Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2006 ISSN 0948-8723 Vorwort Die Gefährdung der Inneren Sicherheit unseres Bundeslandes durch vielfältige extremistische Bestrebungen und durch fremde Nachrichtendienste hielt im Jahre 2006 unvermindert an. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus erreichte eine für Deutschland neue Qualität. Der Rechtsextremismus zeigte sich verstärkt aktionistisch. Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft forderten die Sicherheitsbehörden zusätzlich. Die fehlgeschlagenen Sprengstoffattentate auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn im Sommer 2006 haben die Gefährdung, die vom internationalen islamistischen Terrorismus für die Bundesrepublik Deutschland ausgeht, in ihrer bisher konkretesten Form verdeutlicht. Auch die im März 2007 erschienenen Drohungen gegen Deutschland auf einer militant islamistischen Internetseite bestätigen die Besorgnis, dass Deutschland stärker als zuvor im Blickpunkt islamistischer Terroristen steht. Dieser Umstand stellt auch den Verfassungsschutz vor gestiegene Anforderungen, die nach Antworten verlangen. Seit dem 30. März 2007 ist die gemeinsame zentrale Antiterrordatei deutscher Sicherheitsbehörden in Betrieb. Diese Datei dient der Bündelung von Daten, die zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland beitragen. Zugleich stellt dieses Arbeitsinstrument eine engere Vernetzung und Kommunikation der beteiligten Behörden sicher. Als Antwort auf die wachsende Bedeutung des Mediums Internet im islamistischen und terroristischen Spektrum wurde darüber hinaus die Aufklärungsund Ermittlungsarbeit in diesem Bereich in einer eigens eingerichteten Beobachtungsstelle zusammengefasst, an deren Arbeit sich auch der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz beteiligt. Vor dem Hintergrund der Anschlagsgefahr darf allerdings nicht übersehen werden, dass in der Gesamtbetrachtung weiterhin gewaltfrei operierende Organisationen das islamistische Spektrum in Deutschland dominieren. Ihr Weltbild und ihre Zielsetzungen stehen zumeist im Widerspruch zur Glaubensund Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Der Rechtsextremismus bleibt angesichts der leidvollen historischen Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und der aktuellen Entwicklungen eine zentrale Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Sich dieser besonderen Verantwortung zu stellen, schulden wir den Opfern von Terror und Gewalt, den kommenden Generationen und unseren europäischen Nachbarn. Die Landesregierung steht zu dieser Verpflichtung und zu ihrer Haltung: "Null Toleranz für Rechtsextremisten!" In diesem Sinne wird die Eindämmung rechtsextremistischer Umtriebe mit allen gebotenen rechtsstaatlichen Mitteln ebenso konsequent vorangetrieben, wie die Ursachenbekämpfung und die Prävention. Der Verfassungsschutz leistet dabei nicht zuletzt einen unverzichtbaren Beitrag zur Prävention. Er gibt Themen bezogene Publikationen heraus, führt Vortragsveranstaltungen durch und bringt Initiativen auf den Weg, wie beispielsweise Schülerkongresse, die ab dem Jahresende stattfinden werden. Auf Dauer kann die Bekämpfung des Rechtsextremismus aber nur erfolgreich sein, wenn sie im engen Schulterschluss vom Staat und möglichst vielen gesellschaftlichen Kräften getragen wird. Erwachsene und Jugendliche, Vereine und Verbände, Kirchen, Kommunen und Medien - alle können hierzu einen Beitrag leisten. Die linksextremistische Szene befasste sich auch im Jahr 2006 schwerpunktmäßig mit dem Thema "Antifaschismus". Militante Autonome, die sich selbst verharmlosend als "Antifa" bezeichnen, schrecken vor Aufrufen zur Gewalt gegen politische Gegner und auch vor entsprechenden Taten nicht zurück. Im Brennpunkt stehen zudem aktuelle Themen wie die EURatspräsidentschaft Deutschlands 2007 und der G-8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern. Gerade für gewaltbereite Linksextremisten bieten solche Ereignisse immer wieder Anlass für Akti- onismus und Agitation, auch über Veranstaltungsorte hinaus. Daher gilt auch diesen Bestrebungen weiterhin unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Bundesrepublik Deutschland war auch im Jahr 2006 Ausspähungsversuchen fremder Nachrichtendienste ausgesetzt. Insbesondere die Versuche einiger Schwellenländern, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen, dauern an. Dies wird vor allem am Beispiel der Atompolitik des Irans deutlich. Spionage wird insbesondere unter Ausnutzung moderner Kommunikationsmittel wie Internet und E-Mail-Verkehr betrieben. Betroffen sind vor allem die Wirtschaft, besonders mittelständische Unternehmen und Firmen so genannter Zukunftsbranchen. In Rheinland-Pfalz hat für den Verfassungsschutz unter dem Motto "Sicherheitspartnerschaft" die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft vor ungesetzlicher Ausspähung Priorität. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz wird sich weiterhin den sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit offensiv stellen und über seine Arbeitsergebnisse so umfassend wie möglich berichten. Der Verfassungsschutzbericht 2006 leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Ich hoffe, er findet auch diesmal das Interesse vieler Leserinnen und Leser. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutzbericht 2006 11 2. Strukturdaten 12 3. Öffentlichkeitsarbeit Prävention durch Information 13 4. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus 14 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" 14 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 16 Überblick 2006 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2006 18 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 18 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 18 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 18 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 19 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 24 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 26 1.5 "Kameradschaften" 26 1.6 Rechtsextremistische Parteien 30 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 30 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 42 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 44 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 46 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" 46 1.7.2 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 47 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 47 1.8 Revisionisten 49 1.9 Auslandskontakte 50 2. Linksextremismus 51 Überblick 2006 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 2006 52 2.2 Linksextremistische Gewalt 52 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 52 2.3.1 Verfahren gegen ehemalige terroristische Straftäter 53 2.3.2 Autonome 53 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 57 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 62 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 62 2.4.2 "Die Linkspartei.PDS, Rheinland-Pfalz" (DIE LINKE) 64 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 67 3. ISLAMISMUS 69 3.1 Personenpotenzial 2006 69 3.2 Ideologie 69 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2006 71 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz 73 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 74 3.4.2 "Kalifatsstaat" 78 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") 79 3.4.4 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") 81 3.4.5 "Tabligh-i Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) 82 3.4.6 Jihadistische Islamisten 84 4. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 87 Überblick 2006 4.1 Personenpotenzial 2006 87 4.2 Gewalttatenzahlen 88 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) 88 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 93 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/ML) 96 4.6 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 96 4.7 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) 97 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 4.8 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 100 5. Internet/Neue Medien 102 5.1 Rechtsextremisten 102 5.2 Linksextremisten 103 5.3 Ausländerextremismus 104 5.3.1 Islamistische Gruppen 104 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen 105 6. Spionageabwehr 106 7. Geheimschutz/Sabotageschutz 115 D. Anhang 117 Gesetzliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 10 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Verfassungsschutzbericht 2006 Der Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Der Bericht enthält keine abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und für interessierte Bürgerinnen und Bürger zu verstehen. Bei den aufgeführten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes vor. Die Bewertung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2006. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Verfassungsschutz nicht zu allen Extremisten individuelle Erkenntnisse vorliegen. Dies folgt schon daraus, dass der Verfassungsschutz in erster Linie einen Strukturbeobachtungsauftrag hat zu dessen Erfüllung umfassende personenbezogene Erkenntnisse nicht erforderlich sind. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst, welches die Tat auslösende politische Motivation in den Vordergrund stellt. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbarem extremistischen Hintergrund, wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Der Verfassungsschutz als Element der wehrhaften Demokratie dient dem Schutz unserer freiheitlichen Staatsund Gesellschaftsordnung. 11 Als Nachrichtendienst beschafft er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes Informationen über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen und wertet diese aus. Seine Analysen und Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur bzw. Herkunft und Ausgangspunkt für exekutive Maßnahmen, wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafprozessualer Ermittlungsverfahren. Der Verfassungsschutz darf bei seiner Aufgabenerfüllung keine polizeilichen oder strafprozessualen Zwangsmittel einsetzen; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Darüber hinaus darf der Verfassungsschutz die Polizei in Amtshilfe auch nicht zu Handlungen bewegen, die ihm selbst untersagt sind. Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes unterliegt der Kontrolle des rheinland-pfälzischen Landtags. Die vom Landtag eingerichtete "Parlamentarische Kontrollkommission" (PKK) wird fortlaufend umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes unterrichtet. Darüber hinaus hat die Landesregierung der PKK auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien zu geben und die Anhörung von Mitarbeitern zu gestatten. Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Artikel 10 GG sind von der durch die vom Landtag bestellte unabhängige G10-Kommission im Einzelfall zu genehmigen. 2. Strukturdaten Dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz gehören 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Im Haushaltsjahr 2006 betrug sein Budget insgesamt 1.815.400,EUR (ohne Personalkosten). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) belief sich zum 31. Dezember 2006 auf 8.877. 12 NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags gemäß SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Demokratie, Rechtsstaat und die Achtung vor den Menschenrechten können dauerhaft nicht ohne nachhaltige geistig-politische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Extremismus bewahrt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit hat deshalb für den Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt frühzeitiger Prävention einen sehr hohen Stellenwert. In diesem Sinne werden auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus, z.B. Rechtsextremismus und Islamismus durchgeführt. Das Angebot richtet sich an interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen. Kontaktaufnahmen bitte an: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat : Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de Internet: www.verfassungsschutz.rlp.de Neben dem Vortragsangebot informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Aktuell sind folgende Informationsbroschüren erhältlich, die auch über die Internet13 adresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de als Datei im pdf-Format abrufbar sind: - "Verfassungsschutz transparent" - "Rechtsextremistische Skinheads" - "Rechtsextremismus - Nicht mit uns" (Faltblatt) - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus"* - "Spionage - Was geht mich das an?" (Faltblatt) - "Wirtschaftsspionage" - "Proliferation - das geht uns an!" (* : derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) 4. Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Die Landesregierung misst der präventiven und repressiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus eine hervorgehobene Bedeutung bei. Konsequent wurden im Jahr 2006 die vielfältigen Präventions-, Aufklärungsund Bildungsprojekte der einzelnen Ressorts fortgeführt und durch neue Maßnahmen ergänzt. So wurde beispielsweise im Jahr 2006 Schulen in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Kampagne "Wölfe im Schafspelz" ein Themen bezogenes Medienpaket zur Verfügung gestellt, an dessen Erarbeitung auch der Verfassungsschutz maßgeblich beteiligt war. Um die Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus weiter zu verbessern und zu vernetzen, wurde im Jahr 2001 die interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes gegründet. Diese bilanziert und koordiniert laufende Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und entwickelt neue Initiativen. Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Jugendliche können leicht in den Einflussbereich extremistischer Gruppierungen geraten. Aus diesem Grund hat die Landesregierung ein Programm geschaffen, das jungen Menschen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich in erster Linie nicht an 14 Szene bekannte Aktivisten, sondern vor allem an Mitläufer und Sympathisanten. Die kostenlose Hotline-Nummer 0800-4546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" herzustellen. Aber auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und vergleichbaren Initiativen wird im Rahmen der "Elterninitiative gegen Rechts - Hilfen für Eltern von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen" fachliche Beratung und Unterstützung angeboten. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 15 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Die rechtsextremistische Weltanschauung wird nach wie vor von rassistischem, nationalistischem, antisemitischem und demokratiefeindlichem Gedankengut geprägt. Rechtsextremisten treten in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf und versuchen heute mehr denn je in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, sie seien ein Stück "politischer Alltag". Dabei geben sie sich anpassungsfähig. Sie bedienen sich moderner Medien und Kommunikationsmittel, greifen aktuelle Themen auf und geben sich in Sprache und äußerem Erscheinungsbild moderat. An ihrer Menschen verachtenden Weltsicht hat sich aber nichts geändert. Im rechtsextremistischen Parteienspektrum stieg in Rheinland-Pfalz 2006 die Mitgliederzahl der "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) nach 2005 erneut an und folgte damit dem Bundestrend. Die Mitgliederzahlen anderer rechtsextremistischer Parteien waren hingegen rückläufig. Hinsichtlich der Partei "Die Republikaner" (REP) insgesamt liegen derzeit keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine gesonderte Darstellung im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik "Parteien" veranlasst erscheinen lassen. Innerhalb der Partei gibt es jedoch nach wie vor Kräfte, die rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Weder die Neonaziszene, noch das rechtsextremistische Gewaltpotenzial konnten 2006 in Rheinland-Pfalz Zuwächse verzeichnen. Neonazis und rechtsextremistische Skinheads wiesen weiterhin ein hohes Maß an Fluktuation und Mobilität auf. Neonazistische "Kameradschaften" zeigten sich eher als wenig strukturierte, kurzlebige Zusammenschlüsse regionalen Zuschnitts mit einer zahlenmäßig schwer zu bestimmenden Grauzone. 16 Manche Kleinstgruppen suggerierten durch wechselnde Bezeichnungen oder ihre Internetauftritte vermeintliche Größe. Schwerpunkte des Auftretens von Neonazis und neonazistischen Skinheads blieben die Regionen Vorderund Westpfalz. Hingegen waren wesentliche Aktivitäten in den nördlichen Landesteilen nach den umfangreichen Exekutivmaßnahmen gegen die "Kameradschaft Westerwald" nicht mehr feststellbar. Im Landkreis Bad Dürkheim konnte der Versuch der NPD, Immobilien anzukaufen, als Scheingeschäft entlarvt und verhindert werden. Die Partei beabsichtigte, in den angemieteten Objekten Schulungsund Begegnungsstätten einzurichten. Anhaltend intensiv waren die Werbeaktivitäten rechtsextremistischer Gruppen unter Jugendlichen. Dabei wurde die Rolle der Musik wieder nachhaltig unterstrichen. Sie ist "Einstiegsdroge" und Integrationsmittel zugleich. Entsprechend umfangreich ist das Angebot rechtsextremistischer Musikgruppen, die nahezu jede Stilrichtung für ihre Propaganda missbrauchen. Die Skinheadkonzerte haben in Rheinland-Pfalz im Jahre 2006 von zwei (2005) auf fünf wieder zugenommen. Rechtsextremisten nutzten weiter aktuelle Themen, um ihre fremdenfeindliche, nationalistische und antipluralistische Agitation voranzutreiben. Dabei stand wieder das Bemühen im Mittelpunkt, "nationale Identität" einzig auf der Grundlage einer rigiden Ausgrenzung von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu begründen. Schwerpunkte blieben die Sozialund Wirtschaftspolitik sowie die Themen Innere und Äußere Sicherheit. Ihre Polemiken über die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten verbanden sie wiederholt mit antiamerikanischen und antisemitischen Ausfällen. In ihrer Außendarstellung bedienten sich Rechtsextremisten verstärkt eines unverfänglichen Erscheinungsbilds unter vermehrtem Verzicht einschlägig bekannter, provozierender Attribute und Symbole. Intensiver wurde versucht, in den demokratischen Diskurs durch den Besuch von öffentlichen Veranstaltungen und Wortmeldungen ("Wortergreifungsstrategie") einzugreifen. 17 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2006 Bund (2005) Rheinland-Pfalz (2005) Gesamt: 38.600* (39.000*) 1.550* (1.600*) Gewaltbereite: 10.400 (10.400) 100 ( 100) Neonazis: 4.200 ( 4.100) 75** ( 75) Parteien: 21.500 (21.500) 1.350 (1.400) Sonstige: 3.800 ( 4.000) 75 ( 75) Angaben gerundet *ohne Mehrfachmitgliedschaften **davon 50 in "Gewaltbereite" 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2006 liegt in Rheinland-Pfalz bei 558 (2005: 486), davon 426 so genannte Propagandadelikte (2005: 366). Von den 558 Taten waren 310 rechtsextremistisch motiviert (2005: 252). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 24 (2005: 22). In 22 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2005: 19). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2006 zwei jüdische Friedhöfe geschändet (2005: zwei). Übersicht der Gewalttaten mit rechtsextremis2006 2005 tischem Hintergrund: Gesamt: 24 22 Deliktsarten: Körperverletzungen: 22 19 Landfriedensbruch: -- 3 Raub: 1 -- Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: 1 -- 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten1 werden bun- 1 Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die Mehrheit der Täter ist männlich. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 18 desweit etwa 10.400 Personen zugerechnet (2005: ca. 10.400). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in der Bundesrepublik Deutschland. In RheinlandPfalz werden wie in den Vorjahren den gewaltbereiten bzw. gewalttätigen Rechtsextremisten je ca. 50 Skinheads und 50 Neonazis zugeordnet. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads2 Der überwiegende Teil der rechtsextremistischen Skinheads verzichtet weitestgehend auf verbindliche oder feste vereinsähnliche Organisationsstrukturen. Zumeist bestehen cliquenförmige Zusammenschlüsse, die auf regionaler Ebene agieren, ohne dass sie eines straffen organisatorischen Rahmens oder Hierarchien bedürfen. In ihnen spiegelt sich der Charakter einer losen Bewegung wider, wie er für die Skinheads insgesamt typisch ist. Innerhalb dieser Gruppierungen gibt es in der Regel einen "harten Kern" von Personen mit einem stark verdichteten rechtsextremistischen Weltbild sowie ideologisch wenig gefestigte "Mitläufer". Ebenso charakteristisch ist ein hohes Maß an Fluktuation, vor allem im Umfeld solcher Gruppierungen. Gruppenintern prägend sind nicht Hierarchien auf der Basis klarer Aufgabenzuweisungen, sondern persönliche Beziehungsgeflechte und dominante Einzelpersonen. Fundierte, kontinuierliche politische Schulungen bzw. Arbeit finden in weiten Teilen der rechtsextremistischen Skinheadszene eher nicht statt. Vielmehr steht die aktionsorientierte Freizeitgestaltung im Vordergrund (z.B. Szenefeiern, Konzerte etc.). In ideologischer Hinsicht bedient sich die strukturarme Skinhead-Bewegung zumeist nur recht oberflächlicher, plakativ verkürzter Formeln, die sich eng an das Gedankengut der Neonaziszene anlehnen. Dabei spielen vor allem Symbole und ideologische Bruchstücke aus der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft eine Rolle. Ein tiefer gehender politischer Diskurs findet in der Regel nicht statt. Gegenüber den rechtsextremistischen Parteien bleibt die Skinheadszene 2 Vgl. Broschüre "Rechtsextremistische Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Dezember 2006), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz angefordert werden kann. 19 weiterhin auf Distanz. Lediglich die NPD stößt auf einen geringen Grad der Akzeptanz, weil sich die Partei gegenüber dem neonazistischen und gewaltbereiten Spektrum geöffnet hat. Besonders deutlich wird die punktuelle Verbindung von NPD und der rechtsextremistischen Skinheadszene bei Parteiveranstaltungen mit musikalischer Umrahmung und bei Demonstrationen. Es gelang der NPD jedoch nicht, aus den Reihen der Skinheads eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern zu rekrutieren und dauerhaft in ihre politische Arbeit einzubinden. In Rheinland-Pfalz ist bislang lediglich bei der Organisation und Durchführung von Demonstrationen auf regionaler Ebene ein Zusammenwirken von Skinheads, Neonazis und der NPD zu beobachten. Teile der rechtsextremistischen Skinheadbewegung haben ihr typisches Erscheinungsbild abgelegt. Modische Kleidung, Piercings und Turnschuhe ersetzen Glatze, Stiefel und Bomberjacken. Diese Entwicklung geht u.a. auf den Einfluss anderer subkultureller Strömungen wie z.B. der weitgehend unpolitischen "Hardcore"Szene zurück. Die Szenezugehörigkeit lässt sich oftmals nur noch an symbolträchtigen Kleidungsstücken bestimmter Marken oder Firmen erkennen. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz, von denen ein Teil in den so genannten Kameradschaften organisiert ist, können eindeutig als neonazistisch eingestuft werden. Diese treten überwiegend in der Vorderpfalz sowie im Raum Zweibrücken/Westpfalz in Erscheinung. In Folge umfangreicher Exekutivmaßnahmen gegen die ehemalige "Kameradschaft Westerwald" kamen die Aktivitäten im Raum Koblenz/Westerwald nahezu zum Erliegen. Skinheadmusik Skinheadmusik und Konzerte sind die entscheidenden Elemente für Identifikation und Zusammenhalt innerhalb der rechtsextremistischen Skinheadszene und wirken als Aggressionsfaktor. Die Musik dient zudem als 20 wichtiges Medium für rechtsextremistisches Gedankengut. Sie kann zum Einstieg bislang unpolitischer Jugendlicher in die rechtsextremistische Szene beitragen (Stichwort: "Einstiegsdroge"). Auch die NPD hat die Wirkung der rechtsextremistischen Musik auf junge Menschen erkannt und macht sie zu einem Bestandteil ihrer Parteiarbeit. Skinheadkonzerte eröffnen dabei die Möglichkeit, sich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und auszubauen. Sie fördern damit die Entstehung und Festigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher. Auf Konzerten werden Informationen ausgetauscht sowie verbotene CDs und szenetypische Utensilien zum Kauf angeboten. Die Skinheadmusik entfaltet ihre Wirkung aber auch jenseits der Konzertsäle, so ist es heute ohne größere Probleme möglich, einschlägige Titel aus dem Internet herunter zu laden. Skinheadbands propagieren und verarbeiten in ihren Liedtexten rechtsextremistisches Gedankengut. Die rassistischen und volksverhetzenden Botschaften richten sich gegen typische Feindbilder wie Ausländer, Juden oder sonstige nicht der "nordischen Rasse" angehörenden Personen. Der Musikgeschmack der Szene umfasst zunehmend Stilrichtungen der Rockmusik, wie zum Beispiel "Hardcore" (die rechtsextremistische Szene bezeichnet diese Stilrichtung wegen der Texte auch als "Hatecore", englisch Hate = Hass). Daneben findet auch die "Black Metal"-Musik Beachtung, die sich u.a. mit Okkultismus (z.B. Satansverehrung) auseinandersetzt und Gewalt verherrlicht. In Rheinland-Pfalz ist eine aktive Skinheadband bekannt. 21 Skinheadkonzerte werden in aller Regel von Angehörigen ortsansässiger Gruppierungen organisiert. Man bemüht sich, Konzerte in Räumlichkeiten durchzuführen, die im Eigentum oder Besitz von der Szene nahe stehenden Personen sind. Damit soll verhindert werden, dass die Veranstaltungen nicht noch kurz vor Beginn wegen Kündigung von Mietverträgen abgesagt werden müssen. Die Veranstaltungstermine werden selten öffentlich bekannt gegeben und meist als "Geburtstagsfeiern, Verlobungsfeiern etc." verschleiert. Die Mobilisierung erfolgt aus Angst, die Polizei könnte die Konzerte verhindern, per SMS, E-Mail, über Maillisten im Internet oder mündlich. Dabei werden lediglich Treffpunkte - teilweise im benachbarten Ausland - genannt, von denen aus die Teilnehmer dann per SMS sukzessive zu den eigentlichen Veranstaltungsorten gelotst werden. Bis kurz vor Beginn der Konzerte kennen nur wenige Szeneangehörige die Veranstaltungsorte. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in Deutschland war 2006 leicht rückläufig (2005: 193). In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtszeitraum fünf Skinheadkonzerte (2005: 2) sowie ein Balladenabend durchgeführt, von denen drei Veranstaltungen durch die Polizei aufgelöst werden konnten: Datum Ort Art der TeilPolizeiliche Veranstaltung nehmer Maßnahmen 16.04.2006 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 100 Personen(Landkreis überprüfungen Bad Dürkheim) 27.05.2006 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 150 Personen-und Fahrzeugüberprüfungen 09.06.2006 Kirchheim Skinheadkonzert ca. 75 aufgelöst 30.09.2006 Stromberg Skinheadkonzert ca. 90 wurde erst (Landkreis nachträglich Bad Kreuznach) bekannt 11.11.2006 Ober-Flörsheim Skinheadkonzert ca. 110 aufgelöst (Landkreis Alzey-Worms) 24.11.2006 Altleiningen Balladenabend ca. 85 aufgelöst (Landkreis Bad Dürkheim) 22 Darüber hinaus fanden wiederum so genannte Skinheadpartys im kleinen Kreis statt, bei denen keine rechtsextremistischen Skinheadbands auftraten. Trotz zahlreicher gezielter Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden findet nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen weiterhin ein reger Austausch und Handel mit einschlägigem Musikmaterial statt. Eine geplante Propagandaaktion unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof"3, konnte bislang allerdings weitgehend verhindert werden. Diesem Projekt lag die Idee zugrunde, 50.000 Exemplare des 2004 produzierten Samplers "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" kostenlos über Szeneangehörige flächendeckend im gesamten Bundesgebiet - insbesondere an Schulen - zu verteilen, um die rechtsextremistische Ideologie an Schüler heranzutragen und deren Interesse für die rechtsextremistische Szene zu wecken. Das Landgericht Stendal/Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2005 die Anklage gegen den Aufraggeber der "Schulhof-CD" zugelassen und damit den anders lautenden Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 25. August 2005 aufgehoben. In der Begründung führte das Gericht aus, dass die Inhalte des Tonträgers den Verdacht der schweren Jugendgefährdung begründen. Der bundesweite Beschlagnahmebeschluss blieb bestehen. Das Oberlandesgericht Naumburg/Sachsen-Anhalt hat das Urteil des Landgerichts Stendal vom 8. Februar 2006 am 11. Oktober 2006 aufgehoben. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts Stendal von einem schwer jugendgefährdenden Inhalt mehrerer Lieder der vorgenannten "Schulhof-CD" auszugehen ist. Das Verfahren wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Stendal zurückverwiesen. Das Stuttgarter Landgericht verurteilte am 22. November 2006 vier Mitglieder der überregional bekannten rechtsextremistischen Skinheadband 3 Nicht identisch mit der "Schulhof-CD" der NPD. 23 "Race War" aus Baden-Württemberg u.a. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung zu Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten auf Bewährung. Skinhead-"Fanzines" "Fanzines" (abgeleitet vom englischen Begriff "fan magazin") dienen neben der Musik der Kommunikation, Werbung und des Zusammenhalts der rechtsextremistischen Skinheadszene. Diese Szenepublikationen sind weitgehend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen. Sie enthalten vordringlich Interviews mit rechtsextremistischen Skinheadgruppen und Liedermachern, Konzertberichte aus der Szene sowie Werbung für einschlägige Tonträger, Szeneartikel oder für andere "Fanzines". Herausgeber sind oft Mitglieder aus der Skinheadszene. Die Publikationen haben zumeist einen regionalen Verteilerkreis und werden über Szeneläden, auf Konzerten oder von Hand zu Hand in Umlauf gebracht. Parallel zur Heftform hat auch in diesem Bereich die Nutzung des Internets an Bedeutung gewonnen. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahre 2006 mehrere Ausgaben des Fanzines "Nordwind" bekannt. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Das neonazistische Weltbild basiert auf Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass. Die Neonazis streben u.a. einen autoritären nationalsozialistischen Führerstaat an, der dem Programm der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) entspricht. Sie beziehen sich dabei auf das "antikapitalistische" 25-Punkte-Programm der NSDAP aus dem Jahre 1920 sowie auf Hitlers programmatische Schrift "Mein Kampf". Zur Durchsetzung dieser Bestrebungen schrecken Teile der Szene auch vor massiver Gewaltanwendung nicht zurück, ohne sich jedoch dabei offen zu ihrer Ideologie zu bekennen. Die bundesdeutsche Neonaziszene ist im Jahr 2006 auf 4.200 Aktivisten (2005: 4.100) leicht angestiegen. Die Zahl der in Rheinland-Pfalz überwiegend organisierten Neonazis beträgt nach wie vor 75, von denen ca. 50 als gewalttätig eingestuft werden können. In der Öffentlichkeit traten Angehörige der rheinland-pfälzischen Neonaziszene im wesentlichen nur 24 bei Demonstrationen in Erscheinung. Ansonsten fanden überwiegend interne Treffen statt. Der jährliche "Heß-Gedenkmarsch" gehört zu den Großereignissen der rechtsextremistischen, insbesondere der neonazistischen Szene. Nachdem das Bundesverfassungsgericht - wie bereits 2005 - das Verbot (SS 130 Abs. 4 StGB) der zentralen Heß-Kundgebung in Wunsiedel bestätigt hatte, kam es erneut zu mehreren kleinen Ersatzdemonstrationen. An zehn Ersatzveranstaltungen um den Todestag von Rudolf Heß beteiligten sich insgesamt ca. 1.200 Rechtsextremisten (2005: ca. 2.000). Schwerpunkte der Aufmärsche waren im Berichtszeitraum Jena mit 480 und Berlin mit 250 Teilnehmern. In München fanden sowohl am 17. August 2006 - dem Todestag von Heß - als auch am 19. August 2006 Kundgebungen statt, zu denen insgesamt ca. 200 Rechtsextremisten erschienen waren. Zur Umgehung eines Verbotes wählten die Veranstalter überwiegend Themen, die nur einen indirekten Bezug zu Rudolf Heß aufwiesen. So nahmen sie inhaltlich zumeist Bezug auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit, um damit gegen die Verbotsnorm der zentralen Gedenkkundgebung zu protestieren. Rund 4.600 Personen protestierten in verschiedenen Städten gegen die rechtsextremistischen Aufmärsche. In Rheinland-Pfalz wurden von einem Aktivisten der rechtsextremistischen Szene für den 19. August 2006 zwei Veranstaltungen angemeldet. Unter dem Motto "Meinungsfreiheit erkämpfen - Koste es was es wolle" erwartete der Veranstalter in Grünstadt (Landkreis Bad Dürkheim) ca. 500 Teilnehmer. Zu dem im Anschluss geplanten so genannten Totengedenken unter dem Motto "Märtyrer der Bewegung - Helden für Deutschland!" in Kirchheim (Landkreis Bad Dürkheim) wurden 300 Teilnehmer erwartet. Die zuständigen Behörden verboten beide Aufzüge. Rechtsextremisten waren nicht vor Ort. In mehreren Bundesländern - so auch in Rheinland-Pfalz - kam es zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Heßplakaten und -aufklebern. Sollte das auf einer Gesetzesänderung des SS 130 StGB beruhende Verbot einer zentralen Heß-Gedenkveranstaltung gerichtlichen Bestand haben, muss künftig weiterhin mit Ersatzveranstaltungen gerechnet werden. 25 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist der mitgliederstärkste Zusammenschluss deutscher Neonazis und die einzige neonazistische Vereinigung mit bundesweiter Relevanz. 1. Vorsitzende ist nach wie vor Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim.4 Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden Aktivisten der HNG. Die bundesweit rund 600 Mitglieder zählende Vereinigung versteht sich als Sammelbecken für Personen aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Durch Anzeigen in ihrer Publikation "Nachrichten der HNG" vermittelt sie Briefkontakte zu inhaftierten Gesinnungsgenossen und gibt diesen eine redaktionelle Plattform für eigene Erklärungen. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter "Kameraden" mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Auch im Jahre 2006 gingen - wie in den Vorjahren - von der HNG keine nennenswerten Aktivitäten aus. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene erfolgt weiterhin die Verteilung der Publikation "Nachrichten der HNG". Am 18. März 2006 fand in Dillstädt/Thüringen die turnusgemäße Jahreshauptversammlung mit ca. 200 Teilnehmern ohne jede Außenwirkung statt. 1.5 "Kameradschaften" Nach zahlreichen Vereinsverboten in den neunziger Jahren organisieren sich Neonazis und rechtsextremistische Skinheads zunehmend in 4 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. 26 so genannten Kameradschaften, die in der Regel aus 10 bis 25 Mitgliedern - überwiegend jungen Männern - bestehen. Um Verbote zu erschweren oder unmöglich zu machen, wurden weitgehend Organisationsformen ohne formale Vereinsstrukturen und Mitgliedschaften entwickelt. Diese werden auch als "Freie Kameradschaften" bezeichnet. Um ihre Ungebundenheit zu rechtsextremistischen Parteien zu dokumentieren, bezeichnen sich Mitglieder neonazistischer Kameradschaften häufig auch als so genannte Freie Nationalisten. Als Rekrutierungsfeld der "Kameradschaften" dienen die örtlichen unstrukturierten rechtsextremistischen Szenen. "Kameradschaftsführer" und deren Stellvertreter leiten diese Gruppierungen autoritär. Die Aktivitäten der "Kameradschaften" sind breit gefächert. So genannte Kameradschaftsabende finden etwa in Gaststätten oder in Privatwohnungen statt und haben eher Stammtischcharakter ohne nennenswerte politische Arbeit. Andere Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der politischen Schulung sowie der Planung und Absprache gemeinsamer Aktivitäten, etwa der Teilnahme an regionalen und überregionalen Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Inund Ausland. Um fehlende Strukturen und die weitgehende Zersplitterung der Szene auszugleichen, haben sich zur Koordinierung von gemeinsamen Aktionen - etwa Demonstrationen und Kampagnen - einzelne "Kameradschaften" in so genannte Aktionsbündnisse und Aktionsbüros zusammengeschlossen. Hierzu zählt das nach wie vor aktive "Aktionsbüro Rhein-Neckar" im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim, dem nach eigenen Angaben Vertreter von Organisationen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz angehören. 27 Um den Eindruck mitgliederstarker, vernetzter Organisationen zu erwecken, werden immer wieder "Homepages" so genannter Kameradschaften als Unterstützer von "Aktionsbündnissen" bzw. "-büros" im Internet festgestellt, deren Präsenz sich lediglich auf eine eingerichtete Internetseite beschränkt. Kameradschaftsmitglieder und/oder Organisationsstrukturen können diesen, meist nur kurzfristig bestehenden virtuellen Darstellungen nicht zugeordnet werden. In Rheinland-Pfalz entwickelten 2006 lediglich der "Nationale Widerstand Zweibrücken" nennenswerte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Nach der Anklageerhebung im August und Dezember 2006 gegen 23 frühere mutmaßliche Mitglieder der ehemaligen "Kameradschaft Westerwald" kamen die Aktivitäten dieser Gruppierung vollständig zum Erliegen.5 "Nationaler Widerstand Zweibrücken" Seit über vier Jahren ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus dem näheren Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Veranstaltungen organisiert die Gruppe auch öffentliche Aktionen. An der am 14. März 2006 vom "Nationalen Widerstand Zweibrücken" durchgeführten Mahnwache anlässlich der Bombardierung von Zweibrücken vor 60 Jahren nahmen etwa 10 Personen teil. Die Veranstaltung verlief ohne besonderen Vorkommnisse. Am 8. April 2006 beteiligten sich an einem Aufzug in Zweibrücken 12 "Kameraden". Es wurden zwei Fahnen und ein Transparent sichergestellt. Am 3. Juni 2006 organisierte der "Nationale Widerstand Zweibrücken" in Zweibrücken eine Versammlung mit etwa 25 Personen. Zu Beginn der Veranstaltung wurde ein Transpa- 5 Bereits am 28. und 30. November 2005 sowie am 28. Dezember 2005 wurden drei Mitglieder der ehemaligen "Kameradschaft Westerwald" zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren, weitere 13 zu Bewährungsund Geldstrafen verurteilt. Das Landgericht Koblenz hatte es als erwiesen angesehen, dass es sich bei der "Kameradschaft" um eine kriminelle Vereinigung handelte, die die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel hatte. 28 rent mit der Aufschrift "Zweibrücken - Pfalz - frei - sozial - und national" aufgerollt. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Anlässlich des "Aktionstages gegen Rechts" am 14. Juli 2006 in Zweibrücken führte der "Nationale Widerstand Zweibrücken" einen Aufzug mit sieben Personen durch. Es kam zu keinen Zwischenfällen. Am 9. und 30. September 2006 betrieben 11 bzw. fünf Personen des "Nationalen Widerstandes Zweibrücken" in Zweibrücken ohne besonderen Vorkommnisse Info-Stände mit Musikbegleitung. Unter dem Motto "Gegen staatliche Repression und linke Veranstaltungen in Zweibrücken und anderswo!" demonstrierten am 2. Dezember 2006 ca. 50 Rechtsextremisten in Zweibrücken. Angemeldet hatte die Demonstration der "Nationale Widerstand Zweibrücken". Mehr als 200 Personen hatten mit dem Slogan "Unsere Stadt ist bunt und nicht braun" eine Gegendemonstration organisiert. Die Veranstaltungen verliefen ohne Zwischenfälle. "Nationale Sozialisten Mainz-Bingen" Im Juni 2006 wurden erstmals Aufkleber der "Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen" im Stadtgebiet von Mainz festgestellt. Ebenfalls seit Juni 2006 besteht eine eigene Internetpräsenz. Nach eigenen Angaben handelt es sich um ein "Informationsportal über und für freie Nationalisten aus der Region Mainz, Kreuznach und Bingen". Mit dem Slogan "Wir wollen Dich! Tritt ein in den Widerstand!" wird um Mitglieder geworben. Domaininhaber ist ein bekannter Neonazi und NPD-Funktionär. Kameradschaftsmitglieder und/oder Organisationsstrukturen können dieser bislang virtuellen Gruppierung nicht zugeordnet werden. In den bisherigen Internetbeiträgen wurde über Aktivitäten der regionalen rechtsextremistischen Szene berichtet sowie auf vorhandene Aufkleber u.a. mit den Texten "Gegen Ausländer-Ghettos", "Kriegsverbrecher USA", "Umweltschutz = Heimatschutz" und "Scheiß auf Multikulti" hingewiesen. 29 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Mitglieder (Bund): ca. 7.000 (2005: ca. 6.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 300 (2005: über 250) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 12 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" monatliche Auflage: 21.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die NPD ist eine unverhohlen nationalistische Partei und zählt im rechtsextremistischen Spektrum zu den aggressivsten Organisationen. Ihre Agitation und Programmatik sind fremdenfeindlich, antisemitisch, revisionistisch und auf die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats angelegt. Teile der Partei stehen der Ideologie des Nationalsozialismus nahe. Dies manifestiert sich auch in der fortschreitenden Integration von Neonazis in die Partei. Der NPD gelang in Mecklenburg-Vorpommern am 17. September 2006 nach Sachsen im Jahr 2004 erneut der Einzug in ein Landesparlament. Zu den zentralen Themen der NPD gehören die Sozial-, Wirtschafts-, Ausländerund Sicherheitspolitik. Die Partei greift Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Angst vor Globalisierung und Kriminalität auf und propagiert als umfassende Lösung die Wiederherstellung der "deutschen Volksgemeinschaft".6 "Grundlage des Staates ist das Volk, Grundlage unseres Volkes ist die Familie ... ohne gesunde Familien gibt es kein gesundes Volk". Kindergeld als "volkspolitische Maßnahme darf nur an deutsche Familien ausgezahlt werden".7 Die Analyse des Parteiprogramms sowie des Akti- 6 "Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland", S. 10 ff. 7 Parteiprogramm der NPD 30 onsprogramms der NPD offenbart, dass die angestrebte Gemeinschaftsordnung in der demokratiefeindlichen Tradition des Nationalsozialismus steht. Indem Jürgen GANSEL, NPD-Parteivorstandsmitglied, das Volk als "gewachsene Lebensund Solidargemeinschaft" beschreibt, "in der das "Freiheitsbedürfnis des Einzelnen mit dem Ordnungsbedürfnis des Ganzen in Einklang gebracht werde"8, greift er auf die ideologische Grundlage des Nationalsozialismus zurück, die mit der bekannten Formel "Du bist nichts, Dein Volk ist alles" umschrieben werden kann. Die NPD fordert deshalb "das Volk im Grundgesetz als schützenswertes Objekt zu definieren, das Rechtspersönlichkeit besitzt." "Die Würde und die Existenzsicherung des deutschen Volkes sind im Grundgesetz als wesentliches Staatsziel festzuschreiben. Bestimmte Verstöße gegen dieses Staatsziel sind zur Straftat zu erklären."9 Das von der NPD vertretene Gemeinschaftsmodell steht im krassen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Nicht die Würde des Menschen und die unveräußerlichen Menschenrechte sollen den Staat verpflichten, sondern "das deutsche Volk als Grundlage der deutschen Volksgemeinschaft". Dahinter verbirgt sich das Streben nach einer totalitären "Volksherrschaft", in der Andersdenkende, Ausländer und Minderheiten ausgegrenzt werden. Die NPD benennt in einem Aktionsprogramm die Maßnahmen ihrer so genannten Gemeinschaftspolitik; deren Umsetzung würde das Recht brechen und Deutschland in die Isolation und Diktatur führen: "Rückführung der Ausländer in ihre Heimat, Ausländer dürfen kein Eigentum an Grund und Boden in Deutschland erwerben, Ausländer sind aus 8 Erklärung von GANSEL zur "Dresdner Schule" vom 03.Mai 2005, Homepage NPD-Sachsen 9 "Aktionsprogramm der NPD für ein besseres Deutschland", S. 48 31 dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern." In wirtschaftspolitischer Hinsicht soll "die Herrschaft des Kapitals und der Spekulanten" durch eine so genannte raumorientierte Wirtschaft (Abschottung und Kontrolle der Märkte) ersetzt werden. Grund und Boden sollen im Eigentum des deutschen Volkes stehen und die Wirtschaft dem Volk dienen. In der politischen Auseinandersetzung tritt die NPD unverändert rassistisch und fremdenfeindlich auf. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger werden systematisch herabgewürdigt und als Verursacher aller gesellschaftspolitischen Probleme diffamiert. In einer Argumentationshilfe für NPD-Funktionäre finden sich zu dem Thema "Ausländerrückführung und Mischlinge" menschenverachtende Ausführungen, die in ihrer Diktion an die Zeiten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern: "Rückzuführen sind vor allem die Nicht-Europäer. Die Mischlinge, die deutsch-nichteuropäischen Beziehungen entstammen, werden das sich renationalisierende Deutschland über kurz oder lang freiwillig verlassen, weil ihnen der nationale Klimawandel nicht passt. Sie werden sich Heimatländer suchen, in denen es keine einheitliche Volkssubstanz gibt, in denen die Durchrassung unumkehrbar ist, wo der ethnokulturell kastrierte Einheitsmensch ohne Identität und Heimat wie Unkraut gedeiht."10 Anlässlich des Konflikts um die Muhammad-Karikaturen reagierte die NPD mit der Frage, "wann die hier lebenden Moslems wohl gegen ihnen nicht genehme Institutionen vorgehen werden". Schwelende Rassenund Religionskonflikte würden "immer häufiger und in immer kürzeren Intervallen aufflammen. Diesen Konflikten könnte nur durch eine "konsequente ethnische Separation" die Grundlage entzogen werden".11 Ebenso charakteristisch für die NPD ist ihr Antisemitismus. Beispielhaft ist die folgende Aussage des NPD-Abgeordneten GANSEL im sächsischen 10 "Argumente für Kandidaten und Funktionsträger", NPD-Parteivorstand 2006, S. 9 11 Homepage der NPD Baden-Württemberg vom 08.02.2006 32 Landtag aus dem Januar 2006: "Es dürfe niemand überraschen, dass die NPD den steuerfinanzierten Sühnetourismus nach Auschwitz ablehnt. (...) Durch den Einsatz der Auschwitzkeule sollen die Deutschen in eine Schuldknechtschaft gezwungen werden, die es inund ausländischen Kreisen ermöglicht, die Deutschen moralisch zu demütigen und politisch zu verfolgen. Die NPD will den Deutschen klar machen, dass sie sich 61 Jahre nach Kriegsende endlich des Büßerhemdes und der Narrenkappe zu entledigen haben. Der Fahrkartenschalter nach Canossa ist unwiderruflich geschlossen!" In weiten Teilen der NPD wird das NS-System verharmlost oder mit Sympathie betrachtet. Der ehemalige sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Klaus MENZEL erklärte in Fernsehinterviews und am Rande des Bundesparteitages im November 2006, dass er den "Führer" nach wie vor für einen großen Staatsmann halte. Am 16. November wurde er von der Sitzung des sächsischen Landtags ausgeschlossen, weil er sich auch hier zu Adolf Hitler bekannt hatte. Die NPD fordert in ihrem Parteiprogramm die Wiederherstellung Deutschlands in seinen "geschichtlich gewachsenen Grenzen" und die Wiedereinführung der Todesstrafe für bestimmte Straftaten. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sollte von der NPD propagandistisch missbraucht werden. In einem "WM-Planer" wurde ein deutscher Nationalspieler afrikanischer Herkunft mit der Bemerkung "Weiß ist nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte Nationalmannschaft!" in rassistischer Art und Weise verunglimpft. Die Verteilung wurde gerichtlich untersagt. Ein danach veröffentlichter zweiter "WM-Planer", auf dem die Trikotnummer und die Anzahl der dargestellten Spieler die Nähe des Verfassers zum Nationalsozialismus erkennen ließ, wurde ebenfalls durch Gerichtsbeschluss eingezogen.12 Die NPD vertritt amerikaund europafeindliche Positionen. In einer Rede zum Jahreskongress des "Deutsche Stimme-Verlags" im Juni 2006 in Bayreuth sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Holger APFEL, dass "die wahren Terroristen des 21. Jahrhunderts nicht in Bagdad oder 12 Es handelt sich um den in der Szene gebräuchlichen alphabetischen Zahlencode "88" ("Heil Hitler"). 33 Teheran sitzen, sondern in Washington und in New York. Dort laufen die Fäden der kapitalistischen Völkerunterdrückung und Globalisierung zusammen". Der Kongress stand unter dem Motto: "4. Freiheitlicher Kongress - Von Nürnberg bis Bagdad: Völkerrecht statt Siegeswillkür". Die Europäische Union wird mit einer Diktatur gleichgesetzt. Im September 2006 gründete die NPD in Sachsen-Anhalt den "Ring Nationaler Frauen" (RNF). Ziel sei es, "auf die Anliegen weiblicher Nationalistinnen aufmerksam zu machen, den Klischees in den Medien entgegen zu wirken und als Sprachrohr der nationalen Frauen nach innen und außen zu dienen". Das Frauenbild der NPD weckt Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus. Die NPD betrachtet die Familie als Fundament des "völkischen Gemeinschaftslebens". Keine Mutter sollte deshalb außerhäuslich arbeiten müssen. Ihr gebühre ein nach Anzahl der Kinder gestaffeltes Müttergehalt. In Rheinland-Pfalz sind derzeit keine Organisationsstrukturen des RNF bekannt. Strategie Die NPD ist bestrebt, ihren Bekanntheitsgrad auszubauen und weitere Mitglieder zu gewinnen. Der Partei gehören bundesweit knapp 7.000 Mitglieder an, etwa 1.000 mehr als im Jahr 2005. Ihr Ziel ist der Einzug in den Bundestag. Die Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind durch besondere gesellschaftliche Bedingungen und in einem Taktikwandel bedingt. Die NPD schürt geschickt in der Bevölkerung latent vorhandene Ängste vor Arbeitsplatzverlust und Globalisierung. Gemeinsam mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) und parteiungebunden Kräften ist es der Partei gelungen, eine "Volksfront der Nationalen" zu etablieren und Wählerstimmen zu bündeln.13 Mit Ausnahme eines Teils der Neonazis, Skinheads und so genannter Nationalrevolutionäre auf der einen Seite und der 13 Die NPD hielt 2006 an ihrer Bündnispolitik fest. Auf dem NPD-Bundesparteitag im November 2006 in Berlin wurde die Fortsetzung des mit der DVU im Juni 2004 geschlossenen "Deutschland-Paktes" bekräftigt. Die beiden Parteien wollen vorläufig bis 2009 bei Wahlen nicht gegeneinander antreten. 34 Partei "Die Republikaner" auf der anderen befindet sich ein weites Spektrum des deutschen Rechtsextremismus im Einflussbereich der NPD.14 In Wahlkämpfen wird die NPD von Neonazis unterstützt und stellt dafür Listenplätze zur Verfügung. Unter dem Parteivorsitzenden Udo VOIGT hat die NPD ihren Kurs in Richtung einer nationalistischen, sozialrevolutionären und antikapitalistischen Partei fortgesetzt. Ihr auf Aktionismus angelegter Politikstil zielt auf Resonanz in der Öffentlichkeit und in den Medien und soll insbesondere junge Menschen ansprechen. Die NPD weist mittlerweile das niedrigste Durchschnittsalter aller Parteien auf. Es werden Themen wie Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Gesetzgebung aufgegriffen und die Furcht vor Kriminalität instrumentalisiert. Ausgangspunkt der Propaganda ist oftmals die Gemeindeund Kreisebene. Die NPD versucht durch regionale Verankerung den Einzug in weitere Parlamente vorzubereiten und setzt dabei auf lokale Akzeptanz. Sie will im Außenverhältnis nicht als ewig gestrig wahrgenommen oder mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, sondern als "demokratische Partei", die sich um die Bedürfnisse der einfachen Menschen sorgt. Deshalb bemüht sie sich, insbesondere in Ostdeutschland, Teil des Alltagsgeschehens und der Gesellschaft zu werden, indem ihre Funktionäre etwa in die örtlichen Vereine eintreten und 14 In ihrem Bemühen, die REP in die Volksfront-Strategie einzubinden, scheiterte die NPD. Ein Appell ihres Parteivorstandes VOIGT blieb bei den REP ohne Resonanz. Der REP-Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER wandte sich nach seiner Wiederwahl im Dezember 2006 in Höchstadt/Bayern gegen jegliche Absprachen oder Kooperation mit der NPD. "Wer für die NPD eintrete, solle seinen Weg außerhalb der REP fortsetzen", so SCHLIERER. Auch der REP-Landesverband Rheinland-Pfalz begrüßte die Abgrenzung von der NPD und so genannten Freien Kameradschaften. 35 sich dort engagieren, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger beraten, Freizeiten und Hausaufgabenbetreuung für Jugendliche anbieten und über das Medium Musik das Erlebnisbedürfnis Jugendlicher oder Heranwachsender befriedigen. In der Kommunikation mit den Wählerinnen und Wählern tritt die NPD offen auf, vermeidet grundsätzlich eine eindeutig entlarvende Sprache und Symbolik und ist tagespolitisch aktuell. In öffentlichen Veranstaltungen ergreifen ihre Mitglieder das Wort. Die NPD möchte Bürgerinnen und Bürger, die bislang rechtsextremistischen Positionen ablehnend gegenüber standen, durch persönliche Kontakte zu der Ansicht verleiten, "die sind gar nicht so schlimm, die kümmern sich wenigstens um uns". Der alte Rechts-links-Gegensatz soll so in einen sozialrevolutionären Kampf "unten gegen oben" überführt werden. Entwicklung Auf dem Bundesparteitag im November 2006 in Berlin wurde der Parteivorsitzende Udo VOIGT mit 95,2 % in seinem Amt bestätigt und konnte damit seine Stellung in der Partei weiter festigen. Erstmals wurde der frühere JN-Bundesvorsitzende Sascha ROSSMÜLLER in das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Holger APFEL und Peter MARX, der rheinland-pfälzische NPD-Vorsitzende, wurden in diesen Ämtern bestätigt. Bei der Stellvertreterwahl scheiterte der erst vor kurzem in die Partei eingetretene Neonazi und Rechtsanwalt Jürgen RIEGER, der jedoch als Beisitzer dem neu gebildeten Bundesvorstand angehört. Bei der Bundesvorstandssitzung im November 2006 in Sachsen wurden außer RIEGER die Neonazis Thomas WULFF und Thorsten HEISE in das Parteipräsidium gewählt. Manfred BÖRM wurde als Leiter des Ordnungsdienstes in den Parteivorstand aufgenommen. Mit der Wahl dieser Neonazis in den Bundesvorstand hat sich deren Einfluss in der Partei weiter verstärkt. Die NPD hat für den Bundestagswahlkampf 2005 und die Landtagswahlkämpfe 2006 nach eigener Aussage mehr als 600.000 Euro ausgegeben. Nach der Rückforderung von 870.000 Euro aus der Parteienfinanzierung 36 durch die Bundestagsverwaltung wegen zu Unrecht erhaltener Zuschüsse stand die Partei Ende 2006 vor dem finanziellen Ruin. Parteiangestellte mussten entlassen werden und es wurde zu Spenden aufgerufen. Die NPD ist weiterhin bestrebt, ihre Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen im Ausland zu vertiefen. An dem Jahreskongress des "Deutsche Stimme Verlags" im Juni 2006 in Bayreuth nahmen Gäste der "British National Party" aus Großbritannien und der "Fiamma Tricolore" aus Italien teil. Das am 5. August 2006 in Dresden veranstaltete "Deutsche Stimme Pressefest" mit mehr als 7.000 Teilnehmern aus dem Inund Ausland wurde auch von Mitgliedern und Sympathisanten rechtsextremistischer Organisationen aus Finnland, Schweden, Frankreich, Großbritannien, Griechenland und den Niederlanden besucht. Als Redner traten die Vorsitzenden der spanischen "Falange" und der Generalsekretär der "Patriotischen Allianz" aus Griechenland auf. Die NPD unterhält seit vielen Jahren Kontakte zu hochrangigen Falange-Funktionären und nahm im November 2006 wieder mit einer Delegation an der Gedenkveranstaltung für den 1975 verstorbenen spanischen Diktator Francisco Franco und den Falange-Gründer Jose Antonio Prima de Rivera teil. NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz Unter der Leitung des seit Februar 2005 amtierenden Vorsitzenden Peter MARX erfuhr der rheinland-pfälzische Landesverband einen personellen Aufschwung. Die Mitgliederzahl lag Ende 2006 bei ca. 300 Personen, das sind rund 50 mehr als 2005. Annähernd 50 % der Mitglieder sind jünger als 30 Jahre; der Frauenanteil liegt bezogen auf die Gesamtmitgliederzahl bei etwa 15 %. Die Anzahl der Kreisverbände erhöhte sich von neun auf 12 (neu: Ahrweiler, Deutsche Weinstraße, Mainz-Bingen). Zu den vergleichsweise aktivsten zählten die Kreisverbände Mainz-Bingen und Vorderpfalz. Vier Kreisverbände stehen unter der Leitung von Neonazis, die in die NPD eingetreten sind. Insbesondere der Kreisverband Vorderpfalz unterhält enge Verbindungen zu dem neonazistischen "Aktionsbüro Rhein-Neckar". Zudem bedienen sich einzelne Kreisverbände der Mithilfe von Neonazis bei der Durchführung regionaler öffentlicher Aktionen wie Infostände oder Demonstrationen. 37 MARX wurde wiederholt vorgeworfen, wegen seiner Funktionen als stellvertretender Bundesvorsitzender und Generalsekretär im Bundesvorstand sowie seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der NPD-Landtagsfraktionen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, sich nicht mehr ausreichend um die Belange seines Landesverbandes zu kümmern. Dennoch wurde er auf dem Landesparteitag am 3. Dezember 2006 in Morbach/Gonzerath (Kreis Bernkastel-Kues) in seinem Amt bestätigt. Zu seinen Stellvertretern wurden der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Trier, Safet BABIC, der Landesgeschäftsführer Sascha WAGNER und Dörthe ARMSTROFF gewählt. Die Aktivitäten des Landesverbandes standen im ersten Quartal im Zeichen des Wahlkampfes zur Landtagswahl am 26. März 2006. Auf der NPD-Homepage wurde bereits der Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag avisiert: "Der neue Siegeszug der NPD macht auch vor der Landeshauptstadt in Rheinland-Pfalz nicht halt. Nun kommt es darauf an, die vorhandene Stimmung zu nutzen und die gesammelten Kräfte auf den Wahlkampf zu konzentrieren". Dementsprechend enttäuscht war die NPD über 1,2% der Zweitstimmen. Ungeachtet dessen bereitet sich die Partei aber schon jetzt intensiv auf die Kommunalwahl 2009 vor. Ihr Ziel ist, Sitze in Kommunalparlamenten quasi als "Sprungbrett" in den Landtag zu erlangen. Damit zeigt sich auch in Rheinland-Pfalz das Bemühen der NPD, im kommunalen Raum verstärkt in Erscheinung zu treten. Zur Verbreiterung seiner Basis strebt der NPD-Landesverband eine dauerhafte lokale Verankerung an. Hierzu dient die Nutzung von Immobilien für Schulungsund Veranstaltungszwecke bzw. für turnusmäßige Treffen von Kreisverbänden. In den Sommermonaten war der Landesverband 38 scheinbar um den Ankauf der ehemaligen Gaststätte "Alte gräflich Leininger Mühle" in Kirchheim im Landkreis Bad Dürkheim bemüht. Die Absicht, das Anwesen als Versammlungsund Schulungsstätte nutzen zu wollen, wurde medienwirksam verkündet und mit dem Eigentümer ein notarieller Kaufvertrag geschlossen. Tatsächlich sollte die Gemeinde aus Angst vor einer Ansiedlung der NPD und den dadurch entstandenen Druck besorgter Bürgerinnen und Bürger zur Ausübung ihres Vorkaufsrechtes veranlasst werden, um anschließend an dem (überhöhten) Verkaufserlös zu partizipieren. Nachdem die Gemeinde auf Empfehlung des Innenministeriums auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet hatte, wurde der Kaufvertrag aufgelöst. Das Anwesen wird mit Billigung des Eigentümers jedoch weiterhin von der NPD und von neonazistischen Gruppierungen genutzt. Weitere Immobilien, die der NPD von den Eigentümern zur Nutzung angeboten wurden, sind eine ehemalige Gaststätte in Altleiningen im Landkreis Bad Dürkheim, die am 22. März 2007 durch Brandstiftung schwer beschädigt wurde und die ehemalige Dorfschule in Morbach/Gonzerath. Die rheinland-pfälzische NPD führte im Jahr 2006 im Wesentlichen folgende Veranstaltungen durch: 17./ Kundgebung in Kaiserslautern gegen die "bestialische Folterpolitik der USA 18.02.2006 im Irak-Krieg". In diesem Zusammenhang wurde auf der NPD-Internetseite gegen den US-Stützpunkt in Ramstein als einer der größten US-Militärstützpunkte polemisiert, "der im Rahmen der weltweiten imperialistischen USRaubkriege ein wichtiger Baustein für die Vorbereitung und Durchführung von US-Kriegsund Folterverbrechen sei". 01.03.2006 "Politischer Aschermittwoch" des NPD-Landesverbandes in Worms. Als Redner traten die Bundesvorstandsmitglieder Udo VOIGT, Thorsten HEISE und Peter MARX mit Schwerpunkt Ausländerpolitik auf. 19.03.2006 Vortragsveranstaltung mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Holger APFEL in Bad Marienberg. Forderung nach einem Abzug der in RheinlandPfalz stationierten amerikanischen Truppen sowie "Null Toleranz" gegenüber Asylbewerbern und kriminellen oder arbeitslosen Ausländern. 01.05.2006 Teilnahme an der zentralen 1. Mai-Demonstration der NPD in Rostock (ca. 1.500 Teilnehmer) sowie an den Demonstrationen des baden-württembergischen "Aktionsbüros Rhein-Neckar" in Heppenheim und in Weinheim (ca. 400 Teilnehmer). 20.05.2006 Als "Weinwanderung" angemeldete Demonstration des NPD-Kreisverbandes Vorderpfalz von Herxheim nach Kirchheim im Landkreis Bad Dürkheim mit ca. 40 Teilnehmern. Motto: "Heimischen Wein schützen. Globalisierung stoppen". 39 16.09.2006 "Zweite nationale Weinwanderung durch die Vorderpfalz" von Freinsheim nach Kirchheim mit ca. 45 Teilnehmern. Im Internet hieß es hierzu: "Freie Nationalisten und NPD beweisen an der Weinstraße vereint, dass wir das sind, was Deutschland bekommen wird". 03.12.2006 NPD-Landesparteitag in Morbach/Gonzerath. Wiederwahl des amtierenden Landesvorsitzenden Peter MARX und Verabschiedung einer vom Kreisverband Trier eingebrachten Resolution zur "volkswirtschaftlich und sicherheitspolitisch bedenklichen Stationierung von US-Streitkräften in Rheinland-Pfalz". 26.12.2006 Mahnwache mit ca. 40 Teilnehmern in Grünstadt unter dem Motto: "Schluss mit dem staatlichen Terror gegen die Nationale Opposition - Deutsche Steuergelder für deutsche Interessen". Anmelder war der NPD-Kreisverband Vorderpfalz. Teilnahme an Wahlen Die NPD beteiligte sich am 26. März 2006 an den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg. In Sachsen-Anhalt verzichtete sie gemäß den mit der DVU getroffenen Absprachen auf eine Wahlbeteiligung. Außerdem nahm sie am 17. September 2006 an der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin teil. Landtagswahl Rheinland-Pfalz Die Landesliste der NPD umfasste 12 Kandidaten. Den Spitzenplatz nahm der Landesvorsitzende Peter MARX ein. Auf vier Listenplätzen fanden sich aus der Neonaziszene stammende NPD-Funktionäre. Die Wahlkampfthemen der NPD hatten einen fremdenfeindliche Tenor: Aussagen wie "Kriminelle Ausländer raus", "Null Toleranz", "Es reicht! Deutschland muss endlich wieder sicher werden!", "Asylanten und kriminelle Ausländer aus Deutschland raus werfen", "US-Besatzer raus aus Deutschland" wurden zahlreich plakatiert. An Infoständen und vor Schulen wurde in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz die bereits aus dem Bundestagswahlkampf 2005 bekannte und nicht verbotene "Schulhof-CD - Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker" gezielt an Jugendliche verteilt. Angehörige neonazistischer "Freier Kameradschaften" unterstützten den Wahlkampf. In Bingen wurden Informationsstände der NPD von politischen Gegnern attackiert. 40 Die NPD erzielte ein Zweitstimmenergebnis von 1,2%. Damit konnte sie zwar ihr Ergebnis der Landtagswahl 2001 um 0,7 % verbessern, verlor jedoch gegenüber der Bundestagswahl im September 2005 wieder 0,1 % ihrer Wähler. Die größten Stimmenanteile erhielt die Partei im Wahlkreis Donnersberg mit 3,0 % (2001: 1,2 %), in Worms mit 2,5 % (2001: 0,6 %) und in Zweibrücken mit 2,3 % (2001: 0,9 %). Die wenigsten Stimmen bekam sie in den Wahlkreisen Mainz I mit 0,4 % (2001: 0,2 %) und Mainz II mit 0,3 % (2001: 0,2 %) sowie im Wahlkreis Trier mit 0,6 % (2001: 0,3 %). In einer Stellungnahme zum Wahlausgang bedauerte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen NPD-Landesverbandes, dass sich die Erwartung, in den Landtag einziehen zu können, nicht erfüllt habe. Die Schuld für das schlechte Abschneiden gab die Partei der "vereinten Medienmacht der Antideutschen" und steigerte sich in die Aussage, "dort wo wir nicht totgeschwiegen wurden, zog man mit erbärmlicher Hetze über uns her". Aus Sicht der "Freien Kameradschaften" verlief der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz eher chaotisch. Für das schlechte Wahlergebnis wurde auch eine mangelhafte Basisarbeit verantwortlich gemacht. Im Hinblick auf die nächsten Wahlen in Rheinland-Pfalz ist der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz bestrebt, die Zahl seiner Kreisverbände zu erweitern, um so bei den Wählern "optimal präsent" zu sein. Die Kommunalwahlen im Jahr 2009 seien das "Sprungbrett" für den Einzug in den Landtag von Rheinland-Pfalz. Landtagswahl Baden-Württemberg Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg wählten 0,7 % (2001: 0,5 %) der Wahlberechtigten mit der Zweitstimme die NPD. Damit blieb die Partei 0,3 % unter dem für den Erhalt der staatlichen Parteienfinanzierung erforderlichen Quorum. Im Vergleich zur Bundestagswahl im September 2005 büßte sie 0,4 % ihrer Wählerstimmen ein. Der Parteivorsitzende Udo VOIGT führte das enttäuschende Abschneiden in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg vor allem auf die "mangelnde kommunale Verankerung vor Ort und fehlende Direktkandidaten" zurück. Weder sei es gelungen, das Wählerpotential der NPD auszuschöpfen, noch habe man die Zahl der Nichtwähler für die Partei aktivieren können. 41 Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern Die NPD erzielte bei der Landtagswahl am 17. September 2006 in Mecklenburg-Vorpommern ein Zweitstimmenergebnis von 7,3 % (2001: 0,8 %) und erhielt sechs Landtagsmandate. Zwei NPD-Abgeordnete kommen aus der Neonaziszene. Der Wahlkampf wurde mittels Plakataktionen, der Verteilung von Wahlsonderzeitungen, Flugschriften und einer Neuauflage der aus vorausgegangenen Wahlkämpfen bekannten NPD-Schulhof-CD bestritten. Aber auch der persönliche Einsatz von NPD-Aktivisten/Funktionären nahm breiten Raum ein. Ziele der Wahlkampfaktivitäten waren insbesondere der "kleine Mann" und die Jugend. Die Partei stellte soziale Themen wie Arbeit und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund. Sie agitierte verstärkt in den Regionen, in denen sie sich aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Lage Erfolge versprach. NPD-Mitglieder und -Anhänger aus dem neonazistischen Spektrum aus Rheinland-Pfalz unterstützten den Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Landtagswahl Berlin Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17. September 2006 erhielt die NPD 2,6 % der Zweitstimmen (2001: 0,9 %). Bei den am gleichen Tag durchgeführten Wahlen zur Berliner Bezirksverordnetenversammlung gelang der Partei der Einzug in vier Bezirksparlamente. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Dresden Mitglieder (Bund): 350 (2005: weniger als 300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: weniger als 20 (2005: weniger als 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: derzeit keine Organisationsstrukturen Publikationen: nur regional; in Rheinland-Pfalz keine eigenen Publikationen 42 Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Der JN-Bundesvorsitzende Stefan ROCHOW ist Kraft seines Amtes zugleich Mitglied des NPD-Parteivorstandes. Auch im Jahr 2006 fand die JN nicht mehr zu ihrer früheren Eigenständigkeit zurück. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten waren kaum festzustellen. Keine Zweifel bestehen an der rechtsextremistischen Ausrichtung der JN. So hat der JN-Bundesvorstand im Januar 2006 das "System" als nicht reformierbar dargestellt, das durch "etwas Neues" ersetzt werden müsse. In einer Pressemitteilung des JN - Bundesvorstandes zur Diskussion um Gewalt an den Schulen wurde offen ausländerfeindlich agitiert: "Eine Kehrtwende in der Ausländerpolitik ist die wichtigste Voraussetzung, um dem Problem der Gewalt an Schulen entgegen zu wirken". Einer Veröffentlichung auf der JN - Internetseite zufolge fand vom 14. bis 16. April 2006 in Mosbach bei Eisenach die jährlich Bundes-Osterschulung für JN - Mitglieder statt. Den ca. 40 Teilnehmern wurden außer Vorträgen über das Versammlungsrecht, den Umgang mit "Polizei und Geheimdiensten" sowie den Möglichkeiten der "Auseinandersetzung mit der BRD-Demokratie" das "nationalrevolutionäre Grundlagenprogramm" der JN sowie die Presseund Öffentlichkeitsarbeit der NPD vorgestellt. Auf dem "Außerordentlichen Kongress" des JN - Landesverbandes Bayern am 30. April 2006 wurde der Anführer der neonazistischen "Kameradschaft München" zum JN - Landesvorsitzenden gewählt. Der JN - Landesverband Rheinland-Pfalz verfügt über keine Organisationsstrukturen. Eine Anwerbung von Mitgliedern war nicht erkennbar. Im Februar 2006 nahm der JN-Bundesvorsitzende an einer Aktion des NPDLandesverbandes Rheinland-Pfalz gegen die angebliche "Unterdrückung und Ausplünderung der Opfer der imperialistischen USA" auf dem Schillerplatz in Kaiserslautern teil. 43 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU - Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder (Bund): ca. 8.500 (2005: ca. 9.000) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 450 (2005: ca. 550) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "National Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) wöchentliche Auflage: 41.000 Exemplare Politische Ausrichtung und Entwicklung Die DVU musste einen weiteren Mitgliederrückgang im Bund und in Rheinland-Pfalz hinnehmen. Dennoch bleibt sie größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Seit ihrer Gründung wird sie von dem Bundesvorsitzenden und Inhaber des rechtsextremistischen "DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag" Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autokratisch geführt. Die Mitglieder im Bundesvorstand können eher als Statisten bezeichnet werden. Den 16 Landesverbänden bleibt kaum Raum für eine eigenständige politische Arbeit. Diese Umstände führen zu einer gewissen Isolation im rechtsextremistischen Lager. Ein Ausgleich für den auch altersbedingten Mitgliederschwund durch junge Rechtsextremisten konnte nicht festgestellt werden. Kernpunkt der verfassungsfeindlichen Ausrichtung der Partei ist ein übersteigerter Nationalismus, geprägt durch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Ausländer und Juden werden diskreditiert und in dem Sprachrohr der Partei "Nationale Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) als antideutsche Feindbilder dargestellt. Weitere Schwerpunkte in der NZ bilden tendenziöse und verharmlosende Bei44 träge zur nationalsozialistischen Vergangenheit. Darüber hinaus werden der demokratische Rechtsstaat und seine Repräsentanten systematisch herabgewürdigt. Der Parteivorsitzende versuchte die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu instrumentalisieren. In der NZ - Ausgabe vom 23. Juni 2006 würdigte Dr. FREY die sportlichen Leistungen der deutschen Nationalspieler afrikanischer Abstammung und verwahrte sich dagegen, diese als "politische Feindbilder oder Stein des Anstoßes" heran zu ziehen. In diesem Zusammenhang sprach er sich dagegen aus, Fremden generell die Einbürgerung zu versagen. Der Artikel stellt eine Ausnahme dar, weil hier im Gegensatz zur NPD die Zuwanderung unter bestimmten Aspekten akzeptiert und die Zugehörigkeit zum deutschen Volk nicht ausschließlich an der biologischen Abstammung festgemacht wird. Während die NPD wegen ihres "WM-Planers" zum Ziel öffentlicher Kritik und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wurde, nutzte der Geschäftsmann Dr. FREY die WM, um seine Verlagsprodukte werbewirksam zu offerieren. Strategie und Teilnahme an Wahlen Die Partei ist bestrebt, auf Landesund kommunaler Ebene in die Parlamente einzuziehen. Gegenwärtig ist sie im Landtag von Brandenburg mit sechs und in Bremen mit einem Mandat vertreten. Außerhalb von Wahlkampfveranstaltungen tritt sie öffentlich kaum in Erscheinung. Im Gegensatz zur NPD gelang es ihr auch nicht, ihre Attraktivität in der rechtsextremistischen Szene zu erhöhen oder ihre Mitgliederzahl zu stabilisieren. Dies gilt auch für den Landesverband Rheinland-Pfalz, der lediglich im Raum Ludwigshafen am Rhein Organisationsstrukturen unterhält. Wesentliches Ereignis war der rheinland-pfälzische Landesparteitag am 7. Mai 2006 in Fulda-Kämmerzell, bei dem der amtierende Landesvorsitzende HansDieter LIEDERWALD in seinem Amt bestätigt wurde. Die DVU verzichtete zu Gunsten der NPD auf die Teilnahme an den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 45 2006. Bei der Landtagswahl am 26. März 2006 in Sachsen-Anhalt erhielt die Partei nur noch 3,0 % im Gegensatz zur Landtagswahl 1998, bei der sie mit 12,8 % der Zweitstimmen 16 Mandate bekam. Im Jahr 2002 trat die DVU hier nicht an. In einem kostenintensiven Wahlkampf warb die DVU vor allem um junge Wähler und erfuhr bei den unter 30-jährigen mit 8,0 % einen überdurchschnittlich hohen Zuspruch. Dabei polemisierte sie gegen "herrschende Politiker, die "sich zu einer Kaste entwickeln, die keine Rücksicht mehr auf das Volkswohl nimmt". Mit Forderungen nach einer "Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe für Kinderschänder, "Vorrang von Deutschen vor Ausländern bei staatlichen Sozialleistungen" sollten auch Protestwähler angesprochen werden. Nach dem enttäuschenden Wahlergebnis forderte der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Peter MARX, dass die NPD an Stelle der DVU an der Landtagswahl 2009 in Thüringen teilnehmen solle und stellte so den mit der DVU geschlossenen "Deutschland-Pakt" kurzzeitig in Frage. Inzwischen hat die DVU mit ihrem Wahlkampf für die Landtagwahl am 13. Mai 2007 in Bremen und die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven begonnen. Die Partei möchte in Fraktionsstärke in den Bremer Landtag einziehen. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im März 2002 aufgelöst und die Eintragung im Vereinsregister gelöscht. Die Vereinigung existiert jedoch weiterhin zunächst unter der Bezeichnung "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" und nunmehr unter dem Namen "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz". Im Jahr 2006 wurden überwiegend organisationsinterne Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. "Landesführer" ist Michael H. aus Kaiserslautern. "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" steht in keinem personellen und organisatorischen Zusammen46 hang mit der bereits am 18. März 1966 durch den rheinland-pfälzischen Innenminister verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.7.2 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Auch im Jahr 2006 nahm die rechtsextremistische Szene den Volkstrauertag zum Anlass, Aktionen des "Heldengedenkens" (z. B Kranzniederlegungen) durchzuführen. In Rheinland-Pfalz fand am 26. November 2006 ein "Totengedenken" in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) mit etwa 90 Teilnehmern statt. Zu Störungen kam es nicht. 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 13. Mai 2006 beteiligten sich in Marienfels (Rhein-Lahn-Kreis) insgesamt 80 Rechtsextremisten an einer Demonstration unter dem Motto "Für den Wiederaufbau des Denkmals des 1. SS-Panzerkorps in Marienfels". Nach einer Kundgebung begaben sich die Beteiligten zu einer weiteren Demonstration nach Koblenz. Die Veranstaltung in Marienfels verlief störungsfrei, in Koblenz konnten Polizeikräfte eine Auseinandersetzung mit Gegendemonstranten verhindern. Anlass war, wie bereits in der Vergangenheit, die am 28./29. April 2004 von unbekannten Tätern erfolgte Zerstörung des 1971 errichteten Gedenksteins für die Gefallenen der "Waffen-SS" in Marienfels. Am 14. Mai 2006 beteiligten sich etwa 40 Personen des rechtsextremistischen Spektrums an einer Kundgebung in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach). Das Motto dieser Veranstaltung lautete "Tag der Befreiung oder so bringt man ein Volk im Frieden um". Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Am 30. September 2006 nahmen etwa 95 Personen an einer rechtsextremistischen Demonstration in Alzey unter dem Motto "Multikultiterror stoppen - für die Vielfalt der Völker" teil. Es wurden zwei Reden vorgetragen. Etwa 50 Personen demonstrierten gegen die Veranstaltung. Etwa 35 Personen der rechtsextremistischen Szene beteiligten sich am 27. Oktober 2006 in Altleiningen (Landkreis Bad Dürkheim) an einer Mahnwache unter dem Motto "Bildung statt Zensur 47 - Meinungsdiktatur stoppen". Die von einem amtsbekannten Aktivisten aus Baden-Württemberg organisierte Veranstaltung verlief ohne nennenswerte Öffentlichkeitswirkung. Im Rahmen einer so genannten Aktionswoche des "Aktionsbüros RheinNeckar" in der Zeit vom 24. bis 31. Dezember 2006 meldete ein Aktivist aus dem Umfeld des "Aktionsbüros Rhein-Neckar" für den 24. Dezember 2006 in Grünstadt eine Mahnwache mit Straßentheater unter dem Motto "Stoppt staatliche Repression - Frohe Weinachten mit dem Straßentheater Schwarzer Sheriff - Polizist ärgere dich nicht" an. Die Veranstaltung wurde jedoch verboten. Zwei weitere geplante Mahnwachen für den 24. Dezember 2006 in Frankenthal und Speyer unter dem Motto "Gegen staatliche Repression" wurden ebenfalls verboten. Nach einer Veröffentlichung auf einer Homepage des "Aktionsbüros Rhein-Neckar" mit der Überschrift "Verbote, Schikanen, Willkürmaßnahmen .... wir wehren uns" sollte in dem Bundesland der Rhein-Neckar-Region eine Veranstaltung mit Straßentheater durchgeführt werden, in dem die meisten Aktionen gegen die rechtsextremistische Szene durchgeführt wurden. Der Veröffentlichung war eine Tabelle "Ranking staatlicher Repression 2006" angehängt, die die Distanz der Rechtsextremisten zu Demokratie und Rechtsstaat offenbart: Unter dem Motto "Schluss mit dem staatlichen Terror gegen die Nationale Opposition, Deutsche Steuergelder für deutsche Interessen", führten 48 insgesamt 27 Personen des rechtsextremistischen Spektrums am 26. Dezember 2006 in Grünstadt eine Mahnwache durch. Der Anmelder, ein überregional bekannter Neonazi und NPD-Funktionär aus Mannheim, verlas Informationen über die Polizeimaßnahmen gegen die rechtsextremistische Szene in Kirchheim und Altleiningen. Die Veranstaltung verlief ohne besonderen Vorkommnisse. Der gleiche Personenkreis organisierte ebenfalls unter dem Motto "Schluss mit dem staatlichen Terror gegen die Nationale Opposition, Deutsche Steuergelder für deutsche Interessen" am 29. Dezember 2006 in Bad Dürkheim eine Mahnwache mit insgesamt 33 Teilnehmern. Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner wurden durch die Polizei verhindert. Unter dem Motto "Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler. Auf ins Kampfjahr 2007!" fand im Rahmen der vorgenannten "Aktionswoche" am 31. Dezember 2006 in Ludwigshafen am Rhein eine weitere Demonstration mit etwa 100 Rechtsextremisten statt. Es kam zu keinen Ausschreitungen. Eine Gegenkundgebung verlief störungsfrei. Ein großer Teil der Demonstrationsteilnehmer versammelte sich im Anschluss zu einer Silvesterfeier in Kirchheim, ehemalige Gaststätte "Alte gräflich Leininger Mühle". 1.8 Revisionisten Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern ("Auschwitzlüge"). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen zumeist, sich nach außen seriös zu geben. Das dem iranischen Außenministerium angeschlossene "Institute for Political and International Studies" (IPIS) richtete am 11. und 12. Dezember 2006 in Teheran unter dem Motto "Review of the Holocaust: Global 49 Vision" eine Konferenz aus, an der nach dortigen Angaben 67 "Wissenschaftler" aus 30 Ländern teilgenommen haben sollen, u.a. aus Frankreich, Österreich, Schweiz und den USA. Ein zu diesem Zeitpunkt inhaftierter Holocaustleugner aus Deutschland ließ auf der Konferenz einen offenen Brief an den iranischen Staatspräsidenten verteilen, in dem er unter anderem das "Holocaust-Dogma" als "die größte Lüge der Weltgeschichte" bezeichnete. Er dankte dem iranischen Präsidenten, der das Tor zur Wahrheit geöffnet habe und dem deshalb die Völker ewig dankbar sein würden als Befreier von der jüdischen Versklavung. 1.9 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Kontakte zu Gesinnungsgenossen im benachbarten europäischen Ausland. Gemeinsame Veranstaltungen und Treffen sollen der "nationalen Sache", dem Informationsausgleich und Aktionsabsprachen dienen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind diese Kontakte besonders ausgeprägt. Am 1. Juli 2006 führte die "Nederlandse Volksunie" (NV) in Den Haag eine Demonstration unter dem Motto "Zusammen gegen US-Imperialismus und Zionismus - Solidarität mit dem Iran" durch. Daran nahmen ca. 100 Rechtsextremisten teil, die Hälfte davon aus Deutschland. Deutsche Teilnehmer traten als Redner auf. An den Gedenkveranstaltungen vom 18. bis 19. November 2006 in Madrid zu Ehren des 1975 verstorbenen spanischen Diktators Franco nahmen insgesamt ca. 5.000 Rechtsextremisten teil. Neben Angehörigen zahlreicher spanischer Organisationen waren Besucher aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen und Rumänien anwesend. 50 2. LINKSEXTREMISMUS Die linksextremistische Szene wird einerseits durch die anarchistisch ausgerichteten so genannten Autonomen wie auch durch revolutionärmarxistisch geprägte Parteien bestimmt. Ende 2006 waren der linksextremistischen Szene in Rheinland-Pfalz insgesamt 700 Personen zuzurechnen, darunter etwa 100 gewaltbereite. Insbesondere die so genannten Autonomen agieren mit vielfältigen Aktionsformen bis hin zu Gewalttaten gegen unsere freiheitlich-demokratisch verfasste Gesellschaftsordnung. Die Zahl der von ihnen verübten Straftaten hat sich im Vergleich zum Jahr 2005, das von den Ausschreitungen am 1. Mai in Worms geprägt war, wieder deutlich verringert und - insgesamt - in etwa den Stand der Vorjahre erreicht. Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten blieb im Jahr 2006 in Rheinland-Pfalz konstant. In ihrem fortwährenden "antifaschistischen Kampf", insbesondere gegen rechtsextremistische Bestrebungen, ließen sie eine hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung erkennen. Im Hinblick auf das im Juni 2007 stattfindende Treffen der Staatsund Regierungschefs der acht bedeutendsten Industriestaaten (G 8) hat sich die linksextremistische Szene zunehmend im Umfeld der "Anti-Globalisierungsbewegung" positioniert. Die Brandanschläge und Gewalttaten im Rahmen der "militanten Kampagne" gegen den G 8-Gipfel haben im Berichtszeitraum - insbesondere in Berlin und im norddeutschen Raum - erkennbar zugenommen. Im Blickpunkt der Aktivitäten der linksextremistischen "Linkspartei.PDS" stand die Teilnahme von Mitgliedern dieser Partei auf einer Liste der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 26. März 2006. Der Fusionsprozess der "Linkspartei.PDS" mit der WASG, die als nicht extremistisch gilt, wurde im Berichtszeitraum zielgerichtet fortgesetzt und soll Mitte 2007 abgeschlossen sein. 51 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 2006 Bund (2005) Rheinland-Pfalz (2005) Gesamt: 30.700* (30.600**) 700* (700*) Gewaltbereite: 6.000 (5.500) 100 (100) MarxistenLeninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: 25.000 ( 25.400) 600** (600**) Angaben gerundet *ohne Mehrfach**einschließlich Personen mitgliedschaften aus beeinflussten Organisationen 2.2. Linksextremistische Gewalt Übersicht über Gewalttaten mit linksextremis2006 2005 tischem Hintergrund: Gesamt: 6 74 Deliktsarten: Körperverletzungen 3 6 Landfriedensbruch 2 62 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr -- 4 Widerstandsdelikte 1 2 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten - allen voran das autonome Spektrum - beeinträchtigten erneut durch zahlreiche Gewalttaten und sonstige Gesetzesverstöße die Innere Sicherheit Deutschlands. Ihr Aktionismus - regional unterschiedlich ausgeprägt - bewegte sich im Jahr 2006 insgesamt auf einem anhaltenden niedrigen Niveau. Gründe dafür sind sowohl die eigene konzeptionelle und strategische Schwäche als auch die zunehmende Beanspruchung bislang traditionell "links" besetzter Aktionsfelder durch breite gesellschaftliche Strömungen. 52 Die in Rheinland-Pfalz im Jahr 2005 im Zusammenhang mit der 1. MaiDemonstration in Worms sprunghaft angestiegenen Zahlen linksextremistischer Gewalttaten reduzierten sich im Berichtszeitraum mit insgesamt sechs Gewaltdelikten in etwa auf die Zahl der Jahre vor 2005. Die Gesamtzahl der gewaltbereiten Linksextremisten, einschließlich der "gewaltfreien" Anarchisten, hat sich zum Ende 2006 bundesweit auf ca. 6.000 Personen erhöht, darunter sind rund 5.500 Autonome. Terroristische Strukturen - vergleichbar der ehemaligen "Roten Armee Fraktion" (RAF) oder der "Revolutionären Zellen" (RZ) -, aus denen heraus schwerste Anschläge bis hin zu Mordtaten begangen werden, bestehen derzeit in Deutschland nicht. Allerdings tangieren einzelne autonome Zusammenhänge mit ihren Anschlagsaktivitäten die Grenze zum terroristischen Handeln. 2.3.1 Verfahren gegen ehemalige terroristische Straftäter Bereits im März 2004 hatte das Berliner Kammergericht Sabine ECKLE - eines von mehreren ehemaligen Mitgliedern der RZ wegen in den Jahren 1986 und 1987 in Berlin verübten Attentaten auf den damaligen Leiter der Ausländerbehörde sowie auf einen Richter am Bundesverwaltungsgericht zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Im Juni 2006 wurde das Urteil rechtskräftig. Am 4. Dezember 2006 stellten sich bei der Polizei in Karlsruhe die seit Dezember 1987 mit internationalen Haftbefehlen gesuchten terroristischen Straftäter Thomas K. und Adrienne G. Letztgenannte soll als Mitglied der "Roten Zora" - der autonomen Frauengruppe in der RZ - an Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen sein. Gegen das ehemalige RZ-Mitglied Thomas K. besteht der dringende Verdacht der Rädelsführerschaft und der Beteiligung an den RZ-Schusswaffenanschlägen 1986/1987 in Berlin. 2.3.2 Autonome Die Zahl der Autonomen, die bundesweit für fast alle linksextremistisch motivierten Gewalttaten wie z.B. Körperverletzungen, Brandanschläge und 53 gefährliche Eingriffe in den Schienenverkehr verantwortlich waren, belief sich am Ende des Jahres 2006 bundesweit auf rund 5.500 Aktivisten. In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 100 Autonome, die schwerpunktmäßig in Kaiserslautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung sowie im Westerwald aktiv sind. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept; Führungspersonen oder hierarchische Strukturen sind ihnen fremd. Sie lehnen jede Form von staatlichen und gesellschaftlichen Normen ab. Ihr Selbstverständnis ist geprägt von "antikapitalistischen", "antifaschistischen" und "antisexistischen" Einstellungen. Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Die Anwendung von Gewalt, auch gegen Personen, zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen sie dabei als legitim an. Trotz ihrer Hierarchiefeindlichkeit bemüht sich die autonome Szene immer wieder um eine stärkere Vernetzung bzw. den Aufbau von regionalen als auch überregionalen Organisationsstrukturen. Vorrangige Ziele sind dabei die Bündelung von Kräften und die Koordination von Aktionen, insbesondere gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Die so genannten Antideutschen, die im Spektrum der gewaltbereiten Linksextremisten eine Sonderrolle einnehmen, konnten im Jahr 2006 weiter an Stärke gewinnen. "Antideutsche" lehnen die Existenzberechtigung einer deutschen Nation ab. Sie unterstellen den Deutschen eine grundsätzliche Neigung zur Nationenbildung, die letztlich zur Vernichtung anderer Ethnien führe. Nach Überzeugung der "Antideutschen" hat Deutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit bis heute nicht überwinden können und strebe nach einer als Demokratie getarnten Neuauflage des "Dritten Reiches". Ein neuerlicher Holocaust könne nur durch die Auflösung des deutschen Volkes in einer multikulturellen Gesellschaft vermieden werden. "Antideutsche" erklären sich absolut solidarisch mit dem Staat Israel sowie mit allen Maßnahmen, die zu dessen Schutz erforderlich sind, eingeschlossen die militärische Intervention der USA und ihren Verbündeten 54 im Irak. Damit besteht ein eklatanter Widerspruch zu den traditionellen Linksextremisten, die den Irak-Krieg als eine "imperialistische Aggression" bewerten. Typisch bei Demonstrationen des "antideutschen" Spektrums sind das Zeigen israelischer, amerikanischer und auch britischer Nationalfahnen. Nicht selten führten "antideutsche, pro-israelische" Positionen innerhalb der Szene zu besonderer Polarisierung bzw. scharfen Auseinandersetzungen bis hin zu Handgreiflichkeiten und dem Zerfall von langjährigen Gruppenzusammenhängen. In Rheinland-Pfalz sind "antideutsche, pro-israelische" Positionen nur ansatzweise festzustellen. U.a. demonstrierte am 10. Juni 2006 in Kaiserslautern im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft ein ca. 80 Personen starkes "antideutsch" ausgerichtetes Bündnis von "Antifaschisten" und "FreizeitfußballerInnen" unter dem Motto "Deutsche Träume platzen lassen - gegen Innere Aufrüstung und Krautsalat - Kapitalismus abschaffen". Unterstützt wurden die Aktionen, mit denen man insbesondere die "Kommerzialisierung" und "Eventisierung" der WM als "gesteigerten Patriotismus" anprangern wollte, von zahlreichen Antifa-Gruppen aus dem Saarland, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz ("Antifa Landau", "Antifaschistische Aktion Westerwald" und "AK Antifa Mainz"). Die Aktionsformen von Autonomen sind vielfältig: "offene" Aktionsformen umfassen beispielsweise die Agitation in Flugblättern, Plakaten, Internetaufrufen und Szenepublikationen. Bei militanten Aktionsformen, wie z.B. Brandund Sprengstoffanschlägen oder auch gewalttätigen Demonstrationen unter Einsatz von Steinen und anderen Wurfgeschossen, achten Autonome stets auf "Vermittelbarkeit". Entsprechende Aktionen stellen sie daher häufig auch in den Zusammen55 hang mit aktuellen Protestund Reizthemen, die eine möglichst breite Akzeptanz - bis in Teile der bürgerlichen Gesellschaft hinein - erfahren. Straßenkrawalle sind eine typische Gewaltform von Autonomen; dort treten sie in der Regel vermummt, in einheitlicher Kampfausrüstung und in "schwarzen Blöcken" auf, bevorzugt bei Protesten gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten. Konspirativ vorbereitete und militant durchgeführte Anschläge bedürfen der besonderen Planung. Hier ist die Grenze zum Terrorismus oftmals fließend. Sie erfolgen zusammen mit rechtfertigenden Tatbekennungen häufig im Kontext aktueller linksextremistischer Kampagnen, zum Teil auch zeitgleich und räumlich koordiniert. Wichtigstes Kommunikationsmittel der autonomen Szene ist inzwischen das Internet; entsprechende Seiten beinhalten Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Reizund Konfliktthemen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe. Neben dem Internet gibt es weiterhin zahlreiche Anlaufund Kontaktstellen ("Infoläden" und "Volxküchen"), in Rheinland-Pfalz, z.B. in Koblenz und Trier. Zu den bewährten Methoden des Informationsaustauschs dienen weiterhin konspirative Treffen und zahlreiche regionale Szenepublikationen wie beispielsweise der unregelmäßig erscheinende Koblenzer "zerrSPIEGEL". Verdeckt operierende autonome Kleingruppen mit terroristischen Ansätzen führten auch im Jahr 2006 - zumeist im Großraum Berlin - zahlreiche Brandund Sprengstoffanschläge durch. In ihren Taterklärungen benutzten sie zum Schutz vor Strafverfolgung fortgesetzt wechselnde oder auch keine Aktionsnamen ("no-name"-Militanz). Unter gleich bleibendem Namen tritt seit 2001 die Berliner "militante gruppe" (mg) mit zahlreichen militanten Aktionen gegen "verantwortliche Machtstrukturen aus kapitalistischer Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" in Erscheinung. Mit insgesamt acht Brandanschlägen im Jahr 2006 hat die "mg" ihren Anschlagsrhythmus deutlich erhöht. Die Anschlagsbekennungen umfassten eine breite Palette "linker" Themen, wie "Antirassismus", "Repres56 sion", "Sozialabbau", "Antiimperialistische Solidarität" und "Anti-Globalisierung". Bevorzugtes Thema der "mg" war der G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, in dem sie einen geeigneten Ansatzpunkt sieht, die geringe Zahl militanter linksextremistischer Zusammenhänge in der Bundesrepublik Deutschland stärker informell - durch gegenseitige Bezugnahme aufeinander - zu vernetzen. In ihrer im autonomen Szeneblatt "INTERIM" (Nr. 639 vom 20. Juli 2006) veröffentlichten Flugschrift "mg-express - Informationen zu klandestiner Politik" kündigte die "mg" an, die "militante Option" innerhalb der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm "forcieren" zu wollen. Die von der "mg" ins Leben gerufene "Militanzdebatte" mit dem Ziel der Vernetzung militanter Gruppenstrukturen und des Erreichens eines über Sachbeschädigung hinausgehenden militanten Aktionsniveaus fand 2006 ihre Fortführung, jedoch ohne erkennbare Resonanz bei anderen linksextremistischen Gruppierungen. 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "Antifaschistische Kampf" hat in der linksextremistischen Szene, insbesondere bei den Autonomen, fortgesetzt einen hohen Stellenwert. Autonome bekämpfen vorrangig rechtsextremistische Bestrebungen; darüber hinaus wollen sie die als "kapitalistisches System" bezeichnete freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblichen faschistischen Wurzeln überwinden. Die folgenden in der Nacht zum 23. Februar 2006 in Böhl-Iggelheim von unbekannten Tätern an die Fassade der Bahnhofsunterführung geschmierten Parolen bringen "antifaschistische" Zielvorstellungen unmissverständlich auf den Punkt: "Antifa" - "Zerschlagt das System" - "Nazis raus" - "Wir lassen uns das Dagegensein nicht verbieten" (Abbildung: durchgestrichenes Hakenkreuz im Kreis) "Haut den Nazis auf die Glatzen bis ihnen bunte Haare wachsen". 57 Durch den bundesweiten Aktionismus rechtsextremistischer Parteien und Organisationen kam es regional unterschiedlich stark ausgeprägt zu verstärkten "antifaschistischen" Aktivitäten gewaltbereiter Linksextremisten. Insbesondere Autonome versuchten durch Massenmilitanz oder auch in Kleingruppentaktik Aufmärsche der Rechten, die grundsätzlich als Provokation empfunden werden, zu verhindern bzw. massiv zu stören. Dabei konnte die direkte Konfrontation mit den Rechtsextremisten häufig durch die Polizei verhindert werden. So u.a. auch in Koblenz, wo am 13. Mai 2006 ein breites antifaschistisches Spektrum gegen eine rechte Versammlung mit ca. 75 Teilnehmern zu Protestaktionen aufgerufen hatte. Unter die insgesamt 1.200 Demonstranten mischten sich auch etwa 150 Angehörige der linksextremistischen/autonomen Szene, u.a. aus den Regionen Koblenz/Westerwald und Mainz. Sie versuchten permanent, in die Kundgebungsund Aufzugsräume der rechten Demonstranten zu gelangen. Ein starkes Polizeiaufgebot konnte dies jedoch verhindern; 326 Platzverweise wurden ausgesprochen, 16 Personen in Gewahrsam genommen. Am 28. Oktober 2006 beteiligten sich Autonome aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz an einer Großdemonstration gegen eine NPD-Kundgebung in Göttingen. Am Ende des Demonstrationszuges mit ca. 4.000 Teilnehmern hatte sich ein "Schwarzer Block" formiert, der die festgelegte Demonstrationsroute verlassen wollte. Direkte Konfrontationen zwischen Linksund Rechtsextremisten wurden jedoch durch die Polizei verhindert. Es gab annähernd 1.600 Identitätsfeststellungen; 46 Strafverfahren wurden eingeleitet. Ziele gewaltbereiter Linksextremisten waren erneut Trefflokale oder auch Infostände von Rechtsextremisten. So wurden im Zusammenhang mit der rheinland-pfälzischen Landtagswahl (26. März 2006) am 18. Februar 2006 in Alzey von mehreren "Linksextremisten" ein NPDInfostand mit Farbbeuteln beworfen und am 11. März 2006 in Bingen von einer Gruppe vermummter Personen ein NPD-Infostand angegriffen und umgekippt. 58 "Autonome Antifaschisten" aus Bad Marienberg haben am 12./13. September 2006 die Hausfassade des Nachbargebäudes einer Gaststätte, in der NPD-Veranstaltungen stattfanden, mit Farbe beworfen. Ein in der Nähe aufgefundenes Bekennerschreiben trug die passende Überschrift "Schöner Leben ohne Nazikneipen". Auch schreckten Autonome nicht vor direkten körperlichen Angriffen zurück. So besprühten am 5. Februar 2006 in Landau fünf vermummte Szeneangehörige eine Gruppe von Rechtsextremisten mit Pfefferund CSSpray. Einer der Geschädigten wurde geohrfeigt, bespuckt und gestoßen. Bei ihrer Flucht riefen die linksextremistischen Täter: "Scheiß Rechte". Autonome zeigten sich weiterhin sehr bemüht, Aktivitäten von Rechtsextremisten aufzudecken bzw. Einzelpersonen dieser Szene in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu bekämpfen. Im Wege so genannter Antifa-Recherchen sammelten sie Informationen über Funktionäre, Trefflokale, Schulungseinrichtungen und "Nazi-Läden". Dabei nutzten sie auch verstärkt das Internet und riefen unverhohlen zu Gewaltanwendung auf. So wurde beispielsweise im April 2006 auf eine Hauswand in Landau die Parole "Es gibt kein ruhiges Hinterland!!! Nazis aufs Maul!!!" gesprüht. Zu der Tat bekannten sich im Internet "Autonome AntifaschistInnen Südpfalz". Mehrere linksextremistische/autonome Gruppierungen aus RheinlandPfalz und im Saarland initiierten im Vorfeld der rheinland-pfälzischen Landtagswahl unter dem Motto "seek & delete, NPD-Strukturen aufdecken und entsorgen" sowohl über das Internet als auch mit Plakaten und Flyern eine gemeinsame Antifa-Kampagne. Dazu verbreiteten sie Ende Februar 2006 die Broschüre "NPD-Strukturen in Rheinland-Pfalz - und der Wahlkampf der NPD zur Landtagswahl 2006". Darin heißt es u.a.: "Deckt vorhandene Nazi-Strukturen auf (...) übt Druck auf Gaststätten, Kommunen und Vereine aus, die ihre Räume überlassen. Stellt euch ihren Aufmärschen entgegen". Höhepunkt der Kampagne war eine Demonstration in Pirmasens mit ca. 300 Teilnehmern; zu den Unterstützergruppen zählten u.a. "Antifa 59 Koblenz", "Antifa Landau", "AK Antifa Mainz", "Antifa Nierstein", "Lif:t Trier" und "Antifaschistische Aktion Westerwald". In Mainz heftete am 8. April 2006 eine Gruppe von etwa zehn zum Teil vermummten Personen aus dem örtlichen linksextremistischen autonomen Spektrum Flugblätter mit der Überschrift "Hier wohnt ein führender Neonazi" an die Windschutzscheiben mehrerer Fahrzeuge. Die Flugblätter waren mit den Parolen versehen: "Keine Ruhe für Neonazis! - Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus angreifen!". Antirassismus Die von Linksextremisten getragene "Antirassismus"-Bewegung, die sich grundlegend gegen den kapitalistischen Staat und die von ihm angeblich ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik richtet, setzte auch 2006 ihre demonstrativen Aktionen fort, insbesondere gegen Einrichtungen, die als Teil der so bezeichneten "Abschiebemaschinerie" gesehen werden. So demonstrierten am 10. Dezember 2006 in Ingelheim vor der örtlichen Gewahrsameinrichtung für Ausreisepflichtige ca. 80 bis 90 Personen gegen "Abschiebeknäste und Ausreisezentren". Unter den Demonstranten befanden sich mehrere Angehörige des autonomen/antifaschistischen Spektrums aus den Regionen Koblenz/Westerwald und Mainz. Anti-Atom-Bewegung Linksextremisten brachten sich auch 2006 in die weiterhin rückläufigen Protestaktionen der überwiegend von einem bürgerlich-demokratischen Spektrum getragenen Anti-Atom-Bewegung ein, insbesondere im Rahmen des Castor-Transports von La Hague (Frankreich) nach Gorleben (Niedersachsen) vom 10. bis 13. November 2006. Insgesamt beteiligten sich daran 3.500 Atomkraftgegner, darunter etwa 150 Linksextremisten. Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen; so wurden Polizeibeamte durch Steinwürfe verletzt und Einsatzfahrzeuge beschädigt. Im Verlauf des Castor-Transports gab es zudem mehrere Protestund Störaktionen. So gelang es am 11. November mehreren Castor-Gegnern - darunter eine Person aus Kaiserslautern - bei Hockenheim kurzfristig 60 die Gleise zu blockieren und den Zugführer zu einer Schnellbremsung zu veranlassen. In Wörth fand am 7. November eine Mahnwache statt. Die von militanten Atomkraft(Castor)-Gegnern verübten Hakenkrallenund Brandanschläge bewegten sich auf einem niedrigen Niveau. Am 17. Oktober veröffentlichte eine bislang unbekannte Gruppe "Aktion Gegendruck" im Internet eine Selbstbezichtigung zu drei Hakenkrallenanschlägen auf Oberleitungen der Deutschen Bahn AG bei Speyer, Hockenheim und Bruchsal. Eine Tatausführung konnte jedoch an den jeweiligen Orten nicht festgestellt werden. Anti-Globalisierungsbewegung Bei internationalen Gipfeltreffen, u.a. der Staatsund Regierungschefs der acht bedeutendsten Industriestaaten (G8), kam es in der Vergangenheit wiederholt zu militanten Aktionen linksextremistischer Globalisierungsgegner. Als schreckliche Beispiele sind die Gewaltexzesse 1999 bei der WTOJahreskonferenz in Seattle und 2001 beim G8-Gipfel in Genua in Erinnerung geblieben. Die Aktivitäten militanter Globalisierungsgegner waren jedoch in den letzten Jahren rückläufig; offensichtlich mangelte es vor allem auch den deutschen Aktivisten an geeigneten Mobilisierungsanlässen. Das im Frühsommer 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) anstehende G8-Treffen wollen Globalisierungsgegner, darunter Linksextremisten mit unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung, zu massenhaften Protestaktionen nutzen. Entsprechende Vorbereitungen laufen seit dem Jahr 2005 mit zunehmender Intensität. U.a. fand vom 4. bis 13. August 2006 in Steinhagen (Mecklenburg-Vorpommern) ein internationales Mobilisierungscamp (700 Teilnehmer) mit bis zu 150 Workshops und verschiedenen, dezentralen Protestaktionen in der näheren Umgebung statt. Während das linksextremistische Spektrum, das den Widerstand gegen den G8-Gipfel als Teil seines Kampfes für eine (revolutionäre) Überwin61 dung des demokratischen Gesellschaftssystems begreift, sich in seiner Aktionsplanung noch weitgehend uneinig zeigte, hat sich das breite, weitgehend aus Nichtextremisten bestehende, globalisierungskritische Lager schon Ende des Jahres 2006 auf eine "Protestwoche gegen den G8-Gipfel" (1. bis 7. Juni 2007) verständigen können, darunter eine Großdemonstration am 2. Juni in Rostock, die Blockade des Militärflughafens Rostock/ Laage am 5. Juni und ein Sternmarsch auf Heiligendamm am 7. Juni. Ein Engagement rheinland-pfälzischer Linksextremisten im Rahmen der bundesweiten Vorbereitungen gegen den G8-Gipfel war bislang nur bei einzelnen autonomen Zusammenhängen im nördlichen Rheinland-Pfalz sowie im Raum Mainz feststellbar. Verdeckt operierende militante Linksextremisten setzten ihre im Juli 2005 begonnene "militante Kampagne" gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm fort; Brandanschläge und Gewalttaten - vornehmlich im norddeutschen Raum - haben erkennbar zugenommen. Mit Anschlägen, wie beispielsweise am 28. August 2006 auf das Wohnhaus des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und am 28. Dezember 2006 auf das als Tagungsort vorgesehene Kempinski Grandhotel in Heiligendamm, konnte zudem mediale Aufmerksamkeit erzeugt werden. 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder (Bund): weniger als 4.200 (2005: weniger als 4.500) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 90 (2005: ca. 90) Organisation: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit acht regionalen Gruppierungen Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ) Wochenzeitung Auflage ca. 7.200 Exemplare "Marxistische Blätter" 2-monatlich erscheinendes Theorie-Organ Auflage ca. 3.000 Exemplare Die 1968 gegründete DKP definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, 62 die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.15 Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. Der knapp 90 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz führte auch im Berichtszeitraum wieder vielfältige Aktivitäten durch (z.B. Errichtung von Infoständen, Flugblattverteilungen, Mahnwachen, Herausgabe von Kleinzeitungen). Besonders aktiv zeigte sich die Partei in den Orten Bad Kreuznach, Idar-Oberstein und Landau, wo u.a. zu den Themen "Libanon-Konflikt", "Rentenund Gesundheitsreform" sowie "Hartz-IV-Problematik" politische Schwerpunkte gesetzt wurden. Die DKP beteiligte sich nicht an der Landtagswahl am 26. März 2006 in Rheinland-Pfalz, es wurde jedoch ein Wahlaufruf veröffentlicht, in dem um aktive Unterstützung der WASG geworben wurde. Auf Listenplatz 20 der WASG-Landesliste wurde ein DKP-Aktivist aufgestellt. Kreisorganisationen der Partei bestehen in Worms, Trier und im RheinNahe-Glan-Gebiet mit den Ortsgruppen Mainz, Bad Kreuznach, IdarOberstein und Kusel. Weitere Aktivitäten sind in den Ortsgruppen Ludwigshafen, Landau/Südpfalz und in der neu gegründeten DKP-Ortsgruppe Mittelrhein in Andernach erkennbar. Diese Ortsgruppen gehören keiner Kreisorganisation an. Dem Aktionismus der Partei sind wegen der weiterhin desolaten Finanzlage und der Überalterung ihrer Mitglieder immer engere Grenzen gesetzt. Die angestrebte Neufassung des Parteiprogramms der DKP aus dem Jahre 1978 wurde auf einer zweiten Tagung des 17. Parteitages am 8. April 2006 abschließend beraten und beschlossen. Damit fand ein Pro15 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24 63 zess seinen Abschluss, der Anfang der 1990er Jahre mit dem Zusammenbruch des Sozialismus in Mittelund Osteuropa begonnen hatte. Drei programmatische Vorlaufpapiere (aus den Jahren 1993, 1998 und 2000) waren notwendig, um dieses Programm abschließend zu verabschieden. Im neuen Parteiprogramm der DKP 2006 steht das Bekenntnis zum "Marxismus/Leninismus" im Vordergrund: Dem Fernziel Sozialismus / Kommunismus sollen verschiedene "Etappen" vorausgehen. Die erste "Etappe" umfasst so genannte "Abwehrkämpfe" gegen die "Demontage sozialer und demokratischer Errungenschaften", die zweite soll durch eine "antimonopolistische Umwälzung" im Kampf gegen Großindustrie, Versicherungen und Banken das bestehende Gesellschaftssystem in eine "antimonopolistische Demokratie" umwandeln und die dritte im Wege einer Revolution den endgültigen Übergang zum Sozialismus vollziehen. Hauptzielgruppe bleibt aufgrund der "Klassenkampfideologie" die viel beschworene "Arbeiterklasse", der wegen ihrer Stellung in den Produktionsverhältnissen die "entscheidende Bedeutung für den erfolgreichen Kampf um den Sozialismus zukommt."16 Ein wichtiger Aspekt stellt weiterhin die traditionelle Bündnisarbeit außerhalb und innerhalb der Parlamente und die Zusammenarbeit mit anderen Parteien dar. Die Ziele der DKP haben sich mit dem neuen Programm nicht geändert; im wesentlichen erfolgte lediglich eine sprachliche Anpassung an die heutige Zeit. 2.4.2 "Die Linkspartei.PDS, Rheinland-Pfalz" (DIE LINKE) Gründung: 1989/1990 (Umbenennung SED in PDS bzw. 2005 Umbenennung in Die Linkspartei.PDS) Sitz: Berlin Mitglieder (Bund): 60.300 (2005: 61.567) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): 411 (2005: 258) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 13 Kreisverbänden 16 Parteiprogramm der DKP von 2006, S. 7 64 Die durch eine Umbenennung aus der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) entstandene "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) hat sich 2005 bundesweit umbenannt in "Die Linkspartei.PDS". Sie sieht sich weiterhin als "gestaltende Opposition" zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland. Dabei verfolgt sie die Doppelstrategie, einerseits als Koalitionspartner in Landesregierungen mitzuwirken und andererseits langfristig die Systemüberwindung hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung anzustreben. Die Partei duldet nach wie vor kommunistisch orientierte Strukturen in ihren Reihen, beispielsweise die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) und arbeitet mit anderen Linksextremisten im Inund Ausland zusammen. Nach ihrer Umbenennung in "Die Linkspartei. PDS" ist keine politische Richtungsänderung erkennbar. Der rheinland-pfälzische Landesverband der "Linkspartei.PDS" mit Sitz in Mainz verfügt über eine landesweite Organisationsstruktur. Aktive Kreisverbände bestehen u.a. in Alzey-Worms, Bad Kreuznach, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Bingen, Neuwied, Pirmasens, Trier, Koblenz, Ahr-Rhein-Eifel, Altenkirchen/Oberer Westerwald und Kaiserslautern. Der Landesverband gibt die unregelmäßig erscheinende Schrift "Linksrheinische" als Landeszeitung der Linkspartei heraus und informiert, ebenso wie die Mehrzahl der Kreisverbände, kontinuierlich im Internet über politische Ziele, Aktivitäten und anstehende Termine. Die Partei hat in Rheinland-Pfalz ihr politisches Engagement erheblich gesteigert. Grund dafür ist die Vereinbarung der "Linkspartei.PDS" mit der WASG vom 6. Dezember 2005 zur Parteifusion, womit "die freie Vereinigung der gesellschaftlichen Linken in einer ersten wirklich gesamtdeutschen Partei" bis zum 30. Juni 2007 angestrebt wird. In dieser "Rahmenvereinbarung" zum Parteibildungsprozess zwischen "Linkspartei. PDS" und WASG verzichten beide Parteien darauf, bei künftigen Wahlen konkurrierend anzutreten. In Rheinland-Pfalz trat bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 die "Linkspartei.PDS" mit einer offenen Landesliste an, für die auch Mitglieder der WASG nominiert wurden; im Gegenzug dazu trat die WASG bei der Landtagswahl am 26. März 2006 mit einer offenen Liste an, auf der auch Vertreter der "Linkspartei.PDS" kandidierten. 65 Ihr erklärtes Wahlziel, den Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag (über die WASG-Landesliste) zu erreichen, wurde mit 2,5 % Stimmenanteil jedoch deutlich verfehlt. Bis zur Gründung der neuen Partei im Juni 2007 soll über die Beteiligung an Wahlen und die jeweilige Listennominierung entschieden werden. Dies ist in Rheinland-Pfalz ohne erkennbare Dissonanzen geschehen. Doppelmitgliedschaften werden ausdrücklich erlaubt. Über den Abschluss des Parteibildungsprozesses sollen Bundesparteitage und Urabstimmungen der Mitglieder entscheiden. Zwischenzeitlich verabschiedeten der Bundesvorstand der WASG und der Parteivorstand der "Linkspartei.PDS" die Entwürfe der Gründungsdokumente für die neue gesamtdeutsche linke Partei. Dazu gehören programmatische Eckpunkte, Bundessatzung und Finanzordnung. Der Name der neuen Partei soll "Die Linke." sein. In den neuen programmatischen Grundzügen wird eine umfassende gesellschaftliche Umgestaltung vorgeschlagen, um die Vorherrschaft der Kapitalverwertung über Wirtschaft und Gesellschaft zu beenden und den Herausforderungen der Gegenwart mit einem alternativen Entwicklungsweg zu begegnen. Notwendig sei hierbei "die Überwindung aller Eigentumsund Herrschaftsverhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen" (Karl Marx) sei. Die Eckpunkte umfassen acht strategische Ziele, die den Parteitagen der WASG und der "Linkspartei.PDS" im Jahr 2007 zur endgültigen Entscheidung vorgelegt werden sollen. In dem Gründungsentwurf der "Programmatischen Eckpunkte" sind überwiegend Positionen enthalten, wie sie seit Jahren von der "Linkspartei.PDS" in ihren programmatischen Papieren vertreten werden. Dies vermittelt nach wie vor den Eindruck, dass maßgebliche Passagen von der "Linkspartei.PDS" formuliert worden sind. Dazu gehört insbesondere das Festhalten am Ziel der Systemüberwindung. Das anzustrebende System wird als "eine Gesellschaft beschrieben, in der die Freiheit eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist". Ohne den Fusionsprozess als solchen in Frage zu stellen, trat der Parteivorstand der "Linkspartei.PDS" Rheinland-Pfalz im Berichtsjahr zurück, weil die Bundespartei einen so genannten Fusionsbeauftragten ohne 66 Mitwirkung der rheinland-pfälzischen Parteigremien eingesetzt hatte. Auf dem Landesparteitag am 27. August 2006 wurde daher der Landesvorstand der "Linkspartei.PDS" Rheinland-Pfalz neu gewählt. Der PDS-nahe, im Juni 1999 gegründete Jugendverband "Solid" ist seit Oktober 2000 auch in Rheinland-Pfalz mit einem eigenständigen Landesverband vertreten, der jedoch wie in den Vorjahren weitgehend inaktiv war. Nach eigenen Angaben existieren "Solid"-Ortsgruppen in Trier, Landau, Zweibrücken, Mainz, Westerwald, Alzey-Worms und Birkenfeld. Im Oktober 2006 hat sich in Mainz ein Landesverband der "Kommunistischen Plattform" (KPF) gegründet. Bei der "Kommunistischen Plattform" handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb der PDS. Die KPF steht fest zu und in der marxistischen-leninistischen Tradition. Sie ist in wichtigen Gremien der Bundespartei vertreten. So wurde Sarah WAGENKNECHT (MdEP), Mitglied des Bundeskoordinierungsrates und bis März 2006 Bundessprecherin der KPF, von dem 9. Parteitag am 30. Oktober 2004 mit über 60 % der Stimmen im Parteivorstand der PDS bestätigt. Der innerparteiliche Einfluss der KPF ist nach wie vor sehr stark. 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder (Bund): ca. 2.300 (2005: ca. 2.300) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): 10 (2005: 10) Organisation in Rheinland-Pfalz: Kreisverband Ludwigshafen/Mannheim Grundlegendes Ziel der MLPD, die seit 1982 besteht, ist der "revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Dabei greift sie auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung zurück. Die MLPD grenzt sich mit Nachdruck von der DKP und der "Linkspartei. PDS" ab. 67 In Rheinland-Pfalz besteht ein aktiver Kreisverband im Bereich Ludwigshafen/Mannheim. Zur Landtagswahl am 26. März 2006 trat die MLPD nicht an. Im Rahmen einer so genannten Reorganisation ist die Bildung von sechs Landesverbänden vorgesehen, wobei auch ein Landesverband für die Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland gegründet werden soll. 68 3. ISLAMISMUS Im Jahr 2006 wurde erneut und sogar in verstärktem Maße sichtbar, dass der Islamismus eine nahezu global agierende Bewegung ist. Dies betrifft sein Mobilisierungspotential ebenso wie seine Strukturen, Strategien und die Thematisierung politischer Fragen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch die Bundesrepublik Deutschland und Rheinland-Pfalz den Gefahren ausgesetzt sind, die von der islamistischen Bewegung ausgehen. Besonders offenkundig wurde dies im Juli und August, als in zwei Regionalzügen der Deutschen Bahn Kofferbomben aufgefunden wurden und sich im Zuge der anschließenden Ermittlungen ein islamistischer Hintergrund herausstellte. Wenngleich sich der Islamismus in Deutschland mehrheitlich in seiner gewaltfreien Ausprägung manifestiert, ist festzuhalten, dass auch in diesem legalistischen Bereich ein Weltbild verbreitet wird, das die freiheitliche demokratische Grundordnung in zentralen Punkten zurückweist. Der Islamismus stellt folglich für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz einen Beobachtungsschwerpunkt dar. 3.1 Personenpotenzial 2006 Bund (2005) Rheinland-Pfalz (2005) Islamisten*: 32.150 (32.100) 780 (700) *Weit überwiegend Personen, die einen gewaltfreien Islamismus vertreten. Angaben gerundet. 3.2 Ideologie Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Erscheinungsform des Islam mit politischen und zugleich religiösen Komponenten. Politisch ist der Islamismus in zweierlei Hinsicht: 1. Er strebt eine bestimmte Staatsund Gesellschaftsordnung an. 2. Er behandelt in hohem Maße tagespolitische Themen. Beiden Aspekten liegt allerdings eine religiöse Perspektive und Rhetorik zugrunde. Als Grundlage der angestrebten Staatsund Gesellschaftsord69 nung gilt das islamische Recht (Scharia), das sich aus dem Koran und den Sammlungen überlieferter Aussprüche Muhammads und seiner Gefährten (Hadithe) ableitet. Die islamistischen Diskurse über tagespolitische Themen wie Irak-Krieg oder Palästina-Konflikt sind inhaltlich in keiner Weise religiös. Eine religiöse Dimension erhalten sie jedoch dadurch, dass sie ausschließlich vom Standpunkt der Religionszugehörigkeit aus geführt werden. Hierbei wird zunächst eine Zweiteilung der Menschen in Muslime und Nichtmuslime - gemäß islamistischer Rhetorik vielfach "die Ungläubigen" - vorgenommen. Als dritte Kategorie kommen oftmals diejenigen Muslime hinzu, die nach islamistischer Auffassung vom wahren Islam abgefallen sind und mit den Nichtmuslimen kooperieren. Die Rollenverteilung erfolgt durchgängig und ohne Differenzierung nach dem Schema "Muslime sind die Opfer, Nichtmuslime die Täter". Hieraus werden moralische Werturteile abgeleitet, die letztlich auf einen zwar nicht biologisch, aber religiös begründeten Rassismus hinauslaufen. In der Feindbildhierarchie stehen Israel, die USA sowie die westliche Welt im allgemeinen ganz oben. Hinzu kommen Feindbilder, die eher regional begrenzt sind, zum Beispiel Russland bei tschetschenischen Islamisten oder Indien bei kaschmirischen und einem Teil der pakistanischen Islamisten. Auch wenn die Frontalkritik bei der Mehrzahl der Islamisten verbal und nicht durch Gewaltaktionen artikuliert wird, geht von ihr doch eine stark polarisierende Wirkung aus. Sie ist zudem imstande, Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung in Gang zu setzen. Im militant-islamistischen Spektrum werden machtpolitische Interessen und Gewaltanwendung mittels einer islamisch gefärbten Rhetorik "legitimiert". Hierzu gehören die häufige Bezugnahme auf Gott, die Heranziehung ausgewählter Koranverse und Hadithe sowie die Verwendung von Begriffen wie Märtyrer oder Jihad. Auf Grund des zentralen Stellenwerts des Jihad-Begriffs ist diese Strömung auch unter der Bezeichnung Jihadismus bekannt. Jihadistische Propaganda im Internet: Vermengung von religiöser Rhetorik und Gewaltverherrlichung im Dienste einer globalen Agenda. Schriftzug auf schwarzer Fahne: "Es gibt keinen Gott außer Gott. Muhammad ist der Gesandte Gottes." Schriftzug auf Weltkugel: "Jihadistisches Unterstützungsnetz. Ermahnung, Rechtleitung, Unterstützung, Jihad" 70 3.3 Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2006 Fünf Jahre nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington hat die Gefährdung durch den islamistisch motivierten Terrorismus international betrachtet nicht nachgelassen, sondern ist größer geworden. Dies gilt insbesondere auch für die Bundesrepublik Deutschland. Diese Einschätzung beruht vor allem auf der Beobachtung, dass islamistische Kräfte bestimmte Themen mit Hilfe eines stetig größer werdenden Propagandainstrumentariums für ihre Zwecke instrumentalisieren. Hierdurch ist es ihnen gelungen, eine weitere Generation von Jihadisten heranzuziehen, die sich entweder bestehenden Terrororganisationen anschließen oder unabhängige Kleingruppen bilden. Im Jahr 2006 waren im Hinblick auf die zusätzliche Radikalisierung der islamistischen Szene drei Themen von herausragender Bedeutung: die Muhammad-Karikaturen, der Libanon-Krieg und der fortdauernde Irak-Krieg. Im Februar war in Teilen der muslimischen Welt der Protest gegen zwölf Muhammad-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" und deren Nachdruck in einigen weiteren Printmedien gewaltsam eskaliert. Der Protest wurde von verschiedenen, darunter auch von islamistischen Kräften mitgetragen und vorangetrieben. So hatte beispielsweise einer der einflussreichsten Vertreter der Muslimbruderschaft, Yusuf al-Qaradawi, den 3. Februar zu einem Tag des weltumspannenden muslimischen Protestes ausgerufen. Das von ihm mitbegründete Internetportal "Islamonline" bezeichnete diesen Tag bereits vorab als "Tag des Zorns". Die Proteste von Islamisten in Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt friedlich geblieben, doch einige Monate später wurden die Nachwirkungen auch hierzulande durch einen Anschlagsversuch offenkundig. Am 31. Juli deponierten zwei Personen Gepäckstücke mit explosivem Inhalt in zwei Regionalzügen der Deutschen Bahn. Die Züge waren von Aachen nach Hamm beziehungsweise von Mönchengladbach nach Koblenz unterwegs. Die Sprengsätze in den Koffern waren zwar gezündet, explodierten aber auf Grund eines Konstruktionsfehlers nicht. Am 19. und 24. August wurden die beiden mutmaßlichen Attentäter in Kiel bzw. Tripoli (Libanon) festgenommen. Als Motiv für die Tat gab einer der beiden Beschuldigten an, sich für die Veröffentlichung der Muhammad-Karikaturen in einer deutschen 71 Tageszeitung rächen zu wollen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt derzeit gegen die beiden libanesischen Staatsangehörigen Youssef Mohamed E. H. und Jihad H. sowie weitere unbekannte Personen wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen und des versuchten Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen. Für die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit diesem Vorfall die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in seiner bisher deutlichsten Form konkretisiert. Auch in anderen Teilen Europas wurde die Gefährdung durch den internationalen islamistischen Terrorismus erneut dokumentiert. In Großbritannien wurden am 10. August mehrere Personen festgenommen, die Anschläge auf Passagierflugzeuge geplant haben sollen. Hierbei sollten mit Hilfe von Flüssigsprengstoff mehrere Flugzeuge auf dem Weg von Großbritannien in die USA zur Explosion gebracht werden. Die Ermittlungen dauern an. Darüber hinaus waren im Berichtsjahr erneut zahlreiche islamistisch motivierte Terroranschläge zu verzeichnen. Betroffen waren schwerpunktmäßig und mit steigender Tendenz der Irak und Afghanistan. Auch wenn die Urheberschaft der dort verübten Anschläge in vielen Fällen ungeklärt ist, kann aufgrund der Erkenntnisse über jihadistische Gruppierungen mehrheitlich von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen werden. Terroranschläge erschütterten ferner den ägyptischen Ferienort Dhahab auf der Sinai-Halbinsel (24. April, über 20 Tote), die indischen Städte Mumbai Alltag im Irak: Sprengstoffanschlag auf (11. Juli, über 200 Tote) und Varanasi offener Straße. Hier Bekenntnis des "Schurarats der Mujahidin im Irak" im (7. März, ca. 20 Tote) sowie eine Reihe weiInternet terer Orte. Eine Entwicklung, die sich 2006 fortsetzte, war die Bedeutungszunahme des Internets im islamistischen und insbesondere auch im jihadistischen Spektrum. Die anonyme und virtuelle Welt des Internets mit ihren Videound Audiobotschaften, Bildern und Texten, Chatrooms und Kontaktempfehlungen spielt bei der Radikalisierung speziell von jungen Muslimen eine zunehmende Rolle. Mittlerweile existieren auch vermehrt Internetseiten mit islamistischen und jihadistischen Inhalten in deutscher Sprache. So 72 hat das Sprachrohr der irakischen "al-Qaida", die "Globale Islamische Medienfront (GIMF)", im Frühjahr 2006 eine deutsche Fassung ins Internet gestellt. 3.4 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in RheinlandPfalz Von den etwa 110.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 780 Personen islamistische Bestrebungen. Die höhere Zahlenangabe gegenüber dem Vorjahresbericht (ca. 700 Personen) beruht darauf, dass die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) mehr Mitglieder hat als bisher angenommen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass in einzelnen Moscheevereinen eine Annäherung oder gar ein Anschluss von Personen an das islamistische Spektrum stattgefunden hat. Die meisten der 780 Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen gewaltfreien Islamismus. Eine Minderheit steht allerdings in Beziehung zu gewaltbereiten Personen aus dem jihadistischen Spektrum (siehe Punkt 3.4.6). Rund 20 der insgesamt ca. 110 Moscheevereine in Rheinland-Pfalz weisen Bezüge zum Islamismus auf. Konkret handelt es sich dabei um etwa 14 IGMG-Vereine, zwei Moscheen des verbotenen "Kalifatsstaats" sowie einzelne unabhängige Moscheevereine mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern sowie Konvertiten. In solchen Vereinen mischen sich Einzelpersonen mit Bezügen zur islamistischen Bewegung unter Besucher, die nicht in islamistischer Weise aktiv sind. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer solchen Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen in einigen Fällen festgestellt werden, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Jihad-Einsatz gab es nach den vorliegenden Erkenntnissen in Rheinland-Pfalz aber bisher nur sehr vereinzelt. Als Reaktion auf die Muhammad-Karikaturen und die kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon und in Nordisrael wurden in einigen 73 rheinland-pfälzischen Moscheen vermehrt Aussagen festgestellt, die ein islamistisches Gedankengut offenbarten. Zu nennen sind hierbei Solidaritätsbekundungen für die Hizb Allah, massive - über sachliche Kritik weit hinausgehende - antiwestliche und antiisraelische Propaganda sowie gelegentlich auch Gewalt verherrlichende Äußerungen. Gleichzeitig kann festgehalten werden, dass es auch Stimmen gab, die zu Besonnenheit und Mäßigung aufriefen. In Rheinland-Pfalz gibt es im einzelnen folgende islamistische Organisationen, Gruppierungen und Vertreter:17 3.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), 1995 Neugliederung als IGMG Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder (Bund): ca. 26.500 (2005: ca. 26.500) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 650 (2005: ca. 600) Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen ganz überwiegend türkische und türkisch-stämmige Personen. Die IGMG bietet hiesigen Muslimen und speziell ihren Mitgliedern ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Moscheebau, Hausaufgabenbetreuung, Seelsorge, Pilgerund Kulturreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Zwar präsentiert sich die IGMG nach außen als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Orga17 Im Bundesgebiet gibt es weitere islamistische Organisationen, u.a. "Ansar al-Islam", HAMAS, "Hizb ut-Tahrir". In Rheinland-Pfalz traten diese Organisationen im Berichtsjahr nicht in Erscheinung. 74 nisation, doch bei näherer Betrachtung werden vielfältige Verbindungen zum - gewaltfreien - islamistischen Spektrum offenkundig, und zwar speziell zur "Milli Görüs"-Bewegung. Die "Milli Görüs"-Bewegung geht organisatorisch wie ideologisch auf Necmettin ERBAKAN zurück und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Hierzu zählen insbesondere die "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei") in der Türkei und die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" einschließlich ihrer Europa-Ausgabe. Auf die Zugehörigkeit der IGMG zu diesem Komplex lässt zunächst einmal die Namensgebung ("Islamische Gemeinschaft Milli Görüs") schließen. Darüber hinaus hat es im Berichtsjahr erneut Anhaltspunkte für Beziehungen zwischen IGMG und der "Saadet Partisi" gegeben. So besuchten nach einem Bericht der "Milli Gazete" vom 3. Mai zahlreiche Angehörige der IGMG in Europa den Generalvorsitzenden dieser Partei, Recai KUTAN, und gratulierten ihm zu seiner Wiederwahl. Weiterhin trat nach Berichten der "Milli Gazete" ein Mitglied des Verwaltungsrats der "Saadet Partisi" bei verschiedenen IGMG-Veranstaltungen in Hessen auf. Im September hielt der stellvertretende Vorsitzende der "Saadet Partisi", Prof. Dr. Numan KURTULMUS, eine Rede bei einer Versammlung des "Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG), das seinerseits von der IGMG dominiert wird. Weiterhin liegen Erkenntnisse über Verbindungen zur "Milli Gazete" vor. Diese Zeitung ist zwar formal von der IGMG unabhängig, liegt aber regelmäßig in den Räumlichkeiten von IGMG-Ortsvereinen zur Lektüre, gelegentlich auch zur Mitnahme aus. Auffällig ist weiterhin die dortige umfängliche Berichterstattung über IGMG-Veranstaltungen. Wie schon in den Vorjahren wurde auch 2006 bei einigen IGMG-Veranstaltungen für ein Abonnement der "Milli Gazete" geworben. Dies ist zum Teil in der "Milli Gazete" selbst nachzulesen: "Unseren Kleinen, die auf einem von der IGMG-Gemeinde Waiblingen organisierten und von etwa 2000 Menschen besuchten Beschneidungsfest in Waiblingen bei Stuttgart in einem Festsaal auf jeden Tisch ungefähr 500 Exemplare der Milli Gazete mit Freude ausgelegt haben, sprechen wir hiermit - ebenso wie deren Eltern - unseren Dank aus." (9. Mai 2006) Die "Milli Gazete" spielt bei der Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie eine zentrale Rolle. Kennzeichnend hierfür ist eine bipolare Weltsicht ein75 schließlich einer ausgeprägten antiisraelischen und antiwestlichen Propaganda. Dies kommt bereits in Necmettin ERBAKANs programmatischer Schrift "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung") zum Ausdruck. Gerechtigkeit wird nach seinem Verständnis untrennbar mit dem Islam bzw. einer strikten islamischen Ordnung verbunden, während vom Islam abweichende Politikoder Gesellschaftsmodelle gleichsam als Synonyme für Ungerechtigkeit und Despotie gelten und überwunden werden sollen. Die "Milli Görüs"-Ideologie geht weiterhin von einem ganzheitlichen Islamverständnis aus. Die nachfolgenden Zitate aus der "Milli Gazete" bringen dieses Weltbild, stellvertretend für viele weitere Aussagen ähnlicher Art, zum Ausdruck: "Der Islam ist nicht allein eine Religion im Sinne einer individuellen Gewissensfrage. Er ist eine Gesellschaftsreligion, eine Weltordnung." (15. Juli 2006) Eine solche Definition von Religion kollidiert mit der weitgehend säkularen Staatsund Rechtsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland besteht, und greift in das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen ein. Der zum Schluss angesprochene Absolutheitsanspruch kehrt auch in anderen Artikeln wieder: "Es gibt Tatsachen. Die Religion ist die erste und einzige Tatsache des menschlichen Lebens [...] Der Unglaube hat nur eine einzige Nation. Das Nichtige und der rassistische Imperialismus sind die bedeutendsten Probleme, die die Menschheit bedrohen [...] Seit der Auflösung Russlands 1990 ist die Welt auf einen einzigen Pol gerichtet. Deswegen ist die islamische Welt zur Zielscheibe geworden. Die Welt braucht eine neue Eroberung - solange, bis eine gerechte Ordnung und eine neue Welt begründet sind." (6. Juni 2006) Der folgende Ausschnitt entstammt einem Artikel, der sich auf das "Milli Görüs-Symposium" am 28. und 29. Oktober in Istanbul bezieht. Daran hatten auch Vertreter aus Deutschland teilgenommen. "Zuerst muss folgendes gesagt werden. Die Milli Görüs-Mentalität will keine Kompromisse mit der derzeitigen Weltordnung schließen, sie will auch nicht mit dieser zusammenarbeiten [...] 76 Der Geist der Milli Görüs hat die Rettung und die Glückseligkeit der gesamten Menschheit zum Ziel und hat deshalb eine universelle Identität [...] Dass Milli Görüs auf individueller, regionaler, nationaler und globaler Ebene die Bewegung echter Unabhängigkeit und Freiheit ist, wird der gesamten Menschheit auf dem 1. Internationalen Milli Görüs-Symposium öffentlich und einstimmig bekannt gegeben." (31. Oktober 2006) Die folgenden Zitate stehen in einem deutlichen Gegensatz zum Gedanken der Völkerverständigung. Im Zusammenhang mit dem Protest von Muslimen gegen die Muhammad-Karikaturen lautete der Kommentar am 21. Februar folgendermaßen: "Die Wilden, die sich mit dem Blut der Muslime voll gesaugt haben, sind auf Grund der Tatsache, dass die Muslime sich rühren, beunruhigt. Daher haften sie den Muslimen, die sich nicht aussaugen lassen, das Etikett "Terroristen" an und versuchen, die Muslime davon abzuhalten, ihren Glaubensbrüdern zu Hilfe zu eilen." Noch wesentlich weiter geht ein Kommentar, der kurz nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon und in Nord-Israel veröffentlicht wurde: "Die "Vereinten Nationen gegen Unterdrückte" [gemeint ist die UNO] versuchen, unsere [die türkische] Armee für ihre widerwärtigen und unmoralischen Spiele im Nahen Osten einzubeziehen und sie zum Bestandteil der angeblichen Friedenstruppe zu machen. Indessen gibt es nach dieser Sachlage für sie nur eins zu tun: sie muss Israel mit einer erfolgreichen Operation aus dem Nahen Osten herausschneiden. Dies bedeutet, dass wir auf dieses Spiel nicht hineinfallen sollten und es notwendig ist, Israel am Hals zu packen und in die tiefste Hölle zu schicken [...] Die türkische Armee kann nicht als Friedenstruppe dorthin gehen. Wenn sie dorthin geht, kann sie für den Frieden nur eines tun: Israel vernichten." (22. August 2006) Die Anbindung der IGMG an Necmettin ERBAKAN, "Saadet Partisi", "Milli Gazete" und somit an den Gesamtkomplex "Milli Görüs" muss weiterhin als gegeben betrachtet werden und hat insofern Konsequenzen auf ihr Verständnis von Religion und Staat sowie die Förderung bestimmter Feindbilder. 77 3.4.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder (Bund): ca. 750 (2005: ca. 750) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 40 (2005: ca. 40) Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" lässt bereits auf einen der wesentlichen Programmpunkte dieser türkisch-islamistischen Organisation schließen: die Wiedererrichtung des Kalifats und gleichzeitige Abschaffung der Republik als Staatsform. Als erster Schritt hierzu erfolgte die Ausrufung des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN zum Kalifen durch die Vereinsmitglieder. Nach seinem Tod im Jahre 1995 führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel, fand jedoch ebenso wie sein Vater außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Wenngleich die Rhetorik des "Kalifatsstaats" stark auf die Türkei bezogen ist, werden die Demokratie und ihre wesentlichen Prinzipien wie Volkssouveränität oder Mehrparteiensystem doch grundsätzlich abgelehnt. Dies führte neben seiner vehementen Agitation gegen Israel und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker zu seinem Verbot im Jahre 2001. Das bundesweite Vereinsverbot erstreckte sich auch auf drei rheinland-pfälzische Vereine, die als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifiziert wurden, nämlich den "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", die "Islamische Union Ludwigshafen" sowie den "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung". Das Vereinsverbot und die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei im Oktober 2004 führten dazu, dass ein großer Teil der "Kalifatsstaat"-Anhänger in Deutschland offene Nachfolgeaktivitäten vermeidet. Einzelne versuchen allerdings, organisatorische Zusammenhänge aufrechtzuerhalten. 78 Zudem präsentiert sich der "Kalifatsstaat" derzeit verstärkt im Internet. So betreibt er eine unter niederländischer Adresse registrierte Internetseite, die als "offizielle Seite des Kalifatsstaats" firmiert und seine Ideologie anhand zahlreicher Zitate, Audiound Videodateien des Vereinsgründers Cemaleddin KAPLAN darstellt. In der umfangreichen Zitatsammlung finden sich Aussagen wie die folgenden: "Der Islam ist sowohl Religion als auch Staat, sowohl Gottesdienst als auch Politik". "Solange es die von Gott gesandten Gesetze gibt, bedeutet die Erstellung von Gesetzen [durch Menschen] und Verabschiedung einer Verfassung, in Konkurrenz zu Gott zu treten. Dies bedeutet, gegen Ihn Krieg zu eröffnen". Der "Kalifatsstaat" ist im Internet weiterhin mit einem Online-Radiosender sowie einem Online-Fernsehsender vertreten. Beide sind unter einer türkischen Adresse registriert. 3.4.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder (Bund): 1.300 (2005: ca. 1.300) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne (2005: einzelne) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine (2005: keine) Die Muslimbruderschaft existiert in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der Muslimbruderschaft gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und die "Islamische Heilsfront" (FIS) in Algerien hervor. Die Muslimbruderschaft strebt die Durchdringung der staatlichen und rechtlichen Ordnung durch den Islam und seine Vorschriften an. Sie bezieht damit eine Oppositionshaltung zu den meisten Regierungen in der muslimischen Welt, ist jedoch von den gewaltsamen Ausein79 andersetzungen der Vergangenheit wie zeitweise in Ägypten und Syrien abgerückt. Stattdessen ist sie bestrebt, ihre Position im vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen zu stärken und schließlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. In Deutschland stellt die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München eine Art Interessensvertretung der Muslimbruderschaft dar. Gemäß ihren eigenen Angaben sind ihr acht so genannte "Islamische Zentren" angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Die offiziellen Verlautbarungen der IGD stehen in der Regel im Einklang mit der Staatsund Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig unterhält sie jedoch Verbindungen zu Organisationen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft verpflichtet sind, so zur "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE) und deren Mitgliedsorganisation "Europäischer Rat für islamische Rechtsgutachten und Forschung" (ECFR). Im Weltbild der Muslimbruderschaft lassen sich u.a. folgende Punkte identifizieren: - ganzheitliches Islamverständnis mit ewig und universell gültigen Rechtsnormen, - Vorrangstellung der Scharia gegenüber allen anderen Rechtssystemen, - eingeschränkte Religionsund Meinungsfreiheit, - rechtliche Benachteiligung von Frauen und Nichtmuslimen, - Feindbild Israel und Westen, - Rechtfertigung von Gewaltanwendung gegen Israel. Die Verflechtung der IGD mit Organisationen, deren Weltbild durch die Muslimbruderschaft geprägt ist, lässt Zweifel aufkommen, ob sie wirklich hinter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland steht oder sich nicht vielmehr für die Verbreitung islamistischer Positionen bei hiesigen Muslimen einsetzt. In Rheinland-Pfalz gibt es keine Vereine oder Moscheen, die der Muslimbruderschaft bzw. der IGD zugeordnet werden können. Allerdings liegen 80 bei einigen Personen Erkenntnisse über eine Nähe zur Muslimbruderschaft vor. Mehr noch, in einzelnen Vereinen konnten im Jahresverlauf Bestrebungen im Sinne einer ideologischen Einflussnahme festgestellt werden. 3.4.4 "Hizb Allah" ("Partei Gottes") Gründung: 1982 im Libanon Mitglieder (Bund): ca. 900 (2005: ca. 900) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 25 (2005: ca. 25) Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Die schiitische "Hizb Allah" wurde 1982 mit iranischer Hilfe im Libanon gegründet. Mittlerweile stellt sie dort einen in das politische System integrierten, zugleich aber eigenständigen Machtfaktor dar, der die Regierung in eine Position der Schwäche abgedrängt hat. So agiert sie innerhalb des bestehenden politischen Systems als politische Partei, die mit Abgeordneten im Parlament vertreten ist und zeitweise zwei Minister in der Regierung stellte. Gleichzeitig präsentiert sie sich als eine sozial und karitativ aktive Organisation. Das dritte Standbein, auf dem sie ihre Macht aufbaut, ist ihre paramilitärische Armee mit Tausenden von Kämpfern und einem beträchtlichen Waffenarsenal, das auch schwere konventionelle Waffen wie Katjuscha-Raketen, Kurzstreckenraketen und Schützenpanzer umfasst. Damit verstößt sie gegen die Resolution 1559 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahre 2004, welche die Entwaffnung aller Milizen im Libanon vorschreibt. Am 12. Juli löste die Tötung von acht und Gefangennahme von zwei israelischen Soldaten durch Angehörige der "Hizb Allah" einen Krieg aus, bei dem sich die israelische Armee und die "Hizb Allah" gegenüberstanden. In den nachfolgenden Wochen forderten Raketenangriffe der "Hizb Allah" sowie massive Operationen des israelischen Militärs Todesopfer auf beiden Seiten. Im Dezember suchten die "Hizb Allah" und ihr Generalsekretär Hasan Nasrallah eine Machtprobe anderer Art. Im Schulterschluss mit weiteren pro-syrischen Gruppen versuchten sie, mittels Verbalattacken und Massendemonstrationen den libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora zum Rücktritt zu drängen. 81 In Deutschland ist seit einigen Jahren ein Rückgang an "Hizb Allah"-Aktivitäten zu verzeichnen. Von punktuellen Anlässen abgesehen, hat die Mitarbeit in den örtlichen "Hizb Allah"-Vereinen nachgelassen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Feierlichkeiten, die auch 2006 wieder in verschiedenen Ortsvereinen zum Jahrestag des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon ("Tag der Befreiung", 23. Mai) begangen wurden. Zu den Feierlichkeiten wurden zumeist hochrangige "Hizb Allah"-Mitglieder aus dem Libanon eingeladen. Dagegen beteiligen sich seit einigen Jahren nur noch wenige Schiiten aus "Hizb Allah"-Kreisen an der in Berlin stattfindenden "Al-Quds"Demonstration, die sich gegen die israelische Präsenz in Jerusalem richtet. Die kriegerischen Ereignisse im Libanon führten allerdings 2006 erwartungsgemäß zu einer vorübergehenden Zunahme von "Hizb Allah"-Aktivitäten in Deutschland. So fanden teils auf Initiative, teils lediglich unter Beteiligung von "Hizb Allah"-Anhängern Mahnwachen, Protestkundgebungen und öffentliche Aufzüge in verschiedenen deutschen Städten statt, darunter auch in Neuwied. In mehreren Fällen nahmen rheinland-pfälzische "Hizb Allah"Anhänger an Demonstrationen in benachbarten Bundesländern statt. Die Veranstaltungen verliefen weitgehend friedlich. In einigen Städten wurden jedoch Embleme der "Hizb Allah" und Bilder des Generalsekretärs Hasan Nasrallah gezeigt sowie antiisraelische und antiamerikanische Parolen wie "Israel, Mörder" skandiert. Aktivitäten, die über die erwähnten Demonstrationen sowie Spendensammlungen für den Libanon hinausgehen, wurden in Rheinland-Pfalz nicht bekannt. 3.4.5 "Tabligh-i Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Delhi und Raiwind bei Lahore, Pakistan Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien Anhänger (Bund): ca. 600 (2005: ca. 500) Anhänger (Rheinland-Pfalz): ca. 40 (2005: ca. 10) 82 Die "Tablighi Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von ihrem Ursprungsland Indien in zahlreiche Länder auf allen Kontinenten verbreitet und befindet sich weiterhin in einem Expansionsprozess. Ihre Anhängerschaft soll Schätzungen zufolge weltweit im zweistelligen Millionenbereich liegen. Eine diesbezügliche Präzisierung fällt insofern schwer, als die "Tablighi Jamaat" trotz ausgeprägter Organisationsstrukturen im Hinblick auf Neuzugänge eine offene Bewegung ist und keine Mitgliederlisten im klassischen Sinne führt. Die "Tablighi Jamaat" charakterisiert sich selbst als eine religiösmissionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat liegen die Hauptaktivitäten der Tablighi Jamaat im Bereich der Missionierung und religiösen Erziehung. Konkret sieht sie es als ihren Auftrag, Muslime über die Glaubenslehren, rituellen Vorschriften und Verhaltensregeln des Islam zu informieren und sie zu einem Leben hinzuführen, das sich strikt am Koran und der überlieferten Lebensweise Muhammads und seiner Gefährten (Sunna) orientiert. Das Bemühen um die Wiederherstellung eines "reinen" Islam und Betonung der muslimischen Identität geht mit einer Abgrenzung gegenüber anderen Religionen und Lebensformen einher. So wird bezeichnenderweise in einer der Hauptschriften der "Tablighi Jamaat" beklagt, die Muslime des 20. Jahrhunderts seien allzu sehr darauf aus, Seite an Seite mit den Nichtmuslimen die Annehmlichkeiten des Diesseits zu genießen.18 Auch wenn die Rhetorik der "Tablighi Jamaat" vordergründig unpolitisch ist, besitzt ihr Bestreben, den Lebensalltag der muslimischen Gemeinde nach den Vorstellungen eines puritanisch verstandenen Islam zu formen, unterschwellig eine gesellschaftspolitische Komponente. Konkret äußert sich dies u.a. in einer starken Abschottung gegenüber Nichtmuslimen und deren Lebensweise, einer streng praktizierten Geschlechtertrennung und einer weitgehenden Zurückdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Leben. 18 Muhammad Zakariyya Kaandhlawi: Faza'il-e-A'maal [Die Segnungen frommer Taten]. Karachi 1997. S. 35. 83 Das von der "Tablighi Jamaat" vermittelte Weltbild birgt im Zusammenwirken mit den gegebenen politischen Konflikten die Gefahr, individuelle Radikalisierungsprozesse in Gang zu setzen oder zumindest zu fördern. Ferner besteht die Gefahr, dass jihadistische Gruppierungen die Anhängerschaft der "Tablighi Jamaat" als geeignete Rekrutierungsbasis sehen und deren weltweite Strukturen für eigene Zwecke nutzen. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich einzelne Fälle ergeben, in denen Glaubenskämpfer zumindest zeitweise der "Tablighi Jamaat" angehörten. Von der "Tablighi Jamaat" als solcher gingen bisher aber keine Gewaltaktionen aus. Die "Tablighi Jamaat" hat innerhalb der vergangenen Jahre auch in Rheinland-Pfalz vermehrt Aktivitäten entfaltet, um neue Anhänger zu gewinnen. Hierbei nehmen Missionsgruppen Kontakt zu bestehenden Moscheevereinen zwecks Schulungsseminaren auf. Eine Intensivierung der Missionsaktivitäten im Jahr 2006 war gegenüber den Vorjahren allerdings nicht zu verzeichnen. Im März/April 2006 fand in Frankfurt am Main ein Europatreffen der "Tablighi Jamaat" statt, im Mai schließlich ein Deutschlandtreffen in Berlin mit mehreren Hundert Besuchern aus dem Inund Ausland. Hierbei wurde die Wichtigkeit betont, die Missionsarbeit unter Muslimen wie Nichtmuslimen voranzutreiben. Als Fernziel wurde vereinzelt die Annahme des Islam durch die gesamte Menschheit genannt. 3.4.6 Jihadistische Islamisten Die zahlreichen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Jihad gegen die von ihnen als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter ihrer Eigenbezeichnung Mujahidin oder der Fremdbezeichnung Jihadisten zusammengefasst. Charakteristisch für sie ist eine Gewalt betonende Auslegung des Jihad-Begriffs unter Einschluss terroristischer Mittel. Die heutige Jihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen - zu nennen sind vor allem Irak, Afghanistan, Kaschmir, Tschetschenien und Israel/ Palästina. Die Kampffront ist allerdings räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Dies 84 bedeutet, dass auch andere - der Islamfeindlichkeit beschuldigte - Länder in das Visier von Jihadisten geraten und zum Schauplatz von terroristischen Aktionen werden können. Die jihadistische Bewegung ist auch im Hinblick auf die Herkunft ihrer Anhänger, ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen nahezu global. Bezüglich der derzeitigen Verfassung und Rolle al-Qaidas im jihadistischen und terroristischen Spektrum gehen die Einschätzungen von Nachrichtendiensten, Medien und Terrorismusexperten auseinander. So wird mitunter die Auffassung vertreten, dass sich al-Qaida inzwischen wieder als Organisation gefestigt habe und das Potenzial für große Terroranschläge besitze. Im Gegensatz hierzu gibt es aber auch die Einschätzung, dass alQaida in operativer Hinsicht weiterhin geschwächt sei und hauptsächlich auf ideologisch-propagandistischer Ebene Bedeutung besitze. So meldeten sich Usama BIN LADIN und sein Stellvertreter Aiman AL-ZAWAHIRI auch 2006 wieder in mehreren Audiound Videobotschaften zu Wort. In ihnen riefen sie die Muslime zum gemeinsamen Jihad gegen die "Feinde der Muslime" in Afghanistan, Irak, Palästina und anderen Orten auf. In einer Tonaufzeichnung, die kurz nach dem Streit um die Muhammad-Karikaturen entstand, drohte AL-ZAWAHIRI den "Kreuzfahrern des Westens" mit Anschlägen. Die relativ autonome al-Qaida-Sektion im Irak verlor mit der Tötung Musab AL-ZARQAWIs durch einen US-Luftangriff am 7. Juni ihren Anführer und ihre Symbolfigur. Dies führte allerdings nicht zu einem Rückgang ihrer Anschlagsaktivitäten, die sowohl gegen die US-Besatzung als auch gegen Angehörige der schiitischen Bevölkerungsgruppe gerichtet sind. Am 15. Oktober rief das "Ratgebergremium (Schura-Rat) der Mujahidin", ein DachverFester Bestandteil jihadistischer Interband unter Führung der irakischen al-Qaida, netseiten: Märtyrerverherrlichung - hier einen "Islamischen Staat Irak" aus. am Beispiel von Musab AL-ZARQAWI In Europa wird das jihadistische Spektrum seit einigen Jahren insbesondere durch Kleingruppen geprägt, die zwar ideologisch von bestimmten Jihad-Propagandisten beeinflusst sind und sich durch al-Qaida inspiriert 85 fühlen, die aber organisatorisch selbständig oder zumindest weitgehend selbständig operieren. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand könnte es sich im Falle der mutmaßlichen Bahnattentäter um eine solche Kleingruppe handeln. Allerdings sind sie kein Beispiel für so genannte "Homegrown"bzw. "hausgemachte" Terroristen. Hiermit bezeichnet man solche Terroristen, die einer nachfolgenden Einwanderergeneration angehören und im Zielland des Anschlags aufwuchsen. Dies war bei den Selbstmordattentätern, die am 7. Juli 2005 in London Anschläge auf den öffentlichen Nahverkehr verübten, der Fall. Im Gegensatz hierzu lag bei den beiden mutmaßlichen Bahnattentätern eine relativ kurze Aufenthaltsdauer in Deutschland vor. Für die Sicherheitsbehörden verkürzt sich damit die Zeitspanne für eine eventuelle Erkenntnisgewinnung. In Anbetracht der zunehmenden Rolle des Internets ist des weiteren die Gefahr der individuellen, d.h. organisationsunabhängigen Selbstradikalisierung gestiegen. In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum jihadistischen Spektrum vorliegen. Ihre Aktivitäten werden von den Sicherheitsbehörden zwecks Gefahrenabwehr und der Gewinnung von Erkenntnissen über ihre tatsächliche Zugehörigkeit zu diesem Komplex intensiv überwacht. 86 4. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Das Verhalten der in Deutschland agierenden (nicht islamistischen) extremistischen Ausländerorganisationen - primär handelt es sich dabei um türkische Gruppierungen - wurde überwiegend durch die Entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Bedeutsam ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die seit November 2003 unter der Bezeichnung "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) in Erscheinung tritt und auch im Jahr 2006 ihren nach eigenem Bekunden auf eine friedliche Lösung der "Kurdenfrage" gerichteten politischen Kurs fortgesetzt hat. Das politische Handeln des KONGRA GEL bleibt nach wie vor eng verbunden mit dem Schicksal des seit 1999 in der Türkei inhaftierten Parteigründers Abdullah ÖCALAN; zahlreiche Protestaktionen der KONGRA GEL Anhängerschaft gegen dessen Haftbedingungen bestimmten im Berichtszeitraum das Bild in Europa und Deutschland. Die anhaltenden Kampfhandlungen in der Türkei zwischen den "Volksverteidigungskräften" (HPG) und dem türkischen Militär wurden durch ein erneutes "einseitiges" Waffenstillstandsabkommen seitens des KONGRA GEL am 1. Oktober 2006 unterbrochen; der türkischen Regierung gegenüber würde eine "letzte Chance" eingeräumt, sich hinsichtlich der "Kurdenfrage" zu bewegen. In Europa verfolgt der KONGRA GEL mit den seit Jahren bestehenden Organisationsstrukturen weiterhin einen gewaltfreien Kurs. 4.1 Personenpotenzial 2006 Bund (2005) Rheinland-Pfalz (2005) Gesamt: 25.250 (25.320) 600 (600) Linksextremisten: 16.870 (16.890) 500 (500) Extreme Nationalisten: 8.380 (8.430) 100 (100) Angaben gerundet 87 4.2. Gewalttatenzahlen Übersicht über Gewalttaten mit 2006 2005 extremistischem Hintergrund: Gesamt: 1 -- Deliktsarten: Landfriedensbruch: 1 -- 4.3 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) - ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" - (PKK) - Gründung: 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) in der Türkei Umbennungen: April 2002 in KADEK und Anfang November 2003 in KONGRA GEL Leitung in Westeuropa/ Führungsfunktionäre der "Koordination der Deutschland: Kurdischen Demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger (Bund): ca. 11.500 (2005: ca. 11.500) Mitglieder/Anhänger (Rheinland-Pfalz): ca. 450 (2005: ca. 450) Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Allgemeine Lage Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von Abdullah ÖCALAN ("APO") als marxistisch-leninistische Kaderpartei mit dem Ziel der Errichtung eines unabhängigen kurdischen Nationalstaates gegründet. Von 1984 bis 1999 führte sie im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg gegen den von ihr als Kolonialmacht empfundenen türkischen Staat. Auch in Westeuropa verübte die PKK terroristische Anschläge und führte zahlreiche gewalttätige Demonstrationen durch. Im November 1993 wurde sie in Deutschland mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt. Nachdem PKK-Führer Abdullah ÖCALAN 1999 in Kenia verhaftet worden ist und nunmehr in der Türkei eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, 88 entschloss sich die PKK zur Einstellung des bewaffneten Kampfes und zeigte sich an einer weitergehenden "Demokratisierung" und einen friedlichen Ausgleich mit dem türkischen Staat bemüht. Ausdruck des neuen politischen Kurses mit dem Bestreben nach größerer politischer und kultureller Eigenständigkeit der Kurden in ihren Herkunftsländern, allen voran in der Türkei, war zugleich ihre Organisationsumbenennung 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und im November 2003 in "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL). Damit wollte sie u.a. auch den Makel einer Terrororganisation abstreifen und in Westeuropa als politische Kraft Anerkennung finden. Die Lösung des Kurdenproblems sah der KONGRA GEL nach wir vor eng verknüpft mit dem Schicksal Abdullah ÖCALANs. Zahlreiche Protestaktionen gegen dessen Haftbedingungen bestimmten in den letzten Jahren auch das Bild in Europa. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, drohte der KONGRA GEL der türkischen Regierung wiederholt seine bisherige Strategie zu überdenken und möglicherweise in der Türkei zu terroristischen Aktionen zurückzukehren, wenn in der Kurdenfrage keine Fortschritte erzielt würden. Dabei verkündete Waffenstillstände wurden mehrfach beendet bzw. erneuert, zuletzt am 1. Oktober 2006. Zwischendurch kam es immer wieder zu schwersten Kampfhandlungen in der Südosttürkei zwischen der türkischen Armee und PKK-Guerilla-Einheiten - den so genannten Volksverteidigungskräften (HPG) -, die seit Ende 2003 innerhalb der Organisation autonom agierten. Parallel dazu gab es seit Mitte 2004 zahlreiche Anschläge mit Toten und Verletzten in türkischen Städten und Touristengebieten, für die die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) verantwortlich waren - eine dem KONGRA GEL nahe stehende Gruppierung. Auch 2006 wurden die Kampfhandlungen zwischen den HPG und dem türkischen Militär fortgesetzt, wobei Ursache und Wirkung jeweils einseitiger 89 Betrachtung unterlagen. So sah sich der KONGRA GEL ausschließlich in der Verteidigung gegenüber einem Vernichtungsfeldzug der türkischen Armee; diese wiederum sah sich gezwungen, einer zunehmenden Stärke der kurdischen Kampftruppen im Südosten der Türkei zu begegnen und damit einhergehende terroristische Aktivitäten zurück drängen. Der Konflikt wurde durch die zahlreichen terroristischen Anschläge der TAK verschärft. Der Verlust von Menschenleben wird dabei billigend in Kauf genommen. Dem türkischen Staat wurde mit der Fortsetzung des todbringenden Aktionismus gedroht, falls dieser kein Entgegenkommen gegenüber den Kurden zeige. Trotz der ständig eskalierenden Ausschreitungen in der Türkei war das Verhalten der KONGRA GEL Anhängerschaft in Europa besonnen und friedfertig. Geprägt vom "demokratischen" Kurs der Organisation verliefen Protestaktionen und sonstige Veranstaltungen der Organisation in Deutschland weitgehend störungsfrei. Die im August 2006 in Deutschland vorgenommenen Verhaftungen hochrangiger Kader/Funktionäre von KONGRA GEL/CDK zogen heftigste, jedoch gewaltfreie Proteste der Anhängerschaft nach sich. Dabei wurden die EU-Staaten, insbesondere Deutschland neben der Tatenlosigkeit hinsichtlich der ausufernden Gewalt in der Südosttürkei auch der permanenten Kriminalisierung und politischen Verfolgung der Kurden in Europa bezichtigt. Gewaltbereitschaft war im Jahr 2006 nur phasenweise bei den Anhängern der Jugendorganisation COMALEN CIVAN festzustellen. Ihre Aktionen richteten sich gezielt gegen türkische Einrichtungen; teilweise kam es dabei auch zu Personenund Sachschäden. Auslösender Faktor waren jeweils die Ereignisse in der Türkei. Zum 1. Oktober 2006 verkündete der KONGRA GEL auf Vorgabe von Abdullah ÖCALAN einen erneuten "einseitigen" Waffenstillstand, dessen Dauer von entsprechenden Schritten der türkischen Regierung zur Lösung der Kurdenfrage abhängig gemacht wurde. Anfang Dezember 2006 neu entbrannte gewalttätige Auseinandersetzungen in der Türkei stellten diese Waffenstillstandserklärung in Frage. 90 Die KONGRA GEL Führung ließ dazu verlauten, die Waffenruhe sei die letzte Chance der türkischen Regierung; gleichzeitig stellte sie ihr ein weiteres Handlungsultimatum bis zum Frühjahr 2007. Auch die TAK, die seit Oktober die Waffen ruhen ließen, drohten mit weiteren terroristischen Gewaltaktionen. Strukturen in Deutschland In Deutschland verfolgt die Organisation seit längerem einen gewaltfreien Kurs. Ihre große Anhängerschaft bringt sich regelmäßig in friedlich verlaufende propagandistische Kampagnen ein, kann jedoch auch für militante Aktivitäten jederzeit mobilisiert werden, zuletzt im Jahr 1999 bei der Festnahme ÖCALANs. Den politischen Arm der Organisation in Europa bildet seit 2004 die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK), die mit ihrem verzweigten Funktionärswesen entscheidend den strukturellen Aufbau des illegalen Apparates des KONGRA GEL in Deutschland prägt. Mit geschätzten 11.500 Mitgliedern/Anhängern ist der KONGRA GEL nach wie vor die größte Kurdenorganisation in Deutschland; bei Großveranstaltungen ist er durchaus in der Lage, bis zu 45.000 Sympathisanten zu mobilisieren. Trotz bestehendem Betätigungsverbot setzt der KONGRA GEL seine politischen Aktivitäten in Deutschland unvermindert fort; dazu gehört u.a. die finanzielle und logistische Unterstützung der Guerilla-Einheiten in den kurdischen Krisenregionen. Bundesweit gliedert sich der KONGRA GEL bzw. seine europäische Frontorganisation CDK in drei Sektoren mit insgesamt 27 nachgeordneten Gebieten sowie weiteren Teilgebieten. Politische Vorgaben der Führungsspitze werden über die verschiedenen Organisationsstufen bis auf die Ortsebene weitergeleitet. Dort werden sie von den zahlreichen kurdischen Vereinen, in denen die meisten KONGRA GEL-Anhänger/-Sympathisanten organisiert sind, umgesetzt. Die meisten dieser Vereine gehören der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) an. Zahlreiche Massenorganisationen, die jeweils bestimmte kurdische Bevölkerungsund Interessengruppen repräsentieren (z.B. Aleviten, Jeziten, 91 Jugendliche, Frauen, Studenten etc.) vervollständigen die Organisationsstruktur des KONGRA GEL. Das unter der Bezeichnung "Demokratischer Föderalismus Kurdistans" (Koma Komalen Kurdistans - KKK) im letzten Jahr neu eingeführte politische Konzept der Organisation, das auf der Idee einer Volksdemokratie mit der Bildung so genannter Volksräte basiert, wurde 2006 weiter umgesetzt und erstreckt sich mittlerweile über mehr als die Hälfte aller deutschen Gebiete. Zur öffentlichen Verbreitung seiner politischen Ziele stützen sich KONGRA GEL und CDK auf den in Deutschland über Satellit zu empfangenden kurdischen Fernsehsender "ROJ TV" sowie auf diverse Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika", gegen die 2005 ein Verbotsverfahren lief; seit Januar 2006 wird sie unter der neuen Bezeichnung "Yeni Özgür Politika" (Neue Freie Politik) herausgegeben. Im Rahmen seiner jährlichen Spendenkampagne sammelte der KONGRA GEL 2006 erneut mehrere Millionen EURO. Der rückläufige Trend der letzten Jahre setzte sich allerdings dabei fort. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 450 Mitglieder/Anhänger des KONGRA GEL bzw. der CDK, die vorwiegend im Raum Ludwigshafen/ Worms, im Gebiet Mainz/Bingen/Bad Kreuznach und im nördlichen Rheinland-Pfalz aktiv sind. Der "Kurdische Kulturverein Mannheim" dient nach wie vor auch der KONGRA GEL Anhängerschaft aus dem Bereich Ludwigshafen am Rhein als Kontaktund Anlaufstelle. Von dort wurden zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen initiiert bzw. koordiniert. Thematische Schwerpunkte waren die Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs sowie der "türkische Staatsterror". So demonstrierten am 28. Januar 2006 über 200 KONGRA GEL Anhänger aus dem Gebiet Ludwigshafen/Mannheim in der Mannheimer Innenstadt gegen die "unmenschliche Isolation" von "APO". U.a. skandierte die Menge: "Türkei Terrorist". 92 Am 15. Februar 2006 führten ca. 20 KONGRA GEL Anhänger auf dem Mannheimer Marktplatz eine Flugblattaktion "Freiheit für ÖCALAN" durch. Anlässlich des 28. Jahrestages der PKK-Gründung (27. November 1978) gab es bundesweit Gedenkveranstaltungen. So auch in Mannheim-Rheinau, wo am 10. Dezember 2006 annähernd 500 Anhänger/Sympathisanten des KONGRA GEL Gebietes Ludwigshafen/Mannheim den Anfängen der Partei gedachten. Die aktuelle politische Lage in der Türkei wurde wegen der ständigen Angriffe des türkischen Militärs von den Anwesenden als instabil betrachtet; eine Rückkehr zum "bewaffneten Kampf" wurde als wahrscheinlich erachtet. Rheinland-pfälzische KONGRA GEL Anhänger/-Sympathisanten beteiligten sich auch an bundesund europaweit durchgeführten Propagandaveranstaltungen der Organisation, wie z.B.: 11. Februar 2006 Großdemonstration in Straßburg anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme ÖCALANs mit ca. 12.000 Personen, 15. April 2006 Demonstration in Brüssel "Gegen den türkischen Staatsterror" mit ca. 5.000 Personen, 2. September 2006 14. Internationales Kurdistanfestival in Gelsenkirchen mit ca. 45.000 Personen. 4.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder (Bund): ca. 700 (2005: ca. 700) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne (2005: ca. 25) Die in Deutschland seit 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C) mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als poli93 tischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel strebt nach wie vor die gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung an und propagiert die Errichtung einer sozialistischen, den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgenden klassenlosen Gesellschaft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bis heute hat die DHKP-C in der Türkei mehrere Tötungsdelikte begangen sowie eine Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen verübt, zu denen sie sich jeweils öffentlich bekannt hat. Ziele waren staatliche türkische Einrichtungen und Mitarbeiter der türkischen Sicherheitsbehörden, der Armee und der Justiz. Im Februar 1999 erklärte die Organisation durch ihren Leiter Dursun KARATAS allerdings einen "Gewaltverzicht" für Deutschland und Europa, der bis heute anhält. In der Türkei führt sie ihre gewalttätigen Aktionen jedoch fort. Aktivitäten von Mitgliedern und Unterstützern der Organisation beschränken sich nicht nur auf das Heimatland Türkei. Organisationsstrukturen bestehen auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die DHKP-C-Führung setzt sich hier aus dem Deutschlandund den Regionsund Gebietsverantwortlichen zusammen. Deutschland ist wegen des relativ hohen Wohlstandes und der Vielzahl der hier lebenden Türken das wichtigste Betätigungsfeld der DHKP-C außerhalb der Türkei. Ihre Funktionäre und Mitglieder verhalten sich konspirativ, d.h. sie verwenden Decknamen und wechseln häufig ihren Aufenthaltsort. Auch in Rheinland-Pfalz verfügt die Organisation über eine geringe Mitglieder-/ Anhängerschaft. Das von der DHKP-C gegründete "TAYAD-Komitee" versteht sich als "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei". Der Verein trat im Jahr 2006 aus Anlass weiterer Todesopfer des Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen sowie wegen der Situation in den türkischen Haftanstalten ("Isolationshaft") mit Demonstrationen vor türkischen Konsulaten in der Bundesrepublik, bei denen Flugblätter verteilt und Erklärungen abgegeben wurden, mehrfach in Erscheinung. So kam es am 9. Januar 2006 vor den türkischen Generalkonsulaten in Düsseldorf 94 und Frankfurt/M. sowie am 12. Januar 2006 vor dem Generalkonsulat in Hamburg anlässlich des 121. Opfers im "Todesfasten" zu Protestaktionen mit jeweils 10 bis 12 Personen. Am 3. April 2006 wurden vier in Rheinland-Pfalz wohnhafte DHKP-CAnhänger vom Landgericht Koblenz der Unterstützung eines verbotenen Vereins für schuldig befunden und verwarnt. Das Gericht behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor. Die Unterstützungshandlungen bezogen sich insbesondere darauf, dass sie im Jahr 2002 an der Verbreitung der DHKP-C-Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" mitwirkten. Im Juni 2006 wurde von TAYAD im Internet zu einer europaweiten Solidaritätskampagne für die "Todesfastenden" mit Demonstrationen vor türkischen Konsulaten sowie Einrichtung von Informationsständen aufgerufen. In Berlin, Hamburg, Stuttgart und Köln folgten nur wenige Aktivisten dem Aufruf. Am 2. November 2006 verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt/Main den 42-jährigen Funktionär der DHKP-C Yusuf KARATAS wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass KARATAS im Zeitraum von Juni 1998 bis Februar 1999 als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C für den Bereich Frankfurt/Main, Darmstadt und Aschaffenburg aktiv gewesen ist und gemeingefährliche Straftaten bis hin zu Mord gebilligt hat. Mit dem niedrigen Strafmaß würdigte das Gericht das Geständnis des türkischen Staatsangehörigen. Auch wenn die DHKP-C in Deutschland überwiegend an ihrer friedlichen Linie des Protestes festhielt, zeigen die bisherigen Anschläge der DHKP- C in der Türkei den terroristischen Charakter der Organisation. Vor diesem Hintergrund wurde die DHKP-C bereits im Mai 2002 durch einen Beschluss des Europäischen Rates erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen und ist seitdem auch in den aktualisierten Fassungen der Liste aufgeführt.19 19 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) 95 4.5 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die von Ibrahim KAYPAKKAYA 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML ist seit 1994 in den "Partizan-Flügel" und das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Der DABK-Flügel hat sich Anfang 2003 in "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) umbenannt. Beide Fraktionen verbindet als ideologisches Gerüst die Lehren des Marxismus-Leninismus und Maoismus sowie als politisches Ziel die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei. Dieses Ziel soll mittels eines in der Türkei militärisch geführten revolutionären Kampfes erreicht werden. Zur Umsetzung ihrer Ziele unterhalten beide Flügel in der Türkei voneinander getrennte eigenständige bewaffnete Guerillagruppen, die auf Seiten von "Partizan" unter der Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), auf Seiten der MKP als "Volksbefreiungsarmee" (HKO) agieren. Als Basisorganisationen agieren in der Bundesrepublik für den Partizanflügel die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) und die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK), für den MKP-Flügel die "Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e.V." (ADHF) sowie die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK). TKP/ML sowie MKP führen anlässlich des Todestages (18. Mai 1973) zu Ehren des Parteigründers jährlich eine KAYPAKKAYA-Gedenkveranstaltung mit mehreren Tausend Teilnehmern durch. Am 20. Mai 2006 fand anlässlich des 33. Todestages von KAYPAKKAYA die zentrale Gedenkveranstaltung in der Mittelhessen Arena in Wetzlar statt. Auch der 1. Mai als "Tag der Arbeit" ist traditionell ein Anlass für die türkischen linksextremistischen Organisationen, um die eigenen politischen Positionen mittels Internet sowie in Flugschriften zu propagieren. In Deutschland gehören der TKP/ML ca. 1.300 Mitglieder an (2005: ca. 1.400), davon einzelne in Rheinland-Pfalz. 4.6 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die in der Türkei verbotene und terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer 96 Organisationen. Wie die TKP/ML und die DHKP-C erstrebt sie die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Zu ihren Basisorganisationen gehören die "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) und die "Kommunistische Jugendorganisation" (KGÖ). Sie betätigt sich vorwiegend publizistisch etwa mit Stellungnahmen zu Problemen ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland wie "Sozialabbau", "Einschränkung demokratischer Rechte" und prangert das angeblich "faschistische Regime" in der Türkei und den "amerikanischen Imperialismus" an. Die "Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK), die von den türkischen Sicherheitsbehörden als bewaffneter Arm der MLKP angesehen werden, bekannten sich in der Vergangenheit zu zahlreichen Anschlägen in der Türkei, u.a. auf Sicherheitskräfte, Armee und Parteibüros. Zur Finanzierung der Parteiarbeit und der Guerillaaktivitäten in der Türkei führt die Organisation jährlich eine europaweite Spendenkampagne unter ihren Anhängern durch. Im Zusammenhang mit den Spendensammlungen sind in den letzten Jahren jedoch keine Straftaten mehr bekannt geworden. Interne ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP führten zur Abspaltung der "Kommunistischen Partei-Aufbauorganisation" (KP-IÖ), die heute nahezu bedeutungslos ist. In Deutschland gehören der MLKP ca. 600 Mitglieder an, einzelne davon in Rheinland-Pfalz. 4.7 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK); "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung MEK: 1965 im Iran NWRI: 1981 in Paris Mitglieder (Bund): ca. 900 (2005: ca. 900) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 30 (2005: einzelne) 97 Die Organisation der "Volksmodjahedin Iran" (in Farsi "Modjahedin-EKhalq" oder kurz MEK genannt) galt bis vor kurzem als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe, die sich den gewaltsamen Sturz des islamischen Regimes in Teheran zum Ziel gesetzt hatte. Bis zum Sturz Saddam Husseins unterhielt sie im Irak einen militärischen Arm, die "Nationale Befreiungsarmee" (National Liberation Army, NLA), die in der Vergangenheit für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich war. Im Zuge des Irakkrieges im Jahr 2003 wurden die ca. 4.000 Kämpfer der NLA entwaffnet und in dem ehemals größten Lager "Camp Ashraf" unter US-Aufsicht gestellt. Der politische Arm der MEK, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI), dient zur Durchführung politischer Aktivitäten in Europa und Nordamerika. Der NWRI tritt unter anderem durch massive Propagandatätigkeit gegen das iranische Regime, systematische Geldbeschaffungsaktivitäten sowie die Rekrutierung von Freiwilligen für die NLA in Erscheinung. Er fungiert vor allem als Sprachrohr der MEK. Deren Publikationsorgan ist die farsisprachige Wochenzeitung "Modjahed". Der NWRI konstituierte sich 1993 in Paris als so genanntes iranisches Exilparlament, mit zur Zeit ca. 550 Mitgliedern. Diese wählten im selben Jahr Maryam RADJAVI zur "künftigen Präsidentin des Iran". Sie ist die Ehefrau des MEK-Führers Massoud RADJAVI. Die Deutschlandzentrale des NWRI befand sich bis zum Frühjahr 2002 in Köln, danach wurde das Büro der Deutschlandsprecherin nach Berlin verlegt. Die Europazentrale des NWRI befindet sich in Frankreich. Wegen ihrer in der Vergangenheit zahlreich verübten Terroraktionen wurde die MEK im Mai 2002 durch einen Beschluss des Europäischen Rates erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen und ist seitdem auch in den aktualisierten Fassungen der Liste aufgeführt.20 In der politischen Agitation des NWRI nahm auch im Jahr 2006 der Kampf gegen die Einstufung der MEK als Terrororganisation einen besonderen Stellenwert ein. Durch eine 20 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) 98 verstärkte Lobbyarbeit in Kombination mit Unterschriftenaktionen und der Durchführung von Informationsständen in deutschen Städten soll die Streichung der MEK von westlichen "Terrorlisten" erreicht werden. Einen ersten juristischen Erfolg auf diesem Weg konnte die MEK mit dem Urteil des "Gerichts Erster Instanz" der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 2006 erzielen. Das Gericht erklärte den EU-Ratsbeschluss, die MEK auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen sowie das damit verbundene Einfrieren von Geldern der MEK für nichtig. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da die Möglichkeit besteht, innerhalb von zwei Monaten Rechtsmittel dagegen einzulegen. Ein weiterer Schwerpunkt der NWRI-Aktivitäten bilden die Ausrichtung von Veranstaltungen zu besonderen Anlässen, z.B. Gedenktagen der Organisation, sowie der Durchführung von Protestkundgebungen zu aktuellen Ereignissen, an denen auch einzelne Personen aus Rheinland-Pfalz beteiligt waren. Zum Thema "Mehr Demokratie im Iran, keine Atomwaffen für die Mullahs" veranstaltete der NWRI am 12. Januar 2006 eine Demonstration vor dem Auswärtigen Amt in Berlin, an der ca. 50 Personen teilnahmen. Zur gleichen Thematik führte die Organisation am 2. Februar 2006 eine Kundgebung vor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien durch, an der nach eigenen Angaben mehrere hundert Anhänger demonstrierten. Mit ca. 8.000 Teilnehmern fand am 1. Juli 2006 auf dem ehemaligen Flugfeld Le Bourget in Paris aus Anlass des Jahrestages der polizeilichen Maßnahmen gegen die MEK und den NWRI am 17. Juni 2003 in Frankreich die zentrale Veranstaltung des NWRI statt, bei der Maryam RADJAVI ihre politischen Vorstellungen zur künftigen Iranpolitik propagierte. Diese zielen mit der so genannten Dritten Option (weder eine militärische Intervention von außen noch eine politische Einflussnahme der EU - dies sei "Beschwichtigungspolitik") auf einen demokratischen Wechsel im Iran durch das iranische Volk unter der Führung des NWRI. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten führt die Organisation unter anderem umfangreiche und professionell organisierte Spendengeldsammlungen durch. Zur Verschleierung der Verwendung der Spenden tritt sie dabei 99 unter dem Namen verschiedener Tarnvereine auf. Potenziellen Spendern werden von den Sammlern Informationsmaterial (auch Fotos) zu Gräueltaten des iranischen Regimes gezeigt und veranlasst, sich in Spendenlisten einzutragen und somit ihre persönlichen Daten preiszugeben. In diesem Zusammenhang sind bisher das "Hilfswerk für Menschenrechte im Irak e.V." (HMI), Dortmund sowie das "Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e.V." (MEI), Düsseldorf und der "Menschenrechtsverein für Migranten e.V.", Aachen in Erscheinung getreten. 4.8 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder (Bund): ca. 800 (2005: ca. 800) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 30 (2005: einzelne) In Deutschland tritt die LTTE nicht offen auf. Über Tarnund Hilfsorganisationen bemüht sie sich aber kontinuierlich, unter den tamilischen Flüchtlingen und Zuwanderern für die Ziele der Organisation zu werben und zur Deckung ihres Finanzbedarfs in der Heimat Geld zu beschaffen. Ziel der LTTE ist es, in Sri Lanka einen eigenen Tamilenstaat sozialistischer Prägung ("Tamil Eelam") in Opposition zur von Singhalesen dominierten Zentralregierung zu errichten. In Sri Lanka hat sich der ethnische Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und der tamilischen Separatistenorganisation LTTE weiter verschärft. Bürgerkriegsähnliche Zustände forderten im Jahr 2006 zahlreiche Opfer. Terroristische Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate sowie Einsätze von Regierungstruppen (einschließlich Kampfflugzeugen und Marine) stellen den im Jahr 2002 zwischen den Kontrahenten ausgehandelten Waffenstillstand, der offiziell noch immer gilt, in Frage. Allein im Jahr 2006 fielen den Kämpfen Medienberichten zufolge mehr als 3.000 Menschen zum Opfer. Die im Februar 2006 in Genf aufgenommenen Friedensgespräche zwischen Regierungsvertretern und Vertretern der LTTE wurden, als die 100 zweite Runde der Gespräche für April 2006 geplant war, von den LTTEVertretern abgesagt. Die anhaltende Anwendung von Gewalt und Terror durch die LTTE wurde vom Rat der Europäischen Union mit Dokument C/05/248 vom 29. September 2005 verurteilt. Mit Beschluss vom 29. Mai 2006 (2006/379/EG) hat der Rat der Europäischen Union die LTTE in die Liste terroristischer Organisationen aufgenommen.21 Gleichzeitig mit der Listung haben die Geberländer für Sri Lanka (EU, Japan, USA) beiden Konfliktparteien angedroht, jegliche finanzielle Unterstützung einzustellen, falls die Gewalt in Sri Lanka nicht beendet wird. Am 29. Mai 2006 kam es in Düsseldorf zu einer angemeldeten Großdemonstration aus Anlass der Listung mit rund 3.000 Teilnehmern. Als weitere tamilische Großveranstaltung wird der jährlich um den 27. November stattfindende "Heldengedenktag" ("Heroes Day") durchgeführt. Als einer der wichtigsten Tage im Jahr für die Tamilen wurde dieser am 2. Dezember 2006 in der Essener Grugahalle mit mehreren Tausend Teilnehmern begangen. An diesem Tag wird den gefallenen tamilischen Kämpfern gedacht und regelmäßig eine Ansprache des LTTE-Führers PRABHAKARAN auf einer Großleinwand übertragen. Auch in Rheinland-Pfalz lebende Tamilen, darunter eine nicht bekannte Anzahl von LTTE-Anhängern, beteiligten sich an den regionalen und überregionalen Veranstaltungen der Organisation. 21 Amtsblatt der EU vom 31.05.2006 L 144/21 101 5. INTERNET/NEUE MEDIEN Das Internet als bedeutender Faktor weltweiter Kommunikation hat sich im Berichtsjahr auf hohem Niveau weiter entwickelt. Die gestiegenen Nutzerzahlen und die Webangebote zeigen die hohe Akzeptanz dieses Mediums. In Deutschland haben mittlerweile mehr als 68% der Bürgerinnen und Bürger über 18 Jahren Zugang zum Internet, die Zahl deutscher Domains erreichte Ende 2006 etwa 10,5 Millionen. Während der allgemeine Trend nach oben zeigt, haben sich die entsprechenden Zahlen bei extremistischen Organisationen, Gruppen und Personen quantitativ nicht wesentlich verändert. Dagegen sind mehr Professionalität im Layout, umfangreichere Darstellungsmöglichkeiten und interaktive Techniken festzustellen. Die Kommunikation wurde durch eine verbesserte Software weiter vereinfacht, so dass ein immer größerer Benutzerkreis angesprochen wird. Einfache Gestaltungsprogramme für Websites und kostenlos zur Verfügung gestellter Speicherplatz bei Providern weltweit bieten auch dem wenig versierten Computernutzer die Möglichkeit, sich im Internet zu präsentieren. Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder gehört es, aus dem stetig wachsenden Datenbestand des Internet diejenigen Daten herauszufiltern, die Organisationen, Gruppen und Personen mit dem Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zu gefährden, eingestellt haben. 5.1 Rechtsextremisten Seit ca. zehn Jahren sind deutsche Rechtsextremisten online. Bundesweit gelten zur Zeit etwa 1.000 deutschsprachige Internetseiten als rechtsextrem und stehen unter Beobachtung, davon etwa 30 aus Rheinland-Pfalz. Das Internet ist geradezu prädestiniert, Jugendliche gezielt anzusprechen und diese der rechten Szene zuzuführen. Als Einstiegsdroge bietet 102 sich die Musikszene mit ihren von Menschenverachtung und Rassismus geprägten Texten an. Rechtsrock-Konzerte, offen oder konspirativ im Internet beworben, sowie der Download von rechter Musik boomen. Der Handel mit einschlägiger Musik hat sich zu einer lukrativen Einnahmequelle der rechtsextremistischen Szene entwickelt; auf vielen rechtsextremistischen Webseiten finden sich Links zu Internetvertrieben. Der Affinität der jugendlichen Surfer zu Computerspielen kommt ein breit gefächertes Angebot an indizierten Gewaltspielen (wie z.B. "KZ-Rattenjagd", "Der SAMann" oder "Die Säuberung") entgegen. Im immer größeren Ausmaß nutzt die rechte Szene den interaktiven Bereich des Netzes, wie u.a. Chat-Rooms und Web-Foren, als Kommunikationsplattform. Rechtsextremistische Foren decken mit den Beitragsinhalten der User ein breites Spektrum ab. In der Regel stehen der politische Meinungsaustausch und die Weitergabe szenerelevanter aktueller Informationen im Vordergrund. Auffällig ist auch hier die erklärte Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Mitgliederstarke Foren weisen mittlerweile bis zu 20.000 User auf und agieren weltweit. Die überwiegende Anzahl der rechtsextremistischen Seiten ist bei ausländischen Providern hinterlegt und somit dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen. Auf Grund der professionellen und aggressiven Nutzung des Internets durch die Szene sowie der strafrechtlichen Relevanz des Inhaltes vieler Internetseiten kommt der Beobachtung rechtsextremistischer Homepages durch den Verfassungsschutz weiterhin eine große Bedeutung zu. 5.2 Linksextremisten Für das gesamte linksextremistische Spektrum ist das Internet nach wie vor unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Information und Agitation. Linksextremistische Parteien und Organisationen sind nahezu auf allen Gliederungsebenen mit eigenen Informationsangeboten präsent. Sie dienen zum Teil der politischen Selbstdarstellung, enthalten Informationen über Parteiveranstaltungen, Projekte und Pressearbeit, bieten Informationen in Form von Audiooder Videodateien zum Download an, unterhalten Diskussionsforen oder haben einen Newsletterservice. 103 Revolutionär marxistisch und anarchistisch ausgerichtete Gruppen widmen sich ihren traditionellen Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antiglobalisierung", "Antirassismus", "Antiatom" oder "Antimilitarismus" und initiieren anhand politisch aktueller Themen zeitlich begrenzte Kampagnen. Besonders breiten Raum nehmen derzeit die Internetaktivitäten gegen den im Juni 2007 stattfindenden G8-Gipfel in Heiligendamm ein. Dabei spielt die zeitnahe Verbreitung von Informationen sowie die Vernetzung und Verlinkung der Gruppen untereinander eine entscheidende Rolle. Zunehmend werden Verschlüsselungsprogramme zur Verschleierung der Kommunikation benutzt oder aktuelle Handlungskonzepte in geschlossenen Foren oder Mailingsystemen verbreitet. Insbesondere Antifagruppen beschäftigen sich mit dem Outen von Personen des rechtsextremistischen Lagers, verfälschen deren Webseiten oder blockieren den Abruf. 5.3 Ausländerextremismus 5.3.1 Islamistische Gruppen Im Internet existiert eine Vielzahl von Seiten mit islamistischen Inhalten. Diese bedienen das gesamte Spektrum des Islamismus angefangen von islamistischen Religionsauslegungen bis hin zu jihadistischer Propaganda mit Gewaltdarstellungen und -aufrufen. Wegen seiner Anonymität und weltweiten Verfügbarkeit ist das Internet zur schnellen Verbreitung von Propagandamaterial besonders geeignet und wird dementsprechend genutzt. Schon in den letzten Jahren wurden in größerem Ausmaß jihadistische Beiträge in englischer Sprache sowie teils sehr gewalttätige Propagandavideos ins Internet gestellt. Im Jahr 2006 war ein vermehrtes Einstellen jihadistischen Materials in deutscher Sprache zu verzeichnen. Neben einzelnen Artikeln und Beiträgen zum Thema Jihad beinhaltet dies auch ganze Bücher sowie Videos. Unter anderem wurde anlässlich der Ausrufung eines "Islamischen Staates" im Irak ein synchronisiertes, einer Nachrichtensendung nachempfundenes Video veröffentlicht. Einige der ins Deutsche übersetzten Bücher rufen zum Jihad auf und geben Hinweise zur Organisation konspirativer jihadistischer Gruppen sowie zu verschiedenen Möglichkeiten, den Jihad zu unterstützen. 104 In Ergänzung zum passiven Konsum der angebotenen Inhalte bieten Foren, Chatrooms und Blogs die Möglichkeit, persönliche Kontakte zu knüpfen und sich selbst mit einfachen Mitteln (zunächst virtuell) in die Gemeinschaft einzubringen. Damit stellen diese ein großes Potential zur Radikalisierung insbesondere junger Muslime dar. 5.3.2 Türkische/kurdische Organisationen Deutschsprachige Webseiten extremistischer türkischer/kurdischer Organisationen spiegeln zumeist die Konflikte in ihrem Heimatland wieder. Nur wenige sind professionell gestaltet oder werden regelmäßig aktualisiert. Türkische Linksextremisten unterhalten auch deutschsprachige Informationsangebote mit Nachrichten, Aktionsmitteilungen, Demonstrationsaufrufen oder Veranstaltungshinweisen. Vereinzelt können auch Flugblätter und Informationsmaterialien abgerufen werden. 105 6. SPIONAGEABWEHR 6.1 Auftrag und allgemeine Lage Die Spionageabwehr hat die Aufgabe, planmäßig und gezielt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten einer fremden Macht zu sammeln und auszuwerten. Es geht um die Aufklärung von Strukturen, Arbeitsmethoden und Zielen fremder Nachrichtendienste und die Verhinderung von Spionageaktivitäten. Neben der Spionage zählt auch die Sabotage sowie die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten dieser Dienste. Unter Rechtfertigungszwang werden diese illegalen Tätigkeiten als Beitrag zur internationalen Terrorismusbekämpfung erklärt. Im Fokus der Spionageabwehr steht die Aufklärung und Abwehr aller Aufrüstungsversuche so genannter Krisenländer22 mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen und der damit einhergehenden Verbreitung dieser Massenvernichtungsmittel. Die besondere Aufmerksamkeit galt wie in den Jahren zuvor dem Atomprogramm Irans und der damit verbundenen Gefahr, dass neben der offiziell verkündeten Sicherung der eigenen Energieversorgung auch atomare militärische Ziele verfolgt werden. Die derzeit wichtigsten internationalen Vereinbarungen zur Proliferationskontrolle sind das Trägertechnologie-Kontrollregime (MTCR)23, das chemische und biologische Waffen-Übereinkommen (CWÜ), der Atomteststoppvertrag (CTBT) sowie der Atomwaffensperrvertrag, der durch die Safeguardsvereinbarung unter dem Dach der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und das Kontrollregime der "Nuclear Suppliers Group" (NSG) ergänzt wird. 22 Krisenländer werden inzwischen als proliferationsrelevante Länder bezeichnet. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder diese zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien) 23 Das MTCR wurde 1987 von den G - 7 Staaten als freiwilliges Abkommen zur Verhinderung der Verbreitung von Trägerraketen (Reichweite über 300 km und Nutzlast von mind. 500 kg) für Massenvernichtungswaffen gegründet. 1993 wurden Ausrüstungsund Technologierichtlinien festgeschrieben, die zusammen mit einem gegenseitigen Nichtunterbringungsverfahren und der Verschärfung der nationalen Exportkontrollgesetze den Kern des Abkommens bilden. 106 Die Bundesrepublik Deutschland ist für fremde Nachrichtendienste nach wie vor ein bevorzugtes Ausspähungsziel. Ihre politische Bedeutung, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihre wissenschaftlichtechnischen Ressourcen sowie die geopolitische Lage hat im europäischen Vergleich zu einer unverändert hohen Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland geführt. Die russischen Nachrichtendienste sind hierbei seit Jahren konstant am stärksten vertreten. Von ihren dortigen Tarndienstposten (so genannte Legalresidenturen) aus betreiben sie klassische Spionage. Als wichtiger und anerkannter Wirtschaftsund Wissenschaftsstandort mit vielfältigen internationalen Kooperationen ist auch Rheinland-Pfalz ein begehrtes Operationsgebiet für "Nachrichtensammler aller Art". Die Mittel und Methoden der Nachrichtendienste werden in den verschiedensten Publikationen des Verfassungsschutzes detailliert beschrieben und reichen von offener über die halboffene Beschaffung bis hin zur klassischen Agentenführung. Operatives Ziel ist der Aufbau verdeckt operierender Informationsund Beschaffungsnetzwerke, innerhalb dessen angeworbene Einzelpersonen agieren, vor allem im Bereich der Wirtschaftsspionage und der Proliferation unter der Tarnung legal am Geschäftsleben teilnehmender Unternehmen. Der größte Erfolg bei allen nachrichtendienstlichen Operationen bleibt die Quelle im Objekt.24 Daran hat sich auch im Zeitalter moderner Informationsund Kommunikationstechnik nichts geändert, wenn auch deren technische Verwundbarkeit durch gezielte Computerspionage nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang des Anwenders begünstigt wird. Wenn auch die Bekämpfung der Betriebs-/Konkurrenzoder auch Industriespionage nicht zum Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden zählt, ähnelt die Vorgehensweise der Akteure doch der von Nachrichtendiensten, da sich gerade die Methoden der Informationssammlung kaum unterscheiden lassen. 24 Dabei handelt es sich um Mitarbeiter eines Zielobjektes, die entweder als Agenten eingeschleust worden sind oder mit Blick auf ihre Zugangslage angeworben wurden. 107 Betriebs-/Konkurrenzund Wirtschaftsspionage Industriespionage Täter Konkurrenzunternehmen Nachrichtendienste einer fremden Privatdetekteien Macht Marktforscher Vorgehensweise auf schnelle Erfolge angelegt langfristig angelegte organisierte Abwerben von Mitarbeitern Durchführung (langer Atem) Eindringen in betriebliche Strukund Einsatz nachrichtendienstturen und elektronische Netze licher Mittel u. a. unter Nutzung des Nutzung geheimer Mitarbeiter "Social Engineering" Motiv/Ziel zielgerichtet auf bestimmte zielgerichtet auf ganze TechnologieProdukte und Know-how zur und Wirtschaftszweige Steigerung der KonkurrenzStärkung der wirtschaftlichen und fähigkeit militärischen Macht Frustration des Mitarbeiters Folgen unmittelbarer wirtschaftlicher mittelbarer volkswirtschaftlicher Schaden für Einzelunternehmen Schaden In der Praxis ist eine strikte Trennung zwischen Wirtschaftsund Industriespionage nicht selten erst bei weiterem Fortgang der Ermittlungen und zusätzlichem Erkenntnisgewinn möglich. Die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes ist solange begründet wie zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht nachrichtendienstlicher Steuerung vorliegen. Dieser Umstand hilft der Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes in dem Bemühen gerade den Wirtschaftsunternehmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Ruf von Sicherheitsverantwortlichen in den Unternehmen nach mehr staatlicher Unterstützung in Sicherheitsfragen ist zwar nachzuvollziehen, befreit die Unternehmen jedoch nicht von der ihnen obliegenden notwendigen Eigenvorsorge. Diese zu stärken hat sich die Landesregierung zur Aufgabe gemacht, um die Unternehmen durch Aufklärung und Beratung in die Lage zu versetzen, illegale Angriffe selbst zu erkennen und wirksam abzuwehren. Mit der im Jahr 2005 vereinbarten erweiterten Sicherheitspartnerschaft wurde unter Federführung des Innenministeriums ein Grundstein zur besseren Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gelegt. Beteiligt sind neben dem Wirtschaftsressort die Wirtschaftskammern und -verbände sowie die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft (VSW). 108 Das Angebot des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes zur Sensibilisierung gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen vor den Gefahren durch ungewollten Know-how-Abfluss (sei es durch einen fremden Nachrichtendienst oder durch die Konkurrenz) dient nicht nur der Sicherheit des einzelnen Unternehmens, sondern letztlich auch der Sicherung von Arbeitsplätzen und des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz. Die vielfältigen Vortragsveranstaltungen und auch daraus entstehenden Einzelkontakte belegen die fehlende Kenntnis oder generelle Sorglosigkeit vieler Unternehmer in betrieblichen Sicherheitsfragen. Hier könnte eine noch bessere Resonanz für mehr Sicherheit sorgen, sind es doch gerade allzu oft menschliche Unzulänglichkeiten, die dafür verantwortlich sind, dass entweder unwissentlich, aus mangelnder Sorgfalt oder gar bewusst sensible Informationen an Dritte weitergegeben werden. Entsprechendes Interesse an der angebotenen Aufklärung könnte hier Vieles verhindern. 6.2 Vorgehensweise der Spionageabwehr Ziele fremder Nachrichtendienste sind Bereiche mit einer hohen Konzentration an sensiblen Informationen aus Behörden, Verbänden, Banken und in einer globalisierten Welt, in der Know-how und Zukunftstechnologien das volkswirtschaftliche Potential eines Staates ausmachen, zunehmend auch aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und innovativen Unternehmen. Um den Aktionsradius fremder Nachrichtendienste aufzuklären und deren dabei angewandte nachrichtendienstliche Methodik zu erkennen, setzt die Spionageabwehr ihre stärksten Bemühungen in die Verhinderung bzw. Aufdeckung laufender Spionageaktivitäten, die auch gegen die Interessen der rheinland-pfälzischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gerichtet sind. Dies erreicht der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch die Auswertung gewonnener Informationen und Erkenntnisse sowie durch den regelmäßigen Kontakt mit Vertretern aus Wirtschaft, Forschung, Bildung und Politik. 109 6.3 Einzelerkenntnisse Die nachfolgenden Sachverhaltsdarstellungen sind anonymisiert und stehen beispielhaft für Gefahren durch Ausforschungsbemühungen fremder Nachrichtendienste. 6.3.1 Informationsgewinn mittels menschlicher Quellen Illegale Beschaffungsversuche für den Iran Auch im Jahr 2006 waren rheinland-pfälzische Firmen Anlaufstellen für illegale Beschaffungsversuche des Iran. Abgetarnt in Netzwerken versuchten ausländische Firmenangehörige, unbemannte Flugobjekte (Unmanned Air Vehicles - UAV; in Deutschland bekannt als Drohnen), Steuerungsund Antriebsteile (Kreiselkompasse und Motoren/Triebwerke) sowie sonstige Ersatzteile auch für die Navigationstechnik zu erwerben. Diese Güter waren aufgrund ihrer eindeutigen militärischen Endverwendung ausfuhrgenehmigungspflichtig. Hierbei wandten sich die iranischen Einkäufer nicht unmittelbar an die in Deutschland bzw. im Ausland ansässigen Hersteller der sensiblen Technik. Vielmehr suchten sie sich offensichtlich gezielt im Imund Export sowie im Transitgeschäft erfahrene Handelsfirmen aus, um deren Erfahrungen im internationalen Geschäftsverkehr zu nutzen. Der Gütertransfer selbst gehörte nicht unbedingt zum Geschäftszweck und lag auch außerhalb jedweder Interessenssphäre der angefragten Firmen, allerdings verfügten sie international über entsprechende Verbindungen und Beziehungen. Ihnen war das Ansinnen der iranischen Einkäufer zumindest zweifelhaft, weshalb sie sich, sensibilisiert durch Veröffentlichungen, an die rheinlandpfälzische Spionageabwehr wandten. In der Folge führten intensive Ermittlungen zur Aufdeckung von bundesweiten Beschaffungsnetzwerken des Iran. Die den angefragten Firmen drohenden ausfuhrrechtlichen wie auch strafrechtlichen Sanktionen, aber auch die Gefahr eines Reputationsverlustes im internationalen Handel konnten durch die rechtzeitige Kooperation mit dem Verfassungsschutz abgewendet werden. 110 Forschungsplätze für Praktikanten und Postgraduierte aus dem Iran Auf Grund von Sensibilisierungsmaßnahmen bei privaten wie auch staatlichen Forschungseinrichtungen wurden verschiedene Bemühungen iranischer Stellen bekannt, Einladungen für Praktikanten und postgraduierte Wissenschaftler zu Studienzwecken zu erhalten. Adressaten dieser Anfragen waren deutsche Wissenschaftler, die an einem internationalen Symposium in Japan teilgenommen hatten. Wie allgemein üblich wurden auch dort Visitenkarten unter den internationalen Fachkollegen ausgetauscht. Einige Wochen nach diesem Kongress erhielten verschiedene deutsche Wissenschaftler eine E-Mail-Anfrage iranischer Staatsangehöriger unter Bezug auf die gemeinsame Teilnahme an dem o. g. Symposium mit der Bitte, ein Praktikum bzw. ein Forschungsstudium in dem jeweiligen Institut zu ermöglichen. Die Tatsache, dass es diesbezüglich bis dahin zu keiner direkten Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Bewerbern auch anlässlich des Symposiums gekommen war, könnte darauf hindeuten, dass die Ergebnisse des Symposiums im Iran erst analysiert wurden, um danach zielgerichtet Praktikanten, Gastwissenschaftler oder Postgraduierte in sensiblen Bereichen der rheinland-pfälzischen Forschungslandschaft zu platzieren. Trotzdem kam es auch zu "Fehlbewerbungen" in dem Sinn, dass offensichtlich für die anvisierten Aufgabenbereiche falsche Zielobjekte ausgewählt wurden, die deutschen Stellen konnten schlichtweg die gewünschten Forschungsfelder fachlich nicht abdecken. Die angestrebte wissenschaftliche Verwendung betrafen Forschungsgebiete im Bereich der Atomtechnik und insbesondere Optimierung der Entsorgung/Endlagerung von nuklearen Abfällen. Auffälligkeiten bei einem chinesischen Studenten/Praktikanten Durch einen Hinweis geriet ein chinesischer Praktikant, der sich schon seit mehreren Jahren in Deutschland aufhielt, in das Blickfeld des Verfassungsschutzes. Während eines Betriebspraktikums zeigte er sich 111 außergewöhnlich interessiert an gewissen spezifischen innerbetrieblichen Vorgängen. Auf Einladung eines großen Konzerns war der Praktikant nach Deutschland gekommen und von Station zu Station herumgereicht worden. Der erste Kontakt fand in China anlässlich einer Delegationsreise von Repräsentanten des besagten Konzerns statt, wobei der Chinese dort bei der Vorbereitung und beim Dolmetschen behilflich war. Angetan von dem gezeigten Engagement versprach der Geschäftsführer und Delegationsleiter der Firma ihm ein Praktikum und evtl. auch ein damit verbundenes Studium zu ermöglichen. Nach Abschluss des Praktikums geriet die Person fast völlig außer Kontrolle der Behörden, da sie zwar den Wohnsitz aufrechterhalten hatte, aber sich tatsächlich nicht mehr unter der gemeldeten Adresse aufhielt. Sie hatte somit die Möglichkeit, sich in ganz Europa zu bewegen. In den mit ihm geführten Gesprächen verwickelte sich der Chinese immer mehr in Widersprüche und konnte ihm vorgehaltene verschiedene Verhaltensweisen nicht plausibel erklären. In einigen Fällen der Lüge überführt ist er zwischenzeitlich wieder nach China zurückgekehrt. Proliferationsgefahren durch Gastwissenschaftler Im Interesse einer möglichst wirksamen Bekämpfung von sicherheitsrelevantem Wissenstransfer durch Staatsangehörige aus den proliferationsrelevanten Ländern Iran, Nord-Korea, Syrien und Pakistan wurden die Ausländerbehörden angewiesen, die nach Ablauf eines Kurzzeitvisums gestellten Anträge auf Aufenthaltserlaubnis mit erhöhter Sorgfalt zu prüfen. Diese Prüfung soll insbesondere dann erfolgen, wenn die Anträge mit der Arbeitsaufnahme als Gastwissenschaftler an einer Forschungsoder Entwicklungseinrichtung oder auch der Ausübung einer Beschäftigung im naturwissenschaftlichen Bereich bei einem privaten Arbeitgeber begründet werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei den Disziplinen: * Biologie, einschließlich Biotechnologie und Medizin * Chemie, Biochemie 112 * Physik * Nukleartechnik * Energieund Umwelttechnik * Informationsund Kommunikationstechnologie * Elektrotechnik * Luftund Raumfahrt sowie Verkehrstechnik * Maschinenbau * Werkstoffund Verfahrenstechnik 6.3.2 Informationsgewinn mittels technischer Quellen Nachrichtendienste sind heutzutage auf vielfältige Weise im Internet präsent. In eigener Sache betreiben sie teilweise sehr aufwendig gestaltete Homepages und bedienen sich andererseits dieses globalen Mediums auch im Hinblick auf ihre Beschaffungsaufträge. Sie nutzen das Internet nicht nur als Mittel zur Steuerung und Führung von Agenten, sondern aufgrund seiner anonymen Struktur auch als attraktives Mittel nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung. Überwachungsprogramme gewährleisten eine strategische und flächendeckende Internetund E- Mail-Kontrolle, die ihre besondere Wirkung bei der Nutzung eigener staatlicher Provider entfaltet. Aus den in Echtzeit gewonnenen Informationen können im Bereich der Wirtschaftsspionage entscheidende Wettbewerbsvorteile erwachsen. Zahlreich bekannt gewordene Angriffe auf öffentliche und private IT-Infrastrukturen deuten auf Steuerung durch staatliche Stellen hin. Nicht selten werden diese Angriffe durch die Einbindung von "Innentätern" und damit durch die Kenntnis innerbetrieblicher Schwachstellen und eines oftmals unzureichenden Informationsschutzes begünstigt. Erhöhte Gefahren für Kommunikationsnetzwerke durch USB-Sticks Ein vom Verfassungsschutz sensibilisierter Delegationsteilnehmer berichtete nach seiner Rückkehr aus China, dass er sich einem offensichtlichen Ausforschungsversuch erfolgreich widersetzen konnte. Bereits bei 113 Ankunft im Hotel habe er seinen USB-Stick mit der darauf gespeicherten Firmenpräsentation abgeben sollen, damit der chinesische Gastgeber die in zwei Tagen anstehenden Vorträge optimal vorbereiten könne. Da dies für ihn aufgrund der bereits im Vorfeld ausgetauschten Informationen nicht nachvollziehbar gewesen sei, habe er bei Herausgabe eine Manipulation des Datenträgers und damit die Speicherung von Schadprogrammen befürchtet. Gefahren bei der Benutzung von USB-Sticks als Werbeträger Von einer anderen geeigneten Methode zur illegalen Ausforschung von Daten wusste ein weiterer rheinland-pfälzischer Unternehmer zu berichten. Als Vermittler sollte er für einen Geschäftspartner fungieren, der unter anderem USB-Sticks aus China anbietet. Hierzu sollte er gezielt bei Banken und Großunternehmen Aufträge aquirieren. Die kostengünstigen USB-Sticks würden als Werbeträger in China produziert und dabei mit einer installierten Firmenpräsentation versehen. Zu diesem Zweck sollten die Firmendaten dem chinesischen Hersteller zur Verfügung gestellt werden. Damit wäre es im Rahmen der Auftragserledigung möglich gewesen, dass ein chinesischer Nachrichtendienst von ihm ausgewählte Firmen und deren vermutete interessante Kunden durch verdeckt auf dem Werbeträger aufgespielte Trojaner dauerhaft ausspioniert. In Zusammenhang mit der installierten Präsentation ist ein Trojaner nahezu nicht zu identifizieren und damit ein nicht kalkulierbares Risiko. Weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer sind unter www.ism.rlp.de abrufbar. 114 7. GEHEIMSCHUTZ / SABOTAGESCHUTZ Der Geheimschutz hat zu gewährleisten, dass Informationen und Vorgänge, deren bekannt werden den Bestand oder lebenswichtige Interessen oder die Sicherheit des Bundes und der Länder gefährden kann, geheim gehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Diese geheim zu haltenden Informationen und Vorgänge müssen als Verschlusssachen eingestuft werden und unterliegen damit der Geheimhaltung. Geheimschutz spielt nicht nur im öffentlichen Bereich eine Rolle. Auch in Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen wird teilweise mit staatlichen Verschlusssachen umgegangen, so dass auch dort die Regeln des Geheimschutzes zur Anwendung kommen. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (VS-Beratungen, Schulungen und Broschüren) informiert und sensibilisiert der Verfassungsschutz die zuständigen Stellen im Rahmen des materiellen Geheimschutzes über den gebotenen Umgang mit Verschlusssachen und deren sachgerechte technische und organisatorische Sicherung. Insbesondere die ständig an Bedeutung gewinnende, gleichzeitig aber auch immer komplexer und damit anfälliger werdende Informationsund Kommunikationstechnik erfordert die präzise Einhaltung der in der staatlichen Verschlusssachenanweisung (VSA) wie auch im Geheimschutzhandbuch der Wirtschaft vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Dort sind darüber hinaus weitere technische, aber auch bauliche, organisatorische und personelle Maßnahmen verbindlich angeordnet, die in ihrer Gesamtheit ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept ergeben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse; weshalb die Verfassungsschutzbehörde anbietet, auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen in Rheinland-Pfalz in Sicherheitsfragen zu beraten. Auch im Zeitalter der Hochtechnologie ist die menschliche "Quelle im Objekt" die effektivste und ergiebigste Form der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung. 115 Sicherheitsrisiken ergeben sich aber auch durch mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Verschlusssachen (VS) oder aus sonstigen persönlichen Defiziten, die dazu führen können, dass Unbefugte von Staatsgeheimnissen Kenntnis erlangen. Der Staat schützt sich hiergegen neben seiner aufklärenden und präventiven Spionageabwehr auch mit vorbeugenden Maßnahmen bei der Auswahl seiner Geheimnisträger im Rahmen des personellen Geheimschutzes. Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz. Dieser unterliegen Personen, die in Behörden oder Unternehmen Zugang zu staatlichen Verschlusssachen (VS) haben sollen oder ihn sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verschaffen können. Durch die Überprüfung soll zweifelsfrei festgestellt werden, dass die betroffene Person nach ihrem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass sie mit den ihr anvertrauten VS sachgerecht und sorgfältig umgehen wird. Werden Tatsachen bekannt, die dieses zweifelhaft erscheinen lassen und können diese Bedenken nicht ausgeräumt werden, darf die betroffene Person eine solche sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht ausüben. Derzeit sind 2.313 Personen im Land Rheinland-Pfalz aktive Geheimnisträger. Dem Schutz gesetzlich definierter lebenswichtiger Einrichtungen in Rheinland-Pfalz dient der vorbeugende personelle Sabotageschutz. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind, üben ebenfalls eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes aus und sind dem entsprechend einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Auch hierbei wirkt die Verfassungsschutzbehörde in gleicher Weise wie beim personellen Geheimschutz mit. Ebenfalls auf die Verhinderung von Sabotageakten durch potentielle Innentäter zielen die so genannten Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen, die nach den Fachgesetzen zum Sicherheitsbereich oder nicht öffentlich zugänglichen Bereichen insbesondere bei Flughäfen und Kernkraftwerken Zutritt haben sollen. Die hiervon betroffenen Einrichtungen sind gesetzlich verpflichtet, an sicherheitsempfindlichen Stellen nur sicherheitsüberprüfte Personen tätig werden zu lassen. 116 D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2006, GVBl. 2006, S. 411 117 Inhaltsübersicht Teil1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 118 Teil 1 anderen Ländern tätig werden, soweit es Allgemeine Bestimmungen dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. SS1 (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund Zweckbestimmung eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der VerDer Verfassungsschutz dient dem Schutz fassungsschutzbehörde nur die Befugnisse der freiheitlichen demokratischen Grundordzu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden nung, des Bestandes und der Sicherheit des Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. Bundes und der Länder. SS4 SS2 Begriffsbestimmungen Verfassungsschutzbehörde (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind (1) Alle den Zwecken des Verfassungs1. Bestrebungen gegen den Bestand des schutzes dienenden Aufgaben und BefugBundes oder eines Landes politisch nisse werden vom Ministerium des Innern bestimmte, zielund zweckgerichtete und für Sport als Verfassungsschutzbehörde Verhaltensweisen in einem oder für wahrgenommen. einen Personenzusammenschluss, der (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei darauf gerichtet ist, die Freiheit des dürfen einander nicht angegliedert werden. Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm SS3 gehörendes Gebiet abzutrennen; Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verbestimmte, zielund zweckgerichpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in tete Verhaltensweisen in einem oder Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für einen Personenzusammenschluss, zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarder darauf gerichtet ist, den Bund, beit besteht insbesondere in gegenseitiger Länder oder deren Einrichtungen in Unterstützung und im Informationsausihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu tausch sowie in der Unterhaltung gemeinbeeinträchtigen; samer Einrichtungen. 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche (2) Die Behörden für Verfassungsschutz demokratische Grundordnung politisch anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz bestimmte, zielund zweckgerichtete unter Beachtung der Bestimmungen dieses Verhaltensweisen in einem oder für Gesetzes nur im Einvernehmen, das Buneinen Personenzusammenschluss, der desamt für Verfassungsschutz gemäß darauf gerichtet ist, einen der in diesem SS 5 Abs. 2 des BundesverfassungsschutzGesetz genannten Verfassungsgrundgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. sätze zu beseitigen oder außer Geltung I S. 2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch zu setzen. Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 Für einen Personenzusammenschluss han(BGBl. I S. 361), nur im Benehmen mit der delt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachVerfassungsschutzbehörde tätig werden. drücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Die Verfassungsschutzbehörde darf in den Einzelpersonen, die nicht in einem oder für 119 einen Personenzusammenschluss handeln, sind oder eine ungesetzliche Beeinsind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, trächtigung der Amtsführung der Verwenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes fassungsorgane des Bundes oder eines unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, haben, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich 2. sicherheitsgefährdende oder geheimzu beschädigen. dienstliche Tätigkeiten in der Bundes(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundrepublik Deutschland für eine fremde ordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen Macht, 1. das Recht des Volkes, die Staatsge3. Bestrebungen in der Bundesrepublik walt in Wahlen und Abstimmungen und Deutschland, die durch Anwendung durch besondere Organe der Gesetzvon Gewalt oder darauf gerichtete gebung, der vollziehenden Gewalt und Vorbereitungshandlungen auswärtige der Rechtsprechung auszuüben und die Belange der Bundesrepublik DeutschVolksvertretung in allgemeiner, unmitland gefährden, und telbarer, freier, gleicher und geheimer 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Wahl zu wählen, Bundesrepublik Deutschland, die gegen 2. die Bindung der Gesetzgebung an die den Gedanken der Völkerverständiverfassungsmäßige Ordnung und die gung ( Artikel 9 Abs. 2 des GrundgeBindung der vollziehenden Gewalt und setzes) oder das friedliche Zusammender Rechtsprechung an Gesetz und leben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des Recht, Grundgesetzes) gerichtet sind, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den einer parlamentarischen Opposition, Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt 4. die Ablösbarkeit der Regierung und durch gezielte und planmäßige Sammlung ihre Verantwortlichkeit gegenüber der und Auswertung von Informationen, insbeVolksvertretung, sondere von sachund personenbezogenen 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und SS6 7. die im Grundgesetz konkretisierten Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Menschenrechte. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Teil 2 Personen, denen im öffentlichen InteAufgaben der Verfassungsschutzbehörde resse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu SS5 erhalten sollen oder ihn sich verschafBeobachtungsaufgaben fen können, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Per1. Bestrebungen, die gegen die freiheitsonen, die an sicherheitsempfindlichen liche demokratische Grundordnung, Stellen von lebensoder verteidigungsden Bestand oder die Sicherheit des wichtigen Einrichtungen beschäftigt Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder werden sollen, 120 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen behörde diejenige zu treffen, die einzelne zum Schutze von im öffentlichen IntePersonen und die Allgemeinheit vorausresse geheimhaltungsbedürftigen Tatsichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine sachen, Gegenständen oder ErkenntMaßnahme darf nicht zu einem Nachteil fühnissen gegen die Kenntnisnahme durch ren, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar Unbefugte sowie außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht Fällen. ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. SS7 (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsUnterrichtung der Landesregierung und befugnisse gegenüber der Polizei stehen der der Öffentlichkeit Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterum Maßnahmen ersuchen, zu denen sie richtet die Landesregierung regelmäßig selbst nicht befugt ist. und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . SS9 (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Allgemeine Befugnisse fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und TätigDie Verfassungsschutzbehörde darf zur keiten nach SS 5 und andere grundlegende Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit Informationen einschließlich personenbenach Absatz 2 dürfen auch personenbezozogener Daten verarbeiten, insbesondere gene Daten bekanntgegeben werden, wenn erheben, speichern, nutzen, übermitteln und die Bekanntgabe für das Verständnis des löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Zusammenhanges oder der Darstellung Befugnisse besonders regeln. von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige SS 10 Interesse der betroffenen Person überwiegt. Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich Teil 3 technischer Mittel zur heimlichen InformatiBefugnisse der Verfassungsschutzbeonsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mithörde tel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt SS8 eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Allgemeine Rechtsgrundsätze Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Agentinnen und Agenten, ObservationsGesetz und Recht gebunden (Artikel 20 maßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen Abs. 3 des Grundgesetzes). sowie die Verwendung von Tarnpapieren und (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstMaßnahmen hat die Verfassungsschutzlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift 121 zu benennen, die auch die Zuständigkeit denen auf Grund tatsächlicher Anhaltsfür die Anordnung solcher Informationsbepunkte anzunehmen ist, daß sie für eine schaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist nach Nummer 1 verdächtige Person der Parlamentarischen Kontrollkommission bestimmte Mitteilungen entgegennehvorzulegen. men oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer haben; die Erhebung darf nur erfolgen, Art und Schwere einer Beschränkung des um auf diese Weise Erkenntnisse über Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sicherheitsgefährdende oder geheimgleichkommen, wozu insbesondere das dienstliche Tätigkeiten für eine fremde heimliche Mithören oder Aufzeichnen des Macht oder gewalttätige Bestrebungen außerhalb der Wohnung nicht öffentlich oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiteder Anordnung durch die fachlich zustänrinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, dige Ministerin oder den fachlich zustänGegenstände und Nachrichtenzugänge digen Minister und der Zustimmung der der Verfassungsschutzbehörde gegen nach dem Landesgesetz zur parlamentasicherheitsgefährdende oder geheimrischen Kontrolle von Beschränkungen des dienstliche Tätigkeiten zwingend erforBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses derlich ist oder vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 4. dies zur Überprüfung der Nachrichten12-1), gebildeten Kommission; bei Gefahr zugänge und der hieraus gewonnenen im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung Informationen zwingend erforderlich dieser Kommission nachträglich einzuholen. ist. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, Daten erfolgt in entsprechender Anwendung wenn die Erforschung des Sachverhaltes des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. auf andere, Betroffene weniger beeinträchJuni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert tigende Weise möglich ist; eine geringere durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar Beeinträchtigung ist in der Regel anzuneh2002 (BGBl. I S. 361). men, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des werden kann. Der Einsatz eines nachrichLandes und der kommunalen Gebietskörtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar perschaften leisten der Verfassungsschutzaußer Verhältnis zur Bedeutung des aufzubehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne klärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßdes Absatzes 1 Hilfe. nahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte ist zur Erhebung personenbezogener Daten dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf nur zulässig, wenn diese Weise erreicht werden kann. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Verdacht von Bestrebungen oder Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorlieSS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gen, dass die zur Erforschung solcher gesprochene Wort mit technischen Mitteln Erkenntnisse erforderlichen Nachnur heimlich mithören oder aufzeichnen, richtenzugänge gewonnen werden wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer drinkönnen, genden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, 2. er sich gegen Personen richtet, von insbesondere einer gemeinen Gefahr oder 122 einer Lebensgefahr für einzelne Personen, punkt noch nicht abschließend beurteilen, unerlässlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt einen verdeckten Einsatz technischer Mitdie Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung tel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und des Zwecks der Maßnahme ausgeschlosBildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den sen werden kann. Die nach dem LandesSätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richgesetz zur parlamentarischen Kontrolle terlicher Anordnung getroffen werden; bei von Beschränkungen des Brief-, Postund Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommisdurch die fachlich zuständige Ministerin oder sion ist über die Gründe, die einer Mitteilung den fachlich zuständigen Minister angeordentgegenstehen, zu unterrichten; hält sie net werden; eine richterliche Entscheidung eine Mitteilung für geboten, so ist diese unist unverzüglich nachzuholen. Die Verwenverzüglich zu veranlassen. dung der durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen SS 10a Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Weitere Einzelfallbefugnisse Straftaten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Gesetzes . Die durch Maßnahmen nach Satz Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienst- 1 erhobenen personenbezogenen Daten leistungsinstituten und Finanzunternehmen dürfen auch zur Verfolgung der in SS 100 c unentgeltlich Auskünfte zu Konten, KontenAbs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung geinhabern und sonstigen Berechtigten sowie nannten Straftaten verwendet werden. weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanla(6) Sind technische Mittel ausschließlich gen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer zum Schutz der bei einem Einsatz in WohAufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfornungen tätigen Personen vorgesehen, kann derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme durch die fachlich zuständige für schwer wiegende Gefahren für die in Ministerin oder den fachlich zuständigen SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter Minister angeordnet werden. Eine Verwervorliegen. tung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentdemokratische Grundordnung ist zulässig, geltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßund zur Inanspruchnahme von Transportnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr leistungen und sonstigen Umständen des im Verzug ist die richterliche Entscheidung Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfülunverzüglich nachzuholen. lung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltsnach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 punkte für schwer wiegende Gefahren ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahfür die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten ren gelten die Bestimmungen des Gesetzes Schutzgüter vorliegen. über die Angelegenheiten der freiwilligen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Gerichtsbarkeit entsprechend. Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den VorausAbsätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung setzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Gesetzes bei Personen und Unternehmen, Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen die geschäftsmäßig Postdienstleistungen werden kann. Lässt sich zu diesem Zeiterbringen, sowie bei denjenigen, die an der 123 Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirund für Sport. Die fachlich zuständige Minisken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, terin oder der fachlich zuständige Minister Anschriften, Postfächern und sonstigen unterrichtet monatlich die nach dem LanUmständen des Postverkehrs einholen. desgesetz zur parlamentarischen Kontrolle (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im von Beschränkungen des Brief-, Postund Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Fernmeldegeheimnisses gebildete KomSS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Vorausmission über die beschiedenen Anträge vor setzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsdie fachlich zuständige Ministerin oder der mäßig Telekommunikationsdienste und fachlich zuständige Minister den Vollzug der Teledienste erbringen oder daran mitwirken, Entscheidung auch bereits vor der Unterunentgeltlich Auskünfte über Telekommunirichtung der Kommission anordnen. Für die kationsverbindungsdaten und TelediensteAufgaben und Befugnisse der Kommission nutzungsdaten einholen. Die Auskünfte sowie die Mitteilung von Maßnahmen nach können auch in Bezug auf zukünftige Teleden Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz zur parlamentakommunikation und zukünftige Nutzung von rischen Kontrolle von Beschränkungen des Telediensten verlangt werden. TelekommuBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nikationsverbindungsdaten und Telediensteentsprechende Anwendung. nutzungsdaten sind (6) Das Auskunftsersuchen und die Aus1. Berechtigungskennungen, Kartennumkunft selbst dürfen den Betroffenen oder mern, Standortkennungen sowie RufDritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt nummer oder Kennung des anrufenden werden. und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen personenbezogenen 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entDatum und Uhrzeit, sprechend anzuwenden. 3. Angaben über die Art der vom Kun(8) Das fachlich zuständige Ministerium den in Anspruch genommenen Teleberichtet über die durchgeführten Maßnahkommunikationsund Teledienstmen nach den Absätzen 1 bis 4 dem parlaDienstleistungen, mentarischen Kontrollgremium des Bundes 4. Endpunkte festgeschalteter Verbinunter entsprechender Anwendung des SS 8 dungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des BundesverDatum und Uhrzeit. fassungsschutzgesetzes für dessen Berichte (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfasdürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der sungsschutzgesetzes . Antrag ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des Landesgesetzes zur Teil 4 parlamentarischen Kontrolle von BeschränDatenverarbeitung kungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu SS 11 begründen. Über den Antrag entscheidet die Erhebung, Speicherung und Nutzung perLeiterin oder der Leiter oder die stellvertresonenbezogener Daten tende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den Verfassungsschutz zustän(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur digen Abteilung des Ministeriums des Innern Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene 124 Daten erheben, in Akten und Dateien spei(4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz chern und nutzen, wenn 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den nur personenbezogene Daten über die PerVerdacht von Bestrebungen oder Tätigsonen gespeichert werden, die selbst der keiten nach SS 5 vorliegen, Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten (5) Personenbezogene Daten, die ausnach SS 5 erforderlich ist oder schließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben Sicherstellung eines ordnungsgemäßen nach SS 6 erforderlich ist. Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert werden, dürfen für andere Zwegespeichert sind, welche der Auswertung cke nur insoweit verarbeitet werden, als dies personenbezogener Daten zur Erfüllung zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 dienen öffentlichen Sicherheit, insbesondere für sollen, müssen durch Akten oder andere Leben, Gesundheit oder Freiheit einer PerDatenträger belegbar sein. son erforderlich ist. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, SS 12 daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten Berichtigung, Löschung und Sperrung im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), personenbezogener Daten dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestre(1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in bungen oder Tätigkeiten im Sinne des Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 SS 5 erforderlich ist, gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind 2. die Erforschung des Sachverhaltes zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. auf andere Weise aussichtslos oder Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, wesentlich erschwert wäre und dass in Akten gespeicherte personenbe3. überwiegende schutzwürdige Intezogene Daten unrichtig oder unvollständig ressen der betroffenen Person nicht sind. entgegenstehen. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgespeicherte personenbezogene Daten zu gaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig Informationen untrennbar verbunden sind. war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Daten, die für das Verständnis der zu speiAufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr chernden Informationen nicht erforderlich erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt wenn Grund zu der Annahme besteht, dass nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit durch sie schutzwürdige Interessen von einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den in diesem Falle sind die Daten zu sperren. zu löschenden personenbezogenen Daten (3) Werden personenbezogene Daten bei entsprechenden Akten oder AktenbestandBetroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist teile sind zu vernichten, wenn eine Trender Erhebungszweck anzugeben. Betrofnung von anderen Daten, die zur Erfüllung fene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhinzuweisen. hin erforderlich sind, mit vertretbarem Auf125 wand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten Stellen des Landes und der kommunalen entsprechend für sonstige Akten, wenn die Gebietskörperschaften von sich aus auch Verfassungsschutzbehörde die Voraussetalle anderen ihnen bekannt gewordenen zungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Informationen einschließlich personenbezoPersonenbezogene Daten sind zu sperren, gener Daten übermitteln, die Bestrebungen sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetund Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 zungen eine Löschung nach Satz 2 oder betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht dafür bestehen, dass die Übermittlung für vorzunehmen ist. die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungs(3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei schutzbehörde erforderlich ist. der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann festzusetzenden Fristen, in den Fällen des über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz und 6 erforderlich ist, von den öffentlichen 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei JahStellen des Landes und der kommunalen ren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Gebietskörperschaften Informationen und 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Ersuchen braucht nicht begründet zu werGespeicherte personenbezogene Daten den; die Verfassungsschutzbehörde allein über Bestrebungen und Tätigkeiten nach trägt die Verantwortung für dessen RechtmäSS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens ßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzwerden, wenn die Informationen nicht aus ten gespeicherten relevanten Information allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder übermäßigem Aufwand oder nur durch eine der Leiter der für den Verfassungsschutz die Betroffenen stärker belastende Maßzuständigen Abteilung des Ministeriums des nahme erhoben werden können. Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf kondass die weitere Speicherung zur Erfüllung krete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde Wahrung schutzwürdiger Interessen Betrofdie Übermittlung personenbezogener Inforfener erforderlich ist. mationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur SS 13 verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Informationsübermittlung an die VerfasAufklärung von sicherheitsgefährdenden sungsschutzbehörde oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und fremde Macht oder von Bestrebungen, die der kommunalen Gebietskörperschaften durch Anwendung von Gewalt oder darauf übermitteln von sich aus der Verfassungsgerichtete Vorbereitungshandlungen gegen schutzbehörde Informationen, soweit die freiheitliche demokratische Grundorddiese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung nung, den Bestand oder die Sicherheit des der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit Bundes oder eines Landes gerichtet sind, die Bestrebungen und Tätigkeiten durch auswärtige Belange der Bundesrepublik Anwendung von Gewalt oder darauf gerichDeutschland gefährden oder gegen den tete Vorbereitungshandlungen gekennzeichGedanken der Völkerverständigung oder net sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich das friedliche Zusammenleben der Völker sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbe126 hörde kann auch Einsicht in die amtlichen Zusatzabkommens zu dem Abkommen Dateien und sonstigen Informationsbezwischen den Parteien des Nordatlanstände nehmen, soweit dies zur Aufklärung tikvertrages über die Rechtsstellung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bestrebungen zwingend erforderlich ist Bundesrepublik Deutschland statiound durch eine andere Art der Übermittlung nierten ausländischen Truppen vom 3. der Zweck der Maßnahme gefährdet oder August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt 1218 -), zuletzt geändert durch Abkomwürden. Die Übermittlung personenbezomen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II gener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und S. 2594), Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie 2. die Staatsanwaltschaften und die Poliauf im Einzelfall durch die Verfassungszeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu schutzdelikten, den in SS 100 a der beschränken. Strafprozessordnung und SS 131 des (4) Die Übermittlung personenbezogener Strafgesetzbuchs genannten Straftaten Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach und sonstigen Straftaten im Rahmen SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt der organisierten Kriminalität; Staatsgeworden sind, ist für Zwecke der Aufgaschutzdelikte sind die in den SSSS 74 a benerfüllung nach diesem Gesetz nur dann und 120 des Gerichtsverfassungsgezulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte setzes genannten Straftaten sowie sondafür bestehen, dass jemand eine der in stige Straftaten, bei denen auf Grund SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannihrer Zielsetzung, des Motivs der Täteten Straftaten plant, begeht oder begangen rin oder des Täters oder der Verbindung hat. Auf deren Verwertung durch die Verfaszu einer Organisation tatsächliche Ansungsschutzbehörde findet SS 4 des Artikel haltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, SS 14 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, Informationsübermittlung durch die soweit sie gefahrenabwehrend tätig Verfassungsschutzbehörde sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erfor(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an derlich ist und die Übermittlung zur Aböffentliche Stellen personenbezogene Daten wehr einer im Einzelfall bestehenden zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 erheblichen Gefahr oder zur vorbeuund 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts genden Bekämpfung der in Nummer 2 anderes bestimmt ist. Die empfangende genannten Straftaten oder von VerbreStelle darf personenbezogene Daten nur zu chen, für deren Vorbereitung konkrete dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitHinweise vorliegen, dient, telt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfan(2) Zu anderen Zwecken darf die Verfasgenden Stelle erforderlich ist und diese sungsschutzbehörde, soweit gesetzlich die personenbezogenen Daten für Zwenichts anderes bestimmt ist, personenbezocke benötigt, die dem Schutz wichtiger gene Daten nur übermitteln an Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz 1. die Dienststellen der Stationierungsvon Leben, Gesundheit oder Freiheit streitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des einer Person oder dem Schutz von 127 Sachen von bedeutendem Wert oder Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an der Gewährleistung der Sicherheit von ausländische Nachrichtendienste geschieht lebensoder verteidigungswichtigen im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Einrichtungen im Sinne des LandessiVerfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen cherheitsüberprüfungsgesetzes dienen Fällen, in denen auswärtige Belange der und dies mit den Aufgaben der VerfasBundesrepublik Deutschland oder überwiesungsschutzbehörde nach den SSSS 5 gende schutzwürdige Interessen Betroffeund 6 vereinbar ist. ner entgegenstehen. Die Übermittlung ist In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des aktenkundig zu machen. Die empfangende Bundesverfassungsschutzgesetzes überStelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darümittelten personenbezogenen Daten nur zu ber hinaus auch den Staatsanwaltschaften dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftsie ihr übermittelt wurden, und dass die lichen Sachleitungsbefugnis, den PolizeiVerfassungsschutzbehörde sich vorbehält, behörden des Landes Informationen einAuskunft über die Nutzung der personenbeschließlich personenbezogener Daten unter zogenen Daten zu verlangen. den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz (6) Personenbezogene Daten dürfen an 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesvernichtöffentliche Stellen nicht übermittelt fassungsschutzgesetzes . werden, es sei denn, dies ist (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf 1. zum Schutze der freiheitlichen demokrabegründete Anfrage von öffentlichen Stellen tischen Grundordnung, des Bestandes des Landes und der kommunalen Gebietsoder der Sicherheit der Bundesrepublik körperschaften Auskunft einschließlich perDeutschland oder eines ihrer Länder sonenbezogener Daten aus vorhandenen oder zur Gewährleistung der Sicherheit Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsavon lebensoder verteidigungswichchen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplitigen Einrichtungen im Sinne des Lannarund Kündigungsverfahren, im Einbürgedessicherheitsüberprüfungsgesetzes, rungsverfahren und in den Fällen, in denen 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss eine fremde Macht, zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheim(4) Die Verfassungsschutzbehörde überdienstlichen Tätigkeiten oder vor der mittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesplanmäßigen Unterwanderung von verfassungsschutzgesetzes dem BundesWirtschaftsunternehmen durch die in nachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten personenbezogener Daten. Bestrebungen oder (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, personenbezogene Daten an ausländische Freiheit oder Vermögen einer Person Nachrichtendienste angrenzender Staaten, erforderlich. Die Übermittlung bedarf der an andere ausländische öffentliche StelZustimmung der fachlich zuständigen Minilen sowie an überund zwischenstaatliche sterin oder des fachlich zuständigen MiniStellen übermitteln, wenn die Übermittsters oder der Leiterin oder des Leiters der lung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den für den Verfassungsschutz zuständigen SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher Abteilung des Ministeriums des Innern und Sicherheitsinteressen der empfangenden für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. 128 Die empfangende Stelle ist darauf hinzulich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht weisen, dass die übermittelten personenbeerforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu zogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiwerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt ben, wenn die Trennung von anderen persowurden, und dass die Verfassungsschutznenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der behörde sich vorbehält, Auskunft über die Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur Nutzung der personenbezogenen Daten zu mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in verlangen. diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 15 Übermittlungsverbote SS 17 Die Übermittlung von personenbezogenen Minderjährigenschutz Daten nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, (1) Personenbezogene Daten über das Verwenn halten von Minderjährigen vor Vollendung 1. überwiegende schutzwürdige Interesdes 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien sen der Betroffenen dies erfordern, im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu 2. überwiegende Sicherheitsinteressen ihrer Person geführten Akten gespeichert dies erfordern, insbesondere Gründe werden. des Quellenschutzes, des Schutzes (2) Über Minderjährige nach Vollendung des operativer Maßnahmen oder sonstige 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des Geheimhaltungsgründe entgegensteSS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person hen oder geführten Akten gespeicherte personenbe3. besondere gesetzliche Übermittlungszogene Daten sind nach Ablauf von zwei regelungen entgegenstehen; die VerJahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten pflichtung zur Wahrung gesetzlicher auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu Geheimhaltungspflichten oder von überprüfen und spätestens nach fünf Jahren Berufsoder besonderen Amtsgeheimzu löschen, es sei denn, nach Eintritt der nissen, die nicht auf gesetzlichen VorVolljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach schriften beruhen, bleibt unberührt. SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den SS 16 Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt Besondere Pflichten bei der Übermittlung werden, solange die Voraussetzungen der personenbezogener Daten Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen (1) Erweisen sich personenbezogene Daten diese Voraussetzungen nicht oder nicht nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmehr vor, ist eine Übermittlung nur zuläsmungen dieses Gesetzes als unvollständig sig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen oder unrichtig, so sind sie unverzüglich Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat gegenüber der empfangenden Stelle zu von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne (4) Personenbezogene Daten über das VerBedeutung. halten von Minderjährigen vor Vollendung (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die des 16. Lebensjahres dürfen nach den nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an übermittelten personenbezogenen Daten ausländische oder überoder zwischenfür die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderstaatliche Stellen übermittelt werden. 129 SS 18 gefährdet würde. Die Gründe der AuskunftsAuskunft an Betroffene verweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Betroffenen über zu ihrer Person in Akten Fehlen der Begründung und darauf hinzuund Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 weisen, dass sie sich an die Landesbeaufgespeicherte Daten sowie über den Zweck tragte oder den Landesbeauftragten für den und die Rechtsgrundlage für deren VerarDatenschutz wenden können. Mitteilungen beitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. der oder des Landesbeauftragten für den Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Datenschutz an Betroffene dürfen keine nicht auf die Herkunft der Daten und auf Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern Über personenbezogene Daten in nichtaudiese nicht einer weitergehenden Auskunft tomatisierten Dateien und Akten, die nicht zugestimmt hat. zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der perSS 19 sonenbezogenen Daten mit angemessenem Datenschutzkontrolle Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf AktenDer oder dem Landesbeauftragten für den einsicht besteht nicht. Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm soweit ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgain alle Dateien, Akten und sonstige Unterbenerfüllung zu besorgen ist, lagen zu gewähren, soweit nicht die fach2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährlich zuständige Ministerin oder der fachlich det sein können oder die Ausforschung zuständige Minister im Einzelfall feststellt, des Erkenntnisstandes oder der dass dadurch die Sicherheit des Bundes Arbeitsweise der Verfassungsschutzoder eines Landes gefährdet wird. behörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder Teil 5 eines Landes Nachteile bereiten würde Parlamentarische Kontrolle oder 4. die Daten oder die Tatsache der SpeiSS 20 cherung nach einer Rechtsvorschrift Parlamentarische Kontrollkommission oder wegen der überwiegenden be(1) Zur Wahrnehmung seines parlamenrechtigten Interessen Dritter geheimgetarischen Kontrollrechtes gegenüber der halten werden müssen. fachlich zuständigen Ministerin oder dem Die Entscheidung trifft die Leiterin oder fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Leiter der für den Verfassungsschutz der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde zuständigen Abteilung des Ministeriums des bildet der Landtag zu Beginn jeder WahlpeInnern und für Sport oder hierzu besonders riode eine Parlamentarische KontrollkomBeauftragte. mission. Die Rechte des Landtags, seiner (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung Ausschüsse und der nach dem Landesgebedarf keiner Begründung, soweit dadurch setz zur parlamentarischen Kontrolle von der Zweck der Auskunftsverweigerung Beschränkungen des Brief-, Postund Fern130 meldegeheimnisses gebildeten Kommission lamentarischen Kontrollkommission verlanbleiben unberührt. gen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in (2) Die Parlamentarische KontrollkommisDateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. sion besteht aus drei Mitgliedern, die vom (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit der Parlamentarischen Kontrollkommission seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlawerden unter Beachtung des notwendigen mentarische Kontrollkommission wählt eine Schutzes des Nachrichtenzugangs durch Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und die politische Verantwortung der fachlich gibt sich eine Geschäftsordnung. zuständigen Ministerin oder des fachlich (3) Die Beratungen der Parlamentarischen zuständigen Ministers bestimmt. Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen Teil 6 ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen KonSchlussbestimmungen trollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. SS 22 (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag Geltung des Landesdatenschutzgesetzes oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzunverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; behörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der SSSS 12 bis 19 des LandesdatenschutzgeParlamentarischen Kontrollkommission aussetzes keine Anwendung scheidet. SS 23 SS 21 Einschränkung von Grundrechten Befugnisse der Parlamentarischen KonAufgrund dieses Gesetzes können das trollkommission Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Woh(1) Die fachlich zuständige Ministerin oder nung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und der fachlich zuständige Minister unterrichtet Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz die Parlamentarische Kontrollkommission sowie das Grundrecht des Brief-, Postund mindestens zweimal jährlich umfassend Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des über die allgemeine Tätigkeit der VerfasGrundgesetzes und Artikel 14 der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge sung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt von besonderer Bedeutung. Die Unterwerden. richtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz SS 24 technischer Mittel in Wohnungen sowie die (Änderungsbestimmung) Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, SS 25 Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Inkrafttreten Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis 4 zu geben. (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Ver(2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt kündung in Kraft. und die umfassende Unterrichtung der Par(2) (Aufhebungsbestimmung) 131 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 132