Ministerium des Innern und für Sport Verfassungsschutzbericht 2005 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2005 ISSN 0948-8723 Vorwort Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hielt auch im europäischen Raum im Jahre 2005 unvermindert an. Die Anschläge von London im Juli, die viele Menschenleben forderten, haben uns dies erneut auf erschreckende Weise vor Augen geführt. Die Ermittlungen in diesen Fällen, aber auch Feststellungen in anderen europäischen Ländern haben nicht zuletzt zu einer wichtigen Erkenntnis geführt: Täter und Tatverdächtige leben teilweise schon lange in Europa und schienen integriert. Ihre Motivation entspringt vor allem islamistischem Gedankengut. Dies sind umso mehr Signale, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und den Islamismus nicht nachzulassen. Angesichts dieser Entwicklung wurde der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz organisatorisch um ein Islamismusreferat erweitert und personell verstärkt. Darüber hinaus können jetzt Bürgerinnen und Bürger über eine Hotline Hinweise zur Aufklärung oder Verhinderung von Terrorakten geben. Der Rechtsextremismus war auch 2005 weiterhin Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. Rechtsextremistische Parteien konnten zwar nicht an die Wahlerfolge des Vorjahres 2004 anknüpfen. Allerdings konnte die NPD ihre Mitgliederzahl nach einer Phase der Stagnation bundesweit, so auch in Rheinland-Pfalz, wieder erhöhen. Besonderes Augenmerk galt zudem den anhaltenden Bemühungen der Rechtsextremisten, Einfluss unter Jugendlichen zu gewinnen. Gezielte Werbeund Anwerbeaktionen, wie die Verteilung von Musik-CDs im Umfeld von Schulen, fanden auch in Rheinland-Pfalz statt. Wachsamkeit in Sachen Rechtsextremismus bleibt demnach auch weiterhin geboten. Dies gilt auch für die linksextremistische Szene. Zwar zeigten Teile dieses Spektrums eine anhaltende Theorieund Mobilisierungsmüdigkeit. Ungeachtet dessen gewann aber das traditionelle Aktionsfeld "antifaschistischer Kampf" wieder verstärkte Bedeutung. Dabei suchten Angehörige der Autonomen-Szene nicht nur die gewaltsame Auseinandersetzung mit ihren politischen Gegnern. Ziel der Gewalt waren vor allem Polizeibeamtinnen und -beamte, wie die Vorfälle während einer Demonstration in Worms am 1. Mai 2005 zeigen. Dies verdeutlicht, dass Autonome unter dem Deckmantel "Antifaschismus" eigentlich den demokratischen Rechtsstaat und seine Repräsentanten angreifen wollen. Spionageabwehr und Geheimschutz erscheinen für Unkundige bisweilen als weniger bedeutsame Arbeitsfelder - zu unrecht. Anhaltende Ausspähungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste in den Bereichen Politik und vor allem Wirtschaft sowie die Versuche von Schwellenländern, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen, sind fortwährende Gefahren. Dies wurde im Jahre 2005 vor allem am Beispiel der Atompolitik des Irans deutlich. In Rheinland-Pfalz hat der Verfassungsschutz im Berichtsjahr unter dem Motto "Sicherheitspartnerschaft" seine Aktivitäten zum Schutz der Wirtschaft vor ungesetzlicher Ausspähung weiter verstärkt. Getragen von dem Gedanken "Prävention durch Information" unterrichtet der Verfassungsschutzbericht 2005 wiederum über relevante extremistische bzw. Sicherheit gefährdende Bestrebungen in unserem Land. Ich hoffe, er findet auch diesmal das Interesse vieler Leserinnen und Leser. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 9 2. Strukturdaten 10 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information 10 4. Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus 12 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" 12 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 13 Überblick 2004 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 14 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 15 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 15 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 15 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 16 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 20 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 21 1.5 "Kameradschaften" 22 1.6 Rechtsextremistische Parteien 25 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 25 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 35 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 36 5 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) 38 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 42 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" 42 1.7.2 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 43 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz 43 1.8 Revisionisten 45 1.9 Auslandskontakte 46 2. Linksextremismus 47 Überblick 2004 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 48 2.2 Linksextremistische Gewalt 48 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 49 2.3.1 Verfahren gegen terroristische und militante Straftäter 49 2.3.2 Autonome 50 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 53 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 59 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 59 2.4.2 "Die Linkspartei.PDS, Rheinland-Pfalz" (DIE LINKE) 60 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland" (MLPD) 63 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 64 Überblick 2004 3.1 Personenpotenzial 64 6 3.2 Gewalttatenzahlen 65 3.3 Islamismus 65 3.3.1 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz 68 3.3.1.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 69 3.3.1.2 "Kalifatsstaat" 72 3.3.1.3 "Muslimbruderschaft" 73 3.3.1.4 "Tabligh-i Jamaat" 75 3.3.1.5 Tschetschenische Separatistenbewegung 76 3.3.1.6 Mudjahedin 77 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 79 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 82 3.6 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) 84 3.7 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) 85 3.8 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2005 in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind 91 4. Internet/Neue Medien 93 4.1 Rechtsextremisten 93 4.2 Linksextremisten 94 4.3 Ausländerextremismus 95 5. Spionageabwehr 97 6. Geheimschutz/Sabotageschutz 108 D. Anhang 110 Gesetzliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz 7 Anmerkung für die Leserinnen und Leser Der Verfassungsschutzbericht 2005 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Der Bericht enthält demnach keine umfassende und abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung zu verstehen. Bei den im Bericht aufgeführten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes vor. Die Einschätzung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bedeutet aber nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Die im Verfassungsschutzbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2005. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. Die im Verfassungsschutzbericht 2005 genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst. Dieses 2001 eingeführte (neue) Definitionssystem stellt die tatauslösende politische Motivation in den Vordergrund. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbarem extremistischen Hintergrund, wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Die vergleichende Darstellung der entsprechenden Bundeszahlen musste unterbleiben, da diese bis zum Redaktionsschluss noch nicht vorlagen. 8 A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes1 u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur bzw. Herkunft; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. So hat der Verfassungsschutz insbesondere keine polizeilichen Befugnisse, er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, dass der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen darf, die ihm selbst untersagt sind. Daran haben auch die umfassenden gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 nichts geändert. Nach der Schaffung neuer Bestimmungen zur strafrechtlichen Verfolgung der Unterstützer ausländischer Terrororganisationen (SS 129b StGB) und zum Verbot islamistischer Vereine (Wegfall des so genannten Religionsprivilegs im Vereinsgesetz) noch im Dezember 2001 - beides als "Sicherheitspaket I" bezeichnet - ist zu Jahresbeginn 2002 das Ter- 1 Siehe unter Teil D. (Anhang) 9 r orismusbekämpfungsgesetz ("Sicherheitspaket II") in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Sicherheitsgesetze, darunter das Bundesverfassungsschutzgesetz, der neuen Bedrohungslage angepasst worden. In Rheinland-Pfalz wurde die Gesetzeslage mit der Neufassung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 10 GG und zur Fortentwicklung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 16. Dezember 20022 angepasst. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1603. Im Haushaltsjahr 2005 beträgt das Budget für den Verfassungsschutz insgesamt 1.700.000,EUR. ie Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im D Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) belief sich zum 31. Dezember 2005 auf 9.114. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrags. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz insbesondere unter dem Gesichtspunkt möglichst frühzeitiger Prävention breiten Raum ein. 2 Siehe GVBL 2002, Seite 477. Von den Änderungen betroffen sind u. a. das Landesverfassungsschutzgesetz (s. Teil D., Anhang) und das Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (s. GVBL 2000, Seite 70). 3 Stand: 31. Dezember 2005 10 In diesem Sinne werden auf Anfrage Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus wie den Schwerpunktthemen Rechtsextremismus und Islamismus durchgeführt. Von diesem Angebot können interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine und insbesondere Schulklassen, Gebrauch machen. Kontaktaufnahmen bitte an: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat : Tel.: 06131/16-3220 oder Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3773 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de Neben dem Vortragsangebot informiert der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz durch Themen bezogene Publikationen. Aktuell sind folgende Informationsbroschüren erhältlich, die auch über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de als Datei im pdf-Format abrufbar sind: - "Verfassungsschutz transparent" - "Skinheads" - "Islamistische Extremisten" - "Wirtschaftsspionage"* - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - Mit Sicherheit ein Gewinn!" - "Proliferation - das geht uns an!" (* : derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) 11 4. Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Seit Jahren sieht die Landesregierung in der entschiedenen Bekämpfung des Rechtsextremismus eine Schwerpunktaufgabe. Auch im Jahr 2005 haben die davon betroffenen Ministerien ihre kontinuierliche Präventions-, Aufklärungsund Fortbildungsarbeit weiter geführt. Um diese Arbeit weiterhin zu verbessern, befasst sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes mit der Entwicklung neuer Initiativen und der Koordinierung laufender Maßnahmen der einzelnen Ressorts. Ein Schwerpunkt ist dabei nach wie vor das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus", das bis 31. Dezember 2005 mehr als 1.700 Beratungsund Auskunftsgespräche verzeichnete. Ergänzt wird es durch das Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben", das seit Juli 2002 abrufbar ist. Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Jugendliche können leicht in den Einflussbereich extremistischer Gruppierungen geraten. Aus diesem Grund hat die Landesregierung ein Programm geschaffen, das insbesondere jungen Menschen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich daher nicht an Szene bekannte Aktivisten, sondern vor allem an Mitläufer und Sympathisanten, wofür seit März 2001 eine Telefon-Hotline geschaltet ist. Die kostenlose Hotline-Nummer 0800-4546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" herzustellen. Aber auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und vergleichbaren Initiativen wird im Rahmen der "Elterninitiative gegen Rechts - Hilfen für Eltern von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen" fachliche Beratung und Unterstützung angeboten. " (R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 12 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Der Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist und bleibt eine zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung und zugleich ein Beobachtungsschwerpunkt des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes. Ihm gilt zudem besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Prävention durch Öffentlichkeitsarbeit. Das rechtsextremistische Personenpotenzial blieb im Jahr 2005 in Rheinland-Pfalz nahezu konstant. Unter den rechtsextremistischen Parteien konnte die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) einen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Dem gegenüber stieg aber die Neonaziszene entgegen dem Bundestrend in Rheinland-Pfalz 2005 nicht weiter an. Dies gilt auch für das rechtsextremistische Gewaltpotenzial in Rheinland-Pfalz. Besorgnis erregend ist, dass sich immer wieder junge Menschen der Skinheadund Neonaziszene anschließen. Diese Szenen sind durch ein hohes Maß an Fluktuation, bisweilen wenig strukturierte, kurzlebige Zusammenschlüsse und eine schwer quantifizierbare Grauzone gekennzeichnet. Den Entwicklungen innerhalb der rechtsextremistischen Skinheadund Neonaziszene wurde verstärkt durch exekutive Maßnahmen begegnet. Erstmals wurden in Rheinland-Pfalz Mitglieder einer "Kameradschaft", der "Kameradschaft Westerwald", nach SS 129 Strafgesetzbuch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Die rechtsextremistischen Parteien konnten im Jahre 2005 weder bei Landtagswahlen noch bei der Bundestagswahl an die Wahlerfolge des Vorjahres 2004 anknüpfen. Vor allem die NPD erfüllte nicht mehr die diesbezüglichen Erwartungen ihrer Mitglieder und Anhänger. Dennoch konnte 13 diese betont aggressiv agitierende, verfassungsfeindliche Partei als einzige Vertreterin des rechtsextremistischen Parteienspektrums ihre Anhängerschaft im Bundesgebiet ausbauen. Zudem hatte sie im Jahre 2005 ihre Bemühungen nachhaltig verstärkt, unter Jugendlichen zu werben. Auch in Rheinland-Pfalz wurden zu diesem Zweck kostenlos Musik-CDs verteilt. Angesichts dieser speziell auf Jugendliche abgestimmten Werbemaßnahme, die auf die Idee einer bereits 2004 innerhalb der Skinheadszene konzipierten Aktion zurückgreift, wird deutlich: Rechtsextremisten legten auch 2005 wieder besonderen Wert auf die Nachwuchswerbung und setzten dabei auf Jugend gerechte Medien, so die Musik in unterschiedlichen Stilrichtungen sowie das Internet. Auch wenn die Wirkung dieser Einflussnahmeversuche auf Dauer schwer absehbar ist, kann doch ein gewisser Zuspruch schon jetzt festgestellt werden. Damit ist die Gefahr latent, dass bei den Betroffenen ein verfestigtes rechtsextremistisches Ideenfundament entstehen kann. Das revisionistische Spektrum konnte im Jahre 2005 durch Festnahmen und Auslieferungen führender Revisionisten wie dem Holocaust-Leugner Ernst ZÜNDEL, gegen den in Mannheim ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde, geschwächt werden. Thematisch orientierten sich rechtsextremistische Kreise wie in den Vorjahren vornehmlich an aktuellen Fragen der Sozialund Gesellschaftspolitik. Sie mündeten jedoch in bekannter Weise stets in fremdenfeindlichen, antisemitischen oder politische Gegner diffamierenden Ausfällen. Sachargumentation wurde weiterhin klein geschrieben, wenn sie überhaupt vorhanden war. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial Bund (2004) Rheinland-Pfalz (2004) Gesamt: 39.000* (40.700*) 1.600* (1.600*) Gewaltbereite: 10.400 (10.000) 100 ( 100) Neonazis: 4.100 ( 3.800) 75** ( 75) Parteien: 21.500 (23.800) 1.400 (1.370) Sonstige: 4.000 ( 4.300) 75 ( 100) alle Angaben gerundet *ohne Mehrfachmitgliedschaften **davon 50 in "Gewaltbereite" 14 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2005 liegt in Rheinland-Pfalz bei 486 (2004: 400), davon 366 so genannte Propagandadelikte (2004: 307). Von den 486 Taten waren 252 rechtsextremistisch motiviert (2004: 271). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 22 (2004: 20). In 19 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2004: 20). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2005 zwei jüdische Friedhöfe geschändet (2004: zwei). Übersicht über Gewalttaten mit rechtsextremis2005 2004 tischem Hintergrund: Gesamt: 22 20 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: -- -- Körperverletzungen: 19 20 Brand-/Sprengstoffanschläge: -- -- Landfriedensbruch: 3 -- Innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums besteht weiterhin die Gefahr, dass sich daraus rechtsterroristische Bestrebungen entwickeln. Dies wird vor allem durch anhaltende Gewaltdiskussionen unter Rechtsextremisten, aggressive Internetdarstellungen und das wiederholte Auffinden von Waffen und Sprengstoffen belegt. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2005 keine rechtsterroristischen Strukturen festgestellt. 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten4 werden bun- 4 Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die Mehrheit der Täter ist männlich. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 15 desweit etwa 10.400 Personen zugerechnet (2004: ca. 10.000). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. Diese ist damit ein wesentlicher Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums in der Bundesrepublik Deutschland. In Rheinland-Pfalz werden wie in den Vorjahren den gewaltbereiten bzw. gewalttätigen Rechtsextremisten je ca. 50 Skinheads und 50 Neonazis zugeordnet. Charakteristisch ist die hohe Fluktuation in dieser Szene. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads5 Der vorwiegend unstrukturierten, subkulturellen Skinheadszene gehören neben unpolitischen Personen und einzelnen so genannten Redskins6 vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads an. Die Skinheadszene in Rheinland-Pfalz ist auf etwa 450 Personen angewachsen (2004: ca. 400). Bei den hiesigen Szeneangehörigen wird aber mehr Wert auf Unterhaltung als auf politische Arbeit gelegt. Die meisten verfügen deshalb noch nicht über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild. Teile dieses Spektrums lassen jedoch eine latente Neigung zur Gewalt erkennen. Aufgrund der persönlichen Kontakte und dem Zugang zu einer rechtsextremistischen, insbesondere fremdenfeindlichen und antisemitischen Gedankenwelt besteht die permanente Gefahr des Abgleitens in den Rechtsextremismus. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz, von denen ein Teil in den so genannten Kameradschaften organisiert ist, können eindeutig als neonazistisch eingestuft werden. Diese treten vorwiegend in der Vorderpfalz sowie im Raum Zweibrücken/Westpfalz in Erscheinung. In Folge des Strafverfahrens gegen die "Kameradschaft Westerwald" (vgl. Ziffer 1.5) kamen die rechtsextremistischen Aktivitäten im Raum Koblenz/Westerwald nahezu zum Erliegen. Nach wie vor ist das Selbstverständnis der meisten Skinheads von einem aktionsorientierten Gemeinschaftsgefühl geprägt, das für eine politische 5 Vgl. Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: April 2004), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz angefordert werden kann. 6 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. 16 Schulung oder gar eine zielgerichtete, langfristige politische Arbeit nur wenig Raum lässt. Gegenüber den rechtsextremistischen Parteien bleibt die Skinheadszene weiterhin zurückhaltend. Lediglich die NPD hat einen geringen Grad der Akzeptanz innerhalb der Szene gewonnen, da sich die NPD gegenüber dem neonazistischen und gewaltbereiten Spektrum geöffnet hat. Es gelang der Partei jedoch nicht, aus den Reihen der Skinheads eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern zu rekrutieren und dauerhaft in eine politische Arbeit einzubinden. In Rheinland-Pfalz ist lediglich auf der regionalen Ebene bei der Organisation und Durchführung von Demonstrationen ein Zusammenwirken von Skinheads mit Neonazis und der NPD zu beobachten. Skinheadmusik Skinheadmusik und Konzerte sind in der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene nach wie vor entscheidende Elemente für deren Zusammenhalt und die Motivation. Die Musik dient als Medium, um Jugendliche für die Szene zu gewinnen. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen eröffnen die Möglichkeit, zusammen zu treffen, Kontakte zu knüpfen und auszubauen; sie fördern damit die Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher. Skinheadbands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut, insbesondere rassistische und volksverhetzende Liedtexte, die sich gegen Szene typische Feindbilder richten (z.B. Ausländer, Juden etc.). Es gibt 17 aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. Das Musikinteresse der Szene richtet sich neben den traditionellen Darbietungen zunehmend auch auf Stilrichtungen der Rockmusik, wie zum Beispiel "Hardcore" (die rechtsextremistische Szene bezeichnet diese Stilrichtung wegen der Texte auch als "Hatecore", englisch Hate = Hass). Daneben findet auch die "Black Metal"-Musik Beachtung, die sich inhaltlich mit okkulten Themen (z.B. Satansverehrung) auseinandersetzt und sich durch eine positive Einstellung zur Gewalt darstellt. Skinheadkonzerte werden in der Regel von Angehörigen der jeweiligen ortsansässigen Szene organisiert. Die Mobilisierung erfolgt wegen des Verfolgungsdrucks der Sicherheitsbehörden in der Regel konspirativ. Per SMS, über Handy, Mailinglisten im Internet oder mündlich werden lediglich Treffpunkte, teilweise im benachbarten Ausland, bekannt gegeben, von denen aus die Teilnehmer sodann per SMS zu den eigentlichen Veranstaltungsorten geleitet werden. Bis kurz vor Beginn der Veranstaltungen sind meist nur wenige Szeneangehörige über den genauen Veranstaltungsort informiert. Inhaber von Gaststätten und anderen Räumlichkeiten werden von den Musikveranstaltern bei der Anmietung häufig über den Veranstaltungshintergrund sowie die tatsächlichen Absichten getäuscht, z.B. Geburtstagsoder Verlobungsfeiern. Auch die Organisatoren anderer rechtsextremistischer Veranstaltungen (wie Demonstrationen oder Parteiveranstaltungen der NPD) haben die Wirkung der rechtsextremistischen Musik erkannt und versuchen, junge Rechtsextremisten durch die Auftritte von Skinheadbands für die Teilnahme an ihren Aktivitäten zu gewinnen. ie Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte in Deutschland ist D im Berichtsjahr weiter angestiegen7. In Rheinland-Pfalz wurden dagegen im Jahre 2005 nur zwei Auftritte von Skinheadbands bekannt (2004: 3). Darüber hinaus fanden wiederum so genannte Skinheadpartys im kleinen Kreis statt, bei denen keine rechtsextremistischen Skinheadbands auftraten. 7 Im Jahre 2004 wurden bundesweit 137 Skinheadkonzerte festgestellt. 18 Trotz zahlreicher gezielter Maßnahmen der Sicherheitsbehörden fin-det nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen weiterhin ein reger Austausch und Handel mit einschlägigen CDs statt. Allerdings konnte die von Rechtsextremisten unter der Bezeichnung "Projekt Schulhof" geplante Propagandaaktion weitgehend verhindert werden. Diesem Projekt lag die Idee zugrunde, 50.000 Exemplare des 2004 produzierten Samplers "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" kostenlos über Szeneangehörige flächendeckend im gesamten Bundesgebiet - insbesondere an Schulen - zu verteilen, um auf subtile Weise rechtsextremistische Ideologie an Schüler heranzutragen und deren Interesse für die rechtsextremistische Szene zu wecken. Das Landgericht Stendal/Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2005 die Anklage gegen den Auftraggeber der "Schulhof-CD zugelassen und damit den anders lautenden Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 25. August 2005 aufgehoben. In der Begründung führte das Gericht aus, dass die Inhalte des Tonträgers den Verdacht der schweren Jugendgefährdung begründen. Allerdings hat das Amtsgericht Stendal am 8. Februar 2006 den mutmaßlichen Auftraggeber der "Schulhof-CD" freigesprochen. Hiergegen hat die zuständige Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Der bundesweite Beschlagnahmebeschluss hat daher weiter Bestand. Skinhead-"Fanzines" " Fanzines" (abgeleitet vom englischen Begriff "fan magazine") dienen der Kommunikation, der Werbung und letztlich, wie die Musik, auch dem Szenezusammenhalt. Die Inhalte der "Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten vorrangig Interviews mit rechtsextremistischen Skinheadmusikgruppen, Erlebnisund Konzertberichte aus der Szene sowie Rezensionen einschlägiger Tonträger und Fanzines. Parallel zur Heftform hat auch in diesem Bereich die Nutzung des Internets u.a. wegen der größeren Aktualität an Bedeutung 19 gewonnen. In Rheinland-Pfalz wurde im Jahre 2005 die Ausgabe 1 des Fanzines "Nordwind" bekannt. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Das Weltbild der Neonazis ist geprägt von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass. Sie streben u.a. einen autoritären nationalsozialistischen Führerstaat an. Zur Durchsetzung dieser Bestrebungen schrecken Teile dieser Szene auch vor massiver Gewaltanwendung nicht zurück, ohne sich jedoch dabei offen zu ihrer Ideologie zu bekennen. Die Zahl der Neonazis ist 2005 bundesweit auf 4.100 Aktivisten (2004: 3.800) angestiegen. In Rheinland-Pfalz beträgt die Zahl der überwiegend organisierten Neonazis nach wie vor 75, von denen ca. 50 als gewalttätig eingestuft werden können. In der Öffentlichkeit traten Angehörige der rheinland-pfälzischen Neonaziszene im wesentlichen nur bei Demonstrationen in Erscheinung, so bei einer Doppeldemonstration am 1. Mai 2005 in Frankenthal und Worms. Ansonsten fanden überwiegend interne Treffen statt. Der jährliche "Heß-Gedenkmarsch" ist mittlerweile zu dem Großereignis der rechtsextremistischen, insbesondere der neonazistischen Szene geworden. Die am 20. August 2005 in Wunsiedel geplante Veranstaltung wurde jedoch vom Landratsamt Wunsiedel verboten. Obwohl gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsmittel zunächst erfolglos blieben, mobilisierte die rechtsextremistische Szene weiterhin für eine Demonstration am 20. August 2005, allerdings unter Verzicht auf einen direkten Veranstaltungsbezug zu Rudolf Heß. In Nürnberg und Berlin kam es zu Ersatzveranstaltungen unter dem Motto "Arbeit für Deutsche - keine Stimme den Kriegsparteien" bzw. "Meinungsfreiheit für alle - Paragraph 130 abschaffen", an denen insgesamt rund 950 Personen teilnahmen. In Peine (Niedersachsen) und Weißenfels (Sachsen-Anhalt) versammelten sich insgesamt ca. 800 Personen. Im europäischen Ausland demonstrierten in Kolding (Dänemark) etwa 100 Neonazis aus Dänemark, Deutschland und Schweden. In Stockholm demonstrierten ca. 25 schwedische Rechtsextremisten vor der deutschen Botschaft. In nahezu allen Bundesländern, 20 so auch in Rheinland-Pfalz, kam es zu Propagandaaktionen, wie z.B. dem Anbringen von Heßplakaten und -aufklebern. Sollte das auf einer Gesetzesänderung des SS 130 StGB beruhende Verbot der zentralen Heß-Gedenkveranstaltung in Wunsiedel gerichtlichen Bestand haben, muss zukünftig bundesweit mit Ersatzveranstaltungen gerechnet werden. " Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ie 1979 gegründete HNG ist der mitgliederstärkste Zusammenschluss D deutscher Neonazis. 1. Vorsitzende ist nach wie vor die Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim8. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNGAktivisten. Die HNG - mit bundesweit rund 600 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Auch im Jahre 2005 gingen von der HNG keine nennenswerten Aktivitäten aus. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene erfolgt nach wie vor die Verteilung der Publikation "Nachrichten der HNG". Am 16. April 2005 fand in Gremsdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) die turnusgemäße Jahreshauptversammlung mit ca. 140 Personen statt. 8 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. 21 1.5 "Kameradschaften" " Kameradschaften" sind auf längere Zeit angelegte Zusammenschlüsse mehrerer Personen der rechtsextremistischen Szene mit gemeinsamer ideologischer Ausrichtung. Sie versuchen, ihre politische Gesinnung durch öffentlichkeitswirksame Aktionen zu verbreiten. Besonders beachtenswert sind vor allem solche Verbindungen, von denen strafbare Handlungen ausgehen. Die Gründung der meisten "Kameradschaften" erfolgte als Reaktion auf zahlreiche Vereinsverbote in den neunziger Jahren. Um weitere Verbote zu erschweren oder unmöglich zu machen, wird weitgehend auf vereinsähnliche Strukturen verzichtet. Vornehmlich organisieren sich Neonazis und rechtsextremistische Skinheads in diesen Gruppen. "Kameradschaften" vertreten überwiegend ein neonazistisches Weltbild, dass von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Sie orientieren sich an den Vorstellungen eines nationalsozialistischen Führerstaates. " Kameradschaftsführer" und deren Stellvertreter leiten diese Gruppen, die in der Regel aus 10 bis 25 Mitgliedern bestehen, autoritär. Regionale Bezüge bei der Namensgebung - z.B. "Kameradschaft Westerwald" - sollen das Gemeinschaftsgefühl stärken. Die Aktivitäten der "Kameradschaften" sind unterschiedlich. "Kameradschaftsabende" finden u.a. in Gaststätten oder in Privatwohnungen statt und haben eher einen Stammtischcharakter ohne nennenswerte politische Arbeit. Andere Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der politischen Schulung sowie der Planung und Absprache gemeinsamer Aktivitäten, etwa der Teilnahme an regionalen und überregionalen Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Inund Ausland, zum Teil aber auch strafbarer Handlungen. Die Gründung von "Kameradschaften", deren Aktionsradius sich in der Regel auf einen lokalen bzw. regionalen Bereich beschränkt, zersplittert die bundesweite Szene. Zur Koordinierung von gemeinsamen Aktionen - etwa Demonstrationen und Kampagnen - haben sich einzelne "Kameradschaften" in so genannten Aktionsbündnissen oder Aktionsbüros zusammengeschlossen. Hierzu zählt das "Aktionsbüro Rhein-Neckar" im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim, dem nach eigenen Angaben Vertre22 ter von Organisationen aus Baden-Württemberg, Hessen und RheinlandPfalz angehören. Um den Eindruck mitgliederstarker, vernetzter Organisationen zu erwecken, können zunehmend "Homepages" so genannter Kameradschaften als Unterstützer von "Aktionsbündnissen" bzw. "-büros" im Internet festgestellt werden, deren Präsenz sich allerdings auf eine eingerichtete Internetseite beschränkt. Kameradschaftsmitglieder und/oder Organisationsstrukturen können diesen virtuellen Darstellungen, die zudem häufig nur kurzzeitig existieren, nicht zugeordnet werden. In Rheinland-Pfalz entwickelten 2005 lediglich die "Kameradschaft Westerwald" sowie der "Nationale Widerstand Zweibrücken" nennenswerte öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Die "Kameradschaft Albert Leo Schlageter", der "Nationale Widerstand Kandel" und die rheinland-pfälzische Sektion der "Schwarzen Division Germania" sind im Berichtszeitraum nicht in Erscheinung getreten bzw. nicht mehr existent. Im übrigen muss im Bereich so genannter Kameradschaften weiterhin von einer starken Fluktuation und einer sich oft kurzfristig ändernden Entwicklung ausgegangen werden. So wurden z.B. im Oktober Anhaltspunkte bekannt, dass die bisher nur im Internet vertretene "Kameradschaft Donnersberg" tatsächlich existent sein könnte. Mitglieder dieser Kameradschaft hatten für den 1. Oktober 2005 in Alzey unter dem Motto "Schluss mit der Ausplünderung des deutschen Volkes! - Wir sind nicht das Sozialamt der Welt" eine Demonstration angemeldet. Ein Aufruf zur Teilnahme an dieser Demonstration war auf der Internetseite des "Aktionsbüros Rhein-Neckar" veröffentlicht worden. Die "Kameradschaft Donnersberg" hatte in der Zwischenzeit ihre Aktivitäten aber offensichtlich wieder eingestellt. Nach dem 1. Oktober 2005 fielen keine Erkenntnisse mehr an. 23 "Kameradschaft Westerwald" In der Region Westerwald wurde im Jahre 2002 die rechtsextremistische Gruppierung "Kameradschaft Westerwald" bekannt, der nach aktuellen Erkenntnissen etwa 40 Personen angehören. In regelmäßigen Abständen kam es bis Mai 2005 zu so genannten Kameradschaftstreffen. Verbindungen bestanden zur rheinland-pfälzischen NPD und zu einer so genannten Aktionsfront Mittelrhein (AMR) in Rheinland-Pfalz sowie zur "Kameradschaft Rhein-Sieg" aus Nordrhein-Westfalen und zur ehemaligen "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) aus Baden-Württemberg. Mitglieder der "Kameradschaft" griffen am 29. Januar 2005 Besucher einer Veranstaltung in Daaden/Kreis Altenkirchen tätlich an. Die Sicherheitsbehörden ermittelten deswegen gegen Angehörige der "Kameradschaft Westerwald" und andere Personen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerem Landfriedensbruch, versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Nötigung. Am 23. Mai 2005 durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei 41 Wohnungen in RheinlandPfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen und nahmen 15 Personen fest. Am 13. Juni 2005 wurden sechs weitere Haftbefehle vollstreckt. Am 28. und 30. November sowie am 28. Dezember 2005 wurden drei Mitglieder der "Kameradschaft" zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren, die übrigen 13 zu Bewährungsund Geldstrafen verurteilt. Das Landgericht Koblenz hatte es als erwiesen angesehen, dass es sich bei der Kameradschaft um eine kriminelle Vereinigung handelte, die die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel hatte. Nach dem Beginn der Exekutivmaßnahmen sind im Jahre 2005 keine Erkenntnisse zu der "Kameradschaft" mehr angefallen. "Nationaler Widerstand Zweibrücken" eit über drei Jahren ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppie- S rung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Es handelt sich um einen losen Zusammenschluss von Personen des rechtsextremistischen Spektrums aus dem näheren Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Veranstaltungen organisiert die Gruppe auch öffentliche Aktionen. 24 An der am 5. März 2005 vom "Nationalen Widerstand Zweibrücken" unter dem Motto "Schluss mit den BRD-Reformen - Ein neues System bietet neue Möglichkeiten" durchgeführten Versammlung nahmen 35 Personen teil. 45 Personen des linksextremistischen Spektrums versuchten die Versammlung zu stören. Die Polizei stellte mehrere Schlagund Wurfgegenstände sicher, sprach 32 Platzverweise aus und führte sechs Ingewahrsamnahmen durch. Eine Person wurde durch einen Flaschenwurf verletzt. An einer erneuten, störungsfrei verlaufenen Versammlung des gleichen Veranstalters am 12. März 2005 nahmen etwa 35 Personen teil. In der drauf folgenden Nacht kam es in Zweibrücken vor einer von der linksextremistischen Szene genutzten Gaststätte zu Körperverletzungsdelikten zum Nachteil zweier Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Aufgrund dessen wurde offensichtlich eine weitere ebenfalls störungsfrei verlaufene Demonstration des "Nationalen Widerstandes Zweibrücken" am 26. März 2005 unter dem Motto "Gegen linke Gewalt und Polizeiwillkür" mit ca. 70 bis 80 Teilnehmern durchgeführt. Mitglieder dieser Gruppierung beteiligten sich am 1. Mai 2005 an der rechtsextremistischen Doppeldemonstration in Frankenthal und Worms. Am 6. August 2005 organisierte der "Nationale Widerstand" in Zweibrücken, Hallplatz eine Demonstration mit etwa 20 Teilnehmern unter dem Motto "Gegen das Vergessen von Hiroshima". Die Veranstaltung verlief störungsfrei. 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Mitglieder (Bund): ca. 6.000 (2004: ca. 5.300) Mitglieder Rheinland-Pfalz: über 250 (2004: unter 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 9 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" monatliche Auflage: 21.000 Exemplare 25 Politische Ausrichtung uch nach dem Einzug in den sächsischen Landtag hält die NPD unver- A ändert an ihrer aggressiv-kämpferischen Einstellung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest. Eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind charakteristisch für eine Vielzahl von Verlautbarungen. Die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus wird an der Verherrlichung führender Repräsentanten des NSSystems unter Adolf Hitler deutlich. Neben dem "Kampf um die Parlamente" sieht sie ihr vorrangiges Ziel im "Befreiungskampf des deutschen Volkes" und der "Wiederherstellung des Deutschen Reiches". In seiner Rede während der Demonstration zum 60. Jahrestages des Kriegsendes am 8. Mai 2005 in Berlin erklärte der Parteivorsitzende Udo VOIGT, der 8. Mai diene den Regierenden dazu, von nicht mehr lösbaren Problemen abzulenken. Sein Stellvertreter Holger APFEL bezeichnete die Bundesregierung als "Canossa-Republik", der man nur Abscheu entgegenbringen könne und forderte ein Ende der Vergangenheitsbewältigung. Zu den Anschlägen am 7. Juli 2005 in London erklärte der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen GANSEL in einer Pressemitteilung, dass es an der Zeit wäre, statt die Grundrechte der Deutschen weiter einzuschränken, durch eine restriktive Zuwanderungspolitik die Sicherheit in Deutschland wieder herzustellen und der kulturellen Überfremdung durch muslimische Einwanderer entgegenzutreten. Den sozialen Unruhen und Ausschreitungen im Herbst 2005 in Frankreich widmete die NPD auf ihrer Internetseite mehrere Beiträge. So unter anderem die Artikel "Frankreich mahnt: Kein China-Town in Leipzig" und "Multikulti ist eine Gefahr für den inneren Frieden; wem nutzen die Krawalle in Frankreich?". Durch die Ausschreitungen sieht sich die NPD in ihrer "strikt ablehnenden Haltung gegen die Masseneinwanderung" bestätigt. Schon heute sei die Sicherheit in den von "Ausländern dominierten Wohnge26 bieten" in Deutschland nicht mehr gewährleistet. Deutsche würden zu Fremden im eigenen Land. Darüber hinaus versuchte die Partei, sich als Teil einer sozialen Protestbewegung dazustellen. Auf ihrer Homepage rief sie dazu auf, den "Volkszorn auf die Straße zu tragen". Der Aufruf endet mit den Zeilen: "Wir müssen uns erheben und uns aktiv am Widerstand gegen dieses Verrätersystem beteiligen....Aktivismus heißt auch Opfer zu bringen und das eigene Wohl einer großen Idee unterzuordnen." Strategiekonzept Ein Schwerpunkt der Parteistrategie liegt in der Fortsetzung des am 15. Januar 2005 anlässlich des Bundesparteitages der "Deutschen Volksunion" (DVU) in München mit dem Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY geschlossenen "Deutschland-Pakts" und der damit verbundenen Bündelung aller rechtsextremistischen Kräfte für eine "Volksfront von rechts". Ziel dieser Strategie ist die Absprache von Wahlbeteiligungen an kommenden Bundes-, Landesund Europawahlen. Innerhalb der Partei ist das Konzept der "Volksfront" jedoch umstritten. Die im Rahmen der "Volksfront"-Strategie vereinbarte Zusammenarbeit der NPD mit der Neonaziszene wurde von den führenden Neonazis Thomas WULLF und Thorsten HEISE - beide auch Mitglieder des NPD-Bundesvorstandes - in einem im Mai 2005 im Internet eingestellten Beitrag zwar als positiv bewertet. Dennoch beständen innerhalb der Szene nach wie vor Vorbehalte gegenüber der NPD. Der Bundesvorsitzende der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) Stefan ROCHOW bezeichnete in diesem Zusammenhang in einer Internetveröffentlichung den im Januar 2005 geschlossenen "Deutschland-Pakt" von NPD und DVU als "rechtsreaktionäres, nationalund sozialdemagogisches Bündnis", das bereits im Ansatz gescheitert sei. ie im Jahre 2005 bei der Bundestagsund den Landtagswahlen ver- D wendeten Parolen "Wir sind die echte Opposition", "Schnauze voll? - 27 Wahltag ist Zahltag" oder "Quittung für Hartz IV: jetzt NPD" zeigen deutlich den Versuch der NPD, die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und sozialen Protestbewegungen verschwimmen zu lassen. Im Zuge des Bestrebens, den "Kampf um die Straße" mit einer sozialdemagogischen Agitation wieder aufleben zu lassen, erreichte die Partei bei den im Jahre 2005 durchgeführten Demonstrationen jedoch nicht die Teilnehmerzahlen wie in den Jahren davor. Außerdem versucht die NPD seit dem Einzug in das sächsische Landesparlament im September 2004 ihre Parteiarbeit zu professionalisieren und der Partei ein modernes Erscheinungsbild zu geben. Vor diesem Hintergrund kamen am 3. Januar 2005 der NPD-Vorsitzende Udo VOIGT, ein Vorstandsmitglied der rechtsextremistischen "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GFP)9 und der im Dezember 2005 verstorbene rechtsextremistische Publizist Franz SCHÖNHUBER zu einem Meinungsaustausch zusammen. SCHÖNHUBER betonte, dass er sich der NPD-Spitze künftig als parteipolitisch unabhängiger Berater in medienund europapolitischen Fragen zur Verfügung stellen werde. Die NPD allein halte "den Schlüssel für die Gestaltung der Zukunft des volkstreuen Lagers in der Hand". ls einen weiteren Beitrag der "Professionalisierung" wertete die Partei in A einer Presseerklärung die am 18. April 2005 in Dresden erfolgte Gründung des parteieigenen "Bildungswerkes für Heimat und nationale Identität e.V." Der Verein folge in seiner Wertorientierung dem Grundkonsens der NPD. Als führende Funktionäre werden die beiden rechtsextremistischen Publizisten Peter DEHOUST und Karl RICHTER10 genannt. Auch im Jahr 2005 war die NPD bestrebt, ihre Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen im benachbarten Ausland zu festigen. So nahmen am Festakt zum 40jährigen Bestehen der Partei am 16. April 2005 in Stolberg/Nordrhein-Westfalen, an der Demonstration der JN anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes am 8. Mai 2005 in Berlin und an der Veranstaltung "Fest der Völker" des parteieigenen "Deutsche Stimme- 9 Die 1960 gegründete GFP ist mit ca. 500 Mitgleidern die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung in Deutschland. 10 Peter DEHOUST ist Herausgeber und Karl RICHTER Redakteur des rechtsextremistischen Theorieorgans "Nation & Europa". 28 Verlags" (DS)11 am 11. Juni 2005 in Jena/Thüringen Angehörige rechtsextremistischer Organisationen aus benachbarten Staaten teil. Im Oktober 2005 traf Peter MARX in seiner Eigenschaft als stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender in Paris mit den Vorsitzenden der französischen rechtsextremistischen Partei "Front National" Jean-Marie LE PEN und der "British National Party" (BNP) Nick GRIFFIN zusammen, um eine Intensivierung der politischen Kontakte zu vereinbaren. eben dem bürgerlichen Spektrum ist die N Jugend eine weitere wichtige Zielgruppe der NPD geblieben. Hier folgt sie dem Trend der Skinheadund Neonaziszene, Jugendliche über die "Musik" für ihre Ideologie zu gewinnen. ie NPD ließ anlässlich der vorgezogenen D Bundestagswahl am 26. September 2005 bundesweit mehrere hunderttausend Exemplare der Musik-CD12 "Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker" verteilen. Teilnahme an Wahlen Am 20.Februar 2005 beteiligte sich die NPD an den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und am 22. Mai 2005 in Nordrhein-Westfalen. Außerdem nahm sie am 18. September 2005 an der vorgezogenen Bundestagswahl teil. Die DVU verzichtete gemäß den mit der NPD getroffenen Wahlabsprachen auf eine Wahlteilnahme. In Schleswig-Holstein blieb die NPD mit einem Ergebnis von 1,9 % (2000: 1,0 %) der Zweitstimmen jedoch weit hinter ihrem erklärten Ziel zurück, in den Kieler Landtag einzuziehen. In einer ersten Stellungnahme zum Wahl11 Im DS-Verlag mit Sitz in Riesa/Sachsen wird das NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" hergestellt. Im Juni 2005 wurde bekannt, dass die NPD die Publikation schon länger in Osteuropa drucken lässt. Vor dem Druck in Polen sei die "Deutsche Stimme" von März 2001 bis Januar 2002 und der DSVersandkatalog von 2000 bis 2002 in der Slowakei gedruckt worden. 12 Neuauflage der im September 2004 verbreiteten NPD-Schulhof-CD "Schnauze voll ... Wahltag ist Zahltag!" 29 ausgang erklärte der NPD-Parteivorsitzende Udo VOIGT die Wahlniederlage damit, dass die Wähler "im Westen" noch nicht reif seien für einen "wirklichen politischen Wandel". Auch bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gelang es der Partei nicht, in das Landesparlament einzuziehen. Obwohl sie fast überall in Nordrhein-Westfalen mit Direktkandidaten antrat, blieb sie mit 0,9 % (2000: 0,0 %) der Zweitstimmen unter dem für den Erhalt einer staatlichen Teilfinanzierung erforderlichen Prozentsatz zurück. Zur vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September trat die NPD bundesweit in 294 der insgesamt 298 Wahlkreise mit Direktkandidaten sowie in allen Bundesländern mit offenen Listen an, auf der auch Mitglieder der DVU kandidierten. Das Wahlbündnis NPD/DVU wurde von weiten Teilen der Neonaziszene unterstützt. Trotz der nach eigener Einschätzung geringen Chancen, die 5 %-Hürde zu überspringen, führte die NPD einen aufwändigen Wahlkampf. Mit einem Etat von angeblich rund 1,2 Millionen EURO wurden u.a. acht Millionen Flugblätter, sechs Millionen Plakate und eine Million Wahlzeitungen sowie die Musik-CD "Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker" finanziert. In ihren Wahlaussagen sprach sich die NPD gegen Arbeitslosigkeit und "Hartz IV" aus und forderte neben einer Ausländerrückführung in deren Heimatländer und der Verhinderung des EU-Beitritts der Türkei "Volksabstimmung jetzt!". er Landesverband Rheinland-Pfalz nahm an der Bundestagswahl mit einer D zehn Kandidaten umfassenden Landesliste sowie in allen 13 Wahlkreisen mit Direktkandidaten teil. Auf Platz eins der Landesliste war der Landesvorsitzende Peter MARX und auf Platz zwei ein DVU-Mitglied aus NordrheinWestfalen nominiert. Die aus der Neonaziszene stammenden rheinland-pfälzischen Parteifunktionäre Christian HEHL und Sascha WAGNER nahmen die Plätze acht und zehn ein. Auf der Direktkandidatenliste für den Wahlkreis Alzey-Worms stand der Neonazi Rene RODRIGUEZ-TEUFER aus Hessen. Für den Wahlkampf standen dem Landesverband 200.000 Wahlkampfzeitungen sowie 200.000 Flugblätter und 7.000 Wahlplakate zur Verfügung. Außerdem wurde die bereits genannte "Schulhof-CD" landesweit 30 in hoher Auflagenzahl vor Schulzentren und Berufsbildenden Schulen an Jungund Erstwähler verteilt. Herausragende Wahlkampfaktionen waren die gemeinsam mit dem NPD-Landesverband Saarland durchgeführten "Aktionsund Erlebnistage" im Juni, August und September 2005 mit Saalveranstaltungen im Raum Saarbrücken unter dem Motto "Kaffeefahrt zum Palast für soziale Gerechtigkeit" mit einer Kundgebung in der Nähe des Anwesens von Oskar Lafontaine und "Wir rocken den Reichstag - NPD in den Bundestag". Bei beiden Veranstaltungen traten neben maßgeblichen Parteifunktionären auch mehrere Skinheadbands auf. Wahlergebnisse Erwartungsgemäß erzielte die Partei nicht den für einen Einzug in den Bundestag erforderlichen Stimmenanteil von fünf Prozent, konnte jedoch Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung beanspruchen. emerkenswert an dem Ergebnis der Bun- B destagswahl war die Verschiebung der Gewichte innerhalb des rechtsextremistischen Parteienspektrums. Die NPD zog mit ihrem Wahlergebnis - mit Ausnahme von Baden-Württemberg - in sämtlichen Bundesländern an der bisher stärksten Partei "Die Republikaner" vorbei und errang bundesweit ein Zweitstimmenergebnis von 1,6 % (2002: 0,4 %). Im früheren Bundesgebiet und in Berlin-West erzielte sie 1,1 % der Stimmen, in den neuen Bundesländern und in Berlin-Ost 3,6 %. Ihr bestes Landesergebnis erreichte die Partei in Sachsen mit 4,9 % (2002: 11,4 %). Wahlwerbung der NPD Das Wahlergebnis fiel für die NPD in Rheinland-Pfalz wie folgt aus: Mit der Erststimme erhielt sie 1,5 % (2002: 0,2 %), mit der Zweitstimme 1,3 % (2002: 0,4 %). Die besten Erstimmenergebnisse bekamen die Direktkandidaten Sascha WAGNER im Wahlkreis Pirmsens/ Zweibrücken mit 3,3 %, Hermann LAUTENBACH im Wahlkreis Kaisers31 lautern mit 2,8 % und Rene RODRIGUEZ-TEUFER im Wahlkreis Alzey/ Worms mit 2,3 %. Die höchsten Zweitstimmenanteile erzielte die Partei in den Wahlkreisen Kaiserslautern mit 2,3 % (2002: 0,7 %), Pirmasens/Zweibrücken mit 2,1 % (2002: 0,6 %) und Worms mit 2,0 % (2002: 0,5 %). In einer ersten Stellungnahme rief der Parteivorstand die Mitglieder auf, stolz auf das Ergebnis zu sein. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Peter MARX erklärte in einer Pressemitteilung vom 19. September 2005, die Wahl habe gezeigt, dass das Bündniskonzept zwischen NPD und DVU völlig richtig sei. Aus dem vergleichsweise guten Abschneiden der Partei in den östlichen Bundesländern folgerte er, dass NPD und DVU bei den im Jahr 2006 anstehenden Landtagswahlen in die Landtage einziehen werden. Auch sei das Wahlkampfkonzept der NPD, vorwiegend Jungund Erstwähler anzusprechen, "voll aufgegangen". Entwicklung Der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag im Jahre 2004 wie auch der Bundestagswahlkampf haben dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad der Partei zu steigern. Die Folge war ein Anstieg der Mitgliederzahl. Die der NPD aufgrund ihres Abschneidens bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zustehenden Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung dürften die finanziell angespannte Lage der Partei deutlich verbessern. Das nach der Landtagswahl in Sachsen gewonnene Selbstverständnis hat die Partei dazu bewogen, ihr ureigenes Anliegen - die Revision der Geschichtsschreibung von einer Tätergesellschaft zu einer Opfergemeinschaft - neu aufzugreifen. Dies zeigte sich beispielsweise in dem von führenden NPD-Mitgliedern verursachten Eklat im sächsischen Landtag anlässlich der Gedenkminute zum 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens. inen erheblichen Ansehensverlust erlitt die Partei durch Austritte der E NPD-Abgeordneten im sächsischen Landtag Mirko SCHMITT, Klaus BAIER und Jürgen SCHÖN im Dezember 2005, die ihre Abgeordneten32 mandate behielten. Die Austritte wurden begründet mit menschlicher und politischer Enttäuschung über die Entwicklung innerhalb der Partei, die sich im Landtag nur noch für ein "Viertes Reich" stark mache, anstatt sich um soziale Themen zu kümmern. Zudem habe es die NPD versäumt, eine "Vergangenheitsbewältigung" zu betreiben. Teile der Fraktionsspitze seien Vertreter eines "Hitlerismus". Insbesondere die Erklärung, man habe sich aufgrund der extremistischen Ausrichtung der Partei zu diesem Schritt entschlossen, könnte im Vorfeld der diesjährigen Landtagswahlen die Wahlchancen der NPD deutlich schmälern. NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz Am 13. Februar 2005 wurde der saarländische NPD-Landesvorsitzende Peter MARX aus Saarbrücken zum neuen rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden und Nachfolger von Martin LAUS gewählt. Peter MARX ist zugleich stellvertretender Bundesvorsitzender und Geschäftsführer der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. Stellvertreter von MARX wurde der rheinland-pfälzische JN-Funktionär Safet BABIC. MARX erklärte den Einzug der NPD in den rheinland-pfälzischen Landtag zum primären Ziel des Landesverbandes. MARX war im zurückliegenden Jahr zwar bestrebt, den Landesverband organisatorisch und personell handlungsfähig zu machen. Er genießt allerdings nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen seiner Anhängerschaft, weil er dem im Landesverband umstrittenen NPD-Funktionär Sascha WAGNER eine herausragende Stellung innerhalb des Landesvorstandes übertrug. Dennoch gelang es in Zusammenarbeit mit den linientreuen Kreisverbänden, die Mitgliederzahl des Landesverbandes auf über 250 Personen zu steigern und die ehemals sieben Kreisverbände auf nunmehr neun zu erweitern. Die Neuordnung der Kreisverbände ist noch nicht abgeschlossen. Die während des zurückliegenden Jahres zu beobachtenden Aktivitäten des Landesverbandes standen in der Hauptsache mit den Wahlkämpfen zur Bundestagswahl 2005 und der Landtagswahl 2006 in Verbindung. Als herausragend sind folgende Veranstaltungen und Aktionen zu werten: 33 Datum Ereignis 13.02.2005 Landesparteitag zur Wahl des rheinland-pfälzischen Landesvorstandes in Remagen-Kripp. 27.02.2005 Vortragsveranstaltung des Kreisverbandes Rhein-Nahe mit dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Holger APFEL als Redner und dem rechtsextremistischen Liedermacher Frank RENNICKE in Standenbühl/Donnersbergkreis. An der Veranstaltung nahmen ca. 100 Personen teil. 01.05.2005 Teilnahme von NPDund JN-Mitgliedern an den 1. MaiDemonstrationen der rechtsextremistischen Szene in Frankenthal und in Worms 08.05.2005 Teilnahme von NPDund JN-Mitgliedern an dem "Denkmarsch für die Toten in den alliierten Wiesenlagern" der rechtsextremistischen Szene in Remagen. 28.05.2005 Teilnahme von NPDund JN-Mitgliedern an der Demonstration "Für den Wiederaufbau des SS-Ehrenmals" des rechtsextremistischen Spektrums in Marienfels/Rhein-Lahn-Kreis. 04.06.2005 Anlässlich seines "Aktionstages" für den Bundestagswahlkampf 2005 hat der NPD-Landesverband in den Städten Kaiserslautern, Landstuhl Zweibrücken und Kusel sowie in den Gemeinden Hochspeyer und Weiterbach Informationsstände angemeldet. Der Stand in Kaiserslautern wurde von mehreren Personen des linksextremistischen Spektrums mit Holzknüppeln und Reizgas angegriffen und mehrere Standbetreiber verletzt. 17.07.2005 NPD-Landesparteitag in Kaiserslautern zur Wahl der zehn Landeslistenkandidaten für die Bundestagswahl 2005. 26.08.2005 "4. Europäische Sommeruniversität" der NPD in Hauenstein mit ca. 40 Teilnehmern. Veranstalter: NPD Rheinland-Pfalz. 34 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Dresden Mitglieder (Bund): weniger als 300 (2004: ca. 350) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 20 (2004: ca. 20) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Publikationen: nur regional; in Rheinland-Pfalz keine eigenen Publikationen Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Ihre frühere Eigenständigkeit innerhalb der Partei haben die JN inzwischen fast völlig verloren. Sie verstehen sich jedoch weiterhin als eine Jugendorganisation mit revolutionärer Ausrichtung. Entgegen den Ankündigungen ihres Bundesvorsitzenden Stefan ROCHOW entfaltete die JN im Jahr 2005 kaum eigene Aktivitäten. Einer parteieigenen Pressemitteilung zufolge wurde der seit November 2003 amtierende Stefan ROCHOW beim JN-Bundeskongress am 26. November mit 83 % der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigt. Der im NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz aktive Sascha WAGNER gehört nicht mehr dem JN-Bundesvorstand an. Der JN-Landesverband Rheinland-Pfalz war im Jahr 2005 nahezu inaktiv. Organisationsstrukturen auf Kreisverbandsebene bestehen nicht mehr. Aufgrund tiefgreifender Zerwürfnisse des JN-Landesvorsitzenden Sebastian BERENDS mit dem NPD-Landesvorsitzenden Peter MARX unterstützte die JN auch nicht den Wahlkampf des NPD-Landesverbandes anlässlich der vorgezogene Bundestagswahl am 18. September 2005. 35 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU - Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder (Bund): ca. 9.000 (2004: ca. 11.000) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 550 (2004: ca. 550) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "National Zeitung/Deutsche Wochenzeitung" (NZ) wöchentliche Auflage: 41.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die DVU ist trotz zurückgehender Mitgliederzahlen weiterhin die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie wird seit ihrer Gründung von dem Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autokratisch geführt. Den 16 Landesverbänden bleibt daher kaum Raum für eine selbständige politische Arbeit. Dies gilt auch für den Landesverband Rheinland-Pfalz, der lediglich im Raum Ludwigshafen am Rhein Organisationsstrukturen unterhält. Außer den regelmäßig veranstalteten politischen Stammtischen gingen von dort keine Aktivitäten aus. Als Sprachrohr dienen der Partei insbesondere die in dem rechtsextremistischen "DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) des Bundesvorsitzenden Dr. FREY herausgegebene "National Zeitung/ Deutsche Wochenzeitung" (NZ) und das Internet. Die fremdenfeindliche Einstellung der Partei zeigte sich wiederholt in der einseitig-negativen und 36 verzerrenden Berichterstattung über Ausländer und Asylmissbrauch. Artikel mit reißerischen Schlagzeilen sollten Ängste vor Masseneinwanderung und der "Überfremdung" Deutschlands hervorrufen. In der NZ-Ausgabe vom 15. Juli 2005 wurde als Konsequenz aus den Londoner Terroranschlägen vom 7. Juli 2005 gefordert, "dass rund 2 Millionen illegale bzw. widerrechtlich hier geduldete Ausländer endlich zur Rückkehr in ihre Heimat gezwungen werden". Inzwischen hat die NZ ihre antisemitische Agitation verstärkt. Unter dem Titel "Zuzug von Ostjuden gesichert - Doch Leistungsträger verlassen Deutschland" wurde ein angeblich unverminderter Zustrom von jüdischen Einwanderern nach Deutschland beklagt. Den "jüdischen Migranten sei es nicht zu verübeln, dass sie die hier angebotene, weltweit einzigartige Vollversorgung durch den Sozialstaat Deutschland nutzen". Strategiekonzept Am 15. Januar 2005 veranstaltete die DVU in München ihren Bundesparteitag, an dem ca. 300 Personen teilnahmen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Planung und Koordination künftiger Wahlkämpfe. Der bei dem Parteitag anwesende NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT sowie der DVU-Bundesvorsitzende unterschrieben den "Deutschland-Pakt", der ihre weitere Zusammenarbeit für die kommenden Wahlen festlegt. Darin heißt es, "...der Bruderkampf sei eingestellt. Es werde nun ausschließlich gegen den wirklichen Gegner gefochten". Ziel der bis zum 31. Dezember 2009 geschlossenen Vereinbarung ist, bei Bundes-, Europa, und Landtagswahlen nicht mehr gegeneinander anzutreten. Teilnahme an Wahlen Aufgrund der Abmachung vom 15. Januar 2005 beteiligte sich die DVU auch nicht an den Wahlen im Jahre 2005, war jedoch auf den Wahllisten der NPD mit eigenen Kandidaten vertreten. Das Bundestagswahlergebnis der NPD kommentierte die DVU in einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme mit "Ein Aufwind war's - Ein 37 Sturm (noch) nicht". Für ihr weiteres Vorgehen erklärte die Partei, dass die Zusammenarbeit mit der NPD "gemäß dem von beiden Parteien geschlossenen Deutschland-Pakt fortgesetzt werde" und prognostizierte günstige Wahlaussichten für beide Parteien, da sich die "Schnauze voll"-Stimmung weiter ausbreiten werde. Gegenwärtig ist sie mit sechs Abgeordneten im Landtag von Brandenburg und mit einem Abgeordneten im Landesparlament von Bremen vertreten. Entwicklung Im Gegensatz zur NPD gelang es der DVU bisher nicht, durch das Bündnis mit der NPD ihre Attraktivität in der rechtsextremistischen Szene zu erhöhen oder ihre Mitgliederzahl zu stabilisieren. Ursächlich dürfte hierfür auch ein Artikel des Bundesvorsitzenden Dr. FREY in der NZ sein, in dem er erneut die Zusammenarbeit mit Neonazis und Skinheads ablehnt. Neonazismus sei das "Allerletzte", was das patriotische Lager brauche. "Gewalttäter und Kriminelle" hätten dort nichts zu suchen. 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Republikanische Jugend" (RJ) "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) "Republikanischer Hochschulverband" (RHV) "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB) Mitglieder14 (Bund): ca. 6.500 (2004: ca. 7.500) Mitglieder14 (Rheinland-Pfalz): ca. 600 (2004: unter 600) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 21 Kreisverbänden Publikationen: "Zeit für Protest", Auflage zweimonatlich: 10.000 Exemplare 14 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder der REP rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. 38 Politische Ausrichtung Nach wie vor liegen bei den REP tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen im Sinne des SS 5 Landesverfassungsschutzgesetz vor. Mit Schlagworten wie "islamische Expansion", "Millionenheer muslimischer Einwanderer" und "Das Volk wird ausgewechselt" schüren die REP Ressentiments und Ängste in der Bevölkerung. In Verbindung mit der Forderung, den EU-Beitritt der Türkei zu verhindern, wurde den "Altparteien" vorgeworfen, "sie hätten immer noch nicht begriffen, dass man diesen Kampf nicht durch Gerede gewinnt, sondern durch entschlossene Politik, die der islamischen Expansion einen Riegel vorschiebt". In diesem Zusammenhang wurde unter anderem die "Überwachung sämtlicher Moscheen" sowie ein "Verbot des Baus von weiteren islamischen Gotteshäusern" gefordert. In der Ausgabe März - Mai 2005 des Parteiorgans "Zeit für Protest" wurde in mehreren revisionistisch akzentuierten Beiträgen der 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1945 thematisiert. Die hierzu unter der Überschrift "Kein Tag zum Feiern" veröffentlichte Resolution klammerte die Frage nach der Kriegsschuld in REP-typischer Manier aus. In diesem Zusammenhang sprach der Bundesvorsitzende auch von "Selbstbezichtigungsritualen", von "Befreiungslüge" und vom "Zynismus der Umerzieher". Trotz der stetigen innerparteilichen Kritik an der Beibehaltung des Ruhstorfer Abkommens von 199015 hielt die Parteiführung auch im Jahr 2005 - zumindest nach außen hin - an ihrem Abgrenzungsbeschluss gegenüber NPD und DVU fest. 15 Das anlässlich des Bundesparteitages am 8. Juli 1990 verabschiedete "Ruhstorfer Abkommen" lautet: "Wir Republikaner lehnen jegliche Zusammenarbeit mit der NPD oder der DVU kategorisch ab. Niemand, der in extremistischen oder verfassungsfeindlichen Organen eine Rolle spielt, darf in Zukunft eine Funktion in unserer Partei übernehmen". Der Beschluss wurde auf dem Bundesparteitag im November 2004 nochmals bestätigt. 39 Dennoch waren im Jahr 2005 bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz wiederholt Kontakte von Parteifunktionären zur DVU und der NPD festzustellen. Allerdings lehnt der REP-Bundesvorstand eine Beteiligung am NPD-DVU-Wahlbündnis öffentlich ab. Teilnahme an Wahlen Im Jahre 2005 beteiligten sich die REP an der Landtagswahl am 22. Mai in Nordrhein-Westfalen sowie am 18. September an der vorgezogenen Bundestagswahl. Nordrhein-Westfalen erzielte sie ein Wahlergebnis von 0,8 % der ZweitIn stimmen (2000: 1,1 %) und blieb noch unter dem für den Erhalt von staatlicher Teilfinanzierung erforderlichen Satz von einem Prozent. Bei der Bundestagswahl erhielt sie 0,6 % der Zweistimmen und erreichte damit ihr Hauptziel, mit einen Stimmenanteil von mindestens 0,5 % Mittel der staatlichen Teilfinanzierung zu erhalten. Jedoch lag die Partei teilweise beträchtlich unter den Landesergebnissen der NPD. Die besten Ergebnisse erzielten die REP in Rheinland-Pfalz und in Baden Württemberg mit 1,1 % und in Bayern mit 1,0 % der Zweitstimmen. In Rheinland-Pfalz nahm die Partei an der Bundestagswahl mit einer fünf Kandidaten umfassenden Landesliste sowie mit Direktkandidaten in den drei Wahlkreisen Ludwigshafen/Frankenthal, Neustadt/Speyer und Südpfalz teil. Das beste Ergebnis sowohl mit Erstund Zweitstimmen erreichte die Partei mit 2,8 % im Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal. Die durchschnittlichen Zweitstimmenergebnisse lagen zwischen 0,4 und 0,6 %. In einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis erklärte der Bundesvorsitzende Dr. SCHLIERER in seiner Pressemitteilung vom 19. September: "Wir haben trotz immens schweren Bedingungen unser Ergebnis gehalten, obwohl wir in weniger Bundesländern antreten konnten als vor drei Jahren". 40 Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Stephan STRITTER kommentierte den Wahlausgang, ihm gebe das NPD-Ergebnis von 1,6 % zu denken. Für den Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz müssten von Seiten der REP deshalb schärfere und klarere Aussagen getroffen werden als dies im Bundestagswahlkampf geschehen ist. Entwicklung Der gemäßigte politische Kurs des Parteivorsitzenden führte vor allem an der Parteibasis zu Resignation und zu erheblichen Mitgliederverlusten. Wegen der Weigerung des Parteivorstandes, dem Wahlbündnis zwischen NPD und DVU im Jahr 2004 beizutreten, trat im Januar 2005 der Landesvorstand des REP-Landesverbandes Hamburg und eine Vielzahl der Mitglieder geschlossen zur NPD über. Insgesamt hatte die Partei im Jahre 2005 nur noch etwa 6.500 Mitglieder, gegenüber ca. 9000 Mitglieder im Jahre 2002. Außerhalb von Wahlkämpfen trat die Partei öffentlich kaum in Erscheinung. REP-Landesverband Rheinland-Pfalz Unter der Leitung des Landesvorsitzenden Stephan STRITTER unterstützte der Landesverband Rheinland-Pfalz auch im Jahre 2005 den Kurs des Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER und lehnte wie dieser einen Beitritt in das "Volksbündnis" von NPD und DVU zumindest nach außen hin konsequent ab. Die Haltung STRITTER's fand jedoch nicht in allen Teilen des Landesverbandes uneingeschränkte Zustimmung. An der Parteibasis und auf Funktionärsebene wurden Forderungen nach einem Umdenken in der Bündnispolitik laut. Verlautbarungen des Landesverbandes lassen fremdenfeindliche, antisemitische und revisionistische Züge erkennen. In einer im Internet veröffentlichten Pressemitteilung der REP-Stadtratsfraktion Mainz vom 15. Juni 2005 hieß es u.a.: "Muslimische Grundschule würde weiterer Islamisierung Vorschub leisten" und "Schulen dieser Art bilden die Grund41 lage zu Parallelgesellschaften und zur Ghettoisierung". Im "Bürgerinfo" Nr. 1/2005 der REP-Stadtratsfraktion im Mainzer Rathaus spricht sich die Partei gegen Sozialhilfezahlungen an Ausländer aus. Ein Abgeordneter der REP im Stadtrat von Pirmasens hatte im Februar 2005 während einer Stadtratssitzung die Opfer der Judenverfolgung im "Dritten Reich" mit den Opfern des US-Bombenangriffs auf die Stadt Pirmasens verglichen16. diese Richtung zielt auch ein Artikel in der Parteipublikation "Zeit für In Protest" in der Ausgabe 3-5/2005, dem zufolge "die offizielle Gedenkpraxis für die Opfer der Nazidiktatur und des Zweiten Weltkrieges immer einseitigere Formen" annehme. emerkenswert ist die Gründung eines Landesverbandes der "REP- B Jugend" (RJ) in Rheinland-Pfalz am 1. Oktober 2005 in Bad Dürkheim. Damit verfügen die rheinland-pfälzischen REP als einer von wenigen Landesverbänden über einen eigenen RJ-Verband. ie RJ will den Landesverband bei seinem Wahlkampf für die Landtags- D wahl am 26. März 2006 unterstützen und in ähnlicher Weise wie die rheinland-pfälzische NPD Jungund Erstwähler zu einer Stimmabgabe für die REP bewegen. Die 19 Kandidaten für die REP-Landesliste wurden bereits am 12. Juni 2005 im Bürgerhaus von Mainz-Finthen gewählt. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im März 2002 aufgelöst und die Eintragung im Vereinsregister gelöscht. Die Vereinigung existiert jedoch weiterhin zunächst unter der Bezeichnung "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" und nunmehr unter 16 Quelle: "Pirmasenser Zeitung" vom 22.02.2005 42 dem Namen "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz". Im Jahr 2005 wurden überwiegend organisationsinterne Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. Auch soll ein Wechsel in der Leitung der Organisation stattgefunden haben. Der bisherige "Landesführer" HansJürgen H. aus Pleisweiler-Oberhofen (Kreis Südliche Weinstraße) wurde durch Michael H. aus Kaiserslautern abgelöst. "Der Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten - Landesverband Pfalz" steht in keinem personellen und organisatorischen Zusammenhang mit der bereits am 18. März 1966 durch den rheinland-pfälzischen Innenminister verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.7.2 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Die rechtsextremistische Szene nahm auch im Jahre 2005 die Zeit um den Volkstrauertag im November wieder zum Anlass für Aktionen des "Heldengedenkens" (z.B. Kranzniederlegungen). In Rheinland-Pfalz fand am 20. November 2005 ein "Totengedenken" in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis Bad Kreuznach) mit etwa 100 Teilnehmern statt. 1.7.3 Demonstrationen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 1. Mai 2005 beteiligten sich ca. 180 bis 200 Personen an einer rechtsextremistischen Demonstration in Frankenthal, die nach Angaben des Veranstalters unter dem Motto "1. Mai - Tag der deutschen Arbeit. Globalisierungswahn stoppen!" durchgeführt wurde. Anmelder und Versammlungsleiter war ein amtsbekannter NPD-Angehöriger aus Mannheim. Das "Aktionsbüro Rhein-Neckar", dem die Veranstaltung zuzurechnen war, hatte auf einer Internetseite Redner aus Nordrhein-Westfalen, BadenWürttemberg, Sachsen und Hessen sowie rechtsextremistische Gruppierungen u.a. aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen angekündigt. Bereits vor Beginn des Aufzuges kam es zu Sitzblockaden durch ca. 80 Personen des linksextremistischen Spektrums. Das Aufeinandertreffen von rechtsund linksextremistischen Personengruppen konnte verhindert werden. 23 Personen der linksextremistischen Szene, die vor allem aus dem südwestdeutschen Raum und der Rhein-Neckar-Region, aber auch aus dem übrigen Bundesgebiet kamen, wurden in Gewahrsam genommen. Am Bahnhof warfen Personen der linksextremistischen Szene Flaschen und Feuerwerkskörper gegen die eingesetzten Polizeibe43 amte. Ein Rechtsextremist wurde in Gewahrsam genommen, weil er sich getarnt in einer Gruppe der linksextremistischen Szene aufhielt und einem Platzverweis der Polizei keine Folge leistete. Am gleichen Tag erfolgte in Worms eine rechtsextremistische Demonstration unter dem Motto "Schluss mit der Ausplünderung des deutschen Volkes! Wir sind nicht das Sozialamt der Welt", die von einem amtsbekannten Rechtsextremisten aus Baden-Württemberg angemeldet worden war. An der Demonstration beteiligten sich ca. 180 Personen, die zum größten Teil kurze Zeit zuvor an der Demonstration in Frankenthal teilgenommen hatten. Die Wegstrecke des Aufzuges wurde von etwa 300 Personen des linksextremistischen Spektrums mehrmals blockiert. Angehörige dieser Szene hatten sich in der Innenstadt aufgeteilt und attackierten die eingesetzten Polizeibeamte vor, während und nach der Demonstration massiv mit Steinund Flaschenwürfen. Hierbei wurden insgesamt 17 Polizeibeamtinnen und - beamte leicht verletzt sowie 23 Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Polizei nahm insgesamt 15 Personen des linksextremistischen Spektrums fest bzw. in Gewahrsam. Gegen 20 weitere Personen wurden Platzverweise für den Bereich der Stadt Worms ausgesprochen. Straftaten der rechtsextremistischen Szene wurden nicht festgestellt. An einem "Gedenkmarsch für die Toten in alliierten Wiesenlagern" aus Anlass des 60. Jahrestages der Beendigung des 2. Weltkrieges am 8. Mai 2005 in Remagen beteiligten sich 110 Personen der rechtsextremistischen Szene. Ausschreitungen mit der linksextremistischen Szene wurden durch die Polizei verhindert. Am 28. Mai 2005 beteiligten sich in Marienfels ca. 150 Personen an einer rechtsextremistischen Demonstration unter dem Motto "Für den Wiederaufbau des SS-Ehrenmals". An einer störungsfrei verlaufenden Gegendemonstration nahmen ca. 200 Personen teil. Anlass war, wie bereits in der Vergangenheit, die am 28./29. April 2004 von unbekannten Tätern erfolgte Zerstörung des 1971 errichteten Gedenksteins für die Gefallenen der Waffen-SS in Marienfels. Am 9. Juli 2005 beteiligten sich in Trier 80 Personen an der rechtsextremistischen Demonstration einer "Offensive Moselland 2005" unter dem Motto "Imperialismus weltweit bekämpfen, Atomwaffen verschrotten". Hiergegen hatten mehrere Gruppen zu Gegenveranstaltungen aufgerufen. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. 44 m 4. September 2005 führte eine "Bürgerinitiative für soziale Gerechtig- A keit" in Bad Dürkheim mit ca. 20 Teilnehmern eine Mahnwache durch. Es kam zu keinen Zwischenfällen. Am 1. Oktober 2005 veranstaltete eine "Bürgerinitiative pro Rheinhessen" mit ca. 120 Teilnehmern in Alzey eine Demonstration unter dem Motto "Schluss mit der Ausplünderung des deutschen Volkes - wir sind nicht das Sozialamt der Welt". Bei den linksextremistischen Gegendemonstranten erfolgten 10 Platzverweise und sieben Ingewahrsamnahmen. Eine von der rechtsextremistischen Szene am 24. Dezember 2005 geplante Mahnwache in Ludwigshafen am Rhein unter dem Motto "Stoppt staatliche Repression - Frohe Weihnachten mit Straßentheater Schwarzer Sheriff", die auf der Homepage des "Aktionsbündnisses Rhein-Neckar" thematisiert worden war, verlief mit wenigen Teilnehmern ohne Zwischenfälle. Im Rahmen einer Gegenveranstaltung des linksextremistischen Spektrums kam es zu vereinzelten Ingewahrsamnahmen. 1.8 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in den Konzentrationslagern (so genannte Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen zumeist, sich nach außen seriös zu geben. Das Jahr 2005 war durch die Verhaftung international führender Revisionisten geprägt. Derzeit sind mit David IRVING und Ernst ZÜNDEL die bekanntesten Protagonisten der offenen Geschichtsfälschung und Holocaust-Leugnung in (Untersuchungs-)Haft und warten auf ihre Prozesse. IRVING wurde in Österreich inhaftiert, während ZÜNDEL sich seit März 2005 in der JVA Mannheim befindet. benso sind Germar RUDOLF und Siegfried VERBEKE als international E agierende Holocaust-Leugner in Haft. Der Belgier VERBEKE wurde auf45 grund eines europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Mannheim in den Niederlanden festgenommen. 1.9 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Gemeinsame Veranstaltungen und Treffen sollen der "nationalen Sache", dem Informationsaustausch und Aktionsabsprachen dienen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind die Kontakte in das benachbarte Ausland besonders ausgeprägt. Am 10. Dezember 2005 beteiligten sich etwa 1.200 Rechtsextremisten in der Nähe von Stockholm an einem Trauermarsch für einen vor fünf Jahren um Leben gekommenen schwedischen Gesinnungsgenossen. Neben den meist aus Schweden, Norwegen, Dänemark und Großbritannien stammenden Teilnehmern war eine größere Gruppe von deutschen Rechtsextremisten angereist, darunter Aktivisten aus Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Rhein-Neckar-Raum. Während die eigentliche Gedenkveranstaltung ohne Störungen verlief, kam es vor und nach dem Trauermarsch im Zentrum von Stockholm zu Auseinandersetzungen zwischen linksund rechtsextremistischen Gruppierungen. Die Polizei nahm in diesem Zusammenhang auch mehrere Beteiligte aus Deutschland fest. Die schwedischen Behörden hatten zunächst befürchtet, die Veranstaltung könnte nach dem Verbot des zentralen Heß-Gedenkmarsches in Wunsiedel zu einer Ersatzveranstaltung umfunktioniert werden. 46 2. LINKSEXTREMISMUS Auch im Jahr 2005 beeinträchtigten Linksextremisten die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Je nach ideologisch-politischer Ausrichtung - revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert - agieren Linksextremisten mit vielfältigen Aktionsformen bis hin zu offenen und verdeckt begangenen Gewalttaten gegen die bestehende freiheitlich demokratische Staatsund Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland. In Rheinland-Pfalz blieb im Jahr 2005 die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten (Autonome) im Vergleich zum Jahr 2004 mit etwa 100 Personen gleich; die Zahl der übrigen Linksextremisten beläuft sich auf ca. 600 Personen. Sorge bereitet in Rheinland-Pfalz die Zunahme linksextremistischer Gewalt in Form von Straßenkrawallen. So attackierten militante Linksextremisten bei einer gegen Rechtsextremisten gerichteten Gegendemonstration mit massiver Gewalt nicht nur diesen Personenkreis, sondern mit einem hohen Maß an Brutalität auch die dort eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Bereits im Berichtsjahr befasste sich die autonome Szene mit dem im Jahr 2007 in Heiligendamm stattfindenden so genannten G8-Gipfel, bei dem mit massiven demonstrativen Aktionen zu rechnen ist. chwerpunkt der Aktivitäten der linksextremistischen Parteien war ins- S besondere die Teilnahme der "Linkspartei.PDS" und der MLPD ("Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands") bei der Bundestagswahl am 18. September 2005. Anlässlich dieser Wahl hat sich die PDS ("Partei des Demokratischen Sozialismus") sowohl auf Bundesebene wie auch in allen Bundesländern in "Die Linkspartei.PDS" umbenannt. Der weitere Fusionsprozess der "Linkspartei.PDS" mit der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG), die als nicht extremistisch gilt, wird weiter zu beobachten sein. Nach Abschluss dieses Prozesses mit einer vielleicht neuen Programmatik wird zu prüfen sein, ob diese dann neue Partei ebenfalls zu beobachten ist. 47 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial Bund (2004) Rheinland-Pfalz (2004) Gesamt: 30.600* (30.800**) 700* (700*) Gewaltbereite: 5.500 (5.500) 100 (100) MarxistenLeninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: 25.400 ( 25.700) 600** (600**) alle Angaben gerundet *ohne Mehrfach**einschließlich Personen mitgliedschaften aus beeinflussten Organisationen 2.2. Linksextremistische Gewalt Übersicht über Gewalttaten mit linksextremis2005 2004 tischem Hintergrund: Gesamt: 74 8 Gewalttaten: Tötungsdelikte -- -- Versuchte Tötungen -- -- Körperverletzungen 6 2 Brandstiftungen -- -- Sprengstoffexplosionen -- -- Landfriedensbruch 62 2 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 4 4 Freiheitsberaubung -- -- Raub -- -- Erpressung -- -- Widerstandsdelikte 2 -- Die Zahlen sind mit dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz abgestimmt. Die überdimensionale Zunahme gegenüber dem Vorjahr basiert auf den Gewaltausschreitungen am 1. Mai 2005 in Worms, wo insgesamt 61 Gewalttaten (Landfriedensbruch, zumeist in Tateinheit mit Körperverletzung) verübt wurden. 48 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten - insbesondere Autonome - beeinträchtigten auch im Jahr 2005 die Innere Sicherheit Deutschlands. Bundesweit blieb die Aktionsbereitschaft dieser Szene zu aktuellen Reizund Konfliktthemen weiterhin relativ schwach ausgeprägt. Wie schon in den letzten Jahren dominierten demokratische Kräfte traditionell von Linksextremisten besetzte Aktionsfelder (z.B. "Antifaschismus"). Einzelnen militanten Zusammenhängen ist es jedoch erneut gelungen, mit spektakulären Anschlägen - nahe an der Grenze zum Terrorismus - sich in Szene zu setzen. Entgegen der bundesweiten Entwicklung ist der Aktionismus linksextremistischer Gewalttäter in Rheinland-Pfalz erheblich angestiegen. Dabei konnte eine gesteigerte Aggressivität/Brutalität festgestellt werden, insbesondere bei Demonstrationen und gezielten Einzelaktionen gegen Rechtsextremisten sowie im Rahmen von Straßenkrawallen gegen Einsatzkräfte der Polizei. Der Gesamtbereich der gewaltorientierten Linksextremisten, einschließlich der "gewaltfreien" Anarchisten, umfasste Ende 2005 unverändert bundesweit ca. 5.500 Personen, darunter rund 5.000 Autonome. Terroristische Strukturen - vergleichbar der ehemaligen "Roten Armee Fraktion" (RAF) oder der "Revolutionären Zellen" (RZ) - mit schwersten Anschlägen bis hin zu Mordtaten bestehen derzeit in Deutschland nicht. Am 12. März 2005 wurden in einem Waldstück bei Oberursel/Hessen Plastikbehälter mit Handgranaten, Waffen, Munition sowie Personalund Kraftfahrzeugdokumente gefunden. Offensichtlich handelte es sich hierbei um ein von der RAF angelegtes Erddepot aus den 70er und 80er Jahren. 2.3.1 Verfahren gegen terroristische Straftäter Am 2. September 2005 wurde das Ermittlungsverfahren gegen Sabine Elke CALLSEN eingestellt und der gegen sie seit 1985 bestehende Haftbefehl wegen des Verdachts der RAF-Mitgliedschaft und der Beteiligung an Sprengstoffanschlägen in Hamburg aufgehoben. CALLSEN hatte sich 49 am 7. März 2003 in Frankfurt am Main aus Beirut kommend den Sicherheitsbehörden gestellt. Die mutmaßliche Terroristin Andrea KLUMP wurde am 18. November 2005 aus der Haft entlassen. Sie war am 15. Mai 2001 wegen Beteiligung am Sprengstoffanschlag auf eine Diskothek im spanischen Rota (17. Juni 1988) zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Am 28. September 2004 wurde KLUMP wegen Beihilfe zum versuchten Mord in 32 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie die Täter eines Sprengstoffanschlags auf einen mit 28 jüdischen Auswanderern besetzten Reisebus am 23. Dezember 1991 in Budapest unterstützt hatte. Bereits im September 1999 war Andrea KLUMP von der österreichischen Polizei in Wien festgenommen worden. 2.3.2 Autonome Der autonomen Szene gehörten Ende des Jahres 2005 bundesweit rund 5.000 Aktivisten an. Auf ihr Konto gingen fast alle linksextremistisch motivierten Gewalttaten, darunter insbesondere Körperverletzungen, Brandanschläge und gefährliche Eingriffe in den Schienenverkehr. In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 100 Autonome, die schwerpunktmäßig in Kaiserslautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung sowie im Westerwald aktiv sind. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept; Führungspersonen oder hierarchische Strukturen sind ihnen fremd. Sie widersetzen sich Autoritäten und missachten Normen; dies bringen sie in diversen Anti-Einstellungen ("antifaschistisch", "antikapitalistisch" etc.) unmissverständlich zum Ausdruck. Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen sie dabei als legitim an. Autonome Gewalt richtet sich sowohl gegen Personen ("Faschos", "Bullen" sowie vermeintliche "Handlanger" und "Profiteure" des Systems) als 50 auch gegen Sachen (Kraftfahrzeuge, Immobilien etc.). "Offene" Aktionsformen umfassen beispielsweise die Agitation mit Flugblättern, Plakaten, Internetaufrufen und Szenepublikationen. ei der Auswahl militanter Aktionsformen wie z.B. Brandund Spreng- B stoffanschläge, gefährliche Eingriffe in den Straßenund Schienenverkehr oder gewalttätige Demonstrationen unter Einsatz von Steinen und anderen Wurfgeschossen achten Autonome stets auf "Vermittelbarkeit" gegenüber Außenstehenden; entsprechende Aktionen stellen sie daher häufig in den Zusammenhang mit aktuellen Protestund Reizthemen, die eine möglichst breite Akzeptanz - bis in Teile der bürgerlichen Gesellschaft hinein - erfahren. Eine typische Form der Gewalt Autonomer sind Straßenkrawalle. Dabei treten sie in der Regel vermummt in einheitlicher Kampfausrüstung und in "schwarzen Blöcken" auf. Diese Krawalle gab es in den letzten Jahren vermehrt bei Protesten gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten, vor allem im Rahmen größerer Demonstrationen zum "Revolutionären 1. Mai". So z.B. auch am 1. Mai 2005 in Worms, wo die Gegenaktionen von ca. 300 Autonomen anlässlich eines "Nazi"-Aufmarsches eskalierten. Insgesamt wurden 61 Gewalttaten verübt. Dabei wurden mehrere Polizeibeamte verletzt und Einsatzfahrzeuge zum Teil erheblich beschädigt. An verschiedenen öffentlichen Einrichtungen kam es zu Sachbeschädigungen, drei öffentliche Anlagen wurden in Brand gesetzt. 11 Personen wurden in Gewahrsam genommen und zwei vorläufig festgenommen. Der besonderen Planung bedürfen konspirativ vorbereitete und militant durchgeführte Anschläge, wobei die Grenze zur terroristischen Aktion oftmals fließend ist. Sie erfolgen - regelmäßig auch zusammen mit rechtfertigenden Tatbekennungen - häufig im Kontext aktueller linksextremistischer Kampagnen, zum Teil auch zeitgleich und räumlich koordiniert. 51 Zur Kommunikation nutzt die autonome Szene neben zahlreichen Anlaufund Kontaktstellen ("Infoläden" und "Volxküchen"), die in Rheinland-Pfalz in Koblenz und Trier existieren, hauptsächlich das Internet. Autonome Internet-Seiten beinhalten im wesentlichen Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Reizund Konfliktthemen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe. Zum Informationsaustausch dienen ebenfalls konspirative Treffen und zahlreiche regionale Szenepublikationen wie beispielsweise der Koblenzer "zerrSPIEGEL". Die in der bundesweiten autonomen Szene verdeckt operierenden Kleingruppen setzten auch im Jahr 2005 mit zahlreichen Brandund Sprengstoffanschlägen ihren in die Nähe terroristischer Gewalttaten reichenden Aktionismus fort. In ihren Taterklärungen benutzten sie fortgesetzt wechselnde oder auch keine Aktionsnamen ("no-name"-Militanz). Von den mit gleichbleibenden Namen operierenden Gruppierungen kommt nach wie vor der "militanten gruppe" (mg) die größte Bedeutung zu, die mit weiteren militanten Aktionen gegen "verantwortliche Machtstrukturen aus kapitalistischer Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" auf sich aufmerksam machte. Im Jahre 2005 verübte sie insgesamt vier Brandanschläge. Darüber hinaus bemühte sich die "mg", ihre im Jahr 2001 begonnene Militanzdebatte über die Vernetzung militanter Gruppenstrukturen sowie die Legitimität "weitreichender", über Sachbeschädigung hinaus gehender Aktionsformen in konstruktive Bahnen zu lenken. Wie schon in den vergangenen Jahren diente ihr dazu das bundesweit bekannte Szeneblatt "INTERIM" als Forum. Darin veröffentlichte Beiträge enthielten allerdings keine neuen thematischen oder konzeptionellen Ansätze, die den von der "mg" angestrebten militanten Organisationsprozess hätten in Gang setzen können. Die Resonanz bei anderen militanten Gruppen blieb gering. 52 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "Antifaschistische Kampf" zählt zu den traditionellen Aktionsfeldern von Linksextremisten, insbesondere der Autonomen. Er richtet sich sowohl gegen die als "kapitalistisches System" bezeichnete, freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnung mit ihren angeblich faschistischen Wurzeln, als auch gegen rechtsextremistische Organisationen und deren Strukturen. In den vergangenen Jahren erreichten die "antifaschistischen" Aktionen von gewaltbereiten Linksextremisten (Autonome) aufgrund anhaltender Mobilisierungsschwäche bzw. fehlender Bündnisbereitschaft oftmals ein kaum wahrzunehmendes Ausmaß an Effektivität. Bei Protestaktionen gegen Aufmärsche von rechtsextremistischen Parteien, die vielfach von breiten Bündnissen demokratischer Organisationen dominiert wurden, sahen sich häufig nur schwach vertretene autonome Gruppen nur bedingt in der Lage, Aufmärsche von "Faschos" zu stören bzw. zu verhindern; regelmäßig wurden zudem militante Aktionsformen durch geeignete Polizeimaßnahmen erschwert. Teile des gewaltbereiten linksextremistischen Spektrums versuchten diesem lethargischen Zustand entgegenzuwirken, was zumindest für den Landesbereich Rheinland-Pfalz offensichtlich gelungen ist. Militante "antifaschistische", gegen rechtsextremistische Strukturen gerichtete Aktionen mit systemüberwindender Stoßrichtung nahmen im Jahre 2005 erheblich zu, ebenso das Ausmaß an Aggressivität und Brutalität. o demonstrierten am 9. Februar 2005 in Landau ca. 30 bis 40 zumeist S schwarz gekleidete und vermummte Personen - in der Mehrzahl Angehörige der "Antifa Landau", unterstützt von der regionalen Szene sowie Gleichgesinnten aus Karlsruhe - gegen die "schlechte" Presseberichterstattung der Zeitung "Rheinpfalz". U.a. wurden Parolen skandiert: "Wir wollen alles kaputt machen!" - "Kommunismus - Schalalalala!". Im Gebäude der "Rheinpfalz" wurde eine große Sicherheitsglasscheibe mit einem Pflasterstein beschädigt; außerdem wurden Feuerwerkskörper geworfen. 53 m 9. Juli 2005 führten ca. 70 bis 80 Aktivisten der rechtsextremistischen A "Offensive Moselland 2005" in Trier einen Aufzug durch. An den Gegenaktionen beteiligten sich insgesamt 300 Teilnehmer, darunter mehrere Angehörige des autonomen Spektrums aus der Region. Es kam zu erheblichen Störund Blockadeaktionen durch gewaltbereite Gegendemonstranten. Eine Person, die Utensilien für einen Molotowcocktail mit sich führte, konnte bereits im Vorfeld der Demonstration festgenommen werden. In Betzdorf fand am 15. Oktober 2005 eine überregionale "antifaschistische" Demonstration unter dem Motto "Bis hier hin und nicht weiter - Nazis stoppen!" mit ca. 150 bis 200 Teilnehmern statt. Initiator war die "Antifa Westerwald". Im Anschluss an die Veranstaltung kam es im Siegener Hauptbahnhof zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einer sich auf der Rückreise befindlichen "Antifa"-Gruppe und Rechtsextremisten. Autonome Gruppierungen bemühten sich fortgesetzt, Aktivitäten von Rechtsextremisten aufzudecken und gewaltsam zu bekämpfen. Im Rahmen von so genannten "Antifa-Recherchen" sammelten sie Informationen über Funktionäre, Trefflokale, Schulungseinrichtungen und "Nazi-Läden", die in Szenepublikationen und im Internet veröffentlicht wurden, bzw. Anlass für die Planung und Durchführung militanter Aktionen waren. So kam es beispielsweise in Kaiserslautern am 4. Juni 2005 beim Abbau eines NPD-Infostandes zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe von ca. 15 vermummten Personen, die die Betreiber des Standes mit Holzknüppeln und Reizgas angriffen und ein in der Nähe abgestelltes Fahrzeug beschädigten. Zwei NPD-Angehörige wurden leicht verletzt; es entstand Sachschaden von ca. 1.500 EURO. Am 8. Juni 2005 wurden von unbekannten Tätern an einem rechtsextremistischen Szene-Treffpunkt in Ludwigshafen am Rhen zwei Scheiben durch Steinwürfe zerstört und die Parolen "Kein Raum den Nazis" und "Kameradschaften angreifen" geschmiert. Im Monat August 2005 konnten in mehreren Orten in der Südpfalz zahlreiche Plakate mit der Aufschrift "Achtung Nazischläger... in der Nachbarschaft" unter Angabe von 12 Namen und den dazugehörigen Wohn54 anschriften von mutmaßlichen "rechten" Szeneangehörigen festgestellt werden. In Hof/Westerwald bewarfen am 12. Oktober 2005 unbekannte Täter die Hausfassade des Proberaums der vermeintlich rechtsextremistischen Band "Ablaze with Anger" mit Farbeiern. In der Tatbekennung dazu drohte eine "Red Action Westerwald", den Nazis keinen öffentlichen Raum zu überlassen und mit allen Mitteln zurückzuschlagen: "ANTIFA HEIßT ANGRIFF!". Im Rahmen einer "Outing"-Aktion am 5. November 2005 in Ludwigshafen am Rhein gegen einen dort wohnhaften "Neo"Antifa"-Broschüre Nazi" verteilte eine Gruppe von ca. 40 Personen aus dem linksextremistisch/autonomen Spektrum Flugblätter mit der Überschrift "Vorsicht, hier wohnt ein Nazi ..." an Passanten bzw. in umliegende Hausbriefkästen. Dabei wurden Parolen wie "Nazis raus - wir kriegen Euch alle!" skandiert und Transparente mit der Aufschrift "Fight Fascism" hoch gehalten. Antirassismus Im Rahmen der linksextremistischen "Antirassismus"-Bewegung, die sich grundlegend gegen den kapitalistischen Staat und die von ihm ausgehende "rassistische" und "imperialistische" Flüchtlingspolitik richtet, kam es zu vielfältigen demonstrativen Aktionen, insbesondere gegen Einrichtungen als Teil der so bezeichneten "Abschiebemaschinerie". So demonstrierten am 16. Juli 2005 in Ingelheim ca. 200 Personen - darunter zahlreiche Angehörige des autonomen/antifaschistischen Spektrums aus den Regionen Koblenz, Westerwald, Mainz sowie aus Hessen und dem Saarland - unter dem Motto "Abschiebeknäste und Ausreisezentren abschaffen! Residenzpflicht und rassistische Sondergesetze abschaffen! Bleiberecht durchsetzen. Jetzt!". 55 Rechtsextremisten hatten via Internet angekündigt, die Veranstaltung zu stören; der friedliche Charakter konnte jedoch durch entsprechende Polizeipräsenz gewährleistet werden. Am 23. Juli 2005 fand in Ludwigshafen am Rhein eine Demonstration gegen "Abschiebepolitik und staatlichen Rassismus" mit ca. 100 Personen statt, darunter auch Angehörige des regionalen autonomen Spektrums. Im Verlauf der Veranstaltung waren immer wieder Sprechchöre zu hören, wie "Feuer und Flamme für diesen Staat" und "Faschisten morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack". Anti-Atom-Bewegung uch im Jahre 2005 beteiligten sich wiederum Linksextremisten an Prote- A staktionen im Rahmen der überwiegend von einem bürgerlich-demokratischen Spektrum getragenen Anti-Atom-Bewegung. Am 27. April 2005 kam es im Bundesgebiet und in Frankreich anlässlich des Castor-Transports vom Kernkraftwerk Stade zur Wiederaufbereitungsanlage nach La Hague/Frankreich zu zahlreichen Protestaktionen. Im Bahnhof von Schifferstadt musste der Zug wegen einer Blockadeaktion einer Aktionsgruppe - zum Teil Linksextremisten - eine Zwangsbremsung durchführen. Die Aktivisten zeigten Transparente mit der Aufschrift "Stoppt den Castor! Wohin geht die Fahrt? In eine strahlende Zukunft!". Die von militanten Atomkraftgegnern verübten Hakenkrallenund Brandanschläge bewegten sich auf einem anhaltend niedrigen Niveau. Hervorzuheben ist ein am 28. September 2005 in Woltersdorf (Landkreis Lüchow-Dannenberg) von unbekannten Tätern durchgeführter Brandanschlag auf 130 Wohncontainer der Polizei, die auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände stehen und bis zu 500 Beamten bei Castor-Transporten als Unterkunft dienen. Die Container brannten vollständig aus, es entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 3 Mio. EURO. Via Internet bezichtigte sich eine bislang unbekannte "Gruppe ST 52", in der Nacht zum 15. November 2005 bei Maximiliansau (Rheinland-Pfalz) "die Castorstrecke mit so genannten Schienenkrallen für einige Stunden lahmgelegt" zu haben. Es stellte sich heraus, dass tatsächlich unbekannte 56 Täter auf dem Gleiskörper der eingleisigen Nebenstrecke drei Metallschlaufen, bestehend aus Vierkantblechen mit Rohren, angeschraubt hatten. Den aktionistischen Höhepunkt bildeten erneut die Prosteste gegen den Castor-Transport von La Hague nach Gorleben (Niedersachsen) vom 19. bis 22. November 2005, an dem sich rund 3.500 Personen (2004: bis zu 5.000), darunter etwa 200 Linksextremisten und davon - wie im Vorjahr - ca. 100 Autonome, beteiligt haben. Begleitet wurden die Protestaktionen von vereinzelten Gewalttätigkeiten. Einem im Vergleich zum Vorjahr leichten Rückgang militanter Aktionen während der Transportphase steht eine Zunahme von Hakenkrallenund Brandanschlägen durch mutmaßlich linksextremistische Gewalttäter im Vorfeld des Transports gegenüber. Trotz einer Behinderung verlief der Transport weitgehend störungsfrei und erreichte nur mit geringer zeitlicher Verzögerung am 22. November 2005 seinen Zielort. Antiglobalisierungsbewegung Aktionen militanter linksextremistischer Globalisierungsgegner anlässlich internationaler Gipfeltreffen zogen in der Vergangenheit wiederholt schwere gewalttätige Ausschreitungen nach sich (z.B. WTO-Jahreskonferenz, Seattle 1999 oder G8-Treffen, Genua 2001). In den letzten Jahren gingen die Aktivitäten und die damit verbundenen Gewaltexzesse jedoch kontinuierlich zurück; offensichtlich fehlten - vor allem den deutschen Globalisierungsgegnern - geeignete Mobilisierungsanlässe in erreichbarer Nähe. Dies könnte sich jedoch im Hinblick auf das im Frühsommer 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) vorgesehene G8-Treffen ändern. Bereits während des abgelaufenen Jahres 2005 begannen Linksextremisten unterschiedlichster Couleur (Anarchisten, Autonome, Revolutionär-Marxisten etc.) mit der Planung entsprechender Gegenaktivitäten. Insbesondere bei klandestin operierenden militanten Linksextremisten stößt das G8-Treffen auf besonderes Interesse. Es gab mehrere Brandanschläge - u.a. durch die Berliner "militante gruppe" (mg) - sowie die Forderung nach einer breiten, militanten Kampagne zum G8-Gipfel in Heiligendamm. 57 Am 16./17. Juni 2005 fand in Brüssel das "offizielle" Gipfeltreffen zum Abschluss der EU-Ratspräsidentschaft Luxemburg im ersten Kalenderhalbjahr 2005 statt. Die anlassbezogenen Proteste vorwiegend linksextremistischer Globalisierungskritiker konzentrierten sich dabei auf Luxemburg, wo am 18. Juni etwa 200 Aktivisten unter dem Motto "Turn off European Reality!" friedlich demonstrierten. Initiator war die Mobilisierungsplattform "RISE" ("Reseau des Insurge(e)s contra le Sommet Europeen"), der anarchistische und antifaschistische Gruppen aus Luxemburg, Frankreich, Belgien und Deutschland angehören. Von deutscher Seite war die Trierer Gruppe "Linksradikale Initiative für ein französisches Trier" (LIF:T) maßgeblich involviert; auf ihrer Internetseite vertritt die Gruppe anarchistische/antinationale Positionen. Bush-Besuch in Mainz inksextremisten unterschiedlicher Richtungen nahmen den Besuch des L amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush am 22./23. Februar 2005 in Mainz zum Anlass, um bundesweit gegen die "Kriegspolitik" der USRegierung zu protestieren. An der vom Mainzer Aktionsbündnis "Not Welcome Mr. Bush" organisierten zentralen Protestveranstaltung am 23. Februar 2005 in der Mainzer Innenstadt nahmen bis zu 12.000 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet teil. Unter den über 200 Autonomen, die sich in drei "schwarze Blöcke" aufteilten, befanden sich auch Szeneangehörige aus dem südlichen Rheinland-Pfalz, aus der Region Koblenz sowie aus dem Großraum Mainz. Die Veranstaltung verlief insgesamt friedlich, es kam lediglich zu 10 vorübergehenden Festnahmen. ährend der beiden Besuchstage kam es in Mainz vermehrt zu Straf- W bzw. Gewalttaten von mutmaßlichen Angehörigen des gewaltbereiten linksextremistischen Spektrums. Es gab mehrfach Versuche, in Absperrbereiche einzudringen sowie Polizeiketten zu durchbrechen. In der Innenstadt konnten zahlreiche Plakate und Flyer mit der Aufschrift "G. W. Bush - Terrorist Nr. 1" sichergestellt werden, ebenso Transparente mit dem Bild von US-Präsident Bush und dem Schriftzug: "Massenmörder". 58 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder (Bund): weniger als 4.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 90 Organisation: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit acht regionalen Gruppierungen Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ) Wochenzeitung Auflage ca. 8.000 Exemplare "Marxistische Blätter" 2-monatlich erscheinendes Theorie-Organ Auflage ca. 3.000 Exemplare Die 1968 gegründete DKP definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.17 Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. Der knapp 90 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz hat im Berichtszeitraum wieder Aktivitäten wie z.B. Errichtung von Infoständen, Flugblattverteilungen und vereinzelt auch die Herausgabe von Kleinzeitungen ("Der Funke") durchgeführt. Aktivitätsschwerpunkte sind in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein und Landau (Hochstadt) erkennbar. Die DKP trat bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 nicht an; es befand sich auch kein DKP-Mitglied auf der Landesliste der "Linkspar17 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24 59 tei.PDS" in Rheinland-Pfalz. Jedoch wurde ein DKP-Aktivist auf der WASG-Landesliste für die Landtagswahl am 26. März 2006 in RheinlandPfalz aufgestellt. Dem Aktionismus der Partei sind wegen der weiterhin desolaten Finanzlage und der bekannten Altersstruktur der Mitglieder immer engere Grenzen gesetzt. Im Mittelpunkt innerparteilicher Diskussionen steht nach wie vor die angestrebte Neufassung des Parteiprogramms der DKP aus dem Jahre 1978. Auch auf dem 17. Parteitag am 18. Februar 2005 erfolgte keine abschließende Programmdebatte. 2.4.2 "Die Linkspartei.PDS, Rheinland-Pfalz" (DIE LINKE) Gründung: 1989/1990 (Umbenennung SED in PDS bzw. 2005 Umbenennung in Die Links-partei.PDS) Sitz: Berlin Mitglieder (Bund): 61.567 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): 258 Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 12 Kreisverbänden Die durch die Umbenennung aus der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) entstandene PDS hat sich 2005 bundesweit umbenannt in "Die Linkspartei.PDS". Sie sieht sich nach wie vor als "gestaltende Opposition" zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland. Dabei verfolgt sie die Doppelstrategie, einerseits als Koalitionspartner in Landesregierungen mitzuwirken und andererseits langfristig die Systemüberwindung hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung anzustreben. Die Partei duldet nach wie vor kommunistisch orientierte Strukturen in ihren Reihen, beispielsweise die "Kommunistische Plattform der PDS" (KPF) und arbeitet mit anderen Linksextremisten im Inund Ausland zusammen. Nach ihrer Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS" ist keine neue politische Richtungsänderung erkennbar. Der rheinland-pfälzische Landesverband der "Linkspartei.PDS" mit Sitz in Mainz verfügt über eine landesweite Organisationsstruktur. Aktive 60 Kreisverbände bestehen insbesondere in Alzey-Worms, Bad Kreuznach, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Bingen, Neuwied, Pirmasens und Trier. Die im Zusammenhang mit der Bundestagswahl am 18. September 2005 getroffene Vereinbarung, WASG-Kandidaten auf der Landesliste der Linkspartei aufzunehmen führte zur Gründung der Kreisverbände Koblenz, Ahr-Rhein-Eifel, Altenkirchen/Oberer Westerwald und Kaiserslautern. Der Landesverband gibt die unregelmäßig erscheinende Schrift "Linker Dialog" als Landeszeitung der Linkspartei heraus und informiert, ebenso wie die Mehrzahl der Kreisverbände, kontinuierlich im Internet über politische Ziele, Aktivitäten und anstehende Termine. Die Partei hat in Rheinland-Pfalz ihr politisches Engagement erheblich gesteigert, wobei ihr erklärtes Ziel der Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag (über die WASG-Landesliste) ist. Grundlage hierfür ist die Vereinbarung der "Linkspartei.PDS" und WASG vom 6. Dezember 2005 zur Parteifusion, womit "die freie Vereinigung der gesellschaftlichen Linken in einer ersten wirklich gesamtdeutschen Partei" bis zum 30. Juni 2007 angestrebt wird. In dieser "Rahmenvereinbarung" zum Parteibildungsprozess zwischen "Linkspartei. PDS" und WASG verzichten beide Parteien darauf, bei künftigen Wahlen konkurrierend anzutreten. In Rheinland-Pfalz trat bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 die "Linkspartei.PDS" mit einer offenen Landesliste an, für die auch Mitglieder der WASG nominiert wurden; im Gegenzug dazu wird die WASG bei der Landtagswahl am 26. März 2006 mit einer offenen Liste antreten, auf der auch Vertreter der "Linkspartei. PDS" kandidieren werden. Wichtigstes innerparteiliches Ereignis auf Bundesbzw. auch auf Landesebene war die Wahl zum Deutschen Bundestags am 18. September 2005. Bundesweit konnte "Die Linkspartei.PDS" zwar ihr erklärtes Wahlziel, als drittstärkste Fraktion in den Bundestag einzuziehen, mit 8,7 % der Zweitstimmen nicht erreichen, mit einem Stimmenzuwachs von 4,7 % gegenüber der letzten Bundestagswahl gelang ihr jedoch die von ihr anvisierte "Westausdehnung". In Rheinland-Pfalz erhielt die "Linkspartei.PDS" 5,6 % und kann zwei Abgeordnete in den Bundestag entsenden. 61 Die "Linkspartei.PDS" verzeichnete durch die Unterstützung der WASG erhebliche Stimmengewinne in den alten Bundesländern, hatte jedoch in den neuen Bundesländern - wie schon bei den vorangegangenen Bundestagswahlen - ihr Hauptwählerpotenzial. In Ostdeutschland erreichte die "Linkspartei.PDS" 25,4 % der Zweitstimmen, in Westdeutschland 4,9 %. Im neuen Deutschen Bundestag ist die Linkspartei mit 54 Sitzen vertreten. Am 27. August 2005 fand in Berlin die zweite Tagung des 9. Parteitages der "Linkspartei.PDS" statt. Die etwa 400 Delegierten stimmten dem Entwurf eines Wahlprogramms des Parteivorstandes mit großer Mehrheit zu. Ungeachtet ihrer programmatischen Zielsetzungen formuliert die "Linkspartei.PDS" in ihrem Wahlprogramm konkrete realpolitische Ziele, wie die Anhebung des Arbeitslosengeldes II, einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.400 EURO oder die Rückholung der in Auslandseinsätzen tätigen Bundeswehrsoldaten. Auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ein Schwerpunktthema des Wahlprogramms. Der Begriff "Sozialismus" wird im Wahlprogramm nicht mehr erwähnt. Neben der Verabschiedung des Wahlprogramms ging es der "Linkspartei. PDS" auf dem Parteitag am 27. August 2005 auch darum, ihr Image als SED-Nachfolgepartei zu ändern. Bis zur Gründung der neuen Partei soll einvernehmlich über die Art der Beteiligung an Wahlen und der jeweiligen Listennominierung entschieden werden. Paritätisch besetzte Steuerungsund Fachgruppen sowie ein Beirat mit nicht parteigebundenen Persönlichkeiten, der im Konfliktfall angerufen werden soll, sollen den Fusionsprozess begleiten. Doppelmitgliedschaften werden erlaubt. Über den Abschluss des Parteibildungsprozesses sollen Bundesparteitage und Urabstimmungen der Mitglieder entscheiden. Der Bundesparteitag der "Linkspartei.PDS" am 10./11. Dezember 2005 in Dresden stimmte dem "Kooperationsabkommen" mehrheitlich zu. 62 2.4.3 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen Mitglieder (Bund): ca. 2.300 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): 10 Organisation in Rheinland-Pfalz: Kreisverband Ludwigshafen/Mannheim Grundlegendes Ziel der MLPD, die seit 1982 besteht, ist der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Dabei greift sie auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung zurück. Die MLPD grenzt sich mit Nachdruck von der DKP und der "Linkspartei.PDS" ab. In Rheinland-Pfalz besteht ein aktiver Kreisverband im Bereich Ludwigshafen/Mannheim; durch die Gründung einer Wählerinitiative "MLPD/Offene Liste" waren Aktivitäten im Hinblick auf die Bundestagswahl zu verzeichnen. Diese Wählerinitiative führte zu einer erfolgreichen Wahlzulassung der MLPD zur Bundestagswahl in Rheinland-Pfalz. Als einzige der so genannten Splitterparteien trat die MLPD in sämtlichen 16 Bundesländern Flächen deckend zur Bundestagswahl am 18. September 2005 an. Bei der Kandidatenaufstellung in Rheinland-Pfalz gab es offensichtlich Probleme, geeignete Kandidaten aus Rheinland-Pfalz für die Landesliste zu finden. Insoweit waren Anleihen in angrenzenden Nachbarländern notwendig. Die MLPD war zuletzt 1994 Flächen deckend zur Bundestagswahl angetreten. Mit bundesweit 0,1 % der Stimmen (45.166 Stimmen) konnte sie 2005 gegenüber der Wahl im Jahr 1994 35.000 Stimmen hinzugewinnen. In Rheinland-Pfalz erhielt sie bei der Bundestagswahl 2005 ebenfalls 0,1 % der Zweitstimmen (= 1.694 Stimmen). Direktkandidaten der MLPD in Rheinland-Pfalz wurden nicht nominiert. 63 3. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Im Bereich der sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern kommt dem Islamismus und islamistischen Terrorismus vor dem Hintergrund internationaler Ereignisse eine besondere Bedeutung zu. Das islamistische Spektrum setzt sich in Rheinland-Pfalz aus mehreren Gruppierungen mit Angehörigen verschiedener Nationen - in geringer Zahl auch deutschen Muslimen - zusammen. Ein hervorzuhebendes Ereignis im Jahr 2005 war die Festnahme eines Terrorverdächtigen in Mainz sowie seines Komplizen in Bonn (Näheres hierzu unter 3.3.1.6). Im nicht-islamistischen Bereich ist insbesondere auf den in Deutschland verbotenen KONGRA GEL hinzuweisen. Das gegenwärtig weitgehend friedliche Verhalten der Organisation hierzulande könnte bei einer veränderten Situation in der Türkei binnen kurzer Zeit wieder in Militanz umschlagen. 3.1 Personenpotenzial Bund (2004) Rheinland-Pfalz (2004) Gesamt: 57.420 (57.520) 1.300 (1.300) Linksextremisten: 16.890 (17.290) 500 (500) Extreme Nationalisten: 8.430 (8.430) 100 (100) Islamistische Extremisten: 32.100 (31.800) 700 (700) alle Angaben gerundet 64 3.2 Gewalttatenzahlen Übersicht über Gewalttaten mit 2005 2004 extremistischem Hintergrund: Gesamt: -- 1 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: -- -- Körperverletzungen: -- 1 Brandstiftungen: -- -- Sprengstoffexplosionen: -- -- Landfriedensbruch: -- -- Freiheitsberaubungen: -- -- Raub/Erpressungen: -- -- 3.3 Islamismus Gefahrenpotenzial Im Jahr 2005 ist die Gefahr, die vom Islamismus - speziell in seiner terroristischen Ausprägung - ausgeht, erneut deutlich geworden. Terroranschläge forderten im Jahresverlauf in unterschiedlichen Ländern zahlreiche Menschenleben und belegen weiterhin die Funktionsfähigkeit gewaltorientierter Gruppierungen. Zwar gab es in der Bundesrepublik Deutschland bisher keine islamistisch motivierten Terroranschläge, doch reichen die Verbindungen der weltweit operierenden terroristischen Gruppierungen auch nach Deutschland. Zahlenmäßig wird das islamistische Spektrum in Deutschland jedoch von gewaltfrei operierenden Islamisten dominiert. Ihre Bestrebungen gehen vor allem dahin, eine eigene Infrastruktur für Muslime in Deutschland aufzubauen und Freiräume für ein islamkonformes Leben zu schaffen. Dadurch werden zum einen parallelgesellschaftliche Strukturen gefördert - etwa durch die Gründung eigener Schulen -, zum anderen können dadurch verfassungsmäßig garantierte Grundrechte wie die Glaubensund Meinungsfreiheit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau beeinträchtigt werden. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn eine 65 Muslimin mit Verweis auf die Bestimmungen des traditionellen islamischen Eherechts daran gehindert wird, einen Nichtmuslim zu heiraten oder wenn sie im Hinblick auf die Bekleidung und Bewegungsfreiheit restriktiven Vorschriften unterliegt. 1 3 6 5 2 4 8 7 9 Islamistisch motivierte Terroranschläge 2005: 1. London 6. Afghanistan (zahlreiche 7.7. (56 Tote) Anschläge und Todesopfer) 2. Sharm el-Sheikh, Ägypten 7. Delhi, Indien 23.7. (über 80 Tote) 29.10. (über 60 Tote) 3. Israel (mehrere Anschläge 8. Bangladesh (mehrere Anschläge mit Todesopfern) mit Todesopfern) 4. Amman, Jordanien, 9. Bali, Indonesien 9.11. (über 50 Tote) 1.10. (über 20 Tote) 5. Irak (zahlreiche Anschläge und Todesopfer) 66 Ideologie Beim Islamismus handelt es sich vorrangig um eine politische Bewegung, die sich zwar einer religiös begründeten Rhetorik bedient, über die bloße Religionsausübung aber deutlich hinausgeht. Die islamistische Bewegung wird international von vielen einzelnen Organisationen, Parteien und informellen Personenzusammenschlüssen repräsentiert, deren Ziele und Strategien sich im einzelnen unterscheiden. Gemeinsam ist den verschiedenen islamistischen Gruppierungen, dass sie aus dem Koran sowie der überlieferten Lebensweise Muhammads und der muslimischen Urgemeinde eine umfassende Staatsund Rechtsordnung ableiten. Sie verwenden in diesem Zusammenhang die Formel "Der Islam ist Religion und Staat" (im Arabischen: Al-Islam din wa-daula). Die muslimische Urgemeinde trägt im Arabischen die Bezeichnung salaf. Dies erklärt, weshalb die islamistische Bewegung in Teilbereichen, gelegentlich sogar in ihrer Gesamtheit als salafistisch oder salafitisch bezeichnet wird. Islamisten sind der Auffassung, dass in allen Ländern mit einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung ein islamisches Staatswesen bestehen müsse und das islamische Recht (Scharia) in seiner traditionellen Ausformung zu gelten habe. Gesetze, die von Menschen geschaffen sind, besitzen für sie keine Gültigkeit - jedenfalls nicht, wenn die betreffende Angelegenheit bereits durch einen Koranvers oder überlieferten Prophetenausspruch (Hadith) geregelt ist. Gegenüber westlichen Einflüssen besteht bei ihnen in der Regel eine ausgeprägte Abwehrhaltung. Frontstellung beziehen Islamisten ebenso gegen die Politik westlicher Staaten, insbesondere der USA und Israels, aber auch einiger europäischer Staaten. Die Thematisierung politischer Vorgänge sowie eine aktive politische Betätigung besitzen in der islamistischen Bewegung einen zentralen Stellenwert. Antiwestliche und antiisraelische/antizionistische Rhetorik ist hierbei zu einem Markenzeichen islamistischer Ideologie geworden und mündet bei gewalttätigen Gruppierungen in Aktivitäten, die eine ernsthafte Bedrohung für Menschen und Einrichtungen westlicher und befreundeter muslimischer Staaten darstellen. 67 3.3.1 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz Von den etwa 110.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 700 Personen islamistische Bestrebungen. Die meisten dieser Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen gewaltfreien Islamismus. Eine Minderheit steht allerdings in Beziehung zu gewaltbereiten Personen aus dem Umfeld der "Mudjahidin" (siehe Punkt 3.3.1.6). Etwa 25 der insgesamt ca. 110 Moscheevereine weisen Bezüge zum Islamismus auf. Konkret handelt es sich dabei um etwa 18 IGMG-Moscheen, zwei "Kalifatsstaat"-Moscheen sowie einzelne Moscheen mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern, die nicht einer bestimmten islamistischen Organisation zugerechnet werden können. Vielmehr mischen sich bei solchen Moscheevereinen Einzelpersonen mit Bezügen zur islamistischen Bewegung unter Besucher, zu denen keine Erkenntnisse über islamistische Bestrebungen vorliegen. Hierbei besteht die Gefahr, dass Islamisten ihren Einfluss in den von ihnen besuchten Moscheen geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Versuche einer solchen Beeinflussung konnten in rheinland-pfälzischen Moscheevereinen in einigen Fällen festgestellt werden, eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zu einem Djihad-Einsatz gibt es nach bisherigen Erkenntnissen in Rheinland-Pfalz allerdings nur sehr vereinzelt. Eine extremistische Agitation ist bei den Freitagspredigten in den rheinland-pfälzischen Moscheen bisweilen festzustellen. In größerem Maße erfüllen diese Funktion jedoch Medien wie Kassetten, DVDs, das Internet und die dort angesiedelten Chatund Diskussionsforen. Speziell gewaltbereite Islamisten verbreiten heutzutage auf zahlreichen und immer neuen Internetseiten Feindbilder, Gewalt verherrlichende Propaganda und sogar konkrete Anleitungen zum Bau und Einsatz von Waffen. Die Chatforen dienen darüber hinaus als Kontaktbörse. Da die Nutzer in der Regel im abgeschotteten, Passwort geschützten Mitgliederbereich agieren und sich mit Aliasnamen präsentieren, ist ihre Identifizierung äußerst schwierig. Die Server und Provider befinden sich in den meisten Fällen im Ausland. 68 In Rheinland-Pfalz gibt es im einzelnen folgende islamistische Organisationen, Gruppierungen und Vertreter18 : 3.3.1.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), Neugliederung als IGMG 1995 Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder (Bund): ca. 26.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 600 Strukturen in Rheinland-Pfalz: 18 Moscheegemeinden Die IGMG ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die größte islamistische Organisation. Zu ihren Mitgliedern zählen ganz überwiegend türkische und türkischstämmige Personen. Auf ihrer Internetseite präsentiert sich die IGMG u.a. wie folgt: " Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist eine islamische Religionsgemeinschaft, die das religiöse Leben der Muslime umfassend organisiert. Neben der Pflege der Lehre, der Verkündung des islamischen Religionsbekenntnisses und der allseitigen Erfüllung der durch dieses Bekenntnis gesetzten Aufgaben, befasst sich die IGMG mit sämtlichen Angelegenheiten der Muslime und vertritt ihre Interessen." In der Tat bietet die IGMG hiesigen Muslimen, speziell ihren Mitgliedern, ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet Koranund Sprachkurse, Hausaufgabenbetreuung, Moscheebau, Seelsorge, Pilgerreisen, Freizeitangebote für Jugendliche und vieles mehr. Diese umfassende Betreuung dient neben praktischer Lebenshilfe auch dem Zweck, die Mitglieder an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. 18 Im Bundesgebiet gibt es weitere islamistische Organisationen, u. a. "Ansar al-Islam", HAMAS, "Hizb Allah", "Hizb ut-Tahrir" ("Befreiungspartei"). In Rheinland-Pfalz traten diese Organisationen im Berichtsjahr nicht in Erscheinung. 69 Hierin liegt zugleich der neuralgische Punkt: Zwar präsentiert sich die IGMG nach außen als eine verfassungskonforme und integrationsbejahende Organisation, doch bei näherer Betrachtung werden vielfältige Verbindungen zum - gewaltfreien - islamistischen Spektrum offenkundig. Noch immer übt der Milli Görüs-Führer Necmettin ERBAKAN Einfluss auf die religiös-ideologische Ausrichtung sowie personelle und organisatorische Angelegenheiten der Organisation aus. ERBAKANs islamistisches Weltbild spiegelt sich in seiner langjährigen politischen Betätigung in der Türkei und in seinen Schriften wieder. Hervorzuheben ist an dieser Stelle seine programmatische Schrift "Adil Düzen" ("Die gerechte Ordnung") mit ihrem Absolutheitsanspruch einer gerechten (= islamischen) gegenüber der "nichtigen" (= westlich geprägten) Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung. Bezüge zum Islamismus enthält weiterhin die türkischsprachige Tageszeitung Milli Gazete. Zwar ist diese Zeitung formal von der IGMG unabhängig, doch haben die Verfassungsschutzbehörden auch im Jahr 2005 Erkenntnisse über wechselseitige Verflechtungen gewonnen: Informationsstände der Milli Gazete bei IGMG-Veranstaltungen, Berichte der Milli Gazete über IGMG-Veranstaltungen, Auslage der Zeitung in IGMG-Ortsvereinen. Die Milli Gazete bemüht sich in ihrer Europa-Ausgabe derzeit um eine im Ver70 gleich zu den Vorjahren abgemilderte Rhetorik und spricht sich in ihrem 2005 überarbeiteten Impressum für Dialog, Toleranz und Demokratie sowie gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form von Terror und Gewalt aus. Im Widerspruch hierzu waren jedoch auch im Berichtsjahr in der Milli Gazete Aussagen wie die folgenden zu lesen: " Wir durchleben eine Periode, in der uns der Terror beinahe wie ein Staat gegenübertritt. Der 11. September war der Geburtstag dieses neuen Staates. Auch wenn die Imperialisten versuchen, die Muslime für den 11. September verantwortlich zu machen, wurden von Westlern selbst zahllose Bücher und Aufsätze geschrieben, in denen eine Verbindung von Muslimen mit den Anschlägen vom 11. September abgestritten wird. iemand kann das Gegenteil behaupten: Mit dem 11. September ist N ein Staat entstanden, der sich den Namen Terror gegeben hat. Mit den Anschlägen dieser geheimen Staaten schaffen sie auf geschickte Art einen Vorwand, um sich die Bodenschätze verschiedener Länder unter den Nagel zu reißen und ihre Ordnungsvorstellungen in einer Reihe von Ländern zu verwirklichen." (25. Juli 2005) " Möge Gott uns beistehen, die Tyrannei, die sich über die islamische Gemeinde herabgesenkt hat, zu beseitigen. Möge er uns nicht den Beistand dabei versagen, dass das kapitalistische System, das die Menschheit erwürgt, zerschlagen und die Gerechte Ordnung (Adil Düzen) errichtet wird, welche die gesamte Menschheit verdient hat." (7. November 2005) " Eines unser heiligsten Werte die Bedeckung unserer Frauen. Seit Jahrtausenden schon sind wir dazu bereit, unser Blut und unser Leben dafür zu geben, um es zu verteidigen. Was haben unsere Vorfahren schon alles angestellt, damit Fremde keinen Blick auf unsere Intimitäten erhielten. Als dieses Land besetzt war, wurde die erste Waffe gefeuert, um die Hand zu brechen, die nach der Kopfbedeckung der Frau streckte. Das Bedürfnis, dieses Land zu schützen, wurde durch die Sorge um die Kopfbedeckung unserer Mütter belebt. Um unsere Frauen ihrer Bedeckung zu berauben, reichten die Bomben und die Geschütze nicht aus. Doch mit ganz anderen Taktiken haben sie es geschafft, dass in diesem Land kaum noch eine Frau zu finden ist, die sich sittlich bedeckt. ie Feinde, die uns mit Waffengewalt nicht bezwingen konnten, sind in D uns eingedrungen und verstopfen jede unserer Adern. Dies ist der Grund, 71 warum von der Bevölkerung dieser Tage Todesschmerzen zu vernehmen sind. ie Verhüllung ist ein Ausdruck für eine höhere Zivilisation und bedeutet D Freiheit. Die Verhüllung ist für die Frau so natürlich wie ihr Frau-Sein. Nacktheit ist Sklaverei und kein Mensch hat das Recht, eine solche Sklaverei für sich zu beanspruchen." (11. August 2005) ie Anbindung der IGMG an Necmettin ERBAKAN, Milli Gazete und D somit an den Gesamtkomplex "Milli Görüs" muss weiterhin als gegeben betrachtet werden und hat insofern Konsequenzen auf ihr Verständnis von Religion und Staat sowie die Förderung bestimmter Feindbilder. 3.3.1.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), 1994 Umbenennung in "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder (Bund): ca. 750 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 40 ie Bezeichnung "Kalifatsstaat" geht auf die Ausrufung des Vereinsgrün- D ders Cemaleddin KAPLAN als Kalif im Jahre 1994 zurück. Nach seinem Tod führte sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN den Kalifentitel, fand jedoch außerhalb des Vereins keine Anerkennung als Kalif. Der "Kalifatsstaat" wurde im Dezember 2001 aufgrund seiner offenen Ablehnung demokratischer Prinzipien wie Volkssouveränität, Mehrparteiensystem oder das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Religionen verboten. Ausschlaggebend für das Verbot waren weiterhin Verstöße gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker; sie waren durch wiederholte und vehemente Agitation gegen Juden, Israel und säkulare Kreise in der Türkei zum 72 Ausdruck gekommen. Das Vereinsverbot erstreckte sich auch auf 35 als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifizierte Vereine, darunter drei in Rheinland-Pfalz ("Islamischer Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer", "Islamische Union Ludwigshafen" sowie "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung"). Im Oktober 2004 wurde Metin KAPLAN in die Türkei abgeschoben und dort im Juni 2005 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Justiz warf ihm unter anderem vor, im Jahr 1998 einen Anschlag auf Repräsentanten der türkischen Regierung in Ankara geplant zu haben. Das oberste türkische Berufungsgericht in Ankara entschied jedoch im November 2005, dass das Verfahren in der Türkei wegen Verfahrensfehlern und nicht ausreichenden Ermittlungen nicht rechtmäßig verlaufen sei und daher neu aufgerollt werden müsse. ußenwirksame Reaktionen von "Kalifatsstaat"-Anhängern auf das A Schicksal Metin KAPLANs blieben weitestgehend aus, auf intern-personeller Ebene sind jedoch Rivalitäten zu registrieren und haben nach dem Vereinsverbot zu einer weiteren Schwächung und Bedeutungsabnahme des "Kalifatsstaats" im islamistischen Gesamtspektrum beigetragen. Die Aktivitäten des "Kalifatsstaats" sind gleichwohl nicht vollständig zum Erliegen gekommen. In Rheinland-Pfalz dienen die Moscheeräumlichkeiten in Bad Kreuznach und Ludwigshafen am Rhein weiterhin als Anlaufstelle von "Kalifatsstaat"-Anhängern, insbesondere zum Freitagsgebet. Die Predigten sind in der Regel religiös gehalten, vereinzelt sind allerdings extremistische Aussagen festzustellen. 3.3.1.3 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder (Bund): 1.300 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine 73 Die Muslimbruderschaft existiert in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der Muslimbruderschaft gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und die "Islamische Heilsfront" (FIS) in Algerien hervor. Die Muslimbruderschaft strebt die Durchdringung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung durch den Islam und seine Vorschriften an. Sie betrachtet die Mehrzahl der Regime in der muslimischen Welt als unislamisch, ist jedoch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Vergangenheit wie zeitweise in Ägypten und Syrien abgerückt. Mit ihrem Stimmenanteil von ca. 20 % bei den ägyptischen Parlamentswahlen im November und Dezember 2005 ist sie ihrem Ziel, in ihrem Ursprungsland Ägypten auf dem institutionell-legalen Weg Einfluss zu gewinnen, ein Stück näher gekommen. In Deutschland stellt die 1960 gegründete "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Sitz in München eine Art Interessensvertretung der Muslimbruderschaft dar. Gemäß eigenen Angaben sind ihr acht sogenannte "Islamische Zentren" angegliedert, und zwar in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt a.M., Marburg, Köln, Münster und Braunschweig. Die offiziellen Verlautbarungen der IGD stehen meist in Einklang mit der Staatsund Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Ihr gleichzeitiges und wiederholt zu Tage tretendes Festhalten an der Ideologie der Muslimbruderschaft (u.a. ganzheitliches Islamverständnis mit ewig und universell gültigen Rechtsnormen, Feindbild Westen, ambivalente Haltung zur Gewaltfrage, speziell im Hinblick auf Israel) lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob die IGD wirklich hinter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. In Rheinland-Pfalz gibt es keine Vereine oder Moscheen, die der Muslimbruderschaft bzw. der IGD zugeordnet werden können. Aus bestimmten Äußerungen und der Teilnahme an IGD-Jahrestreffen lassen sich jedoch Verbindungen und eine ideologische Nähe einzelner Personen zur Muslimbruderschaft und IGD herleiten. 74 3.3.1.4 "Tabligh-i Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Raiwind bei Lahore, Pakistan und Delhi, Indien Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien in Deutschland keine Niederlassung Mitglieder (Bund): 500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 10 Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Die "Tabligh-i Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von Indien aus in zahlreiche Länder verbreitet und befindet sich weiterhin in einem Expansionsprozess. Auch in Deutschland hat sie in den vergangenen Jahren vermehrt Aktivitäten entfaltet, um neue Anhänger zu gewinnen. Die "Tabligh-i Jamaat" charakterisiert sich selbst als eine religiös-missionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat nimmt die Verkündung eines "richtigen" Islamverständnisses unter "fehlgeleiteten" Muslimen sowie orientierungslosen jungen Muslimen in der "Diaspora" eine zentrale Stellung im Programm der "Tabligh-i Jamaat" ein. Die Missionierung unter Nichtmuslimen spielt hingegen nur eine nachrangige Rolle. Das Streben nach einem gottgefälligen Leben und der Missionseinsatz für die Bewegung haben für die Anhänger der "Tabligh-i Jamaat" teilweise einen stark vereinnahmenden Charakter. Das Islamverständnis der "Tabligh-i Jamaat" ist eher puritanisch als politisch ausgerichtet. Die für andere islamistische Gruppierungen so charakteristische Beschäftigung mit politischen Themen ist bei der "Tabligh-i Jamaat" nur in geringem Maße festzustellen. Die Rigidität ihres Islamverständnisses hat gleichwohl Auswirkungen auf die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und wirkt sich u.a. im Sinne einer weitgehenden Abschottung gegenüber Nichtmuslimen und einer streng praktizierten Geschlechtertrennung aus. Bezeichnenderweise ist die "Tabligh-i Jamaat" nahezu eine reine Männerbewegung. 75 In den vergangenen Jahren haben sich die Anhaltspunkte verdichtet, wonach durch die Schulungen der "Tabligh-i Jamaat" individuelle Radikalisierungsprozesse in Gang gesetzt oder zumindest verstärkt wurden. Wenngleich die Gruppierung als solche keine Gewalttaten ausführt, besteht die Gefahr, dass gewaltbereite und terroristische Organisationen aus den Reihen der "Tabligh-i Jamaat" Anhänger rekrutieren und deren weltweite Strukturen für eigene Zwecke nutzen. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich mehrere Fälle ergeben, in denen Glaubenskämpfer eine "Tabligh-i Jamaat"-Vergangenheit aufwiesen. Die "Tabligh-i Jamaat" veranstaltete vom 15. bis 17. April 2005 in Hamburg ihr jährliches Deutschlandtreffen, an dem sich etwa 1.000 Anhänger beteiligten. Die Teilnehmer wurden darauf eingeschworen, ihre Missionsarbeit zu intensivieren, um dadurch den Einfluss des Islam zu vergrößern. So erklärte ein Redner, dass "kein Mensch, kein Haus und keine Moschee unerleuchtet bleiben" dürfe. Dieses Ziel habe Vorrang vor der Familie und anderen Verpflichtungen. In Neuwied fand vom 16. bis 18. September.2005 ein vierteljährliches Deutschlandtreffen der "Tabligh-i Jamaat" mit etwa 100 Personen statt. Thema der Veranstaltung war die Stellung des Islam in Europa. In Rheinland-Pfalz selbst gibt es derzeit allerdings keine von der "Tabligh-i Jamaat" betriebene oder dominierte Moschee. Die etwa 10 Anhänger der "Tabligh-i Jamaat" haben keine gemeinsame Bezugsmoschee und gehören unterschiedlichen Nationalitäten an. 3.3.1.5 Tschetschenische Separatistenbewegung Gründung: Anfang der 90er Jahre im Kaukasus Mitglieder/Anhänger (Bund): 500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): Einzelpersonen Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Der Konflikt in der russischen Kaukasusrepublik Tschetschenien stand auch im Jahre 2005 im Blickfeld der Öffentlichkeit. Beeinflusst durch die 76 seit Jahren andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen haben sich Teile der tschetschenischen Bevölkerung radikalisiert. Der Konflikt entwickelte sich immer mehr zu einem Anziehungspunkt für den internationalen "Djihad". Die tschetschenischen Separatistenführer wollen mit Unterstützung durch "Mujahidin"-Strukturen die wahhabitische Ausprägung des Islam im Nordkaukasus etablieren und einen islamischen Staat auf dem Gebiet Tschetscheniens gründen. Die überwiegend militärisch strukturierte tschetschenische Separatistenbewegung ist bestrebt, die russische Armee mit Gewalt zum Rückzug aus Tschetschenien zu zwingen und die Macht zu ergreifen. In Deutschland existiert eine vielfältige Unterstützerbewegung. Neben Anhängern der von Moskau nicht anerkannten tschetschenischen Untergrundregierung des am 08. März 2005 getöteten Separatistenführers und Präsidenten der "Tschetschenischen Republik Itschkeria", Aslan Maschadow, und Unterstützern des radikal-islamistischen Rebellenführers Schamil BASSAJEW sind auch Zusammenschlüsse festzustellen, die für ein friedliches Ende des Konflikts im Kaukasus eintreten. Die im gesamten Bundesgebiet feststellbaren Aktivitäten aus der Unterstützerszene reichen von der Propaganda für die tschetschenische Separatistenbewegung bis hin zu Geldsammlungen für vornehmlich humanitäre Projekte. Eine Weiterleitung von Geldmitteln für militärische und terroristische Zwecke kann grundsätzlich nicht völlig ausgeschlossen werden. Gewaltaktionen der tschetschenischen Separatistenbewegung in Deutschland wurden bislang nicht festgestellt. 3.3.1.6 "Mudjahidin" Die zahlreichen Organisationen und informellen Personenzusammenschlüsse, die sich dem Djihad gegen die von ihr als islamfeindlich wahrgenommenen Kräfte verschrieben haben, werden oftmals unter der Bezeichnung "Mudjahidin" oder "Djihadisten" zusammengefasst. Die Djihad-Kampffront hat einige Schwerpunktregionen - derzeit an erster Stelle Irak, weiterhin Tschetschenien, Kaschmir, Afghanistan und Israel/ Palästina - ist aber räumlich nicht näher einzugrenzen und hat sich inner77 halb der letzten zehn Jahre stark globalisiert. Auch im Hinblick auf die Herkunft der "Mudjahidin", ihr Kontaktnetz, ihre Aufenthaltsorte und Reisebewegungen handelt es sich um eine nahezu globale Bewegung. Parallel zur fortschreitenden Globalisierung ist es nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu einer fortschreitenden Dezentralisierung im Spektrum der "Mudjahidin" gekommen. Auch "alQaida" kommt zumindest in operativ-ter"Djami" roristischer Hinsicht derzeit keine ZenHerausgegeben vom Informationsbüro der tralstellenfunktion zu. Die Ermittlungen Islamischen Front für den iraktischen Widernach verschiedenen Anschlägen der letzstand, September 2005 ten Jahre - so in Bali, Istanbul, Madrid "Anzeichen des Sieges und der Verstärkung im irakischen Djihad" oder London - haben vielmehr ergeben, "Der Irak und Palästina sind ein einziges dass es zur Herausbildung lokaler, relaDjihad-Gebiet." tiv autonom operierender Terrorgruppen gekommen ist. Für die unterschiedlichen Terrorgruppierungen gilt gleichwohl, dass sie von der aggressiven Djihad-Ideologie "al-Qaidas" inspiriert sind. Die zahlreichen Audiound Videobotschaften von Usama bin LADIN und seinem Stellvertreter Aiman al-ZAWAHIRI verdeutlichen die Strategie "al-Qaidas", als übergeordnete Autorität in Fragen des Djihads anerkannt zu werden. Die in diesen Botschaften vorkommenden Anschlagsdrohungen gegenüber den "Feinden des Islam" dienen nicht allein der Einschüchterung, sondern auch der Binnenkommunikation mit den weltweit verstreuten "Mudjahidin". m 23. Januar 2005 wurden zwei in Rheinland-Pfalz aktive Personen fest- A genommen, die dem Spektrum der "Mudjahidin" zuzuordnen sind. Gegen die seither in Untersuchungshaft befindlichen Personen wird wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS129b StGB) und anderen Delikten ermittelt. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand soll einer der Beschuldigten Mitglied von "alQaida" gewesen sein und den Mitbeschuldigten für eine Djihad-Operation 78 rekrutiert haben. Zur Finanzierung des Djihads im allgemeinen und eines Anschlags im speziellen - vermutliches Zielgebiet Irak - schlossen sie in großem Umfang Lebensversicherungen ab. Die Summe sollte durch einen vorgetäuschten Unfalltod vorzeitig ausgezahlt werden. Beispiel für djihadistische Propaganda im Internet "Al-Fursan - Die Ritter", Monatszeitschrift des Djihad, herausgegeben von der islamischen Armee im Irak, Ramadan 1426 (Oktober/November 2005), S.1 "Wir sehen heutzutage, dass die islamische Welt in zwei Hälften aufgeteilt ist. Die erste Hälfte setzt sich aus den Mudjahidin zusammen, die die Feinde Gottes überall auf der Welt bekämpfen. Sie stellen die Minderheit dar und bezeichnen sich selbst als Truppe. Die zweite Hälfte setzt sich aus den Widerspenstigen und Deserteuren zusammen, die sich zufrieden geben, Medienmaterial zu seine, das die Feinde Gottes wie eine Waffe einsetzen, um die Mudjahidin zu bekriegen, nachdem alle anderen Waffen versagt haben [....] Wir danken Gott dem Erhabenen, dass er aus uns diejenigen gemacht hat, die die Feinde Gottes bekämpfen...." In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren einzelne Personen identifiziert, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zum Komplex "Mudjahidin" vorliegen. Ihre Aktivitäten werden von den Sicherheitsbehörden zwecks Gefahrenabwehr und der Gewinnung von Erkenntnissen über eine tatsächliche Zugehörigkeit zu diesem Komplex intensiv überwacht. 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder (Bund): ca. 700 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 25 79 Die in Deutschland seit 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C) mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als politischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel zielt auf eine gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung und propagiert als Endziel die Errichtung einer sozialistischen, den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgenden klassenlosen Gesellschaft. In ihrer Internet-Erklärung Nr. 34 von Ende März 2005 thematisiert die DHKP, politischer Arm der DHKP-C, ihre "35jährige Geschichte" in der Türkei. Anlass zu dieser Rückbesinnung ist der 30. März 1994, der Tag der Gründung und Neukonstituierung der Organisation unter ihrem jetzigen Namen in Damaskus (Syrien). In dieser Erklärung heißt es: "Es gibt nur einen Ausweg. Dieses System zu verändern, die Imperialisten aus unserem Land zu vertreiben und die oligarchische Regierung zu stürzen. Die Probleme können durch die Revolution gelöst werden, die Alternative ist Sozialismus. Wir sagen, dass dieses System verändert werden kann und dafür ein Volkskampf unabdingbar ist. Für eine revolutionäre Volksregierung durch alle Völker unseres Landes müssen wir den Imperialismus verjagen und die oligarchische Diktatur (Anm.: in der Türkei) stürzen." ktivitäten der Organisation beschränken sich indes nicht nur auf das A Heimatland Türkei, sondern werden in allen Ländern mit türkischem Bevölkerungsanteil entfaltet. Die Bundesrepublik Deutschland ist neben der Türkei das wichtigste Betätigungsfeld der DHKP-C. Auch in Rheinland-Pfalz verfügt die Organisation über eine - wenn auch nur geringe - Mitglieder-/Anhängerschaft. In Deutschland bedient sich die DHKP-C u.a. der Publikation "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit), um ihre Ziele und Ideen zu propagieren. Ebenso nutzt sie das Internet, um Berichte über aktuelle Ereignisse, Aufrufe usw. zu verbreiten. In der Internetausgabe der "Ekmek ve Adalet", Ausgabe 158 vom 15. Mai 2005, wurde mitgeteilt, dass es sich um die letzte Ausgabe der Zeitschrift handle und eine neue wöchentliche Zeitschrift mit dem Namen "Yürüyüs" erscheinen werde. Zuvor hatte das Landgericht Bamberg in seinem Urteil 80 vom 11. Januar 2005 (Az. 2 KLs 108 Js 1808/2004) rechtskräftig festgestellt, dass es sich bei der "Ekmek ve Adalet" um eine Publikation der DHKP-C handelt. Dieses Urteil wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 2005 (Az. 3 StR 139/05) bestätigt. Wie bereits in den vergangenen Jahren, setzte die DHKP-C auch im Jahr 2005 ihre Kampagne gegen die Haftbedingungen "politischer Gefangener" in der Türkei fort. Hintergrund ist die Verlegung von Gefängnisinsassen aus Haftanstalten mit Großraumzellen in neuartige Haftanstalten mit Einzelzellen (so genannte F-Typ-Gefängnisse). Das von der DHKP-C gegründete "TAYAD-Komitee" versteht sich als "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei". Der Verein trat im Jahr 2005 aus Anlass weiterer Todesopfer des Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen sowie wegen der Situation in den türkischen Haftanstalten ("Isolationshaft") mit Demonstrationen vor türkischen Konsulaten in der Bundesrepublik, bei denen Flugblätter verteilt und Erklärungen abgegeben wurden, mehrfach in Erscheinung. So kam es am 30. Mai in Düsseldorf und Frankfurt/M., am 20. Oktober in Düsseldorf und Berlin und am 21. Oktober 2005 in Stuttgart zum Gedenken an die bislang 119 bzw. 120 Opfer im "Todesfasten" zu Protestaktionen mit allerdings geringer Teilnehmerzahl (bis zu 15 Personen). Am 27. Juni 2005 wurde ein in Rotterdam festgenommener DHKP-CFunktionär von den Niederlanden nach Deutschland ausgeliefert. Ihm wird vorgeworfen, in Deutschland für die Weiterleitung von Spendengeldern an die Deutschlandführung der DHKP-C sowie für Planung und Durchführung von Gewalttaten verantwortlich zu sein. Am 26. Juli 2005 wurde gegen ihn vom GBA Anklage erhoben (SS 129a StGB). Am 21. Juli 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz Anklage gegen vier in Rheinland-Pfalz wohnhafte mutmaßliche Mitglieder/Sympathisanten der DHKP-C wegen Weiterführung eines verbotenen Vereins. Das Verfahren ist derzeit noch beim Landgericht Koblenz anhängig. Auch wenn die DHKP-C in Deutschland überwiegend an ihrer friedlichen Linie des Protestes festhielt, zeigen die bisherigen Anschläge der DHKC im Heimatland Türkei den terroristischen Charakter der Organisation. 81 Vor diesem Hintergrund wurde die DHKP-C bereits im Mai 2002 durch einen Beschluss des Europäischen Rates19 erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen und seitdem auch in den aktualisierten Fassungen der Liste aufgeführt. 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK); "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung MEK: 1965 im Iran NWRI: 1981 in Paris Mitglieder (Bund): ca. 900 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) bzw. deren politische Interessenvertretung "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) stellt innerhalb der im Ausland agierenden iranischen Opposition weiterhin die stärkste und aktivste Kraft dar, die sich den Sturz des islamischen Regimes in Teheran zum Ziel gesetzt hat. Zu diesem Zweck unterhielt sie bis zur Entmachtung des Regimes von Saddam Hussein auf irakischem Boden die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA) als militärischer Arm der Organisation. Die NLA war in der Vergangenheit für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich. Im Zuge des Irak-Krieges im Jahr 2003 wurde die NLA jedoch von den US-Streitkräften weitestgehend entwaffnet. Die MEK wird in Deutschland durch ihren weltweit agierenden politischen Arm NWRI vertreten. Einen Schwerpunkt der NWRI-Aktivitäten bilden die Ausrichtung von Veranstaltungen zu besonderen Anlässen, z.B. zu Gedenktagen der Organisation, sowie die Durchführung von Protestkundgebungen zu aktuellen Ereignissen, bei denen es regelmäßig gelang, medienwirksam mehrere Tausend Anhänger zu versammeln. o fand z. B. am 10. Februar 2005 in Berlin eine zentrale Demonstration S von Anhängern des NWRI aus Anlass des 26. Jahrestages der islamischen 19 Amtblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) 82 Revolution im Iran statt. An der Veranstaltung, zu der weltweit mobilisiert wurde, nahmen Polizeiangaben zufolge bis zu 1.500 Personen teil. Der Protest der Demonstranten richtete sich gegen Menschenrechtsverletzungen und die atomare Aufrüstung des Iran. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Den Besuch des iranischen Außenministers anlässlich der Neueröffnung der Iranischen Botschaft in Berlin am 16. Februar 2005 nahmen Anhänger des NWRI zum Anlass, vor dem Auswärtigen Amt in Berlin ebenfalls gegen Menschenrechtsverletzungen und atomare Aufrüstung im Iran zu demonstrieren. Die Veranstaltung, an der nach Polizeiangaben etwa 55 Personen teilnahmen, verlief ohne besondere Vorkommnisse. Ebenfalls in Berlin führten Anhänger des NWRI am 9. Mai 2005 eine zentrale Veranstaltung durch, die als "Bundeskongress von Deutsch-Iranern" deklariert war und zu der europaweit mobilisiert wurde. Laut Angabe des Veranstalters gegenüber der Berliner Polizei nahmen ca. 950 Personen teil. Eine weitere zentrale Veranstaltung, zu der weltweit mobilisiert wurde, wurde von Anhängern des NWRI am 18. Juni 2005 in einem Stadion in Cergy/Frankreich durchgeführt. Hintergrund der Kundgebung unter dem Motto "In Solidarität mit dem iranischen Widerstand gegen Terrorismus und Fundamentalismus" war der zweite Jahrestag polizeilicher Maßnahmen gegen die MEK und den NWRI am 17. Juni 2003 in Frankreich sowie der Jahrestag des so genannten "30. Khordat" ("Tag der Märtyrer"; am 21. Juni jährt sich die gewaltsame Niederschlagung einer Großdemonstration der MEK in Teheran 1981). Bei dieser Veranstaltung protestierten die ca. 6.000 Teilnehmer auch gegen die am 17. Juni 2005 erfolgte Präsidentenwahl im Iran und forderten erneut die Streichung der MEK aus den Listen terroristischer Organisationen der USA und der EU. Anhänger der Organisation werden mittels der Wochenzeitung "Mojahed" sowie durch Büchertische und Informationsstände speziell in deutschen Universitätsstädten mobilisiert. Im Rahmen ihrer Propagandatätigkeit betreibt die MEK inzwischen mehrere Internetseiten. Zur Finanzierung seiner Aktivitäten bedient sich der NWRI verschiedener Tarnvereine wie z.B. des "Hilfswerks für iranische Frauen e.V.", Hannover, 83 sowie des "Menschenrechtsvereins für iranische Migranten" (MIM), Düsseldorf. Der MIM wurde Ende 2004 in "Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e.V." (MEI) umbenannt. Die in der Vergangenheit ebenfalls als Tarnverein fungierende "Flüchtlingshilfe Iran e.V." (FHI) wurde aufgelöst. egen ihrer in der Vergangenheit zahlreich verübten Terroraktionen wurde W die MEK im Mai 2002 durch einen Beschluss des Europäischen Rates20 erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen und ist seitdem auch in den aktualisierten Fassungen der Liste aufgeführt. 3.6 "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Gründung: 1972 in Sri Lanka Mitglieder (Bund): ca. 800 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne In Deutschland tritt die LTTE nicht offen auf. Über Tarnund Hilfsorganisationen bemüht sie sich aber kontinuierlich, unter den tamilischen Flüchtlingen und Zuwanderern für die Ziele der Organisation zu werben und zur Deckung ihres Finanzbedarfs in der Heimat Geld zu beschaffen. iel der LTTE ist es, in Sri Lanka einen eigenen Tamilenstaat sozialistischer Z Prägung ("Tamil Eelam") in Opposition zur von Singhalesen dominierten Zentralregierung zu errichten. In Sri Lanka wird der Waffenstillstand zwischen den Separatisten der tamilischen LTTE und der singhalesischen Regierung zwarvon beiden Seiten im Wesentlichen eingehalten, die Waffenruhe wird jedoch zunehmend brüchiger. Selbst die Flutkatastrophe in Südostasien Ende Dezember 2004, von der auch Sri Lanka stark betroffen war, brachte die Konfliktparteien in ihren Positionen nicht näher. Die LTTE verübten in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen in Sri Lanka und Indien; auch im Jahr 2005 wurde in den Medien von Anschlägen der "Tamilenrebellen" in Sri Lanka berichtet. Die anhaltende Anwendung von Gewalt und Terror durch die LTTE wurde vom Rat der 20 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) 84 Europäischen Union mit Dokument C/05/248 vom 29. September 2005 verurteilt. Darin heißt es weiter: "Die EU prüft eingehend die Möglichkeit, die LTTE offiziell auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen. Vorerst ist die EU übereingekommen, dass mit sofortiger Wirkung und bis auf weiteres keine Delegationen der LTTE mehr in den EU-Mitgliedstaaten empfangen werden." Aus Anlass der von der EU verabschiedeten Erklärung fand am 24. Oktober 2005 eine von Funktionären der LTTE organisierte Großdemonstration vor dem EU-Gebäude in Brüssel statt, an der sich rund 10.000 Tamilen aus ganz Europa beteiligten. Auch in Rheinland-Pfalz lebende Tamilen, darunter eine nicht bekannte Anzahl von LTTE-Anhängern, haben an der Großkundgebung in Brüssel teilgenommen. 3.7 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) - ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" - (PKK) - Gründung: 1978 in der Türkei als PKK durch Abdullah ÖCALAN Umbenennungen: April 2002 in KADEK und Anfang November 2003 in KONGRA GEL Leitung in Westeuropa/ Führungsfunktionäre der "Koordination der Deutschland: Kurdischen Demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger (Bund): ca. 11.500 Mitglieder/Anhänger (Rheinland-Pfalz): ca. 450 Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Allgemeines Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von Abdullah ÖCALAN ("APO") als marxistisch-leninistische Kader-Partei mit dem Ziel der Errichtung eines unabhängigen kurdischen Nationalstaates unter ihrer alleinigen Führung gegründet. Von 1984 bis 1999 führte sie im Südosten der Türkei einen Guerilla-Krieg gegen den von ihr als Kolonialmacht empfundenen türkischen Staat. Im westlichen Europa verübte die PKK terroristische 85 Anschläge und führte zahlreiche gewalttätige Demonstrationen durch. Dies führte dazu, dass die Organisation sowie einige ihrer Teilund Nebenorganisationen in Deutschland im November 1993 mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt wurden. Das Verbot betrifft auch die PKK-Nachfolgeorganisationen "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL). Nachdem PKK-Führer Abdullah ÖCALAN 1999 in Kenia festgenommen und anschließend in der Türkei in Isolationshaft genommen wurde, entschloss sich die PKK noch im selben Jahr ihre politischen Ziele grundlegend zu ändern. Sie sprach sich im Rahmen einer weitgehenden Demokratisierung für einen friedlichen Ausgleich mit dem türkischen Staat aus. Der bewaffnete Kampf wurde einseitig für beendet erklärt und der Rückzug der bewaffneten Einheiten aus der Türkei angeordnet. Im Zuge ihrer Friedensstrategie und dem Bemühen, sich von dem anhängenden Makel einer Terrororganisation zu lösen, stellte die PKK im April 2002 alle Aktivitäten unter ihrem bisherigen Namen ein und rief als Nachfolgeorganisation den KADEK ins Leben. Dieser setzte den von der PKK begonnenen politischen Kurs fort. Trotz dieser geänderten Politik des KADEK ist es jedoch bisher nicht gelungen, einer Lösung der Kurdenfrage näher zu kommen. nde Oktober 2003 kam es zur Auflösung des KADEK; kurze Zeit spä- E ter gründete sich der KONGRA GEL. Abdullah ÖCALAN wurde zum "kurdischen Volksführer" ernannt. Die Guerillaverbände der PKK - die so genannten "Volksverteidigungskräfte" (HPG) - agieren seither autonom. Im Juni 2004 erklärten die HPG mit ausdrücklicher Unterstützung der KONGRA GEL-Führungsebene den 1999 verkündeten "einseitigen Waffenstillstand" für beendet. Die Folge waren verstärkte Kampfhandlungen zwischen der türkischen Armee und der HPG. Strukturen in Deutschland Der KONGRA GEL ist mit geschätzten 11.500 Mitgliedern/Anhängern 86 nach wie vor die größte Kurdenorganisation in Deutschland und bei Großveranstaltungen durchaus in der Lage, bis zu 40.000 Sympathisanten zu mobilisieren. Trotz des bestehenden Betätigungsverbots setzt der KONGRA GEL seine politischen Aktivitäten in Deutschland unvermindert fort; dazu gehört u.a. die finanzielle und logistische Unterstützung der Guerilla-Einheiten in den kurdischen Krisenregionen. Bundesweit gliedert sich der KONGRA GEL in drei Sektoren ("serit" oder "saha") mit insgesamt 26 nachgeordneten Gebieten und weiteren Teilgebieten. Politische Vorgaben der Führungsspitze werden über die verschiedenen Organisationsstufen bis auf die Ortsebene weitergeleitet. Dort werden sie von den zahlreichen kurdischen Vereinen, in denen die meisten KONGRA GEL-Anhänger/Sympathisanten organisiert sind, umgesetzt. Zur öffentlichen Verbreitung seiner politischen Ziele stützt sich der KONGRA GEL auf den in Deutschland über Satellit zu empfangenen kurdischen Fernsehsender "ROJ TV" sowie auf diverse Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika" (ÖP)21, die aufgrund einer durch den Bundesminister des Innern erlassenen Verbotsverfügung vom 30. August 2005 gegen die "E. Xani Presseund Verlags GmbH" ihr Erscheinen einstellen musste. In diesem Zusammenhang fanden am 5. September 2005 bundesweit in mehreren Verlagsräumen und privaten Wohnungen - so auch im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler - polizeiliche Durchsuchungen statt. Am 20. Dezember 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht die Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern wieder aufgehoben. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 450 Mitglieder/Anhänger des KONGRA GEL, die vorwiegend im Raum Ludwigshafen/Worms, im Gebiet 21 Mit Datum vom 16. Januar 2006 ist die "ÖP" unter der neuen Bezeichnung "Yeni Özgür Politika" (Neue Freie Politik) wieder erschienen. Herausgeber: "Medya Presseund Werbeagentur GmbH", Neu-Isenburg/Hessen. 87 Mainz/Bingen/Bad Kreuznach und im Norden von Rheinland-Pfalz aktiv sind. Für die KONGRA GEL-Anhänger aus dem Bereich Ludwigshafen am Rhein war erneut der "Kurdische Kulturverein Mannheim", der im Januar 2005 in die Keplerstraße 37 umzog, Kontaktund Anlaufstelle. Von dort wurden zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen initiiert bzw. koordiniert. o führten am 19. März 2005 über 700 KONGRA GEL-Anhänger aus dem S Gebiet Ludwigshafen/Mannheim anlässlich des kurdischen Neujahrfestes ("Newroz") eine regionale Kundgebung durch. Dabei zeigten sie "APO"Fahnen und skandierten in türkischer Sprache sinngemäß die Parole "Zahn um Zahn - mit Dir sind wir Öcalan!". Im Rahmen der bundesweiten Solidaritätsund Unterstützerkampagne für Abdullah ÖCALAN führte die KONGRA GEL-Jugendorganisation TECAK am 27. August 2005 unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN" eine Fahrradtour mit etwa 30 Teilnehmern von Ludwigshafen nach Mannheim durch. Zum 6. Jahrestag der Ausweisung ÖCALAN's aus Syrien - dem Beginn des so genannten Internationalen Komplotts - demonstrierten am 8. Oktober 2005 in Mannheim über 250 Kurden, darunter zahlreiche KONGRA GEL-Aktivisten aus Ludwigshafen, mit "APO"-Bildern und Transparenten für die sofortige Freilassung des kurdischen Volksführers. Die KONGRA GEL-Anhängerschaft aus Mainz und Umgebung traf sich am 29. Juni 2005 auf dem Mainzer Neubrunnenplatz zu einer Demonstration unter dem Motto "Abschiebestopp für Taylan SARIGÜL". Die Teilnehmer entrollten ein Transparent, mit dem sie die Freiheit des Verurteilten PKK-Funktionärs forderten, der zu diesem Zeitpunkt in der Ingelheimer "Gewahrseinrichtung für Ausreisepflichtige" einsaß. Rheinland-pfälzische KONGRA GEL-Anhänger/-Sympathisanten beteiligten sich darüber hinaus an weiteren bundesund europaweit durchgeführten Propagandaveranstaltungen, wie z.B.: 12. Februar 2005: Großdemonstration in Straßburg anlässlich des 6. Jahrestages der Festnahme ÖCALANs mit ca. 9.000 Personen, 88 3. September 2005: "13. Internationales Kurdistan-Festival" in Köln mit ca. 40.000 Personen, 1. Oktober 2005: Großdemonstration in Brüssel mit etwa 4.000 Personen anlässlich der bevorstehenden Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei unter Berücksichtigung der Kurdenfrage sowie der Verbotsmaßnahmen gegen kurdische Medieneinrichtungen in Deutschland. Aktuelle Entwicklung Unter der Bezeichnung "Demokratischer Konföderalismus Kurdistans" (Koma Komalen Kurdistan - KKK -) stellten Funktionäre des KONGRA GEL im Frühjahr 2005 ein neues politisches Konzept vor, mit dem tiefgreifende innerorganisatorische "demokratisierende" Reformen einhergingen. Auch in Deutschland begann auf Gebietsebene (u.a. Mannheim/Ludwigshafen) die Umsetzung der Idee einer Volksdemokratie mit der Bildung so genannter Volksräte. Im abgelaufenen Jahr bemühte sich der KONGRA GEL weiter um einen friedlichen und demokratischen Weg zur Lösung des Kurdenproblems, eng verknüpft mit dem Schicksal von Abdullah ÖCALAN. Dabei setzte er seine Strategie der letzten Jahre fort. Er stellte der türkischen Regierung Ultimaten, verbunden mit der Drohung, seine bisherige Strategie zu überdenken und möglicherweise in der Türkei zu terroristischen Aktionen zurückzukehren, wenn in der Kurdenfrage keine Fortschritte erzielt würden. Ein solches am kurdischen Newroz-Fest (21. März 2005) endendes Ultimatum, in dem der KONGRA GEL erneut seine friedlichen und demokratischen Absichten verkündete, gleichzeitig aber der Türkei "Verleugnungspolitik" vorwarf, weil diese u.a. versucht hatte, US-amerikanische Unterstützung für ein militärisches Vorgehen gegen die HPG zu erreichen, verpuffte ergebnislos. In der Folge verschärften sich die militärischen Kampfhandlungen in der Südosttürkei zwischen der türkischen Armee und der HPG. 89 Die negative Stimmung eskalierte weiter als die sich vom KONGRA GEL unabhängig darstellenden "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) zahlreiche Anschläge verübten, bei denen nicht nur Sachschaden entstand sondern auch Menschen getötet wurden. Die TAK begründeten ihren Aktionismus mit den anhaltenden "Angriffen" des türkischen Militärs auf das kurdische Volk. Ein Funken Hoffnung hinsichtlich der Einstellung der Kampfhandlungen bzw. einer Lösung der Kurdenfrage sah der KONGRA GEL Mitte des Jahres 2005. Im Zusammenhang mit einem Appell kurdischer Intellektueller an die "PKK" zum bedingungslosen Waffenstillstand äußerte erstmals auch der türkische Ministerpräsident, das Kurdenproblem auf demokratische Weise lösen zu wollen. In Verbindung mit den bevorstehenden EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei veranlasste dies den KONGRA GEL, ab Mitte August 2005 eine so genannte "Phase der Aktionslosigkeit" auszurufen, während die HPG - mit Ausnahme von "notwendigen Verteidigungsmaßnahmen" - auf militante Aktionen verzichteten. m 6. Oktober 2005 beendete jedoch der KONGRA GEL seinen einseitig A proklamierten Waffenstillstand mit der Begründung, dass im Rahmen der bisherigen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei keinerlei Vorgaben im Hinblick auf eine Lösung der Kurdenfrage erfolgt seien; außerdem hätten sich die Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs nach Inkrafttretens eines neuen Gesetzes in der Türkei ab Juni 2005 weiter verschlechtert. Die Situation in Deutschland war vom anhaltenden Friedenskurs der Organisation geprägt. Gewaltbereitschaft war nur vereinzelt bei Aktionen der Jugendorganisation TECAK zu erkennen. Die KONGRA GEL-Anhängerschaft reagierte auf die Ereignisse in der Türkei, die von der Organisationsführung als "Staatsterror" gegen das kurdische Volk bezeichnet wurden, mit zahlreichen Demonstrationen für eine "demokratische Lösung der Kurdenfrage" sowie mit vielfältigen Solidaritätsaktionen für "APO" ÖCALAN. Um bessere Haftbedingungen und die Wiederaufnahme des Verfahrens von ÖCALAN vor einem unabhängigen internationalen Gericht zu erreichen, startete im Juli 2005 unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN" eine neue europaweite Unterschriftenund Solidaritätskampagne. Damit will 90 der KONGRA GEL - auch vor dem Hintergrund der begonnenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei - deutlich machen, dass es eine kurdische Lösung ohne "APO" nicht geben wird. 3.8 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2005 in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind: "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die TKP/ML wurde 1972 in der Türkei von Ibrahim KAYPAKKAYA gegründet. Sie vertritt die Lehren des Marxismus-Leninismus, ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll eine "demokratische Volksherrschaft" mit einer an der marxistisch-leninistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung errichtet werden. Die TKP/ML ist durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen gekennzeichnet. Seit April 1994 ist die TKP/ML in den so genannten Partizan-Flügel sowie in das "Ost-anatolische Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Anfang 2003 hat sich der DABK-Flügel in "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) umbenannt. Zur Umsetzung ihrer Ziele unterhalten beide Flügel in der Türkei voneinander getrennte eigenständige bewaffnete Guerillagruppen, die auf Seiten von "Partizan" unter der Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), auf Seiten der MKP als "Volksbefreiungsarmee" (HKO) agieren. Zum Gedenken an den 32. Todestag von KAYPAKKAYA führten TKP/ ML und MKP Großveranstaltungen am 14. Mai 2005 in Ludwigshafen am Rhein mit ca. 3.000 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland und am 21. Mai 2005 in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) mit ca. 1.000 Teilnehmern durch. Beide Veranstaltungen, die von einem kulturellen Rahmenprogramm (Musikdarbietungen, Folklore) begleitet wurden, verliefen friedlich. In Deutschland gehören der TKP/ML ca. 1.400 Mitglieder an, davon einzelne in Rheinland-Pfalz. 91 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die in der Türkei verbotene und terroristisch operierende MLKP entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Wie die TKP/ML und die DHKP-C erstrebt sie die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Zu ihren Basisorganisationen gehören die "Föderation der Arbeiterimmigranten aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) und die "Kommunistische Jugendorganisation" (KGÖ). Sie betätigt sich vorwiegend publizistisch u.a. mit Stellungnahmen zu Problemen ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland wie z.B. "Sozialabbau", "Einschränkung demokratischer Rechte" und prangert das angeblich "faschistische Regime" in der Türkei und den "amerikanischen Imperialismus" an. Die "Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK), die von den türkischen Sicherheitsbehörden als bewaffneter Arm der MLKP angesehen werden, bekannten sich in der Vergangenheit zu zahlreichen Anschlägen in der Türkei, u.a. auf Sicherheitskräfte, Armee und Parteibüros. Zur Finanzierung der Parteiarbeit und der Guerillaaktivitäten in der Türkei führt die Organisation jährlich eine europaweite Spendenkampagne unter ihren Anhängern durch. Im Zusammenhang mit den Spendensammlungen sind in den letzten Jahren jedoch keine Straftaten mehr bekannt geworden. Interne ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP führten zur Abspaltung der "Kommunistischen Partei-Aufbauorganisation" (KPIÖ), die heute nahezu bedeutungslos ist. In Deutschland gehören der MLKP ca. 600 Mitglieder an, einzelne davon in Rheinland-Pfalz. 92 4. INTERNET/NEUE MEDIEN ie Nutzung des Internet ist in den letzten Jahren zu einem selbstver- D ständlichen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Wenngleich sich aktuellen Studien zufolge die Zuwachsraten der Nutzer auf niedrigerem Niveau als in den vergangenen Jahren bewegen, verfügen doch mehr als 65 % aller deutschen Erwachsenen über einen Zugang zum Internet. In allen Bereichen des politisch motivierten Extremismus wird dieses Medium genutzt um Propaganda zu verbreiten, Informationen zu transportieren oder unter Ausnutzung technischer Möglichkeiten verschlüsselt Daten auszutauschen. In weiten Bereichen spielen auch Foren, Chats und Newsgroups bei der Weitergabe aktueller Nachrichten eine entscheidende Rolle. Besonders auffällig sind Webseiten islamistischer Organisationen aus Afghanistan, Tschetschenien, dem Irak und der Arabischen Halbinsel, die im Namen Allahs in besonders grausamer Weise Gewalt verherrlichend ihren "Befreiungskampf" darstellen. Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder gehört es, aus dem stetig wachsenden Datenbestand des Internet diejenigen Daten herauszufiltern, die Organisationen, Gruppen und Personen eingestellt haben mit dem Ziel, die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zu gefährden. 4.1 Rechtsextremisten Das Internet ist durch die Vielfältigkeit seiner Anwendungsmöglichkeiten für Angehörige der rechten Szene immer mehr zum zentralen Medium geworden und wird professionell zu Informationsund Agitationszwecken eingesetzt. Durch Internetaufrufe zur Teilnahme an rechtsextremistischen Veranstaltungen (Demonstrationen, Konzerte) werden insbesondere Heranwachsende angesprochen und regelmäßig hohe Mobilisierungseffekte erzielt. Zahlreiche rechtsextremistische Onlineshops decken das verfassungsfeindliche Musikspektrum rechtsextremistischer Bands ab 93 und sprechen mit ihrer aktuellen und umfangreichen Angebotspalette (Kleider, Tonträger, Fanzines, sonstige Szeneartikel) überwiegend das jüngere Kaufklientel an. Entwicklungen der rechtsextremistischen Musikszene haben gezeigt, dass nahezu alle Musikstile für rechtsextreme Propaganda genutzt werden können. Erweitert hat sich das rechtsextremistische Musikspektrum u.a. um den Bereich NS Black-Metal (NSBM), einer Subkultur des Black Metal. Hierbei werden politische Botschaften metaphorisch verpackt und ein neues "Deutsches Reich" nach Vorbild des "Dritten Reiches" angestrebt. Typisch für diese Musikrichtung ist der Gesang, der "kreischende und grunzende" Formen annimmt. Die menschenverachtenden Texte, in denen Krieg, Hass, Tod und Vernichtung verherrlicht werden, sind meist nur in den Booklets der jeweiligen CDs nachvollziehbar. NSBMBands spielen auf Skinhead-Konzerten, ihre Musik spricht ein immer größeres Publikum an und wird mittlerweile durch die einschlägigen Skinhead-Vertriebe erfolgreich vermarktet. Rechtsextremistische Homepages sahen sich in 2005 vielfach provokativen Hackerangriffen von Linksextremisten ausgesetzt. So wurden im Laufe des Jahres Seiten rechtsextremistischer Onlineshops ("Endzeit Versand", "West Versand", "Front Records") sowie einige rechtsextremistische Seiten von überregionaler Bedeutung ("Völkermord", "Hatecore", "Widerstand Sued") durch Linksextremisten gehackt. Im Gegenzug erfolgte Ende des Jahres das Hacking des linksextremistischen "Red Stuff Antifa-Versandes" durch rechtsextremistische Hacker. Bei diesen Hackings wurden u.a. Kundendaten offen ins Netz gestellt. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind ca. 1.000 von Deutschen betriebene rechtsextremistische Homepages registriert, etwa 30 davon entfallen auf Rheinland-Pfalz. Die überwiegende Anzahl der rechtsextremistischen Seiten ist bei amerikanischen Providern hinterlegt und somit dem Zugriff der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen. Der Beobachtung rechtsextremistischer Internetseiten durch den Verfassungsschutz kommt weiterhin eine große Bedeutung zu. 4.2 Linksextremisten ür Linksextremisten ist das Internet das wichtigste Medium zum Über- F mitteln von politischer Propaganda. Es dient aber auch als Informations94 quelle für die zeitnahe Umsetzung von Handlungskonzepten. Besonderes Augenmerk gilt der Internetpräsenz revolutionär-marxistischer und anarchistisch ausgerichteter Gruppen, die traditionell die Aktionsfelder "Antifaschismus", "Antirassismus", "Anti-Atom" oder auch "Anti-Globalisierung" zum Gegenstand ihrer politischen Arbeit ansehen. Zentrale Bedeutung haben Info-Portale, die Berichte über regionale oder überregionale bis hin zu multinationalen Geschehnissen transportieren, zu Aktionismus aufrufen und die Möglichkeiten bieten, eigene Beiträge im Netz zu hinterlegen. Die Auseinandersetzung mit dem rechtsextremistischen Spektrum führte im Berichtszeitraum zu einer Reihe von so genannten Hacking-Attacken auf Server des politischen Gegners. Dabei wurden Webseiten manipuliert, Daten von Nutzern und Abonnenten abgezogen, Diskussionsbeiträge von Forenmitgliedern der breiten Öffentlichkeit präsentiert und ihre Anonymität aufgehoben. Starke Internetpräsenz zeigten Gruppen aus Rheinland-Pfalz insbesondere aus Anlass des Besuchs des amerikanischen Präsidenten Bush in Mainz im Februar 2005. Die Zahl der relevanten Portalseiten beträgt bundesweit ca. 900 und in Rheinland-Pfalz ca. 60, wobei eine Vielzahl von Unterseiten ebenfalls relevante Informationen enthalten. 4.3 Ausländerextremismus Besonders grausam in ihrer Web-Darstellung sind ausländische islamistische Gruppierungen, vorwiegend die der "al-Qaida", in Afghanistan, im Irak und Tschetschenien. So werden Exekutionen von entführten Personen gezeigt, Videos von Bombenanschlägen auf militärische Einrichtungen, Kriegsgerät und Bombenbauanleitungen bis hin zu "Todeskandidaten", die als "lebende Bomben" zu ihrem Anschlagsziel unterwegs sind. Nicht selten werden für die Platzierung des Materials Webanbieter missbraucht, die mangels geeigneter Kontrolle ihrer Speichermedien davon keine Kenntnis hatten. Dadurch erreichen die islamistischen Propagandisten größtmögliche Sicherheit, damit ihre technischen Einrichtungen nicht lokalisierbar gemacht werden können. 95 Die Internetauftritte von extremistischen Ausländerorganisationen, die auch in Deutschland agitieren, stammen vorwiegend aus dem türkischen/kurdischen und islamistischen Beobachtungsfeld. Ihre Webseiten sind in ihrer Aufmachung eher gemäßigt und enthalten überwiegend allgemeine Zielvorstellungen, Terminhinweise, Downloadmöglichkeiten für Schriftund Tonmaterial, bieten aber auch Gelegenheit, Forumsbeiträge zu verfassen, Newsletter zu abonnieren oder zu chatten. In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 150 deutschsprachige Webseiten von Interesse. 96 5. SPIONAGEABWEHR 5.1 Auftrag und aktuelle Entwicklung Die Spionageabwehr sammelt planmäßig und gezielt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten einer fremden Macht und wertet diese aus. Es geht um die Aufklärung von Strukturen, Arbeitsmethoden und Ziele fremder Nachrichtendienste und die Verhinderung von Spionageaktivitäten. Neben Spionage zählen auch Sabotage sowie die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten. Insbesondere Staaten aus dem Nahen und Mittleren Osten fielen im Berichtszeitraum auf, wie sie Oppositionelle in Europa und in Rheinland-Pfalz durch ihren Geheimdienst unter Druck setzten. Eine ständige Aufgabe der Spionageabwehr ist, die Aufrüstung so genannter Krisenländer mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen und die damit einhergehende Verbreitung (Proliferation) dieser Massenvernichtungsmittel abzuwehren.22 Die besondere Aufmerksamkeit galt wie in den Jahren zuvor dem nachhaltigen Streben Irans nach atomaren Waffen. Sollte der Iran zukünftig über militärisch nutzbare Kerntechnik verfügen, werden sich die strategischen und militärischen Kräfteverhältnisse nicht nur im Nahen und Mittleren Osten ändern. Auch europäische Staaten und NATO-Partner sind nach Erkenntnissen westlicher Nachrichtendienste durch iranische Mittelstreckenraketen erreichbar. Spätestens wenn der Iran das Existenzrecht Israels nicht nur leugnet, sondern mit dem Einsatz von Atombomben drohen kann, würde der Konflikt in eine neue Phase treten. Dann wäre auch die atomare Aufrüstung weiterer Staaten, die sich durch den Iran bedroht fühlen, zu befürchten. Die Bundesrepublik Deutschland ist für fremde Nachrichtendienste nach wie vor ein bevorzugtes Ausspähungsziel. Ihre politische Bedeutung, 22 Krisenländer werden inzwischen als proliferationsrelevante Länder bezeichnet. Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen in einem Krieg einsetzen oder diese zur Durchsetzung politischer Ziele androhen (u. a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien). 97 wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihre wissenschaftlich-technischen Ressourcen hat im europäischen Vergleich zu einer hohen Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den amtlichen bzw. halbamtlichen Vertretungen fremder Staaten in Deutschland geführt. Von ihren Tarndienstposten aus betreiben sie klassische Spionage. Als wichtiger und anerkannter Wirtschaftsund Wissenschaftsstandort ist auch Rheinland-Pfalz ein begehrtes Operationsgebiet für Agenten. 5.2 Spionageziele in Rheinland-Pfalz Ziele fremder Nachrichtendienste sind Bereiche mit einer hohen Konzentration an wichtigen Informationen. Dazu gehören Behörden, Verbände, Banken und in einer globalisierten Welt, in der Know-how und Zukunftstechnologien den volkswirtschaftlichen Reichtum eines Staates ausmachen, zunehmend Universitäten, Forschungseinrichtungen und innovative Unternehmen. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2005 zum Schutz der Wirtschaft vor illegalen Angriffen eine erweiterte Sicherheitspartnerschaft zwischen der Landesregierung und der rheinland-pfälzischen Wirtschaft vereinbart. Ein besonderer Schwerpunkt der erweiterten Sicherheitspartnerschaft ist die Bekämpfung der Wirtschaftsspionage. Diese erfasst grundsätzlich den gesamten Wirtschaftskreislauf eines wettbewerbsfähigen Produktes, von seiner unternehmerischen Idee bis zu seiner Vermarktung. Aber auch Marktanalysen und -strategien liegen im nachrichtendienstlichen Aufklärungsinteresse fremder Staaten. Vorrangig geht es um die illegale Abschöpfung von Wissen aus zukunftsträchtigen Branchen (Hochtechnologie, Biotechnologie, Chemie, Pharmazie, Energiewirtschaft etc.). Davon können innovative große, mittelständische und auch kleine Firmen, die sich ihre Marktnischen erschlossen haben, gleichermaßen betroffen sein. Betriebliche Schutzmaßnahmen gegen diese Angriffe sind gerade im Zeitalter des elektronischen Informationsund Kommunikationsaustausches von wachsender Bedeutung. Um gerade dem Schutzbedürfnis der kleineren und mittelständischen Unternehmen in Rheinland-Pfalz zu genügen, haben die Mitglieder der Sicherheitspartnerschaft die Arbeits98 gruppe Wirtschaftsspionage eingerichtet, die sich aus Fachleuten des Innenund Wirtschaftsministeriums sowie der Kammern und Verbänden der Wirtschaft zusammensetzt. Jedes Unternehmen in Rheinland-Pfalz kann sich an den Verfassungsschutz wenden, wenn es kompetent über Maßnahmen gegen Spionageaktivitäten beraten werden will. Der Verfassungsschutz stellt gerne interessierten Firmen die gemeinsam mit den Mitgliedern der AG Wirtschaftsspionage entwickelten Schutzkonzepte zur Verfügung. 5.3 Mittel und Methoden fremder Nachrichtendienste Zu den Arbeitsmethoden der Dienste gehören sowohl die offene Informationssammlung wie auch die verdeckte konspirative Nachrichtenbeschaffung. Heute lassen sich aus den der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Quellen, wie Internet, wissenschaftlichen Publikationen, Produktbeschreibungen, Informationen beschaffen, die früher nur über Agenten zu erlangen waren. Unter offener Beschaffung versteht man die Auswertung von Veröffentlichungen, den Besuch von öffentlichen Veranstaltungen (Messen, Kongressen, Symposien etc.), die Teilnahme an Studiengängen und wissenschaftlichen Projekten. Dadurch werden die Nachrichtendienste grundsätzlich in die Lage versetzt, Gesamtbilder ihrer Aufklärungsziele zu erstellen. Diese sind der Ausgangspunkt für weitere gezielte Ausforschungen, die oft nur durch die Methoden der klassischen Spionage vorangetrieben werden können. Die hierfür notwendige geheime Beschaffung ist geprägt durch den Einsatz von Agenten, der Überwachung der Telekommunikation und dem Eindringen in Informationssysteme. Insbesondere im Bereich der Wirtschaftsspionage wird versucht, entweder einen Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes als Agent in ein Unternehmen einzuschleusen oder Mitarbeiter des Unternehmens als Agenten zu werben. Für einen Staat, der seinen technologischen Rückstand verkleinern oder nur eine bestimmte Lücke schließen will, ist ein Spion weitaus billiger als ein Forscherteam. Deshalb werden gerne auch Studenten, Praktikanten oder Austauschwissenschaftler in Universitäten, Forschungseinrichtungen, Unternehmen oder Behörden platziert. 99 Gelingt gar die Anwerbung eines Mitarbeiters, so ist dessen Verrat für den Auftraggeber in aller Regel sehr lohnend und für Betroffene, vor allem für kleine Unternehmen ggf. Existenz bedrohend. Bei der Mehrzahl der entdeckten Spionagefälle hatten sich so genannte Quellen im Objekt, d. h. eigene Mitarbeiter, die sich meist aus mangelnder Loyalität, (vermeintlichem) Frust oder Geldgier haben anwerben lassen. Erfolgreich ist auch eine Abschöpfung von Gesprächspartnern, ohne dass der Betroffene bemerkt, dass er sein Wissen an einen Nachrichtendienst weitergibt. Diese Methode bietet für beide große Vorteile. Der als Quelle missbrauchte Gesprächspartner hat nicht das Gefühl etwas Unerlaubtes zu tun, der Empfänger braucht sich nicht als Agent zu enttarnen. Ein Abendessen oder ein kleines Geschenk genügen regelmäßig, um die geeignete Atmosphäre zu erzeugen, die notwendige Sorgfalt zu vernachlässigen und die damit gewünschte Mitteilungsbereitschaft zu fördern. Durch geschickte Gesprächsführung sind sie in der Lage, die Lebensumstände, Zugangsmöglichkeiten, Charaktereigenschaften und Motive für eine spätere Zusammenarbeit in Erfahrung zu bringen. Verfügt eine solche Person über gute Zugänge, um an vertrauliche Informationen aus ihrem beruflichen und persönlichen Umfeld zu gelangen, wird der Agent den Kontakt zu einer vertraulichen Verbindung aufbauen und den Gesprächspartner perspektivisch gewinnen wollen. Unternehmerisches Handeln sollte durch das Bewusstsein geprägt sein, dass ohne Sicherheit eine Firma am Markt nicht bestehen kann, dass diese Voraussetzung für ein erfolgreiches wirtschaftliches Handeln ist. Spätestens wenn Unternehmern ausländische Märkte erschließen wollen und ihnen die Gefahren nicht bekannt sind, die ihnen bei einem Markteintritt drohen, können viel Geld und Arbeitsplätze verloren gehen. Dies gilt insbesondere im wirtschaftlichen Verkehr mit Russland und China. Beide Staaten setzen gezielt ihre Nachrichtendienste zur Wirtschaftsspionage ein. Während in Russland Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage ihre Legitimation in Art. 5 des Gesetzes der Russischen Föderation über die Auslandsaufklärung findet, werden in China die Spionageziele und Schwerpunkte durch das Politbüro bestimmt. China strebt danach, führende Wirtschaftsmacht zu werden. Ein noch 100 bestehender Rückstand in Wissenschaft, Technologie und militärischen Know-how wird auch mit Hilfe der Nachrichtendienste verringert.23 Die chinesischen Dienste betreiben ihre Auslandsaufklärung mit großer Vorsicht, Ausdauer und mit beachtlicher Intensität. Wie andere Nachrichtendienste bedienen sie sich ihrer Agenten in diplomatischen Einrichtungen, in halbstaatlichen Gesellschaften und Unternehmen. Die in joint-ventures legendiert tätigen Nachrichtendienstmitarbeiter nutzen zur Informationsbeschaffung die ihnen zur Verfügung stehenden Zugänge in der Wirtschaft und Industrie. Teilweise werden Zusammenschlüsse mit deutschen Firmen nur deshalb gesucht, um das Know-how des Partners illegal an staatlich kontrollierte chinesische Unternehmen zu transferieren. Eine ähnliche Vorgehensweise kann beobachtet werden, wenn chinesische Universitäten Kooperationen mit deutschen Hochschulen oder Forschungsinstituten eingehen. Als Quellen dienen hier gerne aus China entsandte Studenten und Wissenschaftler. Deutsche Firmen, die in China über Niederlassungen verfügen, berichten von Einbrüchen in ihre Werksräume und Geschäftsreisende von Diebstählen aus Hotelzimmern. Von der Überwachung der Kommunikation in China ist auszugehen. Vermehrt werden Angriffe aus China auf firmeneigene Computernetze berichtet. Die Fälle haben in der Regel keinen allgemein kriminellen Hintergrund, sondern dienen der Erlangung von technologisch wertvollen Wissen. Die Bedeutung der Wirtschaftsspionage nimmt für die Russische Föderation weiter zu. Die mit Spezialisten für die Wirtschaftsaufklärung besetzten Dienste leisten zu Lasten unserer Volkswirtschaft ihren Beitrag zur Linderung der ökonomischen Probleme Russlands. In Deutschland tätige Führungsoffiziere russischer Dienste bedienen sich dabei nach wie vor klassischer nachrichtendienstlicher Arbeitsmethoden. Auch in Russland wird der elektronische Datenaustausch durch den FSB intensiv überwacht, mit der Folge, dass dort investierende deutsche Firmen unbemerkt ihre geldwerten Geschäftsgeheimnisse offenbaren.24 23 Insbesondere das "Ministerium für Staatssicherheit"(MSS) sowie der militärische Nachrichtendienst der "Volksbefreiungsarmee" (MID). 24 FSB: Federalnaja Slushba Besopasnosti (Russischer Inlandsnachrichtendienst) 101 Jede Firma oder jede Einrichtung, die über schützenswerte Informationen verfügt, sollte folgende Präventionshinweise beachten. Für eine individuelle Beratung mit zielgerichteten Schutzhinweisen und Verhaltensregeln können sie sich direkt an den Verfassungsschutz wenden.25 - Nicht warten bis der Spionagefall eingetreten ist! - Aktuelle Informationen bei kompetenten Partnern einholen! - Informationsschutz als wichtigen Bestandteil der Firmenphilosophie und Firmenstrategie verankern! - Ganzheitliches Sicherheitskonzept realisieren und permanent fortschreiben! - Schutzmaßnahmen auf den Kernbestand zukunftssichernder Informationen konzentrieren! - Sicherheitsstandards regelmäßig überprüfen! - Einhaltung und Erfolg der Sicherheitsvorkehrungen kontrollieren, Sicherheitsverstöße sanktionieren! - "Frühwarnsystem" zur Erkennung von Know-how-Verlusten einrichten! - Auffälligkeiten und konkrete Hinweise konsequent verfolgen, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen! - Informationsschutz ist ein strategischer Erfolgsfaktor! 5.4 Proliferation und Wissenstransfer 26 Die proliferationsrelevanten Länder Iran, Syrien, Nordkorea, Pakistan und Indien halten nach wie vor den Besitz von Massenvernichtungswaffen für unverzichtbar. Gerade die Beispiele Iran und Nord-Korea zeigen in Besorgnis erregender Aktualität, was es bedeutet, wenn politisch schwer berechenbare Staaten nach Massenvernichtungswaffen streben. Besondere Sorge bereitet den Verfassungsschutzbehörden, dass einige der vorgenannten Staaten bereits über das notwendige Know-how und 25 Verfassungsschutz des Bundes und der Länder, "Wirtschaftsspionage - Information und Prävention", 2004, siehe Homepage des ISM Rheinland-Pfalz. 26 Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschließlich des dafür erforderlichen Wissens sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. 102 die Möglichkeiten zur Herstellung von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen und entsprechenden Trägersystemen (weitreichende Raketen) verfügen und ihre Produkte, deren Export aus westlichen Industrienationen einen strengen Kontrolle unterliegt, auf dem Weltmarkt anbieten (so genannte horizontale Proliferation). Dennoch sind diese Länder weiterhin gezwungen, ihre Waren und Know-how aus den Industriestaaten zu erhalten, um den Bestand und die Weiterentwicklung der bestehenden Produktion zu sichern (so genannte primäre bzw. vertikale Proliferation). Deutsche und EU-Ausfuhrbestimmungen setzen dem Erwerb hohe Hürden; sie lassen sich nur heimlich und illegal überwinden. Deshalb setzen die Beschafferstaaten ihre Geheimdienste ein, um in den Besitz der kritischen Güter zu gelangen. Sie nutzen dabei verdeckt arbeitende Beschaffungsnetze und verbergen den Endverwender durch den Gebrauch von harmlos klingenden Firmennamen. Umweglieferungen sollen über das tatsächliche Empfängerland täuschen. Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Dubai, die chinesischen Sonderverwaltungszonen Macau und Hongkong, Malaysia und Singapur treten dabei immer wieder als vermeintliche Empfänger auf. Dort ansässige Tarnfirmen organisieren den Weitertransport zum wahren end-user. Ein weiteres ernstes Problem ist die zunehmende Verbreitung sensiblen Wissens. Die Zahl der Wissenschaftler und Ingenieure, die Kenntnisse und Fähigkeiten über die Produktion von Massenvernichtungswaffen besitzen, steigt ständig. Spätestens mit der Aufdeckung des pakistanischen Netzwerkes um den ehemaligen Leiter der Khan-Research-Laboratories (KRL), Dr. Abdul Qadeer KHAN, im Jahr 2003 wurde klar, dass auch nichtstaatliche Organisationen die Verfügungsgewalt über Massenvernichtungswaffen erhalten können. Vor diesem Hintergrund kann prognostiziert werden, dass der internationale Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und -mitteln in den nächsten Jahren eine der größten Bedrohungen für die westliche Zivilisation darstellen werden. Dass Proliferation in Deutschland äußerst konsequent verfolgt und bestraft wird, verdeutlicht ein Urteil aus November 2005. Ein 61-jähriger Geschäftsführer einer deutschen Firma wurde wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer 103 Haftstrafe von 7 Jahren und 3 Monaten verurteilt, da er Waren an pakistanische Firmen lieferte, die am Atomwaffenprogramm des Landes beteiligt sind. Die gelieferten Güter sind für eine Verwendung in einer Gasultrazentrifuge geeignet. Mit dieser Zentrifuge wird Uran für kerntechnische Anlagen und, bei entsprechend höherem Anreicherungsgrad, auch zum Bau der Atombombe nutzbar gemacht. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz unterrichtet seit Jahren Wirtschaft und Wissenschaft über die Gefahren der Proliferation, damit nicht unwissentlich sensibles Forschungswissen oder so genannte Dual-use Güter an kritische Staaten weitergegeben werden27. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die wahren Absichten der Beschaffer schwer zu erkennen sind. In Zweifelsfällen oder bei Fragen sollte das vertrauensvolle Gespräch mit dem Verfassungsschutz gesucht werden, nicht zuletzt um strafbares Handeln zu vermeiden. An folgenden Indizien kann ein illegales Geschäft erkannt werden28: - Der tatsächliche Endverbleib der Güter ist unklar und kann nicht plausibel erklärt werden. - Der Kunde kann nicht erklären, wofür das Produkt gebraucht wird bzw. der beabsichtigte Verwendungszweck weicht erheblich von der vom Hersteller vorgegebenen Produktbestimmung ab. - Der Kunde handelt üblicherweise mit militärischen Gütern. - Der auftretende Käufer verfügt nicht über das erforderliche Fachwissen. - Die tatsächliche Identität eines Neukunden ist nicht bekannt. - Es werden ohne erkennbaren Grund Zwischenhändler eingeschaltet. - Der Kunde wünscht eine außergewöhnliche Etikettierung oder Kennzeichnung/Beschriftung, um die Güter zu neutralisieren. 27 Dual-use: Güter, Datenverarbeitungsprogramme und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, die für zivile und militärische Zwecke verwendet werden können. 28 Verfassungsschutz des Bundes und der Länder, "Proliferation - Das geht uns an!"; 2004, siehe Homepage des ISM Rheinland-Pfalz. 104 - Angebotene Zahlungsbedingungen sind besonders günstig, wie z.B. Barzahlung, hohe Vorauszahlungen oder ungewöhnliche Provisionen. - Der Käufer verzichtet auf das Einweisen in die Handhabung, auf Serviceleistungen oder auf Garantie. - Firmenangehörige werden zu Ausbildungszwecken zur Herstellerfirma nach Deutschland geschickt, obwohl eine Einweisung vor Ort praktischer und sinnvoller wäre. - Mitglieder von Besucherdelegationen werden namentlich nicht vorgestellt. - Zu weiteren Geschäftskontakten nach Deutschland wird geschwiegen. Verantwortliche an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollten bei folgenden verdächtigen Verhaltensmustern, insbesondere im Hinblick auf die Geschäftsanbahnung sowie auf die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsvorgänge oder unüblicher Freundschaftsdienste, genau prüfen29: Verdachtsmomente begründet durch "unübliche" Verhaltensmuster * Ungewöhnliche(r) und grundlose(r) - Beteiligung eines Vermittlers oder einer sachfremden Forschungseinrichtung, - Aufspaltung des Projekts in mehrere Teilbereiche, bzw. Fertigstellung eines von einem Dritten begonnenen Projekts ohne plausible Erklärung, - Veränderung wesentlicher Produktionsprozesse, die die Herstellung von Massenvernichtungswaffen, Flugkörpern oder Rüstungsgütern ermöglichen oder denkbar machen, - Verzicht des Anfragenden auf weitere Betreuung des Projekts und Fortsetzung der fachlichen Zusammenarbeit; Verzicht auf Expertenhilfe oder Schulung der Mitarbeiter, die bei einem derartigen Projekt typischerweise erforderlich ist, 29 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollle: Merkblatt über die Verantwortung und Risiken beim Wissenstransfer, Teil I, Sensibilisierung, 01.08.2005. 105 - Ungewöhnlich günstige (Be-) Zahlungsmodalitäten, z. B. überhöhtes Honorar oder eine Abschlagszahlung in bar oder Bitte um äußerste Vertraulichkeit bzgl. der Einzelheiten über den Inhalt der Leistungen und des Auftrages. * Zurückhaltende Informationen über den Standort der (Forschungs-) Anlage bzw. den Ort, an dem die Dienstleistung erbracht bzw. eingesetzt werden soll. Die technische Zusammenarbeit soll in einem abgeschirmten Sicherheitsbereich erfolgen, z. B. in einem Gebiet in der Nähe militärischer Einrichtungen oder in einem Gebiet, zu dem nur ein streng begrenzter Personenkreis Zugang hat. * Vorgänge, bei denen man vom Anfragenden, d. h. hier z. B. Wissenschaftler, Experten, Forschungsangestellten, Labormitarbeiter in Anbetracht der bekannten Tätigkeiten nicht erwarten würde, dass diese derartige Anfragen stellen würden. Für den Bedarf wird keine oder nur eine ungenügende bzw. ausweichende Begründung geliefert. * Fehlende oder nicht ausreichende - Erklärungen für den Bedarf der technischen Unterstützung, - Erklärungen oder ausweichende Antworten auf Fragen nach den relevanten geschäftlichen oder technischen Aspekten des Vorgangs sowie Erklärungen, die erkennen lassen, dass der Anfragende nicht über das bei derartigen Projekten normalerweise vorhandene Fachwissen verfügt. * Sicherheitsvorkehrungen/Maßnahmen, die in Anbetracht der zu erbringenden technischen Unterstützung übertrieben sind oder erkennen lassen, dass der Anfragende mit den üblichen Sicherheitsanforderungen im Zusammenhang mit dem Auftrag offensichtlich nicht vertraut ist. * Verpackungsund Handhabungsvereinbarungen für mitzuliefernde Ausrüstung die nicht mit dem angegebenen Verwendungszweck und/ oder dem Bestimmungsort des Materials übereinstimmen. Verdachtsmomente begründet durch die Person des Anfragenden, Anfragen oder Aufträge zur technischen Unterstützungsleistung sowie 106 Bewerbungen oder Teilnahmeersuchen sollten einer genauen Prüfung unterzogen werden, wenn sich aus der Person Verdachtsmomente für eine mögliche missbräuchliche Nutzung technischen Wissens ergeben. Derartige Verdachtsmomente können insbesondere bestehen bei Anfragen und Aufträgen. * unbekannter Personen, deren Identität unklar bleibt, da beispielsweise der Briefkopf unvollständig ist oder in Anschreiben hineinfotokopiert wurde, oder die auf Fragen zu ihrer Identität erkennbar ausweichende Antworten geben oder keine überzeugende Referenzen aufweisen, * aus dem militärischen Geschäftsbereich z. B. solche, die im Namen eines Verteidigungsministeriums oder der Streitkräfte handeln, oder von Personen, die bekannte geschäftliche Kontakte zur Rüstungsindustrie oder zu nuklearen Einrichtungen aufweisen, * von Personen, die keine plausiblen Erklärungen über den Verbleib bislang gelieferter Produkte abgeben. Der Verfassungsschutz bietet Interessierten weitere Informationen zu den Themen Sicherheitspartnerschaft mit der Wirtschaft, Spionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer unter den Telefonnummern 06131/163772 ,16-3773 und Fax 06131/16-3788. 107 6. GEHEIMSCHUTZ / SABOTAGESCHUTZ Personeller und materieller Geheimschutz sind der Verfassungsschutzbehörde als gesetzliche Mitwirkungsaufgabe übertragen. Originär zuständige Stelle und damit Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die Geheimschutzbeauftragten der Behörden bzw. die Sicherheitsbeauftragten von Unternehmen. 6.1 Personeller Geheimschutz Der staatliche personelle Geheimschutz wirkt dem Geheimnisverrat durch Personen entgegen, die in Behörden Zugang zu staatlichen Verschlusssachen (VS) haben oder erhalten sollen. Sie werden einer Sicherheitsüberprüfung (SÜ) unterzogen. Die SÜ ist das zentrale Instrument des personellen Geheimschutzes. Nach den Bestimmungen des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes (LSÜG) wird mit den dort dargestellten Maßnahmen festgestellt werden, ob die betroffene Person Gewähr dafür bietet, dass sie mit den ihr anvertrauten VS sachgerecht umgehen wird, oder ob tatsächliche Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko vorliegen. Wirtschaftsunternehmen, die mit VS umgehen unterliegen der staatlichen Geheimschutzbetreuung. 6.2 Materieller Geheimschutz Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (VS-Beratungen, Schulungen und Broschüren) wurden die Partner über den gebotenen Umgang mit Verschlusssachen und deren sachgerechte technische und organisatorische Sicherung informiert und sensibilisiert. Insbesondere die ständig an Bedeutung gewinnende, gleichzeitig aber auch immer komplexer und damit anfälliger werdende Informationsund Kommunikationstechnik erfordert die präzise Einhaltung der in der staatlichen Verschlusssachenanweisung (VSA) wie auch im Geheimschutzhandbuch der Wirtschaft vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Dort sind darüber hinaus weitere technische, aber auch bauliche, organisatorische 108 und personelle Maßnahmen verbindlich angeordnet, die in ihrer Gesamtheit ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept ergeben. 6.3 Vorbeugender personeller Sabotageschutz Der vorbeugende personelle Sabotageschutz ist in das rheinland-pfälzische Landessicherheitsüberprüfungsgesetz aufgenommen worden. Innentäter sollen von sicherheitsempfindlichen Stellen in lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen fern gehalten werden. Die hiervon betroffenen öffentlichen Einrichtungen sind gesetzlich verpflichtet nur sicherheitsüberprüfte Personen tätig werden zu lassen. Bei dieser Überprüfung wird das bereits im Geheimschutz bewährte Überprüfungsverfahren des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes angewendet. Welche Einrichtungen in Rheinland-Pfalz als lebenswichtig gelten und was bei der Festlegung einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb der lebenswichtigen Einrichtung zu beachten ist, wurde in einer nicht veröffentlichten Verwaltungsvorschrift am 1. August 2005 in Kraft gesetzt. 109 D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2002, GVBl. 2002, S. 477 110 Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten 111 Teil 1 anderen Ländern tätig werden, soweit es Allgemeine Bestimmungen dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. SS1 (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund Zweckbestimmung eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der VerDer Verfassungsschutz dient dem Schutz fassungsschutzbehörde nur die Befugnisse der freiheitlichen demokratischen Grundordzu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden nung, des Bestandes und der Sicherheit des Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. Bundes und der Länder. SS4 SS2 Begriffsbestimmungen Verfassungsschutzbehörde (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind (1) Alle den Zwecken des Verfassungs1. Bestrebungen gegen den Bestand des schutzes dienenden Aufgaben und BefugBundes oder eines Landes politisch nisse werden vom Ministerium des Innern bestimmte, zielund zweckgerichtete und für Sport als Verfassungsschutzbehörde Verhaltensweisen in einem oder für wahrgenommen. einen Personenzusammenschluss, der (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei darauf gerichtet ist, die Freiheit des dürfen einander nicht angegliedert werden. Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm SS3 gehörendes Gebiet abzutrennen; Zusammenarbeit in Angelegenheiten des 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Verfassungsschutzes Bundes oder eines Landes politisch (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verbestimmte, zielund zweckgerichpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in tete Verhaltensweisen in einem oder Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für einen Personenzusammenschluss, zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarder darauf gerichtet ist, den Bund, beit besteht insbesondere in gegenseitiger Länder oder deren Einrichtungen in Unterstützung und im Informationsausihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu tausch sowie in der Unterhaltung gemeinbeeinträchtigen; samer Einrichtungen. 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche (2) Die Behörden für Verfassungsschutz demokratische Grundordnung politisch anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz bestimmte, zielund zweckgerichtete unter Beachtung der Bestimmungen dieses Verhaltensweisen in einem oder für Gesetzes nur im Einvernehmen, das Buneinen Personenzusammenschluss, der desamt für Verfassungsschutz gemäß SS darauf gerichtet ist, einen der in diesem 5 Abs. 2 des BundesverfassungsschutzGesetz genannten Verfassungsgrundgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. sätze zu beseitigen oder außer Geltung I S. 2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch zu setzen. Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 Für einen Personenzusammenschluss han(BGBl. I S. 361), nur im Benehmen mit der delt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachVerfassungsschutzbehörde tätig werden. drücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Die Verfassungsschutzbehörde darf in den Einzelpersonen, die nicht in einem oder für 112 einen Personenzusammenschluss handeln, sind oder eine ungesetzliche Beeinsind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, trächtigung der Amtsführung der Verwenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes fassungsorgane des Bundes oder eines unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, haben, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich 2. sicherheitsgefährdende oder geheimzu beschädigen. dienstliche Tätigkeiten in der Bundes(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundrepublik Deutschland für eine fremde ordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen Macht, 1. das Recht des Volkes, die Staatsge3. Bestrebungen in der Bundesrepublik walt in Wahlen und Abstimmungen und Deutschland, die durch Anwendung durch besondere Organe der Gesetzvon Gewalt oder darauf gerichtete gebung, der vollziehenden Gewalt und Vorbereitungshandlungen auswärtige der Rechtsprechung auszuüben und die Belange der Bundesrepublik DeutschVolksvertretung in allgemeiner, unmitland gefährden, und telbarer, freier, gleicher und geheimer 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Wahl zu wählen, Bundesrepublik Deutschland, die 2. die Bindung der Gesetzgebung an die gegen den Gedanken der Völkerververfassungsmäßige Ordnung und die ständigung (Artikel 9 Abs. 2 des GrundBindung der vollziehenden Gewalt und gesetzes) oder das friedliche Zusamder Rechtsprechung an Gesetz und menleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 Recht, des Grundgesetzes) gerichtet sind, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den einer parlamentarischen Opposition, Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt 4. die Ablösbarkeit der Regierung und durch gezielte und planmäßige Sammlung ihre Verantwortlichkeit gegenüber der und Auswertung von Informationen, insbeVolksvertretung, sondere von sachund personenbezogenen 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und SS6 7. die im Grundgesetz konkretisierten Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Menschenrechte. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Teil 2 Personen, denen im öffentlichen InteAufgaben der Verfassungsschutzbehörde resse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu SS5 erhalten sollen oder ihn sich verschafBeobachtungsaufgaben fen können, Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Per1. Bestrebungen, die gegen die freiheitsonen, die an sicherheitsempfindlichen liche demokratische Grundordnung, Stellen von lebensoder verteidigungsden Bestand oder die Sicherheit des wichtigen Einrichtungen beschäftigt Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder werden sollen, 113 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen behörde diejenige zu treffen, die einzelne zum Schutze von im öffentlichen IntePersonen und die Allgemeinheit vorausresse geheimhaltungsbedürftigen Tatsichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine sachen, Gegenständen oder ErkenntMaßnahme darf nicht zu einem Nachteil fühnissen gegen die Kenntnisnahme durch ren, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar Unbefugte sowie außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werFällen. den kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder WeisungsSS7 befugnisse gegenüber der Polizei stehen der Unterrichtung der Landesregierung und Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf der Öffentlichkeit die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterum Maßnahmen ersuchen, zu denen sie richtet die Landesregierung regelmäßig selbst nicht befugt ist. und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . SS9 (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der Allgemeine Befugnisse fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und TätigDie Verfassungsschutzbehörde darf zur keiten nach SS 5 und andere grundlegende Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit Informationen einschließlich personenbenach Absatz 2 dürfen auch personenbezozogener Daten verarbeiten, insbesondere gene Daten bekanntgegeben werden, wenn erheben, speichern, nutzen, übermitteln und die Bekanntgabe für das Verständnis des löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Zusammenhanges oder der Darstellung Befugnisse besonders regeln. von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige SS 10 Interesse der betroffenen Person überwiegt. Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Teil 3 Methoden und Gegenstände einschließlich Befugnisse der Verfassungsschutzbetechnischer Mittel zur heimlichen Informatihörde onsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt SS8 eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Allgemeine Rechtsgrundsätze Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Agentinnen und Agenten, ObservationsGesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. maßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen 3 des Grundgesetzes). sowie die Verwendung von Tarnpapieren und (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstMaßnahmen hat die Verfassungsschutzlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift 114 zu benennen, die auch die Zuständigkeit denen auf Grund tatsächlicher Anhaltsfür die Anordnung solcher Informationsbepunkte anzunehmen ist, daß sie für eine schaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist nach Nummer 1 verdächtige Person der Parlamentarischen Kontrollkommission bestimmte Mitteilungen entgegennehvorzulegen. men oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer haben; die Erhebung darf nur erfolgen, Art und Schwere einer Beschränkung des um auf diese Weise Erkenntnisse über Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sicherheitsgefährdende oder geheimgleichkommen, wozu insbesondere das dienstliche Tätigkeiten für eine fremde heimliche Mithören oder Aufzeichnen des Macht oder gewalttätige Bestrebungen außerhalb der Wohnung nicht öffentlich oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiteder Anordnung durch die fachlich zustänrinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, dige Ministerin oder den fachlich zustänGegenstände und Nachrichtenzugänge digen Minister und der Zustimmung der der Verfassungsschutzbehörde gegen nach dem Landesgesetz zur parlamentasicherheitsgefährdende oder geheimrischen Kontrolle von Beschränkungen des dienstliche Tätigkeiten zwingend erforBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses derlich ist oder vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 4. dies zur Überprüfung der Nachrichten12-1), gebildeten Kommission; bei Gefahr zugänge und der hieraus gewonnenen im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung Informationen zwingend erforderlich dieser Kommission nachträglich einzuholen. ist. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, Daten erfolgt in entsprechender Anwendung wenn die Erforschung des Sachverhaltes des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. auf andere, Betroffene weniger beeinträchJuni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert tigende Weise möglich ist; eine geringere durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar Beeinträchtigung ist in der Regel anzuneh2002 (BGBl. I S. 361). men, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des werden kann. Der Einsatz eines nachrichLandes und der kommunalen Gebietskörtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar perschaften leisten der Verfassungsschutzaußer Verhältnis zur Bedeutung des aufzubehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne klärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßdes Absatzes 1 Hilfe. nahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte ist zur Erhebung personenbezogener Daten dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf nur zulässig, wenn diese Weise erreicht werden kann. 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Verdacht von Bestrebungen oder Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorlieSS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gen, dass die zur Erforschung solcher gesprochene Wort mit technischen Mitteln Erkenntnisse erforderlichen Nachnur heimlich mithören oder aufzeichnen, richtenzugänge gewonnen werden wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer drinkönnen, genden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, 2. er sich gegen Personen richtet, von insbesondere einer gemeinen Gefahr oder 115 einer Lebensgefahr für einzelne Personen, punkt noch nicht abschließend beurteilen, unerlässlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt einen verdeckten Einsatz technischer Mitdie Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung tel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und des Zwecks der Maßnahme ausgeschlosBildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den sen werden kann. Die nach dem LandesSätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von terlicher Anordnung getroffen werden; bei Beschränkungen des Brief-, Postund FernGefahr im Verzug kann die Maßnahme auch meldegeheimnisses gebildete Kommission durch die fachlich zuständige Ministerin oder ist über die Gründe, die einer Mitteilung entden fachlich zuständigen Minister angeordgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine net werden; eine richterliche Entscheidung Mitteilung für geboten, so ist diese unverist unverzüglich nachzuholen. Die Verwenzüglich zu veranlassen. dung der durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhinderung oder Aufklärung SS 10a von Straftaten erfolgt in entsprechender Weitere Einzelfallbefugnisse Anwendung des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 des Arti(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im kel 10-Gesetzes . Die durch Maßnahmen Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstnach Satz 1 erhobenen personenbezogenen leistungsinstituten und Finanzunternehmen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in SS unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konten100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung inhabern und sonstigen Berechtigten sowie genannten Straftaten verwendet werden. weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten (6) Sind technische Mittel ausschließlich und zu Geldbewegungen und Geldanlazum Schutz der bei einem Einsatz in Wohgen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer nungen tätigen Personen vorgesehen, kann Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erfordie Maßnahme durch die fachlich zuständige derlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte Ministerin oder den fachlich zuständigen für schwer wiegende Gefahren für die in SS Minister angeordnet werden. Eine Verwer- 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter tung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum vorliegen. Zwecke der Abwehr von Gefahren für die (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentdemokratische Grundordnung ist zulässig, geltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßund zur Inanspruchnahme von Transportnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr leistungen und sonstigen Umständen des im Verzug ist die richterliche Entscheidung Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfülunverzüglich nachzuholen. lung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltsnach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 punkte für schwer wiegende Gefahren ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahfür die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten ren gelten die Bestimmungen des Gesetzes Schutzgüter vorliegen. über die Angelegenheiten der freiwilligen (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Gerichtsbarkeit entsprechend. Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den VorausAbsätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung setzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Gesetzes bei Personen und Unternehmen, Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen die geschäftsmäßig Postdienstleistungen werden kann. Lässt sich zu diesem Zeiterbringen, sowie bei denjenigen, die an der 116 Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirund für Sport. Die fachlich zuständige Miniken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, sterin oder der fachlich zuständige Minister Anschriften, Postfächern und sonstigen unterrichtet monatlich die nach dem LanUmständen des Postverkehrs einholen. desgesetz zur parlamentarischen Kontrolle (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im von Beschränkungen des Brief-, Postund Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Fernmeldegeheimnisses gebildete KomSS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Vorausmission über die beschiedenen Anträge vor setzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsdie fachlich zuständige Ministerin oder der mäßig Telekommunikationsdienste und fachlich zuständige Minister den Vollzug der Teledienste erbringen oder daran mitwirken, Entscheidung auch bereits vor der Unterunentgeltlich Auskünfte über Telekommunirichtung der Kommission anordnen. Für die kationsverbindungsdaten und TelediensteAufgaben und Befugnisse der Kommission nutzungsdaten einholen. Die Auskünfte sowie die Mitteilung von Maßnahmen nach können auch in Bezug auf zukünftige Teleden Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen kommunikation und zukünftige Nutzung von findet das Landesgesetz zur parlamentaTelediensten verlangt werden. Telekommurischen Kontrolle von Beschränkungen des nikationsverbindungsdaten und TelediensteBrief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nutzungsdaten sind entsprechende Anwendung. 1. Berechtigungskennungen, Kartennum(6) Das Auskunftsersuchen und die Ausmern, Standortkennungen sowie Rufkunft selbst dürfen den Betroffenen oder nummer oder Kennung des anrufenden Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt und angerufenen Anschlusses oder der werden. Endeinrichtung, (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absät2. Beginn und Ende der Verbindung nach zen 1 bis 4 erhobenen personenbezogenen Datum und Uhrzeit, Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Tele(8) Das fachlich zuständige Ministerium kommunikationsund Teledienstberichtet über die durchgeführten MaßDienstleistungen, nahmen nach den Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Kontrollgremium des 4. Endpunkte festgeschalteter VerbinBundes unter entsprechender Anwendung dungen, ihr Beginn und ihr Ende nach des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des BunDatum und Uhrzeit. desverfassungsschutzgesetzes für des(5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 sen Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Bundesverfassungsschutzgesetzes. Antrag ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des Landesgesetzes zur Teil 4 parlamentarischen Kontrolle von BeschränDatenverarbeitung kungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheidet die SS 11 Leiterin oder der Leiter oder die stellvertreErhebung, Speicherung und Nutzung pertende Leiterin oder der stellvertretende Leisonenbezogener Daten ter der für den Verfassungsschutz zustän(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur digen Abteilung des Ministeriums des Innern Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene 117 Daten erheben, in Akten und Dateien spei(4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz chern und nutzen, wenn 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den nur personenbezogene Daten über die PerVerdacht von Bestrebungen oder Tätigsonen gespeichert werden, die selbst der keiten nach SS 5 vorliegen, Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten (5) Personenbezogene Daten, die ausnach SS 5 erforderlich ist oder schließlich zu Zwecken der Datenschutz3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben kontrolle, der Datensicherung oder zur nach SS 6 erforderlich ist. Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert werden, dürfen für andere Zwegespeichert sind, welche der Auswertung cke nur insoweit verarbeitet werden, als dies personenbezogener Daten zur Erfüllung zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 dienen öffentlichen Sicherheit, insbesondere für sollen, müssen durch Akten oder andere Leben, Gesundheit oder Freiheit einer PerDatenträger belegbar sein. son erforderlich ist. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten SS 12 im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), Berichtigung, Löschung und Sperrung dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn personenbezogener Daten 1. dies für die Erforschung von Bestre(1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in bungen oder Tätigkeiten im Sinne des Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 SS 5 erforderlich ist, gespeicherte personenbezogene Daten zu 2. die Erforschung des Sachverhaltes berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind auf andere Weise aussichtslos oder zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. wesentlich erschwert wäre und Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, 3. überwiegende schutzwürdige Intedass in Akten gespeicherte personenberessen der betroffenen Person nicht zogene Daten unrichtig oder unvollständig entgegenstehen. sind. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in werden, wenn sie mit zur Erfüllung der AufDateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen gespeicherte personenbezogene Daten zu Informationen untrennbar verbunden sind. löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig Daten, die für das Verständnis der zu speiwar oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der chernden Informationen nicht erforderlich Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit wenn Grund zu der Annahme besteht, dass einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; durch sie schutzwürdige Interessen von in diesem Falle sind die Daten zu sperren. Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den (3) Werden personenbezogene Daten bei zu löschenden personenbezogenen Daten Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist entsprechenden Akten oder Aktenbestandder Erhebungszweck anzugeben. Betrofteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung fene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben von anderen Daten, die zur Erfüllung der hinzuweisen. Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin 118 erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entStellen des Landes und der kommunalen sprechend für sonstige Akten, wenn die Gebietskörperschaften von sich aus auch Verfassungsschutzbehörde die Voraussetalle anderen ihnen bekannt gewordenen zungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Informationen einschließlich personenbezoPersonenbezogene Daten sind zu sperren, gener Daten übermitteln, die Bestrebungen sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetund Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 zungen eine Löschung nach Satz 2 oder betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht dafür bestehen, dass die Übermittlung für vorzunehmen ist. die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungs(3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei schutzbehörde erforderlich ist. der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz und SS 6 erforderlich ist, von den öffentlichen 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei JahStellen des Landes und der kommunalen ren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. Gebietskörperschaften Informationen und 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Ersuchen braucht nicht begründet zu werGespeicherte personenbezogene Daten den; die Verfassungsschutzbehörde allein über Bestrebungen und Tätigkeiten nach trägt die Verantwortung für dessen RechtmäSS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens ßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzwerden, wenn die Informationen nicht aus ten gespeicherten relevanten Information allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder übermäßigem Aufwand oder nur durch eine der Leiter der für den Verfassungsschutz die Betroffenen stärker belastende Maßzuständigen Abteilung des Ministeriums des nahme erhoben werden können. Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf kondass die weitere Speicherung zur Erfüllung krete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde Wahrung schutzwürdiger Interessen Betrofdie Übermittlung personenbezogener Inforfener erforderlich ist. mationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur SS 13 verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Informationsübermittlung an die VerfasAufklärung von sicherheitsgefährdenden sungsschutzbehörde oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und fremde Macht oder von Bestrebungen, die der kommunalen Gebietskörperschaften durch Anwendung von Gewalt oder darauf übermitteln von sich aus der Verfassungsgerichtete Vorbereitungshandlungen gegen schutzbehörde Informationen, soweit die freiheitliche demokratische Grundorddiese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung nung, den Bestand oder die Sicherheit des der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit Bundes oder eines Landes gerichtet sind, die Bestrebungen und Tätigkeiten durch auswärtige Belange der Bundesrepublik Anwendung von Gewalt oder darauf gerichDeutschland gefährden oder gegen den tete Vorbereitungshandlungen gekennzeichGedanken der Völkerverständigung oder net sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich das friedliche Zusammenleben der Völker 119 gerichtet sind. Die VerfassungsschutzbeZusatzabkommens zu dem Abkommen hörde kann auch Einsicht in die amtlichen zwischen den Parteien des NordatlanDateien und sonstigen Informationsbetikvertrages über die Rechtsstellung stände nehmen, soweit dies zur Aufklärung ihrer Truppen hinsichtlich der in der der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bundesrepublik Deutschland statioBestrebungen zwingend erforderlich ist nierten ausländischen Truppen vom 3. und durch eine andere Art der Übermittlung August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - der Zweck der Maßnahme gefährdet oder 1218 -), zuletzt geändert durch AbkomBetroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt men vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II würden. Die Übermittlung personenbezoS. 2594), gener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und 2. die Staatsanwaltschaften und die PoliOrt der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie zeibehörden zur Verfolgung von Staatsauf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzdelikten, den in SS 100 a der schutzbehörde festzulegende Merkmale zu Strafprozessordnung und SS 131 des beschränken. Strafgesetzbuchs genannten Straftaten (4) Die Übermittlung personenbezogener und sonstigen Straftaten im Rahmen Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach der organisierten Kriminalität; StaatsSS 100 a der Strafprozessordnung bekannt schutzdelikte sind die in den SS 74 a des geworden sind, ist für Zwecke der AufgaGerichtsverfassungsgesetzes und SS benerfüllung nach diesem Gesetz nur dann 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte genannten Straftaten sowie sonstige dafür bestehen, dass jemand eine der in SS Straftaten, bei denen auf Grund ihrer 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannZielsetzung, des Motivs der Täterin ten Straftaten plant, begeht oder begangen oder des Täters oder der Verbindung hat. Auf deren Verwertung durch die Verfaszu einer Organisation tatsächliche sungsschutzbehörde findet SS 4 des Artikel Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, SS 14 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, Informationsübermittlung durch die soweit sie gefahrenabwehrend tätig Verfassungsschutzbehörde sind, wenn dies zur Erfüllung der Auf(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an gaben der empfangenden Stelle erforöffentliche Stellen personenbezogene Daten derlich ist und die Übermittlung zur zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 Abwehr einer im Einzelfall bestehenden und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts erheblichen Gefahr oder zur vorbeuanderes bestimmt ist. Die empfangende genden Bekämpfung der in Nummer 2 Stelle darf personenbezogene Daten nur zu genannten Straftaten oder von Verbredem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermitchen, für deren Vorbereitung konkrete telt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes Hinweise vorliegen, dient, bestimmt ist. 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfaszur Erfüllung der Aufgaben der empfansungsschutzbehörde, soweit gesetzlich genden Stelle erforderlich ist und diese nichts anderes bestimmt ist, personenbezodie personenbezogenen Daten für Zwegene Daten nur übermitteln an cke benötigt, die dem Schutz wichtiger 1. die Dienststellen der StationierungsRechtsgüter, insbesondere dem Schutz streitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des von Leben, Gesundheit oder Freiheit 120 einer Person oder dem Schutz von Sicherheitsinteressen der empfangenden Sachen von bedeutendem Wert oder Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an der Gewährleistung der Sicherheit von ausländische Nachrichtendienste geschieht lebensoder verteidigungswichtigen im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Einrichtungen im Sinne des LandessiVerfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen cherheitsüberprüfungsgesetzes dienen Fällen, in denen auswärtige Belange der und dies mit den Aufgaben der VerfasBundesrepublik Deutschland oder überwiesungsschutzbehörde nach den SS 5 und gende schutzwürdige Interessen Betroffener SS 6 vereinbar ist. entgegenstehen. Die ÜbermittIn den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des lung ist aktenkundig zu machen. Die empBundesverfassungsschutzgesetzes überfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass mittelt die Verfassungsschutzbehörde darüdie übermittelten personenbezogenen Daten ber hinaus auch den Staatsanwaltschaften nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftzu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass lichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeidie Verfassungsschutzbehörde sich vorbebehörden des Landes Informationen einhält, Auskunft über die Nutzung der persoschließlich personenbezogener Daten unter nenbezogenen Daten zu verlangen. den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz (6) Personenbezogene Daten dürfen an 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesvernichtöffentliche Stellen nicht übermittelt fassungsschutzgesetzes . werden, es sei denn, dies ist (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf 1. zum Schutze der freiheitlichen demokrabegründete Anfrage von öffentlichen Stellen tischen Grundordnung, des Bestandes des Landes und der kommunalen Gebietsoder der Sicherheit der Bundesrepublik körperschaften Auskunft einschließlich perDeutschland oder eines ihrer Länder sonenbezogener Daten aus vorhandenen oder zur Gewährleistung der Sicherheit Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsavon lebensoder verteidigungswichchen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplitigen Einrichtungen im Sinne des Lannarund Kündigungsverfahren, im Einbürgedessicherheitsüberprüfungsgesetzes, rungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden eine fremde Macht, Stelle zwingend erforderlich sein. 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor (4) Die Verfassungsschutzbehörde übersicherheitsgefährdenden oder geheimmittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesdienstlichen Tätigkeiten oder vor der verfassungsschutzgesetzes dem Bundesplanmäßigen Unterwanderung von nachrichtendienst und dem Militärischen Wirtschaftsunternehmen durch die in SS Abschirmdienst Informationen einschließlich 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten personenbezogener Daten. Bestrebungen oder (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, personenbezogene Daten an ausländische Freiheit oder Vermögen einer Person Nachrichtendienste angrenzender Staaten, erforderlich. Die Übermittlung bedarf der an andere ausländische öffentliche StelZustimmung der fachlich zuständigen Minilen sowie an überund zwischenstaatliche sterin oder des fachlich zuständigen MiniStellen übermitteln, wenn die Übermittsters oder der Leiterin oder des Leiters der lung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den für den Verfassungsschutz zuständigen SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher Abteilung des Ministeriums des Innern und 121 für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderDie empfangende Stelle ist darauf hinzulich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht weisen, dass die übermittelten personenbeerforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu zogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiwerden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt ben, wenn die Trennung von anderen persowurden, und dass die Verfassungsschutznenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der behörde sich vorbehält, Auskunft über die Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur Nutzung der personenbezogenen Daten zu mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in verlangen. diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 15 Übermittlungsverbote SS 17 Minderjährigenschutz Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, (1) Personenbezogene Daten über das Verwenn halten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien 1. überwiegende schutzwürdige Interesim Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu sen der Betroffenen dies erfordern, ihrer Person geführten Akten gespeichert 2. überwiegende Sicherheitsinteressen werden. dies erfordern, insbesondere Gründe (2) Über Minderjährige nach Vollendung des des Quellenschutzes, des Schutzes 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des operativer Maßnahmen oder sonstige SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person Geheimhaltungsgründe entgegenstegeführten Akten gespeicherte personenbehen oder zogene Daten sind nach Ablauf von zwei 3. besondere gesetzliche ÜbermittlungsJahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten regelungen entgegenstehen; die Verauf die Erforderlichkeit der Speicherung zu pflichtung zur Wahrung gesetzlicher überprüfen und spätestens nach fünf Jahren Geheimhaltungspflichten oder von zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Berufsoder besonderen AmtsgeheimVolljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach nissen, die nicht auf gesetzlichen VorSS 5 angefallen. schriften beruhen, bleibt unberührt. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt SS 16 werden, solange die Voraussetzungen der Besondere Pflichten bei der Übermittlung Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen personenbezogener Daten diese Voraussetzungen nicht oder nicht (1) Erweisen sich personenbezogene Daten mehr vor, ist eine Übermittlung nur zuläsnach ihrer Übermittlung nach den Bestimsig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen mungen dieses Gesetzes als unvollständig Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat oder unrichtig, so sind sie unverzüglich von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. gegenüber der empfangenden Stelle zu (4) Personenbezogene Daten über das Verberichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne halten von Minderjährigen vor Vollendung Bedeutung. des 16. Lebensjahres dürfen nach den (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ausländische oder überoder zwischenübermittelten personenbezogenen Daten staatliche Stellen übermittelt werden. 122 SS 18 fährdet würde. Die Gründe der AuskunftsAuskunft an Betroffene verweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Betroffenen über zu ihrer Person in Akten Fehlen der Begründung und darauf hinzuund Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 weisen, dass sie sich an die Landesbeaufgespeicherte Daten sowie über den Zweck tragte oder den Landesbeauftragten für den und die Rechtsgrundlage für deren VerarDatenschutz wenden können. Mitteilungen beitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. der oder des Landesbeauftragten für den Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich Datenschutz an Betroffene dürfen keine nicht auf die Herkunft der Daten und auf Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern Über personenbezogene Daten in nichtaudiese nicht einer weitergehenden Auskunft tomatisierten Dateien und Akten, die nicht zugestimmt hat. zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der perSS 19 sonenbezogenen Daten mit angemessenem Datenschutzkontrolle Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. Der oder dem Landesbeauftragten für den (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den soweit Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgain alle Dateien, Akten und sonstige Unterbenerfüllung zu besorgen ist, lagen zu gewähren, soweit nicht die fach2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährlich zuständige Ministerin oder der fachlich det sein können oder die Ausforschung zuständige Minister im Einzelfall feststellt, des Erkenntnisstandes oder der dass dadurch die Sicherheit des Bundes Arbeitsweise der Verfassungsschutzoder eines Landes gefährdet wird. behörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder Teil 5 eines Landes Nachteile bereiten würde Parlamentarische Kontrolle oder 4. die Daten oder die Tatsache der SpeiSS 20 cherung nach einer Rechtsvorschrift Parlamentarische Kontrollkommission oder wegen der überwiegenden (1) Zur Wahrnehmung seines parlamenberechtigten Interessen Dritter geheimtarischen Kontrollrechtes gegenüber der gehalten werden müssen. fachlich zuständigen Ministerin oder dem Die Entscheidung trifft die Leiterin oder fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Leiter der für den Verfassungsschutz der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde zuständigen Abteilung des Ministeriums des bildet der Landtag zu Beginn jeder WahlpeInnern und für Sport oder hierzu besonders riode eine Parlamentarische KontrollkomBeauftragte. mission. Die Rechte des Landtags, seiner (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung Ausschüsse und der nach dem Landesgebedarf keiner Begründung, soweit dadurch setz zur parlamentarischen Kontrolle von der Zweck der Auskunftsverweigerung geBeschränkungen des Brief-, Postund Fern123 meldegeheimnisses gebildeten Kommission lamentarischen Kontrollkommission verlanbleiben unberührt. gen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in (2) Die Parlamentarische KontrollkommisDateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. sion besteht aus drei Mitgliedern, die vom (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit der Parlamentarischen Kontrollkommission seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlawerden unter Beachtung des notwendigen mentarische Kontrollkommission wählt eine Schutzes des Nachrichtenzugangs durch Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und die politische Verantwortung der fachlich gibt sich eine Geschäftsordnung. zuständigen Ministerin oder des fachlich (3) Die Beratungen der Parlamentarischen zuständigen Ministers bestimmt. Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen Teil 6 ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen KonSchlussbestimmungen trollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. SS 22 (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag Geltung des Landesdatenschutzgesetzes oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbeunverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; hörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes Parlamentarischen Kontrollkommission auskeine Anwendung scheidet. SS 23 SS 21 Einschränkung von Grundrechten Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Woh(1) Die fachlich zuständige Ministerin oder nung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und der fachlich zuständige Minister unterrichtet Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz die Parlamentarische Kontrollkommission sowie das Grundrecht des Brief-, Postund mindestens zweimal jährlich umfassend Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des über die allgemeine Tätigkeit der VerfasGrundgesetzes und Artikel 14 der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge sung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt von besonderer Bedeutung. Die Unterrichwerden. tung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz SS 24 technischer Mittel in Wohnungen sowie die (Änderungsbestimmung) Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im SS 25 Berichtszeitraum durchgeführten MaßnahInkrafttreten men nach SS 10a Abs. 1 bis 4 zu geben. (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Ver(2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt kündung in Kraft. und die umfassende Unterrichtung der Par(2) (Aufhebungsbestimmung) 124 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. 125