Ministerium des Innern und für Sport Verfassungsschutzbericht 2004 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2004 ISSN 0948-8723 Vorwort Der islamistische Extremismus und der auf dieser ideologischen Basis entwickelte globale Terrorismus waren im Berichtsjahr die zentralen Herausforderungen für die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden. Die Anschläge von Madrid im März 2004 mit 191 Toten haben auf erschreckende Weise die erhöhte Gefährdung im europäischen Raum deutlich gemacht. Auch die Bundesrepublik Deutschland unterliegt dieser Gefährdung heute mehr denn je, unser Staatsgebiet ist nicht nur Rückzugsraum, sondern auch Planungsund Zielgebiet potenzieller Attentäter. Dies wird u.a. durch die im Dezember 2004 aufgedeckte Anschlagsplanung gegen den irakischen Regierungschef anlässlich seines Besuchs in Deutschland bestätigt. Angesichts dieser Entwicklung muss alles getan werden, um terroristische Bestrebungen schon im Frühstadium erkennen und bekämpfen zu können. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz ist angesichts dieser Bedrohungslage um insgesamt 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt worden. Daneben forderte die Entwicklung des Rechtsextremismus die ganze Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Das Wahlergebnis rechtsextremistischer Parteien bei der Europawahl in Rheinland-Pfalz sowie die Wahlerfolge in Sachsen und Brandenburg zeigten, dass plumpe, Menschen verachtende Parolen offenkundig immer noch einen Nährboden in der Gesellschaft finden. Der Rechtsextremismus missbraucht die Ängste der Menschen vor allem im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und sozialpolitischen Veränderungen. Besondere Wachsamkeit ist deshalb gerade im Hin-blick auf die anhaltenden Bemühungen der Rechtsextremisten geboten, Jugendliche in das braune Fahrwasser zu ziehen. Dies belegten im Jahre 2004 u.a. eine erstmals versuchte bundesweite Verteilung von Musik-CDs an Schülerinnen und Schüler und Werbeaktionen der NPD im Umfeld rheinland-pfälzischer Schulen. -2Die linksextremistische Szene hat sich in Rheinland-Pfalz im Jahre 2004 zwar im Kern nicht nennenswert verändert. So ist für Teile dieses politischen Spektrums nach wie vor eine gewisse Theorieund Mobilisierungsmüdigkeit charakteristisch. Ungeachtet dessen findet angesichts der erwähnten rechtsextremistischen Wahlerfolge das Thema "antifaschistischer Kampf" in jüngerer Zeit wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Dies gilt vor allem für gewaltbereite Linksextremisten aus der Bewegung der "Autonomen". Demonstrationen haben auch in Rheinland-Pfalz gezeigt, dass es wichtig ist, auch künftig den Linksextremismus sorgfältig zu beobachten. Unter dem Motto "Prävention durch Information" unterrichtet der Verfassungsschutzbericht 2004 wiederum über relevante extremistische bzw. sicherheitsgefährdende Bestrebungen in unserem Land. Ich hoffe, er findet auch diesmal das Interesse vieler Leserinnen und Leser. Karl Peter Bruch Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 8 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch 9 Information 4. Programm zur Bekämpfung des Rechts10 extremismus 4.1 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem 11 Extremismus" 4.2 Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden 11 Miteinander leben" B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 12 Überblick 2004 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotential 13 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 14 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten 14 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 15 (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 1.3 Rechtsextremistische Skinheads 15 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 19 "Hilfsorganisation für nationale politische 21 Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1.5 "Kameradschaften" 21 1.6 Rechtsextremistische Parteien 25 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 25 (NPD) -4"Junge Nationaldemokraten" (JN) 32 "Freiheitlich Soziale Liste" (FSL) 33 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 33 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 34 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) 36 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 40 und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) 40 1.7.2 Revisionisten 40 1.7.3 "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" 41 1.7.4 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in 41 Rheinland-Pfalz 1.8 Auslandskontakte 42 2. Linksextremismus 43 Überblick 2004 2.1 Linksextremistisches Personenpotential 44 2.2 Linksextremistische Gewalt 44 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 44 2.3.1 Verfahren gegen terroristische und militante 45 Straftäter 2.3.2 Autonome 46 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 48 2.4 Marxisten-Leninisten und andere 55 revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 55 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 56 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische 59 Bestrebungen von Ausländern Überblick 2004 3.1 Personenpotential 59 3.2 Gewalttatenzahlen 60 -53.3 Extremismus islamistischer Prägung 60 3.3.1 Islamismus: Ideologie und Ziele 60 3.3.2 Militanter Islamismus 63 3.3.3 Islamistische Bestrebungen und 66 Gruppierungen in Rheinland-Pfalz 3.3.3.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." 67 3.3.3.2 "Kalifatsstaat" 70 3.3.3.3 "Hizb-ut Tahrir" 74 3.3.3.4 "Muslimbruderschaft" 75 3.3.3.5 "Islamischer Bund Palästina" (IBP) 76 3.3.3.6 "Hizb Allah" 78 3.3.3.7 "Tabligh-i Jamaat" 78 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 80 (DHKP-C) 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) 83 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 3.6 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA-GEL) 85 3.7 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2004 in 91 Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind 4. Internet/Neue Medien 94 4.1 Rechtsextremisten 94 4.2 Linksextremisten 95 4.3 Ausländerextremismus 96 5. Spionageabwehr 97 6. Geheimschutz/Sabotageschutz 109 D. Anhang 112 Gesetzliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser 1. Der Verfassungsschutzbericht 2004 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der Unterrichtung und Aufklärung der Öffentlichkeit über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Der Bericht enthält demnach keine umfassende und abschließende Aufzählung, Darstellung und Bewertung verfassungsfeindlicher Personenzusammenschlüsse, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung zu verstehen. Bei den im Bericht aufgeführten Parteien, Organisationen und Gruppierungen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes vor. Die Einschätzung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bedeutet nicht in jedem Fall, dass alle ihre Mitglieder extremistische Bestrebungen verfolgen. Die im Verfassungsschutzbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2004. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. 2. Die im Verfassungsschutzbericht 2004 genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst. Dieses 2001 eingeführte (neue) Definitionssystem stellt die tatauslösende politische Motivation in den Vordergrund. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbarem extremistischen Hintergrund, wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Die vergleichende Darstellung der entsprechenden Bundeszahlen musste unterbleiben, da diese bis zum Redaktionsschluss noch nicht vorlagen. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes1 u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur bzw. Herkunft; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. So hat der Verfassungsschutz insbesondere keine polizeilichen Befugnisse, er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, dass der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen darf, die ihm selbst untersagt sind. Daran haben auch die umfassenden gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 nichts geändert. Nach der Schaffung neuer Bestimmungen zur strafrechtlichen Verfolgung der Unterstützer ausländischer Terrororganisationen (SS 129b StGB) und zum Verbot islamistisch-extremistischer Vereine (Wegfall des so genannten Religionsprivilegs im Vereinsgesetz) noch im Dezember 2001 - beides als "Sicherheitspaket I" bezeichnet - ist zu Jahresbeginn 2002 das Terro- 1 Siehe unter Teil D. (Anhang). -8rismusbekämpfungsgesetz ("Sicherheitspaket II") in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Sicherheitsgesetze, darunter das Bundesverfassungsschutzgesetz, der neuen Bedrohungslage angepasst worden. In Rheinland-Pfalz wurde die Gesetzeslage mit der Neufassung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 10 GG und zur Fortentwicklung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 16. Dezember 20022 angepasst. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1593. Im Haushaltsjahr 2004 beträgt das Budget für den Verfassungsschutz insgesamt 1.806.300,EUR . Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) belief sich zum 31. Dezember 2004 auf 7.872, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfiel. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrags. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 2 Siehe GVBL 2002, Seite 477. Von den Änderungen betroffen sind u.a. das Landesverfassungsschutzgesetz (s. Teil D., Anhang) und das Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (s. GVBL 2000, Seite 70). 3 Stand: 31. Dezember 2004 -93. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz insbesondere im Hinblick auf die Prävention breiten Raum ein. Derzeit sind folgende Informationsbroschüren erhältlich, die auch über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abrufbar sind: - "Verfassungsschutz transparent" - "Skinheads" - "Islamistische Extremisten" - "Wirtschaftsspionage"* - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär"* - "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - Mit Sicherheit ein Gewinn!" - "Proliferation - das geht uns an!" (* : derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) Darüber hinaus führt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes sowie zu allen Fragen des politischen Extremismus durch. Von diesem Angebot können interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine, Schulklassen u.a. Gebrauch machen. Kontaktaufnahmen bitte an: - 10 - Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat : Tel.: 06131/16-3220 Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 und -3706 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de 4. Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Seit Jahren sieht die Landesregierung in der entschiedenen Bekämpfung des Rechtsextremismus eine Schwerpunktaufgabe. Auch im Jahr 2004 haben die davon betroffenen Ministerien ihre kontinuierliche Präventions-, Aufklärungsund Fortbildungsarbeit weitergeführt. Um diese Arbeit weiter zu verbessern, befasst sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes mit der Entwicklung neuer Initiativen und der Koordinierung laufender Maßnahmen der einzelnen Ressorts. Ein Schwerpunkt ist dabei nach wie vor das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus", das bis 31. Dezember 2004 mehr als 7.400 Anrufe verzeichnete. Ergänzt wird es durch das Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben", das seit Juli 2002 abrufbar ist. Breiten Raum nimmt zudem weiterhin die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes unter dem Motto "Prävention durch Information" ein. Ergänzend dazu hat das Innenministerium im Jahre 2004 die Veranstaltungsreihe "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" ins Leben gerufen. Unter diesem Motto fanden Informationsveranstaltungen in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein und Mainz statt. - 11 - 4.1 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Jugendliche können leicht in den Einflussbereich extremistischer Gruppierungen geraten. Aus diesem Grund hat die Landesregierung ein Programm geschaffen, das insbesondere jungen Menschen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich daher nicht an szenebekannte Aktivisten, sondern vor allem an Mitläufer und Sympathisanten, wofür seit März 2001 eine Telefon-Hotline geschaltet ist. Die kostenlose Hotline-Nummer 0800-4546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" herzustellen. Aber auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und vergleichbaren Initiativen wird damit fachliche Beratung und Unterstützung angeboten. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 4.2 Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben" Unter Federführung der Staatskanzlei bietet das Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben" Initiativen, die sich gegen Rechtsradikalismus, -extremismus und Rassismus engagieren, eine breite Plattform, sich darzustellen. Unter der Adresse "www.gegen-rechts. rlp.de" können sich Bürgerinnen und Bürger über diese Initiativen und die Aktionen der Landesregierung gegen Rechts in Rheinland-Pfalz informieren. - 12 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Der Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen muss, wie z.B. die Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien im Jahre 2004 zeigen, als gesellschaftspolitische Herausforderung weiterhin ernst genommen und nachhaltig bekämpft werden. Er ist und bleibt daher auch ein Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. In Rheinland-Pfalz blieben die Gesamtzahl der Rechtsextremisten und die Zahl gewaltbereiter Personen konstant. Während rechtsextremistische Parteien weiter Mitglieder verloren, stieg das neonazistische Potential landesweit an. Diese Veränderung entspricht im wesentlichen der Entwicklung im gesamten Bundesgebiet. Besorgnis erregend waren die deutlich erhöhten vielfältigen Bemühungen der Rechtsextremisten, junge Menschen als Anhänger zu gewinnen. Entsprechende Aktivitäten gingen insbesondere von der rechtsextremistischen Skinheadszene, aber auch verstärkt von rechtsextremistischen Parteien aus. Dabei spielte das Medium Musik auch 2004 eine gewichtige Rolle. Mit der von Angehörigen der Skinheadszene initiierten "Aktion Schulhof" sollte eine eigens produzierte Musik-CD kostenlos an die Zielgruppe Schülerinnen und Schüler verteilt werden. Intensiviert wurden in Rheinland-Pfalz zudem die Werbemaßnahmen der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) im schulischen Umfeld, so durch die Verteilung von Flugschriften im Raum Trier und in der Region Westerwald. - 13 - Im Jahre 2003 hatten sich in Rheinland-Pfalz Neonazis und rechtsextremistische Skinheads vermehrt in "Kameradschaften" zusammen geschlossen. Diese Entwicklung hat sich im Jahr 2004 nicht weiter fortgesetzt. Die Szene war aber bestrebt, untereinander "Aktionsbündnisse" zu bilden, um Mobilisierungsgrad und Aktionismus zu verstärken. Die rechtsextremistischen Parteien boten in Rheinland-Pfalz im Jahr 2004 ein insgesamt wechselhaftes Bild. Anlässlich der Europawahl erzielten sie zusammen 4,2% der Stimmen, bei der Kommunalwahl konnte die Partei "Die Republikaner" (REP) die Zahl ihrer Mandate in einigen Städten und Gemeinden sogar deutlich erhöhen. Mit der am 27. September 2004 veröffentlichten "Resolution von Remagen" versuchte der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz bereits frühzeitig vor der Landtagswahl 2006 eine "Bündelung aller Kräfte". Seitdem stagniert die Entwicklung allerdings wieder, was u.a. auf die personellen und strukturellen Defizite der rechtsextremistischen Parteien in Rheinland-Pfalz zurückgeführt werden kann. Thematisch orientierten sich rechtsextremistische Gruppierungen in Rheinland-Pfalz im Jahre 2004 auch an den aktuellen sozialpolitischen Fragen, z.B. "Hartz IV". Daneben spielte weiterhin der Irak-Konflikt eine Rolle und bot die Basis für eine anhaltende antiamerikanische Agitation. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotential Bund (2003) Rheinland-Pfalz (2003) Gesamt: 40.700* (41.500*) 1.600* (1.600*) Gewaltbereite: 10.000 (10.000) 100 ( 100) Neonazis: 3.800 ( 3.000) 75** ( 50) Parteien: 23.800 (24.500) 1.370 (1.400) Sonstige: 4.300 ( 4.600) 100 ( 100) alle Angaben gerundet *ohne Mehrfachmitgliedschaften **davon 50 in "Gewaltbereite" - 14 - 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 1.2.1 Lagebild Strafund Gewalttaten Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2004 liegt in Rheinland-Pfalz bei 400 (2003: 371), davon 307 so genannte Propagandadelikte (2003: 294). Von den 400 Taten waren 271 rechtsextremistisch motiviert (2003: 274). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 20 (2003: 22). In allen Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2003: 20). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2004 zwei jüdische Friedhöfe geschändet (2003: drei). Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2004 2003 Gesamt: 20 22 Deliktsarten: Tötungsdelikte: ----Versuchte Tötungen: ----Körperverletzungen: 20 20 Brand-/Sprengstoffanschläge: --- 1 (Versuch) Landfriedensbruch: --- 1 Innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums besteht weiterhin die Gefahr, dass sich daraus rechtsterroristische Bestrebungen entwickeln. Dies wird vor allem durch anhaltende Gewaltdiskussionen unter Rechtsextremisten, aggressive Internetdarstellungen und das wiederholte Auffinden von Waffen und Sprengstoffen belegt. Jüngstes Beispiel dafür ist eine zwischen August 2003 und Mai 2004 in Brandenburg begangene Serie von Brandanschlägen mit ausländerfeindlichem Hintergrund. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang am 7. März 2005 zwölf Jugendliche u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gem. SS 129 a StGB zu teils mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt. - 15 - Ein weiteres Beispiel ist ein Waffenund Sprengstofffund in München im Herbst 2003. Am 24. November 2004 begann in diesem Zusammenhang vor dem Bayerischen ObLG der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen den Anführer und drei Angehörige einer Gruppe. Bereits am 6. Oktober 2004 hatte in einem abgetrennten Verfahren der Prozess gegen fünf weitere Gruppenmitglieder begonnen. In Rheinland-Pfalz wurden bislang keine rechtsterroristischen Strukturen festgestellt. 1.2.2 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten Bei den bundesweit etwa 10.000 gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten4 (2003: ca. 10.000) handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. In Rheinland-Pfalz setzt sich dieses Spektrum hingegen jeweils zur Hälfte aus rechtsextremistischen Skinheads sowie aus Neonazis zusammen. Mit zusammen etwa 100 Personen (je ca. 50 Skinheads und Neonazis) blieb diese Szene auch im Berichtsjahr in Rheinland-Pfalz konstant. Charakteristisch ist allerdings weiterhin die hohe Fluktuation innerhalb dieses Kreises. 1.3 Rechtsextremistische Skinheads5 Der vorwiegend unstrukturierten, subkulturellen Skinheadbewegung gehören im Bundesgebiet vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads 4 Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die Mehrheit der Täter ist männlich. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 5 Vgl. Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: April 2004), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz angefordert werden kann. - 16 - an; daneben setzt sie sich aus unpolitischen Personen und einzelnen so genannten Redskins6 zusammen. Die Skinheadszene ist in RheinlandPfalz gegenüber 2003 zahlenmäßig nahezu unverändert, sie umfasst nach wie vor etwa 400 Personen. Zumeist handelt es sich bei den hiesigen Szeneangehörigen um solche, bei denen (noch) nicht von einem in sich geschlossenen rechtsextremistischen Weltbild oder einer festen Einbindung in die rechtsextremistische Szene gesprochen werden kann. Teile dieses Spektrums lassen jedoch eine latente Neigung zur Gewalt erkennen. Zudem besteht aufgrund von persönlichen Kontakten eine permanente Gefahr des Abgleitens in den Rechtsextremismus. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz, von denen ein Teil in "Kameradschaften" organisiert ist (vgl. Nr. 1.5), können eindeutig als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden. Diese treten wie in den Vorjahren vor allem in der Vorderpfalz sowie in den Großräumen Koblenz/Westerwald und Zweibrücken/Westpfalz auf. Im Bereich der Region Westerwald bestehen Kontakte zur Skinheadszene nach Hessen und Nordrhein-Westfalen; im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg. Nach wie vor ist das Selbstverständnis der meisten Skinheads von einem diffusen, aktionsorientierten Gemeinschaftsgefühl geprägt, das für theoretische Schulung oder gar eine zielgerichtete, langfristige politische Arbeit so gut wie keinen Raum lässt. Für eine aggressionsgeladene Stimmung sorgen in aller Regel ein Teufelskreis aus Alkoholkonsum und szenetypischer Musik. Wiederholte Versuche rechtsextremistischer Parteien, aus den Reihen der Skinheads Nachwuchs zu rekrutieren und dauerhaft einzubinden, scheiterten daher bislang. In Rheinland-Pfalz ist lediglich auf der regionalen Ebene ein Zusammenwirken von Skinheads - insbesondere aus so genannten Kameradschaften - mit Neonazis zu beobachten. Dies trifft vor allem bei der Organisation und Durchführung gemeinsamer Demonstrationen zu. 6 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. - 17 - Skinheadmusik Skinheadmusik und Konzerte sind nach wie vor entscheidende Elemente für den Zusammenhalt und die Motivation dieser Szene. Viele Jugendliche finden über die Skinheadmusik den Einstieg in den Rechtsextremismus. Musik spielt als verbindendes subkulturelles Element eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistischer gewaltbereiter Jugendlicher. Sie dient nicht zuletzt der Wiedergabe von szenetypischen Feindbildern (z.B. "Ausländer", "Juden", "politischer Gegner" etc.). Skinhead-Bands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut, insbesondere rassistische und volksverhetzende Liedtexte. Es gibt aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. Großer Beliebtheit erfreuen sich bei Bands und Konzertbesuchern aus Deutschland Veranstaltungen im benachbarten Ausland, insbesondere in Frankreich, Österreich, in der Schweiz und in Belgien. Bei diesen Konzerten stellen deutsche Skinheads oftmals die Mehrzahl der Teilnehmer. Skinheadkonzerte werden in der Regel von Angehörigen der jeweiligen ortsansässigen Szene organisiert. Die Mobilisierung erfolgt verstärkt konspirativ. Per SMS über Handy, Mailinglisten im Internet oder mündlich werden lediglich Treffpunkte bekannt gegeben, von denen aus die Teilnehmer sodann zu den eigentlichen Veranstaltungsorten geleitet werden. Zahlreiche Skinheadkonzerte konnten dennoch bundesweit durch geeignete Maßnahmen der Sicherheitsbehörden verhindert werden. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahre 2004 drei Auftritte von SkinheadBands bekannt (2003: sieben). Darüber hinaus fanden mehrere so genannte Skinheadpartys im kleinen Kreis statt, bei denen keine rechtsextremistischen Skinheadbands auftraten. Zahlreiche gezielte Maßnahmen der Sicherheitsbehörden haben auch im Jahr 2004 Bands und Produzenten strafrechtsrelevanter rechtsextremistischer Skinhead-Musik verunsichert und ihren Handlungsspielraum eingeschränkt. Dennoch findet weiterhin ein reger Austausch und Handel mit einschlägigen CDs statt. - 18 - Anfang 2004 haben die Sicherheitsbehörden davon Kenntnis bekommen, dass von Rechtsextremisten ein so genanntes Projekt Schulhof geplant ist. Diesem Projekt liegt die Idee zugrunde, einen Sampler mit Liedern rechtsextremistischer Musikgruppen zu produzieren und diesen kostenlos in erheblicher Stückzahl über Szeneangehörige flächendeckend im gesamten Bundesgebiet, insbesondere an Schulen, zu verteilen. Der Sampler mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" enthält neben einem Vorwort und Liedtiteln von bekannten rechtsextremistischen Musikgruppen auch Kontaktadressen rechtsextremistischer Gruppierungen. Mit dem "Projekt Schulhof" planen die Initiatoren eine Propagandaaktion, bei der sie auf die Wirkung der Musik setzen und auf subtile Weise ihre Ideologie an Schüler herantragen sowie ihr Interesse für die rechtsextremistische Szene wecken wollen. Das Amtsgericht Halle/Saalkreis hatte am 5. August 2004 wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz die allgemeine Beschlagnahme der "Schulhof-CD" angeordnet. Diese erstreckt sich auf alle Exemplare, die sich im Besitz von Personen befinden, die diese CDs verteilen oder bei der Verteilung helfen, sowie auf öffentlich ausgelegte oder im Versendungsprozess befindliche Tonträger. Seit dem 1. November 2004 können von der "Projekt-Schulhof"-Internetseite, die vorher noch nicht mit Inhalten hinterlegt war, Musikund andere Dateien abgerufen werden. Allerdings gehören die 19 auf der CD enthaltenen Lieder nicht dazu. Rechtsextremisten hatten erste Aktionen gestartet, um auf die von ihnen geplante bundesweite CD-Verteilaktion aufmerksam zu machen. Am 2. November 2004 wurden im Bereich einer Hauptund einer Realschule sowie eines Gymnasiums in Bad Neuenahr-Ahrweiler Plakate mit der Überschrift "Ihr seid zu dumm und zu jung" festgestellt. Die Plakate fordern unter Hinweis auf das Verbot des Tonträgers dazu auf, sich eine eigene Meinung zu bilden. Über die "Projekt Schulhof" Homepage soll die kostenlose Möglichkeit bestehen, sich Lieder herunterzuladen. Ähnliche Plakate gab es auch an mehreren Schulen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. - 19 - Aufgrund der Maßnahmen der Sicherheitsbehörden ist es den Organisatoren des Projektes bislang nicht gelungen, die geplante bundesweite Verteilaktion durchzuführen. Skinhead-"Fanzines" "Fanzines" (abgeleitet vom englischen Begriff fan magazine) dienen der Kommunikation, der Werbung und letztlich, wie die Musik, auch dem Szenezusammenhalt. Die Inhalte der "Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten einschlägige Abbildungen und Texte. Darüber hinaus stellen die "Fanzines" auch neonazistische Organisationen vor, veröffentlichen Berichte über von Rechtsextremisten organisierte Veranstaltungen und bieten rechtsextremistisch szenetypische Artikel an. Im Jahre 2004 war entgegen dem Trend der Vorjahre erstmals wieder eine Zunahme der "Fanzines" zu verzeichnen. Deren Zahl stieg bundesweit von rund einem Dutzend im Jahre 2003 auf etwa 20 verschiedene Publikationen im Jahre 2004 an. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Die Zahl der Neonazis ist 2004 bundesweit erheblich angestiegen; Zuwächse waren vor allem in Ostdeutschland zu verzeichnen. In RheinlandPfalz stieg sie auf ca. 75 überwiegend organisierte Neonazis (2003: ca. 50), von denen nach wie vor ca. 50 als gewalttätig eingestuft werden können. In der Öffentlichkeit traten Angehörige der rheinland-pfälzischen Neonaziszene nur wenig in Erscheinung; es fanden überwiegend interne Treffen statt. Führende Neonazis aus dem übrigen Bundesgebiet organisierten hingegen im Berichtszeitraum wiederum mehrere öffentlichkeitswirksame Demonstrationen, so auch in unserem Bundesland. - 20 - Der jährliche Heß-Gedenkmarsch ist mittlerweile zu dem Großereignis der rechtsextremistischen - insbesondere der neonazistischen - Szene geworden. Am 21. August 2004 nahmen ca. 3.800 Rechtsextremisten (2003: 2.600) an der zentralen Gedenkveranstaltung zum 17. Todestag von Rudolf Heß, dem ehemaligen Hitler-Stellvertreter, in Wunsiedel/Bayern teil. Darunter waren u.a. Teilnehmer aus England, Italien, Schweden, Tschechien, der Schweiz, Österreich, Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Spanien und Russland. Zwei "Liedermacher" bestritten das Rahmenprogramm. In nahezu allen Bundesländern, so auch in RheinlandPfalz, kam es zu Propagandaaktionen, wie z.B. das Anbringen von Heßplakaten und -Aufklebern. Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der so genannten Anti-Antifa-Arbeit aus. Unter "Anti-Antifa" ist eine breit angelegte Strategie von Rechtsextremisten zu verstehen, die persönlichen Daten von Bürgern, Journalisten, Richtern, Staatsanwälten und Politikern zu sammeln, die sich gegen Rechtsextremisten wenden. Ziel der "AntiAntifa" ist neben der gezielten Einschüchterung und Bedrohung auch die Diffamierung im persönlichen, sozialen und beruflichen Umfeld. Im Jahr 2004 wurden in Rheinland-Pfalz keine Aktivitäten der "Anti-Antifa" bekannt. Im Jahre 2004 zeichnete sich im Bundesgebiet ein verändertes Verhältnis von Teilen der Neonaziszene zu den rechtsextremistischen Parteien ab. So traten im September 2004 drei bundesweit bekannte Neonazis in die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ein. Ein weiterer führender Neonazi schloss Ende 2004 eine punktuelle Zusammenarbeit mit der NPD nicht mehr aus. Bislang sind in Rheinland-Pfalz keine vergleichbaren Fälle bekannt geworden (vgl. 1.6.1, S. 30). - 21 - "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der neonazistischen Szene ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) die mitgliederstärkste Organisation. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus MainzGonsenheim7 ist weiterhin 1. Vorsitzende der HNG. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNG-Aktivisten. Die HNG - mit bundesweit rund 600 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbar-ten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die Organisation weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Auch im Jahre 2004 gingen von der HNG keine nennenswerten Aktivitäten aus. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene erfolgt nach wie vor die Verteilung der Publikation "Nachrichten der HNG". Am 20. März 2004 fand in Gremsdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) die turnusgemäße Jahreshauptversammlung mit ca. 140 Personen statt. 1.5 "Kameradschaften" Nach zahlreichen Vereinsverboten in den neunziger Jahren organisieren sich Neonazis und rechtsextremistische Skinheads zunehmend in so genannten Kameradschaften, die in der Regel aus 10 bis 25 Mitgliedern - überwiegend jungen Männernbestehen. Sie haben zumeist keine oder nur geringe Organisationsstrukturen. "Kameradschaftsführer" und deren 7 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. - 22 - Stellvertreter leiten diese Gruppierungen autoritär. Es werden Mitgliedsbeiträge erhoben, die für regionale Aktivitäten verwendet werden. Die Aktivitäten der "Kameradschaften" sind unterschiedlich. "Kameradschaftsabende" finden u.a. in Gaststätten oder in Privatwohnungen statt und haben eher einen Stammtischcharakter ohne nennenswerte politische Arbeit. Andere Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der politischen Schulung sowie der Planung und Absprache gemeinsamer Aktivitäten, etwa der Teilnahme an regionalen und überregionalen Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Inund Ausland. In Aktionsbündnissen und Aktionsbüros haben sich überwiegend die Führer mehrerer "Kameradschaften" zusammengeschlossen, um Aktionen, Demonstrationen und Kampagnen abzustimmen. Hierzu zählt das "Aktionsbüro Rhein-Neckar" im Raum Ludwigshafen am Rhein/Mannheim, dem nach eigenen Angaben Vertreter von Organisationen aus BadenWürttemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz angehören. "Kameradschaft Albert Leo SCHLAGETER" Im Bereich der Gemeinde Annweiler besteht seit über drei Jahren eine rechtsextremistische Gruppierung mit der Bezeichnung "Kameradschaft Albert Leo Schlageter"8. Diese trat 2004 öffentlich nicht in Erscheinung; zumeist fanden interne Zusammenkünfte statt. Kontakte seitens dieser 10 bis 15 Personen umfassenden Gruppierung bestehen zu dem so genannten Nationalen Widerstand Kandel. Aktivisten aus diesem Spektrum unterhalten Kontakte in das benachbarte Baden-Württemberg. "Kameradschaft Schwarze Division Germania" Im Bereich Rheinland-Pfalz/Hessen besteht seit etwa zwei Jahren die weniger als 20 Personen umfassende rechtsextremistische Gruppierung 8 Der am 12. August 1894 geborene Albert Leo Schlageter wurde nach einem Anschlag auf die Bahnlinie DüsseldorfDuisburg bei Kalkum von den französischen Behörden am 8. Mai 1923 zum Tode verurteilt und am 26: Mai 1923 hingerichtet. Schlageter wurde von den Nationalsozialisten zum "Märtyrer" aufgebaut. - 23 - "Kameradschaft Schwarze Division Germania". Nach eigenen Angaben gliedert sie sich in die Sektionen Rheinhessen, Taunus, Nordpfalz und Österreich. Neben den internen so genannten Kameradschaftstreffen organisiert die Kameradschaft u.a. die Teilnahme an Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen des rechtsextremistischen Spektrums. Am 22. Mai 2004 fand in Kerzenheim (Donnersbergkreis) eine von der Kameradschaft organisierte Geburtstagsparty mit ca. 60 Teilnehmern statt. "Kameradschaft Westerwald" In der Region Westerwald besteht seit etwa zwei Jahren die etwa 20 Personen umfassende rechtsextremistische Gruppierung "Kameradschaft Westerwald". Es werden regelmäßig so genannte Kameradschaftstreffen durchgeführt. Die "Kameradschaft" wurde als Unterstützer des im September 2004 von der NPD verabschiedeten Forderungskataloges für ein nationales Bündnis "Resolution von Remagen" aufgeführt. Am 20. November 2004 beteiligten sich Angehörige der Kameradschaft mit einem Transparent " Kameradschaft Westerwald - Am Ende steht der Sieg!" an der Demonstration in Nastätten (Rhein-Lahn-Kreis), die von Rechtsextremisten unter dem Motto "Für den Wiederaufbau des Denkmals des I. SSPanzerkorps, jetzt!" in Marienfels durchgeführt wurde. "Kameradschaft Moselland" Die Kameradschaft Moselland präsentiert sich seit Anfang 2003 bislang lediglich im Internet. Erkenntnisse über einen Mitgliederbestand fielen bislang nicht an. Die "Kameradschaft Moselland" veröffentlichte im August 2004 im Internet den Aufruf "Bürger auf die Straße! Ein Plädoyer für die Montagsdemos" mit dem Hinweis auf eine Mahnwache am 11. September - 24 - 2004 in Trier unter dem Motto "Keine Einwanderung ins soziale Netz - Sozialabbau beenden!". Am 18. Dezember 2004 fand in Trier eine Demonstration des "nationalen Widerstandes" mit ca. 50 Rechtsextremisten statt. Zu dieser Demonstration hatte eine "Offensive Moselland 2005" aufgerufen. "Nationaler Widerstand Kandel" Seit dem Jahre 2000 ist die weniger als 10 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Kandel" bekannt. Sie beteiligt sich überwiegend an den Veranstaltungen der "Kameradschaft Albert Leo Schlageter" im Bereich der Gemeinde Annweiler. Im Jahre 2004 ist diese Gruppierung mit eigenen Aktivitäten öffentlich nicht in Erscheinung getreten. "Nationaler Widerstand Zweibrücken" Seit über zwei Jahren ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Es handelt sich um einen losen Zusammenschluss von Personen des rechten Spektrums aus dem näheren Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Veranstaltungen organisiert die Gruppe auch öffentliche Auftritte. Am 26. Juni 2004 veranstaltete der "Nationale Widerstand" auf dem Schlossplatz in Zweibrücken eine Kundgebung mit dem Motto "Sozialstaat statt Polizeistaat". Zu den 23 Teilnehmern gehörten auch Gesinnungsgenossen aus dem Saarland. Angehörige des "Nationalen Widerstandes Zweibrücken" beteiligten sich 2004 auch an Demonstrationen zum Thema "Hartz IV". Am 16. August 2004 wurden 7 Gruppenangehörige von dem Demonstrationsveranstalter ausgeschlossen. Nachdem sie den Ausschluss nicht anerkennen wollten, wurde ihnen durch die Polizei ein Platzverweis im Veranstaltungsraum erteilt. - 25 - 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Mitglieder (Bund): ca. 5.300 (2003: ca. 5.000) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 200 (2003: ca. 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 7 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" monatliche Auflage: 21.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die NPD bleibt weiterhin die aktivste und zugleich aggressivste rechtsextremistische Partei Deutschlands. Wurde seitens der Organisation während des laufenden, im Jahre 2003 schließlich eingestellten Verbotsverfahrens noch taktische Zurückhaltung geübt, agitiert man seitdem nach-haltig und in bisher nicht gekannter Offenheit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Nicht zuletzt Antisemitismus und eine ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit sind charakteristisch für eine Vielzahl von Verlautbarungen. Verantwortlich für diesen Kurs ist der seit 1986 amtierende Parteivorsitzende Udo VOIGT. Die Aussagen von VOIGT zeigen eine deutliche Nähe der NPD zum Nationalsozialismus. Diese Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus wird u.a. an der Verherrlichung führender Repräsentanten des NS-Systems mit Adolf Hitler an dessen Spitze deutlich. Am 24. September 2004 äußerte sich - 26 - Udo VOIGT in einem Interview mit der Wochenzeitung "Junge Freiheit" zur künftigen Linie seiner Partei. Ziel der NPD sei, "die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat". Einen Umsturz der bestehenden Verhältnisse will VOIGT "durch revolutionäre Veränderungen" erreichen und dafür auch "die nationalsozialistischen Strömungen" in die Partei integrieren. In diesem Zusammenhang bezeichnete er Adolf Hitler als "großen deutschen Staatsmann". Das Bekenntnis von VOIGT zum nationalsozialistischen "Führerstaat" dürfte der Versuch sein, die NPD auch weiterhin als Sammelbecken für alle "nationalen Kräfte" zu positionieren und die in weiten Teilen der neonazistischen Szene noch vorhandenen Vorbehalte gegen die NPD abzubauen. Darüber hinaus agitierte die Partei vor allem gegen den EU-Beitritt der Türkei mit der Behauptung, die Folge seien wirtschaftliche und soziale Verelendung, zunehmende Unfreiheit sowie kulturelle und biologische Vernichtung der Völker Europas. In einer Presseerklärung vom 15. Oktober 2004 wurde die Absicht mitgeteilt, gemeinsam mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) eine Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei durchzuführen. Seit Mitte der 90er Jahre rückte die NPD die "soziale Frage" zunehmend in den Vordergrund. Mit der aktuellen Sozialstaatsdebatte um die "Hartz IV"Beschlüsse der Bundesregierung hat sich dieser Trend im zurückliegenden Jahr verstärkt. Der Bundesvorsitzende Udo VOIGT sieht in Massenarbeitslosigkeit und sozialen Kürzungen den "Preis für die jahrzehntelange Ausländerund Globalisierungspolitik". In der "Deutschen Stimme" wurde dargestellt, dass die Montagsdemonstrationen9 "den Stein ins Rollen bringen könnten, der auch die BRD auf die Müllhalde der Geschichte schleudert und damit die Wiederherstellung einer solidarischen Volksgemeinschaft den Weg ebnet". Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele und zur Bekämpfung der politischen Gegner verwendet die NPD eine zunehmend aggressiver werdende 9 Montagsdemonstrationen wurden bundesweit in vielen Städten als Protestaktion gegen die "Hartz IV Beschlüsse" durchgeführt. An den Demonstrationen beteiligten sich auch NPD-Mitglieder. - 27 - Agitation. In der März-Ausgabe der Parteizeitung "Deutsche Stimme" veröffentlichte sie sogar den Artikel "Befreiungsnationalismus und Gewaltfrage" des Publizisten Jürgen SCHWAB10, der sich hier in bemerkenswerter Offenheit zur Anwendung von Gewalt bekennt, sofern diese zur Durchsetzung nationalistischer Ziele zweckdienlich und gerechtfertigt erscheint. Strategiekonzept Neben den bereits bestehenden strategischen Säulen "Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe" und "Kampf um die Parlamente" stellte der Parteivorstand auf dem Bundesparteitag am 30. und 31. Oktober 2004 in Leinefelde/Thüringen als vierte Säule den "Kampf um den organisierten Willen" vor. Dies sei der "Versuch der Konzentration möglichst aller nationalen Kräfte", um Macht durch den "organisierten Willen" zu erlangen. Ein erstes Ergebnis dieser Politik war die Absprache mit dem DVU-Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard FREY im Juni 2004, sich bei den Landtagswahlen am 19. September 2004 in Sachsen und in Brandenburg nicht durch konkurrierende Wahlantritte zu behindern. Der für beide Parteien positive Wahlausgang war Anlass für die am 22. September 2004 veröffentlichte gemeinsame Erklärung, künftig enger zusammenzuarbeiten und auch bei kommenden Wahlen Bündnisse einzugehen. Zur Darstellung ihrer politischen Ziele und zur Steigerung ihrer Attraktivität in der rechtsextremistischen Szene führte die NPD auch im Jahr 2004 mehrere öffentliche Veranstaltungen durch, so eine Demonstration am 1. Mai 2004 in Berlin mit ca. 2.300 Teilnehmern und das Pressefest des parteieigenen "Deutsche Stimme-Verlages" am 7. August 2004 in Mücka/ Sachsen mit ca. 7.000 Teilnehmern (2003: 2.500). Die deutliche Mehrzahl der Teilnehmer des Pressefestes waren rechtsextremistische Skinheads. Das Programm umfasste neben politischen Referaten, Buchlesungen und "politischem Kabarett", Auftritte von zwei rechts10 Jürgen SCHWAB war Leiter des NPD-Arbeitskreises "Volk und Staat" im NPD-Bundesvorstand und Führungsaktivist der NPD-nahen "Deutschen Akademie". Am 30. Mai 2004 trat SCHWAB aus der NPD aus, um sich weiterhin nur noch als freier Publizist zu betätigen. - 28 - extremistischen Liedermachern und drei Skinhead-Bands. Die NPD wertete die Veranstaltung als Erfolg. Wesentlicher Anziehungspunkt dürfte allerdings das Musikprogramm und nicht die politischen Inhalte gewesen sein. Teilnahme an Wahlen Im Jahr 2004 beteiligte sich die NPD an der Wahl zum europäischen Parlament sowie in mehreren Bundesländern an den Landtagsund Kommunalwahlen. Die Wahlkämpfe waren insbesondere durch eine ausländerfeindliche und verunglimpfende Agitation gegen einen EU-Beitritt der Türkei, die EUOsterweiterung und die aktuelle Sozialstaatsdebatte geprägt. Die NPD verbreitete ausländerfeindliche Wahlplakate, z.B. mit der Aufschrift "Gute Heimreise" und staatliche Repräsentanten verunglimpfende Plakate, so mit dem Titel "Lasst Euch nicht verarschen". Faltblätter mit Leitsätzen wie "Europa wählt national. Deutschland wählt: NPD - Die Nationalen" und "Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD - Die Nationalen" kamen in großen Auflagen zur Verteilung. Darüber hinaus nahmen Parteiaktivisten gezielt an Demonstrationen gegen die Sozialreform teil. Mit der Verteilung der Musik-CD "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag! NPD"11 wurden vor der Landtagswahl in Sachsen gezielt Jungwähler zu einer Stimmenabgabe für die Partei motiviert. Für die Wahl zum Europäischen Parlament am 23. Juni 2004 trat die NPD mit einer 23 Kandidaten umfassenden Liste an. Auf den Plätze 14 und 21 waren zwei Funktionäre aus dem NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz nominiert. Bei einem Wahlergebnis von bundesweit 0,9% gelang es der Partei, ihren Stimmenanteil gegenüber der Europawahl 1999 (0,4%) mehr als zu verdoppeln. In Rheinland-Pfalz erhielt sie 0,7% (1999: 0,2%); das beste Ergebnis lag mit 2,0% (1999: 0,4%) im Wahlkreis Donnersberg. Bei 11 Eine Beschlagnahmung dieser CD's durch die Strafverfolgungsbehörden musste nach eingehender Prüfung der Textinhalte wieder rückgängig gemacht werden, da sich darin keine strafbewährten Inhalte befanden. - 29 - der Landtagswahl am 13. Juni 2004 in Thüringen erzielte die NPD 1,5% und verbesserte sich damit gegenüber der Landtagswahl 1999 um 1,3%. Bereits bei der Landtagswahl am 5. September 2004 im Saarland erzielte die Partei 4,0% der Stimmen. Sie scheiterte damit zwar knapp am Einzug in den Landtag, konnte jedoch von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren. Bei der Landtagswahl am 19. September 2004 in Sachsen gelang der NPD seit 1968 erstmals wieder der Einzug in ein Landesparlament. Sie erzielte 9,2% (1999: 1,4%) der Wählerstimmen und erhielt 12 Abgeordnetenmandate. Die besten Ergebnisse verzeichnete sie in den Wahlkreisen Sächsische Schweiz mit 15,1%, in Annaberg mit 14,0% und in RiesaGroßhain mit 13,9%. Umfragen zufolge waren im Wählerpotential der NPD insbesondere Arbeiter, Arbeitslose sowie Jungund Erstwähler überproportional vertreten. In Sachsen haben zum Beispiel aus der Gruppe der 18bis 24-jährigen 20% die NPD gewählt. 60% der befragten NPD-Wähler gaben "Hartz IV" und 36% die "Ausländerproblematik" als entscheidend für ihre Wahl an. An den Kommunalwahlen am 13. Juni 2004 in Rheinland-Pfalz hat die NPD nicht teilgenommen. Organisation und Entwicklung Am 30. und 31. Oktober 2004 führte die NPD in Leinefelde/Thüringen ihren Bundesparteitag durch. Einer Presserklärung vom 30. Oktober 2004 zufolge stand die Veranstaltung im "Zeichen der Schaffung einer deutschen Volksfront". Zum Verhältnis der Partei zu den "Freien und dem nationalen Widerstand" stellte der Vorsitzende Udo VOIGT in seiner Rede fest, dass man keine gegenseitige Übernahme plane, sondern sich als "Bestandteil des gemeinsamen Widerstandes" sehe. Der "historische Nationalismus" sei tot aber "nationalen Sozialisten" stehe es frei, zur NPD zu kommen. - 30 - Bei der Neuwahl des Parteivorstandes wurde VOIGT mit 86,8% der Delegiertenstimmen in seinem Amt bestätigt. Neu in den Parteivorstand wurde der Neonazi Thorsten HEISE aus Niedersachsen gewählt. Aus RheinlandPfalz gehören keine NPD-Mitglieder dem Bundesvorstand an. Die Aufnahme mehrerer Funktionäre aus der Neonaziszene zeigt, dass es VOIGT offensichtlich gelungen ist, seine Vorstellung von einer Integration neonazistischer Kräfte durchzusetzen. Bereits im Mai 2004 rief der Neonazi Thomas WULFF aus Hamburg in der Internetausgabe der "Deutschen Stimme" zur Bündelung aller nationalen Kräfte und den Aufbau einer "Volksfront von rechts" auf. Eine Distanzierung des "nationalen Widerstandes" von der NPD führe letztlich nur dazu, dass dieser sich selbst schwäche. Außerdem könne man durch eine Parteizugehörigkeit den Kurs der NPD beeinflussen. Im September 2004 erklärte WULFF seinen Eintritt in die NPD. Mit ihm traten auch die führenden Protagonisten der Neonaziszene Thorsten HEISE und Ralf TEGETHOFF aus Nordrhein-Westfalen in die Partei ein. Im Dezember 2004 wurde ein im rechtsextremistischen "Störtebeker-Netz" veröffentlichter "offener Brief" des Neonazis Christian WORCH aus Hamburg bekannt, in dem er seine grundsätzliche Bereitschaft für eine Zusammenarbeit mit der NPD erklärt. Mit dem Kurswechsel von WORCH ist es der NPD gelungen, einen Neonazi zumindest punktuell einzubinden, der sich bislang gegenüber der Partei kritisch äußerte. NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz In einer als "Resolution von Remagen" am 27. September 2004 auf der Internetseite der NPD veröffentlichten Erklärung rief der Landesverband zur "Bündelung aller Kräfte" für die Landtagswahl 2006 in Rheinland-Pfalz auf. Als Unterstützer der Erklärung sind neben dem NPD-Landesverband u.a. die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die neonazistische "Kameradschaft Westerwald" und mehrere regionale - 31 - Funktionsträger der Partei "Die Republikaner" (REP) aufgeführt. Ziel sei die Kandidatur zur Landtagswahl mit nur einer Liste, die allen "vernünftigen nationalen Kräften" offen stehe und Weichen stelle für die darauf folgende Bundestagswahl. Seit der Veröffentlichung der Resolution im Internet sind jedoch keine Aktivitäten in diesem Zusammenhang bekannt geworden. Der NPD-Landesverband befand sich im Berichtsjahr in einem organisatorisch und personell kaum handlungsfähigen Zustand. Die seit längerem bestehenden parteiinternen Differenzen zwischen dem Landesvorstand und der Parteibasis haben zu erheblichen Mitgliederverlusten geführt. Dem Landesverband gehören derzeit weniger als 200 Mitglieder an. Die Zahl der Kreisverbände wurde von neun auf sieben reduziert. An den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen am 13. Juni 2004 hat der Landesverband nicht teilgenommen. Dafür unterstützte er die Bundespartei beim Wahlkampf für die Europawahl mit Informationsständen und Flugblattaktionen. Ansonsten führte die NPD in Rheinland-Pfalz nur wenige Aktionen durch. So wurde am 17. Juni 2004 das Transparent " 17. Juni 1953 - damals wie heute: Gegen Ausbeutung und Fremdherrschaft" in der Trierer Fußgängerzone sowie am 31. August 2004 des Transparent "Nicht vergessen: Dem Volke dienen! NPD Trier" vor dem Sitzungssaal des Trierer Rathauses enthüllt. Im Zusammenhang mit den bundesweit veranstalteten Montagsdemonstrationen und Aktionen gegen "Hartz IV" verteilte die NPD in der ersten Septemberwoche 2004 im Stadtgebiet von Trier an Infoständen u.a. das Faltblatt "Schluss mit dem Sozialbetrug! Weg mit Hartz IV! Jetzt NPD". Am 11. und 18. September 2004 beteiligten sich Mitglieder des NPDKreisverbandes Trier an einer so genannten Mahnwache der von Rechtsextremisten ins Leben gerufenen Bürgerinitiative "Gegen Sozialabbau und Einwanderung ins Soziale Netz" in der Innenstadt von Trier. Unter dem Eindruck der Kriegsgeschehnisse im Irak nahmen mehrere NPD-Mitglieder aus Rheinhessen an einer Demonstration der badenwürttembergischen NPD am 16. Oktober 2004 in Mannheim teil. Die De- - 32 - monstration stand unter dem Motto "Besatzer raus - aus Deutschland und dem Irak". Ende November 2004 machte der NPD-Kreisverband Westerwald auf seiner Internetseite auf die Möglichkeit des Downloads der im sächsischen Wahlkampf verteilten CD "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag! NPD" aufmerksam. In der Folgezeit wurden Verteilaktionen dieser CD vor Schulen und an Schulbus-Haltestellen im Westerwald bekannt. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Riesa/Sachsen Mitglieder (Bund): ca. 350 (2003: ca. 400) Mitglieder Rheinland-Pfalz: ca. 20 (2003: unter 30) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband Publikationen: "Der Rebell" (sporadisch, nur in Niedersachsen, Auflage nicht bekannt) Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Der Mitgliederstand ist auch im Jahr 2004 weiter zurückgegangen. Bis auf den JN-Bundeskongress am 2. und 3. Oktober 2004 in Mosbach/Thüringen, bei dem der amtierende Bundesvorsitzende Stefan ROCHOW in seinem Amt bestätigt wurde, fanden im Jahr 2004 kaum öffentlichkeitswirksame JN-Veranstaltungen statt. Der JN-Landesverband Rheinland-Pfalz war im Jahre 2004 weitgehend inaktiv. Mitgliedertreffen fanden - wenn überhaupt - nur mit geringer Beteiligung statt. JN-Landesvorsitzender war weiterhin Sebastian BERENDS aus Kaiserslautern. Rheinland-pfälzische JN-Mitglieder unterstützten die NPD aktiv bei den Wahlkämpfen im Saarland, in Sachsen sowie dem Europawahlkampf in - 33 - Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus verschickte der JN-Landesverband vor der Europawahl im Juni 2004 an mehrere Schulen in Rheinland-Pfalz E- Mails mit dem Europawahlprogramm der NPD. Im Herbst 2004 verteilten JN-Mitglieder im Raum Trier, in Bad Neuenahr-Ahrweiler und in Bad Marienberg vor Schulen die Flugblätter "God bless America - aber ohne uns" und "Ja zur Bildungsoffensive - Nein zu Jugendarbeitslosigkeit und Globalisierung!"12, außerdem Kopien der im sächsischen Landtagswahlkampf verbreiteten NPD-CD "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag! NPD" mit Liedern einschlägiger Skinheadbands und Liedermachern - jedoch mit dem Cover "NPD-Kreisverband Westerwald". "Freiheitlich Soziale Liste" (FSL) Die der NPD nahestehende "Freiheitlich Soziale Liste" wurde im Dezember 2002 von dem rheinland-pfälzischen NPD-Landesvorstandsmitglied und Studenten an der Universität Trier Safet BABIC für die Teilnahme an der alljährlich stattfindenden Wahl zum Studentenparlament der Universität Trier gegründet. Im Dezember 2003 gelang es BABIC mit einem eigenen Mandat in das Studentenparlament einzuziehen. Seitdem war er bestrebt, sein nationalistisch geprägtes Gedankengut in die Studentenschaft der Universität Trier einzubringen. Im Dezember 2004 beteiligte sich die FSL allerdings nicht mehr an der Wahl des Studentenparlamentes der Universität Trier. "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Der "Nationaldemokratischer Hochschulbund" versteht sich als einzige "nationalistische fundamentaloppositionelle Studentenund Akademikerorganisation Deutschlands", ist an Hochschulen und Universitäten jedoch 12 Die Flugblätter richten sich gegen die Globalisierung und die Haltung der Amerikaner im Irak-Krieg sowie "die Hoheit der Politik über die Wissenschaft!...damit eine gezielte Anti-Globaliserungspolitik und das Starten einer breit angelegten Bildungsund Ausbildungsoffensive nicht länger reine Illusion bleibt". - 34 - kaum verankert. Nach eigenen Angaben will er sich nicht an der herkömmlichen Hochschulpolitik beteiligen, sondern eher geistige Grundlagen für nationale Politik erarbeiten. Im Jahr 2004 entfaltete der NHB bis auf die Bundesvorstandswahl keine Aktivitäten. Dabei wurde der amtie-rende Bundesvorsitzende Martin LAUS aus Rheinland-Pfalz von Oliver WESTERWINTER aus Nordrhein Westfalen abgelöst und in diesem Zusammenhang die NHB-Bundesgeschäftsstelle von Kaiserslautern nach Essen verlagert. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU - Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder (Bund): ca. 11.000 (2003: ca. 11.500) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 550 (2003: ca. 550) Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Publikationen: "National Zeitung" (NZ) wöchentliche Auflage: 41.000 Exemplare Politische Ausrichtung Die DVU ist trotz des auch im Jahre 2004 verzeichneten Mitgliederrückgangs weiterhin die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie wird von dem am 20. März 2004 mit 99% der Stimmen wiedergewählten Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autokratisch geleitet sowie weitestgehend finanziert. Die Partei verfügt in allen Bundesländern über Landesverbände, in denen eine aktive politische Mitgestaltung der Parteiarbeit durch die Basis aber - 35 - kaum stattfindet. Dies gilt auch für den rheinland-pfälzischen Landesverband, der Organisationsstrukturen lediglich im Raum Ludwigshafen am Rhein unterhält. Als Sprachrohr dienen der Partei in der Hauptsache die wöchentlich erscheinende "Nationale Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ) und das Internet. In Artikeln mit aggressiven und reißerischen Schlagzeilen wie "EU-Osterweiterung - eine Katastrophe", "Jetzt kommen die Türken!" oder "Wie uns die EU ausplündert. Deutschland - Zahlmeister Europas" und einer Vielzahl ähnlicher Beiträge werden tagespolitische Ereignisse verzerrt dargestellt und für die eigenen politischen Zwecke missbraucht. Teilnahme an Wahlen Der DVU ist es in den vergangenen Jahren insbesondere mit Hilfe erheblicher finanzieller Aufwendungen gelungen, in Landesparlamente einzuziehen, so im Jahre 1999 in Brandenburg. Am 19. September 2004 trat die Partei in Brandenburg erneut zur Wahl an, nachdem die Vorsitzenden von DVU und NPD im Juni 2004 Absprachen getroffen hatten, sich nicht durch konkurrierende Wahlbeteiligungen zu behindern. Mit 71.003 Wählerstimmen konnte die DVU ihr Ergebnis von 5,3% im Jahre 1999 auf 6,1% ausbauen und zog erneut in den Landtag ein, diesmal mit sechs Sit-zen (1999: fünf). Der Bundesverband soll 2 bis 2,5 Millionen Euro in den Wahlkampf investiert haben. Thematischer Schwerpunkt war die Agitation gegen die Sozialreformen der Bundesregierung. Mit Phrasen wie "Sauerei! Hartz IV - Wehrt Euch! Diesmal DVU", "Die nackte Wahrheit - immer mehr Polen kommen rein" oder ""EU-Billigarbeiter - nicht mit uns" zielte die DVU darauf ab, soziale Ängste in der Bevölkerung zu schüren, um Protestwähler für sich zu gewinnen. Bei den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz am 13. Juni 2004 war die DVU lediglich in Altrip zur Wahl angetreten. Mit 2,2% der Wählerstimmen reichte das Ergebnis nicht für einen Einzug in den Gemeinderat. - 36 - An den am selben Tag durchgeführten Europawahlen hat die DVU nicht teilgenommen. Organisation und Entwicklung Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen veröffentlichten die Parteivorsitzenden von DVU und NPD am 22. September 2004 in Berlin eine gemeinsame Erklärung, künftig enger zusammenzuarbeiten und auch bei kommenden Wahlen Bündnisse einzugehen. Dr. FREY erklärte nach seiner Teilnahme am NPD-Bundesparteitag am 30. und 31. Oktober 2004 in Leinefelde/Thüringen auf einer Pressekonferenz, dass DVU und NPD sich in den Grundzielen einig seien. Gleichwohl rief er dazu auf, einen "größtmöglichen Abstand zum Nazismus und Neonazismus" zu halten. Das Bündnis zwischen dem NPDund dem DVU-Bundesvorsitzenden vom 30. Oktober 2004, mit Absprachen für eine engere Zusammenarbeit beider Parteien und Wahlbündnisse für kommende Landtagswahlen und die Bundestagswahl 2006 einzugehen, wurde auch von der DVU in Rheinland-Pfalz befürwortet. 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Republikanische Jugend" (RJ) "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) "Republikanischer Hochschulverband" (RHV) "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB) Mitglieder (Bund): ca. 7.500 (2003: ca. 8.000) - 37 - Mitglieder (Rheinland-Pfalz): unter 600 (2003: unter 600) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 21 Kreisverbänden Publikationen: "Zeit für Protest", Auflage zweimonatlich: 12.000 Exemplare Politische Ausrichtung Trotz der Bemühungen des Bundsvorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER, "Die Republikaner" (REP) in der Öffentlichkeit als eine in sich gefestigte demokratische Partei erscheinen zu lassen, konnten im Jahre 2004 weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen festgestellt werden. Insbesondere die Abgrenzungspolitik der Parteiführung zu anderen rechtsextremistischen Parteien ist, wie der Ablauf auf dem Bundesparteitag am 27. und 28. November 2004 in Veitshöchheim in Bayern zeigte, innerparteilich mehr den je umstritten. Dr. Rolf SCHLIERER hatte sich dort zwar mit seinem "Anti-Volksfront"-Kurs erneut durchsetzen können, erhielt bei der Bundesvorstandswahl jedoch nur 60% der abgegebenen Stimmen. Sein Gegenkandidat und erklärter Abgrenzungsgegner Björn CLEMENS schnitt mit einem Ergebnis von ca. 40% mehr als beachtlich ab. Bereits vor dem Bundesparteitag hatten sich die sächsische REP-Landesvorsitzende Kerstin LORENZ und der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende Frank ROHLEDER dem rechtsextremistischen "Nationalen 13 Bündnis Dresden e.V." (NBD) angeschlossen und mit dieser Organisation für den sächsischen Landtag kandidiert. Daraufhin hielten die übrigen Mitglieder des REP-Landesverbandes eine Teilnahme an der sächsischen Landtagswahl am 19. September 2004 für aussichtslos. 13 Das "Nationale Bündnis Dresden e.V." wurde in Folge der starken Vernetzung der rechtsextremistischen Szene im Raum Dresden am 24. April 2003 von aktiven und ehemaligen Mitgliedern der NPD, DVU, REP und von Kameradschaftsmitgliedern gegründet. Ziel des parteiübergreifenden Wahlbündnisses war die Teilnahme an den Kommunalwahlen am 13. Juni 2004 in Dresden. - 38 - Auch in Rheinland-Pfalz dürfte es unter den Parteifunktionären Abgrenzungsgegner geben. Als Unterzeichner der am 27. September 2004 vom NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz veröffentlichten "Resolution von Remagen" waren auch die Namen mehrerer regionaler REP-Funktionäre genannt. Zentrales Thema im Wahlkampf der Partei für die Europaund die rheinland-pfälzische Kommunalwahl war die Einwanderungsund Ausländerpolitik. Mit Schlagworten wie "Europa ohne Türken" und "Abzocker stoppen" schürten die REP Ängste und Ressentiments gegen Ausländer. Zu diesem Zweck fand auch das bereits bei der bayerischen Landtagsund Bezirkstagswahl im September 2003 eingesetzte Plakat "Goldzähne für Asylbewerber, Zahnlücken für Deutsche - Nicht mit uns!" in etwas abgewandelter Form in Rheinland-Pfalz Verwendung. Die REP agitierten in diesem Kontext auch gegen die EU-Erweiterung. Zur Diskussion um die Aufnahme der Türkei in die europäische Union äußerte Dr. SCHLIERER: "Sollte es zu einem Beitritt der Türkei kommen, wird die zu erwartende Einwanderung von Millionen Türken unserem Sozialsystem und unserer deutschen Leitkultur ein unwiderrufliches Ende bereiten". Teilnahme an Wahlen Im Jahr 2004 beteiligten sich die REP an der Wahl zum Europäischen Parlament, an der Landtagswahl in Thüringen sowie an Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern. In ihren Wahlkämpfen forderte die Partei die Wähler auf, den "Altparteien endlich die rote Karte zu zeigen und ihnen bei der Wahl einen Denkzettel zu verpassen". Bei der Europawahl am 13. Juni 2004 erhielt sie bundesweit 1,9% und konnte damit ihr Ergebnis im Vergleich zur Europawahl am 13. Juni 1999 um 0,2% geringfügig verbessern. In Rheinland-Pfalz erzielte sie 2,7% der Wählerstimmen. Überdurchschnittlich schnitt die Partei in den Städten - 39 - Pirmasens mit 10,6% (1999: 3,1%) und in Ludwigshafen am Rhein mit 7,7% (1999: 4,8%) ab. Obwohl die Partei bei den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen am 13. Juni 2004 nicht flächendeckend angetreten war, erreichte sie ein durchschnittliches Landesergebnis von 1,3% (1999: 0,9%). Insgesamt nahm die Partei in sieben kreisfreien Städten an den Wahlen teil und ist dort mit insgesamt 23 Sitzen in den Stadträten vertreten. Ihre besten Ergebnisse erzielte sie in Pirmasens mit 10,2% (1999: 2,9%) und 5 Sitzen, in Ludwigshafen-Stadt mit 8,8% (1999: 5,3%) und ebenfalls 5 Sitzen, in Germersheim mit 8,3% (1999: 10,0%) und 3 Sitzen sowie in Mainz-Stadt mit 7,3% (1999: 3,8%) und 4 Sitzen. Bei den Kreistagswahlen im Rhein-PfalzKreis erhielten die REP mit 4,9% (1999: 3,5%) 2 Mandate und bei der Wahl zum Bezirkstag der Pfalz mit 5,8% (1999: 3,6 %) ebenfalls 2 Mandate; den höchsten Stimmenanteil bei der Bezirkstagswahl erzielten sie in Pirmasens mit 12,5% (1999: 3,3%). Ungeachtet der innerparteilichen Differenzen um den Abgrenzungskurs der Parteiführung, zahlreicher Parteiaustritte und trotz der Wahlerfolge der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg erwarten die REP anlässlich der Bundestagswahl 2006 einen hohen Wahlerfolg und rechnen bei der Landtagswahl 2006 in Rheinland-Pfalz mit einem Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag. REP-Landesverband Rheinland-Pfalz Bei dem Landesparteitag am 11. Juli 2004 in Mainz wurde der amtierende Landesvorsitzende Stephan STRITTER in seinem Amt bestätigt. STRITTER verteidigte den Kurs des Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER und lehnte Wahlbündnisse und Absprachen für eine engere Zusammenarbeit mit der NPD und der DVU oder mit neonazistischen Organisationen ab. Im Mittelpunkt der Parteiarbeit sollten dagegen sozialpolitische Themen stehen. - 40 - Die politischen Aktivitäten des bis auf einige Kreisverbände weitgehend inaktiven Landesverbandes waren im zurückliegenden Jahr auf den Wahlkampf für die Europawahl und die rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen ausgerichtet. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) Die im Jahre 1999 als "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" gegründete, aus der Jugendorganisation der NPD, den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) hervorgegangene BDVG trat im Jahr 2004 in RheinlandPfalz nur im ersten Halbjahr öffentlich in Erscheinung. In Ludwigshafen am Rhein führte sie am 7. Februar 2004 einen Rednerabend durch. 1.7.2 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in den Konzentrationslagern (so genannte Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen zumeist, sich nach außen seriös zu geben. Im Jahre 2004 wurden wiederholt E-Mails bzw. Postwurfsendungen mit revisionistischen Inhalten auch in Rheinland-Pfalz unaufgefordert an Bürgerinnen und Bürgern gesandt. - 41 - 1.7.3 "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im März 2002 aufgelöst und die Eintragung im Vereinsregister gelöscht. Die Vereinigung besteht jedoch unter der neuen Bezeichnung "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" fort. Auch unter dieser Bezeichnung wurden im Jahr 2004 überwiegend nichtöffentliche Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. "Landesführer" ist weiterhin Hans-Jürgen H. aus Pleisweiler-Oberhofen (Kreis Südliche Weinstraße). Der "Militärhistorische Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" steht in keinem personellen und organisatorischen Zusammenhang mit der bereits am 18. März 1966 durch den rheinland-pfälzischen Innenminister verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.7.4 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Am 28./29. April 2004 wurde das 1971 errichtete Gedenkstein für die Gefallenen der Waffen-SS in Marienfels (Rhein-Lahn-Kreis) von unbekannten Tätern zerstört. Nach der Zerstörung meldeten Rechtsextremisten am 30. April 2004 eine Demonstration für den 8. Mai 2004 unter dem Motto "Protest gegen die Denkmalschändung - Ja zum Denkmal des I. Panzerkorps" an. Es wurde überregional - auch im Internet - zur Demonstrationsteilnahme aufgerufen. Die Demonstration fand unter Beteiligung von ca. 150 Rechtsextremisten und 200 Gegendemonstranten statt. Die Veranstaltung verlief ohne besonderen Vorkommnisse. Am 20. November 2004 demonstrierten ca. 200 Personen des rechtsextremistischen Spektrums in Nastätten (Rhein-Lahn-Kreis) unter dem Motto "Für den Wiederaufbau des Denkmals des I. SS-Panzerkorps, jetzt !". An einer Gegenveranstaltung beteiligten sich ca. 150 Personen. Durch die eingesetzten Sicherheitskräfte konnten Ausschreitungen vermieden werden. Die rechtsextremistische Szene nahm auch im Jahre 2004 die Zeit um den Volkstrauertag im November wieder zum Anlass für Aktionen des - 42 - "Heldengedenkens". In Rheinland-Pfalz fand am 21. November eine "Mahnwache" in der Nähe der Gemeinde Bretzenheim (Landkreis BadKreuznach) mit etwa 80 Teilnehmern statt. 1.8 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten, insbesondere aus grenznahen Räumen wie Rheinland-Pfalz, unterhalten vielfältige Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Gemeinsame Veranstaltungen und Treffen sollen der "nationalen Sache", dem Informationsaustausch und Aktionsabsprachen dienen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind die Kontakte in das benachbarte Ausland besonders ausgeprägt. Etwa 80 bis 100 Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland beteiligten sich am 11. Dezember 2004 in der Nähe von Stockholm an einem Trauermarsch für einen vor vier Jahren bei einer Auseinandersetzung mit ausländischen Jugendlichen ums Leben gekommenen schwedi-schen Gesinnungsgenossen. Der Gedenkmarsch ist in den letzten Jahren zu einer zentralen Veranstaltung für die rechtsextremistische Szene in Schweden geworden. Für die Demonstration war im Vorfeld verstärkt im Internet geworben worden. - 43 - 2. LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten setzten auch im Jahre 2004 - je nach ideologisch-politischer Ausrichtung revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert - mit vielfältigen Aktionsformen bis hin zu offen und verdeckt begangenen Gewalttaten ihren Kampf gegen die bestehende freiheitlich-demokratische Staatsund Gesellschaftsordnung fort und beeinträchtigen so auch die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. In RheinlandPfalz blieb die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten (Autonomen) im Vergleich zum Jahr 2003 mit etwa 100 Personen gleich; die Zahl der übrigen Linksextremisten beläuft sich auf ca. 600 Personen. Der Blick auf die zum Teil traditionellen linksextremistischen Aktionsfelder wie "Antifaschismus" und "Antirassismus" sowie die "Anti-Atom-Bewegung" zeigt, dass es insbesondere den gewaltbereiten Linksextremisten nicht gelungen ist, ihre in den letzten Jahren aufgetretene Mobilisierungsschwäche abzulegen. Gleichwohl haben - insbesondere in Großstädten wie Berlin und Hamburg - erneut einzelne militante Gruppierungen mit zahlreichen Anschlägen die Grenze zu terroristischem Handeln überschritten. Schwerpunkt der Aktivitäten der linksextremistischen Parteien war insbesondere die Teilnahme der DKP("Deutsche Kommunistische Partei") bzw. der PDS ("Partei des Demokratischen Sozialismus") bei den Europawahlen am 13. Juni 2004. Darüber hinaus nahm die PDS am Gründungskongress der "Partei der europäischen Linken" am 08./09. Mai 2004 in Rom teil. - 44 - 2.1 Linksextremistisches Personenpotential Bund (2003) Rheinland-Pfalz (2003) Gesamt: 30.800* (31.300**) 700* (700*) Gewaltbereite: 5.500 ( 5.400) 100 (100) Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: 25.700 (26.300) 600** (600) alle Angaben gerundet *ohne Mehrfach**einschließlich Personen aus mitgliedschaften beeinflussten Organisationen 2.2. Linksextremistische Gewalt Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2004 2003 Gesamt: 8 9 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: -- -- Körperverletzungen: 2 5 Brandstiftungen: -- -- Sprengstoffexplosionen: -- -- Landfriedensbruch: 2 -- Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr: 4 4 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Gewalttätige Linksextremisten beeinträchtigten auch im Jahr 2004 die innere Sicherheit Deutschlands. In Rheinland-Pfalz ist die Zahl linksextremistischer Gewalttaten leicht zurückgegangen. Auch wenn es einzelnen militanten Zusammenhängen erneut gelungen ist, mit spektakulären Anschlägen - nahe an der Grenze zum Terrorismus - 45 - - auf sich aufmerksam zu machen, blieb insgesamt gesehen die Mobilisierungsbereitschaft bzw. -fähigkeit zu aktuellen Reizund Konfliktthemen bei gewaltorientierten Linksextremisten (Autonomen) weiterhin relativ schwach ausgeprägt. Wie schon in den letzten Jahren dominierten demokratische Kräfte traditionell von Linksextremisten besetzte Aktionsfelder (z.B. "Antifaschismus"). Der Bereich der gewaltorientierten Linksextremisten in überwiegend anarchistisch ausgerichteten Gruppierungen umfasste Ende 2004 bundesweit ca. 5.500 Personen (2003: 5.400), darunter eine zum Vorjahr leicht angestiegene Zahl von rund 5.000 Autonomen. Terroristische Strukturen - vergleichbar der ehemaligen "Roten Armee Fraktion" (RAF) oder der "Revolutionären Zellen" (RZ) - mit schwersten Anschlägen bis hin zu Mordtaten gibt es derzeit in Deutschland nicht. 2.3.1 Verfahren gegen terroristische und militante Straftäter Das Berliner Kammergericht verkündete am 18. März 2004 die Urteile gegen fünf Mitglieder der ehemaligen RZ wegen Rädelsführerbzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen der Herbeiführung von zwei Sprengstoffexplosionen in Berlin (Zentralstelle für Asylbewerber -1987bzw. Siegessäule -1991-). Die ausgesprochenen Freiheitsstrafen reichten von zwei Jahren und neun Monaten bis hin zu vier Jahren und drei Monaten. Am 15. Juli 2004 wurde ein weiteres ehemaliges Mitglied der RZ wegen seiner Beteiligung an vorgenanntem Sprengstoffanschlag im Jahr 1987 in Berlin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der in den 70er Jahren als Gründungsmitglied der RZ und Kontaktperson zu palästinensischen Befreiungsorganisationen bekannt gewordene Johannes WEINRICH - u.a. war er auch Partner des legendären Illich RAMIREZ-SANCHEZ ("Carlos") - wurde am 23. August 2004 vom Berliner Landgericht aufgrund fehlender Beweise vom Vorwurf der Beteiligung an - 46 - mehreren Sprengstoffanschlägen in Frankreich freigesprochen. WEINRICH sitzt jedoch weiterhin ein, da er bereits im Jahr 2000 wegen eines Sprengstoffanschlages in Berlin auf das "Maison de France" (am 25. August 1983) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Am 28. September 2004 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart das mutmaßliche RAF-Mitglied Andrea Martina KLUMP wegen Beihilfe zum versuchten Mord in 32 Fällen und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (Anschlag auf einen Reisebus in Budapest/Ungarn am 23. Dezember 1991) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren. Das Gericht bezog eine gegen KLUMP verhängte neunjährige Freiheitsstrafe für einen am 17. Juni 1988 fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlag auf einen NATOMilitärstützpunkt in Rota/Spanien in die ergangene Gesamtfreiheitsstrafe mit ein. 2.3.2 Autonome Die Autonomen bildeten bundesweit mit rund 5.000 Aktivisten innerhalb des gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums die mit Abstand größte Gruppe und waren auch für fast alle linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich, so beispielsweise für Körperverletzungen, Brandanschläge und gefährliche Eingriffe in den Schienenverkehr. In Rheinland-Pfalz sind unverändert ca. 100 Autonome schwerpunktmässig in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen, Mainz und Umgebung, der Pfalz und in Trier aktiv. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept; Führungspersonen oder hierarchische Strukturen sind ihnen fremd. Sie widersetzen sich Autoritäten und missachten Normen, was sich in diversen Anti-Einstellungen ("antifaschistisch", "antikapitalistisch" etc.) widerspiegelt. Wie alle Linksextremisten wollen auch Autonome das "herrschende System" überwinden. Dazu ist es aus ihrer Sicht legitim, ihre politischen Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. - 47 - Autonome Gewalt richtet sich sowohl gegen Personen ("Faschos", "Bullen" sowie vermeintliche "Handlanger und Profiteure des Systems") als auch gegen Sachen (Kraftfahrzeuge, Immobilien etc.). Bei der Wahl ihrer vielfältigen Aktionsformen (z.B. Brandund Sprengstoffanschläge oder gewalttätige Demonstrationen unter Einsatz von Steinen und anderen Wurfgeschossen) bemühen sich Autonome stets um "Vermittelbarkeit". Militante Aktionen stellen sie daher häufig in den Zusammenhang mit aktuellen Protestanlässen bzw. Reizthemen, die eine möglichst breite Akzeptanz - bis in Teile der bürgerlichen Gesellschaft hinein - erfahren. Eine typische Form der Gewalt Autonomer sind Straßenkrawalle. Dabei treten sie in der Regel vermummt in einheitlicher Kampfausrüstung und in "schwarzen Blöcken" auf. Diese Krawalle gab es in den letzten Jahren insbesondere bei Protesten gegen "rechte" Aufmärsche und vor allem im Rahmen der zentralen Demonstrationen zum "Revolutionären 1. Mai" in Berlin. Im Gegensatz zu Massenmilitanz bedürfen konspirativ vorbereitete und militant durchgeführte Anschläge der besonderen Planung; sie stehen für gewöhnlich im Zusammenhang mit entsprechenden aktionsbezogenen Selbstbezichtigungen. Zur Kommunikation nutzt die autonome Szene neben zahlreichen Anlaufund Kontaktstellen ("Infoläden" und "Volxküchen"), die in Rheinland-Pfalz in Koblenz und Trier existieren, hauptsächlich das Internet. Autonome Internet-Seiten beinhalten im wesentlichen Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Reizund Konfliktthemen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe. Zum Informationsaustausch dienen weiterhin geheime Treffen und zahlreiche regionale Szenepublikationen wie beispielsweise der Koblenzer "zerrSPIEGEL". Die im autonomen Bereich verdeckt (klandestin) operierenden Kleingruppen setzten auch im Jahr 2004 mit zahlreichen Brandund Sprengstoffan- - 48 - schlägen, die bisweilen an die Grenze zu terroristischen Gewalttaten stießen, ihren Aktionismus fort. In ihren Taterklärungen benutzten sie häufig wechselnde Aktionsnamen ("no-name"-Militanz"). Die bei weitem aktivste unter den mit gleichbleibenden Namen operierenden Gruppierungen war weiterhin die "militante gruppe" (mg) mit Aktionsschwerpunkt Berlin. Ihre Anschlagsaktivitäten konzentrierten sich im Jahr 2004 auf den Themenbereich "Sozialabbau/Hartz IV". In diesem Begründungszusammenhang verübte die "mg" im Berliner Stadtbereich mehrere Brandanschläge. Darüber hinaus bemühte sie sich ihre im Jahr 2001 begonnene Militanzdebatte über die Vernetzung militanter Gruppenstrukturen sowie neue Formen und Inhalte "militanter und bewaffneter Politik" fortzusetzen. Wie schon in den vergangenen Jahren diente ihr dazu das bundesweit beachtete Berliner autonome Szeneblatt "INTERIM" als Forum. Darin veröffentlichte Erklärungen, insbesondere eine geschichtstheoretische Textserie zu revolutionären "bewaffneten" Aufständen brachte die "mg" ihrem Ziel, einen Organisationsprozess militanter Gruppen in Gang zu setzen, allerdings kein Stück näher. Die Resonanz bei anderen militanten Gruppen blieb weiterhin äußerst gering. Der maßgeblich von Linksextremisten in Trier Ende November und Anfang Dezember 2004 anlässlich des 30. Todestages des RAF-Mitgliedes Holger MEINS durchgeführte Kongress "Theorie und Praxis der StadtguerillaBewegung - der bewaffnete Kampf als Teil linker und bundesdeutscher Geschichte" wurde von der "mg" in einer in der "INTERIM" (Nr. 608 vom 23. Dezember 2004) veröffentlichten Erklärung thematisiert und im positiven Sinne mit ihrer Militanzdebatte in Verbindung gestellt. 2.3.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "Antifaschistische Kampf" zählt nach wie vor zu den traditionellen Aktionsfeldern von Linksextremisten. Er richtet sich sowohl gegen den verhassten, als "kapitalistisches System" bezeichneten, freiheitlich demokra- - 49 - tischen Rechtsstaat mit seinen angeblichen faschistischen Wurzeln als auch gegen rechtsextremistische Parteien und deren Strukturen. Wie schon in den vergangenen Jahren erreichten die "antifaschistischen" Aktionen von Linksextremisten wiederholt nur ein reduziertes Ausmaß an Effektivität. Insbesondere gewaltorientierten Linksextremisten (Autonome) ist es nicht gelungen ihre anhaltende Mobilisierungsschwäche bzw. fehlende Bündnisbereitschaft abzulegen. Bei Protestaktionen gegen Aufmärsche von rechtsextremistischen Parteien, die vielfach von breiten Bündnissen demokratischer Organisationen dominiert wurden, waren die häufig nur schwach vertretenen autonomen Gruppen nur bedingt in der Lage, durch Massenmilitanz oder auch "Kleingruppentaktik" Aufmärsche von "Faschos" zu verhindern; regelmäßig wurden zudem militante Aktionsformen durch geeignete Polizeimaßnahmen erschwert. Gleichwohl gab es im Jahr 2004 sowohl bundesweit als auch in Rheinland-Pfalz mehrfach Beispiele für militante "antifaschistische" Aktionen. So kam es am 10. April 2004 im südpfälzischen Kandel zu einer "antifaschistischen" Protestaktion "gegen Neonazis". Unter den rund 200 Demonstranten befanden sich auch mehrere Linksextremisten (Autonome) aus der Region sowie aus dem Rhein-Neckar-Raum. Im Verlauf der Veranstaltung wurden Transparente gezeigt, z.B. "Staat und Nazis Hand in Hand, Kampf dem Faschismus, Antifa heißt Angriff!". Auch flogen Steine und Eier in Richtung eines "rechten" Szenetreffs. Am 6. Juni 2004 demonstrierten in Berlin ca. 1.500 Personen, darunter etwa 500 zum Teil vermummte Angehörige der gewaltbereiten linksextremistischen Szene unter dem Motto "ENDLICH WEG DAMIT!!! NPDZENTRALE ABREISSEN. ABSCHIEBEKNAST ABSCHAFFEN" gegen die Bundeszentrale der NPD und die Abschiebehaftanstalt Berlin-Grünau. Vereinzelt flogen Steine, Flaschen und Farbeier gegen die Polizei. An der Haftanstalt rissen Demonstranten Absperrgitter aus der Verankerung und attackierten Sicherheitskräfte. - 50 - Die zum autonomen Spektrum zählenden "Antifa Nierstein" und "Antifa Koblenz" hatten auf ihren jeweiligen Internet-Seiten auf das Ereignis ausdrücklich hingewiesen. In ihrem offensiven Kampf gegen "Faschos" betrieben autonome Gruppierungen weiterhin so genannte Antifa-Recherchen, um Personen, Strukturen und Logistik rechtsextremistischer Organisationen/Gruppen abzuklären. Hierbei gewonnene Informationen, z.B. über Trefflokale, Schulungseinrichtungen oder "Nazi-Läden" wurden in Szenepublikationen und im Internet veröffentlicht bzw. waren Anlass für die Planung bzw. Durchführung militanter Aktionen. So wurden beispielsweise in Trier-Pfalzel am 7. September 2004 die Betreiber eines NPD-Infostandes von einer Gruppe attackiert, die sich aus 12 bis 15 teilweise vermummten Personen zusammensetzte. Der Infostand wurde umgestoßen, eine aufklappbare Werbetafel und ein Sonnenschirm mit NPD-Aufdruck beschädigt sowie NPD-Infomaterial mit Wasser übergossen. Die Betreiber selbst wurden mit Ketchup beschmutzt und tätlich angegriffen. In der Zeit vom 1. bis 26. Mai 2004 wurden im Mainzer Stadtgebiet gezielt rund 180 Wahlplakate der Partei "Die Republikaner" zerstört, beschädigt oder entwendet. Antirassismus Auch im Jahr 2004 gehörte der Kampf gegen den "staatlichen Rassismus" zu den bevorzugten Aktionsfeldern von Linksextremisten. Unter dem Motto "Abschiebehaft abschaffen, in Zweibrücken und Ingelheim anfangen" demonstrierten am 3. Juli 2004 rund 150 Personen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland - darunter ein hoher Anteil autonomer Antifaschisten, u.a. auch die "Antifa Nierstein" - in der Innenstadt von Zweibrücken. Bei einem sich anschließenden Fußmarsch zum in der Nä- - 51 - he gelegenen "Abschiebeknast" in Birkhausen kam es mehrfach zu Störversuchen von rechtsextremistischen Kräften. U.a. skandierten die Rechten: "Wir sind das Volk". Die Linken hielten entgegen: "Ihr seid die Beweise, Deutschland ist scheiße". Innerhalb der so genannten Grenzcampbewegung führte der seit 2002 anhaltende Konflikt zwischen dem autonomen "antirassistischen" Spektrum und Migrantengruppen - Autonome lehnten ihrem systemfeindlichen Verständnis entsprechend eine stärkere Einbindung der Migranten in den "antirassistischen Kampf" ab - zur Bildung eines neuen bundesweiten Bündnisses, welches an Stelle der bisher jährlich durchgeführten Grenzcamps vom 21. August bis 15. September 2004 im Rahmen der Kampagne "kein mensch ist illegal" eine "Anti-Lager-Action-Tour" veranstaltete. Diese verlief weitgehend störungsfrei und unspektakulär. An der Eröffnungsdemonstration und an einem Aktionstag in Berlin beteiligten sich jeweils bis zu 500 überwiegend zum autonomen "antirassistischen" Spektrum zählende Personen. Im Vorfeld der "Anti-Lager-Action-Tour" kam es am 13. August 2004 zu einem versuchten Brandanschlag auf Fahrzeuge eines Sicherheitsunternehmens in Berlin. "Autonome Gruppen", die sich der Tat bezichtigt hatten, warfen dem Unternehmen "Profite mit der Festung Europa" und "Entwürdigende Behandlung von Flüchtlingen" vor und forderten dazu auf, die "Anti-Lager-Action-Tour" zu unterstützen. Anti-Atom-Bewegung Linksextremistische Kräfte bemühten sich fortgesetzt der im wesentlichen von einem bürgerlich demokratischen Spektrum getragenen Anti-AtomBewegung ihren systemfeindlichen, antikapitalistischen Stempel aufzudrücken. Dies belegt nachdrücklich der Aufruf einer bislang noch nicht bekannten Gruppe "militante atomkraftgegnerinnen reloaded" zum Castor-Transport - 52 - nach Gorleben (November 2004). U.a. wird darin die in Teilen der AntiAtom-Bewegung fehlende inhaltliche Kritik am "kapitalistischen Gesamtkonstrukt" (Gesellschaft/Staat) kritisiert. Proteste und Aktionen müssten sich vielmehr - über den Transport hinaus - gegen alle die "Weiterführung der Atomgeschäfte" Verantwortlichen richten (BGS, "Bullen", Bahn und Siemens). Der Aufruf endet mit den Parolen: "Deutschland zerlegen, den Atomstaat demontieren! Schraube für Schraube, Schiene für Schiene! No risk, no fun!" Gleichwohl hielt sich der Aktionismus von Linksextremisten im Rahmen der Anti-Castor-Proteste auf dem konstant niedrigen Niveau der letzten beiden Jahre. Die bei militanten Zusammenhängen bevorzugt praktizierte dezentrale Kleingruppen-Strategie ("Nadelstich-Taktik") war auch im Jahre 2004 vielerorts von Erfolg gekrönt. Im südlichen Rheinland-Pfalz (Grenzgebiet zu Frankreich) kam es mehrfach zu gefährlichen Eingriffen in den Schienenverkehr. U.a. bekannte sich eine "gruppe schiene" via Internet dazu am 4. Februar 2004 den Bahnverkehr zwischen Wörth und Lauterbourg/Frankreich mit "mehreren Barrikaden" (Betonabdeckplatten und dicke Äste) "zum Erliegen gebracht" zu haben. Am 23. Oktober 2004 wurde im Bereich der (Castor)Bahnstrecke Hagenbach-Neuburg der Schienenstrang auf einer Länge von 20 Metern vom Untergrund gelöst und mit Betonplatten unterlegt. Aktionsschwerpunkt waren erneut die Proteste gegen den "großen" Castor-Transport von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague/Frankreich in das Transportbehälterlager Gorleben vom 6. bis 9 November 2004 mit bundesweit bis zu 5.000 Personen, darunter etwa 250 Linksextremisten (einschließlich 100 Autonome). Überschattet wurde der Transport von dem Tod eines jungen französischen Castor-Gegners, der sich in Lothringen an die Gleise gekettet hatte und vom Zug überrollt wurde. - 53 - Protestbewegung gegen "Sozialabbau" An den überwiegend von demokratischen Organisationen/Gruppierungen initiierten Protestaktionen gegen den "Sozialabbau" und die Reformmaßnahmen der Bundesregierung beteiligten sich auch im Jahr 2004 wiederum Linksextremisten, zumeist revolutionär-marxistisch ausgerichtete Gruppen. Autonome hingegen konnten bei den zahlreichen bundesweiten Massenprotesten, insbesondere bei den so genannten Montagsdemonstrationen in Ostdeutschland, kaum festgestellt werden. Offenbar hatten sie erkannt, dass bei der Größenordnung der sich beteiligenden bürgerlichen, nicht extremistischen Demonstranten ihre antikapitalistischen auf Krawalle und Militanz zielenden Aktionsformen ohne Durchschlagskraft bleiben würden. Eine Ausnahme bildete jedoch die am 6. November 2004 in Nürnberg von einem breiten Bündnis vorwiegend linksorientierter Gruppen (einschließlich Autonomer) organisierte Großdemonstration "Gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV", an der sich insgesamt 7.000 Personen beteiligten. Den Demonstrationszug führte ein etwa 1.000 Personen umfassender "bundesweiter, antikapitalistischer Block" an, darunter auch Szeneangehörige aus der Pfalz. Im Begründungszusammenhang "Sozialabbau/Hartz IV/Agenda 2010" kam es im Berichtszeitraum bundesweit zu mehreren Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen Arbeitsund Sozialämter, Personalserviceagenturen und Zeitarbeitsfirmen. Besonders hervor tat sich dabei die "militante gruppe" (mg), die insgesamt vier Brandanschlägen verübte. Gegen Militarisierung und Krieg An den von einem breiten Spektrum Friedensund Antikriegsinitiativen sowie so genannten antimilitaristischen Gruppen bundesweit durchgeführ- - 54 - ten Widerstandsaktionen gegen die "Kriegspolitik" der Europäischen Union sowie gegen die Militarisierung der Gesellschaft, insbesondere die Aufrüstung der Bundeswehr, nahmen auch Linksextremisten, u.a. auch militante Autonome, teil. Am 7. Februar 2004 gab es in München anlässlich der 40. Konferenz für Sicherheitspolitik eine "Internationale Großdemonstration" mit etwa 5.000 "Friedensbewegten", darunter bis zu 400 militanten Autonomen aus dem ganzen Bundesgebiet, die einen "schwarzen Block" bildeten. Auch aus Rheinland-Pfalz waren zahlreiche Szeneangehörige angereist. Zum ersten Jahrestag des "imperialistischen Angriffs" auf den Irak führten am 20. März 2004 - unter der Beteiligung von Linksextremisten - zahlreiche Friedensgruppen/Initiativen bundesweit zentrale Aktionen durch. Aktionsschwerpunkt war u.a. ein Protestmarsch von Landstuhl zur US-Airbase in Ramstein, zu dem ein breites Bündnis unterschiedlichster Gruppierungen unter der Bezeichnung "Achse des Friedens" aufgerufen hatte, darunter auch linksextremistische Organisationen (DKP, VVN-BdA und PDS). Darüber hinaus mobilisierte das "Antifaschistische Aktionsbündnis 9.6. Kaiserslautern" mit einem eigenen mehrseitigen Aufruf, der sich u.a. gegen weitere "Angriffskriege", die EU-Verfassung und den "Umbau der Bundeswehr zur weltweiten Interventionsarmee" richtete. Der 20. März 2004 war des weiteren Anlass der bis dato unbekannten Gruppe "AK Origami (Rüstungsprojekte zusammenfalten)", mit zwei Brandanschlägen in Bad Oldeslohe und Berlin zum Nachteil einer am Bau von Militärfahrzeugen beteiligten deutschen Firma gegen den Aufbau und den Einsatz eigenständiger, von NATO und USA unabhängiger europäischer Militärstrukturen zu protestieren. Geäußert wurde von dieser Gruppe in einem Bekennerschreiben: "DEUTSCHE SOLDATEN SIND MÖRDER! GEGEN DAS GOOD OLD EUROPE DER MILITÄRS UND DES KAPITALS, FÜR EINE WELT DER REVOLUTION!" - 55 - 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder (Bund): ca. 4.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 90 Organisation: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit etwa acht regionalen Gruppierungen Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ) Wochenzeitung Auflage ca. 8.000 Exemplare "Marxistische Blätter" 2-monatlich erscheinendes Theorie-Organ Auflage ca. 3.000 Exemplare Die 1968 gegründete DKP definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.14 Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. Der knapp 90 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksverband RheinlandPfalz hat im Berichtszeitraum wieder Aktivitäten wie z.B. Flugblattverteilungen, Errichtung von Infoständen und vereinzelt auch die Herausgabe 14 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24) - 56 - von Kleinzeitungen durchgeführt. Aktivitätsschwerpunkte sind weiterhin in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein und Trier erkennbar. Bei der am 13. Juni 2004 in Rheinland-Pfalz stattgefundenen Kommunalwahl traten DKPMitglieder bei der Stadtratswahl in Idar-Oberstein und der Kreistagswahl Birkenfeld auf einer "Alternativen Liste" an. Mandate wurde jedoch von DKP-Mitgliedern nicht errungen. Die DKP trat bei der Europawahl am 13. Juni 2004 unter dem Motto " Ein anderes Europa ist möglich" erstmals seit acht Jahren wieder bundesweit an; sie konnte jedoch sowohl bundesweit als auch landesweit lediglich einen Stimmenanteil von 0,1% erringen. Dem Aktionismus der Partei sind in Folge der weiterhin desolaten Finanzlage und der fortschreitenden Überalterung der Mitgliederstruktur immer engere Grenzen gesetzt. Weiterhin im Mittelpunkt innerparteilicher Diskussionen steht die angestrebte Neufassung des Parteiprogrammes der DKP aus dem Jahre 1978. Nicht absehbar ist jedoch, wann mit einem Abschluss dieser Diskussion gerechnet werden kann. 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Gründung: 1989/1990 (Umbenennung SED in PDS) Sitz: Berlin Mitglieder (Bund): 65.753 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): 250 Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 11 Kreisverbänden Das politisch-ideologische Selbstverständnis der Partei ist weiterhin von marxistischen Traditionslinien geprägt. Die PDS akzeptiert nach wie vor in - 57 - ihren Reihen offen extremistische Strukturen (u.a. "Kommunistische Plattform") und arbeitet kontinuierlich mit deutschen und ausländischen linksextremistischen Parteien zusammen. Als Sprachrohr der Partei gilt die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Neues Deutschland" - Geschäftsführer und Verlagsleiter ist seit Mai 2004 Dr. Dietmar Bartsch, der u.a. von 1998 bis 2002 Bundesgeschäftsführer der PDS und Mitglied der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag war. Der PDS-Landesverband Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz verfügt über eine landesweite Organisationsstruktur. Aktive Kreisverbände bestehen insbesondere in Alzey-Worms, Bad Kreuznach, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz-Bingen, Neuwied, Pirmasens und Trier. Der Landesverband gibt die unregelmäßig erscheinende Schrift "linksrheinische" als Landeszeitung der PDS heraus und informiert, ebenso wie die Mehrzahl der vorgenannten Kreisverbände, kontinuierlich im Internet über politische Ziele, Aktivitäten und anstehende Termine. Die Partei hat in Rheinland-Pfalz insbesondere ihr kommunalpolitisches Engagement erhöht und kandidierte bei der Kommunalwahl mit einer eigenständigen Liste bei den Stadtratswahlen in Worms und Pirmasens. Mit 2,2% in Worms und 2,6% in Pirmasens konnte jedoch kein Stadtratsmandat errungen werden. Wichtigstes innerparteiliches Ereignis auf Bundesebene war die Wahl zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004. Die PDS erzielte bundesweit 6,1% (= 1.579.693 Stimmen) und damit 0,3 Prozentpunkte mehr als 1999 (5,8% = 1.567.745 Stimmen). Im neuen EU-Parlament ist die PDS daher mit sieben statt bisher sechs Abgeordneten vertreten. Das Europawahlergebnis der PDS für Rheinland-Pfalz beträgt 1,2% (1999 = 0,8%). Nachdem die PDS am 10. und 11. Januar 2004 ein Vorbereitungstreffen zur Gründung einer "Partei der europäischen Linken" (EL) in Berlin durch geführt hatte, wurde der Gründungskongress der "Partei der europäischen Linken" am 8. und 9. Mai 2004 in Rom vollzogen. Neben der PDS sind - 58 - u.a. die "Kommunistische Partei Böhmens und Mährens" aus Tschechien, die "Kommunistische Partei Griechenlands", das kommunistisch dominierte Linksbündnis "Vereinigte Linke" aus Spanien, die "Französische kommunistische Partei", die "Partei der kommunistischen Wiedergründung" aus Italien, die "Partei der Kommunisten Italiens" und die "Kommunistische Partei Portugals" in diesem Bündnis vertreten. Im Mittelpunkt der am 30./31. Oktober 2004 durchgeführten 1. Tagung des 9. Parteitages in Potsdam stand die Neuwahl des Parteivorstandes (u.a. Wiederwahl von Lothar BISKY als Parteivorsitzender) und als maßgebliches Ziel wurde der Wiedereinzug der PDS in den nächsten Bundestag (Herbst 2006) sowie eine offensive Auseinandersetzung mit dem "sozialen Kahlschlag" der Bundesregierung genannt. Der PDS-nahe im Juni 1999 gegründete Jugendverband "solid" ist seit Oktober 2000 auch in Rheinland-Pfalz mit einem eigenständigen Landesverband vertreten, der jedoch wie in den Vorjahren weitgehend inaktiv war. Er wird gemäß einem Beschluss des PDS-Landesparteitages vom 4./5. November 2000 mit 5% des Beitragsaufkommens aus den Mitgliedsbeiträgen der PDS Rheinland-Pfalz finanziell unterstützt. - 59 - 3. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Im Bereich der sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern kam auch im Jahre 2004 dem Islamismus und seinen Akteuren eine besondere Bedeutung zu. Bislang gab es in der Bundesrepublik Deutschland zwar keine islamistisch motivierten Terroranschläge, doch international betrachtet gingen die Gewaltaktionen militanter Islamisten unvermindert weiter und erreichten am 11. März 2004 mit den Anschlägen auf Züge in Madrid in bisher nicht bekanntem Maße ein EULand. Auch in Deutschland wurden 2004 mehrere Terrorverdächtige enttarnt, was die Bedrohung durch den Islamismus - insbesondere in seiner gewaltsamen Ausprägung - verdeutlicht. Die größte nicht-islamistische Organisation aus dem Bereich der "sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern" stellt der KONGRA GEL Kurdistan dar. Herbei handelt es sich um die seit November 2003 bestehende Nachfolgeorganisation der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans). Von den knapp 300.000 Ausländern in Rheinland-Pfalz sind etwa 1.300 in Vereinigungen mit extremistischer Zielsetzung organisiert. Die Zahl der in extremistischen Vereinigungen organisierten Ausländer in Rheinland-Pfalz ist damit gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben. 3.1 Personenpotential Bund (2003) Rheinland-Pfalz (2003) Gesamt: 57.520 (57.300) 1.300 (1.300) Linksextremisten: 17.290 (17.470) 500 ( 500) Extreme Nationalisten: 8.430 (8.880) 100 ( 100) Islamistische Extremisten: 31.800 (30.950) 700 ( 700) alle Angaben gerundet - 60 - 3.2. Gewalttatenzahlen Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2004 2003 Gesamt: 1 2 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: -- 1 Körperverletzungen: 1 -- Brandstiftungen: -- -- Sprengstoffexplosionen: -- -- Landfriedensbruch: -- -- Freiheitsberaubungen: -- 1 Raub/Erpressungen: -- -- 3.3 Extremismus islamistischer Prägung 3.3.1 Islamismus: Ideologie und Ziele Beim Islamismus handelt es sich um eine spezifische Erscheinungsform des Islam, bei der sich religiöse Vorstellungen und Begriffe in vielfältiger Weise mit politischen Zielen vermischen. Der Islamismus wird international von vielen einzelnen Organisationen, Parteien und informellen Personenzusammenschlüssen repräsentiert und weist ein Spektrum unterschiedlicher Meinungen und Methoden auf. Im wesentlichen teilen die verschiedenen islamistischen Gruppierungen jedoch folgende Überzeugungen und Ziele: 1. "Der Islam ist Religion und Staat" (arabisch: Al-Islam din wa-daula). Der Islam ist demnach nicht eine rein private Glaubensangelegenheit, sondern ein umfassendes und für alle Muslime verbindliches Staatsund Gesellschaftsmodell. Ziel ist eine öffentliche Ordnung, in der alle - 61 - Lebensbereiche vom Islam geregelt werden. Säkularismus, also die Trennung von Religion und Staat, wird als unislamisch abgelehnt. Islamisten in Deutschland streben mehrheitlich keinen islamischen Staat auf deutschem Boden an, sondern wollen größere Freiräume für die muslimische Gemeinde. Dies läuft jedoch vielfach auf einen Kollektivzwang und vermindertes Selbstbestimmungsrecht für den einzelnen Muslim hinaus, unter Umständen gar auf eine deutliche Einschränkung seiner im Grundgesetz festgelegten Grundrechte, wie die Glaubensund Meinungsfreiheit. Insbesondere Frauen werden in ihrem Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit eingeschränkt. 2. "Der Islam ist die Lösung" (Al-Islam huwa al-hall). Nach Auffassung von Islamisten ist die heutige Situation der Muslime durch Korruption und Willkürherrschaft, Kriminalität und Kriege, Materialismus und Sittenlosigkeit, Zersplitterung und interne Konflikte gekennzeichnet. Ursächlich hierfür sind nach ihrer Ansicht die Abkehr der Muslime vom Islam und die "Invasion" (ghazwa) westlicher Einflüsse. Eine ernsthafte Befolgung des Islam werde für Gerechtigkeit, Ordnung, Frieden, Anstand, innermuslimische Solidarität und Stärke sorgen. 3. Prinzip der "Souveränität Gottes" (Hakimiyyat Allah). Konkret heißt dies: Gott hat im Koran Gesetzesvorschriften festgelegt, die ewig und unabänderlich sind. Der Mensch hat die göttlichen Gesetze zu befolgen. Es steht ihm nicht zu, eigene Gesetze zu schaffen, wenn es bereits göttliche Vorschriften gibt. Die Volkssouveränität, ein wesentliches Prinzip der Demokratie, wird dadurch stark eingeschränkt. 4. "Keine Rechtserneuerung bei einem (eindeutigen) Text". Islamisten sind der Auffassung, dass der Koran klar und eindeutig (mubin) ist und Interpretation und Auslegung sich daher im wesentlichen erübrigen. In dem Bemühen um klare Antworten verkünden sie: dies ist islamisch, jenes unislamisch, dies ist erlaubt (halal), jenes verboten (ha- - 62 - ram). Abweichende Meinungen werden nicht toleriert. Reformmuslime sowie Islamkritiker aus muslimischen Reihen droht sogar die Gefahr, zu Ungläubigen erklärt und bestraft zu werden - ein Phänomen, für das im Arabischen ein eigener Begriff, takfir, existiert. Dass auch Nichtmuslime ihre Kritik am Islam mit dem Leben bezahlen können, zeigte am 2. November 2004 die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh in Amsterdam, der in seinem Film "Submission" die Gewalt an muslimischen Frauen thematisiert und dies mit harscher Kritik am Islam verknüpft hatte. Durch ihre "Zensur" hinsichtlich erlaubter und verbotener Meinungen und Verhaltensweisen haben Islamisten inzwischen eine Machtposition erreicht, die über ihren proportionalen Anteil an der muslimischen Gesamtbevölkerung hinausgeht, obwohl ihre Aktivitäten in vielen - auch muslimischen - Staaten eingeschränkt oder sogar verboten sind. 5. Bedeutung der "islamischen Gemeinde" (al-umma al-islamiyya). Islamisten beziehen aus dem Islam - oder ihrem Verständnis vom Islam - nicht nur Regeln der Lebensführung, sondern auch ihre Identität sowie ihr Gruppenzugehörigkeitsgefühl über nationale Grenzen hinweg. Das von ihnen propagierte und teils auch gelebte "Wir-Gefühl" innerhalb der islamischen Gemeinde geht meist mit einer deutlichen moralischen Abwertung der Nichtmuslime bzw. "Ungläubigen" einher. Die Kategorisierung in Muslime und Nichtmuslime wirkt sich unmittelbar auf ihre Wahrnehmung und Darstellung der Weltpolitik aus, die als "Kampf der Kulturen" bzw. Kreuzzug des Westens gegen den Islam erscheint. Gewalt wird dabei nicht per se verurteilt, sondern lediglich, wenn sie von Nichtmuslimen ausgeht; Leid wird zur Sprache gebracht und gezeigt, sofern es um das Leid von Muslimen geht. Die Zeitungsund Zeitschriftenartikel, Internetseiten und Fernsehberichte islamistischer Gruppierungen zu politischen Themen haben regelmäßig nur eine Botschaft: Muslime sind die Opfer, Nichtmuslime die Täter, sei es in Afghanistan, Israel, Kaschmir, Tschetschenien oder im Irak. Dies - 63 - geht teilweise so weit, dass selbst bei Terrorakten islamistischer Terroristen die Verantwortung bei der Gegenseite gesucht wird. Exemplarisch hierfür ist die folgende Passage aus der türkisch-islamistischen Tageszeitung "Milli Gazete" zur Geiselnahme in Beslan (Kaukasus) im September 2004: Die Terrorschmiede Die Anzeichen hinter dem Geiseldrama in Beslan, dem sich Putin in bekannter Manier zuwendet, lassen offenkundig werden, dass sie das Ziel haben, den Islam und die Muslime anzuschwärzen. Eine internationale Abrechnung Zwei abgestürzte Flugzeuge in Russland, eine Explosion in der Moskauer Metro und schließlich das Geiseldrama -- das alles sieht nach einem weiteren Kapitel einer internationalen Abrechnung aus. Ein Besuch von Bedeutung Das Gipfeltreffen, das Putin [...] mit Frankreich und Deutschland organisiert hat [...] lässt die Frage aufkommen, wer hinter der Schmiede von Terrorakten steht [...] Einen Zusammenhang zwischen Muslimsein und einer derartigen Tötung unschuldiger Menschen und Kinder kann es nicht geben." (Milli Gazete online, 6. September 2004, übersetzt aus dem Türkischen) Durch die stetige Gegenüberstellung von Muslimen und Nichtmuslimen sowie die pauschale Rollenund Schuldzuweisung in Verbindung mit Verschwörungstheorien fördern Islamisten im ganzen ein Feindbilddenken, das dem Gedanken der Völkerverständigung und des friedlichen Zusammenlebens der Völker widerspricht. Dies ist umso bedenklicher, als sich Islamisten seit dem 11. September 2001 und den Folgeereignissen verstärkt als Gegner westlicher Staaten und ihrer Politik positioniert haben und gerade damit bisher moderate Muslime für ihre Ziele zu werben versuchen. 3.3.2 Militanter Islamismus Die Mehrheit der Islamisten weltweit wie in Deutschland artikuliert ihren Protest gegen die Politik der USA, Israels und ihrer Verbündeten verbal - 64 - und setzt keine Gewalt zum Ausdruck ihres Protestes oder zur Erreichung ihrer Ziele ein. Allerdings haben sich international bekanntermaßen mehrere militante und terroristische Gruppierungen mit islamistischem Hintergrund herausgebildet. Terroristische Gruppierungen waren auch im Berichtsjahr in einer Reihe von Ländern (Ägypten, Irak, Israel, Russland, Spanien u.a.) für eine hohe Zahl von Todesopfern und Verletzten verantwortlich und stellen weiterhin eine große Gefahr für den globalen Frieden dar. Für das Spektrum militanter Glaubenskämpfer wird vielfach die Bezeichnung "Arabische Mudjahidin" verwendet, wenngleich sich dieses weltweite amorphe Netzwerk nicht ausschließlich aus Muslimen arabischer Herkunft zusammensetzt. Ihre Argumentationskette lautet im wesentlichen: Der Westen greift islamische Länder an. Der Koran gebietet die Verteidigung. Bewaffneter Kampf ist legitim, ja religiöse Pflicht. Wir kämpfen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wer im Djihad stirbt, ist ein Märtyrer und geht sogleich in das Paradies ein. Militante und terroristische Gruppierungen bedienen sich in zunehmendem Maße des Internets, um ihre Überzeugungen mit Hilfe drastischer Bilder und einer wortgewaltigen Rhetorik zu verbreiten. Die "Arabischen Mudjahidin" verteilen sich im wesentlichen auf drei Segmente: 1. Die transnationale Organisation "al-Qaida" (Die Basis). Ihr Gründer und Führer Usama BIN LADIN zog im Jahre 2004 insbesondere durch einige Audio-Botschaften und eine Video-Botschaft wenige Tage vor der US-Präsidentschaftswahl die internationale Aufmerksamkeit auf sich. Darin verschärfte er seine Drohungen gegen diejenigen, die sich seiner Auffassung nach gegenüber den Muslimen feindselig verhalten. Angesprochen sind damit insbesondere die USA und weiterhin all ihre Verbündeten, auch im muslimischen Raum selbst. Mit seinen An- - 65 - sprachen stellt sich Usama BIN LADIN für alle Glaubenskämpfer - also nicht nur innerhalb der "al-Qaida" - als "geistliche" Autorität dar. Der Zusammenbruch des Taliban-Regimes in Afghanistan in den Jah-ren 2001 und 2002 zwang einen Großteil der "al-Qaida"-Angehörigen und Mudjahidin, in andere Länder und Gebiete auszuweichen, konnte das flexible Netzwerk allerdings nicht zerschlagen. Im Oktober 2004 schwor Abu Musab AL-ZARQAWI, dem zahlreiche Terroranschläge im Irak zur Last gelegt werden, Usama BIN LADIN die Treue und änderte den Namen seiner eigenen Organisation "AlTauhid wal-Djihad" (Einheit und Djihad) zu "Organisation al-Qaida für den Djihad im Zweistromland", was auf eine Angliederung an al-Qaida schließen lässt. 2. Regionale militant-islamistische Organisationen wie die algerische GSPC ("Groupe Islamique pour la predication et le combat"), die indonesische "Jemaah Islamiyya" oder die vor allem im Irak aktive "Ansar al-Islam". All diese Organisationen sind für verschiedene Terroranschläge, teilweise auch Entführungen innerhalb eines begrenzten O- perationsgebietes verantwortlich. 3. So genannte "non-aligned Mudjahidin", d.h. Aktivisten, die sich in Kleinund Kleinstgruppen zusammengeschlossen haben und (weitgehend) selbständig operieren. Die drei Segmente sind nicht als isolierte Blöcke aufzufassen. Bisherige Ermittlungsergebnisse lassen im Gegenteil auf ein komplexes Geflecht grenzüberschreitender Querverbindungen schließen. Innerhalb Europas kommt den autonomen regionalen Zellen, also den "non-aligned Mudjahidin", eine besondere Bedeutung zu. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden auch die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid mit 191 Todesopfern von Angehörigen dieses Segments geplant und durchgeführt. - 66 - Deutschland wurde von militanten Islamisten bislang hauptsächlich als Ruheund Vorbereitungsraum für Anschläge in anderen Ländern genutzt und war selbst kein Schauplatz von islamistisch motivierten Terroranschlägen. Auf Grund der Beteiligung Deutschlands am Antiterrorkampf, seiner Truppenpräsenz in Afghanistan sowie der hohen Zahl sich hier befindender militärischer Einrichtungen des Nato-Partners USA steht aber auch Deutschland im Blickfeld von Terroristen - wenngleich etwas nachrangig. 3.3.3 Islamistische Bestrebungen und Gruppierungen in Rheinland-Pfalz Von den ca. 100.000 Muslimen in Rheinland-Pfalz unterstützen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ungefähr 700 Personen islamistische Bestrebungen. Die meisten dieser Personen gehören vereinsrechtlich strukturierten Organisationen an und vertreten einen nicht-militanten Islamismus. Es liegen jedoch Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne Personen dem militanten Bereich angehören oder zumindest Kontakte zum Mudjahidin-Komplex im Inund Ausland unterhalten. Der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz führte auch im Berichtsjahr in enger Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden operative Maßnahmen zur Überwachung der Aktivitäten solcher Verdachtspersonen durch. Dabei wurden im Falle eines irakischen Staatsangehörigen und eines staatenlosen Palästinensers Erkenntnisse gewonnen, die auf Terrorplanungen hindeuteten. Auf Grund dessen erfolgte am 23. Januar 2005 die Festnahme der beiden Personen durch die Polizei in Mainz bzw. Bonn. Im unmittelbaren Anschluss erließ der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB) bzw. ihrer Unterstützung Haftbefehl gegen sie. Von den rund 100 Moscheevereinen und muslimischen Gebetsstätten in Rheinland-Pfalz weisen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes 2025 Bezüge zum Islamismus auf. Konkret handelt es sich dabei um etwa 15 IGMG-Moscheen, zwei "Kalifatsstaat"-Moscheen sowie einzelne Mo- - 67 - scheen mit Besuchern aus arabischen und anderen muslimischen Ländern. Eine ausschließliche Zuordnung jener Moscheen zu einer islamistischen Organisation ist gleichwohl nicht möglich. Vielmehr mischen sich einzelne Angehörige von islamistischen Organisationen wie "Hizb utTahrir" (s. 3.3.3.3) oder "Tabligh-i Jamaat" (s. 3.3.3.7) unter die meist nicht organisierten Besucher. Hierbei besteht die Gefahr, dass sie ihren Einfluss in der Moschee geltend machen und zu einer Radikalisierung der Gemeinde oder einzelner Personen beitragen. Eine gezielte Rekrutierung von Muslimen zum Einsatz im Djihad gibt es nach bisherigen Erkenntnissen in Rheinland-Pfalz allerdings nur in Einzelfällen. Antiwestliche und antijüdische Aussagen wurden im geselligen und informellen Teil der Moscheebesuche in Rheinland-Pfalz gelegentlich festgestellt. Zustimmung zum Widerstand im Irak wurde des öfteren artikuliert, während Terrorakte wie in Madrid und Beslan von der großen Mehrheit abgelehnt werden. Die Predigten sind mit zunehmender Tendenz rein religiös gehalten und klammern politische Themen aus. Dies dürfte oft allerdings als vordergründig zu bezeichnen sein. 3.3.3.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), Neugliederung als IGMG 1995 Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder (Bund) 26.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 600 Wie in allen anderen Bundesländern ist die IGMG mit etwa 600 Mitgliedern (Bund ca. 26.500) und rund 18 Vereinen auch in Rheinland-Pfalz (z.B. in Mainz, Ludwigshafen am Rhein, Frankenthal, Worms und Neuwied) die größte Organisation islamistischer Prägung. Sie ging 1985 aus - 68 - der "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervor. Eine zweite aus der AMGT hervorgegangene Organisation, die "europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG), ist für die Verwaltung des (IGMG-) Immobilienbesitzes zuständig. Ihre wesentlichen Ziele und Aufgaben umreißt die IGMG in ihrer Satzung (SS 2.1, Ziel und Zweck) folgendermaßen: "Der Verein ist eine islamische Religionsgemeinschaft, die das religiöse Leben der Muslime umfassend organisiert. Aufgabe des Vereins ist die Pflege und Verkündung des islamischen Religionsbekenntnisses und die Betreuung und Vertretung der Interessen der Muslime. Der Verein befasst sich mit sämtlichen Angelegenheiten, die Muslime betreffen." In der Tat bietet die IGMG hiesigen Muslimen, speziell ihren Mitgliedern, ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet unter anderem Kurse in islamischer Unterweisung, die Durchführung von Pilgerund Kulturreisen, Seelsorge sowie Frauenund Jugendarbeit. Die Jugendarbeit, die neben Koranunterricht, Computerund Sprachkursen auch Sportund Freizeitaktivitäten umfasst, dient dabei auch dem Zweck, junge Menschen an die Organisation und ihr Verständnis eines islamischen Lebens zu binden. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Die IGMG unterstützt weiterhin Bestrebungen auch politischer Art, die unvereinbar mit Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind. Diese Einschätzung gründet sich auf die Einbindung der IGMG in einem miteinander verzahnten Komplex, bestehend aus der Bewegung/Weltanschauung Milli Görüs, der Saadet Partisi ("Glückseligkeitspartei") in der Türkei und der Tageszeitung Milli Gazete ("Nationale/konfessionelle Zeitung"). Eine wirkliche Emanzipation der IGMG von Necmettin ERBAKAN, dem Führer der Milli Görüs, hat bisher nicht stattgefunden. In Folge dessen bleiben Positionen ERBAKANs und der Milli Görüs hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Staat sowie einer angeblichen Verschwörung gegen Muslime auch bei der IGMG erkennbar. - 69 - Dies tritt in der Milli Gazete deutlich zutage, einer Zeitung, die zwar formal von der IGMG unabhängig ist, die aber de facto eng mit der IGMG verbunden ist. Darauf lassen u.a. folgende Fakten schließen: 1. Die Milli Gazete berichtet regelmäßig und umfänglich über lokale, regionale und bundesweite Veranstaltungen der IGMG. Die Artikel offenbaren eine derart detaillierte Kenntnis der Veranstaltungen, ihrer Teilnehmer und Termine, wie sie von einer organisationsunabhängigen Publikation kaum zu erwarten wäre. Fänden sich in der Milli Gazete Annoncen und Berichte über verschiedene muslimische Organisationen, könnte sie glaubhaft vertreten, ein "unparteiisches" Forum für Muslime zu sein, doch ist in der Milli Gazete im Gegenteil eine nahezu ausschließliche Bezugnahme auf die IGMG und die Saadet Partisi in der Türkei feststellbar. 2. Ausgaben der Milli Gazete liegen in zahlreichen IGMG-Vereinen zur Lektüre aus, so auch in Rheinland-Pfalz. In Milli Gazete finden sich in dichter Regelmäßigkeit massive, ja diffamierende antiisraelische und antiamerikanische Aussagen sowie Verschwörungstheorien. Stellvertretend für eine Vielzahl vergleichbarer Aussagen sei hier ein übersetzter Auszug aus einem Artikel wiedergegeben. Die zitierte Passage nimmt Bezug auf die Tötung des geistlichen HAMASFührers Ahmed YASSIN durch einen israelischen Hubschrauberangriff am 22. März 2004. "Der 67-jährige gelähmte Ahmed YASSIN wurde, während er sich mit seinem Rollstuhl auf dem Heimweg vom Morgengebet befand, von der verfluchtesten Rasse der Erdoberfläche zum Märtyrer gemacht. Die von Ahmed YASSIN gegründete HAMAS ist entgegen der Behauptungen der Zionisten keine Terrororganisation. (...) Das Hirn des Terrors befindet sich in Washington, New York und Tel Aviv. Das Zentrum des Terrors ist nicht der Nahe Osten, sondern Harlem. Ahmed YASSIN war die Würde der gesamten Menschheit gegen den zionistischen Terror." (Milli Gazete, 23. März 2004, S. 9, übersetzt aus dem Türkischen) - 70 - Eine glaubwürdige Distanzierung der IGMG von Milli Gazete und ihren Inhalten ist bis heute nicht erfolgt. Zwar konnte in rheinland-pfälzischen IGMG-Vereinen eine Agitation, wie sie für Milli Gazete charakteristisch ist, nicht festgestellt werden, gleichwohl liegen Erkenntnisse darüber vor, dass auch dort die Milli Gazete zur Lektüre ausgelegt wird und deren Gedankengut somit verbreitet wird. Auch im Jahre 2004 setzte die IGMG juristische Mittel ein, um sich gegen die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden und die Berichterstattung über ihre Aussagen und Ziele zu wehren. Diese Klagen wurden bisher jedoch regelmäßig von den angerufenen Verwaltungsgerichten abgewiesen. Die in Rheinland-Pfalz anhängigen Klageverfahren der Einbürgerungsbewerber wegen der Ablehnung ihrer Einbürgerungsanträge wurden bisher von den zuständigen Verwaltungsgerichten in Neustadt/Weinstraße bzw. Mainz ebenfalls abgewiesen. Bemerkenswert ist hierbei die Tatsache, dass die Klageabweisung nicht nur in Klageverfahren von IGMG-Funktionären, sondern auch bei "einfachen" IGMG-Mitgliedern erfolgte. Derzeit ist in Rheinland-Pfalz ein Berufungsverfahren wegen der Ablehnung des Einbürgerungsantrages eines IGMG-Funktionärs vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz anhängig. 3.3.3.2 "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), Umbenennung in "Kalifatsstaat" 1994 (türkisch: Hilafet Devleti) Vereinsverbot: seit 2001 Sitz: Köln Mitglieder (Bund) ca. 750 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 40 - 71 - Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" geht auf den Umstand zurück, dass sich der Vereinsgründer Cemaleddin KAPLAN von seinen Anhängern im Jahr 1994 als Kalif ausrufen ließ und das Kalifat als unverzichtbaren Bestandteil des Islam deklarierte. Gegenwärtig trägt sein Sohn und Nachfolger Metin KAPLAN, trotz der mittlerweile erfolgten Abschiebung, innerhalb der Organisation den Kalifentitel. Ziel des "Kalifatsstaates" ist ein panislamisches Reich unter der Führung eines Kalifen und mit der Scharia als Rechtsordnung. Die Demokratie und ihre tragenden Prinzipien wie die Volkssouveränität, das Mehrparteiensystem und das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Religionen werden in Schriften des "Kalifatsstaates" expressis verbis abgelehnt. Die Befolgung politisch-extremistischer Ziele in Kombination mit einer ausgeprägten Agitation gegen Juden, Israel und die türkische Regierung führte im Dezember 2001 nach der Streichung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsgesetz zu einem Vereinsverbot. Im Zuge dessen wurden seitdem bundesweit 35 als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifizierte Vereine verboten, darunter drei in Rheinland-Pfalz, nämlich der "Islamische Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer e.V.", die "Islamische Union Ludwigshafen e.V." und der "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung e.V.". Die Moscheeräumlichkeiten in Bad Kreuznach und Ludwigshafen, nicht aber in Mainz, werden von Anhängern des "Kalifatsstaat" weiterhin genutzt, insbesondere zum Freitagsgebet. Das Vereinsverbot hat insofern Wirkung gezeigt, als politische Propaganda in den rheinland-pfälzischen "Kalifatsstaat"-Moscheen nahezu zum Erliegen gekommen ist. Auch eine nennenswerte Protestreaktion auf die bereits erwähnte Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei blieb aus. Die Abschiebung Metin KAPLANs in die Türkei erfolgte am 12. Oktober 2004. Das Verwaltungsgericht Köln hatte am 12. Oktober 2004 bekannt gegeben, dass Metin KAPLAN trotz der noch laufenden Revision beim - 72 - Bundesverwaltungsgericht in die Türkei abgeschoben werden dürfe. Das Verwaltungsgericht Köln erklärte, KAPLAN sei "als Identifikationsfigur für den islamischen Extremismus" anzusehen. Es sei deshalb notwenig, seinen Aufenthalt in Deutschland zu beenden. Das Interesse KAPLANs an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet habe "hinter dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Abschiebung zurückzustehen", hieß es in der Begründung. Metin KAPLAN wurde daraufhin von Kräften des Polizeipräsidiums Köln im Rahmen der Vollzugshilfe für die Stadt Köln am 12. Oktober 2004 in Köln in Gewahrsam genommen. Da gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln kein Widerspruch eingelegt wurde, konnte Metin KAPLAN am gleichen Tag vom Flughafen Düsseldorf mit einem gecharterten Flugzeug in die Türkei abgeschoben werden.Vorausgegangen war ein monatelanges juristisches Tauziehen, welches nach der Haftentlassung Metin KAPLANs aus dem Gefängnis im Jahre 2003 begann. Im Mai 2004 hatte das Verwaltungsgericht Köln die Ausweisungsverfügung der Stadt Köln gegen Metin KAPLAN bestätigt. KAPLAN wurde fortan in Deutschland nur noch geduldet. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln legte KAPLAN hinsichtlich der Aberkennung seines Asylstatus und der in diesem Urteil getroffenen Abschiebeentscheidung Berufung ein. Mit Urteil vom 26. Mai 2004 hat das Oberverwaltungsgericht Münster auf die Berufung der Bundesrepublik Deutschland dazu die Klage von Metin KAPLAN wegen Gewährung von Abschiebeschutz abgewiesen. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung wurde Herrn KAPALN mittels Ordnungsverfügung die Abschiebung angedroht und die zwangsweise Rückführung in die Türkei für den 2. Juni 2004 angekündigt. Nach Einreichung eines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz durch Herrn KAPLAN hat das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 27. Mai 2004 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs für den Zeitraum von zwei Monaten angeordnet. Das Ausländeramt der Stadt Köln hat am 3. Juni 2004 gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das - 73 - Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 12. Oktober 2004 stattgegeben. Die Zukunft des "Kalifatsstaates" scheint nach der Abschiebung KAPLANs ungewisser denn je. Derzeit ist nicht erkennbar, wer die organisatorischen Aufgaben des Verbandes während der Abwesenheit KAPLANs übernimmt oder übernehmen soll. Eine öffentliche oder interne Diskussion über einen möglichen Nachfolger Metin KAPLANs war bisher nicht festzustellen, denn ganz offensichtlich hält die Organisation trotz seiner Abschiebung bzw. "vorrübergehenden" Inhaftierung in der Türkei an ihm als Kalifen fest. Nachdem am 11. Dezember 2003 bundesweite Durchsuchungsmaßnahmen bei Beziehern der Vereinszeitung "Beklenen Asr-i Saadet" durchgeführt worden waren, stellte der "Kalifatsstaat" diese Publikation ein. Seit Februar/März 2004 fungiert allerdings eine neue, offenbar in den Niederlanden gedruckte Zeitung mit dem Namen "Barika-i Hakikat" ("Das Aufleuchten der Wahrheit") als Forum des "Kalifatsstaats". Auch in dieser Zeitung werden bekannte Themen aus dem Bereich des Islamismus und die für Islamisten typischen Feindbilder aufgegriffen, die Rhetorik fällt insgesamt aber weniger scharf aus als bei den beiden Vorgängerpublikationen des "Kalifatsstaats". Bezüge zum "Kalifatsstaat" und seiner Ideologie bleiben allerdings auch in der "Barika-i Hakikat" - ebenso wie auf der Internetseite www.barikaihakikat.com - offenkundig. Neben den vorgestellten türkisch-islamistischen Organisationen sind in Rheinland-Pfalz auch einige arabische und transnationale Organisationen des islamistischen Spektrums vertreten, allerdings nicht mit Strukturen, sondern lediglich durch Einzelpersonen. Dabei handelt es sich um folgende Organisationen: - 74 - 3.3.3.3 "Hizb ut-Tahrir" (offizieller vollständiger Name: "Hizb ut-Tahrir alislami", "Islamische Befreiungspartei") Gründung: 1953 in Jerusalem Sitz: in Deutschland keine offizielle Niederlassung Mitglieder (Bund): 200 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne Organisation in Rheinland-Pfalz: keine verdeckte Einflussnahme in einzelnen Moscheen Die "Hizb ut-Tahrir" versteht sich als eine "politische Partei, deren Ideologie der Islam ist" (so die Selbstdarstellung auf ihrer Internetseite). Sie strebt die Errichtung eines panislamischen Staates unter der Führung eines Kalifen sowie die konsequente Umsetzung der Scharia in ihrer traditionellen Ausformung an. Alle Lebensbereiche sollen durch den Islam geregelt werden; alternative Ordnungskonzepte innerhalb des islamischen Staates besitzen keine Legitimität und werden in deutlichen Worten verurteilt. Das Territorium des israelischen Staates wird ganz zum "Gebiet des Islam" und dem angestrebten islamischen Großreich gerechnet. Daraus ergibt sich auch das Ziel, den Staat Israel zu beseitigen. Die "Hizb ut-Tahrir" tritt zwar publizistisch offensiv und in mehreren Sprachen in Erscheinung, geht ihren sonstigen Aktivitäten aber vielfach im Untergrund nach, da sie in sämtlichen Ländern des Nahen Ostens und Zentralasiens, ihrer heutigen Schwerpunktregion, verboten ist. In der Bundesrepublik Deutschland wurde durch Verfügung des Bundesinnenministeriums mit Wirkung vom 15. Januar 2003 ein Betätigungsverbot erlassen, da sich die Gruppierung, so die Begründung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte und Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Belange befürworte. Zugleich wurde ein vereins- - 75 - rechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Organisationsverbots eingeleitet. Zur Umsetzung des Betätigungsverbotes wurden bundesweit am 15. Januar und 10. April 2003 die Wohnungen von maßgeblichen Mitgliedern der "Hizb ut-Tahrir" durchsucht, darunter fünf in Rheinland-Pfalz. Hierbei wurde in erster Linie Schriftgut sichergestellt, und zwar zahlreiche Ausgaben der deutschsprachigen Zeitschrift "explizit", die der "Hizb utTahrir" zuzuordnen ist, sowie von der Organisation herausgegebene Bücher und Zeitschriften. Am 8. Dezember 2004 fanden in Bayern, Berlin und Niedersachsen erneut Wohnungsdurchsuchungen bei mehreren Personen statt, die beschuldigt werden, gegen das Betätigungsverbot verstoßen zu haben. Auch dieses Mal wurde Schriftmaterial sichergestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 21. Januar 2004 in einem Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage der "Hizb ut-Tahrir" gegen das Betätigungsverbot festgestellt. Die "Hizb ut-Tahrir" hat inzwischen einen Teil ihrer Klagebegründung an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Eine Entscheidung steht noch aus. 3.3.3.4 "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") / "Islamische Zentren" Gründung: 1928 in Ägypten Mitglieder (Bund) 1.300 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) einzelne Die "Muslimbruderschaft" wurde 1928 von Hasan al-Banna in Ägypten gegründet und verbreitete sich anschließend in zahlreichen arabischen Staaten sowie in Ländern, in denen arabische Muslime leben. Aus den Reihen der Muslimbruderschaft gingen zudem neue Organisationen wie die HAMAS in den palästinensischen Gebieten und die "Islamische Heilsfront" (FIS) in Algerien hervor. Die "Muslimbruderschaft" strebt die Durchdringung der staatlichen Ordnung und des öffentlichen Lebens durch den Islam und seine Vorschriften - 76 - an. Sie betrachtet die Mehrzahl der Regime in der muslimischen Welt als unislamisch, ist jedoch von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Vergangenheit (insbesondere in Ägypten und Syrien) abgerückt. In der Bundesrepublik Deutschland haben sich Mitglieder der "Muslimbruderschaft" in der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) mit Hauptsitz in München organisiert. Ihr gehören acht so genannte "Islamische Zentren" in verschiedenen Städten an. In Rheinland-Pfalz bestehen keine Strukturen der "Muslimbruderschaft" bzw. IGD, es stehen ihr jedoch Einzelpersonen nahe. Zu den zentralen Anliegen der IGD gehört die Erziehung der Gläubigen zu "wahrhaften" Muslimen, was sie durch eigene Publikationen sowie ein großes Angebot an Seminaren, Vortragsveranstaltungen und die Organisation von Konferenzen zu erreichen versucht. Vertreter der IGD zeigen sich gesprächsbereit gegenüber christlichen und jüdischen Organisationen und bezeugen ihre Treue zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Aus der gleichzeitigen Verbreitung islamistischen Gedankengu-tes ergibt sich jedoch ein bisher noch nicht geklärtes Spannungsverhält-nis zu den Grundsätzen westlicher Demokratien. 3.3.3.5 "Islamischer Bund Palästina" (IBP) / "Al-Aqsa e.V." / HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) Mitglieder (Bund) 300 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) einzelne Die HAMAS wurde 1987 im Gaza-Streifen gegründet und steht heutzutage als eine islamistische und zugleich palästinensisch-nationalistische Organisation im Kampf gegen Israel in vorderster Front. Dies verdeutlicht sie nicht allein durch ihre antiisraelische Rhetorik, sondern darüber hinaus auch durch Selbstmordattentate, die im Wesentlichen von ihrem militärischer Arm, den "Izz al-Din al-Qassam-Brigaden", durchgeführt werden. - 77 - In der Bundesrepublik Deutschland werden die Interessen der HAMAS durch den 1981 in München gegründeten "Islamischen Bund Palästina" (IBP) vertreten. Der mit dem IBP verbundene Spendenverein "Al-Aqsa e.V." in Aachen wurde im August 2002 durch Verfügung des Bundesminister des Innern verboten. Durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2003 wurde die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des "Al-Aqsa e.V" angeordnet. Danach durfte der Verein vorläufig weiterhin Gelder sammeln, wenn die Verwendung dieser Gelder dem Bundesministerium des Innern nachgewiesen wird. Am 03.12.2004 hat der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichtes die Klage des "Al-Aqsa e.V." gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums abgewiesen. In der Begründung hat das Gericht darauf abgestellt, dass die Unterstützung der HAMAS-Sozialvereine in den Palästinensergebieten als Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung i.S.d. SS 3 VereinsG zu sehen ist, da eine Trennung der Unterstützungsleistungen zu sozialen oder terroristischen Zwecken einfach nicht vorgenommen werden könne. Der Kläger leiste mit seinem Verhalten einen bewussten Beitrag zu der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern. Daher sei die Verbotsverfügung des Bundesinnenministerium rechtmäßig. Auf der Grundlage dieser Entscheidung wurden von den zuständigen Landesbehörden entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse bei den zuständigen Verwaltungsgerichten beantragt und die Vereinsräume des "Al-Aqsa e.V." in Aachen, des "YATIM-Kinderhilfe e.V." in Essen sowie des "Bremer Hilfswerk e.V." in Bremen durchsucht. Bei letzteren besteht der Verdacht, dass diese Aufgaben des "Al-Aqsa e.V." übernommen haben. Darüber hinaus fanden Durchsuchungen in den Wohnungen der führenden Funktionäre der genannten Vereine statt. Die beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände wurden zum Zwecke der Vorauswertung den jeweils zuständigen Landesämtern für Verfassungsschutz übergeben. Eine Auswertung der Unterlagen findet derzeit statt. - 78 - 3.3.3.6 "Hizb Allah" (weitere mögliche Umschrift: "Hizbullah", "Partei Gottes") Gründung: 1982 im Libanon Mitglieder (Bund) 850 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) einzelne Die vom Iran unterstützte "Hizb Allah" gehört zu den wenigen islamistischen Organisationen schiitischer Prägung. Sie hat sich in ihrer Heimat, dem Libanon, nach und nach zu einer politischen Kraft etabliert und sich dabei von ihrem ursprünglichen Vorhaben, den Libanon in einen Staat nach iranischem Vorbild umzuwandeln, entfernt. Ihre Frontstellung gegen die israelische Präsenz in der Nahostregion besteht jedoch fort, wobei auch der bewaffnete Kampf und terroristische Aktionen eine Rolle spielen. Die "Hizb Allah" unterhält in diesem Zusammenhang einen militärischen Arm mit der Bezeichnung "Islamischer Widerstand" (Al-muqawama alislamiyya). Gewaltaktionen gingen von "Hizb Allah"-Mitgliedern in Deutschland bislang nicht aus. Von den vereinzelten rheinland-pfälzischen "Hizb Allah"Anhängern wurden im Jahre 2004 keine Aktivitäten mit ExtremismusBezug registriert. 3.3.3.7 "Tabligh-i Jamaat" (Gemeinschaft der Verkündung) Alternativbezeichnung: "Al-Tabligh wa I-dawa" (Verkündung und Aufruf/Mission) - möglicherweise nur ein Zweig der "Tabligh-i Jamaat" Gründung: 1927 bei Delhi, Indien Hauptsitz: Delhi, nach anderen Angaben Lahore bzw. Raiwind, Pakistan Europazentrale: Dewsbury, Großbritannien - 79 - Mitglieder (Bund) 450 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 10 Strukturen in Rheinland-Pfalz: keine Die "Tabligh-i Jamaat" hat sich während der zurückliegenden Jahrzehnte von Indien aus in zahlreiche Länder verbreitet und zählt heute weltweit zu den größten und einflussreichsten islamistischen Organisationen und Bewegungen. Sie charakterisiert sich selbst als eine religiös-missionarische Bewegung ohne politische Ambitionen. In der Tat nimmt die Verkündung eines "richtigen" Islamverständnisses unter "fehlgeleiteten" Muslimen sowie orientierungslosen jungen Muslimen in der "Diaspora" eine zentrale Stellung im Programm der "Tabligh-i Jamaat" ein. Die Missionierung unter Nichtmuslimen spielt hingegen nur eine nachrangige Rolle. Ihre Lehre vermittelt die "Tabligh-i Jamaat" nahezu ausschließlich auf Schulungslehrgängen und Seminaren. Vom 29. April bis 2. Mai 2004 führte sie in Hamburg ein internationales Begegnungstreffen mit Vorträgen und Diskussionsrunden durch. In ihrem Bestreben, Muslime zu einer "wahrhaft islamischen" Lebensführung anzuleiten, offenbart die "Tabligh-i Jamaat" einen rigorosen Charakter. Erkennbar wird dies u.a. an der strikten Segregation der Frau und einer deutlichen Abgrenzung gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften, ja sogar gegenüber Muslimen, die nicht der "Tabligh-i Jamaat" angehören. Im Zuge internationaler Terrorermittlungen haben sich in auffallender Weise die Fälle gehäuft, in denen die Radikalisierung von späteren Glaubenskämpfern und ihre Vermittlung in Kampfgebiete wie Afghanistan und Kaschmir über die "Tabligh-i Jamaat" führten. Die Organisation selbst hat zwar bisher keine Gewalttaten ausgeführt, hat sich aber seit den 90-er Jahren verstärkt dem Gedanken des Djihad zugewandt. Daher besteht die Gefahr, dass sich die "Tabligh-i Jamaat" in verstärktem Maße zu einer - 80 - Rekrutierungsbasis für militante und terroristische Gruppierungen entwickelt und ihre weltweiten Strukturen für deren Hilfsdienste genutzt werden. In Rheinland-Pfalz existiert keine von der "Tabligh-i Jamaat" betriebene oder dominierte Moschee. Die ca. 10 Mitglieder der "Tabligh-i Jamaat" haben keine gemeinsame Bezugsmoschee und gehören unterschiedlichen Nationalitäten an. 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder (Bund) ca. 700 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 25 Die in Deutschland seit 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C) mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als politischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel zielt auf eine gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung und propagiert als Endziel die Errichtung einer sozialistischen, den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgenden klassenlosen Gesellschaft. Aktivitäten der Organisation beschränken sich indes nicht nur auf das Heimatland Türkei, sondern werden in allen Ländern mit türkischem Bevölkerungsanteil entfaltet. Die Bundesrepublik Deutschland ist neben der Türkei das wichtigste Betätigungsfeld der DHKP-C. Auch in RheinlandPfalz verfügt die Organisation über eine - wenn auch nur geringe - Mitglieder-/Anhängerschaft. - 81 - In Deutschland bedient sich die DHKP-C u.a. der Publikation "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit), um ihre Ziele und Ideen zu propagieren. Ebenso nutzt sie das Internet, um Berichte über aktuelle Ereignisse, Aufrufe usw. zu verbreiten. Wie bereits in den vergangenen Jahren, setzte die DHKP-C auch im Jahr 2004 ihre Kampagne gegen die Haftbedingungen "politischer Gefangener" in der Türkei fort. Hintergrund ist die Verlegung von Gefängnisinsassen aus Haftanstalten mit Großraumzellen in neuartige Haftanstalten mit Einzelzellen (sog. F-Typ-Gefängnisse) in der Türkei. Das von der DHKP-C gegründete "TAYAD-Komitee" versteht sich als "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei". Der Verein trat im Jahr 2004 in Deutschland aus Anlass weiterer Todesopfer des Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen sowie wegen der Situation in den türkischen Haftanstalten ("Isolationshaft") mehrfach in Erscheinung. Am 1. April 2004 sind Sicherheitskräfte mehrerer europäischer Länder in einer koordinierten Aktion gegen Mitglieder der DHKP-C vorgegangen. Im Rahmen dieser Aktion, die sich auf die Türkei, Italien, Deutschland, Belgien und die Niederlande erstreckte, wurden insgesamt mehr als vierzig Personen festgenommen. In Deutschland beschränkten sich die polizeilichen Maßnahmen auf die Durchsuchung von drei Wohnungen in Alfter bei Bonn, Köln und Heddesheim (Baden-Württemberg). Die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC), der militärische Arm der DHKP-C, hat sich in einer im Internet veröffentlichten Erklärung (Nr. 335 vom 25. Juni 2004) zu der Sprengstoffexplosion in einem Bus in Istanbul am 24. Juni 2004 bekannt. Die Explosion forderte vier Todesopfer und 15 Verletzte. Unter den Toten befand sich eine - den türkischen Sicherheitsbehörden seit längerem bekannte - Aktivistin der DHKC, die den Sprengstoff transportiert hatte. Am 29. Juni 2004 wurde in Rotterdam ein DHKP-C-Funktionär aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim BGH nach schengenweiter - 82 - Fahndung festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, in Deutschland für die Weiterleitung von Spendengeldern an die Deutschlandführung der DHKP- C sowie die Planung und Durchführung von Gewalttaten verantwortlich zu sein. Am 5. August 2004 durchsuchte ein Großaufgebot von rund 150 Polizeibeamten auf einem Campingplatz in Eberbach (Baden-Württemberg) ein Zeltlager von Anhängern der DHKP-C. Dabei wurden die als Mitglieder bzw. Funktionäre verdächtigen Personen festgenommen. Bei der Aktion wurden u.a. mehrere hundert Exemplare der Publikation "Ekmek ve Adalet" ("Brot und Gerechtigkeit"), Flugblätter und sonstige Publikationen sichergestellt. Als Veranstalter des Zeltlagers trat der Verein "Anatolische Föderation", Köln, auf. Als Reaktion auf den Tod einer Anhängerin der DHKP-C, die sich am 26. Dezember 2004 auf einem öffentlichen Platz in Istanbul angezündet hatte, kam es in Deutschland zu Demonstrationen türkischer Linksextremisten vor den türkischen Generalkonsulaten in Düsseldorf (am 29. Dezember 2004) und in Frankfurt/Main (am 30. Dezember 2004). Die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) würdigte in einer im Internet verbreiteten Erklärung Leben und Tod ihrer Aktivistin, die als "Sozialistische Unabhängigkeitskämpferin" und "Revolutionärin" im Kampf gegen Imperialismus und Oligarchie (in der Türkei) gestorben sei. Auch wenn die DHKP-C in Deutschland überwiegend an ihrer friedlichen Linie des Protestes festhielt, zeigen die bisherigen Anschläge der DHKC im Heimatland Türkei den terroristischen Charakter der Organisation. Vor diesem Hintergrund wurde die DHKP-C bereits im Mai 2002 durch einen Beschluss des Europäischen Rates15 erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. 15 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) - 83 - 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK); "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung MEK: 1965 im Iran NWRI: 1981 in Paris Mitglieder (Bund) ca. 900 einzelne in Rheinland-Pfalz Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) bzw. deren politische Interessenvertretung "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) stellt innerhalb der im Ausland agierenden iranischen Opposition weiterhin die stärkste und aktivste Kraft dar, die sich den Sturz des Regimes in Teheran zum Ziel gesetzt hat. Zu diesem Zweck unterhielt sie bis Mai 2003 auf irakischem Boden die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA) als militärischen Arm der Organisation. Die NLA war in der Vergangenheit für zahlreiche terroristische Anschläge im Iran verantwortlich. Im Zuge des Irak-Krieges im Jahr 2003 wurde die NLA jedoch von den US-Streitkräften weitestgehend entwaffnet. Die MEK wird in Deutschland durch ihren weltweit agierenden politischen Arm NWRI vertreten. Einen Schwerpunkt der NWRI-Aktivitäten bilden die Ausrichtung von Veranstaltungen zu besonderen Anlässen, z.B. Gedenktagen der Organisation, sowie die Durchführung von Protestkundgebungen zu aktuellen Ereignissen, bei denen es regelmäßig gelang, medienwirksam mehrere Tausend Anhänger zu versammeln. So führten z.B. Anhänger der MEK und des NWRI am 17. Juni 2004 am Sitz der Europazentrale der Organisation in Auvers-sur-Oise bei Paris eine zentrale Veranstaltung durch, an der ca. 2.000 Sympathisanten aus ganz Europa, darunter zahlreiche Anhänger und Sympathisanten aus Deutschland, teilnahmen. Anlass der Veranstaltung war der Jahrestag der Maßnahmen der französischen Sicherheitskräfte gegen die MEK und den NWRI am 17. Juni 2003 und der sog. "Tag des Widerstandes" (20. Juni 1981). Dieser Tag gilt innerhalb der MEK als Beginn des "Revolutionären Widerstandes gegen das Mullah-Regime". - 84 - Der 9. Juli 2004 als Jahrestag der Niederschlagung der Studentenbewegung im Iran (9. Juli 1999) war Anlass von Kundgebungen iranischer Oppositioneller in Deutschland, darunter Anhängern des NWRI, die vor dem iranischen Generalkonsulat in Hamburg störungsfrei demonstrierten. Die Teilnehmerzahl blieb mit ca. 50 Anhängern weit hinter den Erwartungen zurück. Am 13. September 2004 fand eine weitere zentrale Demonstration der MEK / des NWRI in Brüssel statt, an der Agenturberichten zufolge rund 4.500 Personen teilnahmen, während der Veranstalter ca. 25.000 Teilnehmer angab. Die Kundgebung verlief friedlich und ohne Störungen. Anhänger der Organisation werden mittels der Wochenzeitung "Mojahed" sowie durch Büchertische und Informationsstände speziell in deutschen Universitätsstädten mobilisiert. Im Rahmen ihrer Propagandatätigkeit betreibt die MEK inzwischen mehrere Internetseiten. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten führt die Organisation u.a. umfangreiche und professionell organisierte Spendengeldsammlungen durch. Zur Verschleierung der Verwendung der Spenden tritt die Organisation unter dem Namen verschiedener Tarnvereine auf. Aber auch auf dem Wege der Erschleichung von Sozialleistungen verschaffte sich die Organisation einen weiteren Geldzufluss. Vor dem Hintergrund ihrer in der Vergangenheit praktizierten illegalen Geldbeschaffungsaktivitäten war die Organisation in mehreren westlichen Ländern - so auch in Deutschland - Gegenstand umfangreicher Polizeimaßnahmen. Wegen ihrer in der Vergangenheit zahlreich verübten Terroraktionen wurde im Mai 2002 die MEK durch einen Beschluss des Europäischen Rates16 erstmals in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen. 16 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002 (2002/334/EG) - 85 - Das derzeitige Erscheinungsbild der MEK bzw. des NWRI, sowie die immer deutlicher werdende Aussichtslosigkeit ihres politischen Kampfes wirken demotivierend auf die Anhängerschaft. Von daher fällt es der MEK / dem NWRI zunehmend schwerer, ihre Anhänger davon abzuhalten, sich von der Organisation und dem politischen Kampf gegen die iranische Führung abzuwenden und ins bürgerliche Leben zurückzuziehen. 3.6 "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) (ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" - PKK) Gründung: 1978 in der Türkei als PKK durch Abdullah ÖCALAN Umbenennungen: April 2002 in KADEK und Anfang November 2003 in KONGRA GEL Leitung in Europa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Kurdischen demokratischen Volksunion" (YDK) - seit Mai 2004 "Koordination der Kurdischen Demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK) Mitglieder/Anhänger (Bund): ca. 11.500 Mitglieder/Anhänger (Rheinland-Pfalz): ca. 450 Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Medien: Tageszeitung "Özgür Politika"/ Fernsehsender ROJ TV Allgemeines Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von Abdullah ÖCALAN als marxistisch-leninistische Kader-Partei mit dem Ziel der Errichtung eines eigenen kurdischen Staates gegründet. Lange Jahre führte sie im Südosten der Türkei einen Guerilla-Krieg gegen das türkische Militär. In Europa verübte die PKK terroristische Anschläge und führte zahlreiche gewalttätige Demonstrationen durch. Dies führte dazu, dass die Organisa- - 86 - tion sowie einige ihrer Teilund Nebenorganisationen in Deutschland im November 1993 mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt wurden. Das Verbot bezieht sich grundsätzlich auch auf die PKKNachfolgeorganisationen "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL), die - vom veränderten Namen abgesehen - sich im Organisationsund Handlungskonzept von der PKK nur unwesentlich unterscheiden. Seit Anfang 1999 sitzt der PKK-Führer Abdullah ÖCALAN wegen Hochverrats in einem türkischen Gefängnis in Isolationshaft. Im selben Jahr änderte die PKK ihre politischen Ziele grundlegend, setzte den bewaffneten Kampf ab und erklärte, fortan mit friedlichen Mitteln die kulturelle Autonomie der Kurden innerhalb der Grenzen einer demokratischen Türkei anzustreben. Im Rahmen dieser Friedensstrategie und im gleichzeitigen Bemühen sich von dem anhängenden Makel einer Terrororganisation zu lösen, stellte die PKK im April 2002 alle Aktivitäten unter ihrem bisherigen Namen ein und rief als Nachfolgeorganisation den KADEK ins Leben. Dieser setzte seinen nach eigenem Bekunden auf eine friedliche Lösung der Kurdenfrage angelegten politischen Kurs trotz mehrfacher ultimativer militanter Drohungen gegenüber der türkischen Regierung fort. Ende Oktober 2003 beschloss der KADEK seine Auflösung. Kurze Zeit später gründete sich der KONGRA GEL. Abdullah ÖCALAN wurde zum Führer des kurdischen Volkes ernannt; die im Nordirak stationierten Kampftruppen ("Volksverteidigungseinheiten") agieren seither autonom. Der KONGRA GEL ist mit geschätzten 11.500 Mitgliedern/Anhängern zum Jahresende 2004 die mit Abstand größte und aktivste extremistische Kurdenorganisation in Deutschland und bei Großveranstaltungen durchaus in der Lage, bis zu 40.000 Sympathisanten zu mobilisieren. Trotz des bestehenden Betätigungsverbots setzte der KONGRA GEL seine politischen Aktivitäten unvermindert fort. Bundesweit gliedert er sich in drei so genannte Serits (Nord, Mitte, Süd) mit insgesamt 22 Gebieten und - 87 - weiteren Teilgebieten. Politische Vorgaben der Führungsspitze werden über die verschiedenen Organisationsstufen bis auf die Ortsebene weitergeleitet. Dort werden sie von den zahlreichen kurdischen Vereinen, in denen die meisten KONGRA GEL-Anhänger/Sympathisanten organisiert sind, umgesetzt. Zur öffentlichen Verbreitung seiner politischen Ziele stützt sich der KONGRA GEL auf diverse Publikationen wie z.B. die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika" und auf den in Deutschland über Satellit zu empfangenen kurdischen Fernsehsender "ROJ TV". Dieser nahm im März 2004 von Belgien aus seinen Sendebetrieb auf; er folgte dem Sender "MEDYA-TV", dem die Sendelizenz entzogen wurde. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz sind unverändert ca. 450 Mitglieder/Anhänger des KONGRA GEL aktiv, vorwiegend im Rhein-Neckar-Raum (Ludwigshafen/Worms), im Rhein-Main-Gebiet (Mainz/Bingen/Bad Kreuznach) und im Norden von Rheinland-Pfalz (Koblenz/Neuwied). Für die im Großbereich Ludwigshafen lebenden Anhänger und Sympathisanten des KONGRA GEL war der "Kurdische Kulturverein Mannheim", von dem aus zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen initiiert bzw. koordiniert wurden, Kontaktbzw. Anlaufstelle. So nahmen ca. 80 KONGRA GEL-Anhänger aus dem Gebiet Ludwigshafen/Mannheim am 18. März 2004 anlässlich des 16. Jahrestages des irakischen Giftgasangriffs auf die "kurdische" Stadt Halabja an einer Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz teil. U.a. wurden Flugblätter mit der Forderung wie "Schluss mit der Verleugnungsund Vernichtungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk!" verteilt. Am 24. April 2004 protestierten in Mannheim ca. 200 KONGRA GELAnhänger aus dem Gebiet Ludwigshafen/Mannheim gegen die Aufnahme des KONGRA GEL in die EU-Terrorliste. Die Teilnehmer führten u.a. ein - 88 - großes Transparent mit der Aufschrift "Frieden zu wollen ist kein Terrorismus" sowie mehrere PKK-Fahnen und ÖCALAN-Bilder mit sich. Etwa 60 bis 80 Angehörige der KONGRA GEL-Jugendorganisation "TECAK", darunter mehrere Teilnehmer aus Ludwigshafen, führten am 4. September 2004 einen Marsch von Mannheim nach Heidelberg durch. Auf Transparenten forderten sie die sofortige Freilassung Abdullah ÖCALANs sowie "Frieden für Kurdistan". Rheinland-pfälzische KONGRA GEL-Anhänger/Sympathisanten beteiligten sich darüber hinaus an weiteren bundesund europaweit durchgeführten Propagandaveranstaltungen, wie z.B.: 14. Februar 2004: Großdemonstration in Straßburg anlässlich des 5. Jahrestages der Festnahme ÖCALANs mit ca. 12.000 Personen, 25. September 2004: "12. Internationales Kurdistan-Festival" in Gelsenkirchen mit ca. 35.000 bis 40.000 Personen, 11. Dezember 2004: Großdemonstration in Brüssel anlässlich der bevorstehenden EU-Entscheidung über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei unter Berücksichtigung der Kurdenfrage mit etwa 10.000 Personen. Am 12. November 2004 wurde der kurdischstämmige Türke Taylan SARIGÜL festgenommen und zur Untersuchungshaft in die JVA Rohrbach eingeliefert. Ihm wird vorgeworfen, seit November 2003 im KONGRA GEL - einer fortbestehenden kriminellen Vereinigung - als hochrangiger Funktionär aktiv gewesen zu sein. - 89 - Aktuelle politische Entwicklung Seit seinem Bestehen ist der KONGRA GEL bemüht, sich als neue demokratisch ausgerichtete Organisation zu positionieren und gegenüber der Türkei Dialogbereitschaft zu demonstrieren. Zentrale Themen waren die Lösung der Kurdenfrage und das Schicksal Abdullah ÖCALANs. Anfang 2004 kam es hinsichtlich der weiteren politischen Vorgehensweise des KONGRA GEL unter den Führungskadern zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten, die letztlich im August des Jahres zur endgültigen Abspaltung einer kleinen Gruppe um Osman ÖCALAN, dem Bruder von Abdullah ÖCALAN, führten. Ziel dieser neuen Kurden-Organisation mit dem Namen "Patriotisch-demokratische Partei" ist die Unterstützung der "Kurdischen Befreiungsbewegung" - im Gegensatz zum KONGRA GEL - mit absolut friedlichen und demokratischen Mitteln. Um den in letzter Zeit vermehrt aufgetretenen Unstimmigkeiten in der Organisation entgegenzuwirken, wurde im Frühjahr des Jahres seitens der KONGRA GEL-Spitze ein "Vorbereitungskomitee für den Wiederaufbau der PKK" ins Leben gerufen. Damit sollte - insbesondere nach den Vorstellungen Abdullah ÖCALANs - die Gründung einer "neuen" PKK nach "demokratischen Maßstäben" (Gewalt ablehnend, jedoch das Recht auf "legitime Selbstverteidigung" beibehaltend) vorangetrieben werden. Der EU-Ratsbeschluss Anfang April 2004, den KONGRA GEL und die Vorgängerorganisation KADEK in die EU-Terrorliste aufzunehmen, ist von der Organisationsspitze massiv kritisiert worden; die Anhängerschaft reagierte europaund bundesweit mit entsprechenden Protestreaktionen. Zeitgleich verstärkte das türkische Militär seine militärische Offensive in den kurdischen Gebieten, was für den KONGRA GEL einen spürbaren Rückschlag in seinen Bemühungen um politische Akzeptanz bedeutete. Als Reaktion darauf drohte er der Türkei - wie schon in vergleichbar früheren Situationen - mit militanten Aktionen, die er mit dem Recht der "legitimen Selbstverteidigung" zu rechtfertigen versuchte. Zum 1. Juni 2004 er- - 90 - klärten die "autonomen" kurdischen "Volksverteidigungseinheiten" mit ausdrücklicher Unterstützung der KONGRA GEL-Führung den bisherigen auf die Türkei bezogenen "einseitigen Waffenstillstand" zum wiederholten Mal für beendet. Um sich gegenüber der Türkei den Weg zu Gesprächen über eine Lösung der Kurdenfrage weiterhin offen zu halten, stellte der KONGRA GEL anlässlich des "Weltfriedenstages" am 1. September 2004 in einer öffentlichen Erklärung gegenüber der Türkei erneut mehrere Bedingungen für einen dauerhaften Waffenstillstand (u.a. Verbesserung der Lebensbedingungen Abdullah ÖCALANs, Beendung der militärischen Operationen des türkischen Militärs und Streichung aus der Liste der terroristischen Organisationen). Ende November 2004 erweiterte die KONGRA GEL-Führung ihre Forderungen um eine so genannte "Roadmap", die dem kurdischen Volk u.a. verfassungsrechtliche Identität, kulturelle Rechte und freie Meinungsäußerung garantieren soll. Gleichzeitig versuchte sie, den Druck auf die türkische Regierung durch ein weiteres Ultimatum zum 17. Dezember 2004 zu erhöhen (Tag der EU-Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei). Eine europaweit durchgeführte Aktionskampagne vom 1. November bis zum 17. Dezember 2004, mit dem Ziel die Kurdenfrage zum Gegenstand der bevorstehenden EU-Entscheidung zu erheben, sollte der Sache weiteren Nachdruck verleihen. Obwohl sich am 17. Dezember in Brüssel die EU-Staatsund Regierungschefs auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ab Oktober 2005 verständigen konnten, zeigte sich der KONGRA GEL dennoch über das Zustandekommen sehr enttäuscht. Seiner Ansicht nach seien - im Gegensatz zur "Zypernfrage", der bei den Gesprächen eine wesentliche Rolle zu kam - die Probleme und Nöte einer fünfmal größeren kurdischen Gesellschaft übergangen worden. - 91 - 3.7 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2004 in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind: "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die TKP/ML, der auch in Rheinland-Pfalz einige Einzelmitglieder angehören, wurde 1972 in der Türkei von Ibrahim KAYPAKKAYA gegründet. Sie vertritt die Lehren des Marxismus-Leninismus ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll eine "demokratische Volksherrschaft" mit einer an der marxistisch-leninistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung errichtet werden. Die TKP/ML ist durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen gekennzeichnet. Seit April 1994 ist die TKP/ML in den so genannten "Partizan-Flügel" sowie in das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Anfang 2003 hat sich der DABK-Flügel in "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) umbenannt. Zur Umsetzung ihrer Ziele unterhalten beide Flügel in der Türkei voneinander getrennte eigenständige bewaffnete Guerillagruppen, die auf Seiten von "Partizan" unter der Bezeichnung "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), auf Seiten der MKP als "Volksbefreiungsarmee" (HKO) agieren. Beide Verbände lieferten sich in der Türkei bewaffnete Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften. In Deutschland gehören der TKP/ML ca. 1.400 Mitglieder an. "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die MLKP, der auch in Rheinland-Pfalz einige Einzelmitglieder angehören, entstand 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Ihr erklärtes Ziel ist es, das türkische Staatsge- - 92 - füge durch eine gewaltsame Revolution zu beseitigen und in eine Diktatur des Proletariats umzuwandeln. Am 16. Mai 2004 erfolgten vier Bombenanschläge auf britische HSBCBankfilialen in Ankara und Istanbul. In einem als E-Mail versandten Bekennerschreiben übernahmen die "Bewaffneten Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK), die von den türkischen Sicherheitsbehörden als militärischer Arm der MLKP angesehen werden, die Verantwortung. Die Anschläge erfolgten im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch des britischen Premiers Tony Blair. In der Erklärung heißt es weiter: "Blair, einer der Führer der imperialistischen Barbaren, der den mittleren Osten jeden Tag durch seine Bombardierung, Folter, Vergewaltigung und Verbrechen in ein Meer von Blut verwandelt, meint, sich unbehelligt im Mittleren Osten bewegen zu können." Alljährlich nehmen türkische revolutionär-marxistische Organisationen den 1. Mai als "Kampftag der Arbeiter" zum Anlass, auch in Deutschland ihre ideologischen Vorstellungen zu propagieren. Auch das Auslandskomitee der MLKP verbreitete 2004 im Internet unter der Überschrift "Es lebe der 1. Mai" einen Aufruf, "gegen die Bourgeoisie und ihre neoliberalen Angriffe, gegen den imperialistischen Krieg und die Besatzungen Schulter an Schulter den Kampf zu verstärken". Darüber hinaus agitierte die Organisation gegen die von den USA "angeführte imperialistische Barbarei", die zahlreiche Länder verwüste und sie ausplündere. Am 24. Juni 2004 haben sich die FESK im Internet zu einem am gleichen Tag in Ankara begangenen Bombenanschlag bekannt. Bei der Explosion des Sprengsatzes in unmittelbarer Nähe des Hilton-Hotels in Ankara, das für den Besuch des US-Präsidenten vor dem NATO-Gipfel in der türkischen Hauptstadt reserviert war, wurden nach Pressemeldungen zwei Polizisten und ein Passant verletzt. Zu einem weiteren Sprengstoffanschlag, der sich am 29. Juni 2004 in einem bereits gelandeten Flugzeug der Turkish Airlines auf dem Istanbuler - 93 - Flughafen ereignete und drei Leichtverletzte forderte, hat sich ebenfalls die FESK im Internet bekannt. Zur Finanzierung der Parteiarbeit und der Guerillaaktivitäten in der Türkei führt die Organisation jährlich eine europaweite Spendenkampagne unter ihren Anhängern durch. Interne ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP führten zur Abspaltung der "Kommunistischen Partei-Aufbauorganisation" (KP-IÖ). In Deutschland gehören der MLKP ca. 600 Mitglieder an. - 94 - 4. Internet/Neue Medien Die Anzahl der Internet-Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland steigt weiter an. Bis zum Jahr 2007 soll sie auf rund 48 Millionen anwachsen. Insbesondere junge Menschen in der Altersgruppe von 14 bis 20 Jahren gehören zu den stärksten Nutzern. Damit rückte das Internet neben Fernsehen und Radio an die dritte Stelle der Informationsmedien. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gehört, aus dem immensen Datenbestand des Internet diejenigen Informationen herauszufiltern, die Organisationen, Gruppen und Personen einstellen, mit dem Ziel, die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes und der Länder zu gefährden. Neue Entwicklungen gab es im Bereich des ausländischen Extremismus; islamistisch orientierte Webseiten haben deutlich zugenommen. 4.1 Rechtsextremisten Die Beobachtung rechtsextremistischer Aktivitäten im Internet ist eine Schwerpunktaufgabe des Verfassungsschutzes. Rechtsextreme Parteien, Organisationen, Skinhead-Bands sowie Einzelpersonen nutzen das World Wide Web immer stärker und professioneller zur Selbstdarstellung und zu Propagandazwecken. In zunehmendem Maße wird das Netz auch zur Mobilisierung des rechtsextremen Spektrums genutzt. Hierzu zählen u.a. Ankündigungen geplanter Konzerte, Aufrufe zur Teilnahme an Demonstrationen sowie Mitteilungen aktueller Szenenachrichten. Bekannte Rechtsextremisten nutzen das Internet immer häufiger in offensiver Weise, indem sie massenhaft E-Mails mit ihren abstrusen, politischen Vorstellungen einem großen Empfängerkreis näher bringen. So wurden Ende des Jahres von den Absendern "Nationaler Widerstand/Reichsbürgerbewegung" sowie "Deutsches Reich" bundesweit in großer Anzahl entsprechende E-Mails versandt. Für die gewachsene Pro- - 95 - fessionalität rechtsextremer Internetnutzer spricht die Mitte des Jahres 2004 vermutlich von Neonazis verursachte Spam-Welle mit ausländerfeindlichen Inhalten. Hierbei wurde erstmals ein Computervirus zur rechtsextremistischen Propaganda per E-Mail genutzt. Bislang Unbekannte verbreiteten eine Flut von Nachrichten mit ausländerfeindlichen, rassistischen Inhalten und gefälschten Absenderadressen über Computer, die bereits mit dem seit Oktober 2003 kursierenden Wurm "Sober G" infiziert waren. Der neue Wurm "Sober H" wurde durch seinen Vorgänger aktiviert und war im infizierten System in der Lage, eine Datei aus dem Internet nachzuladen. Mit dieser Datei wurden "Sober H" und die bei der Verbreitung verwendeten Texte geliefert. Die geladene Datei wurde gestartet und das System infiziert. Auch für die Zukunft gehen Experten davon aus, dass Rechtsextremisten diese Technik anwenden, da die Suche nach den Urhebern schwierig ist. Zudem könnten die Extremisten mit den E-Mails weiterhin aktiv auf die Internetnutzer zugehen. Die Zahl der registrierten Internetseiten mit rechtsextremistischen Inhalten liegt bundesweit bei ca. 1.000, davon entfallen auf Rheinland-Pfalz etwa 30 Homepages. Nach wie vor ist die überwiegende Anzahl der einschlägigen Seiten bei amerikanischen Providern hinterlegt und entzieht sich somit dem Zugriff der deutschen Gerichtsbarkeit. 4.2 Linksextremisten Fast das gesamte linksextremistische Potential ist mit eigenen Webseiten im Internet vertreten. Besondere Bedeutung kommt dabei gewalttätigen Linksextremisten - vor allem autonomen Personenzusammenschlüssen - zu, die teils verdeckt oder verschlüsselt Informationen austauschen oder anbieten. In vielen Aktionsfeldern wie Antifaschismus, Antirassismus, Anti-Atomund Anti-Kriegsbewegung gibt es eigene Informationsangebote, die hauptsächlich Hintergrundwissen vermitteln aber auch zu aktuellen Themen und Ereignissen Stellung nehmen und Mobilisierungsaufforderungen - 96 - enthalten. Linksextremistische Plattformen runden das Informationsangebot ab. Bundesweit gibt es ca. 1.350 linksextremistische Internetseiten mit unterschiedlich vielen Unterseiten. In Rheinland-Pfalz sind derzeit ca. 50 Seiten relevant, wobei auch überregionale Seiten für eine Gesamtbetrachtung extremistischer Aktivitäten bedeutsam sind. 4.3 Ausländerextremismus Die Darstellungen islamistischer Organisationen im Internet haben insbesondere nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2002 qualitativ und quantitativ zugenommen. Islamisten stellen in das Internet ihre Publikationen, Bild-, Filmund Toninformationen mit zum Teil Gewalt verherrlichenden Darstellungen ein. Nicht selten werden Enthauptungsvideos gezeigt, oder über Kampfhandlungen und Sprengstoffanschläge detailliert informiert. Oft sind bereits kurz nach Gewalthandlungen Bekennerschreiben oder -videos anonym im Internet eingestellt und abrufbar. Dafür kommen vor allem Mitglieder der Al Qaida, irakische Widerstandsgruppen, tschetschenischeoder Hamas-Kämpfer in Frage. Aber auch in Deutschland vertretene ausländerextremistische Organisationen aus dem arabischen, türkischen, kurdischen und iranischen Bereich informieren im Internet über ihre Organisation, ihre Aktivitäten, bieten Gästebücher und Chats zur Kontaktpflege und geben Veranstaltungshinweise. Im Januar 2004 wurde erstmals eine türkischstämmige Person, die der iranischen Richtung des schiitischen Islams nahe steht und ein InternetPortal in deutsch betreibt, vom Amtsgericht Delmenhorst wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt17. Das Internet-Angebot umfasst derzeit ca. 160 Seiten, die überwiegend deutschsprachig angeboten werden. 17 Das Strafverfahren wurde im Dezember 2004 gegen Zahlung von 1.000 EUR Geldbuße vom Landgericht Oldenburg eingestellt - 97 - 5. SPIONAGEABWEHR Die Bundesrepublik Deutschland ist unverändert ein vorrangiges Ausspähungsziel für fremde Nachrichtendienste. Neben der klassischen Informationsbeschaffung aus den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik gilt das Interesse einiger totalitärer Staaten den in Deutschland ansässigen Organisationen oder Personengruppen, die in Opposition zum Regime im Heimatland stehen. Diese werden unterwandert, Mitglieder werden ausgespäht und unter Druck gesetzt. Besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes galt wie in den Jahren zuvor den nachhaltigen Aufrüstungsbemühungen einiger Schwellenländer18 im Bereich der atomaren, biologischen und chemischen Waffen und der damit einhergehenden Verbreitung (Proliferation)19 dieser Massenvernichtungsmittel. Proliferationsrelevante Güter werden von kritischen Staaten (Krisenländern) wegen ihres militärischen Verwendungszwecks und mit Blick auf die finanziellen Größenordnungen grundsätzlich im staatlichen Auftrag beschafft. Deutsche und europäische Ausfuhrbestimmungen setzen dem Erwerb hohe Hürden. Sie lassen sich nur heimlich und illegal überwinden. Deshalb setzen die Beschafferstaaten ihren Geheimdienst ein, um unrechtmäßig in den Besitz der kritischen Güter zu gelangen. Sie nutzen dabei verdeckt arbeitende Beschaffungsnetze20 und verbergen den Endverwender durch den Gebrauch von harmlos klingenden Firmennamen. Umweglieferungen sollen über das Empfängerland täuschen. 18 Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus ABC-Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. Derzeit Iran, Syrien, Nord-Korea, Pakistan, Indien (auch als Schwellenstaat und/oder besorgniserregender Staat bezeichnet). 19 Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschließlich des dafür erforderlichen Wissens sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen 20 Staatlich initiierte Strukturen (Firmen, Institutionen, Organisationen), die vom Empfängerstaat vorgegebene Ziele verfolgen, dabei jedoch ihrem äußeren Erscheinungsbild nach privatwirtschaftlich tätig sind (Tarnfirma). - 98 - Proliferation verstößt deshalb nicht nur gegen geltende Ausfuhrbestimmungen21, sondern wird auch wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Landesverrat verfolgt. Sie wird daher von den Verfassungsschutzbehörden im Rahmen der Spionageabwehr bekämpft. Proliferation gefährdet den Weltfrieden. Dies umso mehr, als nicht auszuschließen ist, dass Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen gelangen. 5.1 Russland und die Gemeinschaft unabhängiger Staaten Ungeachtet der positiven Entwicklung der politischen Verhältnisse zwischen der Bundesrepublik und Russland, war Deutschland auch im Jahr 2004 ein Zielland mit hoher Priorität für die russischen Nachrichtendienste. Deren Mitarbeiter besetzen Tarndienstposten an ihrer Botschaft in Berlin und den Konsulaten sowie in Vertretungen russischer Medien und Firmen. Die Anzahl der ND-Offiziere nimmt in den letzten Jahren kontinuierlich zu und hat einen neuen Höchststand erreicht. Dabei haben sich die Aufklärungsschwerpunkte der Dienste wenig verändert. Das Interesse des für die zivile Auslandsspionage zuständigen SWR22 liegt weiterhin in der offenen und verdeckten Informationsbeschaffung aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Politik. Der dem russischen Verteidigungsministerium unterstehende Dienst für die militärische Auslandsaufklärung GRU23 versucht die Bundeswehr und die NATO hinsichtlich sicherheitspolitischer, taktischer und militärischer Informationen auszuforschen. Der mit polizeilichen Exekutivbefugnissen ausgestattete Inlandsnachrichtendienst FSB24 hat durch die Eingliederung des Grenzschutzdienstes 21 Z.B. sollen Exportkontrollregime gewährleisten, dass in allen jeweiligen Signatarstaaten die kritischen Güter gleichermaßen kontrolliert werden und im Rahmen von Beschaffungsversuchen ein Staat nicht ein Gut genehmigt, das ein anderer Mitgliedstaat bereits abgelehnt hat. Z.B. Nuclear Suppliers Group (NSG), Australische Gruppe Missile Technology Control Regime (MTCR), Wassenaar Arangement, Chemiewaffenübereinkunft (CWÜ). 22 SWR: Slushba Wjneschnej Raswedki (Ziviler russischer Auslandsnachrichtendienst) 23 GRU: Glawnoje Raswediwatelnoje Uprawlenije (Militärischer russischer Auslandsnachrichtendienst) 24 FSB: Federalnaja Slushba Besopasnosti (Russischer Inlandsnachrichtendienst) - 99 - FPS25, der teilweisen Übernahme des Fernmeldedienstes FAPSI26 sowie der im November abgeschlossenen Umstrukturierung wieder eine mit dem ehemaligen KGB vergleichbare Machtfülle erhalten. Nachdem im Dezember 2004 das russische Parlament ein weiteres Anti-Terror-Gesetz verabschiedete, liegt die Hauptverantwortung für den Kampf gegen den Terrorismus erstmals beim FSB. Darüber hinaus ist er für die zivile und militärische Spionageabwehr, den Schutz der heimischen Industrie vor Wirtschaftsspionage und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zuständig. Durch die jüngsten Umorganisationen dürfte die Personalstärke des FSB auf ca. 350.000 bis 400.000 Mitarbeiter angestiegen sein. Die weit reichenden Befugnisse gestatten es, dem FSB im Rahmen seiner Auslandsaufklärung ausländische Staatsbürger anzuwerben. Bemerkenswert ist die intensive Internetüberwachung des FSB. Alle russischen Anbieter von Internet-Zugängen gewähren dem FSB einen ständigen Zugriff auf ihren Datenverkehr. Somit geraten auch ausländische Staatsangehörige und Firmen, die in Russland geschäftlich tätig sind, bisweilen in die geheimdienstliche Überwachung. Die gewonnen Erkenntnisse verwendet der russische Staat u.a. zum Schutz seiner Wirtschaft. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass investitionswillige ausländische Firmen durch private russische Sicherheitsdienste in Zusammenarbeit mit dem FSB ausgeforscht werden. Im Februar 2004 wurden im Zusammenhang mit einem Bombenanschlag in dem Golfemirat Katar drei Mitarbeiter des FSB festgenommen. Bei diesem Attentat wurde der ehemalige tschetschenische Präsident JANDARBIJEW tödlich verletzt. Einer der Verhafteten, der diplomatische Immunität genoss, kehrte im März 2004 nach Russland zurück. Die drei weiteren Angeklagten wurden im Juli 2004 in Doha zu lebenslanger Haft verurteilt. Fünf Monate später wurden sie an Russland überstellt. 25 FPS: Federalnaja Pogranitschnaja Slushba (Föderaler Dienst für Grenzschutz der Russischen Föderation 26 FAPSI: Federalnoje Agenstwo Prawitelstvennoj Swjasi Informazij (Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information der Russischen Föderation - 100 - Im letzten Jahr wurden aus der Slowakei, Lettland, Estland und Litauen mehrere russische Diplomaten ausgewiesen, denen eine mit ihrem Diplomatenstatus nicht zu vereinbarende nachrichtendienstliche Tätigkeit nachgewiesen werden konnte. Deutschland bevorzugt in vergleichbaren Fällen aus politischen Gründen sog. stille Lösungen. Der russischen Seite wird die Gelegenheit gegeben, ihren enttarnten Agenten geräuschlos abzuziehen. Die Nachrichtendienste der übrigen GUS-Republiken verfolgen vergleichbare Aufklärungsziele. Ein Hauptaugenmerk liegt hier bei den deutschstämmigen Aussiedlern. Die Dienste hoffen bei entsprechender beruflicher Qualifikation der Aussiedler auf deren Mitarbeit, um so Zugang zu sensiblen Bereichen zu erhalten. 5.2 Volksrepublik China Die rasante wirtschaftliche und technologische Entwicklung in der VR China schreitet unverändert fort. Unter harten Wettbewerbsbedingungen, mit denen sich China mit seiner vollzogenen Öffnung auf dem Weltmarkt konfrontiert sieht, ist der auf dem Forschungs-, Entwicklungsund Marketingsektor lastende Kostendruck ein Motiv, um die Einsparpotentiale auch durch die Ausspähung wertvollen Know-hows bei ausländischen Firmen zu realisieren. Hierzu bedient China sich auch seiner Geheimdienste. Nachrichtendienstliche Mitarbeiter mit guten Deutschkenntnissen werden bei Delegationsreisen, bei Tagungen und Messen, eingesetzt, aber auch im Rahmen von Kooperationen und joint-ventures in wissenschaftlichen Einrichtungen und in legendierten Firmen platziert. Aus zunächst oberflächlichen, anlassbezogenen und deshalb unverfänglich wirkenden Kontakten können tiefere, vertrauensvolle Beziehungen zu Wissenschaftlern und zu Entscheidungsträgern in der Wirtschaft entstehen. Nach einer längeren Kultivierungsphase (so genannter "langer Atem") werden, oft auf Einladung Reisen nach China unternommen, deren - 101 - Kosten von der chinesischen Seite beglichen werden. Während des Aufenthaltes in China versuchen die Geheimdienste "ihre Gäste abzuschöpfen". Dies geschieht keineswegs immer beim ersten Besuch. Die Penetrierung und Neutralisierung der in Deutschland lebenden chinesischen Regimegegner sind Teil gezielter Diskreditierungsversuche. Betroffen sind hiervon die ethnische Minderheit der Uiguren und die Angehörigen von Falun Gong, die zu einer großen und internationalen Bewegung geworden sind. Auch wird China regelmäßig genannt, wenn es um die Unterstützung der Proliferation geht. 5.3 Naher und Mittlerer Osten, Nord-Korea Die Verhinderung der Proliferation ist ein Schwerpunkt der Außenund Sicherheitspolitik der westlichen Staatengemeinschaft. Dennoch versuchen Staaten wie der Iran, Syrien, Pakistan und Nord-Korea weiterhin in den Besitz von ABC-Waffen und den entsprechenden Trägersystemen zu gelangen. Diese so genannten Krisenländer umgehen Ausfuhrverbote unter Einbindung ihrer Geheimdienste. Auch Deutschland gerät als Hochtechnologieland regelmäßig in das Visier von Beschaffungsbemühungen, wie es für alle sichtbar verschiedene Exekutivmaßnahmen des Generalbundesanwaltes (GBA) zeigen. Die Arbeit des Verfassungsschutzes zielt im Vorfeld auf die Verhinderung der Proliferation, was in Rheinland-Pfalz auch durch die Sensibilsierung von Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen geschieht. Beschaffungsmaßnahmen sind gekennzeichnet durch das Einschalten von Zwischenhändlern in Drittstaaten, die Gründung weltweit operierender Tarnfirmen, die Angabe falscher Endverbraucher und Verschleierung der Lieferwege. Agenten treten als Besteller oder Käufer auf, leiten Firmen und nehmen in konspirativ arbeitenden Beschaffungsnetzen führende Funktionen wahr. Der Finanztransfer wird oft von der Warenlieferung abgekoppelt. Der ganze Aufwand dient dazu, den Proliferationshin- - 102 - tergrund zu verschleiern, damit deutsche, europäische und internationale Firmen zu einer Lieferung veranlasst werden. Eine Drehscheibe für die illegale Beschaffung ist nach wie vor die JEBEL ALI FREEZONE in Dubai. Einschlägige Firmen aus den kritischen Staaten liefern sensible Güter über Dubai oder weitere Drittländer (z.B. chinesische Sonderverwaltungszone Macau, Malaysia) an ihre Auftraggeber. Insbesondere im Zusammenhang mit der illegalen Beschaffung von sog. Dual-Use-Gütern27 werden genehmigungspflichtige Einzelteile in nichtgenehmigungspflichtige Anlagen integriert und/oder neben Komplettgeräten, Maschinen oder Technologien exportiert. 5.3.1 Iran Erkenntnisse westlicher Nachrichtendienste zum iranischen Atomprogramm wurden durch Aussagen iranischer Stellen bereits 2003 bestätigt. Anfang des Jahres 2004 gelang es den Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEA)28 vor Ort weitere Aktivitäten des Iran zum Bau einer Atombombe aufzudecken. Danach habe der Iran der IAEA Pläne für den Bau von Zentrifugen zur Urananreicherung nicht gemeldet. Auch seien Unterlagen zur Herstellung von waffentauglichem Uran gefunden worden. Käufe im Rahmen dieser Entwicklungsaktivitäten seien über ein Vertriebsnetz mit Sitz in Dubai und in Verbindung mit dem bekannten pakistanischen Atomwissenschaftler, Abdul Quader KHAN, getätigt worden. KHAN musste einräumen, Atomtechnik an Libyen, Nord-Korea und den Iran weitergegeben zu haben. Unter dem Eindruck wachsender Kritik der westlichen Staatengemeinschaft gestand der Iran Mitte des Jahres 2004, Zentrifugen zur Urananreicherung importiert zu haben. Dies hatte er bis dahin immer bestritten. Wie die IAEA erklärte, erlaubten die bislang durchgeführten Inspektionen keine definitive Aussage, ob der Iran sein Atomprogramm zu zivilen oder zu mili27 Güter, Datenverarbeitungsprogramme und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, die für zivile und militärische Zwecke verwendet werden können. 28 International Atomic Energy Agency - 103 - tärischen Zwecken betreibe. Im November 2004 erklärte sich der Iran bereit, sein vorgeblich allein der Energiegewinnung dienendes Atomprogramm vorübergehend auszusetzen. Nach Einschätzung westlicher Nachrichtendienste strebt der Iran jedoch weiterhin nach einer eigenen Atombombe, auch wenn er verspricht, die Anreicherung von Uran unter Aufsicht der IAEA fortzusetzen. Den Sicherheitsbehörden in Deutschland liegen Erkenntnisse vor, dass der Iran in der Bundesrepublik ein Beschaffungsnetz für Bauteile von Zentrifugenteilen für die Urananreicherung unterhält. Die Tarnung geschieht über Scheinfirmen. Es werden eher unbekannte, kleinere Firmen, die häufig von in Deutschland lebenden Iranern geführt werden, eingebunden. Nicht der Erwerb von "Endprodukten" wird anstrebt, sondern es werden Einzelkomponenten von Dual-Use-Gütern bevorzugt. Die Waren werden teilweise über deutsche Strohmänner geordert und beispielsweise über Russland, Österreich oder die Schweiz in den Iran transportiert. So wurde u.a. in einem Ermittlungsverfahren des GBA im September 2004 ein 53 Jahre alter deutscher Staatsangehörigen vorläufig festgenommen, weil er eine Lieferung von Telemanipulatoren29 an den Iran vermittelt haben soll. Zur Verschleierung des tatsächlichen Endabnehmers wurden die Telemanipulatoren an eine Firma in einen Drittstaat verkauft. Alle Beschaffungsmodalitäten deuten darauf hin, dass das Nuklearprogramm des Iran auf die Beherrschung des gesamten geschlossenen Brennstoffkreislaufes abzielt. Vor diesem Hintergrund haben Berichte, dass der Iran über Trägerraketen mit einer Reichweite von ca. 2000 km verfügt, ein besonderes Gewicht. Nach alledem sind auch Aussagen des früheren iranischen Präsidenten RAFSANDJANI, Iran beabsichtige seine militärische Macht weiter auszubauen, nur folgerichtig. Ein Ausspähungsziel der iranischen Geheimdienste sind die in Deutschland lebenden iranischen Oppositionellen. Um diese zum Bespitzeln an29 Telemanipulatoren sind für die Handhabung abgebrannter Kernbrennstäbe sowie zur Trennung von Plutonium geeignet. Sie sind notwendiger Bestandteil eines militärischen Nuklearprogramms. - 104 - derer Regimegegner oder zur Rückkehr in die Heimat zu nötigen, wird mitunter physischer und psychischer Druck auf sie selbst und auf im Iran lebende Familienangehörige ausgeübt. Betroffene Gruppierungen sind die Volksmudjaheddin-Iran-Organisation ("MEK"), ihr politischer Arm, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) sowie monarchistische Organisationen, die sich für die Wiedereinführung einer konstitutionellen Monarchie im Iran einsetzen. 5.3.2 Libyen Die langjährigen UN-Sanktionen gegen Libyen zeigten im Jahr 2003 Wirkung und wurden u.a aufgrund des Verzichts Gaddafis auf Massenvernichtungswaffen aufgehoben. Als Folge der langjährigen Beschaffungsbemühungen werden in Deutschland verschiedene Strafverfahren geführt. Seit 2004 ermittelt der GBA gegen zwei deutsche Geschäftsleute, die Libyen bei der Entwicklung von Atomwaffen geholfen haben sollen. Da sie verdächtigt werden, Kenntnisse über die Entwicklung zum Bau von Atomkraftwerken wie auch der Hochanreicherung von Uran weitergegeben zu haben, müssen beide zusätzlich mit einer Anklage wegen Landesverrat rechnen. Die Baupläne für das ehemalige libysche Atomwaffenprogramm stammten ursprünglich aus China und sollen durch pakistanische Atomschmuggler nach Libyen geliefert worden sein. Unabhängig vom außenpolitischen Kurswechsel stehen oppositionelle Bestrebungen in Libyen sowie im Ausland lebende Oppositionelle weiterhin im Fokus libyscher Nachrichtendienste. 5.3.3 Syrien Auch Syrien strebt weiterhin den Besitz von Massenvernichtungswaffen an. Die Anstrengungen zum Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie werden fortgesetzt, um von Zulieferungen aus dem Ausland unabhängig zu sein. Dennoch müssen weiterhin Güter und Technologie in Westeuropa beschafft werden. Neuerdings ist hier eine verstärkte Zusammenarbeit Syriens mit Nord-Korea, Russland und insbesondere dem Iran festzustellen. - 105 - Aktuelle Hinweise auf ein eigenes syrisches Atomwaffenprogramm liegen nicht vor. Allerdings wird Syrien als Beschaffer bzw. Vermittler von Atomwaffentechnologie genannt. Nach wie vor unterhalten die syrischen Nachrichtendienste in Deutschland stark besetzte Legalresidenturen30 an den Vertretungen ihres Landes. Die dort unter diplomatischem Status abgetarnt tätigen ND-Mitarbeiter setzten auch 2004 ihre illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten fort. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit waren weiterhin die Aufklärung, Ausforschung und Überwachung der in Deutschland lebenden syrischen Landsleute, die als Oppositionelle eine potentielle Bedrohung für das syrische Regime darstellen. Offenbar unbeschadet von den erst wenigen Jahren zurückliegenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren31 gegen enttarnte hauptamtliche und kooptierte syrische Nachrichtendienstangehörige kann sich Syrien in Deutschland auf ein Agentennetz stützen. Hier ausgeforschte Regimegegner oder denunzierte Personen werden bei der Einreise nach Syrien überwacht. Nicht selten werden sie Opfer von Inhaftierung, Verhören und Misshandlungen. Eine Haftentlassung ist vielfach nur durch Schmiergeldzahlung oder durch die Zusage einer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit möglich. Ähnlich wie iranische, drohen auch die syrischen Nachrichtendienste mit erheblichen Repressalien gegen im Heimatland lebenden Angehörigen. Informationen westlicher Geheimdienste zufolge habe Syrien bereits mehrfach Chemiewaffen an eigenen Häftlingen getestet. Im Rahmen der mit dem Sudan angestrebten engeren Kooperation bei der chemischen Kriegsführung seien auch chemische Kampfstoffe, die aus Syrien geliefert worden seien, gegen die schwarzafrikanische Bevölkerung im Sudan eingesetzt worden. 30 Diplomatische und konsularische Vertretungen eines Staates sowie staatliche Einrichtungen anderer Länder in Deutschland, an denen ND-Angehörige abgetarnt tätig sind. 31 Falldarstellung im Tätigkeitsbericht RLP 2002, S. 90 - 106 - 5.3.4 Nord-Korea Nord-Korea unterhält zahlreiche Nachrichtendienste, die der kommunistischen Partei, den Volksstreitkräften oder GENERAL KIM JONG IL direkt unterstellt sind. An der Interessenvertretung in Berlin, die personell am stärksten besetzte Vertretung Nord-Koreas in Europa, sind Mitarbeiter von drei nord-koreanischen Nachrichtendiensten (Abteilung Staatssicherheit, Abteilung Einheitsfront, Aufklärungsbüro der Abteilung Streitkräfte) vertreten. Sie werden verdächtigt, europaweit proliferationsrelevante Güter zu beschaffen. Nord-Korea gilt als maßgeblicher Unterstützer und bedeutender Lieferant für die Fortentwicklung einer Raketentechnologie, die insbesondere für die Länder Syrien, Iran und Pakistan neue militärische Optionen eröffnet. Die kommunistische Diktatur weigert sich weiterhin beharrlich, ihr Atomwaffenprogramm gegenüber der internationalen Völkergemeinschaft offen zulegen oder gar dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Eine geschickte, langwierige Verhandlungsstrategie und die Erwartungshaltung der internationalen Staatengemeinschaft nach einer akzeptablen diplomatischen Lösung des Konflikts erlaubt es Nord-Korea, die Welt weiterhin über den tatsächlichen Entwicklungsstand seines Atomwaffenprogramms im Unklaren zu lassen. 5.3.5 Pakistan Pakistan besitzt derzeit als einziges islamisches Land Atomwaffen und unterstützt nach wie vor für Krisenländer mit atomaren Know-how. Dabei nimmt der Nukleartechniker KHAN weiterhin eine Schlüsselfunktion wahr. Der Leiter der IAEA, EL BARADEI bezeichnete KHANS internationales weltumspannendes Beschaffungsnetzwerk als einen "atomaren Supermarkt". Im Februar 2004 wurde ein deutscher Wissenschaftler, der Dual-UseProdukte (Kalibrierquellen und Alpha-Gamma-Spektrometriesysteme) nach Pakistan verkauft haben soll, vorläufig festgenommen. Beide Syste- - 107 - me können zur Entwicklung von Kernwaffen eingesetzt werden. Deklariert waren sie für eine medizinisch-technische Einrichtung. Nach Einschätzung westlicher Nachrichtendienste kann Pakistan derzeit nicht gewährleisten, dass das Wissen und die Entwicklungen pakistanischer Atomforscher in die Hände von Terroristen gelangen. In diesem Zusammenhang kann eine, wenn auch nur partielle Zusammenarbeit, einiger islamistischer pakistanischer Militärs und Atomwissenschaftler mit Al Qaida nicht ausgeschlossen werden. Es wird zwar nicht davon ausgegangen, dass Al Qaida in der Lage ist, eine Atombombe zu entwickeln. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch der Bau einer sog. "schmutzigen Bombe", bei der durch eine Explosion radioaktive Stoffe frei gesetzt werden. 5.4 Sonstige Spionagefälle Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte am 01. April 2004 einen türkischen Staatsangehörigen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für einen ausländischen Nachrichtendienst zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Unter anderem transportierte der Beschuldigte in einem präparierten Pkw Waffen für eine verbotene extremistische Organisation, die er außerhalb des deutschen Staatsgebietes aufnahm und seinen geheimdienstlichen Hintermännern im Ausland zuspielen sollte. Am 16. Dezember 2004 verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz eine deutsche Staatsangehörige zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung. Die 43-Jährige hatte versucht, in Kanada dem militärischen Nachrichtendienst der Volksrepublik China deutsche geheime Militärunterlagen zu verkaufen, die ihr zur Übersetzung anvertraut worden waren. Bei den Themenkomplexen Spionage, Wirtschaftsspionage, Proliferation und illegaler Wissenstransfer bietet der Verfassungsschutz Informationen an, die auch im Internet unter www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen - 108 - werden können. Er bietet darüber hinaus Interessenten auch künftig Sensibilisierungsund Sicherheitsgespräche an. Als Kontakttelefonnummer dient der Anschluß Mainz 06131/16-3772 bzw. 16-3773 oder Fax 06131/16-3788 - 109 - 6. GEHEIMSCHUTZ/SABOTAGESCHUTZ Wie in den Jahren zuvor, hat sich die Verfassungsschutzbehörde - hier lediglich als mitwirkende Behörde - auch im Berichtszeitraum erfolgreich der Aufgabe gewidmet, im Zusammenwirken mit allen Partnern, den als "zuständige Stelle" originär geforderten Geheimschutzbeauftragten der Behörden oder Sicherheitsbevollmächtigten der geheimschutzbetreuten Wirtschaft, die im staatlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen. Materieller Geheimschutz Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (VS - Beratungen, Schulungen und Broschüren) wurden die Partner über den gebotenen Umgang mit Verschlusssachen und deren sachgerechte technische und organisatorische Sicherung informiert und sensibilisiert. Insbesondere die ständig an Bedeutung gewinnende, gleichzeitig aber auch immer komplexer und damit anfälliger werdende Informationsund Kommunikationstechnik erfordert die präzise Einhaltung der in der staatlichen Verschlusssachenanweisung (VSA) wie auch im Geheimschutzhandbuch der Wirtschaft vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Dort sind darüber hinaus weitere technische, aber auch bauliche, organisatorische und personelle Maßnahmen verbindlich angeordnet, die in ihrer Gesamtheit ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept ergeben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse; deshalb besteht das Angebot der Verfassungsschutzbehörde, auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen im Land entsprechend zu beraten. Personeller Geheimschutz Auch im Zeitalter der Hochtechnologie ist die menschliche Quelle im Objekt die effektivste und ergiebigste Form der Nachrichtenbeschaffung. Si- - 110 - cherheitsrisiken ergeben sich aber auch durch mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Verschlusssachen (VS) oder aus sonstigen persönlichen Defiziten, die dazu führen können, dass Unbefugte von Staatsgeheimnissen Kenntnis erlangen. Der Staat schützt sich hiergegen neben seiner aufklärenden und präventiven Spionageabwehr auch mit vorbeugenden Maßnahmen bei der Auswahl seiner Geheimnisträger. Zentrales Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz vom 8. März 2000. Dieser unterliegen Personen, die in Behörden oder Unternehmen Zugang zu staatlichen Verschlusssachen (VS) haben sollen oder ihn sich verschaffen könnten. Prüfungsziel ist die keine Zweifel begründende Feststellung, dass die betroffene Person nach ihrem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass sie mit den ihr anvertrauten VS sachgerecht und sorgfältig umgehen wird. Werden Tatsachen bekannt, die dieses eher zweifelhaft erscheinen lassen und können diese nicht ausgeräumt werden, darf die betroffene Person eine solche sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht ausüben. Derzeit sind ca. 3.000 Personen im Land Rheinland-Pfalz aktive Geheimnisträger. Sabotageschutz Dem Schutz lebenswichtiger Einrichtungen in Rheinland-Pfalz dient der vorbeugende personelle Sabotageschutz. Personen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebenswichtigen Einrichtung beschäftigt sind, üben ebenfalls eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne des insoweit geänderten Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes aus und sind dem entsprechend einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, an der die Verfassungsschutzbehörde in gleicher Weise wie beim personellen Geheimschutz mitwirkt. Ebenfalls auf die Verhinderung von Sabotageakten durch potentielle Innentäter zielt die Zuverlässigkeitsüber- - 111 - prüfung von Personen, die zum Sicherheitsbereich oder nicht öffentlich zugänglichen Bereichen von Kernkraftwerken oder Flughäfen Zutritt haben sollen (SS 12 b AtomG bzw. SS 29d LuftVG, ab 12. 01 2005 nach SS 7 LuftSiG). Im Vollzug des LuftSiG wird die Zahl der zu überprüfenden Personen und damit auch die Zahl der Erkenntnisanfragen an die Verfassungsschutzbehörde aller Voraussicht nach deutlich zunehmen. Verstärkt wird diese Tendenz durch die vorgesehene Einbindung der Verfassungsschutzbehörden (Erkenntnisanfragen) im Rahmen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Novellen zum Sprengstoffund Waffengesetz. - 112 - D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2002, GVBl. 2002, S. 477 Inhaltsübersicht Teil1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit - 113 - Teil3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS 9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Ministerium des Innern und für Sport als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. - 114 - SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und im Informationsaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. - 115 - Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. - 116 - Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. SS9 Allgemeine Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. SS 10 Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das heimliche Mithören oder Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn - 117 - 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können, 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge und der hieraus gewonnenen Informationen zwingend erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Betroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerlässlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Verwendung der durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes . Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung genannten Straftaten verwendet werden. (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. - 118 - SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskünfte können auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennungen sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheidet die Leiterin oder der Leiter oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses entsprechende Anwendung. (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen den Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet über die durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . - 119 - Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist oder 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder andere Datenträger belegbar sein. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenbezogenen Daten entsprechenden Akten oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. - 120 - (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Informationen und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung personenbezogener Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sonstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für Zwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. - 121 - SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentliche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 2. die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a der Strafprozessordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und sonstigen Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und diese die personenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder dem Schutz von Sachen von bedeutendem Wert oder der Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes dienen und dies mit den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 und SS 6 vereinbar ist. In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich personenbezogener Daten aus vorhandenen Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Nachrichtendienste angrenzender Staaten, an andere ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermitt- - 122 - lung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unterwanderung von Wirtschaftsunternehmen durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Bestrebungen oder 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen einer Person erforderlich. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers oder der Leiterin oder des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. SS 15 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 17 Minderjährigenschutz (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung - 123 - zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 18 Auskunft an Betroffene (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über personenbezogene Daten in nichtautomatisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport oder hierzu besonders Beauftragte. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden können. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt hat. SS 19 Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird. - 124 - Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. - 125 - SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) * - 126 - Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von sechs Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.