.170 32.150 (Angaben gerundet) * Weit überwiegend Personen, die einen gewaltfreien Islamismus vertreten 3.2 Ideologie Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Erscheinungsform des Islam mit politischen und zugleich religiösen Komponenten. Politisch ist der Islamismus in zweierlei Hinsicht: * Er strebt eine bestimmte Staatsund Gesellschaftsordnung an, * er behandelt in hohem Maße tagespolitische Themen. Beiden Aspekten liegt allerdings eine religiöse Perspektive und Rhetorik zugrunde. Als Grundlage der angestrebten Staatsund Gesellschaftsordnung gilt das islamische Recht (Scharia), das sich aus dem Koran und den Sammlungen überlieferter Aussprüche Muhammads und seiner Gefährten (Hadithe) ableitet. Gemäß diesem Islamverständnis untersteht die Religion nicht der staatlichen Ordnung, sondern erhebt vielmehr ihrerseits den Anspruch, die Staatsund Rechtsordnung zu regulieren. Die islamistischen Diskurse über tagespolitische Themen wie Irak-Krieg oder Palästina-Konflikt sind inhaltlich in keiner Weise religiös. Eine religiöse Dimension erhalten die aktuellen Themen der Weltpolitik bei Islamisten jedoch dadurch, dass sie ausschließlich vom Standpunkt der Religionszugehörigkeit aus geführt werden. Hierbei wird zunächst eine Zweiteilung der Menschen in Muslime und Nichtmuslime - gemäß islamistischer Rhetorik vielfach "die Ungläubigen" - vorgenommen. Als dritte Kategorie kommen oftmals diejenigen Muslime hinzu, die nach islamistischer Auffassung vom wahren Islam abgefallen sind und mit den Nichtmuslimen kooperieren. Die Rollenverteilung erfolgt durchgängig und ohne Differenzierung nach dem Schema "Muslime sind die Opfer, Nichtmuslime 61 die Täter". Hieraus werden moralische Werturteile abgeleitet, die letztlich auf einen zwar nicht biologisch, aber religiös begründeten Rassismus hinauslaufen. In der Feindbildhierarchie stehen Israel, die USA sowie die westliche Welt im Allgemeinen ganz oben. Auch wenn die Frontalkritik bei der Mehrzahl der Islamisten durch Worte und nicht durch Gewaltaktionen artikuliert wird, geht von ihr doch eine stark polarisierende Wirkung aus. Sie ist zudem imstande, Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung in Gang zu setzen. Eine besonders rigide Erscheinungsform innerhalb des Islamismus ist die Salafiyya. Anhänger dieser Richtung sind bestrebt, das Leben der ersten muslimischen Generationen möglichst detailgenau zu kopieren. Dies spiegelt sich u.a. im äußeren Erscheinungsbild wider und bedeutet für Frauen in der Regel die Verpflichtung zur Vollverschleierung. Wird hierbei Zwang ausgeübt, stellt dies einen Verstoß gegen Art. 2 GG (Freiheit der Person) dar. Glaubensinhalte, Verhaltensweisen und Zeiterscheinungen, die sich nicht aus den islamischen Quellen, d.h. Koran und Sunna, ableiten lassen, lehnen Salafisten meist kategorisch ab. So wenden sie sich beispielsweise gegen die Heiligenverehrung, die unter Muslimen seit mehr als 1.000 Jahren weit verbreitet ist, aber keine Verankerung in den islamischen Quellen hat. Bezeichnend ist weiterhin, dass sie die strikte Einhaltung des in der Sunna enthaltenen Verbots figürlicher Abbildungen und im Extremfall sogar deren Zerstörung fordern. Ein Teil der Salafisten geht soweit, Muslime, die gegenüber Neuerungen offen sind oder ein von ihnen abweichendes Islamverständnis haben (z.B. Schiiten oder säkulare Muslime), zu Ungläubigen zu erklären. Dieser Vorgang der "Exkommunikation" wird im Arabischen als takfir bezeichnet. Im militant-islamistischen Spektrum werden machtpolitische Interessen und Gewaltanwendung mittels einer islamisch gefärbten Rhetorik "legitimiert". Hierzu gehören die häufige Bezugnahme auf Gott, die Heranziehung ausgewählter Koranverse und Hadithe sowie der zentrale Stellenwert von Begriffen wie Märtyrer oder Jihad. Auf Grund dessen ist diese Strömung auch unter der Bezeichnung Jihadismus bekannt. 62 Sowohl Islamisten als auch Jihadisten haben eine umfassende und nahezu globale "Infrastruktur" aufgebaut. Hierzu gehören neben offiziellen Organisationsstrukturen bzw. informellen Personenzusammenschlüssen zahlreiche Internetseiten und Chatforen, eigene Verlage, Schriften, Zeitungen, TV-Sender, Audiound Videomaterial, Kursangebote, Vortragsveranstaltungen, soziale Dienstleistungen, organisierte Spendensammlungen u.a. Für Islamisten ist es daher einfach, Muslime - speziell junge, mit den zeitgenössischen Medien vertraute Muslime - zu erreichen. Bei den terroristischen Gruppierungen kommen paramilitärische Trainingslager und eigene, verdeckte Finanzierungswege hinzu. 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2007 International Das Jahr 2007 war international betrachtet erneut durch zahlreiche Gewaltaktivitäten jihadistischer Terroristen geprägt. Dies traf besonders für den Irak zu, wenngleich die Zahl der dort verübten Terroranschläge in der zweiten Jahreshälfte zurückging und die irakische al-Qaida-Sektion ("Islamischer Staat Irak", ISoI) zunehmenden Widerstand aus der irakischen Bevölkerung erfuhr. Auch in Afghanistan kam es zu einer Vielzahl von Anschlägen und sicherheitsrelevanten Vorfällen. Eine deutliche Lageverschärfung ist 2007 im Nachbarland Pakistan eingetreten, wo es im Jahresverlauf zu mehreren schweren Terroranschlägen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und militant-islamistischen Kräften kam. Am 27. Dezember 2007 fiel die Vorsitzende der "Pakistan Peoples Party" und gleichzeitige Oppositionsführerin Benazir BHUTTO einem Attentat zum Opfer. Die noch andauernden Untersuchungen zum Tathergang haben bisher keine zweifelsfreien Beweise für die Urheberschaft jihadistischer Gruppierungen hervorgebracht (Erkenntnisstand: 31. Januar 2008). Im Jahresverlauf haben sich die Erkenntnisse verdichtet, wonach das pakistanische Grenzgebiet zu Afghanistan, speziell die Bergregion Waziristan, eine wichtige Rolle im Bereich des internationalen islamistischen Terrorismus einnimmt. Experten gehen davon aus, dass es der al-Qaida-Zentrale gelungen ist, sich in dieser Region zu regenerieren. Die Region stellt weiterhin 63 mit ihren Ausbildungslagern für Terroristen eine Anlaufstelle für Jihadisten aus zahlreichen Ländern, darunter auch aus Deutschland, dar. Auch eine Person aus Rheinland-Pfalz steht im Verdacht, ein solches Ausbildungslager besucht zu haben. Die Generalbundesanwaltschaft hat gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS129 b StGB) eingeleitet. Im Berichtsjahr trat al-Qaida zudem verstärkt in Nordafrika in Erscheinung. Am 24. Januar 2007 erfolgte seitens der algerischen Terrororganisation "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC) eine Umbenennung in "al-Qaida im Islamischen Maghreb". Es gibt Anzeichen dafür, dass dieser Schritt mit einer Ausweitung von Rekrutierungen sowie terroristischer Vorbereitungshandlungen und Aktivitäten in der gesamten Maghreb-Region (Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien, Tunesien) und möglicherweise über Nordafrika hinaus einhergeht. Ein Indiz hierfür ist nicht zuletzt der Beitritt der "Libyschen Islamischen Kampfgruppe" (LIFG) im November 2007 zur nordafrikanischen al-Qaida-Sektion. In Algerien verübte "al-Qaida im Islamischen Maghreb" im Jahresverlauf mehrere Selbstmordanschläge mit zahlreichen Todesopfern und Verletzten. Die Anschläge richteten sich u.a. gegen den Amtssitz des Ministerpräsidenten (11. April), den Obersten Gerichtshof sowie das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (11. Dezember). Im Nachbarland Mauretanien kam es zum Jahresende zu zwei bewaffneten Angriffen, denen französische Touristen sowie mauretanische Soldaten zum Opfer fielen. Die Bedrohung durch terroristische Kräfte machte sich auch im Libanon bemerkbar. Am 20. Mai 2007 brachen im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared bei Tripolis heftige Gefechte zwischen Angehörigen der Untergrundorganisation "Fatah al-Islam" ("Eroberung des Islam") und der libanesischen Armee aus. Bei "Fatah al-Islam" handelt es sich um eine al-Qaida-nahe sunnitische Gruppierung, deren Kämpfer sich u.a. aus IrakVeteranen zusammensetzen. Die Gefechte zogen sich bis zum 2. September 2007 hin und kosteten mehr als 300 Menschen das Leben, darunter libanesische Soldaten, Fatah al-Islam-Kämpfer und Zivilisten. In Europa blieben 2007 vergleichbare Anschläge und Auseinandersetzungen aus. Das Auffinden zweier mit Sprengstoff beladener PKWs in London am 29. Juni sowie ein weitgehend fehlgeschlagener Anschlags64 versuch auf dem Flughafengelände von Glasgow am darauf folgenden Tag belegen jedoch, dass europäische Staaten weiterhin im Visier islamistischer Terroristen stehen. Bundesrepublik Deutschland Auch für Deutschland geht vom internationalen islamistischen Terrorismus eine konkrete Gefahr aus. Dies haben im Berichtsjahr einige Ereignisse verdeutlicht. Am 4. September 2007 nahmen BKAund GSG 9-Beamte in MedebachOberschledorn (Nordrhein-Westfalen) drei Personen fest, die dringend verdächtig sind, Terroranschläge in Deutschland geplant zu haben. Im Zielspektrum standen insbesondere US-amerikanische Einrichtungen, darunter der in Rheinland-Pfalz gelegene Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Vorgesehen war hierbei, mit Sprengsubstanzen beladene Fahrzeuge zur Detonation zu bringen, was eine Vielzahl von Todesopfern und Verletzten zur Folge gehabt hätte. Indizien hierfür waren u.a. die Beschaffung großer Mengen an Sprengsubstanzen sowie die Inhalte mitgeschnittener Gespräche und Kontakte zur "Islamischen Jihad-Union" (IJU), einer ursprünglich usbekischen Terrororganisation. Die drei Festgenommenen - zwei zum Islam konvertierte Deutsche sowie ein türkischer Staatsbürger - hatten 2006 Ausbildungslager der IJU in Pakistan besucht. Am 6. November 2007 wurde in der Türkei ein vierter Verdächtiger festgenommen. Im März, Juni und November 2007 wandten sich jihadistische Kreise in Videobotschaften an Deutschland. Die Botschaften vom März und November wurden auf der Internetseite des deutschsprachigen Ablegers der "Globalen Islamischen Medienfront" (GIMF) veröffentlicht. Bei der GIMF handelt es sich um eine virtuelle Organisation im Internet, die über keinen festen Sitz verfügt und nur im Internet durch ihre Anführer und Mitglieder aktiv ist. Ideologisch ist sie eng mit al-Qaida verwandt; ob sie aber auch in organisatorischer Beziehung zu der Terrororganisation steht, konnte bisher nicht geklärt werden. Die Videobotschaften richteten sich, mit deutschen Untertiteln versehen bzw. auf deutsch verlesen, an die 65 Adresse Deutschlands und Österreichs. In der Botschaft vom 10. März 2007 heißt es u.a.: "Die Teilnahme Deutschlands an dem Krieg der Verlierer Staaten von Amerika gegen den Islam und die Muslime wird zu nichts führen, außer dass es zu mehr Drohungen kommt und dass Deutschland Gefahren in seinem Land erleben wird [...] Mit eurem Beistand und eurer grenzenlosen Unterstützung für Amerika habt ihr die, dir ihr Terroristen nennt, dazu motiviert, euch anzugreifen, und somit zerstört ihr eure Sicherheit mit euren eigenen Händen [...] Zieht eure Soldaten von den Ländern der Muslime ab, und zieht eure Unterstützung für Bush und seine Leute zurück, denn dies ist sicherer für euch und eure Interessen." Die Botschaft vom 20. November 2007 liest sich ähnlich: "Das nächste Thema, auf das wir eingehen wollen, ist die Beteiligung Deutschlands am Kreuzzug gegen die Muslime. Die deutschen Soldaten besetzen immer noch Afghanistan und wir wiederholen den Aufruf aus dem letzten Video, dass Deutschland seine Truppen aus Afghanistan abziehen soll. Dies dient nur zu eurer eigenen Sicherheit in eurem Lande." Die Aussagen lassen zwar keinen Rückschluss darauf zu, dass die Hersteller des Videos selbst beabsichtigen, aktiv zu werden, oder dass sie Kenntnis von Anschlagsplänen haben. Die unkonkret gehaltene Wortwahl lässt aber gleichwohl erkennen, dass die Autoren Anschläge gegen Deutschland billigend hinnehmen würden. Die Videobotschaft kann zudem von Jihadisten als Ermutigung oder gar Aufforderung verstanden werden, Terroraktionen in Deutschland durchzuführen. Den österreichischen Sicherheitsbehörden gelang es am 12. September 2007, den Hauptverantwortlichen für den deutschsprachigen Internetauftritt der GIMF sowie die Verbreitung des März-Videos festzunehmen. Am 19. Dezember 2007 durchsuchten Polizeibeamte die Wohnung eines 18-Jährigen im bayerischen Weiden, der ebenfalls im Verdacht steht, für die deutschsprachige GIMF tätig zu sein. 66 Durch den US-Fernsehsender ABC wurde im Juni 2007 die Existenz eines Videos bekannt, welches eine Abschlussfeier für gerade ausgebildete Selbstmordattentäter der Taliban zeigt. Hierin hält Mansour DADAULLAH, der militärische Anführer der Taliban, eine Propagandarede, in der neben einigen anderen Staaten auch Deutschland gedroht wird. Hier einige übersetzte Auszüge: "Und diese Gruppe ist bestimmt worden für die Deutschen. Ihr habt den Befehl, die Deutschen anzugreifen [...] Es ist nicht so, dass unser Kampf nur in Afghanistan ist. Wenn die Amerikaner, Briten, Deutsche, Kanadier und ihre Verbündeten tausende von Kilometer hinter sich lassen, um gegen uns zu kämpfen, so werden wir auch unseren Kampf dorthin bringen. Wir werden ihre Gebäude und Anlagen zerstören." Die Tötung von drei deutschen Soldaten und drei Polizisten bei Anschlägen in Kundus (19. Mai) und Kabul (15. August) sowie gehäufte Entführungen, in einem Fall mit Todesfolge, unterstreichen die tatsächliche Gefährdung für Deutsche in Afghanistan. 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in RheinlandPfalz Von den etwa 110.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 800 Personen islamistische Bestrebungen. Während die 2007 vom Bundesministerium des Innern veröffentlichte Studie "Muslime in Deutschland" (siehe www.bmi. bund.de) die Einstellungen von Muslimen zu einer Reihe von Fragen untersucht, setzt der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes erst dann ein, wenn eine extremistische Einstellung durch Bestrebungen bzw. zielgerichtete Aktivitäten unterstützt wird, z.B. die Mitwirkung in einer extremistischen Vereinigung, Propaganda in Wort und Schrift oder Finanzmittelbeschaffung. Dies erklärt die unterschiedlichen Zahlenwerte der Studie und des Verfassungsschutzes. Die meisten der ca. 800 Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen gewaltfreien Islamismus. Ein deutlich kleinerer Teil propagiert, ohne einer Organisation anzugehören, eine salafistische Weltsicht (siehe hierzu Punkt 3.2). Eine weitere Minderheit 67 steht in Beziehung zu gewaltbereiten Personen aus dem jihadistischen Spektrum (siehe Punkt 3.4.5). Etwa 20 der insgesamt ca. 110 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Konkret handelt es sich dabei um etwa 12 IGMG-Vereine, zwei Moscheen des verbotenen "Kalifatsstaats" sowie einzelne unabhängige Moscheevereine mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern sowie Konvertiten. In solchen Vereinen mischen sich Einzelpersonen mit Bezügen zur islamistischen Bewegung unter Besucher, die nicht im islamistischen Sinne aktiv sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer solchen Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen mehrfach, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz aber bisher nur sehr vereinzelt festgestellt werden. In Rheinland-Pfalz sind im Wesentlichen die unter den nachfolgenden Unterpunkten dargestellten Organisationen und Gruppierungen vertreten. Darüber hinaus gibt es im Bundesgebiet weitere islamistische Organisationen, u.a. "Ansar al-Islam" ("Unterstützer des Islam"), "HAMAS", "Hizb Allah" ("Partei Gottes") und "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"). Zwar leben in Rheinland-Pfalz vereinzelte Personen, bei denen es Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit oder Nähe zu diesen Gruppierungen gibt, die Organisationen traten in Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr allerdings nicht in Erscheinung. 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder Bund: ca. 27.000 (2006: ca. 26.500) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 650 (2006: ca. 650) 68 Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen weit überwiegend türkische und türkischstämmige Personen. Die IGMG bietet hiesigen Muslimen und speziell ihren Mitgliedern ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Moscheebau, Hausaufgabenbetreuung, Seelsorge, Pilgerund Kulturreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Zwar präsentiert sich die IGMG nach außen als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Organisation, doch bei näherer Betrachtung werden vielfältige Verbindungen zum - gewaltfreien - islamistischen Spektrum offenkundig, und zwar speziell zur "Milli Görüs"-Bewegung. Die "Milli Görüs"-Bewegung geht organisatorisch wie ideologisch auf Necmettin ERBAKAN zurück. Von zentraler Bedeutung ist hierbei seine programmatische Schrift "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). Gerechtigkeit wird nach seinem Verständnis untrennbar mit dem Islam bzw. einer strikten islamischen Ordnung verbunden, während vom Islam abweichende Politikoder Gesellschaftsmodelle gleichsam als Synonyme für Ungerechtigkeit und Despotie gelten und überwunden werden sollen. Diese bipolare Weltsicht einschließlich einer ausgeprägten antiisraelischen und antiwestlichen Propaganda ist für die "Milli Görüs"-Ideologie ebenso kennzeichnend wie ein ganzheitliches Islamverständnis. Zu den Komponenten der "Milli Görüs"-Bewegung gehören u.a. die "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei") in der Türkei, die Tageszeitung "Milli Gazete", der Fernsehsender tv5 und die IGMG. Im Berichtsjahr sind erneut zahlreiche Querverbindungen zwischen diesen einzelnen Komponenten deutlich geworden. Die nachfolgend genannten Beispiele belegen dies: - Wie "Milli Gazete" berichtete, fand am 24./25. Februar 2007 in Heidelberg-Walldorf ein Bildungsseminar statt, das von hochrangigen Funktionären der IGMG und "Saadet Partisi" gestaltet wurde. 69 - Während einer IGMG-Studentenversammlung am 31. März 2007 in Hagen wurde eine Videobotschaft ERBAKANs eingespielt. Weiterhin traten dort aus der Türkei angereiste Funktionäre der "Saadet Partisi" auf, darunter Prof. Dr. Arif ERSOY und Prof. Dr. Numan KURTULMUS. - Einem Bericht der "Milli Gazete" vom 10. Mai 2007 ist zu entnehmen, dass die IGMG Hannover eine Türkeireise organisierte. Hierbei fanden Besuche bei der Generalzentrale der "Saadet Partisi", in den Redaktionsräumen von "Milli Gazete", beim Fernsehsender tv5 sowie bei Necmettin ERBAKAN statt. - Nach einem Bericht der "Milli Gazete" vom 26. Juni 2007 fand in der Mainzer Barbaros-Moschee, die von der IGMG betrieben wird, eine Versammlung der Ortsvereinvorstände statt. Hierbei wurde Necmettin ERBAKAN telefonisch zugeschaltet und übermittelte den Teilnehmern eine Grußbotschaft. Die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" und der Sender tv5 nehmen innerhalb der "Milli Görüs"-Bewegung eine zentrale Rolle als Nachrichtenund Propagandamedium ein. "Milli Gazete" ist zwar formal von der IGMG unabhängig, liegt aber regelmäßig in den Räumlichkeiten von IGMGOrtsvereinen zur Lektüre, gelegentlich auch zur Mitnahme aus. Auf eine Verflechtung lässt ferner die umfangreiche Berichterstattung der "Milli Gazete" über IGMG-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet, so auch in Rheinland-Pfalz schließen. Zudem wurde 2007, wie schon in den Vorjahren, bei einigen IGMG-Veranstaltungen für ein Abonnement der "Milli Gazete" geworben. Dies ist zum Teil in der Zeitung selbst nachzulesen: "Die IGMG Bremen hat im Rahmen ihrer seit zwei Jahren andauernden Werbekampagne für die Zeitung Milli Gazete zum Opferfest an ihre Mitglieder Gratisexemplare verteilt." ("Milli Gazete", 20. Dezember 2007) In einem Bericht über einen Koranrezitationswettbewerb des Regionalvorstands der IGMG Ruhr-A in Dortmund wird die Opferbereitschaft zur Steigerung der "Milli Gazete"-Auflage gerühmt ("Milli Gazete", 14. Februar 2007). Die Problematik dieser Verflechtung liegt darin, dass "Milli Gazete" wiederholt Artikel mit dezidierter Feindbildpropaganda in Kombination mit 70 Verschwörungstheorien veröffentlicht. So zitierte die Zeitung den "Milli Görüs"-Führer Necmettin ERBAKAN mit Äußerungen, wonach der Zionismus zum Erreichen seines Zieles keinen unabhängigen türkischen Staat dulde ("Milli Gazete", 6. Juli 2007). Weiterhin versuchten, so ERBAKAN, die "rassistischen Imperialisten, das türkische Volk zu betäuben, um es zu vernichten" ("Milli Gazete", 19. Juli 2007). In der Ausgabe vom 29. Mai 2007 ist zum Thema "Eroberung" Folgendes zu lesen: "Eroberung bedeutet, den Menschen zur Seite zu stehen, auf deren Glauben man es abgesehen hat und die Ungläubigen den Glauben spüren zu lassen. Eroberung bedeutet, dem Heer von Mördern, die zum Morden gekommen sind, Glauben zu verleihen. Eroberung heißt, den Vampiren, denen es gefällt, Blut fließen zu lassen, das Menschsein einzuimpfen. Eroberung heißt, sämtliche nicht mit dem Islam vereinbare Gebräuche und Sitten niederzureißen und die Menschen aus der Umzingelung dieser Gebräuche zu befreien." Anzumerken ist hierbei, dass der Verfasser dieses Artikels im Berichtsjahr bei mehreren IGMG-Veranstaltungen im Bundesgebiet auftrat. In dieselbe Richtung geht ein anderer Artikel, in dem von den notwendigen Maßnahmen die Rede ist, damit der Islam zur Herrschaft gelangt ("Milli Gazete", 9. Juni 2007). Die IGMG bekennt sich nach außen zur Integration - in Unterscheidung zur Assimilation - von Muslimen in Deutschland. Es bestehen allerdings Zweifel, ob sie mit Integration wirklich ein gesellschaftliches Miteinander mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft meint oder nicht vielmehr die langfristige Durchsetzung und Dominanz der eigenen Wertevorstellungen hierzulande anstrebt. So lassen beispielsweise die Äußerungen des Jugendvorsitzenden der Fatih-Moschee (IGMG München-Mitte) auf eine entsprechende Agenda schließen: 71 "Wenn Europa schrittweise zum Islam kommt, dann ist das der Erfolg der hier lebenden Jugendlichen bzw. der Muslime. Dass die Jugendlichen sich hier nicht verlieren, ist die große Aufgabe der Organisation. Wenn Europa, wie wir es erhoffen, islamisiert wird, so wird dies das Verdienst der hiesigen Muslime bzw. der türkischen Gemeinschaft sein. Dafür leisten wir Grundlagenarbeit. Zunächst müssen wir unsere eigene Identität bewahren, das ist sehr wichtig. Dies müssen wir dann noch weiter ausbauen und an die Nichtmuslime, also die hiesige Bevölkerung, weitergeben. Dies wird in drei Stufen geschehen. Die erste Stufe kann noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Die Organisationen müssen noch eifriger arbeiten. Es gibt noch viel zu tun." (berichtet auf tv5 in der Sendung "Vuslat" vom 6. Juni 2007) Die dargelegten Erkenntnisse belegen die fortbestehende Anbindung der IGMG an "Milli Gazete", Necmettin ERBAKAN, "Saadet Partisi" und damit an den Gesamtkomplex "Milli Görüs". Das dort vermittelte Weltbild widerspricht in mehreren Bereichen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 3.4.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder Bund: ca. 750 (2006: ca. 750) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2006: ca. 40) Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" lässt bereits auf einen der wesentlichen Programmpunkte dieser türkisch-islamistischen Organisation schließen: Die Wiedererrichtung des Kalifats und gleichzeitige Abschaffung der Republik als Staatsform. Als erster Schritt hierzu erfolgte die Ausrufung des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN zum Kalifen durch die Vereins72 mitglieder. Nach seinem Tod im Jahre 1995 führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel, fand jedoch ebenso wie sein Vater außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Wenngleich die Rhetorik des "Kalifatsstaats" stark auf die Türkei bezogen ist, werden die Demokratie und ihre wesentlichen Prinzipien wie Volkssouveränität oder Mehrparteiensystem doch grundsätzlich abgelehnt. Dies führte neben seiner vehementen Agitation gegen Israel und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker zu seinem Verbot im Jahr 2001. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden, nämlich den "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", die "Islamische Union Ludwigshafen" sowie den "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung". Das Vereinsverbot und die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei im Oktober 2004 führten dazu, dass ein großer Teil der "Kalifatsstaat"Anhänger in Deutschland offene Nachfolgeaktivitäten vermeidet. Einzelne versuchen allerdings, organisatorische Zusammenhänge aufrechtzuerhalten. Zudem präsentiert sich der "Kalifatsstaat" im Internet. So betreibt er eine unter türkischer Adresse registrierte Internetseite auf einem Server in den Niederlanden (www.ilimdiyari.com; Stand: Dezember 2007). Auf Grund des dort eingestellten Bildund Textmaterials lässt sich die Seite eindeutig dem "Kalifatsstaat" zurechnen. Die auf Cemaleddin KAPLAN zurückgehende "Kalifatsstaat"-Ideologie wird hier in ihrer bekannten Form verbreitet. Dies heißt u.a., dass der Koran als Verfassung, die Scharia als Gesetz und das Kalifat als Staatsform proklamiert werden. 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypthen Mitglieder Bund: ca. 1.300 Mitglieder Rheinland-Pfalz: einzelne Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine 73 Die "Muslimbruderschaft" existiert in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der "Muslimbruderschaft" gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und die "Islamische Heilsfront" (FIS) in Algerien hervor. Die "Muslimbruderschaft" strebt die Durchdringung der staatlichen und rechtlichen Ordnung durch den Islam und seine Vorschriften an. Sie bezieht damit eine Oppositionshaltung zu den meisten Regierungen in der muslimischen Welt, ist jedoch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Vergangenheit wie zeitweise in Ägypten und Syrien abgerückt. Stattdessen ist sie bestrebt, ihre Position im vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu stärken, um schließlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. In Deutschland stellt die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München eine Art Interessensvertretung der "Muslimbruderschaft" dar. Gemäß ihren eigenen Angaben sind ihr acht so genannte "Islamische Zentren" angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Die offiziellen Verlautbarungen der IGD stehen in der Regel im Einklang mit der Staatsund Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig unterhält sie jedoch Verbindungen zu Organisationen, die der Ideologie der "Muslimbruderschaft" verpflichtet sind, so zur "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE) und deren Mitgliedsorganisation "Europäischer Rat für islamische Rechtsgutachten und Forschung" (ECFR). Im Weltbild der "Muslimbruderschaft" lassen sich u.a. folgende Punkte identifizieren: - ganzheitliches Islamverständnis mit ewig und universell gültigen Rechtsnormen, - Vorrangstellung der Scharia gegenüber allen anderen Rechtssystemen, - eingeschränkte Religionsund Meinungsfreiheit, 74 - rechtliche Benachteiligung von Frauen und Nichtmuslimen, - Feindbild Israel und Westen, - Rechtfertigung von Gewaltanwendung gegen Israel. Die Verflechtung der IGD mit Organisationen, deren Weltbild durch die "Muslimbruderschaft" geprägt ist, lässt Zweifel aufkommen, ob sie wirklich hinter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland steht oder sich nicht vielmehr für die Verbreitung islamistischer Positionen bei hiesigen Muslimen einsetzt. In Rheinland-Pfalz gibt es keine Vereine oder Moscheen, die der "Muslimbruderschaft" bzw. der IGD zugeordnet werden können. Es liegen jedoch bei einzelnen Personen Erkenntnisse über eine ideologische Nähe zur "Muslimbruderschaft" sowie eine Mitwirkung in deren organisatorischem Umfeld vor. 3.4.4 "Tablighi Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Delhi und Raiwind bei Lahore, Parkistan Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien Anhänger Bund: ca. 700 (2006: ca. 700) Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 40 (2006: ca. 40) Die "Tablighi Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von ihrem Ursprungsland Indien in zahlreiche Länder auf allen Kontinenten verbreitet und befindet sich weiterhin in einem Expansionsprozess. Ihre Anhängerschaft soll Schätzungen zufolge weltweit im zweistelligen Millionenbereich liegen. Eine diesbezügliche Präzisierung fällt insofern schwer, als die "Tablighi Jamaat" trotz ausgeprägter Organisationsstrukturen im Hinblick auf Neuzugänge eine offene Bewegung ist und keine Mitgliederlisten im klassischen Sinne führt. Die "Tablighi Jamaat" charakterisiert sich selbst als eine religiös-missionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat liegen die 75 Hauptaktivitäten der "Tablighi Jamaat" im Bereich der Missionierung und religiösen Erziehung. Konkret sieht sie es als ihren Auftrag, Muslime über die Glaubenslehren, rituellen Vorschriften und Verhaltensregeln des Islam zu informieren und sie zu einem Leben hinzuführen, das sich strikt am Koran und der überlieferten Lebensweise Muhammads und seiner Gefährten (Sunna) orientiert. Das Bemühen um die Wiederherstellung eines "reinen" Islam und Betonung der muslimischen Identität geht mit einer Abgrenzung gegenüber anderen Religionen und Lebensformen einher. So wird bezeichnenderweise in einer maßgeblichen Schrift der "Tablighi Jamaat" beklagt, die Muslime des 20. Jahrhunderts seien allzu sehr darauf aus, Seite an Seite mit den Nichtmuslimen die Annehmlichkeiten des Diesseits zu genießen (Muhammad Zakariyya Kaandhlawi: Faza'il-e-A'maal [Die Segnungen frommer Taten]. Karachi 1997, S. 35). Dieses umfangreiche Werk ist im Wesentlichen eine kommentierte Zusammenstellung überlieferter Aussagen und Taten Muhammads sowie seiner Zeitgenossen. Es vermittelt zwar keine geschlossene Ideologie, führt aber gleichwohl in die Gedankenwelt der "Tablighi Jamaat" ein. Kritisch zu werten sind in dem Werk vor allem folgende Punkte: - Die Unterordnung der Frau unter den Mann einschließlich einer Gehorsamspflicht, sexuellen Verfügbarkeit und eingeschränkten Bewegungsfreiheit. - Die Glorifizierung von Jihadund Märtyreraktivitäten früher Muslime. Heutige Muslime werden zwar nicht explizit zur Teilnahme am kämpferischen Jihad aufgerufen, die entsprechenden Textstellen können aber als indirekte Motivierung für den Jihad verstanden werden. - Ein Kollektivzwang in Glaubensfragen, z.B. Androhung von Strafen bei Vernachlässigung des Gebets sowie die Verpflichtung zum Gemeinschaftsgebet. Das von der "Tablighi Jamaat" vermittelte Weltbild birgt im Zusammenwirken mit den gegebenen politischen Konflikten die Gefahr, individuelle Radikalisierungsprozesse in Gang zu setzen oder zumindest zu fördern. 76 Ferner besteht die Gefahr, dass jihadistische Gruppierungen die Anhängerschaft der "Tablighi Jamaat" als geeignete Rekrutierungsbasis sehen und deren weltweite Strukturen für eigene Zwecke nutzen. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich einzelne Fälle ergeben, in denen Glaubenskämpfer zumindest zeitweise der "Tablighi Jamaat" angehörten. Von der "Tablighi Jamaat" als solcher gingen bisher aber keine Gewaltaktionen aus. Die "Tablighi Jamaat" hat innerhalb der vergangenen Jahre auch in Rheinland-Pfalz Aktivitäten entfaltet, um neue Anhänger zu gewinnen. Hierbei nehmen Missionsgruppen Kontakt zu bestehenden Moscheevereinen zwecks Schulungsseminaren auf. Gegenüber den Vorjahren war 2007 allerdings keine Intensivierung der Missionierungstätigkeiten, sondern eher eine Abschwächung zu verzeichnen. 3.4.5 Jihadistische Islamisten Die zahlreichen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Jihad gegen die von ihnen als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter ihrer Eigenbezeichnung Mujahidin oder der Fremdbezeichnung Jihadisten zusammengefasst. Charakteristisch für sie ist eine Gewalt betonende Auslegung des Jihad-Begriffs unter Einschluss terroristischer Mittel. Die heutige Jihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen - zu nennen sind derzeit vor allem der Irak und Afghanistan. Die Kampffront ist allerdings räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Dies bedeutet, dass auch andere - der Islamfeindlichkeit beschuldigte - Länder in das Visier von Jihadisten geraten und zum Schauplatz von terroristischen Aktionen werden können bzw. schon geworden sind. Die jihadistische Bewegung ist auch im Hinblick auf die Herkunft ihrer Anhänger, ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen nahezu global. In Europa ist das jihadistische Spektrum seit einigen Jahren insbesondere durch Kleingruppen geprägt. Diese sind in der Regel durch die von al77 Qaida propagierte globale Jihad-Ideologie inspiriert. Dies bedeutet nicht zwangsläufig eine organisatorische Anbindung an al-Qaida oder an eine andere Terrororganisation. Vielmehr handelten einige der in Europa tätigen oder enttarnten Terrorgruppen autonom oder zumindest weitgehend autonom. In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum jihadistischen Spektrum vorlagen bzw. vorliegen. Für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz ist die Identifizierung von Jihadisten, die Verifizierung der tatsächlichen Jihadismus-Bezüge und die diesbezügliche Erkenntnisgewinnung eine Aufgabe von höchster Priorität, da von diesem Spektrum unzweifelhaft die größte Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. Am 5. Dezember 2007 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf drei ehemals in Rheinland-Pfalz aktive al-Qaida-Anhänger zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Einer der drei Verurteilten war im Januar 2005 in Mainz festgenommen worden. Das Gericht befand die drei Männer der Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (al-Qaida) in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug für schuldig. Demnach versuchten sie, durch 28 Betrugshandlungen zum Nachteil diverser Lebensversicherungsunternehmen Geldmittel für al-Qaida zu beschaffen. 78 4. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Der Aktionismus der im Jahr 2007 in Deutschland in Erscheinung getretenen (nicht islamistischen) extremistischen Ausländerorganisationen wurde, wie schon in den Jahren zuvor, durch die Entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Die Ideologie linksextremistischer Ausländerorganisationen basiert auf einer marxistisch-leninistischen, bisweilen auch maoistischen Weltanschauung. Ziel ist die "revolutionäre Überwindung" der bestehenden Gesellschaftsordnung und die Errichtung kommunistischer Systeme in den jeweiligen Herkunftsländern. Die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) machte in ihrem Heimatland weiterhin mit terroristischen Aktivitäten auf sich aufmerksam. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die sich im November 2003 in "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) umbenannt hatte, setzte auf eine Doppelstrategie eines überwiegend gewaltfrei geprägten Kurses in Europa und eines zunehmend militanten Verhaltens im Krisengebiet Türkei/Nordirak. Das politische Handeln der Organisation ist nach wie vor eng verbunden mit dem Schicksal des seit 1999 in der Türkei inhaftierten Parteigründers Abdullah ÖCALAN. Die verstärkten Kampfhandlungen zwischen PKK-Guerillas und dem türkischen Militär eskalierten zum Jahresende; Luftangriffe des türkischen Militärs auf PKK-Stellungen im Nordirak führten auf beiden Seiten zu zahlreichen Todesopfern. In Deutschland reagierte die KONGRA GEL-Anhängerschaft darauf mit friedlichen Veranstaltungen. Die extremistische iranische Oppositionsgruppe "Volksmodjahedin Iran Organisation" (MEK) und ihr in Europa agierender politischer Arm "Nati79 onaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) bemühten sich unvermindert um die Streichung der MEK von der EU-Liste terroristischer Organisationen. Die separatistische "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) kämpfte in Sri Lanka fortgesetzt für die Errichtung eines eigenen Tamilenstaates. Mittels Hilfsund Tarnorganisationen im (europäischen) Ausland führte sie traditionell Spendensammlungen durch, um Geldmittel für den bewaffneten Kampf im Heimatland zu beschaffen. In Rheinland-Pfalz konnten im Jahr 2007 diesbezüglich vermehrt Aktivitäten festgestellt werden. 4.1 Personenpotenzial Rheinland-Pfalz Bund 2007 2006 2007 2006 Gesamt 600 600 25.250 23.250 Linksextremisten 500 500 16.870 16.870 Extreme Nationalisten 100 100 8.380 8.380 (Angaben gerundet) 4.2. Gewalttaten 2007 2006 Gesamt 1 1 Landfriedensbruch - 1 Körperverletzungen 1 - (Die Angaben sind mit dem LKA Rheinland-Pfalz abgestimmt) 80 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gele Kurdistan, kurz: KONGRA GEL) - ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkeren Kurdistan, kurz: PKK) - Gründung: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei Umbennung: April 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (Kongreya Azadi u Demokracya Kurdistane, kurz: KADEK) und Anfang November 2003 in KONGRA GEL Militärischer Arm in der Türkei: "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel, kurz: HPG) Leitung in Westeuropa/ Führungsfunktionäre der "Koordination der Deutschland: Kurdischen Demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 11.500 (2006: ca. 11.500) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 450 (2006: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Allgemeine Lage Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft in der Türkei seit Jahren für eine größere politische und kulturelle Eigenständigkeit des kurdischen Bevölkerungsteils und versucht, diese Ziele auch mit Anwendung von Gewalt durchzusetzen. Sie verfügt in der Türkei über kämpfende Guerillaeinheiten, die sich in einer andauernden militärischen Auseinandersetzung mit türkischen Sicherheitskräften befinden. Der Konflikt strahlt auch auf andere Länder aus, in denen die PKK, wie auch in Deutschland, über eine große Zahl an Unterstützern verfügt. Ereignisse in der Türkei führen immer wieder zu Reaktionen der Organisation im Ausland. Die 1978 gegründete PKK unterliegt seit dem 26. November 1993 in Deutschland einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot, weil sie mit 81 einer Serie von Brandanschlägen die Schwelle zum Terrorismus überschritten hatte. Das Verbot erstreckt sich auch auf Aktivitäten unter den späteren Organisationsbezeichnungen KADEK und KONGRA GEL. Trotz dieses Verbots verfügt der KONGRA GEL in Deutschland über illegal und konspirativ agierende Funktionäre. Sie betreiben eine intensive Propagandaarbeit und organisieren anlassbezogene Kampagnen. Bei Großveranstaltungen sind sie in der Lage bis zu 40.000 Sympathisanten zu mobilisieren. Seit einiger Zeit verhalten sich die etwa 11.500 Anhänger des KONGRA GEL in Deutschland weitgehend friedlich. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. 450 Mitglieder/Anhänger des KONGRA GEL, die vorwiegend im Raum Ludwigshafen/Worms, im Gebiet Mainz/ Bingen/Bad Kreuznach und im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz/Neuwied) aktiv sind. Trotz wiederholter "einseitiger" Gewaltverzichtserklärungen des KONGRA GEL gegenüber der türkischen Regierung in den vergangenen Jahren, zuletzt zum 1. Oktober 2006, hielten die Gefechte zwischen den kurdischen Guerilla-Einheiten und dem türkischen Militär unvermindert an. Im Frühjahr 2007 verstärkte die Guerilla vor dem Hintergrund der andauernden Operationen des türkischen Militärs ihre Offensive, u.a. durch so genannte Vergeltungsaktionen gegen türkische Ziele mit infrastruktureller Bedeutung. Auf einer Pressekonferenz am 1. März in Rom erklärten Anwälte Abdullah ÖCALANs, ihr Mandant zeige Anzeichen einer chronischen, lebensgefährdenden Vergiftung durch Schwermetalle. Die Führung des KONGRA GEL sah in dieser angeblichen Vergiftung ÖCALANs einen "hinterhältigen Angriff" und drohte der türkischen Regierung mit einer "neuen Kampfphase". Die Verschärfung des Konfliktes führte am 17. Oktober dazu, dass das türkische Parlament die Erlaubnis für grenzüberschreitende Militärschläge gegen die Guerilla-Einheiten des KONGRA GEL erteilte. Eine an bekannte Forderungen gebundene Erklärung des KONGRA GEL zu einer dauerhaften friedlichen Lösung der Kurdenfrage konnte nicht ver82 hindern, dass es in der zweiten Dezemberhälfte zu Luftangriffen der türkischen Armee auf Stützpunkte kurdischer Guerilla-Einheiten im Nordirak kam. In Deutschland verfolgt die Organisation seit Jahren einen überwiegend gewaltfreien Kurs. Wie schon in den letzten Jahren waren die Aktivitäten durch zahlreiche demonstrative Veranstaltungen und Kampagnen geprägt. Im Vordergrund standen die Forderungen nach einer politischen Lösung der Kurdenfrage in der Türkei, nach Beendigung der militärischen Angriffe der türkischen Armee sowie für Freiheit für Abdullah ÖCALAN. Anfang Januar fand die Polizei im Rahmen einer groß angelegten Durchsuchungsaktion in Süddeutschland in mehreren Wohnungen von mutmaßlichen KONGRA GEL-Aktivisten umfangreiches Propagandamaterial, Spendenlisten sowie mehrere Tausend Euro. Betroffen davon waren auch drei Personen aus Rheinland-Pfalz. Im Rahmen dieser Exekutivmaßnahmen wurden Funktionäre der Organisation verhaftet. Aus Protest gegen die Polizeimaßnahmen rief die Europäische Frontorganisation des KONGRA GEL (CDK) zu einem Boykott deutscher Waren und Produkte auf und bezichtigte Deutschland einer "schmutzigen Politik". Im Zusammenhang mit Anfang Februar 2007 in Frankreich und Belgien erfolgten Verhaftungen hochrangiger Funktionäre des KONGRA GEL und dem Jahrestag der Festnahme Abdullah ÖCALANs (15. Februar) kam es in Europa, so auch in mehreren deutschen Städten, zu gewalttätigen Aktionen durch mutmaßliche Anhänger der KONGRA GEL-Jugendorganisation "Komalen Civan". Die angebliche Vergiftung Abdullah ÖCALANs führte im März europaweit im Rahmen der Kampagne "Edi Bese - Es reicht!" zu meist friedlichen demonstrativen Reaktionen der KONGRA GELAnhängerschaft. Jedoch kam es in Deutschland vereinzelt zu Brandanschlägen der "Komalen Civan" gegen türkische Einrichtungen. Der Protest wurde im Mai mit europaweiten Besetzungsaktionen von KONGRA 83 GEL-Anhängern fortgesetzt. Spektakulär war das Eindringen ins Foyer des nordrhein-westfälischen Landtages. Mehrere Personen wurden festgenommen. In der zweiten Jahreshälfte wurden die Solidaritätsaktionen für Abdullah ÖCALAN zunehmend überlagert von Protesten gegen die Angriffe des türkischen Militärs im Nordirak. Vor und nach den Weihnachtsfeiertagen kam es in mehreren deutschen Städten zu friedlichen demonstrativen Aktionen von Anhängern/Sympathisanten des KONGRA GEL. Organisationsstrukturen Der KONGRA GEL unterhält Organisationsstrukturen in Staaten, in denen es kurdische Bevölkerungsanteile gibt, so z.B. im Iran die "Partei für ein freies Leben in Kurdistan" (PJAK). Die Dachorganisation hat sich anlässlich ihrer 5. Volksversammlung vom 16. bis 22. Mai in "Koma Civalen Kurdistan" - KCK - (Zusammenschluss der Kommunen Kurdistans) umbenannt. Sie verfügt nach ihrem Verständnis über ein eigenes Parlament, Gerichte und eine Armee. Als Führer des KCK wird Abdullah ÖCALAN bezeichnet; tatsächlich wird der KCK von einem Exekutivrat unter Vorsitz von Murat KARAYILAN geleitet. Auch in Deutschland gab es im Sommer 2007 organisatorische Veränderungen. Die bisherige Gliederung des KONGRA GEL bzw. der europäischen Frontorganisation CDK in drei Sektoren (Serits) ist weggefallen. Stattdessen wurden die bestehenden 27 Gebiete nunmehr in sieben so genannte Eyalets zusammengefasst, denen ein Deutschlandleiter übergeordnet ist. Politische Vorgaben der Führung werden nach wie vor über die verschiedenen Organisationsstufen bis auf die lokale Ebene transportiert. Dort werden sie von den zahlreichen kurdischen Vereinen umgesetzt, in denen die meisten KONGRA GEL-Anhänger/-Sympathisanten organisiert sind. Die überwiegende Anzahl dieser Vereine gehört der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) an. Zahlreiche Massenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interes84 sengruppen repräsentieren (z.B. Aleviten, Yeziden, Jugendliche, Frauen, Studenten etc.) vervollständigen die Organisationsstruktur des KONGRA GEL. Zur öffentlichen Verbreitung der politischen Ziele stützen sich KONGRA GEL bzw. CDK auf den in Dänemark stationierten und in Deutschland über Satellit zu empfangenden kurdischen Fernsehsender "ROJ TV", die in den Niederlanden angesiedelte Nachrichtenagentur "Firat News Agency" sowie auf diverse Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" - YÖP - (Neue Freie Politik). Im Rahmen seiner jährlichen Spendenkampagne sammelte der KONGRA GEL 2007 erneut mehrere Millionen Euro. Das Geld dient der finanziellen Unterstützung der kämpfenden Einheiten in der Türkei/Nordirak, daneben der Unterhaltung von Einrichtungen der Organisation in Europa. Neben Spenden erzielt die Organisation Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und den Verkauf der eigenen Publikationen. In Rheinland-Pfalz wurde das "Kurdische Kulturzentrum e.V.", Mannheim, das auch der KONGRA GEL-Anhängerschaft aus dem Bereich Ludwigshafen/Worms als Kontaktund Anlaufstelle diente, im August 2007 wegen Mietrückständen geschlossen. Bis Ende 2007 konnten keine neuen Vereinsräumlichkeiten gefunden werden. In Rheinland-Pfalz ansässige KONGRA GEL-Anhänger führten im Jahr 2007 Aktionen durch oder beteiligten sich an überregionalen Propagandaveranstaltungen. Beispielhaft werden genannt: 11. April - Hungerstreik mit bis zu 70 Teilnehmern in Straßburg 19. Mai 2007 anlässlich der angeblich schleichenden Vergiftung ÖCALANs. Gefordert wurde vor allem die Durchführung einer medizinischen Untersuchung bei Abdullah ÖCALAN durch eine internationale unabhängige Ärztekommission. 12. Mai 2007 Großdemonstration mit 15.000 Teilnehmern in Straßburg in Solidarität zu den für die Gesundheit ÖCALANs hungerstreikenden Aktivisten. 85 1. September 2007 "15. Internationales Kurdistan-Kulturfestival" mit knapp 40.000 Teilnehmern in Gelsenkirchen unter dem Motto "Nein zur Besatzung, Vernichtung und Assimilation - Freiheit und Frieden jetzt sofort". In einer Video-Botschaft appellierte KARAYILAN an die in Europa lebenden Kurden, den Kampf zu verstärken, sich der Guerilla anzuschließen oder zumindest seine "patriotische Pflicht" zu erfüllen. 15. Dezember 2007 Großdemonstration mit insgesamt 10.000 Teilnehmern in Düsseldorf unter dem Motto "Edi Bese - es reicht - Schluss mit Krieg und Vernichtung in Kurdistan". Im Zusammenhang mit der Demonstration widersetzten sich 40 vermummte linksautonome Personen, unterstützt von den kurdischen Versammlungsteilnehmern, gewaltsam den polizeilichen Anweisungen. Stangen, Steine und Flaschen flogen gegen Polizeikräfte, nachdem diese einen kurdischen Jugendlichen aufgefordert hatten, eine verbotene Fahne einzurollen. Sieben Polizisten und sechs Versammlungsteilnehmer wurden verletzt. Vier Personen wurden festgenommen. Ermittlungsverfahren/Verurteilungen Der Generalbundesanwalt hat im Januar 2007 gegen den PKK/KONGRA GEL-Führungsfunktionär Fuat KAV wegen Verdachts der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wird vorgehalten, das Amt des Regionsleiters Mitte ausgeübt zu haben, welches auch das Gebiet Bonn und den Großraum Koblenz mit umfasst. Ende März 2007 wurde der KONGRA GEL-Funktionär Ahmet CELIK wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart angeklagt. Er sei zuletzt als Verantwortlicher des 86 KONGRA GEL für den süddeutschen Raum einschließlich des Gebietes Mannheim/Ludwigshafen aktiv gewesen. Am 24. Mai begann vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Prozess gegen Muzaffer AYATA. Ihm wird Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. So soll er zwischen Juli 2005 und August 2006 hauptamtliches KONGRA GEL-Kadermitglied und verantwortlich für den Bereich Süddeutschland sowie Mitglied der Europaführung gewesen sein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 2. Juli Riza ERDOGAN zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er innerhalb der CDK als hochrangiger Führungsfunktionär organisatorische, finanzielle und propagandistische Aktivitäten koordinierte und bestimmenden Einfluss auf die ihm untergeordneten Gebietsverantwortlichen nahm. Das Urteil ist rechtskräftig. 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1993 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 650 (2006: ca. 650) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: einzelne (2006: einzelne) Die in Deutschland seit August 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C), mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als politischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel, strebt nach wie vor die gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung an und propagiert eine den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgende klassenlose Gesellschaft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bis heute hat die DHKP-C in der Türkei mehrere Tötungsde87 likte begangen sowie eine Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen verübt, zu denen sie sich jeweils öffentlich bekannt hat. Ziele waren staatliche türkische Einrichtungen und Angehörige der türkischen Sicherheitsbehörden, der Armee und der Justiz. Im Februar 1999 erklärte die Organisation durch ihren Leiter Dursun KARATAS einen "Gewaltverzicht" für Deutschland und Europa, an den sie sich bis heute hält. In der Türkei führt sie ihre gewalttätigen Aktionen jedoch fort. Anlässlich des Jahrestages ihrer Parteigründung, dem 30. März 1994, verbreitete die DHKP am 27. März 2007 im Internet eine Erklärung, wonach ihr vorrangiges Ziel die "Befreiung des Volkes" sei. Wörtlich heißt es: "Hierfür haben wir den bewaffneten Kampf aufgenommen! Es gibt nur einen Weg, nur eine Art der Befreiung: die Revolution ist der einzige Weg, der Sozialismus die einzige Alternative!" In einer im Internet veröffentlichten Erklärung vom 24. Juli 2007 hat die DHKC zu den Parlamentswahlen in der Türkei am 22. Juli 2007 Stellung bezogen mit Aussagen wie "Wahlbetrug der Oligarchie", "Wahlen sind keine Lösung" und sich diverser militanter Aktionen im Zeitraum vom 18. Juni bis 19. Juli 2007 in Istanbul auf Wahlbüros der "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) und anderer Parteien bezichtigt. Das von der DHKP-C gegründete "TAYAD-Komitee" versteht sich als "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" und setzt sich insbesondere für bessere Haftbedingungen "politischer Gefangener" in der Türkei ein. Mehreren auf der Homepage des TAYAD-Komitees veröffentlichten Erklärungen zufolge haben die letzten drei sich im so genannten Todesfasten befindlichen Gefangenen ihren Hungerstreik am 22. Januar 2007 vorläufig beendet. Damit reagiere man auf ein Rundschreiben des türkischen Justizministeriums vom gleichen Tag, welches bessere Haftbedingungen der Gefangenen in Aussicht stellte. Die DHKP-C-Führung in der Bundesrepublik besteht aus dem Deutschland-, den Regionsund Gebietsverantwortlichen. Deutschland bleibt das wichtigste Betätigungsfeld der DHKP-C außerhalb der Türkei. Ihre Funktionäre und Mitglieder verhalten sich in besonderem Maß konspirativ. Sie verwenden Decknamen und wechseln häufig ihren Aufenthaltsort. In Rheinland-Pfalz hat die Organisation nur wenige Mitglieder. 88 In Deutschland bediente sich die DHKP-C bis Mai 2005 u.a. der Publikation "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit), um ihre revolutionären Ziele und Ideen zu propagieren. Diese Zeitschrift wurde von einer Nachfolgepublikation mit dem Titel "Yürüyüs" (Demonstration, Marsch) abgelöst. Die DHKP-C finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und die Einnahmen aus dem Verkauf von Publikationen und den Erlösen aus so genannten Musikund Kulturveranstaltungen. Auch 2007 führten intensive Strafverfolgungsmaßnahmen gegen DHKPC-Funktionäre zu Festnahmen, Anklagen und Verurteilungen: Am 21. März wurde ein Türke in Ludwigsburg festgenommen. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in verantwortlicher Position für die verbotene DHKP-C tätig gewesen zu sein. Die Festnahme steht im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg gegen insgesamt 42 Personen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Am 23. Mai wurde auf Antrag der Bundesanwaltschaft Haftbefehl gegen einen türkischen Staatsangehörigen erlassen, der im Verdacht steht, Vertreter des Generalsekretärs sowie Europaverantwortlicher der DHKP-C gewesen zu sein. Am 5. November hat die Bundesanwaltschaft vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart Anklage gegen fünf mutmaßliche Mitglieder des terroristischen Flügels innerhalb der türkischen DHKP-C erhoben. Sie werden beschuldigt, sich seit dem 30. August 2002 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mitgliedschaftlich in einer ausländischen terroristischen Vereinigung betätigt und tateinheitlich gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben, indem sie illegal Waffen in die Türkei geschafft haben. Drei dieser Personen sollen auch in Rheinland-Pfalz als Regionsbzw. Gebietsverantwortliche tätig gewesen sein. Auch wenn die DHKP-C in Deutschland eher gewaltfrei agiert, so dokumentieren die Anschläge in der Türkei ihren terroristischen Charakter. Deshalb ist die DHKP-C seit Mai 2002 in der EU-Liste terroristischer Organisationen gelistet. 89 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die von Ibrahim KAYPAKKAYA 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML ist seit 1994 in den "Partizan-Flügel" und in das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Der DABKFlügel hat sich Anfang 2003 in "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) umbenannt. Beide Fraktionen verbindet die Lehren des Marxismus-Leninismus und Maoismus sowie als politisches Ziel die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei. Dieses Ziel soll mittels eines in der Türkei militärisch geführten revolutionären Kampfes erreicht werden. Beide Flügel unterhalten in der Türkei eigenständige bewaffnete Guerillagruppen, die auf Seiten von "Partizan" unter der Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), auf Seiten der MKP als "Volksbefreiungsarmee" (HKO) agieren. In Deutschland handeln für den "Partizanflügel" die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK), für den MKP-Flügel die "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e.V." (ADHF) sowie die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK). TKP/ML sowie MKP führen anlässlich des Todestages (18. Mai 1973) zu Ehren des Parteigründers jährlich eine KAYPAKKAYA-Gedenkveranstaltung mit mehreren Tausend Teilnehmern durch. Am 19. Mai 2007 fand anlässlich des 34. Todestages von KAYPAKKAYA eine Gedenkveranstaltung in der Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen am Rhein statt, die von rund 3.000 Personen besucht wurde und störungsfrei verlief. Auch der 1. Mai als "Tag der Arbeit" ist traditionell Anlass für die türkischen linksextremistischen Organisationen, ihre politischen Positionen mittels Internet sowie in Flugschriften zu propagieren. Anlässlich des Gipfeltreffens der acht großen Industriestaaten (G8) vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm wurde bereits im Mai auf der Internetseite der ATIK mit Parolen wie "Nein zum G8-Gipfel, nieder mit dem Imperialismus" zur Teilnahme an den Anti-G8-Akitivitäten aufgerufen. 90 Am 5. Dezember 2007 wurden in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dreizehn Objekte der TKP/ML durchsucht. Die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes richten sich gegen zehn mutmaßliche Mitglieder bzw. Unterstützer der in der Türkei aktiven terroristischen Organisation TIKKO. In einer im Internet veröffentlichten Erklärung vom 17. Dezember wenden sich ATIK und ATIF scharf gegen die polizeilichen Maßnahmen. In Deutschland gehören der TKP/ML ca. 1.300 Mitglieder an, davon einzelne in Rheinland-Pfalz. 4.6 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die in der Türkei verbotene und terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die DHKP-C strebt sie nach der Zerschlagung des türkischen Staates und nach der Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Die "Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK), die von den türkischen Sicherheitsbehörden als bewaffneter Arm der MLKP angesehen werden, bekannten sich in der Vergangenheit zu zahlreichen Anschlägen in der Türkei auf Sicherheitskräfte, Armee oder Parteibüros. Die Partei betätigt sich in Deutschland vorwiegend publizistisch mit Themen wie "Sozialabbau", "Einschränkung demokratischer Rechte" und prangert, vor dem Hintergrund der türkischen Interventionen im Nordirak, das "kolonialistische faschistische Regime" in der Türkei und den "amerikanischen Imperialismus" an. Hierzu bedient sich die MLKP des Internets und der Wochenschrift "Atilim" (Vorstoß/Angriff). Zu ihren Organisationen gehören die "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) mit Sitz in Köln und die "Kommunistische Jugendorganisation" (KGÖ). Interne ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP führten zur Abspaltung der "Kommunistischen Partei-Aufbauorganisation" (KP-IÖ), die allerdings als bedeutungslos bezeichnet werden kann. 91 In Deutschland gehören der MLKP ca. 600 Mitglieder an, einzelne davon in Rheinland-Pfalz. Am 27. Oktober 2007 führte die MLKP in Köln-Mülheim eine Großveranstaltung mit kulturellem Rahmenprogramm unter dem Motto "Mit der Partei zum Sieg" durch. An der europaweiten Großdemonstration des KONGRA GEL am 15. Dezember 2007 in Düsseldorf sollen auch Mitglieder der MLKP teilgenommen haben. Die Parteiarbeit und die Guerillaaktivitäten in der Türkei werden durch europaweite Spendenkampagnen unter den Anhängern finanziert. 4.7 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK)/ "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung MEK/NWRI: 1965 im Iran/1981 in Paris Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 900 (2006: ca. 900) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2006: ca. 30) Die Organisation der "Volksmodjahedin Iran" (in Farsi "Modjahedin-E-Khalq" oder kurz MEK genannt) galt bis 2001/2002 als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe, die sich den gewaltsamen Sturz des islamischen Regimes in Teheran zum Ziel gesetzt hatte. Bis zur Entmachtung Saddam Husseins unterhielt sie im Irak einen militärischen Arm, die "National Liberation Army" (NLA), die in der Vergangenheit für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich war. Im Jahr 2003 wurden während des Irakkrieges die ca. 4.000 Kämpfer der NLA entwaffnet und im Lager "Camp Ashraf" Emblem der NWRI unter US-amerikanische Aufsicht gestellt. Der politische Arm der MEK, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI), dient der Durchführung politischer Aktivitäten in Westeuropa und Nordamerika. Der NWRI tritt durch eine intensive Propagandatätigkeit gegen 92 das iranische Regime in Erscheinung und versucht, durch geschickte Lobbyarbeit politische Unterstützung zu erhalten. Der NWRI fungiert vor allem als Sprachrohr der MEK. Deren Publikationsorgan ist die Farsi sprachige Wochenzeitung "Mojahed". Der NWRI konstituierte sich 1993 in Paris als so genanntes iranisches Exilparlament, mit zur Zeit ca. 550 Mitgliedern. Diese wählten im gleichen Jahr Maryam RADJAVI zur "künftigen Präsidentin des Iran". Sie ist die Ehefrau des MEK-Führers Massoud RADJAVI. Die Deutschlandzentrale des NWRI befand sich bis 2002 in Köln, danach wurde das Büro der Deutschlandsprecherin nach Berlin verlegt. Die Europazentrale des NWRI befindet sich in Frankreich. Bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten propagierte RADJAVI auch 2007 die Strategie des so genannten "Dritten Weges", mit der eine politische Veränderung im Iran ermöglicht werden soll. Hierbei soll weder eine militärische Invasion von außen (1. Weg), noch eine angebliche "Beschwichtigungspolitik" der Europäischen Union (2. Weg), sondern der politische Machtwechsel im Iran (unter Führung des NWRI) durch die Iraner selbst herbeigeführt werden. Ob die Änderung der bisherigen Zielsetzung der gewaltsamen Beseitigung des islamischen Regimes in Teheran zu Gunsten einer politischen Lösung unter Verzicht auf terroristische Handlungsoptionen von Dauer sein wird, kann nicht zuverlässig prognostiziert werden. Wegen ihrer in der Vergangenheit zahlreich verübten Terroraktionen wurde die MEK im Mai 2002 durch Beschluss des Europäischen Rates in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen und ist auch in der aktuellen Fassung aufgeführt.23 In der politischen Agitation des NWRI war auch im Jahr 2007 der Kampf gegen die Einstufung der MEK als Terrororganisation ein besonderer Schwerpunkt. Durch Lobbyarbeit in europäischen parlamentarischen Kreisen, Unterschriftenaktionen und der Durchführung von Informationsständen in deutschen Städten soll der Makel beseitigt werden. 23 Amtsblatt der Europäischen Union vom 22. Dezember 2007, L 340/100 93 Einen ersten juristischen Erfolg konnte die MEK mit dem Urteil des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 2006 erzielen. Das Gericht erklärte den EU-Ratsbeschluss, die MEK auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen sowie das damit verbundene Einfrieren von Geldern der MEK aufgrund von Verfahrensmängeln für nichtig. Am 16. Juli 2007 erhob die MEK erneut Klage gegen den Rat der Europäischen Union, um den Urteilsspruch des Gerichts Erster Instanz durchzusetzen.24 Eine Entscheidung in diesem Verfahren steht noch aus. Am 8. März 2007 veranstaltete der NWRI anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel eine zentrale Demonstration vor dem Tagungsort. Ca. 3.500 Anhänger forderten auch hier die Streichung der MEK von der EU-Liste der terroristischen Organisationen. Maryam RADJAVI sprach vor Ort zu den Demonstrationsteilnehmern. Am 30. Juni 2007 veranstaltete der NWRI eine zentrale Kundgebung in Paris, an der nach eigenen Angaben ca. 50.000 Sympathisanten teilnahmen, darunter auch ein größeres Teilnehmerkontingent aus Deutschland. Anlass der Großveranstaltung war der vierte Jahrestag der polizeilichen Durchsuchung der NWRI/MEK-Europazentrale in Paris und der Festnahme von Maryam RADJAVI. Demonstrationen des NWRI gab es am 9. August 2007 auch in Köln und Berlin. Die kostenaufwändigen Strukturen und Aktivitäten der Organisation werden durch umfangreiche und professionelle Spendengeldsammlungen finanziert. Dabei wurde oft gegen das Sammlungsgesetz verstoßen und behördliches Einschreiten notwendig. Die Organisation verbirgt sich auch hinter verschiedenen Tarnvereinen. Potenzielle Spender werden veranlasst, sich in Spendenlisten einzutragen und ihre persönlichen Daten preiszugeben. Zu den Tarnvereinen des NWRI, die im Zusammenhang mit Spendenaktionen in Erscheinung treten, zählen das "Hilfswerk für 24 Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. September 2007, C 211/50 94 Menschenrechte im Iran e.V." (HMI), Dortmund, sowie das "Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e.V." (MEI), Düsseldorf und der "Menschenrechtsverein für Migranten e.V.", Aachen. Die in der Vergangenheit ebenfalls als Tarnverein fungierende "Flüchtlingshilfe Iran e.V." (FHI) wurde 2003 aufgelöst. 4.8 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder/Anhänger Bund: ca. 800 (2006: ca. 800) Mitglieder/Anhänger Rheinland-Pfalz: ca. 30 (2006: ca. 30) Ziel der LTTE ist es, in Sri Lanka einen eigenen Tamilenstaat sozialistischer Prägung ("Tamil Eelam") in Opposition zur von Singhalesen dominierten Zentralregierung zu errichten. Die von der LTTE beanspruchten Gebiete liegen im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten Sri Lankas. In Deutschland tritt die LTTE nicht offen auf. Über Tarnund Hilfsorganisationen bemüht sie sich aber kontinuierlich, unter den tamilischen Flüchtlingen und Zuwanderern für die Ziele der Organisation zu werben und zur Deckung ihres Finanzbedarfs Geld zu beschaffen. Die DeutschlandZentrale der LTTE hat ihren Sitz in Oberhausen/Nordrhein-Westfalen. In Sri Lanka hat sich der ethnische Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und der tamilischen Separatistenorganisation LTTE weiter verschärft. Bürgerkriegsähnliche Zustände forderten, wie bereits 2006, auch im Jahr 2007 zahlreiche Menschenleben. Den terroristischen Sprengstoffanschlägen, Selbstmordattentaten und militärischen Einsätzen seitens der LTTE wird von Seiten der Regierungstruppen Sri Lankas mit allen militärischen Mitteln begegnet. Der im Jahr 2002 zwischen den Kontrahenten ausgehandelte Waffenstillstand muss als been95 det bezeichnet werden. Pressemeldungen zufolge hat die srilankische Regierung das Waffenstillstandsabkommen Anfang Januar 2008 auch formell aufgekündigt. Der seit 25 Jahren andauernde Konflikt hat Medienberichten zufolge bereits mehr als 70.000 Opfer gefordert. Die anhaltende Anwendung von Gewalt und Terror durch die LTTE wurde vom Rat der Europäischen Union mit Dokument C/05/248 vom 29. September 2005 verurteilt. Mit Beschluss vom 29. Mai 2006 (2006/379/EG) hat der Rat der Europäischen Union die LTTE in die Liste terroristischer Organisationen aufgenommen.25 Das LTTE-Umfeld in Deutschland versucht mit öffentlichkeitswirksamen, friedlichen Aktionen in der "tamilischen Diaspora" und in der deutschen Bevölkerung auf die kritische Lage im Heimatland aufmerksam zu machen. Unterstützt wird die LTTE hierbei von Hilfsund Tarnorganisationen, die, auch in Rheinland-Pfalz, im Rahmen vielfältiger Aktivitäten wie zum Beispiel Folklore-, Theater-, Musikund Sportveranstaltungen sowie mit Spendensammlungen ihren Anteil am hohen Finanzbedarf der Organisation beisteuern. Mit mehr als 8.000 Teilnehmern aus ganz Europa demonstrierten am 11. Juni 2007 vor dem UN-Gebäude in Genf Sympathisanten der LTTE für das Recht der Tamilen auf Selbstbestimmung und für die Errichtung eines eigenen Tamilenstaates im Norden und Osten Sri Lankas. Anlässlich des am 2. November 2007 bei einem Luftangriff der srilankischen Luftwaffe in Sri Lanka getöteten politischen Leiters der LTTE, THAMILCHELVAN, kam es am 4. November 2007 in Wuppertal zu einer Gedenkveranstaltung mit mehreren Tausend Teilnehmern. Zu den Großveranstaltungen der LTTE zählt der jährlich am 27. November oder zeitnah zu diesem Datum stattfindende so genannte Heldengedenk25 Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. Mai 2006, L 144/21 96 tag, an dem die Anhänger der Organisation weltweit der im Kampf für ein unabhängiges "Tamil Eelam" gefallenen Kämpfer der LTTE gedenken. Aus diesem Anlass wird regelmäßig eine Ansprache des LTTE-Führers PRABHAKARAN via Satellit übertragen. Die zentrale Gedenkfeier wurde am 27. November 2007 in der Helmut-Körnig-Halle in Dortmund mit ca. 5.000 Teilnehmern durchgeführt. Auch in Rheinland-Pfalz lebende Tamilen, darunter eine nicht bekannte Anzahl von LTTE-Anhängern, beteiligten sich an den regionalen und überregionalen Veranstaltungen der Organisation. 97 5. INTERNET/NEUE MEDIEN Das Internet als Informationsund Kommunikationsmedium hat weiterhin an Bedeutung gewonnen. Inzwischen nutzen mehr als eine Milliarde Menschen das Internet, wobei die Zahl der Breitbandanschlüsse, die modernste Anwendungen ermöglichen, besonders stark gestiegen ist. "In der Bundesrepublik nutzten fast 70% der Bevölkerung ab 10 Jahren das Internet. Die Ausstattung der Haushalte mit Computer und Internet hat im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr zugenommen. 73% der Haushalte in Deutschland waren mit einem Computer ausgestattet (2006: 71%). Gleichzeitig hatten 65% der Haushalte im Jahr 2007 einen Internetzugang (2006: 61%)." 26 Im Gegensatz zu der rasanten weltweiten Entwicklung im Internet ist bei den Internetpräsenzen von extremistischen Organisationen, Gruppen und Personen quantitativ keine wesentliche Veränderung feststellbar. Gleichwohl wird das World-Wide-Web nach wie vor als wichtiges Propagandamedium aggressiv und agitatorisch für die Verbreitung extremistischen Gedankengutes genutzt. Aufgabe des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder ist, Gefährdungstendenzen frühzeitig zu erkennen und Angriffe auf die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes wirksam zu begegnen. Daher kommt der Internetkontrolle durch die Verfassungsschutzbehörden weiterhin große Bedeutung zu. 5.1 Rechtsextremisten Seit mehr als zehn Jahren nutzen deutsche Rechtsextremisten das Internet. Bundesweit sind ca. 1.000 deutschsprachige rechtsextremistische Internetseiten (Homepages, Blogs, Diskussionsforen etc.) bekannt und stehen unter Beobachtung, davon etwa 30 aus Rheinland-Pfalz. Die Zahlen stagnieren auf dem Niveau des Vorjahres. 26 Statistisches Bundesamt Deutschland, Pressemitteilung Nr. 486 vom 30.11.2007 98 Die Szene weist einen hohen Vernetzungsgrad auf. Dabei sind rechtsextremistische Seiten nicht nur für Angehörige des "rechten" Spektrums schnell auffindbar. Die neuen Kommunikationsund Propagandastrategien der Szene tragen der Internetaffinität der jugendlichen Surfer Rechnung und haben zu einer Erweiterung der multimedialen rechten Angebotspalette geführt. Bezeichnend ist hierbei die Übereinstimmung zwischen Neonazi-Kameradschaftsseiten und NPD-Internetpräsenzen. Neben attraktiv gestalteten einschlägigen Webseiten mit multimedialen (z.B. Filmen, Musik, Animationen) und interaktiven Elementen (z.B. Foren, Chats, Blogs) finden sich auch die stark frequentierten und dynamischen Plattformen des so genannten Web2.0 wie Social Networks oder VideoCommunities. Sie ermöglichen ihren Usern u.a. das problemlose Einstellen eigener Beiträge und werden von Szeneangehörigen zu Agitationszwecken genutzt. Die Angebotspalette umfasst hierbei Filmausschnitte, neonazistische Propagandaund Mobilisierungsvideos, Musikclips sowie selbst gedrehte Filme zur Selbstdarstellung. Auch der rechtsextremistische Online-Versandhandel boomt. Im Berichtsjahr boten bundesweit etwa 160 Versandhändler die gesamte Bandbreite szenetypischen Materials (Bekleidung, CDs, Devotionalien, Schriften usw.) an; mehr als 100 rechtsextremistische Bands nutzten eine Webseite zu Merchandisingzwecken. Der internationale Charakter des World-Wide-Web erschwert ein erfolgreiches Vorgehen gegen antisemitische, rassistische und die Geschichte verfälschende Darstellungen. Internetinhalte, die extremistisch oder nach deutschem Recht strafbar sind, werden oft über ausländische Provider eingestellt. Umso wichtiger bleibt daher die koordinierte Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. 5.2 Linksextremisten Für das gesamte Spektrum linksextremistischer Parteien, Organisationen und Initiativen ist das Internet nach wie vor ein wichtiges Medium zum Informationstransfer. Dafür werden alle derzeit bekannten technischen Möglichkeiten des Internet genutzt, von der Selbstdarstellung auf einer 99 klassischen Webseite bis hin zur Gestaltung von Video-, Audiound interaktiven Webbeiträgen, bei denen sich der Nutzer mit eigenen Erlebnisund Informationsberichten beteiligen kann. Auch die bestehenden Kommunikationselemente im Internet, wie Chatrooms, Diskussionsforen oder Weblogs dienen der gegenseitigen Unterrichtung oder Mobilisierung. Besonders revolutionär-marxistisch oder anarchistisch ausgerichtete Gruppen stellen tagesaktuell ihre Informationen ins Netz und erreichen so ihre Anhänger kurzfristig für Aktionen, Demonstrationen und insbesondere auch zu Maßnahmen gegen ihren politischen Gegner. Die Nachbereitung des Geschehens findet sich oft zeitnah dokumentiert auf der Webseite wieder. Zu den klassischen Betätigungsfeldern dieser Gruppierungen gehören Antifaschismusund Antiglobalisierungskampagnen, die Antirassismusoder Sozialabbauproblematik sowie internationale Solidaritätsund Antimilitarismusaktionen. Die starke Vernetzung untereinander und die dabei häufig angewendeten Verschlüsselungsmethoden stellen die Sicherheitsbehörden vor ständig neue Herausforderungen. Quantitativ haben sich die Webauftritte dieser Gruppierungen nicht wesentlich verändert und liegen bundesweit bei ca. 1.100 Portalseiten. 5.3 Ausländerextremismus 5.3.1 Islamistische Gruppen Das Internet stellt seit einigen Jahren das wichtigste Propagandamedium im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus dar. Auf den Seiten wird das gesamte Spektrum von Religionsauslegungen über politische Botschaften bis hin zur Märtyrerverherrlichung abgedeckt. Darüber hinaus finden sich Anleitungen zur Herstellung von Sprengkörpern. Eine zuverlässige Bestimmung der Anzahl islamistischer Seiten im weltweiten Internet ist nicht möglich. Dies liegt auch daran, dass Islamisten immer häufiger interaktive, teilweise nicht spezifisch islamistische Internetdienste wie Weblogs, Diskussionsforen oder Videoplattformen zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen. So haben Islamisten umfängliches 100 Videomaterial auf kostenlos und anonym nutzbaren Speicherplätzen kommerzieller Anbieter eingestellt. Im Januar 2007 wurde zur Intensivierung und verbesserten Koordinierung der Internetrecherchen im Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus in Berlin das "Gemeinsame Internetzentrum" (GIZ) eingerichtet. Beteiligt sind das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst sowie die Generalbundesanwaltschaft. Auch der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist personell im GIZ vertreten. 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen Die Webauftritte türkischer und kurdischer Organisationen dokumentieren zumeist das aktuell politische Geschehen in ihrem Heimatland. Insbesondere die türkischen Gruppierungen der "Neuen Linken" informieren auch in deutscher Sprache über ihren Kampf zur Überwindung der politischen Verhältnisse in der Türkei. Sie greifen aber überdies Themen mit Bezug zur Bundesrepublik wie Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Arbeitszeitverkürzung auf und solidarisieren sich auf ihrer Webseite mit deutschen Gruppierungen. Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie den polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen gegen ihre Einrichtungen in der Bundesrepublik im Dezember 2007. Die deutschen Seiten kurdischer Organisationen berichten überwiegend über die militärischen Auseinandersetzungen im türkisch-irakischen Grenzgebiet, fordern die Solidarität ihrer Anhänger ein und thematisieren die Gefangenschaft und den Gesundheitszustand des Kurdenführers Abdullah ÖCALAN. Aufrufe zu Großveranstaltungen mit entsprechender Downloadmöglichkeit von Werbematerial werden ebenso bereitgehalten wie die Dokumentation von Demonstrationen. 101 6. SPIONAGEABWEHR 6.1 Auftrag und allgemeine Lage Die Spionageabwehr hat die Aufgabe, planmäßig und gezielt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten einer fremden Macht zu sammeln und auszuwerten. Es geht um die Aufklärung von Strukturen, Arbeitsmethoden und Zielen fremder Nachrichtendienste und die Verhinderung von Spionageaktivitäten. Neben der Spionage zählt auch die Sabotage sowie die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten dieser Dienste. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Tätigkeiten als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Im Fokus der Spionageabwehr steht aber auch die Aufklärung und Abwehr aller Aufrüstungsversuche so genannter Krisenländer mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen und der damit einhergehenden Verbreitung dieser Massenvernichtungsmittel.27 Die besondere Aufmerksamkeit galt wie in den Jahren zuvor dem Atomprogramm Irans und der damit verbundenen Gefahr, dass neben der offiziell verkündeten Sicherung der eigenen Energieversorgung auch atomare militärische Ziele verfolgt werden. Die Bundesrepublik Deutschland war auch in diesem Jahr ein bevorzugtes Ausspähungsziel für fremde Nachrichtendienste, was sich durch die unverändert hohe Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland widerspiegelt. Als wichtiger und anerkannter Wirtschaftsund Wissenschaftsstandort mit vielfältigen internationalen Kooperationen blieb Rheinland-Pfalz auch im Berichtszeitraum ein begehrtes Operationsgebiet. 27 Krisenländer werden inzwischen als proliferationsrelevante Länder bezeichnet. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder diese zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien) 102 Nach wie vor reichen die Mittel und Methoden der Nachrichtendienste von offener Beschaffung bis hin zur klassischen Agentenführung. Operatives Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Informationsund Beschaffungsnetzwerke, innerhalb denen angeworbene Einzelpersonen agieren, vor allem im Bereich der Wirtschaftsspionage und der Proliferation unter der Tarnung legal am Geschäftsleben teilnehmender Unternehmen. Der größte Erfolg bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bleibt die Quelle im Objekt.28 Diese Form der Spionage bezeichnet man auch als Human Intelligence (HUMINT).29 Zielpersonen aus Politik, Wirtschaft und Forschung werden in zunächst belanglos erscheinenden Gesprächen abgeschöpft. Ziel weiterer Kontakte ist dann häufig nach einem entsprechenden Vertrauensaufbau die Erlangung von sensiblen Informationen und Daten aus internen und vertraulichen Quellen. Zunehmende Sorge bereitet der Spionageabwehr die elektronische Aufklärung, die auch als Communications Intelligence (COMINT) bezeichnet wird.30 Diese vermehrt über das Internet betriebene Ausforschung mittels Computer wird nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang des Anwenders begünstigt. Ausgelöst durch den Ruf von Sicherheitsverantwortlichen aus den Unternehmen nach mehr staatlicher Unterstützung in Sicherheitsfragen wurde eine bundesweite Tagung von Experten aus Wirtschaft und Behörden in Berlin durchgeführt. Als generelles Fazit wurde festgestellt, dass der Wunsch nach mehr Unterstützung seitens der politisch Verantwortlichen aufgegriffen wurde und zukünftig dem Wirtschaftsschutz größere Bedeutung beigemessen wird. In Rheinland-Pfalz hat die Spionageabwehr die Anzahl von Beratungsgesprächen (ca. 50) und Vortragsveranstaltungen (sieben) im Rahmen des Wirtschaftsschutzes weiter intensiviert. 28 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 29 Unter HUMINT versteht man das Abschöpfen von Informationen durch Agenten in persönlichen Kontakten. 30 COMINT beschäftigt sich mit dem Inhalt elektronisch übertragener Daten. 103 Die präventive Beratung des Verfassungsschutzes im Rahmen der seit dem Jahr 2005 bestehenden erweiterten Sicherheitspartnerschaft mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft (http://www.verfassungsschutz.rlp.de) richtet sich vornehmlich an die innovativen und exportorientierten Unternehmen mit dem Ziel die betriebliche Sicherheit und den Informationsschutz als eigene Schwerpunktaufgabe anzunehmen. 6.2 Vorgehensweise der Spionageabwehr Um den Aktionsradius fremder Nachrichtendienste aufzuklären und deren dabei angewandte nachrichtendienstliche Methodik zu erkennen, setzt die Spionageabwehr ihre stärksten Bemühungen in die Verhinderung bzw. Aufdeckung laufender Spionageaktivitäten, die auch gegen die Interessen der rheinland-pfälzischen Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik gerichtet sind. Dies erreicht der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch die Auswertung gewonnener Informationen und Erkenntnisse sowie durch den regelmäßigen Kontakt mit Vertretern aus den vorgenannten Bereichen. 6.3 Einzelerkenntnisse Die nachfolgenden Sachverhaltsdarstellungen sind anonymisiert und stehen beispielhaft für Gefahren durch Ausforschungsbemühungen fremder Nachrichtendienste. 6.3.1 Informationsgewinn mittels menschlicher Quellen Illegale Beschaffungsversuche für den Iran Auch im Jahr 2007 waren rheinland-pfälzische Firmen Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche des Iran. Abgetarnt in Netzwerken versuchten ausländische Firmenangehörige, unbemannte Flugobjekte (Unmanned Air Vehicles - UAV; in Deutschland bekannt als Drohnen), Steuerungsund Antriebsteile (Kreiselkompasse und Motoren/Triebwerke), Ersatzteile für die Navigationstechnik, Navigationsgeräte militärischer Prägung, CNCgesteuerte Werkzeugmaschinen sowie Messgeräte für die Nukleartechnik 104 zu erwerben. Diese Güter waren aufgrund ihrer eindeutigen Endverwendung oder des bestehenden UN-Embargos ausfuhrgenehmigungspflichtig. Hierbei wandten sich die iranischen Einkäufer nicht nur unmittelbar an die in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Hersteller der sensiblen Technik. Vielmehr suchten sie sich offensichtlich gezielt im Imund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Erfahrungen im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. Der Gütertransfer selbst gehörte nicht unbedingt zum Geschäftszweck und lag auch außerhalb jedweder Interessenssphäre der angefragten Firmen, allerdings verfügten sie international über entsprechende Verbindungen und Beziehungen. Ihnen war das Ansinnen der iranischen Einkäufer zumindest zweifelhaft, weshalb sie sich, sensibilisiert durch Veröffentlichungen, an die rheinlandpfälzische Spionageabwehr wandten. Wie im Vorjahr auch führten intensive Ermittlungen zur Aufdeckung von bundesweiten Beschaffungsnetzwerken des Iran. Die den angefragten Firmen drohenden ausfuhrrechtlichen wie auch strafrechtlichen Sanktionen, aber auch die Gefahr eines Reputationsverlustes im internationalen Handel konnten durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz im Vorfeld abgewendet werden. Auffälligkeiten bei einem chinesischen Praktikanten Anlässlich eines Sensibilisierungsgesprächs wurde folgender Sachverhalt bekannt: Eine deutsche Zulieferfirma integriert bei einer rheinland-pfälzischen Maschinenbaufirma hochwertige spezielle Bauteile. Im Jahr 2007 wurde der Monteur des Zulieferers von einem chinesischen Praktikanten begleitet, der trotz des in der Firma bestehenden Fotografierverbots (Hinweis durch Schilder) den gesamten Arbeitsablauf vom Einbau der Spezialteile fotografisch festhielt. Auf dieses Fehlverhalten angesprochen erklärte der chinesische Praktikant, er benötige diese Dokumentation als Tätigkeitsnachweis. 105 Dem Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse darüber vor, dass die Zulieferfirma auf dem Weltmarkt große Probleme mit Plagiaten ihrer Spezialteile hat, die in China optisch identisch, aber von minderer Qualität mit der Kennzeichnung "Made in Germany" und dem Logo des deutschen Herstellers produziert werden. Dieser Umstand wurde der betroffenen Maschinenbaufirma übermittelt, die daraufhin den Zulieferer schriftlich verpflichtete, ausschließlich in Deutschland hergestellte und qualitätsgeprüfte Spezialteile zu liefern. Ein Maschinenausfall aufgrund fehlerhafter Zulieferteile könne für den Hersteller Schäden bis zur Höhe von einer Million US-Dollar pro Tag verursachen. Firmenintern wurden alle Mitarbeiter von der Geschäftsleitung nochmals auf die Beachtung des Fotografierverbots hingewiesen. Ferner erging ein Handyverbot, da nahezu alle Handys heutzutage über integrierte, teils hoch auflösende Kameras verfügen. Die für die Zulieferfirma zuständige Verfassungsschutzbehörde wurde informiert und wird diese zu einem Sensibilisierungsgespräch aufsuchen. 6.3.2 Kommunikationstechnik als Schwachstelle beim illegalen Informationstransfer Überwachungsprogramme der Nachrichtendienste gewährleisten eine strategische und flächendeckende Internetund E-Mail-Kontrolle, die ihre besondere Wirkung bei der Nutzung eigener staatlicher Provider entfaltet. Aus den in Echtzeit gewonnenen Informationen können im Bereich der Wirtschaftsspionage entscheidende Wettbewerbsvorteile erwachsen. Zahlreich bekannt gewordene Angriffe auf öffentliche und private ITInfrastrukturen deuteten 2007 auf Steuerung durch staatliche Stellen aus einem ostasiatischen Land hin. Hierbei kam es im April zu E-MailAttacken gegen deutsche Unternehmen, die sich in China engagieren. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben daraufhin koordinierte Sensibilisierungsmaßnahmen eingeleitet. 106 Bei dem Angriff kam es zum Einsatz eines so genannten Trojaners, der sich gezielt in Netzwerke von Wirtschaftsunternehmen wie auch staatlichen Stellen bundesweit implementierte. Hierbei wurde eine spezifisch für den Ausspähungszweck entwickelte Spionagesoftware verwendet. Diese neue Form von Spionageangriffen wird äußerst professionell gestaltet, so dass Einzeltäter oder Kleingruppen dafür kaum in Frage kommen dürften. Die Modi Operandi sind ausgerichtet nach den Techniken des so genannten Social Engineering. Für diese E-Mail-Attacke diente als Grundlage nach bisherigen Einschätzungen das Sammeln und Auswerten von E-Mail-Adressen und von Visitenkarten. Angereichert durch einen für den Empfänger interessanten Inhalt wird dieser dazu "verführt", die E-Mail bzw. den Dateianhang zu öffnen. Damit installiert sich unbemerkt der Trojaner. Weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter www.ism.rlp.de abrufbar. 107 7. GEHEIMSCHUTZ / SABOTAGESCHUTZ Der Geheimschutz hat zu gewährleisten, dass Informationen und Vorgänge, deren bekannt werden den Bestand oder lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes und der Länder gefährden kann, geheim gehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Diese geheim zu haltenden Informationen und Vorgänge müssen als Verschlusssachen (VS) eingestuft werden und unterliegen damit der Geheimhaltung. Geheimschutz spielt nicht nur im öffentlichen Bereich eine Rolle. Auch in Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen wird teilweise mit staatlichen Verschlusssachen umgegangen, so dass auch dort die Regeln des Geheimschutzes zur Anwendung kommen. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (VS - Beratungen, Schulungen und Broschüren) informiert und sensibilisiert der Verfassungsschutz die zuständigen Stellen im Rahmen des materiellen Geheimschutzes über den gebotenen Umgang mit Verschlusssachen und deren sachgerechte technische und organisatorische Sicherung. Insbesondere die ständig an Bedeutung gewinnende, gleichzeitig aber auch immer komplexer und damit anfälliger werdende Informationsund Kommunikationstechnik erfordert die präzise Einhaltung der in der staatlichen Verschlusssachenanweisung (VSA) wie auch im Geheimschutzhandbuch der Wirtschaft vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Dort sind darüber hinaus weitere technische, aber auch bauliche, organisatorische und personelle Maßnahmen verbindlich angeordnet, die in ihrer Gesamtheit ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept ergeben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse, weshalb die Verfassungsschutzbehörde anbietet, auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen in Rheinland-Pfalz in Sicherheitsfragen zu beraten. 108 Auch im Zeitalter der Hochtechnologie ist die menschliche "Quelle im Objekt" die effektivste und ergiebigste Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung. Sicherheitsrisiken ergeben sich aber auch durch mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Verschlusssachen oder aus sonstigen persönlichen Defiziten, die dazu führen können, dass Unbefugte von Staatsgeheimnissen Kenntnis erlangen. Der Staat schützt sich hiergegen neben seiner aufklärenden und präventiven Spionageabwehr auch mit vorbeugenden Maßnahmen bei der Auswahl seiner Geheimnisträger im Rahmen des personellen Geheimschutzes. Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz. Dieser unterliegen Personen, die in Behörden oder Unternehmen Zugang zu staatlichen Verschlusssachen haben sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verschaffen können. Durch die Überprüfung soll zweifelsfrei festgestellt werden, dass die betroffene Person nach ihrem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass sie mit ihr anvertrauten Verschlusssachen sachgerecht und sorgfältig umgehen wird. Werden Tatsachen bekannt, die dieses zweifelhaft erscheinen lassen und können diese Bedenken nicht ausgeräumt werden, darf die betroffene Person eine solche sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht ausüben. Derzeit sind 2.705 Personen im Land Rheinland-Pfalz aktive Geheimnisträger. Dem Schutz gesetzlich definierter lebenswichtiger Einrichtungen in Rheinland-Pfalz dient der vorbeugende personelle Sabotageschutz. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind, üben ebenfalls eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes aus und sind dem entsprechend einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Auch hierbei wirkt die Verfassungsschutzbehörde in gleicher Weise wie beim personellen Geheimschutz mit. 109 Ebenfalls auf die Verhinderung von Sabotageakten durch potenzielle Innentäter zielen die so genannten Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen, die nach den Fachgesetzen zum Sicherheitsbereich oder nicht öffentlich zugänglichen Bereichen insbesondere auf Flughäfen und in Kernkraftwerken Zutritt haben sollen. Die hiervon betroffenen Einrichtungen sind gesetzlich verpflichtet, an sicherheitsempfindlichen Stellen nur sicherheitsüberprüfte Personen tätig werden zu lassen. 110 D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12.2007, GVBl. 2007, S. 301 111 Inhaltsübersicht Teil1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung dess Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 112 Teil 1 dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften Allgemeine Bestimmungen der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund SS1 eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. Zweckbestimmung b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse Der Verfassungsschutz dient dem Schutz zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden der freiheitlichen demokratischen GrundordAufgaben nach diesem Landesgesetz hat. nung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS4 Begriffsbestimmungen SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des (1) Alle den Zwecken des VerfassungsBundes oder eines Landes politisch schutzes dienenden Aufgaben und Befugbestimmte, zielund zweckgerichtete nisse werden vom Ministerium des Innern Verhaltensweisen in einem oder für und für Sport als Verfassungsschutzbehörde einen Personenzusammenschluss, der wahrgenommen. darauf gerichtet ist, die Freiheit des (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei Bundes oder eines Landes von fremder dürfen einander nicht angegliedert werden. Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Verfassungsschutzes Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerich(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist vertete Verhaltensweisen in einem oder pflichtet, mit dem Bund und den Ländern in für einen Personenzusammenschluss, Angelegenheiten des Verfassungsschutzes der darauf gerichtet ist, den Bund, zusammenzuarbeiten. Die ZusammenarLänder oder deren Einrichtungen in beit besteht insbesondere in gegenseitiger ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu Unterstützung und im Informationsausbeeinträchtigen; tausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch (2) Die Behörden für Verfassungsschutz bestimmte, zielund zweckgerichtete anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz Verhaltensweisen in einem oder für unter Beachtung der Bestimmungen dieses einen Personenzusammenschluss, der Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundarauf gerichtet ist, einen der in diesem desamt für Verfassungsschutz gemäß Gesetz genannten VerfassungsgrundSS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzsätze zu beseitigen oder außer Geltung gesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. zu setzen. I S. 2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 Für einen Personenzusammenschluss han(BGBl. I S. 361), nur im Benehmen mit der delt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachVerfassungsschutzbehörde tätig werden. drücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Die Verfassungsschutzbehörde darf in den Einzelpersonen, die nicht in einem oder für anderen Ländern tätig werden, soweit es einen Personenzusammenschluss handeln, 113 sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, trächtigung der Amtsführung der Verwenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes fassungsorgane des Bundes oder eines unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, haben, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich 2. sicherheitsgefährdende oder geheimzu beschädigen. dienstliche Tätigkeiten in der Bundes(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundrepublik Deutschland für eine fremde ordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen Macht, 1. das Recht des Volkes, die Staatsge3. Bestrebungen in der Bundesrepublik walt in Wahlen und Abstimmungen und Deutschland, die durch Anwendung durch besondere Organe der Gesetzvon Gewalt oder darauf gerichtete gebung, der vollziehenden Gewalt und Vorbereitungshandlungen auswärtige der Rechtsprechung auszuüben und die Belange der Bundesrepublik DeutschVolksvertretung in allgemeiner, unmitland gefährden, und telbarer, freier, gleicher und geheimer 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Wahl zu wählen, Bundesrepublik Deutschland, die gegen 2. die Bindung der Gesetzgebung an die den Gedanken der Völkerverständiverfassungsmäßige Ordnung und die gung ( Artikel 9 Abs. 2 des GrundgeBindung der vollziehenden Gewalt und setzes) oder das friedliche Zusammender Rechtsprechung an Gesetz und leben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des Recht, Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit 3. das Recht auf Bildung und Ausübung tatsächliche Anhaltspunkte für den einer parlamentarischen Opposition, Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung 4. die Ablösbarkeit der Regierung und erfolgt durch gezielte und planmäßige ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Sammlung und Auswertung von InforVolksvertretung, mationen, insbesondere von sach5. die Unabhängigkeit der Gerichte, und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und SS6 7. die im Grundgesetz konkretisierten Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Menschenrechte. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit Teil 2 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse SS5 anvertraut werden, die Zugang dazu Beobachtungsaufgaben erhalten sollen oder ihn sich verschafDie Verfassungsschutzbehörde beobachtet fen können, 1. Bestrebungen, die gegen die freiheit2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Perliche demokratische Grundordnung, sonen, die an sicherheitsempfindlichen den Bestand oder die Sicherheit des Stellen von lebensoder verteidigungsBundes oder eines Landes gerichtet wichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder eine ungesetzliche Beeinsind oder werden sollen, 114 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen sichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine zum Schutze von im öffentlichen InteMaßnahme darf nicht zu einem Nachteil führesse geheimhaltungsbedürftigen Tatren, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar sachen, Gegenständen oder Erkenntaußer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nissen gegen die Kenntnisnahme durch nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht Unbefugte sowie ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht wer4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen den kann. Fällen. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der SS7 Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf Unterrichtung der Landesregierung und die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe der Öffentlichkeit um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von SS9 Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . Allgemeine Befugnisse (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Die Verfassungsschutzbehörde darf zur fachlich zuständige Minister unterrichtet die Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und Öffentlichkeit über Bestrebungen und TätigSS 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen keiten nach SS 5 und andere grundlegende erforderlichen Maßnahmen treffen, insbeAngelegenheiten des Verfassungsschutzes. sondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbeson(3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit dere erheben, speichern, nutzen, übermitteln nach Absatz 2 dürfen auch personenbezound löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 gene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Befugnisse besonders regeln. die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 SS 10 erforderlich ist und das öffentliche Interesse Besondere Befugnisse an der Bekanntgabe das schutzwürdige (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Interesse der betroffenen Person überwiegt. Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen InformatiTeil 3 onsbeschaffung (nachrichtendienstliche MitBefugnisse der Verfassungsschutzbetel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel hörde sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, SS8 Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Allgemeine Rechtsgrundsätze das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observations(1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an maßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. sowie die Verwendung von Tarnpapieren und 3 des Grundgesetzes). Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienst(2) Von mehreren möglichen und geeigneten lichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift Maßnahmen hat die Verfassungsschutzzu benennen, die auch die Zuständigkeit behörde diejenige zu treffen, die einzelne für die Anordnung solcher InformationsbePersonen und die Allgemeinheit vorausschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist 115 der Parlamentarischen Kontrollkommission bestimmte Mitteilungen entgegennehvorzulegen. men oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des haben; die Erhebung darf nur erfolgen, Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses um auf diese Weise Erkenntnisse über gleichkommen, wozu insbesondere das sicherheitsgefährdende oder geheimheimliche Mithören oder Aufzeichnen des dienstliche Tätigkeiten für eine fremde außerhalb der Wohnung nicht öffentlich Macht oder gewalttätige Bestrebungen gesprochenen Wortes unter verdecktem oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiteder Anordnung durch die fachlich zustänrinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, dige Ministerin oder den fachlich zustänGegenstände und Nachrichtenzugänge digen Minister und der Zustimmung der der Verfassungsschutzbehörde gegen nach dem Landesgesetz zur parlamentasicherheitsgefährdende oder geheimrischen Kontrolle von Beschränkungen des dienstliche Tätigkeiten zwingend erforBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses derlich ist oder vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 4. dies zur Überprüfung der Nachrichten12-1), gebildeten Kommission; bei Gefahr zugänge und der hieraus gewonnenen im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung Informationen zwingend erforderlich dieser Kommission nachträglich einzuholen. ist. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, Daten erfolgt in entsprechender Anwendung wenn die Erforschung des Sachverhaltes des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. auf andere, Betroffene weniger beeinträchJuni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert tigende Weise möglich ist; eine geringere durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar Beeinträchtigung ist in der Regel anzuneh2002 (BGBl. I S. 361). men, wenn die Information auch aus all(3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des gemein zugänglichen Quellen gewonnen Landes und der kommunalen Gebietskörwerden kann. Der Einsatz eines nachrichperschaften leisten der Verfassungsschutztendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar behörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzudes Absatzes 1 Hilfe. klärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte ist zur Erhebung personenbezogener Daten dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf nur zulässig, wenn diese Weise erreicht werden kann. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Verdacht von Bestrebungen oder Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorlieSS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gen, dass die zur Erforschung solcher gesprochene Wort mit technischen Mitteln Erkenntnisse erforderlichen Nachnur heimlich mithören oder aufzeichnen, richtenzugänge gewonnen werden wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer drinkönnen, genden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, 2. er sich gegen Personen richtet, von insbesondere einer gemeinen Gefahr oder denen auf Grund tatsächlicher Anhaltseiner Lebensgefahr für einzelne Personen, punkte anzunehmen ist, daß sie für eine unerlässlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für nach Nummer 1 verdächtige Person einen verdeckten Einsatz technischer Mit116 tel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den des Zwecks der Maßnahme ausgeschlosSätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richsen werden kann. Die nach dem Landesterlicher Anordnung getroffen werden; bei gesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch Beschränkungen des Brief-, Postund Ferndurch die fachlich zuständige Ministerin oder meldegeheimnisses gebildete Kommission den fachlich zuständigen Minister angeordist über die Gründe, die einer Mitteilung entnet werden; eine richterliche Entscheidung gegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine ist unverzüglich nachzuholen. Die VerwenMitteilung für geboten, so ist diese unverdung der durch Maßnahmen nach den Sätzüglich zu veranlassen. zen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhinderung oder Aufklärung SS 10a von Straftaten erfolgt in entsprechender Weitere Einzelfallbefugnisse Anwendung des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 des Arti(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im kel 10-Gesetzes . Die durch Maß-nahmen Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstnach Satz 1 erhobenen personenbezogenen leistungsinstituten und Finanzunternehmen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in unentgeltlich Auskünfte zu Konten, KontenSS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung inhabern und sonstigen Berechtigten sowie genannten Straftaten verwendet werden. weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten (6) Sind technische Mittel ausschließlich und zu Geldbewegungen und Geldanlazum Schutz der bei einem Einsatz in Wohgen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer nungen tätigen Personen vorgesehen, kann Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordie Maßnahme durch die fachlich zuständige derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte Ministerin oder den fachlich zuständigen für schwer wiegende Gefahren für die in Minister angeordnet werden. Eine VerwerSS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter tung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum vorliegen. Zwecke der Abwehr von Gefahren für die (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentdemokratische Grundordnung ist zulässig, geltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßund zur Inanspruchnahme von Transportnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr leistungen und sonstigen Umständen des im Verzug ist die richterliche Entscheidung Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfülunverzüglich nachzuholen. lung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltsnach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 punkte für schwer wiegende Gefahren ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahfür die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten ren gelten die Bestimmungen des Gesetzes Schutzgüter vorliegen. über die Angelegenheiten der freiwilligen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Gerichtsbarkeit entsprechend. Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den VorausAbsätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung setzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des 10-Gesetzes bei Personen und UnternehZwecks der Maßnahme ausgeschlossen men, die geschäftsmäßig Postdienstleiwerden kann. Lässt sich zu diesem Zeitstungen erbringen, sowie bei denjenigen, punkt noch nicht abschließend beurteilen, die an der Erbringung dieser Dienstleiob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt stungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte 117 zu Namen, Anschriften, Postfächern und sterin oder der fachlich zuständige Minister sonstigen Umständen des Postverkehrs unterrichtet monatlich die nach dem Laneinholen. desgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf Fernmeldegeheimnisses gebildete Komim Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den mission über die beschiedenen Anträge vor Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsdie fachlich zuständige Ministerin oder der mäßig Telekommunikationsdienste und fachlich zuständige Minister den Vollzug der Teledienste erbringen oder daran mitwirken, Entscheidung auch bereits vor der Unterunentgeltlich Auskünfte über Telekommunirichtung der Kommission anordnen. Für die kationsverbindungsdaten und TelediensteAufgaben und Befugnisse der Kommission nutzungsdaten einholen. Die Auskünfte sowie die Mitteilung von Maßnahmen nach können auch in Bezug auf zukünftige Teleden Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen kommunikation und zukünftige Nutzung von findet das Landesgesetz zur parlamentaTelediensten verlangt werden. Telekommurischen Kontrolle von Beschränkungen des nikationsverbindungsdaten und TelediensteBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nutzungsdaten sind entsprechende Anwendung. 1. Berechtigungskennungen, Kartennum(6) Das Auskunftsersuchen und die Ausmern, Standortkennungen sowie Rufkunft selbst dürfen den Betroffenen oder nummer oder Kennung des anrufenden Dritten vom Aus-kunftsgeber nicht mitgeteilt und angerufenen Anschlusses oder der werden. Endeinrichtung, (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absät2. Beginn und Ende der Verbindung nach zen 1 bis 4 erhobenen personenbezogenen Datum und Uhrzeit, Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekom(8) Das fachlich zuständige Ministerium munikationsund TeledienstDienstberichtet über die durchgeführten Maßnahleistungen, men nach den Absätzen 1 bis 4 dem parla4. Endpunkte festgeschalteter Verbinmentarischen Kontrollgremium des Bundes dungen, ihr Beginn und ihr Ende nach unter entsprechender Anwendung des SS 8 Datum und Uhrzeit. Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Berichte (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfasdürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der sungsschutzgesetzes . Antrag ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufsichtsbeamten im Sinne Teil 4 des SS 8 Abs. 3 des Landesgesetzes zur Datenverarbeitung parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund FernmeldeSS 11 geheimnisses schriftlich zu stellen und zu Erhebung, Speicherung und Nutzung perbegründen. Über den Antrag entscheidet die sonenbezogener Daten Leiterin oder der Leiter oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Lei(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur ter der für den Verfassungsschutz zustänErfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene digen Abteilung des Ministeriums des Innern Daten erheben, in Akten und Dateien speiund für Sport. Die fachlich zuständige Minichern und nutzen, wenn 118 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz Verdacht von Bestrebungen oder Tätig- 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 keiten nach SS 5 vorliegen, nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der 2. dies für die Erforschung und Bewertung Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in von Bestrebungen oder Tätigkeiten diese einbezogen werden. nach SS 5 erforderlich ist oder (5) Personenbezogene Daten, die aus3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben schließlich zu Zwecken der Datenschutznach SS 6 erforderlich ist. kontrolle, der Datensicherung oder zur Personenbezogene Daten, die in Dateien Sicherstellung eines ordnungsgemäßen gespeichert sind, welche der Auswertung Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage personenbezogener Daten zur Erfüllung gespeichert werden, dürfen für andere Zweder Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 dienen cke nur insoweit verarbeitet werden, als dies sollen, müssen durch Akten oder andere zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der Datenträger belegbar sein. öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Per(2) Daten über Personen, bei denen keine son erforderlich ist. tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), SS 12 dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in SS 5 erforderlich ist, Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu 2. die Erforschung des Sachverhaltes berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind auf andere Weise aussichtslos oder zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. wesentlich erschwert wäre und Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, 3. überwiegende schutzwürdige Intedass in Akten gespeicherte personenberessen der betroffenen Person nicht zogene Daten unrichtig oder unvollständig entgegenstehen. sind. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in werden, wenn sie mit zur Erfüllung der AufDateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen gespeicherte personenbezogene Daten zu Informationen untrennbar verbunden sind. löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Daten, die für das Verständnis der zu speiAufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr chernden Informationen nicht erforderlich erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt wenn Grund zu der Annahme besteht, dass nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit durch sie schutzwürdige Interessen von einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den in diesem Falle sind die Daten zu sperren. zu löschenden personenbezogenen Daten (3) Werden personenbezogene Daten bei entsprechenden Akten oder AktenbestandBetroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist teile sind zu vernichten, wenn eine Trennung der Erhebungszweck anzugeben. Betrofvon anderen Daten, die zur Erfüllung der fene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin hinzuweisen. erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand 119 möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entGebietskörperschaften von sich aus auch sprechend für sonstige Akten, wenn die alle anderen ihnen bekannt gewordenen Verfassungsschutzbehörde die VoraussetInformationen einschließlich personenbezozungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. gener Daten übermitteln, die Bestrebungen Personenbezogene Daten sind zu sperren, und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetbetreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte zungen eine Löschung nach Satz 2 oder dafür bestehen, dass die Übermittlung für eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsvorzunehmen ist. schutzbehörde erforderlich ist. (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung festzusetzenden Fristen, in den Fällen des zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach und SS 6 erforderlich ist, von den öffentlichen fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz Stellen des Landes und der kommunalen 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei JahGebietskörperschaften Informationen und ren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Ersuchen braucht nicht begründet zu werDaten zu berichtigen oder zu löschen sind. den; die Verfassungsschutzbehörde allein Gespeicherte personenbezogene Daten trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäüber Bestrebungen und Tätigkeiten nach ßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens werden, wenn die Informationen nicht aus zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzallgemein zugänglichen Quellen oder nur mit ten gespeicherten relevanten Information übermäßigem Aufwand oder nur durch eine zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder die Betroffenen stärker belastende Maßder Leiter der für den Verfassungsschutz nahme erhoben werden können. zuständigen Abteilung des Ministeriums des (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konInnern und für Sport stellt im Einzelfall fest, krete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach dass die weitere Speicherung zur Erfüllung SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur die Übermittlung personenbezogener InforWahrung schutzwürdiger Interessen Betrofmationen oder Informationsbestände von fener erforderlich ist. öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur SS 13 verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Informationsübermittlung an die VerfasAufklärung von sicherheitsgefährdenden sungsschutzbehörde oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und fremde Macht oder von Bestrebungen, die der kommunalen Gebietskörperschaften durch Anwendung von Gewalt oder darauf übermitteln von sich aus der Verfassungsgerichtete Vorbereitungshandlungen gegen schutzbehörde Informationen, soweit die freiheitliche demokratische Grundorddiese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung nung, den Bestand oder die Sicherheit des der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit Bundes oder eines Landes gerichtet sind, die Bestrebungen und Tätigkeiten durch auswärtige Belange der Bundesrepublik Anwendung von Gewalt oder darauf gerichDeutschland gefährden oder gegen den tete Vorbereitungshandlungen gekennzeichGedanken der Völkerverständigung oder net sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich das friedliche Zusammenleben der Völker sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen gerichtet sind. Die VerfassungsschutzbeStellen des Landes und der kommunalen hörde kann auch Einsicht in die amtlichen 120 Dateien und sonstigen Informationsbetikvertrages über die Rechtsstellung stände nehmen, soweit dies zur Aufklärung ihrer Truppen hinsichtlich der in der der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bundesrepublik Deutschland statioBestrebungen zwingend erforderlich ist nierten ausländischen Truppen vom 3. und durch eine andere Art der Übermittlung August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - der Zweck der Maßnahme gefährdet oder 1218 -), zuletzt geändert durch AbkomBetroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt men vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II würden. Die Übermittlung personenbezoS. 2594), gener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und 2. die Staatsanwaltschaften und die PoliOrt der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie zeibehörden zur Verfolgung von Staatsauf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzdelikten, den in SS 100 a der schutzbehörde festzulegende Merkmale zu Strafprozessordnung und SS 131 des beschränken. Strafgesetzbuchs genannten Straftaten (4) Die Übermittlung personenbezogener und sonstigen Straftaten im Rahmen Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach der organisierten Kriminalität; StaatsSS 100 a der Strafprozessordnung bekannt schutzdelikte sind die in den SS 74 a geworden sind, ist für Zwecke der Aufgades Gerichtsverfassungsgesetzes und benerfüllung nach diesem Gesetz nur dann SS 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte genannten Straftaten sowie sonstige dafür bestehen, dass jemand eine der in Straftaten, bei denen auf Grund ihrer SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannZielsetzung, des Motivs der Täterin ten Straftaten plant, begeht oder begangen oder des Täters oder der Verbindung hat. Auf deren Verwertung durch die Verfaszu einer Organisation tatsächliche sungsschutzbehörde findet SS 4 des Artikel Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten SS 14 Schutzgüter gerichtet sind, Informationsübermittlung durch die Ver3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, fassungsschutzbehörde soweit sie gefahrenabwehrend tätig (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an sind, wenn dies zur Erfüllung der Auföffentliche Stellen personenbezogene Daten gaben der empfangenden Stelle erforzur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 derlich ist und die Übermittlung zur und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts Abwehr einer im Einzelfall bestehenden anderes bestimmt ist. Die empfangende erheblichen Gefahr oder zur vorbeuStelle darf personenbezogene Daten nur zu genden Bekämpfung der in Nummer 2 dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitgenannten Straftaten oder von Verbretelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes chen, für deren Vorbereitung konkrete bestimmt ist. Hinweise vorliegen, dient, (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfas4. andere öffentliche Stellen, wenn dies sungsschutzbehörde, soweit gesetzlich zur Erfüllung der Aufgaben der empfannichts anderes bestimmt ist, personenbezogenden Stelle erforderlich ist und diese gene Daten nur übermitteln an die personenbezogenen Daten für Zwe1. die Dienststellen der Stationierungscke benötigt, die dem Schutz wichtiger streitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz Zusatzabkommens zu dem Abkommen von Leben, Gesundheit oder Freiheit zwischen den Parteien des Nordatlaneiner Person oder dem Schutz von 121 Sachen von bedeutendem Wert oder Sicherheitsinteressen der empfangenden der Gewährleistung der Sicherheit von Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an lebensoder verteidigungswichtigen ausländische Nachrichtendienste geschieht Einrichtungen im Sinne des Landessiim Einvernehmen mit dem Bundesamt für cherheitsüberprüfungsgesetzes dienen Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen und dies mit den Aufgaben der VerfasFällen, in denen auswärtige Belange der sungsschutzbehörde nach den SS 5 und Bundesrepublik Deutschland oder überSS 6 vereinbar ist. wiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des aktenkundig zu machen. Die empfangende Bundesverfassungsschutzgesetzes überStelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darümittelten personenbezogenen Daten nur zu ber hinaus auch den Staatsanwaltschaften dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftsie ihr übermittelt wurden, und dass die lichen Sachleitungsbefugnis, den PolizeiVerfassungsschutzbehörde sich vorbehält, behörden des Landes Informationen einAuskunft über die Nutzung der personenbeschließlich personenbezogener Daten unter zogenen Daten zu verlangen. den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesver(6) Personenbezogene Daten dürfen an fassungsschutzgesetzes . nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen 1. zum Schutze der freiheitlichen demokrades Landes und der kommunalen Gebietstischen Grundordnung, des Bestandes körperschaften Auskunft einschließlich peroder der Sicherheit der Bundesrepublik sonenbezogener Daten aus vorhandenen Deutschland oder eines ihrer Länder Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsaoder zur Gewährleistung der Sicherheit chen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplivon lebensoder verteidigungswichnarund Kündigungsverfahren, im Einbürgetigen Einrichtungen im Sinne des Lanrungsverfahren und in den Fällen, in denen dessicherheitsüberprüfungsgesetzes, dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden eine fremde Macht, Stelle zwingend erforderlich sein. 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor (4) Die Verfassungsschutzbehörde übersicherheitsgefährdenden oder geheimmittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesdienstlichen Tätigkeiten oder vor der verfassungsschutzgesetzes dem Bundesplanmäßigen Unterwanderung von nachrichtendienst und dem Militärischen Wirtschaftsunternehmen durch die in Abschirmdienst Informationen einschließlich SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten personenbezogener Daten. Bestrebungen oder (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, personenbezogene Daten an ausländische Freiheit oder Vermögen einer Person Nachrichten-dienste angrenzender Staaten, erforderlich. Die Übermittlung bedarf an andere ausländische öffentliche Stelder Zustimmung der fachlich zustänlen sowie an überund zwischenstaatliche digen Ministerin oder des fachlich Stellen übermitteln, wenn die Übermittzuständigen Ministers oder der Leilung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den terin oder des Leiters der für den VerSS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher fassungsschutz zuständigen Abteilung 122 des Ministeriums des Innern und für für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderSport. Sie ist aktenkundig zu machen. lich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht Die empfangende Stelle ist darauf hinerforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu zuweisen, dass die übermittelten pervernichten. Die Vernichtung kann unterbleisonenbezogenen Daten nur zu dem ben, wenn die Trennung von anderen persoZweck genutzt werden dürfen, zu dem nenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der sie ihr übermittelt wurden, und dass die Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur Verfassungsschutzbehörde sich vorbemit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in hält, Auskunft über die Nutzung der perdiesem Fall sind die personenbezogenen sonenbezogenen Daten zu verlangen. Daten zu sperren. SS 15 SS 17 Übermittlungsverbote Minderjährigenschutz Die Übermittlung von personenbezogenen (1) Personenbezogene Daten über das VerDaten nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, halten von Minderjährigen vor Vollendung wenn des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien 1. überwiegende schutzwürdige Interesim Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu sen der Betroffenen dies erfordern, ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe (2) Über Minderjährige nach Vollendung des des Quellenschutzes, des Schutzes 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des operativer Maßnahmen oder sonstige SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person Geheimhaltungsgründe entgegenstegeführten Akten gespeicherte personenbehen oder zogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten 3. besondere gesetzliche Übermittlungsauf die Erforderlichkeit der Speicherung zu regelungen entgegenstehen; die Verüberprüfen und spätestens nach fünf Jahren pflichtung zur Wahrung gesetzlicher zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Geheimhaltungspflichten oder von BeVolljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach rufsoder besonderen AmtsgeheimSS 5 angefallen. nissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt SS 16 werden, solange die Voraussetzungen der Besondere Pflichten bei der Übermittlung Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen personenbezogener Daten diese Voraussetzungen nicht oder nicht (1) Erweisen sich personenbezogene Daten mehr vor, ist eine Übermittlung nur zuläsnach ihrer Übermittlung nach den Bestimsig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen mungen dieses Gesetzes als unvollständig Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat oder unrichtig, so sind sie unverzüglich von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. gegenüber der empfangenden Stelle zu (4) Personenbezogene Daten über das Verberichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne halten von Minderjährigen vor Vollendung Bedeutung. des 16. Lebensjahres dürfen nach den (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ausländische oder überoder zwischenübermittelten personenbezogenen Daten staatliche Stellen übermittelt werden. 123 SS 18 der Zweck der Auskunftsverweigerung geAuskunft an Betroffene fährdet würde. Die Gründe der Auskunfts(1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt verweigerung sind aktenkundig zu machen. Betroffenen über zu ihrer Person in Akten Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das gespeicherte Daten sowie über den Zweck Fehlen der Begründung und darauf hinzuund die Rechtsgrundlage für deren Verarweisen, dass sie sich an die Landesbeaufbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. tragte oder den Landesbeauftragten für den Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Datenschutz wenden können. Mitteilungen nicht auf die Herkunft der Daten und auf der oder des Landesbeauftragten für den die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Datenschutz an Betroffene dürfen keine Über personenbezogene Daten in nichtauRückschlüsse auf den Erkenntnisstand der tomatisierten Dateien und Akten, die nicht Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern zur Person von Betroffenen geführt werden, diese nicht einer weitergehenden Auskunft ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben zugestimmt hat. gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem SS 19 Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf AktenDatenschutzkontrolle einsicht besteht nicht. Der oder dem Landesbeauftragten für den (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den soweit Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgaist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht benerfüllung zu besorgen ist, in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fach2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährlich zuständige Ministerin oder der fachlich det sein können oder die Ausforschung zuständige Minister im Einzelfall feststellt, des Erkenntnisstandes oder der dass dadurch die Sicherheit des Bundes Arbeitsweise der Verfassungsschutzoder eines Landes gefährdet wird. behörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden Teil 5 oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde Parlamentarische Kontrolle oder SS 20 4. die Daten oder die Tatsache der SpeiParlamentarische Kontrollkommission cherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden be(1) Zur Wahrnehmung seines parlamenrechtigten Interessen Dritter geheimgetarischen Kontrollrechtes gegenüber der halten werden müssen. fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde der Leiter der für den Verfassungsschutz bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlpezuständigen Abteilung des Ministeriums des riode eine Parlamentarische KontrollkomInnern und für Sport oder hierzu besonders mission. Die Rechte des Landtags, seiner Beauftragte. Ausschüsse und der nach dem Landesge(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung setz zur parlamentarischen Kontrolle von bedarf keiner Begründung, soweit dadurch Beschränkungen des Brief-, Postund Fern124 meldegeheimnisses gebildeten Kommission (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt bleiben unberührt. und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlan(2) Die Parlamentarische Kontrollkommisgen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in sion besteht aus drei Mitgliedern, die vom Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parla(3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung mentarische Kontrollkommission wählt eine der Parlamentarischen Kontrollkommission Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und werden unter Beachtung des notwendigen gibt sich eine Geschäftsordnung. Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich (3) Die Beratungen der Parlamentarischen zuständigen Ministerin oder des fachlich Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitzuständigen Ministers bestimmt. glieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen Teil 6 ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen KonSchlussbestimmungen trollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. SS 22 (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag Geltung des Landesdatenschutzgesetzes oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den Mitgliedschaft in der Parlamentarischen SSSS 5 und 6 durch die VerfassungsschutzbeKontrollkommission. Für dieses Mitglied ist hörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der keine Anwendung Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 21 Aufgrund dieses Gesetzes können das Befugnisse der Parlamentarischen KonGrundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohtrollkommission nung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz der fachlich zuständige Minister unterrichtet sowie das Grundrecht des Brief-, Postund die Parlamentarische Kontrollkommission Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des mindestens zweimal jährlich umfassend Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfasüber die allgemeine Tätigkeit der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt sungsschutzbehörde und über Vorgänge werden. von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 SS 24 und, soweit richterlich überprüfungsbe(Änderungsbestimmung) dürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die SS 25 Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei Inkrafttreten ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) (Aufhebungsbestimmung) 125 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 126