Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Verfassungsschutzbericht 2003 ISSN 0948-8723 Vorwort Die latenten Gefahren des globalen Terrorismus und der Extremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen prägten das Sicherheitslagebild 2003 in RheinlandPfalz. Der Terrorismus islamistischer Prägung hat im Jahre 2003 an Gefährlichkeit weiter zugenommen. Die brutalen Anschläge in der Türkei haben gezeigt, dass dieses Bedrohungspotential näher an Europa herangekommen ist. Insbesondere nach den Anschlägen in Madrid am 11. März 2004 muss von einer erhöhten Gefährdungslage im gesamten europäischen Raum ausgegangen werden. Obgleich die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Rheinland-Pfalz von den unmittelbaren Auswirkungen des Terrors weiter verschont geblieben sind, ist davon auszugehen, dass solche Anschläge jederzeit auch bei uns möglich sind. Denn auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein Potential bislang nicht enttarnter Mitglieder von Mudjahidin-Netzwerken, die Deutschland nicht nur als Vorbereitungsraum für Anschläge im Ausland ansehen. Neben der Eindämmung des Terrorismus zählt die dauerhafte, konsequente Bekämpfung der rechtsextremistischen Bestrebungen zu den zentralen Herausforderungen des Verfassungsschutzes. Zwar ging die Zahl der Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz weiter zurück. Dagegen blieb das Gewaltpotential im Vergleich zum Vorjahr unverändert, ebenso die Zahl der im letzten Jahr verübten Gewalttaten. Besorgniserregend ist der anhaltende Einfluss, den Rechtsextremisten über moderne Medien wie z.B. das Internet oder Musik-CDs auf junge Menschen ausüben. Sie versuchen gezielt zunächst das Vertrauen von Jugendlichen zu gewinnen, um diese dann im Sinne brauner Ideologie zu beeinflussen und zu prägen. -2Das linksextremistische Spektrum hat sich auch in Rheinland-Pfalz im Jahre 2003 nicht entscheidend konsolidieren können. Es fehlt vor allem an zündenden Themen und langfristigen Perspektiven. Auch das Thema Irakkrieg hat daran nichts grundlegend geändert. Gleichwohl muss vor allem die gewaltbereite Szene der Autonomen weiter sorgfältig beobachtet werden. Dies belegen nicht zuletzt eine Reihe von gefährlichen Eingriffen in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit so genannten Castor-Transporten durch Rheinland-Pfalz. Unter dem Motto "Prävention durch Information" unterrichtet der Verfassungsschutzbericht 2003 wiederum über relevante extremistische bzw. sicherheitsgefährdende Bestrebungen in unserem Land. Ich hoffe, er findet auch diesmal das Interesse vieler Leserinnen und Leser. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 8 3. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch 9 Information 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 10 5. Programm zur Bekämpfung des Rechts11 extremismus 5.1 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem 12 Extremismus" 5.2 Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden 12 Miteinander leben" B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 13 Überblick 2003 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotential 15 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 15 1.3 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten 16 (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 20 1.4.1 "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen" 2003 20 1.4.2 "Anti-Antifa" 20 1.4.3 "Hilfsorganisation für nationale politische 21 Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1.5 "Kameradschaften" 21 1.6 Rechtsextremistische Parteien 26 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 26 (NPD) "Junge Nationaldemokraten" (JN) 31 -4"Freiheitlich Soziale Liste" (FSL) 32 "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) 32 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 32 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) 34 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 37 und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) 37 1.7.2 "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" 38 1.7.3 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in 39 Rheinland-Pfalz 1.8 Intellektualisierungsbemühungen im 40 Rechtsextremismus 1.9 Auslandskontakte 41 2. Linksextremismus 42 Überblick 2003 2.1 Linksextremistisches Personenpotential 42 2.2 Linksextremistische Gewalt 43 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 43 2.3.1 Autonome 43 2.3.2 Sonstige (militante) Linksextremisten 45 2.3.3 Verfahren gegen terroristische und militante 46 Straftäter 2.3.4 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 47 2.4 Marxisten-Leninisten und andere 54 revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 56 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische 58 Bestrebungen von Ausländern Überblick 2003 3.1 Personenpotential 59 3.2 Gewalttatenzahlen 59 3.3 Der Extremismus islamistischer Prägung 59 3.3.1 Islamismus 59 -53.3.2 Islamistische Gruppierungen, die auch in 63 Rheinland-Pfalz vertreten sind 3.3.3 Sonstige islamistische Organisationen 73 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" 75 (DHKP-C) 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) 78 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) 3.6 "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdi80 stans" (KADEK) (ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" -PKK-) neu: "Volkskongress Kurdistans" -KONGRA-GELKGK) 3.7 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2003 in 86 Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind 4. Internet/Neue Medien 88 4.1 Rechtsextremisten 88 4.2 Linksextremisten 89 4.3 Ausländerextremismus 90 5. Spionageabwehr 91 6. Geheimschutz/Sabotageschutz 100 D. Anhang 102 Gesetzliche Grundlagen 102 Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser 1. Der Verfassungsschutzbericht 2003 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Der Bericht kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende rechtliche Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflussten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht lässt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates richten. Die im Verfassungsschutzbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand vom 31. Dezember 2003. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. 2. Die im Verfassungsschutzbericht 2003 genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst. Dieses 2001 eingeführte (neue) Definitionssystem stellt die tatauslösende politische Motivation in den Vordergrund. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbarem extremistischen Hintergrund, wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Die vergleichende Darstellung der entsprechenden Bundeszahlen musste unterbleiben, da diese bis zum Redaktionsschluss noch nicht vorlagen. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes1 u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden jedweder Couleur bzw. Herkunft; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. So hat der Verfassungsschutz insbesondere keine polizeilichen Befugnisse, er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, dass der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen darf, die ihm selbst untersagt sind. Daran haben auch die umfassenden gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 nichts geändert. Nach der Schaffung neuer Bestimmungen zur strafrechtlichen Verfolgung der Unterstützer ausländischer Terrororganisationen (SS 129b StGB) und zum Verbot islamistisch-extremistischer Vereine (Wegfall des so genannten Religionsprivilegs im Vereinsgesetz) noch im Dezember 2001 - beides 1 Siehe unter Teil D. (Anhang). -8als "Sicherheitspaket I" bezeichnet - ist zu Jahresbeginn 2002 das Terrorismusbekämpfungsgesetz ("Sicherheitspaket II") in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Sicherheitsgesetze, darunter das Bundesverfassungsschutzgesetz, der neuen Bedrohungslage angepasst worden. In Rheinland-Pfalz wurde die Gesetzeslage mit der Neufassung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 10 GG und zur Fortentwicklung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 16. Dezember 20022 angepasst. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1483. Der Haushaltsplan 2003 weist für den Verfassungsschutz insgesamt 1.106.300 EUR aus. Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) belief sich zum 31. Dezember 2003 auf 7.371, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfiel. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrags. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 2 Siehe GVBL 2002, Seite 477. Von den Änderungen betroffen sind u.a. das Landesverfassungsschutzgesetz (s. Teil D., Anhang) und das Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (s. GVBL 2000, Seite 70). 3 Stand: 31. Dezember 2003 -93. Öffentlichkeitsarbeit - Prävention durch Information Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt insbesondere im Hinblick auf die Prävention beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz breiten Raum ein. Derzeit sind folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich, die auch über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz.rlp.de abrufbar sind: - "Verfassungsschutz transparent"* - "Rechtsextremismus" - "Skinheads" - "Autonome" - "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!"* - "Islamistische Extremisten" - "Wirtschaftsspionage" - "Arbeiterpartei Kurdistans" - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Linksextremismus - weiterhin aktuell"* - "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka"* - "Aus guten Gründen - Beobachtung der 'Scientology'Organisation durch den Verfassungsschutz"* - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" - "Extremisten und Informationstechnik - vom Flugblatt zum PC"* - "Rechtsextremistische Parteien - Keine Alternative"* - "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - Mit Sicherheit ein Gewinn!" (* : derzeit nur im Internet als pdf-Datei verfügbar) -10Darüber hinaus werden auch Referenten zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes und zu Fragen des Rechtsextremismus und des islamistischen Extremismus zur Verfügung gestellt. Von diesem Angebot können interessierte gesellschaftliche Gruppen, Vereine, Schulklassen u.a. Gebrauch machen. Kontaktaufnahmen bitte an: Ministerium des Innern und für Sport Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Pressereferat : Tel.: 06131/16-3220 Abteilung Verfassungsschutz : Tel.: 06131/16-3772 Fax: 06131/16-3688 E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz führte auch 2003 die auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestartete Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass" fort. Neben der Verteilung von Informationsbroschüren wurden mit Schwerpunkt verschiedene Themen bezogene Veranstaltungen von Jugendgruppen in Rheinland-Pfalz unterstützt. Diese und vergleichbare Maßnahmen werden in Rheinland-Pfalz auch im Jahr 2004 durchgeführt. -11Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: FAIRSTÄNDNIS Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass Die Innenminister von Bund und Ländern Ministerium des Innern und für Sport - Abteilung Verfassungsschutz - Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Tel.: 06131/16-3772 Fax: 06131/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de E-Mail: verfassungsschutz@ism.rlp.de 5. Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Rheinland-Pfalz sieht der gewachsenen Bedrohung durch Extremisten nicht tatenlos zu. Seit Jahren ist daher die entschiedene Bekämpfung insbesondere des Rechtsextremismus eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Auch im Jahr 2003 haben die verschiedenen Ressorts ihre kontinuierliche Präventions-, Aufklärungsund Fortbildungsarbeit weitergeführt. Um diese Arbeit weiter zu optimieren, beschäftigt sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes mit der Entwicklung neuer Initiativen und der Koordinierung laufender Maßnahmen der einzelnen Ressorts. Ein Kernpunkt ist dabei weiterhin das Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus", das allein bis Ende Dezember 2003 fast 5.500 Anrufe verzeichnete. Ergänzt wird es durch das Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben", das seit Juli 2002 abrufbar ist. -125.1 Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Gerade Jugendliche geraten leicht in den Einflussbereich extremistischer, insbesondere rechtsextremistischer Gruppierungen. Aus diesem Grund hat Rheinland-Pfalz ein Programm geschaffen, das insbesondere jungen Menschen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich daher in erster Linie nicht an szenebekannte Aktivisten, sondern an Mitläufer und Sympathisanten. Hierfür ist seit März 2001 eine Telefon-Hotline geschaltet. Die kostenlose Hotline-Nummer 08004546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm "(R)AUS-wege" herzustellen. Aber es bietet auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und vergleichbaren Initiativen fachliche Beratung und Unterstützung an - sie können sich ebenfalls an die Hotline wenden. "(R)AUSwege" steht für den Mut zu einem Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. 5.2 Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben" Unter Federführung der Staatskanzlei bietet das Internetportal "Aktion gegen Rechts - in Frieden miteinander leben" Initiativen, die sich gegen Rechtsradikalismus, -extremismus und Rassismus engagieren, eine breite Plattform, sich darzustellen. Unter der Adresse "www.gegen-rechts. rlp.de" können sich Bürgerinnen und Bürger über diese Initiativen und die Aktionen der Landesregierung gegen Rechts in Rheinland-Pfalz informieren. -13B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Der Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen war auch im Jahr 2003 ein Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. Im Berichtsjahr ging die Zahl der Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz weiter zurück. Vor allem die rechtsextremistischen Parteien verloren Mitglieder. Das rechtsextremistische Gewaltpotential der Skinheadund Neonaziszene blieb im Jahre 2003 hingegen unverändert. Im Bundesgebiet nahmen die Gesamtzahl der Rechtsextremisten sowie die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten ab, während die Zahl der Neonazis anstieg. Besorgnis erregend ist der anhaltende Einfluss, den Rechtsextremisten über zeitgemäße Medien wie Internet oder besonders mittels Skinheadmusik gerade auf junge Menschen auch in Rheinland-Pfalz ausüben. Im Jahre 2003 fanden wieder sieben Konzerte rechtsextremistischer Skinheadbands in Rheinland-Pfalz statt. Gezielt werden mit der Musik vor allem junge Menschen "angesprochen", um sie an die Szene heranzuführen und schließlich zu integrieren. Nicht jeder Jugendliche, der sich ein Konzert rechtsextremistischer Skinheadbands anhört, wird dadurch selbst zum Rechtsextremisten. Im Skinheadmilieu bewegt sich erfahrungsgemäß eine nicht unbeachtliche Zahl von Personen, die bislang noch kein gefestigtes rechtsextremistisches Weltbild verinnerlicht haben ("Grauzone"). Die Protagonisten der Musik rechnen deshalb mit der Langzeitwirkung. -14In Rheinland-Pfalz hat im Jahre 2003 die Zahl der so genannten Kameradschaften mit neonazistischer Ausrichtung stark zugenommen. Diese autonomen Zusammenschlüsse sind zu einer Art Sammelbecken für Rechtsextremisten unterschiedlicher Ausprägung geworden. Dabei verbirgt sich allerdings nicht hinter jedem martialischen Gruppennamen ein beachtliches Personenpotential; virtuelle Internetpräsentationen zur Selbstdarstellung werden bisweilen gar von "Phantomkameradschaften" mit allenfalls zwei bis drei Mitgliedern angeboten. Neonazis aus Rheinland-Pfalz beteiligten sich im Jahre 2003 wieder an zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen im Bundesgebiet, was allerdings in der Szene - wie bereits im Vorjahr - auch eine gewisse "Demonstrationsmüdigkeit" bewirkte. Die Gegenmaßnahmen einzelner Neonazis, die diese Schwäche erkannt haben, waren bislang wenig erfolgreich. Weitgehende Stagnation herrscht bei den rechtsextremistischen Parteien. Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) konnte aus ihrem Pyrrhussieg vor dem Bundesverfassungsgericht in dem gegen sie eingeleiteten Parteiverbotsverfahren keinen Nutzen ziehen; sie verlor gar an Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz waren 2003 deutlich weniger Aktivitäten wahrnehmbar. Dieser Trend spiegelt sich auch bei den Parteien "Die Republikaner" (REP) und "Deutsche Volksunion" (DVU) wider. Thematisch zeigte sich das rechtsextremistische Spektrum auch 2003 anpassungsfähig. Neben dem Thema Irak-Konflikt standen soziale Brennpunktthemen auf der Tagesordnung rechtsextremistischer Agitation. Unter dem Gesichtspunkt etwaiger neuer Bündnisüberlegungen wurden auch Versuche festgestellt, sich in Themenwahl und Sprachgebrauch am linksextremistischen bzw. am islamistisch extremistischen Spektrum zu orientieren. Eine auch nur aktionsbezogene Zusammenarbeit erscheint aber zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch. Bislang wurden rechtsextremistische Annäherungsversuche nicht zuletzt aufgrund der tiefen ideologischen Gräben zurückgewiesen. -151.1 Rechtsextremistisches Personenpotential Bund (2002) Rheinland-Pfalz (2002) Gesamt: 41.500* (45.000*) 1.600* (1.700*) Gewaltbereite: 10.000 (10.700) 100 ( 100) Neonazis: 3.000 ( 2.600) 50** ( 50**) Parteien: 24.500 (28.100) 1.400 (1.500) Sonstige: 4.600 ( 4.400) 100 ( 100) alle Angaben: "ca." *ohne Mehrfachmitgliedschaften **in "Gewaltbereite" enthalten 1.2. Rechtsextremistische Gewalt Innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums besteht weiterhin die Gefahr der Entwicklung rechtsterroristischer Bestrebungen. Dies wird vor allem durch schwelende Gewaltdiskussionen unter Rechtsextremisten, aggressive Internetdarstellungen und das mehrfache Auffinden von Waffen und Sprengstoffen belegt. Jüngstes Beispiel ist der Sprengstoffund Waffenfund in München im Herbst 2003. Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen 16 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer rechtsextremistischen Vereinigung eingeleitet. 11 Beschuldigte sind dringend verdächtig, sich zu einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB zusammengeschlossen zu haben. Die übrigen stehen im Verdacht, diese terroristische Vereinigung durch Beschaffung von Waffen und Sprengstoff unterstützt zu haben. In Rheinland-Pfalz konnten bislang keine rechtsterroristischen Strukturen festgestellt werden. Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2003 liegt in Rheinland-Pfalz bei 371 (2002: 402), davon 294 so genannte Propagandadelikte (2002: 297). Von den 371 Taten waren 274 rechtsextremistisch motiviert (2002: 172). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewaltta- -16ten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 22 (2002: 22). In 20 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte (2002: 20). Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2003 drei jüdische Friedhöfe geschändet (2002: 4). Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2003 2002 Gesamt: 22 22 Deliktsarten: Tötungsdelikte: ----Versuchte Tötungen: --- 1 Körperverletzungen: 20 20 Brand-/Sprengstoffanschläge: 1 (Versuch) --Landfriedensbruch: 1 1 1.3 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads4) Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten werden bundesweit etwa 10.000 Personen zugerechnet (2002: ca. 10.700). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. Dem militanten Spektrum gehören in Rheinland-Pfalz wie im Vorjahr je ca. 50 Skinheads und 50 Neonazis an. Charakteristisch ist die hohe Fluktuation in dieser Szene. Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um männliche Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Es überwiegen einfache und mittlere Bildungsabschlüsse sowie Berufe aus dem Arbeiterund Handwerkerbereich. Die Taten werden oft aus einer Gruppe bzw. Clique heraus begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 4 Vgl. Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Mai 2003), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz angefordert werden kann. -17Der vorwiegend unstrukturierten Skinheadszene gehören neben unpolitischen Personen und einzelnen so genannten Redskins5 vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads an. Sie bilden seit Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die zahlenmäßig größte Gruppe der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Der Schwerpunkt der rechtsextremistischen Skinheadszene liegt in Ostdeutschland. Aber auch in anderen Regionen der Bundesrepublik existieren bedeutendere Skinheadgruppierungen. Bundesweit aktiv ist im Wesentlichen nur noch die Skinheadgruppierung "Hammerskins", deren regionalen Untergliederungen - so genannte Chapter - etwa 120 Personen angehören. Versuche rechtsextremistischer Parteien, aus den Reihen der Skinheads und Neonazis Nachwuchs zu rekrutieren, scheiterten weitgehend an dem Desinteresse dieser Personengruppen. Lediglich auf der regionalen Ebene war ein Zusammenwirken von Skinheads und Neonazis mit der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zu beobachten. Skinheads lassen sich jedoch in aller Regel nicht dauerhaft in rechtsextremistische Parteien einbinden. Die Skinheadszene in Rheinland-Pfalz hat sich gegenüber 2002 nur unwesentlich verändert. Sie umfasst etwa 400 Personen. Bei den meisten von ihnen sind zwar bisher keine Erkenntnisse über rechtsextremistische Aktivitäten angefallen. Bei diesem Personenkreis besteht aufgrund der subkulturellen Ausrichtung der Szene, der Gewaltgeneigtheit und der häufigen Kontakte zu Rechtsextremisten aber die permanente Gefahr des Abgleitens in das rechtsextremistische Umfeld. Nicht zuletzt um diese Gefahr einzudämmen wurde das rheinland-pfälzische Aussteigerprogramm "(R)auswege"6 entwickelt. 5 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. 6 Vgl. Seite 12, Nr. 5.1 -18Etwa 50 der ca. 400 Skinheads in Rheinland-Pfalz können eindeutig als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, die vor allem in der Vorderpfalz sowie in den Großräumen Koblenz/Westerwald und Zweibrücken/ Westpfalz auftreten. Im Bereich der Region Westerwald bestehen Kontakte zur Skinheadszene nach Hessen und Nordrhein-Westfalen; im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg. Skinheadmusik Skinheadmusik und -konzerte sind nach wie vor entscheidende Elemente für den Zusammenhalt und die Motivation der Szene. Viele Jugendliche finden über die Skinheadmusik den Einstieg in den Rechtsextremismus. Skinheadbands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut, insbesondere mit rassistischen und volksverhetzenden Liedtexten. Es gibt aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. Bei deutschen Konzertbesuchern sind ausländische Bands sehr beliebt. Um dem Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden zu entgehen, werden Skinheadkonzerte verstärkt konspirativ organisiert. Sie werden als geschlossene Veranstaltungen ausgegeben, es werden Gebäude oder Grundstücke von Sympathisanten genutzt. Zudem werden Konzerte verstärkt in das benachbarte Ausland wie z.B. nach Frankreich, Belgien und die Schweiz verlegt. Per SMS, Mailinglisten im Internet oder mit Mund-zuMund-Propaganda werden vor den Veranstaltungen lediglich Treffpunkte bekannt gegeben. Von dort aus werden die Teilnehmer sodann zu den eigentlichen Veranstaltungsorten geleitet . In Rheinland-Pfalz fanden im Jahre 2003 wie schon im Jahre 2002 sieben Konzerte von Skinheadbands statt. Größere Veranstaltungen wurden am 22. März 2003 in Bingen (Landkreis Mainz-Bingen), am 12. April 2003 in Mörstadt (Landkreis Alzey-Worms), am 28. Juni 2003 in Mörsfeld (Donnersbergkreis) und am 11. Oktober 2003 in Bingen (Landkreis Mainz- -19Bingen) durchgeführt. An ihnen beteiligten sich jeweils bis zu 200 Besucher. Darüber hinaus wurden im Jahre 2003 in Rheinland-Pfalz fünf so genannte Balladenabende (2002: drei) in kleinem Kreis durchgeführt. Zahlreiche Maßnahmen der Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren haben Bands und Produzenten strafrechtsrelevanter rechtsextremistischer Skinheadmusik verunsichert und ihren Handlungsspielraum eingeschränkt. Die Mitglieder der rechtsextremistischen Skinheadband "Landser" wurden am 22. Dezember 2003 in Berlin erstmals sogar wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach SS 129 StGB verurteilt. Ziel der Band sei es nach Feststellung des Kammergerichts Berlin gewesen, "rechtsradikal propagandistisch auf die Jugend Deutschlands einzuwirken, um Hass und Emotionen zu verbreiten". Auch in Rheinland-Pfalz wurden im Zusammenhang mit dem Vertrieb von CD's in drei Fällen Wohnungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung gemäß SS 130 StGB durchsucht. Die Ermittlungen dauern noch an. Dennoch findet weiterhin ein reger Austausch und Handel mit CD's statt. Der Vertrieb insbesondere indizierter oder strafrechtlich relevanter CD's ist finanziell sehr lukrativ und erfolgt immer häufiger über "Kleinstvertreiber", vor allem bei Skinheadkonzerten. Skinhead-"Fanzines" Die Bedeutung der "Fanzines" (abgeleitet von den englischen Wörtern fan und magazine) hat in der Szene abgenommen. Die Inhalte der "Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten einschlägige Abbildungen und Texte, vermehrt auch Darstellungen über Germanenund Wikingerkult sowie über die Black Metalund Dark Wave-Szene. -201.4 Neonazistische Szene/Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 2003 ca. 3.000 Personen zugerechnet werden (2002: ca. 2.600). In Rheinland-Pfalz gab es wie im Jahr 2002 ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig einzustufen sind. Führende Neonazis organisierten bundesweit mehrere Demonstrationen; in Rheinland-Pfalz fanden dagegen überwiegend interne Treffen statt. 1.4.1 "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" 20037 Am 16. August 2003 nahmen ca. 2600 Rechtsextremisten (2002: über 2000) an der zentralen Gedenkveranstaltung zum 16. Todestag von Rudolf Heß in Wunsiedel/Bayern teil. Unter diesen waren Teilnehmer u.a. aus Schweden, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, der Slowakei und Bulgarien. Vor Beginn der Veranstaltung traten eine rechtsextremistische Skinheadband sowie zwei sogenannte Liedermacher auf. Unter dem Motto "Weder Recht, noch Menschlichkeit!" führte ein Schweigemarsch durch die Innenstadt von Wunsiedel. Zu Ausschreitungen oder Störungen kam es nicht. In nahezu allen Bundesländern, darunter auch Rheinland-Pfalz, wurden Heßplakate und -aufkleber festgestellt. Die diesjährige "Rudolf-HeßGedenkveranstaltung" wurde in der Szene als großer Erfolg gewertet. 1.4.2 "Anti-Antifa" Ein verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene ist die so genannte Anti-Antifa-Arbeit. Ziel ist die Einschüchterung und Bedrohung sowie 7 In Erinnerung an den Todestag von Rudolf Heß am 17. August 1987. -21die Diffamierung von Bürgern, Journalisten, Richtern, Staatsanwälten und Politikern, die sich gegen Rechtsextremisten wenden. Hierzu werden persönliche Daten gesammelt. Im Frühjahr 2003 wurde in Rheinland-Pfalz eine Anti-Antifa-Broschüre mit dem Titel "Brauner Partisan, Stimme der braunen autonomen Untergrundbewegung" bekannt. Die achtseitige Publikation enthielt u.a. die Adresse der Partei Bündnis 90/Die Grünen sowie Lichtbilder und Anschriften von zwei ihrer Landtagsabgeordneten in Rheinland-Pfalz. Die Verfasser der strafrechtlich nicht relevanten Broschüre, die offensichtlich lediglich in einer kleinen Auflage in Umlauf kam, wurden nicht bekannt. 1.4.3 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) Die 1979 gegründete HNG ist der mitgliederstärkste Zusammenschluss deutscher Neonazis. Erste Vorsitzende ist nach wie vor die Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNG-Aktivisten. Die HNG - mit bundesweit rund 600 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der ideologischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Die HNG führt jährlich eine Hauptversammlung durch. Nach außen trat sie im vergangenen Jahr durch die Verteilung bzw. Versendung ihrer Publikation "Nachrichten der HNG" in Erscheinung. 1.5 "Kameradschaften" In Rheinland-Pfalz schlossen sich Neonazis und rechtsextremistische Skinheads vermehrt in so genannten Kameradschaften zusammen. Diese -22Entwicklung führte bisher aber nicht zu einer Vergrößerung des rechtsextremistischen Personenpotentials im Lande, da die meisten Kameradschaftsangehörigen bereits aus anderen rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt waren. Vernetzungsbestrebungen sind aber deshalb Besorgnis erregend, weil sie den Zusammenhalt in der Szene stärken und längerfristig zu einem Anwachsen der überregionalen rechtsextremistischen Kontakte und Aktivitäten führen können. Deshalb sind Kameradschaften auch über die Ländergrenzen hinweg bemüht sich zusammenzuschließen, um ihren Mobilisierungsgrad für gemeinsame Aktionen zu erhöhen. So wurde am 16. August 2003 ein "Aktionsbüro Rhein-Neckar" gegründet, in dem sich nach eigener Aussage verschiedene Personenkreise und regionale "Kameradschaften" aus verschiedenen Städten der Rhein-Neckar-Region zusammengeschlossen haben, weil, Zitat: "wir dem fortschreitenden Niedergang unserer Heimatregion durch Überfremdung, Kriminalität und Arbeitslosigkeit nicht länger tatenlos zusehen wollen". In der Regel bestehen "Kameradschaften" aus 10 bis 20 überwiegend jungen männlichen Mitgliedern. Sie haben zumeist keine oder nur geringe Organisationsstrukturen. Die Nutzung neuester Kommunikationsmittel verschafft ihnen eine hohe Flexibilität. "Kameradschaftsführer" und deren Stellvertreter haben einen autoritären Führungsanspruch. Nur in Einzelfällen werden Entscheidungen mehrheitlich getroffen. Mitgliedsbeiträge werden für regionale Aktivitäten verwendet. Die "Kameradschaftsabende" finden regelmäßig in Gaststätten, aber auch in Privatwohnungen statt. Diese Treffen dienen neben der Geselligkeit auch der politischen Schulung sowie der Planung und Absprache gemeinsamer Aktivitäten, etwa der Teilnahme an regionalen und überregionalen Demonstrationen oder dem Besuch von rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im Inund Ausland. -23"Kameradschaft Vorderpfalz" ehemals: Kameradschaft VG Heßheim Die "Kameradschaft VG Heßheim" aus Frankenthal wurde Mitte 2002 u.a. durch ihre Internetaktivitäten bekannt. Die etwa 10 Personen umfassende Gruppe führt regelmäßig so genannte Kameradschaftstreffen durch und war bislang Herausgeber der Publikation "Schlagwort VG Heßheim" und Betreiber der Homepage "Kameradschaft VG Heßheim". Nach eigenem Bekunden besteht ihr Anliegen "ausschließlich im legalen politischen Kampf". Im Mai 2003 wurde folgende Interneteintragung bekannt: "Auf Anordnung der zuständigen Verbandsgemeindeverwaltung wurde diese Seite ("Kameradschaft VG Heßheim") geschlossen. Wir werden aber bald wieder unter unserem neuen Namen "Kameradschaft Vorderpfalz" im Internet erreichbar sein. Es sind auch auf Anordnung der zuständigen Verbandsgemeindeverwaltung keine "Schlagwort VG Heßheim"-Hefte mehr zu erhalten". Die "Kameradschaft Vorderpfalz" ist dem "Aktionsbüro RheinNeckar" angeschlossen. "Kameradschaft Albert Leo SCHLAGETER" Im Bereich der Gemeinde Annweiler besteht seit über zwei Jahren eine rechtsextremistische Gruppierung mit der Bezeichnung "Kameradschaft Albert Leo Schlageter8. Diese tritt allerdings nur selten öffentlich in Erscheinung; zumeist finden interne Zusammenkünfte statt. Kontakte seitens dieser 10 bis 15 Personen umfassenden Gruppierung bestehen zu dem so genannten Nationalen Widerstand Kandel. Aktivisten aus diesem Spektrum unterhalten Kontakte in das benachbarte Baden-Württemberg. 8 Der am 12. August 1894 geborene Albert Leo Schlageter wurde nach einem Anschlag auf die Bahnlinie DüsseldorfDuisburg von den französischen Behörden am 8. Mai 1923 zum Tode verurteilt und am 26. Mai 1923 hingerichtet. Schlageter wurde von den Nationalsozialisten zum "Märtyrer" aufgebaut. -24"Kameradschaft Schwarze Division Germania" Im Bereich Rheinland-Pfalz/Hessen besteht seit etwa einem Jahr die weniger als 20 Personen umfassende rechtsextremistische Gruppierung "Kameradschaft Schwarze Division Germania". Nach eigenen Angaben gliedert sie sich in die Sektionen Rheinhessen, Taunus, Nordpfalz und Österreich. Nach einer Selbstdarstellung im Internet vom September 2003 definiert sie ihre Ziele wie folgt: "Unsere Ziele sind zu Einigkeit im Nationalen Widerstand beizutragen und diesen durch Disziplin und Geschlossenheit zu stärken. Dabei orientieren wir uns am Beispiel ehrenhafter und anständiger Kameraden, die ihr Leben der Sache widmen.....". Neben den internen so genannten Kameradschaftstreffen organisiert die Kameradschaft u.a. die Teilnahme an Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen des rechtsextremistischen Spektrums. "Kameradschaft Westerwald" Im Bereich Westerwald besteht seit etwa einem Jahr die weniger als 20 Personen umfassende rechtsextremistische Gruppierung "Kameradschaft Westerwald". Nach Aussage im Internet vom Oktober 2003 steht die Gruppe für folgende Ziele: "Wir sind für den Erhalt unserer eigenen Art und Kultur! Der Westerwald soll deutsch bleiben! Wir brauchten noch niemals Multikulti, brauchen es nicht und werden es auch niemals brauchen! ....Hiermit sei nochmals betont, dass wir keine ausländerfeindliche Organisation sind, sondern eine volkserhaltende unabhängige Struktur bilden!" Neben den internen so genannten Kameradschaftstreffen organisierte die Kameradschaft am 13. September 2003 in Dreisbach/Wester-wald einen Protestmarsch der "nationalen Jugend" unter dem Motto "Fremde hätscheln und Deutsche schikanieren - Nicht mit uns!". -25"Kameradschaft Moselland" Die Kameradschaft Moselland präsentiert sich seit Anfang 2003 im Internet. In einer Selbstdarstellung vom Juni 2003 bezeichnet sich die Kameradschaft unter der Überschrift "Der Widerstand im Moselland! Frei - Sozial - National" als ein Zusammenschluss von Partei unabhängigen Nationalisten im Moselland. "Wir betrachten uns als regionale Organisation für alle Männer und Frauen, ungeachtet ihrer eigenen Weltanschauung, die sich im Nationalen Widerstand organisieren und nach den Grundsätzen und Tugenden eines volkstreuen Deutschen handeln wollen". "Nationaler Widerstand Kandel" Seit dem Jahre 2000 ist die weniger als 10 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Kandel" bekannt. Sie beteiligt sich überwiegend an den Veranstaltungen der "Kameradschaft Albert Leo Schlageter" im Bereich der Gemeinde Annweiler. Im September 2003 wurde folgende Interneteintragung bekannt: "Man hat uns schon tot gesagt....., aber wir sind immer noch voll da! Noch besser als zuvor, nationaler denn je, direkter als wir es jemals waren.....Wir halten weiter an unserem Weg fest und kommen nicht davon ab". "Nationaler Widerstand Zweibrücken" Seit über einem Jahr ist die etwa 15 bis 20 Personen umfassende Gruppierung mit der Bezeichnung "Nationaler Widerstand Zweibrücken" bekannt. Es handelt sich um einen losen Zusammenschluss von Personen des rechten Spektrums aus dem näheren Umkreis von Zweibrücken. Neben internen Treffen organisierte der "Nationale Widerstand Zweibrücken" u.a. am 25. Oktober 2003 in der Innenstadt von Zweibrücken eine Versammlung, an der etwa 25 Personen des rechten Spektrums teilnahmen. Die Versammlung fand keine öffentliche Resonanz. -261.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: "Junge Nationaldemokraten" (JN) "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Mitglieder (Bund): ca. 5.000 (2002: ca. 6.100) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 200 (2002: ca. 200) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 9 Kreisverbänden Publikationen: "Deutsche Stimme" monatliche Auflage: 10.000 Politische Ausrichtung Mit Beschluss vom 18. März 2003 hat das Bundesverfassungsgericht aus prozessualen Gründen das Verbotsverfahren gegen die NPD eingestellt, ohne eine Sachentscheidung hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu treffen. Die Partei wertete den Ausgang des Verfahrens als Erfolg, jedoch führte der Prozessausgang nicht zu der von der NPD erhofften Aufbruchstimmung. Die öffentlichen Aktivitäten der Partei gingen im Jahr 2003 sogar weiter zurück; darüber hinaus verlor sie bundesweit nahezu 1.000 Mitglieder. Dennoch bleibt die NPD die aktionistischste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie hält an ihrer offen vorgetragenen Feindschaft gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung fest. Sie unterstreicht dies mit der Forderung nach einem "Systemwechsel" und der Ankündigung, das "liberalkapitalistische System" ablösen zu wollen. Ihr Ziel sieht die -27NPD im "Befreiungskampf des deutschen Volkes" und der "Wiederherstellung des Deutschen Reiches". Neben Familienförderung und Frieden für Deutschland propagiert sie "Arbeitsplätze statt Globalisierung" und "Volksgemeinschaft statt Multkulti-Wahn". Die Gleichheit der Individuen und die Würde des Menschen werden unter den Vorbehalt der "Nützlichkeit des Einzelnen für die Volksgemeinschaft" gestellt. Die Partei missachtet den Gedanken der Völkerverständigung und propagiert Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus wird an der Heroisierung führender Repräsentanten des NS-Systems unter Adolf Hitler deutlich. So unterstützte die NPD auch im Jahr 2003 wieder die Demonstration anlässlich des Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 16. August in Wunsiedel/Bayern mit Rednern aus dem Bundesvorstand. In dem Ende des Jahres 2003 erstmals herausgegebenen "Taschenkalender des nationalen Widerstandes" werden neben Beiträgen zu Kultur, Politik und Zeitgeschichte auch Daten früherer NS-Ereignisse veröffentlicht; durchgängig kommen darin rechtsextremistische, bisweilen auch rassistische und antisemitische Positionen zum Ausdruck. Den Irak-Krieg nutzte die Partei für die Fortsetzung ihrer Antiamerikanismusund Antiglobalisierungskampagnen. In mehreren Städten Deutschlands fanden Solidaritätsdemonstrationen für den Irak statt - unter anderem in Grafenwöhr/Bayern, Hanau/Hessen und in Erfurt/Thüringen. Mit Flugblättern wie "Kein Blut für Öl - Amis raus aus dem Irak" oder "Keinen Cent für Kriegstreiber - Kauft keine US-Ware" bezog die NPD eindeutig Stellung gegen die USA. Insgesamt gesehen gelang es der NPD jedoch nicht, in der Öffentlichkeit Interesse an ihren Aktionen zu erwecken, geschweige denn sich als "Friedenspartei" darzustellen. Nach Außen distanziert sich die NPD zwar von Gewalt und gewalttätigen Aktionen, jedoch lassen Aussagen führender Parteifunktionäre eine aktivkämpferische Diktion erkennen, die bis hin zur Militanz reicht. Auch das -28Fehlen durchgreifender Maßnahmen gegen Gewalttäter aus den eigenen Reihen verdeutlicht das in erster Linie taktisch bedingte Verhältnis der NPD zur Gewalt. Verbotsverfahren Das Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hat mit Beschluss vom 18. März 2003 das Verbotsverfahren gegen die NPD und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) eingestellt. Im 2. Senat fand sich nicht die nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz notwendige ZweiDrittel-Mehrheit für die Fortsetzung des Verfahrens; drei von sieben Richtern stimmten für die Beendigung. Vier Richter waren der Auffassung, der bloße Anschein oder die abstrakte Gefahr einer Ausforschung der NPD durch V-Leute beinhalte keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und reiche für eine Verfahrenseinstellung nicht aus. Die Belange des präventiven Verfassungsschutzes würden durch eine Verfahrenseinstellung nicht angemessen berücksichtigt und der Kampf gegen den Extremismus werde damit erschwert. Nach der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gab der Prozessvertreter der Partei Horst MAHLER seinen Austritt aus der NPD bekannt. Die NPD sei für ihn eine am Parlamentarismus ausgerichtete Partei und deshalb unzeitgemäß. Die NPD bedauerte, dass das Gericht keine Sachentscheidung hinsichtlich der Ziele und der Programmatik der Partei getroffen hat und bezeichnete die Verfahrenseinstellung als "faulen Kompromiss, mit dem es dem System gelungen sei, sich an einer klaren Entscheidung vorbeizumogeln". Strategiekonzept Der Parteivorsitzende Udo VOIGT hielt konsequent an der "Drei-SäulenStrategie" "Kampf um die Straße", "Kampf um die Köpfe" und "Kampf um die Parlamente" fest. Der "Kampf um die Straße" hatte für die Partei aber -29nicht mehr die Bedeutung wie noch im Jahre 2002. Gemeinsame Aktionen mit Neonazis und Skinheads gingen im Jahre 2003 merklich zurück. Zudem haben die im Zuge des Verbotsverfahrens aufgekommenen "Spitzelverdächtigungen" das Vertrauen der rechtsextremistischen Szene in die NPD erheblich geschwächt. Um ihre politischen Ziele darzustellen, führte die Partei jedoch auch im Jahr 2003 ca. 50 Demonstrationen (2002: 100) und öffentliche Veranstaltungen durch, wie z.B. die zentrale Demonstration zum 1. Mai 2003 in Berlin mit ca. 1.300 Teilnehmern und das Pressefest des parteieigenen "Deutsche Stimme-Verlags" am 9. August 2003 in Meerane/Sachsen mit ca. 2.500 Teilnehmern. Im "Kampf um die Köpfe" wurde im Parteivorstand über eine Verbandsund Strukturreform sowie eine effizientere Mitgliederwerbung beraten. Statt Skinheads sollen künftig gezielt Akademiker für die Partei geworben und die Bildungsarbeit der Mitglieder vorangetrieben werden. In diesem Zusammenhang ist der Bau eines "Nationalen Bildungszentrums" auf parteieigenem Gelände in Berlin zu sehen. In einem Spendenaufruf hierfür heißt es: "Der Kampf um Deutschland muss jetzt erst recht geführt werden, damit Deutschland wieder das Land der Deutschen wird. Um diesen Kampf sachgerecht führen zu können, brauchen wir Menschen, die durch Ausbildung in die Lage versetzt werden, strategisch, operativ, taktisch und politisch richtig zu handeln. Um das 'volkliche Überleben' zu sichern, ist eine nationale Wende unumgänglich". Teilnahme an politischen Wahlen Die NPD verzichtete im Jahr 2003 auf die Teilnahme an Landtagswahlen und nahm lediglich an der Bezirkswahl am 21. September 2003 in Niederbayern und den Kommunalwahlen am 26. Oktober 2003 in Brandenburg teil. In Niederbayern scheiterte sie an ihrem Ziel, einen Sitz in einem Kommunalgremium zu erlangen. In Brandenburg gelang ihr hingegen der Einzug in drei Kreistage sowie in den Rat der Stadt Wittstock. -30Im Jahr 2004 will die Partei den "Kampf um die Parlamente" wieder forcieren und strebt den Wiedereinzug in verschiedene Parlamente an. Sie beabsichtigt, sich an den Landtagswahlen in Thüringen, dem Saarland, Sachsen und Brandenburg sowie an im Jahre 2004 stattfindenden Kommunalwahlen zu beteiligen. Für die Wahl zum Europäischen Parlament am 23. Juni 2004 hat sie bereits eine 23 Kandidaten umfassende Liste aufgestellt, nachdem im August 2003 ein vom NPD-Parteivorstand als "Leipziger Appell" verabschiedeter Aufruf an die Führungen der Parteien "Die Republikaner" (REP), "Deutsche Volksunion" (DVU) und "Deutsche Partei" (DP), gemeinsam als "Deutsche Liste für Europa" zur Europawahl anzutreten, gescheitert war. Auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 3. und 4. Oktober 2003 in Saarbrücken wurde der Bundesvorsitzende Udo VOIGT auf Platz eins und sein Stellvertreter Holger APFEL auf Platz zwei der Kandidatenliste gewählt, auf der sich auch zwei Funktionäre aus dem NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz befinden. NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz Der rheinland-pfälzische NPD-Landesverband befand sich im Jahre 2003 in einer schwierigen Lage. Die Mitgliederzahl sank auf unter 200 Personen (2002: ca. 200). Im Landesverband war ein angespanntes Verhältnis zu dem Landesvorsitzenden Martin LAUS zu beobachten. Die Partei entwickelte kaum Aktivitäten. Lediglich am 8. Februar 2003 veranstaltete der NPD-Kreisverband Westerwald mit 27 Teilnehmern in Diez eine Mahnwache unter dem Motto "Todesstrafe für Kinderschänder". Darüber hinaus nahmen an einer Demonstration der "Freien Kameradschaften" gegen den Abriss eines Ehrenmals der Waffen-SS in Marienfels im Westerwald am 22. November 2003 auch ca. 20 rheinland-pfälzische NPD-Mitglieder teil, darunter der NPD-Landesvorsitzende Martin LAUS und der JN-Landesvorsitzende Sebastian BERENDS. Einigkeit herrschte im Landesverband Rheinland-Pfalz darüber, dass man zur Gewinnung neuer Mitglieder die Partei für die Jugend attraktiver ge- -31stalten müsse. So wurde in Erwägung gezogen, vor Schulen und Ausbildungsstätten Flugblätter zu verteilen, um die Schüler über ihre angebliche "Benachteiligung gegenüber Ausländern", den "Lehrstellenabbau" und spätere Rentenperspektiven zu informieren und für die Arbeit in der NPD zu interessieren. Aktionen dieser Art fanden bisher jedoch nur vereinzelt statt und blieben ohne nennenswerte Resonanz. Mit einer Fortsetzung solcher Aktionen im Jahr 2004 ist zu rechnen. Eine Teilnahme an den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen am 23. Juni 2004 ist nicht beabsichtigt. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Riesa/Sachsen Mitglieder (Bund): ca. 400 (2002: ca. 450) Mitglieder Rheinland-Pfalz: unter 30 (2002: über 30) Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband, untergliedert in Stützpunkte Publikationen: nur regional, in Rheinland-Pfalz keine eigenen Publikationen Als einzige rechtsextremistische Partei verfügt die NPD mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) über eine zahlenmäßig relevante Jugendorganisation. Der Mitgliederstand ist im Jahr 2003 weiter zurückgegangen. Der JN-Landesverband Rheinland-Pfalz war im Berichtszeitraum inaktiv. Eigene Veranstaltungen wurden im zurückliegenden Jahr nicht festgestellt. Mitgliedertreffen fanden - wenn überhaupt - nur mit geringer Beteiligung statt. Nach dem Rücktritt des Landesvorsitzenden Philipp VALENTA aus Trier wurde im Juni 2003 Sebastian BERENDS aus Kaiserslautern zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Doch auch unter BERENDS kamen die Aktivitäten des Landesverbandes nicht mehr in Schwung. -32"Freiheitlich Soziale Liste" (FSL) Die der NPD nahestehende "Freiheitlich Soziale Liste" wurde im Dezember 2002 von dem rheinland-pfälzischen NPD-Landesvorstandsmitglied und Studenten an der Universität Trier Safet BABIC für die Teilnahme an der alljährlich stattfindenden Wahl zum Studentenparlament der Universität Trier gegründet. Erst bei der Wahl im Dezember 2003 erzielte BABIC ein eigenes Mandat. Die FSL will sich insbesondere für die Streichung der Zuschüsse für volksfeindliche Projekte und die stärkere Politisierung der Studentenschaft einsetzen. Für das Jahr 2004 schließt sie eine weitere Kandidatur aus. "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" versteht sich als einzige "nationalistische fundamentaloppositionelle Studentenund Akademikerorganisation Deutschlands", ist an Hochschulen und Universitäten jedoch kaum verankert. Nach eigenen Angaben will er sich nicht an der herkömmlichen Hochschulpolitik beteiligen, sondern eher geistige Grundlagen für nationale Politik erarbeiten. Im Jahr 2003 entfaltete der NHB keine Aktivitäten. Bundesvorsitzender ist seit Oktober 2000 der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Martin LAUS. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Gründung: 1971 als eingetragener Verein 1987 als Partei DVU - Liste D 1991 Umbenennung in DVU Sitz: München Mitglieder (Bund): ca. 11.500 (2002: ca. 13.000) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 550 (2002: ca. 650) -33Organisation in Rheinland-Pfalz: weitgehend unstrukturierter Landesverband Sprachrohr: "National-Zeitung" (NZ) Auflage wöchentlich: ca. 41.000 Exemplare Die DVU wird von dem Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autoritär geführt. Sie ist trotz des erheblichen Mitgliederrückgangs im Jahre 2003 um etwa 1.500 Personen weiterhin die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Gegenwärtig ist die DVU noch in zwei Landesparlamenten vertreten (Brandenburg und Bremen). Sie nahm 2003 nur an der Bürgerschaftswahl in Bremen teil und konnte wieder ein Mandat erringen. Die gelegentlichen Wahlbeteiligungen der DVU haben aber gezeigt, dass die Partei nur über eine sehr geringe Stammwählerschaft verfügt und darauf angewiesen ist, Protestwähler zu mobilisieren. Insgesamt ist ihr Bedeutungsverlust unverkennbar. Dies zeigt insbesondere der erneute Verzicht auf die ansonsten jährlich stattfindende "Großkundgebung" in der Nibelungenhalle in Passau. Die wöchentlich erscheinende "National-Zeitung - Deutsche WochenZeitung" (NZ), das gegenwärtig auflagenstärkste rechtsextremistische Presseorgan in Deutschland, ist als Sprachrohr der Partei anzusehen. Mit aggressiven und reißerischen Schlagzeilen und Kommentierungen werden tagespolitische Ereignisse verzerrt dargestellt und für die eigenen Zwecke missbraucht, so z.B.: "Deutschland den Zuwanderern?" (NZ Nr. 1-2/2003) "Sollen Ausländer die Deutschen ersetzen?" (NZ Nr. 22/2003) "Wie Ausländer bevorzugt werden - Sonderrechte bei Rente und Krankenkasse" (NZ Nr. 38/2003) -34"Wie viel Macht hat die Israel-Lobby?" (NZ Nr. 42/2003) "Terror-Hölle Türkei in die EU?" (NZ Nr. 49/2003) "Die Antisemitismus-Lüge. Wie Kritik an Israel unterdrückt werden soll" (NZ Nr. 51/53/2003) Die DVU thematisierte den Irak-Krieg in der NZ überwiegend mit für die DVU-Programmatik charakteristischen antiamerikanischen und antiisraelischen Parolen, so z.B. "Der Holocaust am Irak" (NZ Nr. 13/2003) "Wie Bush lügt, heuchelt, mordet. Die Kriegsverbrechen der USA" (NZ Nr. 14/2003) "Steckt Israel hinter Amerikas Kriegen?" (NZ Nr. 18/2003) In Rheinland-Pfalz gehen von dem nicht strukturierten DVU-Landesverband nur wenige, nicht öffentliche Aktivitäten aus. In Anzeigen der "National-Zeitung" und im Internet weist der DVU-Kreisverband Ludwigshafen am Rhein/Vorderpfalz auf Stammtische hin. 1.6.3 "Die Republikaner" (REP) Gründung: 1983 Sitz: Berlin Teil-/Nebenorganisationen: Republikanische Jugend (RJ) Republikanischer Bund der Frauen (RBF) Republikanischer Hochschulverband (RHV) Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten (RepBB) Mitglieder (Bund): ca. 8.000 (2002: 9.000) Mitglieder (Rheinland-Pfalz): unter 600 (2002: ca. 600) -35Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 16 Kreisverbänden Publikationen: "Der Republikaner" Politische Ausrichtung Nach wie vor liegen bei den REP tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor, auch wenn nicht jedes Mitglied verfassungsfeindliche Ziele verfolgen mag. Schwerpunkte der innenpolitischen Agitation waren auch im zurückliegenden Jahr die Wirtschaftsund Rentenpolitik, die Steuerreform sowie die Gesundheitsund Sozialpolitik - diese insbesondere in Verbindung mit dem Vorwurf einer angeblichen Bevorzugung von Ausländern und Asylbewerbern. Außenpolitischer Schwerpunkt war der Irak-Krieg und seine Folgen. In den politischen Aussagen der REP tritt unverkennbar der Wille in den Vordergrund, Politik "in erster Linie an den Interessen des deutschen Nationalstaates und des deutschen Volkes" auszurichten. Außerhalb von Wahlkämpfen trat die Partei in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung. Wahlniederlagen und daraus resultierende innerparteiliche Querelen über den richtigen Kurs prägten auch im Jahr 2003 die Situation der REP. Die REP-Nebenorganisationen "Republikanische Jugend", "Republikanischer Bund der Frauen", der "Republikanische Hochschulverband" und der "Republikanische Bund der öffentlich Bediensteten" entwickelten im Jahr 2003 keine nennenswerten Aktivitäten. Die Mitgliederzahl ging weiter zurück. Abgrenzungskurs Der Parteivorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER hält weiterhin an seinem Abgrenzungskurs zu anderen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen fest. Er lehnte den Vorschlag des NPD-Bundesvorsitzenden Udo VOIGT vom August 2003, dass NPD, REP, DVU und "Deutsche Partei" -36zur Steigerung des Wählerpotentials am 23. Juni 2004 gemeinsam zur Europawahl antreten sollen, ab. Der Abgrenzungskurs SCHLIERERs ist innerparteilich weiterhin umstritten und wird von Teilen der Parteibasis wie auch auf Funktionärsebene ignoriert. Die Verbindung zu dem im Raum Dresden aktiven "Nationalen Bündnis Dresden" (NBD)9 und offene Stellungnahmen gegen den Abgrenzungskurs des Parteivorsitzenden führten zum Rückzug führender Funktionäre aus der Parteiarbeit bis hin zu Parteiausschlüssen. Teilnahme an Wahlen Im Jahr 2003 beteiligte sich die Partei an mehreren Landtagswahlen sowie in Brandenburg an den dortigen Kommunalwahlen. Bei der Landtags-wahl am 2. Februar 2003 in Niedersachsen musste sie mit nur 0,4% (1998: 2,8%) erhebliche Verluste hinnehmen; bei der Landtagswahl am gleichen Tag in Hessen erhielt sie 1,3% (1998: 2,7%). Auch bei der bayerischen Landtagswahl am 21. September 2003 erzielte die Partei nur 2,2% (1998: 3,6%), obwohl sie dort als einzige rechtsextremistische Partei zur Wahl angetreten war. Das Kommunalwahlergebnis vom 26. Oktober 2003 in Brandenburg reichte der Partei bei landesweit 0,53% der abgegebenen Stimmen für ein Mandat im Kommunalparlament von Eisenhüttenstadt. Europaparteitag Am 15. November 2003 fand in Münster/Westfalen der Europaparteitag zur Wahl der 15 Listenkandidaten für die Europawahl 2004 statt. Auf die beiden vorderen Plätze wurden die stellvertretende Bundesvorsitzende Ursula WINKELSETT (Nordrhein-Westfalen) und der Bundesvorsitzende 9 Das NBD wurde am 24. April 2003 im Hinblick auf die sächsische Kommunalwahl 2004 im Beisein von Funktionären der REP, NPD und DVU gegründet. Vorsitzender ist der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Holger APFEL, zu seinen Stellvertretern wurden zwei Funktionäre aus dem REP-Landesverband Sachsen gewählt. -37Dr. Rolf SCHLIERER (Baden-Württemberg) gewählt. In ihrem Europawahlprogramm wollen die REP "der von Bürokratie und Zentralismus geprägten EU ihre Vision eines freiheitlichen Staatenbundes" entgegensetzen. In seiner Grundsatzrede warnte Dr. SCHLIERER vor einer "Aushebelung der Freiheitsrechte des Grundgesetzes durch die Altparteien". REP-Landesverband Rheinland-Pfalz Landesvorsitzender ist seit der Landesmitgliederversammlung am 2. September 2001 Stephan STRITTER aus Mainz, Stellvertreter u.a. der ehemalige Vorsitzende Gerhard MEYER aus Trier. Die politischen Aktivitäten des bis auf einige Kreisverbände weitgehend inaktiven Landesverbandes waren ab der zweiten Jahreshälfte auf die Vorbereitung für eine Teilnahme an der Europawahl und an den rheinlandpfälzischen Kommunalwahlen im Juni 2004 ausgerichtet. Derzeit sind die REP mit Mandatsträgern in den Stadt-, Kreisund Gemeinderäten von Mainz, Ludwigshafen, Speyer, Germersheim und Kusel vertreten. 1.7 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Aktivitäten in Rheinland-Pfalz 1.7.1 "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) Die BDVG wurde nach eigenen Angaben am 5. Juni 1999 als "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" gegründet. Sie ist durch eine Abspaltung aus der Jugendorganisation der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) hervorgegangen. Sie hat sich im Juni 2000 in "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft e.V." umbenannt und sieht sich als "organisierter Zusammenschluss von Deutschen, deren Vorstellungen sich am strukturellen Ordnungsprinzip der Nation orientieren". Der Sitz der BDVG ist in Baden- -38Württemberg, ebenso liegt dort der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. In Rheinland-Pfalz unterhält sie eine Postfachadresse in Otterstadt/RheinPfalz-Kreis. Im Jahr 2003 ist die BDVG im wesentlichen durch zwei Demonstrationen in Schwäbisch Hall/Baden-Württemberg öffentlich bekannt geworden. Am 14. Juni 2003 und am 12. Juli 2003 wurde u.a. von der BDVG zu Demonstrationen gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" aufgerufen. Auch in Rheinland-Pfalz trat sie mehrfach in Erscheinung. So wurden in Ludwigshafen am Rhein Rednerabende durchgeführt, u.a. am 25. Januar 2003, 29. März 2003, 31. Mai 2003, 20. September 2003 und 29. November 2003. An diesen Veranstaltungen haben jeweils ca. 30 bis 50 Personen teilgenommen. Aus Anlass des Volkstrauertages am 16. November 2003 wurde von der BDVG ein so genanntes "Heldengedenken" in Ludwigshafen am Rhein veranstaltet. Darüber hinaus wurden im Jahre 2003 Aufkleber und Flugblätter unter der Bezeichnung "Junge Deutsche - Bundesweite Aktion" verteilt, so u.a. in Hassloch/Kreis Bad Dürkheim. Diese enthielten Parolen wie "Stoppt die Ausländerkriminalität auf unseren Schulhöfen!". Als Absender wurde die Postfachadresse der BDVG in Rheinland-Pfalz angegeben. 1.7.2 "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." wurde im März 2002 aufgelöst und die Eintragung im Vereinsregister gelöscht. Die Vereinigung besteht jedoch unter der neuen Bezeichnung "Militärhistorischer Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" fort. Auch unter dieser Bezeichnung wurden im Jahr 2003 überwiegend nichtöffentliche Treffen, so genannte Appelle, durchgeführt. "Landesführer" ist weiterhin Hans-Jürgen H. aus Pleisweiler-Oberhofen (Kreis Südliche Weinstraße). Der "Militärhisto- -39rische Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" unterhält enge Verbindungen zu dem "Stahlhelm - Landesverband Flandern" (Belgien). Es finden gegenseitige Besuche der belgischen und deutschen "Stahlhelm-Mitglieder" statt. Der "Militärhistorische Verein Pfalz - Stahlhelm 1918" steht in keinem personellen und organisatorischen Zusammenhang mit der bereits am 18. März 1966 durch den rheinland-pfälzischen Innenminister verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.7.3 Gedenkaktionen von Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz Der Volkstrauertag ist für Rechtsextremisten ein besonderes Datum. Der vom "Volksbund Deutscher Krieggräberfürsorge" 1925 geschaffene Gedenktag für die Toten des Ersten Weltkrieges wurde 1934 von den Nationalsozialisten in "Heldengedenktag" umbenannt. Bundesweit kommt es jährlich auf Friedhöfen und an Gedenkstätten zu "Kranzniederlegungen" oder ähnlichen Aktionen durch Rechtsextremisten. Im Jahre 2003 erfolgten auch in Rheinland-Pfalz erneut entsprechende Kranzniederlegungen, so z.B. am 15.11.2003 am Denkmal "Feld des Jammers" bei Bretzenheim bei Bad Kreuznach. Am 22. November 2003 demonstrierten ca. 250 Personen des rechtsextremistischen Spektrums auf dem Friedhof in Marienfels gegen den Abriss eines 1971 errichteten Ehrenmals für die Gefallenen der Waffen-SS. An einer Gegenveranstaltung beteiligten sich ca. 500 Personen. Beide Versammlungen verliefen im wesentlichen störungsfrei. Nach deren Ende kam es am Hauptbahnhof in Koblenz zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Personen aus dem so genannten linken Spektrum. Eine Eskalation konnte durch die eingesetzten Sicherheitskräfte vermieden werden. -401.8 Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus Mit dem Ziel der "Kulturrevolution von rechts" bemühen sich seit Anfang der 80er Jahre eine Reihe von Rechtsextremisten um die Intellektualisierung rechtsextremistischer Bestrebungen. Dabei handelt es sich meist um Kleinstgruppen oder Einzelpersonen und nicht um eine einheitliche Bewegung oder Organisation. Vertreter dieses Spektrums lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen. Sie verschleiern ihre antidemokratischen sowie rassistisch geprägten Thesen in so subtiler Weise, dass diese für den neutralen Betrachter nur schwer erkennbar sind. Sie setzen darauf, in den Diskurs der Demokraten einzudringen, um ihn letztlich in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Die Magazine "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" und "Signal - Das patriotische Magazin" sind dabei typische Publikationen des Spektrums, um rechtsextremistisches Gedankengut in der Bevölkerung zu verankern. Allerdings blieben diese Bemühungen bislang offensichtlich erfolglos. Hauptprotagonisten sind bekannte Rechtsextremisten wie Dr. Pierre KREBS, die beiden ehemaligen Linksextremisten Horst MAHLER und Dr. Reinhold OBERLERCHER, Uwe MEENEN oder Jürgen SCHWAB. Während KREBS mit dem "Thule Seminar" den deutschen Ableger der französischen "Nouvelle Droite" führt, teilen sich MAHLER, OBERLERCHER und MEENEN die Leitung des 1994 gegründeten rechtsextremistischen "Deutschen Kollegs" (DK). Dieses versteht sich als Schulungseinrichtung der "nationalen Intelligenz". Die Agitation des DK, das sich im NPDUmfeld bewegt, ist geprägt von einem aggressiven Antisemitismus und Rassismus. Auch im Jahr 2003 wurden wieder Schulungsveranstaltungen in Thüringen durchgeführt. Ebenfalls im NPD-Umfeld anzusiedeln ist die von dem NPD-Aktivisten Jürgen SCHWAB mitinitiierte organisationsübergreifende "Deutsche Akademie" (DA). Die DA ist eine gemeinsame Bildungsinitiative des "Natio- -41naldemokratischen Hochschulbundes" (NHB) sowie des "Deutschen Kollegs", des "Thule Seminars" und der "Werkstatt Neues Deutschland". Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, unter Betonung der "Reichsidee" Alternativen zum System der Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln. Zur Vertiefung dieses Themenkomplexes finden regelmäßig Seminare und Vortragsveranstaltungen statt, so zuletzt vom 28. bis 30. November 2003 in Thüringen. In Rheinland-Pfalz verfügt die "Deutsche Akademie" über eine eigene Postfachadresse in Kaiserslautern. Dem Führungsund Organisationsstab gehört auch der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Martin LAUS an. 1.9 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten insbesondere aus grenznahen Räumen wie Rheinland-Pfalz unterhalten vielfältige Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen. Gemeinsame Veranstaltungen und Treffen sollen der "nationalen Sache", dem Informationsaustausch und Aktionsabsprachen dienen. Insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikszene sind die Kontakte in das benachbarte Ausland besonders ausgeprägt. Etwa 60 bis 80 Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland beteiligten sich am 6. Dezember 2003 in der Nähe von Stockholm an einem Trauermarsch für einen vor drei Jahren bei einer Auseinandersetzung mit ausländischen Jugendlichen ums Leben gekommenen schwedischen Gesinnungsgenossen. Für die Demonstration war im Vorfeld verstärkt im Internet geworben worden. Allein in der deutschen rechtsextremistischen Szene wurde in mehr als einem Dutzend Homepages auf den Veranstaltungstermin hingewiesen. -422. LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten setzen auch im Jahr 2003 - je nach ideologisch-politischer Ausrichtung revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert - ihren breit gefächerten, teils gewalttätigen Aktionismus gegen unsere freiheitlich-demokratische Staatsund Gesellschaftsordnung fort. In Rheinland-Pfalz sank die Anzahl der Autonomen im Vergleich zum Jahr 2002 (ca. 130) auf etwa 100 Personen. Die Zahl der übrigen Linksextremisten beläuft sich auf ca. 600 Personen. Trotz erkennbar rückläufiger Entwicklung beeinträchtigten gewalttätige Linksextremisten auch im Jahr 2003 die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die Aktionsfelder "Globalisierung" und "Widerstand gegen Castortransporte" hatten im Jahr 2003 nicht mehr die Bedeutung der früheren Jahre, neu hinzugekommen ist in diesem Jahr als Schwerpunkt allerdings das Thema "Sozialabbau". Die Bedeutung dieser Thematik dürfte zur Begründung militanter Aktionen weiterhin zunehmen. Schwerpunkt der Aktivitäten der linksextremistischen Parteien war insbesondere die Diskussion (in der "Deutschen Kommunistischen Partei", DKP) bzw. Verabschiedung (in der "Partei des Demokratischen Sozialismus, PDS) neuer Parteiprogramme. 2.1 Linksextremistisches Personenpotential Bund (2002) Rheinland-Pfalz (2002) Gesamt: 31.300* (31.100**) 700* (750*) Gewaltbereite: 5.400 ( 5.500) 100 (130) Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: 26.300 (26.000) 600** (620) alle Angaben: "ca." *ohne Mehrfach**einschließlich Personen aus mitgliedschaften beeinflussten Organisationen -432.2. Linksextremistische Gewalt Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2003 2002 Gesamt: 9 3 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: -- -- Körperverletzungen: 5 2 Brandstiftungen: -- -- Sprengstoffexplosionen: -- -- Landfriedensbruch: -- -- Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr: 4 1 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Auch im Jahr 2003 beeinträchtigten gewalttätige Linksextremisten - vor allem Autonome - die innere Sicherheit Deutschlands, wenngleich ihre Mobilisierungsfähigkeit bzw. -bereitschaft zu aktuellen Reizund Konfliktthemen weiter nachgelassen hat. 2.3.1 Autonome Die autonome Szene stellt sich als heterogene Bewegung aus überwiegend anarchistisch orientierten Gruppierungen dar. Innerhalb des gewalttätigen Linksextremismus bilden die Autonomen die mit Abstand größte Strömung und sind für die meisten Gewalttaten wie zum Beispiel Widerstandsdelikte, Körperverletzungen und Brandanschläge verantwortlich. Die Anzahl der Autonomen ist im Jahr 2003 mit bundesweit unter 5.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich geblieben. In RheinlandPfalz hat sich die Anzahl der Autonomen, die schwerpunktmäßig in -44Kaiserslautern, Koblenz, Trier, Mainz und Umgebung sowie im Raum Ludwigshafen und in der Pfalz aktiv sind, auf etwa 100 Personen reduziert (2002: ca. 130). Autonome streben an Stelle unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates eine herrschaftsfreie Gesellschaft an. Dazu ist es aus ihrer Sicht legitim, ihre politischen Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. Autonome Gewalt richtet sich sowohl gegen Personen ("Faschos", "Bullen" sowie "Handlanger und Profiteure des Systems") als auch gegen Sachen (Kraftfahrzeuge, Immobilien etc.). Bei der Wahl ihrer vielfältigen Aktionsformen bemühen sich Autonome stets um "Vermittelbarkeit". Militante Aktionen stellen sie daher häufig in den Zusammenhang mit aktuellen Protestanlässen bzw. aktuellen Reizthemen, die eine möglichst breite Akzeptanz - bis in Teile der bürgerlichen Gesellschaft hinein - erfahren. Bei Straßenkrawallen treten Autonome häufig vermummt in "schwarzen Blöcken" auf. Dies geschieht regelmäßig bei Protesten gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten und im Zuge von Demonstrationen zum "revolutionären 1. Mai". Der besonderen Planung bedürfen konspirativ vorbereitete militante Anschläge, die gewöhnlich im Zusammenhang mit einer Selbstbezichtigung stehen. Neben zahlreichen Anlaufund Kontaktstellen (so genannte Infoläden, Antifa-Cafes oder Volxküchen), die in Rheinland-Pfalz in Koblenz, Mainz und Trier existieren, bedient sich die autonome Szene zu Kommunikationszwecken verstärkt des Internet sowie Mobiltelefonen. Autonome Internet-Seiten beinhalten im wesentlichen Informationen/Recherchen zu rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Statements zu aktuellen "linken" Reizund Konfliktthemen sowie Veranstaltungshinweise und Demonstrationsaufrufe. Regionale Szenepublikationen dienen ebenfalls der Kommunikation zwischen den autonomen Gruppierungen im Land. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang für Rheinland-Pfalz -45Blätter wie "SWING - autonomes rhein-main-info" und der "KoblenzerZERR-Spiegel". Autonome lehnen entsprechend ihrem Selbstverständnis zwar grundsätzlich festgefügte Organisationen und hierarchische Strukturen ab, sie versuchten aber trotzdem in den letzten Jahren, durch eine stärkere Organisierung eine inhaltliche Erneuerung der autonomen Szene zu erreichen. Ihre Bemühungen waren jedoch zumeist nur von kurzer Dauer und scheiterten letztlich an der fehlenden Organisierungsund Strukturierungsbereitschaft "klassischer" Autonomer. Die im autonomen Bereich verdeckt (klandestin) operierenden Kleingruppen setzten auch im Jahr 2003 mit zahlreichen Brandund Sprengstoffanschlägen, die bisweilen an die Grenze zu terroristischen Gewalttaten stießen, ihren Aktionismus fort. In ihren Taterklärungen benutzten sie häufig wechselnde Aktionsnamen. Die aktivste unter den mit gleichbleibenden Namen operierenden Gruppierungen ist weiterhin die "militante gruppe" (mg) mit dem Aktionsschwerpunkt Berlin/Brandenburg geblieben. Gegenüber dem Vorjahr steigerte sie ihre Anschlagsaktivitäten, die im wesentlichen im Zusammenhang mit den Themen "Antiimperialismus", "Repression" und "Sozialabbau" standen, ganz erheblich. Die von der "mg" im Jahr 2001 begonnene Diskussion um Formen und Inhalte "militanter und bewaffneter Politik" (Militanzdebatte) - als Forum diente ihr erneut das Berliner Szeneblatt "INTERIM" - wurde im Berichtsjahr ohne erkennbaren Fortschritte fortgesetzt; die Resonanz bei anderen militanten Gruppen blieb äußerst gering. Dieses Szeneblatt hat für die bundesweite Kommunikation unter den autonomen Gruppen erhebliche Bedeutung. 2.3.2 Sonstige (militante) Linksextremisten Eine weitere, im Vergleich zum autonomen Spektrum kleinere Gruppierung von gewaltbereiten Linksextremisten stammt zum Teil aus früheren -46Randstrukturen der "Roten Armee-Fraktion" (RAF) und ist im wesentlichen antiimperialistisch und internationalistisch ausgerichtet. Hierzu zählt u.a. die Frankfurter Initiative "Libertad!", die seit 1996 jährlich zu einem Aktionstag "Für die Freiheit der politischen Gefangenen" aufruft, so auch am 18. März 2003 unter dem Motto "Widerstand gegen autoritäre Politik, Solidarität mit von Repression Betroffenen". Zusammen mit der "Autonomen Antifa (m)" aus Göttingen mobilisierte "Libertad!" aus Anlass des 10. Todestages des ehemaligen RAF-Mitglieds Wolfgang GRAMS zu einer Initiative "Gegen das Vergessen" und war an der Erstellung der zum Todestag erschienenen Sonderzeitung am 27. Juni 2003 mit dem Titel "BEFREIUNG als perspektive - REPRESSION als reaktion - SOLIDARITÄT als antwort" maßgeblich beteiligt. 2.3.3 Verfahren gegen terroristische und militante Straftäter Gegen das bereits 2001 wegen versuchten zweifachen Mordes und erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilte mutmaßliche RAF-Mitglied Andrea Martina KLUMP wurde im September 2003 seitens der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag vom 23. Dezember 1991 auf einen mit sowjetischen Juden besetzten Reisebus in Budapest Anklage wegen des dringenden Verdachts des versuchten Mordes in 28 Fällen in Tateinheit mit dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion erhoben. Die u.a. wegen des Vorwurfs der RAF-Mitgliedschaft mit Haftbefehl gesuchte Sabine Elke CALLSEN stellte sich am 7. März 2003 bei ihrer Einreise aus Beirut (Libanon) am Frankfurter Flughafen den Sicherheitsbehörden. Ihr wird vorgeworfen, am 8. April 1985 als Angehörige der "Kämpfenden Einheit Jonas THIMME" - illegale militante RAF - an Sprengstoffanschlägen auf zwei Hamburger Firmen beteiligt gewesen zu sein. Nach Begnadigung durch den Bundespräsidenten wurde das ehemalige RAF-Mitglied Rolf Clemens WAGNER nach 24 Jahren Strafvollzug in der -47JVA Schwalmstadt am 9. Dezember 2003 aus der Haft entlassen. WAGNER war u.a. an der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin SCHLEYER im Jahr 1977 beteiligt gewesen. Am 16. Dezember 2003 verurteilte das OLG Naumburg - erstmals seit langer Zeit - zwei Angehörige autonomer Strukturen wegen militanter klandestiner Aktionen zu mehrjährigen Freitheitsstrafen. Ihnen wurde zur Last gelegt, am 18. März 2002 in Magdeburg Brandanschläge auf das Landeskriminalamt und ein Fahrzeug des Bundesgrenzschutzes sowie weitere gleichartige Straftaten begangen zu haben. 2.3.4 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der "Antifaschistische Kampf" zählt weiterhin zu den wichtigsten Aktionsfeldern gewaltbereiter Linksextremisten. Er richtet sich sowohl gegen rechtsextremistische Parteien und deren Strukturen als auch gegen den verhassten Staat mit seinen angeblich im Faschismus begründeten Wurzeln. So gab es auch im Jahr 2003 erneut zahlreiche - zum Teil gewalttätige - Aktionen linksextremistischer Antifaschisten, die darauf abzielten, Aufmärsche von rechtsextremistischen Parteien/Organisationen zu verhindern oder zu stören. Hierbei wurde die gängige Praxis fortgeführt, sich mit nicht-extremistischen Organisationen in so genannten Antifa-Bündnissen zusammenzuschließen. So demonstrierten beispielsweise am 22. November 2003 rund 250 Personen des rechtsextremistischen Spektrums auf dem Friedhof in Marienfels gegen den Abriss eines Ehrenmals der Waffen-SS. Bei einer Gegenveranstaltung mit ca. 500 Personen nahmen neben den Demonstranten aus dem bürgerlichen Bereich auch einige Angehörige des linksextremi- -48stisch/autonomen Spektrums teil. Von diesen wurden u.a. folgende Parolen skandiert: "Nazis raus! Joschka Fischer komm herbei, prügel uns die Straßen frei" und "Wir sind vorn - wir sind hinten, die scheiss Bullen sollen verschwinden, du wirst es kaum vermuten, doch die Nazis sollen bluten". Bei der Mehrzahl der Autonomen lag der Aktionsschwerpunkt weiterhin vorrangig im Kampf gegen so genannte Faschisten. Bei ihrer offensiven Aufklärung der "Nazi"-Szene schreckten sie auch nicht vor massiven Drohungen und direkten Angriffen auf Angehörige der rechtsextremistischen Szene zurück. So wurde Mitte März 2003 in Trier ein Angehöriger der rechtsextremistischen Szene über einen längeren Zeitraum per SMS auf seinem Handy übelst beschimpft und bedroht: "... du Nazisau wir holen dich ... du bist dran Drecksnazi! ... Wir brechen deinem Kind die Knochen und euch zünden wir an!". Im pfälzischen Otterstadt wurden am 16. November 2003 von "Antifaschistischen Gruppen aus der Rhein-Neckar-Region" Flugblätter verteilt, die sich massiv gegen einen dort ansässigen Rechtsextremisten richteten. Darüber hinaus besprühten die teilweise vermummten Täter die Hausfassade dieser Person mit roter Farbe und der Parole "Nazis angreifen ... du Nazisau" und warfen Steine, Eier und ähnliche Wurfgeschosse. Eine ideale Plattform für staatsfeindliche Aktionen militanter Autonomer bieten regelmäßig die jährlichen Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung Deutschlands. In diesem Zusammenhang wurden im Stadtgebiet von Neustadt/Weinstraße Mitte September 2003 verschiedene Aufkleber/Flyer festgestellt, u.a. mit einem Aufruf zur Demonstration gegen den "Tag der Deutschen Einheit" am 3. Oktober in Berlin: "Deutschland verraten - Kapitalismus abschaffen" "Feuer und Flamme für jeden Staat!" "Altglas sinnvoll verwenden gegen Nazis, Bullen und Kapital!" -49Antirassismus In ihrem anhaltenden Kampf gegen "staatlichen Rassismus" führten Linksextremisten auch 2003 wieder vielfältige Aktionen durch. Schon Tradition genießt die jährliche "Antirassismus"-Demonstration im rheinland-pfälzischen Ingelheim gegen die örtliche "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" (GfA). Am 12. Juli 2003 protestierten dort unter dem Motto "Keine Festung Europa - gegen das globale Migrationsregime, Abschiebeknäste und Ausreisezentren abschaffen - überall!" annähernd 350 Personen. Unter den zahlreich angereisten Linksextremisten befanden sich u.a. auch Angehörige der autonomen/antifaschistischen Szene aus Rheinland-Pfalz. Die organisatorische Zuständigkeit oblag einem "Antirassistischen Aktionsbündnis für freie Migration Rheinhessen", das insbesondere von der "Antifa Nierstein" und weiteren linksextremistischen Organisationen/Gruppen aus dem süddeutschen Raum unterstützt wurde. Trotz ideologischer Querelen zwischen autonomen Zusammenhängen und Migrantengruppen fand in der Zeit vom 31. Juli bis 10. August 2003 in Köln das "6. Internationale antirassistische Grenzcamp" statt. Zu den Initiatoren des Camps zählten in der Kampagne "Kein Mensch ist illegal!" vernetzte antirassistische Gruppen und Initiativen, darunter auch Gruppierungen aus dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum. Das unter dem Motto "out of control" veranstaltete Camp richtete sich im wesentlichen gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, denen Flüchtlinge und MigrantInnen besonders stark ausgesetzt seien. Im Vordergrund standen zahlreiche, oft mit Straftaten verbundene öffentlichkeitswirksame Straßenveranstaltungen. So beteiligten sich am 8. August etwa 300 Aktivisten, darunter auch Angehörige des linksextremistischen/autonomen Spektrums aus Rheinland-Pfalz, an einer demonstrativen Aktion gegen das "rassistische Migrationsmanagement" vor der deutschen Zentrale der "International Organisation for Migration" (IOM) in Bonn. -50Am 9. August versuchten Camp-Teilnehmer gewaltsam Polizeisperren zu durchbrechen, um zum Aufmarschweg einer von Rechtsextremisten angemeldeten Demonstration zu gelangen; u.a. bewarfen sie Polizisten mit Wasserbomben und Steinen. Wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wurde das Camp daraufhin aufgelöst. Über 300 Personen wurden dabei in Gewahrsam genommen, darunter auch zahlreiche Personen aus Rheinland-Pfalz. Im Nachgang zum Grenzcamp kam es in verschiedenen deutschen Städten zu Solidaritätsaktionen und Resonanzstraftaten, mit denen gegen die polizeiliche Auflösung des Camps protestiert wurde. An einer Protestaktion am 6. September 2003 in Köln mit ca. 280 Personen beteiligten sich u.a. auch Angehörige des linksextremistischen/autonomen Spektrums aus Rheinland-Pfalz. Anti-Atom-Bewegung Das Engagement von Linksextremisten innerhalb der von einem überwiegend bürgerlich demokratischen Spektrum getragenen Anti-Atom-Bewegung hielt sich - ähnlich wie im Vorjahr - auf einem konstant niedrigen Niveau. Im Zusammenhang mit Atomtransporten durch militante Autonome verübte Hakenkrallenund Brandanschläge konnten nur vereinzelt festgestellt werden. Den Aktionsschwerpunkt der Anti-Atom-Bewegung bildeten vom 9. bis 12. November 2003 bundesweite Protestaktionen gegen den Castor-Transport aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague/Frankreich in das Transportbehälterlager Gorleben mit insgesamt 4.500 teilnehmenden Personen. Die Beteiligung von Linksextremisten fiel mit ca. 250 bis 300 Aktivisten - darunter ca. 80 militante Autonome und etwa 150 Sympathisanten der anarchistisch ausgerichteten Initiative "X-tausendmal quer" - gering aus. In Rheinland-Pfalz bzw. dem Grenzgebiet kam es in der Region Lauterbourg, Wörth und Karlsruhe/Baden-Württemberg zu einer Häufung verdeckter militanter Aktionen. So hatten z.B. am 1. Oktober 2003 unbekann- -51te Täter Baumstämme, zerbrochene Betonplatten, Autoreifen und in x- Form aufgestellte rote Grabkerzen auf die Bahngleise der Strecke WörthLauterbourg gelegt. Beim Überfahren dieser Gegenstände durch eine Regionalbahn entstand ein Sachschaden von ca. 500 EURO. Am 30. Oktober 2003 wurde erneut auf der Bahnstrecke Wörth-Lauterbourg durch das Ablegen mehrerer Holzpaletten der Bahnverkehr beeinträchtigt. Eine in diesem Zusammenhang im Internet veröffentlichte Taterklärung weist eindeutig auf linksextremistische Bezüge hin. Aber auch bundesweit kam es zu mehreren Störaktionen wie der Besetzung von Gleisanlagen und Polizeieinrichtungen, Straßenblockaden, Beschädigung von Polizeifahrzeugen sowie dem Auslegen von so genannten Krähenfüßen und Nagelbrettern. Ankettaktionen in Frankreich und in der Nähe von Heilbronn führten zu mehrstündigen Verzögerungen des Transportes. Schon im Vorfeld hatte sich bundesweit allerdings eine rückläufige Mobilisierungsfähigkeit örtlicher Anti-Castor-Initiativen abgezeichnet. Anti-"Globalisierung"/-NATO/EU-Politik Die sich gegen die Auswirkungen der in den Augen der Globalisierungsgegner im zunehmenden Maße deregulierten und demokratisch kaum noch kontrollierbaren Wirtschaftsordnung richtende "Anti-Globalisierungsbewegung" unterliegt weiterhin auch dem Einfluss von Linksextremisten, überwiegend solchen mit revolutionär-marxistischer Ausrichtung. Militante Autonome, die in den vergangenen Jahren für zahlreiche Gewaltexzesse verantwortlich waren, haben hingegen innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung in Deutschland keine Bedeutung mehr. Erneut zu Ausschreitungen kam es in der Zeit vom 1. bis 3. Juni 2003 in Evian (Frankreich). Bei zwei Aufzügen mit ca. 25.000 Teilnehmern wurden von etwa 750 militanten Personen mehrere Geschäfte und Banken beschädigt sowie Tankstellen in Brand gesetzt. Deutsche Aktivisten spielten hierbei - wie auch bei den Protesten gegen den EU-Gipfel vom 19. bis 21. Juni 2003 in Tessaloniki (Griechenland) - nur eine untergeordnete Rolle. -52Teile der globalisierungskritischen Bewegung beteiligten sich erneut an Protesten gegen die jährlich in München stattfindende "Konferenz für Sicherheitspolitik". Wie schon im Vorjahr hatte das von Linksextremisten beeinflusste "Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" - bundesweit unterstützt durch zahlreiche Gruppierungen (u.a. auch pfälzische) - vom 7. bis 9. Februar 2003 zu Protestaktionen mit rund 20.000 Teilnehmern aufgerufen. Anti-Kriegs-Bewegung Unter Beteiligung von Linksextremisten, insbesondere traditionellen "AntiKriegs-Parteien" wie der DKP, SDAJ und PDS sowie antifaschistischen/ autonomen Gruppierungen, kam es im Vorfeld und vor allem während des Militärschlages der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak im Frühjahr des Jahres 2003 bundesweit zu zahlreichen, mehrheitlich von nicht extremistischen Friedensinitiativen getragenen "Anti-Kriegs-Demonstrationen", vorzugsweise in Großstädten, häufig jedoch auch vor US-amerikanischen und britischen Militäreinrichtungen. In Rheinland-Pfalz nahmen schwerpunktmäßig in den Städten Koblenz, Kaiserlautern und Trier örtliche Gruppierungen des antifaschistischen/autonomen Spektrums an den "Anti-Kriegs"-Veranstaltungen teil bzw. führten eigene Veranstaltungen durch. Besonders trat dabei das Kaiserslauterer "Antifaschistische Aktionsbündnis 9.6." hervor, das in den Monaten Februar, März und April mehrere Mahnwachen und Flugblattaktionen gegen den Irak-Krieg durchführte. Neben diesen zumeist friedlichen Veranstaltungen gab es vereinzelt Anschläge militanter autonomer Strukturen. So verübte die "militante gruppe" (mg) am 26. Februar 2003 einen Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge (Mercedes Benz) der Bundeswehr im brandenburgischen Petershagen, bei dem ein Sachschaden in Höhe von 100.000 EURO entstand. Vor dem Hintergrund des Irak-Krieges rechtfertigte die "mg" ihre militante Aktion -53gegen die Bundeswehr, die nach den USA den zweitgrößten Truppenanteil bei Auslandseinsätzen zur Durchsetzung "imperialistischer Weltvorherrschaft" aufbiete - bzw. gegen Daimler-Chrysler - einem der größten Rüstungskonzerne der Welt - als "politische Notwendigkeit der radikalen Linken in der BRD". Protestbewegung gegen "Sozialabbau" Unter Beteiligung des gesamten linksextremistischen Spektrums haben die Proteste von überwiegend nicht extremistischen Organisationen/Gruppierungen gegen den "Sozialabbau" und die Reformmaßnahmen der Bundesregierung im Verlauf des Jahres 2003 kontinuierlich zugenommen. Auch militante Linksextremisten besetzten das Thema "Sozialabbau" und erhofften sich dadurch weiteren Zuspruch, auch außerhalb ihres üblichen Mobilisierungsspektrums. Ihrer Meinung nach eigne sich das Thema in besonderer Weise zur "Popularisierung" von Militanz, weil es an der unmittelbaren Betroffenheit des Normalbürgers ansetze. Am 20. Oktober 2003 fand im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages "Gegen den sozialen Kahlschlag" in Kaiserslautern eine Kundgebung mit ca. 60 Teilnehmern statt, darunter mehrere Angehörige der linksextremistischen Szene. In Koblenz wurde am 13. Dezember 2003 eine von Angehörigen des örtlichen linksextremistischen Spektrums mitinitiierte Kundgebung unter dem Motto "Für Ausbildung und gegen Sozialabbau" durchgeführt. Unter den 90 Teilnehmern befanden sich auch mehrere Angehörige des örtlichen anarchistischen/linksextremistischen Spektrums. Bundesweit kam es zu zahlreichen militanten Aktionen, so z.B. am 1. Mai 2003 in Berlin, wo die Türen von fünf Arbeitsämtern mit Sekundenklebern manipuliert wurden. Eine Gruppe "Autonome WIR-AG" bezichtigte sich der Aktion, die sich gegen die "vorherrschende kapitalistische Bewertung -54von Arbeit" und die "Ausweitung repressiver Maßnahmen gegen Arbeitslose" richtete. Am 14. Oktober 2003 wurde das Anwesen von Dr. Hartz in Wolfsburg mit verunglimpfenden Parolen besprüht. Eine Gruppe "projekt subversive aktion" (psa) bekannte sich dazu und stellte die Aktion in den Zusammenhang mit weiteren Brand-, Steinund Farbanschlägen auf so genannte Institutionen des Arbeitszwangs in acht bundesdeutschen Städten. Weitere Brandanschläge gab es am 30. Oktober 2003 gegen ein Entsorgungsunternehmen in Berlin - dazu bekannte sich die "militante gruppe" (mg) - und am 24. November 2003 gegen das Arbeitsamt in Hildesheim (Sachschaden: 500.000 EURO); in der Nähe des Tatorts wurde eine mit "autonom bestimmte maßnahmen (abm)" unterzeichnete Taterklärung aufgefunden. 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen Mitglieder (Bund): ca. 4.700 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 100 Organisation: Bezirksverband Rheinland-Pfalz mit etwa 10 regionalen Gruppierungen Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ) Wochenzeitung Auflage ca. 8.000 Exemplare "Marxistische Blätter" 2-monatlich erscheinendes Theorie-Organ Auflage ca. 3.000 Exemplare -55Die 1968 gegründete DKP definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zu einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.10 Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. Der knapp 100 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksverband RheinlandPfalz war im Berichtszeitraum bestrebt, wieder öffentlich "Flagge" zu zeigen. Es erfolgten - wenn auch in bescheidenem Umfange - Flugblattverteilungen, Infostände und vereinzelt wieder die Herausgabe von Kleinzeitungen. Aktivitätsschwerpunkte sind in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein und Trier erkennbar. Am 22. Februar 2003 führten die DKP-Bezirksverbände Rheinland-Pfalz und Saarland mit der KP Luxemburgs in Trier eine Veranstaltung anlässlich des 155. Jahrestages des Manifestes der Kommunistischen Partei durch. Dem Aktionismus der Partei sind jedoch in Folge der desolaten Finanzlage und der fortschreitenden Überalterung der Mitgliederstruktur weiterhin enge Grenzen gesetzt. Zusehends in den Mittelpunkt innerparteilicher Diskussionen gelangte im Jahre 2003 die angestrebte Neufassung des Parteiprogrammes der DKP aus dem Jahre 1978, nachdem der 16. Parteitag der DKP am 30. November/1. Dezember 2002 keine Einigung über einen Programmentwurf erzielen konnte. Inwieweit das ideologisch festgefügte Weltbild der DKP eine Lockerung der dogmatischen Erstarrung zulässt, bleibt jedoch abzuwar10 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24) -56ten. Die bis Ende 2004 geplante Fertigstellung des neuen Programmes soll die Attraktivität der Partei bei jungen Menschen erhöhen. Dem Ziel der Selbstdarstellung diente auch das in zweijährigem Turnus durchgeführte 13. Pressefest des DKP-Zentralorganes "Unsere Zeit" (UZ), welches vom 20. bis 22. Juni 2003 in Dortmund unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich! Frieden durchsetzen!" stattfand und schätzungsweise von 10.000 Menschen besucht wurde. 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Gründung: 1989/1990 (Umbenennung SED in PDS) Sitz: Berlin Mitglieder (Bund): ca. 70.000 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 250 Organisation in Rheinland-Pfalz: Landesverband mit 11 Kreisverbänden Das politisch-ideologische Selbstverständnis der Partei ist weiterhin von marxistischen Traditionslinien geprägt. Die PDS akzeptiert nach wie vor in ihren Reihen offen extremistische Strukturen (u.a. "Kommunistische Plattform") und arbeitet kontinuierlich mit deutschen und ausländischen linksextremistischen Parteien zusammen. Als Sprachrohr der Partei gilt die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Neues Deutschland". Der PDS-Landesverband Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz verfügt über eine landesweite Organisationsstruktur. Aktive Kreisverbände bestehen insbesondere in Bad Kreuznach, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Neuwied, Pirmasens und Trier. Der Landesverband gibt die unregelmäßig erscheinende Schrift "linksrheinische" heraus und informiert, ebenso wie die Mehrzahl der vorgenannten Kreisverbände, kontinuierlich im Internet -57über politische Ziele und Aktivitäten. Die Partei will in Rheinland-Pfalz insbesondere ihr kommunalpolitisches Engagement erhöhen und hofft auf erste Erfolge bei künftigen Kommunalwahlen. Wichtigstes innerparteiliches Ereignis auf Bundesebene war im Jahre 2003 der auf der 2. Tagung des 8. Parteitages am 25./26. Oktober 2003 in Chemnitz - nach langjährigem kontrovers geführten Diskussionsprozess - erfolgte Beschluss eines neuen Parteiprogramms.11 Grundkonsens in diesem Programm ist weiterhin die Überwindung des Kapitalismus und die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Der PDS-nahe im Juni 1999 gegründete Jugendverband "solid" ist seit Oktober 2000 auch in Rheinland-Pfalz mit einem Landesverband vertreten, der jedoch im Jahr 2003 weitgehend inaktiv war. Er wird gemäß einem Beschluss des PDS-Landesparteitages vom 4./5. November 2000 mit 5% des Beitragsaufkommens aus den Mitgliedsbeiträgen der PDS Rheinland-Pfalz finanziell unterstützt. 11 Das bisher gültige Parteiprogramm stammte aus dem Jahre 1993. -583. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Anders als die Begriffe Linksund Rechtsextremismus sagt die Bezeichnung "sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern" nichts über die ideologische Ausrichtung dieser Bestrebungen aus. In der Tat sind die extremistischen Bestrebungen, die von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland ausgehen, in Bezug auf ihren ideologischen Hintergrund höchst unterschiedlich. Sie reichen von marxistisch-leninistisch über nationalistisch-separatistisch bis hin zu islamistisch. Den islamistischen Bestrebungen kommt weiterhin eine besondere Bedeutung zu. Bislang gab es in der Bundesrepublik Deutschland zwar keine islamistisch motivierten Terroranschläge, doch zeigen die weltweit gestreuten Anschläge, die Drohungen von "al-Qaida"-Führern gegen Verbündete der USA und die rechtzeitige Enttarnung von Anschlagsplänen (so auf jüdische Einrichtungen in Düsseldorf und Berlin durch eine Terrorzelle), dass vom Islamismus - speziell in seiner militanten/djihadistischen Ausprägung - auch für die Bundesrepublik Deutschland ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential ausgeht. Die größte nicht-islamistische Organisation aus dem Bereich "sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern" stellt der Kongra-Gel Kurdistan dar. Hierbei handelt es sich um die seit November 2003 bestehende Nachfolgeorganisation der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. des von April 2002 bis November 2003 existierenden KADEK (Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans). Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der in extremistischen Vereinigungen organisierten Ausländer in Rheinland-Pfalz leicht zurückgegangen. Von den knapp 300.000 Ausländern in Rheinland-Pfalz sind etwa 1.300 in Vereinigungen mit extremistischer Zielsetzung organisiert. -593.1 Personenpotential Bund (2002) Rheinland-Pfalz (2002) Gesamt: 57.300 (57.350) 1.300 (1.350) Linksextremisten: 17.470 (17.850) 500 ( 500) Extreme Nationalisten: 8.880 ( 8.900) 100 ( 100) Islamistische Extremisten: 30.950 (30.600) 700 ( 750) alle Angaben: "ca." 3.2. Gewalttatenzahlen Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz 2003 2002 Gesamt: 2 -- Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- -- Versuchte Tötungen: 1 -- Körperverletzungen: -- -- Brandstiftungen: -- -- Sprengstoffexplosionen: -- -- Landfriedensbruch: -- -- Freiheitsberaubungen: 1 -- Raub/Erpressungen: -- -- 3.3 Der Extremismus islamistischer Prägung 3.3.1 Islamismus Der Islamismus ist durch eine enge Verknüpfung von Theorie und Aktivismus, Religion und Politik geprägt. Er tritt als religiös begründetes Staatsund Gesellschaftsmodell sowie als politische Bewegung auf. In religiös-ideologischer Hinsicht stellt der Islamismus eine spezifische Erscheinungsform des Islam dar. Verstanden wird der Islam, dessen -60Wortbedeutung mit Hingabe oder Unterwerfung wiedergegeben werden kann, dabei nicht allein als Hingabe des einzelnen an Gott, sondern darüber hinaus als Unterordnung sämtlicher Lebensbereiche unter religiöse Vorschriften. Anders ausgedrückt: Der Islam wird von Islamisten12 nicht als rein private Glaubensangelegenheit, sondern als ganzheitliches und für alle Muslime verbindliches Gesellschaftsmodell aufgefasst. Die von Islamisten geprägte und häufig verwendete Formel "Der Islam ist Religion und Staat" ("al-Islam din wa-daula") unterstreicht den Anspruch, den sie dem Islam zuweisen. In der Etablierung eines Staates, der in allen Bereichen von islamischen Gesetzen bestimmt wird, sehen Islamisten ihr Hauptziel. Es gibt Gruppierungen, die ein panislamisches Reich unter der Führung eines Kalifen anstreben, doch die Mehrheit der Islamisten setzt sich für die Etablierung einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung im Heimatbeziehungsweise Herkunftsland ein. Zu dem Ganzheitsanspruch kommt ein Wahrheitsund Ausschließlichkeitsanspruch hinzu. Dies gilt sowohl im Hinblick auf andere Interpretationen des Islam und seiner Gesetze als auch im Hinblick auf die Gültigkeit nicht-islamischer Ideologien. Die Formel "Der Islam ist die Lösung" ("alIslam huwa al-hall") in Verbindung mit dem zentralen Begriff "islamisches System" ("an-nizam al-islami") impliziert, dass andere Systeme, Ideologien und Konzepte wie der Nationalismus, Kommunismus, Kapitalismus und Laizismus (Trennung von Religion und Staat) zumindest für muslimische Staaten kein Lösungsmodell darstellen und, mehr noch, gottlos und somit illegitim sind. Eingeschränkt oder mitunter gar rundum zurückgewiesen werden dabei vielfach tragende Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wie die Volkssouveränität, die Gleichberechtigung von 12 Die von Sicherheitsbehörden, Wissenschaftlern und Medien als 'Islamisten' bezeichneten Personen selbst lehnen diesen Begriff meist ab. Ihrem Selbstverständnis nach sind sie nicht Anhänger einer Ideologie mit der künstlichen Bezeichnung Islamismus, sondern Muslime - Muslime, die ihren Glauben konsequent und richtig leben. Da jedoch der Islam - ebenso wie andere Religionen - auf unterschiedliche Arten gelebt wird, sind Benennungen der verschiedenen Islam-Repräsentanten (wie Sufis/Mystiker, Reformmuslime, Islamisten) im Interesse einer Präzisierung der Realitäten naheliegend. -61Mann und Frau sowie die Glaubensund Meinungsfreiheit. Islamisten in Deutschland propagieren ihre Modelle zwar vornehmlich im Hinblick auf die muslimischen Länder, doch gibt es Tendenzen, für die in Deutschland lebenden Muslime Sonderrechte zu erwirken und verbindliche Pflichten durchzusetzen, welche auf eine Einschränkung der in der Verfassung garantierten Grundrechte hinauslaufen. Darüber hinaus können durch die Nutzung des Standortes Deutschland als Propagandaund Aktionsraum auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden. Als Beispiel sei hier die insbesondere vom mittlerweile verbotenen "Kalifatsstaat" betriebene Agitation gegen die Türkei auf Grund der dort herrschenden Trennung von Staat und Religion (Laizismus) genannt. In neueren Verlautbarungen von Islamisten fällt auf, dass die religiösideologische Programmatik, wie sie soeben in Umrissen skizziert wurde, gegenüber einem anderen Aspekt ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Gegenwärtig tritt der Islamismus vorrangig als Bewegung mit starkem Bezug zur aktuellen Weltpolitik auf, genauer gesagt als Protestbewegung. Der Protest richtet sich dabei gegen die Politik all derer, die nach Auffassung von Islamisten für das Leid von Muslimen verantwortlich sind - die USA, Israel sowie in abgeschwächtem Maße ihre jeweiligen Verbündeten. Hinzu kommen mit eher regionaler Begrenzung Russland und Indien auf Grund ihrer Politik in Tschetschenien beziehungsweise Kaschmir sowie die Regierungen solcher muslimischen Staaten, die nach der Ansicht von Islamisten die Interessen der Muslime nicht entschieden vertreten oder gar verraten haben. Dieser Vorwurf trifft nahezu sämtliche Regierungen muslimischer Staaten. Der Islam hat dabei - fernab von seinen eigentlichen religiösen Inhalten - vor allem die Aufgabe, die eigene Stellung zu positionieren. In bildlicher Sprache, Weltpolitik wird durch die Brille der (muslimischen) Religionszugehörigkeit gesehen und dargestellt. Die Rollenverteilung erfolgt nach dem Schema Muslime als Opfer, Nichtmuslime als Täter, welches in sei- -62ner vereinfachenden Schwarz-Weiß-Malerei einseitig ist, agitatorisch wirkt und einigen islamistischen Gruppierungen die "Legitimation" für ihre "Verteidigungsmaßnahmen" liefert. Die Darstellung des Täter-Opfer-Schemas wird zudem durch Verschwörungstheorien zugespitzt, wonach insbesondere durch die USA und eine jüdische Lobby ein gezielter Kreuzzug gegen Muslime und ihre Religion geführt werde. Im Berichtsjahr 2003 wurde vor allem der Irakkrieg in diesem Sinne gedeutet und als vorerst letzter Beweis für diese Sichtweise gewertet. Die Mehrzahl der Islamisten weltweit wie in Deutschland artikuliert ihren Protest verbal, doch haben sich international bekanntermaßen mehrere gewalttätige und terroristische Gruppierungen herausgebildet, die auch im Berichtsjahr in einer Reihe von Ländern (Indonesien, Israel, Marokko, Saudi-Arabien, Türkei u.a.) für eine hohe Zahl von Todesopfern und Verletzten verantwortlich sind und weiterhin als eine große Gefahr für den globalen Frieden angesehen werden müssen. Zu nennen sind hierbei unter anderem folgende Organisationen: - "al-Qaida" ("Die Basis"), Ende der 80er Jahre von Usama BIN LADIN gegründet, bekanntermaßen für einige besonders verheerende Anschläge verantwortlich, so am 11. September 2001. Für das Jahr 2003 werden "al-Qaida" insbesondere Anschläge auf Wohnkomplexe in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad zur Last gelegt. - "Ansar al-Islam" ("Helfer des Islam"), eine zunächst in den kurdischen Gebieten des Irak vertretene Organisation, inzwischen aber in zahlreiche Länder (auch Europas, u.a. Deutschland) vorgedrungen. Es liegen Hinweise über Verbindungen der "Ansar al-Islam" sowie der aus ihr hervorgegangenen "Ansar al-sunna" ("Helfer der Sunna") zu "al-Qaida" vor. Kurz vor dem Jahreswechsel von 2003 auf 2004 sorgten Berichte über mögliche Anschläge von "Ansar al-Islam"-Mitgliedern auf ein Bundeswehr-Krankenhaus in Hamburg und die US-Airbase in Frankfurt am Main für Aufsehen. -63- - "Jemaah Islamiya" ("Islamische Gemeinschaft") in Indonesien. Auch hinsichtlich dieser Organisation liegen Informationen über eine Kooperation mit "al-Qaida" vor. Die "Jemaah Islamiya" soll hinter dem im August 2003 verübten Anschlag auf das Marriott-Hotel in der indonesischen Hauptstadt Djakarta stehen. - GSPC (Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat, "Salafistische Gruppe für die Predigt und den Kampf"), 1997 in Algerien gegründet. Die GSPC soll im Jahre 2003 für die Entführung von 32 Touristen, darunter zahlreiche Deutsche, in Algerien verantwortlich gewesen sein. - "Izzaddin al-Qassam-Brigaden", der militärische Arm der HAMAS. Aus den Reihen der "Izzaddin al-Qassam-Brigaden" stammten auch 2003 wieder Selbstmordattentäter, die Anschläge in Israel und in den besetzten Gebieten verübten. Die genannten Gruppierungen sind dem djihadistischen Lager innerhalb des Islamismus zuzuordnen. Djihadistische Gruppierungen betrachten den Djihad als eine zentrale religiöse Pflicht, interpretieren ihn als Kampf oder Krieg und praktizieren ihn als Terrorismus. Grundsätzlich jedoch gibt der arabische Begriff Djihad, der in wörtlicher Übersetzung "Bemühung" oder "Einsatz (auf dem Pfad Gottes/für die Religion)" bedeutet, keine spezifischen Methoden vor und stellt somit keine automatische Aufforderung zum Kampf, geschweige denn zu Terroraktionen gegen Unschuldige dar. 3.3.2 Islamistische Gruppierungen, die auch in Rheinland-Pfalz vertreten sind Von den schätzungsweise etwa 90 000 Muslimen in Rheinland-Pfalz13 sind nach Erkenntnissen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ungefähr 700 Personen (knapp ein Prozent) in islamistischen Organisationen vertreten. Die Mehrzahl dieser Personen gehört vereinsrechtlich 13 Das Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland Stiftung e.V. geht in seiner Schätzung von gegenwärtig 3.112.000 Muslimen in Deutschland aus. -64strukturierten Organisationen an und vertritt einen nicht-militanten Islamismus, einige wenige müssen auch in Rheinland-Pfalz dem militanten Bereich zugerechnet werden. Auf dem Hintergrund der globalen, erwiesenermaßen auch nach Deutschland reichenden Netzwerkstrukturen kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Rheinland-Pfalz ansässige Einzelpersonen Kontakte zu dem Komplex so genannter Mudjahidin unterhalten oder selbst diesem Spektrum angehören. Das hohe Maß an Konspiration und das Fehlen jeglicher vereinsrechtlicher Strukturen in diesem Bereich erschweren hierbei die Erlangung zuverlässiger und detaillierter Informationen. "Arabische Mudjahidin" Der Begriff "Arabische Mudjahidin" bezeichnet Personen, die den Djihad ausführen. In sinngemäßer Anknüpfung an die obigen Ausführungen zum Djihad sind Mudjahidin somit nicht zwingend Glaubenskämpfer. Die Vertreter der durch den Verfassungsschutz beobachteten Mudjahidin jedoch haben ein militantes Djihadverständnis und können somit als Djihadisten bezeichnet werden. Die "Arabischen Mudjahidin" zeichnen sich nicht durch eine einheitliche und statische Organisationsstruktur, sondern eine Vielzahl von Untergrundorganisationen und informeller Personenzusammenschlüsse aus. Das Kontaktnetz erstreckt sich über viele Länder und lebt von den in den Ausbildungslagern und bei gemeinsamen Guerillaeinsätzen geknüpften Verbindungen. Innerhalb des Komplexes Mudjahidin lassen sich drei Segmente unterscheiden: 1. die transnationale Organisation "al-Qaida", 2. militante Untergrundorganisationen, deren Djihad ursprünglich eine rein nationale oder regionale Ausrichtung hatte und deren Mitglieder -65meist einer Nationalität zuzuordnen sind, z.B. GSPC, GIA (beide algerisch), "al-Djihad al-islami" (ägyptisch; nicht zu verwechseln mit der palästinensischen Organisation gleichen Namens, die ihren nationalen Bezug beibehalten hat); 3. so genannte non-aligned Mudjahidin, d.h. Aktivisten, die sich in Kleinund Kleinstgruppen zusammengeschlossen haben und (weitgehend) selbständig operieren. Die drei Segmente sind nicht als isolierte Blöcke aufzufassen. Im Gegenteil besteht eine gewisse Durchlässigkeit zwischen den Segmenten. So liegen Erkenntnisse darüber vor, dass (frühere) Mitglieder der GIA und GSPC sowie der ägyptischen Organisation "al-Djihad al-islami" mittlerweile für "al-Qaida" aktiv sind oder eigene Kleingruppen - mitunter in multinationaler Zusammensetzung - gebildet haben. Bisherige Ermittlungsergebnisse lassen auf ein komplexes Geflecht von teils engen, teils losen Querverbindungen und Vernetzungen schließen. Auch für die Bundesrepublik Deutschland ist davon auszugehen, dass es ein Potential bislang nicht enttarnter Mitglieder von Mudjahidin-Netzwerken gibt, die über vielfältige Kontakte miteinander verbunden sind und die Deutschland nicht nur als Vorbereitungsraum sondern auch als Raum bzw. Ziel von Anschlägen ansehen. So wurden in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 11. September 2001 einige dem Komplex "Arabische Mudjahidin" zuzurechnende Personen enttarnt, festgenommen und verurteilt. Das Oberlandesgericht Hamburg verurteilte am 19. Februar 2003 den Marokkaner Mounir EL MOTASSADEQ zu einer 15-jährigen Haftstrafe. Das Gericht befand den Angeklagten im Zusammenhang mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 der Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung für schuldig. Bisher ist das Urteil gegen EL MOTASSADEQ allerdings nicht rechtskräftig, da die Verteidigung Revision eingelegt hat. -66Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte am 26. November 2003 den jordanischen Staatsangehörigen Shadi ABDALLAH wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer vierjährigen Haftstrafe. ABDALLAH gehörte bis zu seiner Festnahme am 23. April 2002 einer von dem Mudjahidin-Führer Abu Mosab AL-ZARQAWI geleiteten Gruppe in Deutschland an. Von Dezember 1999 bis Mai 2001 hielt er sich in Afghanistan auf und wurde dort militärisch ausgebildet. Er bereitete zusammen mit anderen Angehörigen der Gruppe, gegen die ebenfalls Anklage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben wurde, Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in Deutschland vor. Nach seiner Festnahme machte ABDALLAH umfangreiche Angaben zu der Gruppe von AL-ZARQAWI, "alQaida" und afghanischen Ausbildungslagern. "Hizb ut-Tahrir" (offizieller vollständiger Name: "Hizb ut-Tahrir al-islami", "Islamische Befreiungspartei") Gründung: 1953 in Jerusalem Sitz: in Deutschland keine offizielle Niederlassung Mitglieder (Bund): ca. 250 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): einzelne Organisation in Rheinland-Pfalz: keine verdeckte Einflussnahme in einzelnen Moscheen Bei der "Hizb ut-Tahrir" handelt es sich um eine in zahlreichen muslimischen Staaten vertretene, aber zumeist auch verbotene Organisation. Sie ist nach ihrem Selbstverständnis eine Partei, woraus sich eine dezidiert politische Ausrichtung - bei islamisch begründeter Legitimation - ergibt. Zu den Zielen der "Hizb ut-Tahrir" gehört die Wiedererrichtung des Kalifats, jenes muslimischen Herrschersamtes, das 1924 in der Türkischen Republik abgeschafft wurde. Damit verknüpft sind die Forderung nach -67Schaffung eines panislamischen Reiches unabhängig von den heutigen nationalstaatlichen Grenzen sowie die Einführung des islamischen Rechts (Scharia). Das Territorium des heutigen israelischen Staates wird ganz zum "Gebiet des Islam" und dem angestrebten islamischen Großreich gerechnet. Daraus ergibt sich die Beseitigung des Staates Israel als ein häufig genanntes und mit Nachdruck ausgesprochenes Ziel der Organisation. Die gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Rhetorik bei gleichzeitiger Befürwortung von Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Belange lieferte die Begründung für ein Betätigungsverbot, das der Bundesinnenminister mit Wirkung vom 15. Januar 2003 gegen die "Hizb ut-Tahrir" erließ. Noch am selben Tag fanden bundesweite Durchsuchungen von Objekten mutmaßlicher Mitglieder statt. Im Rahmen einer weiteren Durchsuchungsaktion am 10. April 2003 wurden insgesamt mehr als 80 Objekte in elf Bundesländern durchsucht, darunter auch fünf in Rheinland-Pfalz. Hierbei wurde in erster Linie Propagandamaterial sichergestellt, und zwar zahlreiche Ausgaben der deutschsprachigen Zeitschrift "explizit", die der "Hizb ut-Tahrir" zuzuordnen ist, sowie von der Organisation herausgegebene Bücher und Schriften. Vom Betätigungsverbot sind unter anderem die Produktion und Verbreitung der Zeitschrift "explizit" erfasst. Darüber hinaus wurde die deutsche Website der "Hizb ut-Tahrir" abgeschaltet. "Kalifatsstaat" (türkisch: Hilafet Devleti) Gründung: 1984 in Köln als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB), Umbenennung in "Kalifatsstaat" 1994 Sitz: Köln Mitglieder (Bund) ca. 800 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 40 -68Die Bezeichnung "Kalifatsstaat" erklärt sich dadurch, dass sich der Vereinsgründer Cemaleddin Kaplan von seinen Anhängern im Jahr 1994 als Kalif ausrufen ließ und das Kalifat als unverzichtbaren Bestandteil des Islam deklarierte. Gegenwärtig trägt sein Sohn und Nachfolger Metin Kaplan innerhalb der Organisation den Kalifentitel. Ziel des "Kalifatsstaates" ist ein panislamisches Reich unter der Führung eines Kalifen und mit der Scharia als Rechtsordnung. Die Demokratie und ihre tragenden Prinzipien wie die Volkssouveränität, das Mehrparteiensystem und das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Religionen werden in Schriften des "Kalifatsstaates" expressis verbis abgelehnt. Die Befolgung politisch-extremistischer Ziele in Kombination mit einer ausgeprägten Agitation gegen Juden, Israel und die türkische Regierung führte im Dezember 2001 nach der Streichung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsgesetz zu einem Vereinsverbot. Im Zuge dessen wurden seitdem bundesweit 35 als Teilorganisationen des "Kalifatsstaats" identifizierte Vereine verboten, darunter drei in Rheinland-Pfalz, nämlich der "Islamische Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer e.V.", die "Islamische Union Ludwigshafen e.V." und der "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung e.V." Das Verbot der islamistischen Vereinigung "Kalifatsstaat" (ICCB) verstößt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Oktober 2003 nicht gegen die Religionsfreiheit im Grundgesetz. Damit billigte das Bundesverfassungsgericht das Vereinsverbot des Bundesinnenministeriums vom 8. Dezember 2001. Die Vereinigung des als "Kalif von Köln" bekannt gewordenen Metin KAPLAN habe beabsichtigt, notfalls mit Gewalt eine staatliche Herrschaftsordnung durchzusetzen. Dies sei mit den Grundsätzen von Demokratie und Rechtsstaat unvereinbar. Daneben geht der juristische Streit um die geplante Abschiebung von Metin KAPLAN weiter. Nachdem das OLG Düsseldorf am 27. Mai die von der Türkei beantragte Auslieferung Metin KAPLANs für unzulässig erklärt hat- -69te, wurde der Haftbefehl aufgehoben und die Entlassung des Islamistenführers angeordnet. KAPLAN soll Mitte 1995 als Anführer des "Kalifatsstaates" die Beseitigung der türkischen Staatsordnung betrieben und zum "Heiligen Krieg" aufgerufen haben. Nach türkischen Angaben erteilte er den Befehl, am 29. Oktober 1998 ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug über dem Mausoleum ATATÜRKs in Ankara zum Absturz zu bringen. Am gleichen Tag sollten seine Anhänger die Fatih-Moschee in Istanbul besetzen und dort die Fahnen des "Kalifatsstaates" entrollen. Diese Aktionen sollten das Signal für eine allgemeine Erhebung gegen die türkische Staatsordnung sein. Am 27. August 2003 wurde zwar vom Verwaltungsgericht Köln der Asylstatus KAPLANs aufgehoben, aber eine Abschiebung in die Türkei untersagt. Nach Auffassung der Kölner Richter droht ihm in der Türkei ein nicht rechtsstaatliches Strafverfahren. Wegen des Asylwiderrufs hat KAPLAN einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster gestellt; gleichzeitig hat die Bundesrepublik Deutschland einen Antrag zur Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln hinsichtlich der Frage der Abschiebung gestellt. Mit Entscheidung des OVG Münster vom 4. Dezember wurde zum Einen der Asylwiderruf bestätigt und zum Anderen dem Antrag auf Zulassung der Berufung hinsichtlich der Frage der Abschiebung stattgegeben. Nach Ansicht des OVG Münster sei in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Abschiebungshindernis vorliegt. Bislang steht ein Verhandlungstermin noch nicht fest. Am 11. Dezember 2003 wurden wegen des Verdachts des Verstoßes gegen SS 85 StGB bzw. SS 20 VereinsG (Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts i.d.F. vom 22. August 2002, BGBL. I, S. 3390 ff) bundesweit insgesamt 1.178 Objekte mit Bezug zum "Kalifatsstaat" durchsucht, darunter 114 in Rheinland-Pfalz. Die Durchsuchungsmaßnahmen richteten sich in erster Linie gegen die Bezieher der Zeitung "Beklenen Asr-i Saadet" ("Das erwartete Jahrhundert der Glückseligkeit", Nachfolgepublikation -70des verbotenen Verbandsorgans "Ümmet-i Muhammed"). Laut Ermittlungsbehörden erfüllt die Zeitung den Zweck, die Ideologie des "Kalifatsstaates" sowie die Kommunikation unter den ehemaligen Mitgliedern aufrecht zu erhalten. Die Durchsuchungsmaßnahmen sollen u.a. dazu dienen, Nachfolgeaktivitäten des "Kalifatsstaates" sowie organisatorische Zusammenhänge aufzuklären und Erkenntnisse über finanzielle Strukturen zu gewinnen. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Gründung: 1985 in Köln als "Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), Neugliederung als IGMG 1995 Sitz: Kerpen, Nordrhein-Westfalen Mitglieder (Bund) ca. 26.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 600 Wie in allen anderen Bundesländern ist die IGMG mit etwa 600 Mitgliedern und rund 10 Vereinen auch in Rheinland-Pfalz die größte Organisa-tion islamistischer Prägung. Sie ging 1995 aus der "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervor. Eine zweite aus der AMGT hervorgegangene Organisation, die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG), ist für die Verwaltung des (IGMG-) Immobilienbesitzes zuständig. Ihre wesentlichen Ziele und Aufgaben umreißt die IGMG in ihrer Satzung (SS 2.1, Ziel und Zweck) folgendermaßen: "Der Verein ist eine islamische Religionsgemeinschaft, die das religiöse Leben der Muslime umfassend organisiert. Aufgabe des Vereins ist die Pflege und Verkündung des islamischen Religionsbekenntnisses und die Betreuung und Vertretung der Interessen der Muslime. Der Verein befasst sich mit sämtlichen Angelegenheiten, die Muslime betreffen." -71Die IGMG bietet hiesigen Muslimen, speziell ihren Mitgliedern, ein großes Angebot religiöser, kultureller und sozialer Dienstleistungen. Es beinhaltet unter anderem Kurse in islamischer Unterweisung, die Durchführung von Pilgerund Kulturreisen, Seelsorge sowie Frauenund Jugendarbeit. Die Jugendarbeit, die neben Koranunterricht, Computerund Sprachkursen auch Sportund Freizeitaktivitäten umfasst, dient dabei auch dem Zweck, junge Menschen an die Organisation zu binden, verknüpft mit der Hoffnung, dass damit auch die Führung eines islamischen Lebens verbunden ist. Hierin liegt der neuralgische Punkt: Die IGMG unterstützt weiterhin Bestrebungen auch politischer Art, die mit Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. Diese Einschätzung gründet sich auf die Einbindung der IGMG in einem miteinander verzahnten Komplex, bestehend aus der Bewegung/Weltanschauung "Milli Görüs", der "Saadet Partisi" ("Glückseligkeitspartei") in der Türkei und der Tageszeitung "Milli Gazete" ("Nationale/konfessionelle Zeitung"). Eine wirkliche Emanzipation der IGMG von Necmettin ERBAKAN, dem Führer der "Milli Görüs" und seit Mai 2003 Vorsitzenden der "Saadet Partisi", hat bisher nicht stattgefunden. In Folge dessen bleiben Positionen ERBAKANs und der "Milli Görüs" hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Staat sowie einer angeblichen Verschwörung gegen Muslime auch bei der IGMG erkennbar. Dies tritt in der "Milli Gazete" deutlich zutage, einer Zeitung, die zwar formal von der IGMG unabhängig ist, die aber als eine der IGMG äußerst nahestehende Publikation betrachtet werden muss. In "Milli Gazete" finden sich in dichter Regelmäßigkeit massive, ja diffamierende antiisraelische und antiamerikanische Aussagen sowie Verschwörungstheorien. Stellvertretend für eine Vielzahl vergleichbarer Aussagen sei hier ein übersetzter Auszug aus einem Artikel wiedergegeben: -72"Das Ziel des Zionismus ist es, die Welt zu beherrschen. Doch die Welt ist sich dieser Gefahr nicht bewusst. Sie wird unvorbereitet getroffen werden (...) Den Zionisten ist es gelungen, die USA, welche die weltgrößte Armee haben sowie wirtschaftlich und politisch an führender Stelle stehen, [für die eigenen Interessen] einzuspannen. Sie haben - mit Verlaub gesagt - begonnen, die USA gemäß ihren eigenen Wünsche zu benutzen, indem sie in das Gehirn dieses Ungeheuers eingedrungen sind. (...) Ich sagte bereits, dass der Zionismus der Kopf des Terrors in der Welt ist. Wenn wir diesen weltweiten Terror mit einer Krake vergleichen, sind die Zionisten ihr Kopf, die USA ihr Rumpf und die weltweit verbreiteten Freimaurerlogen ihre Arme." ("Milli Gazete", 10. Dezember 2003, Seite 10 unter der Überschrift "Der Kopf des Terrors und die Bekämpfung des Terrors") Eine glaubwürdige Distanzierung der IGMG von "Milli Gazete" und ihren Inhalten ist bis heute nicht erfolgt. Die IGMG setzte im Jahre 2003 verstärkt juristische Mittel ein, um sich gegen die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden und die Berichterstattung über ihre Aussagen und Ziele zu wehren. Dies betrifft insbesondere die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Auch Einbürgerungsbewerber aus dem IGMG-Bereich erhalten verstärkt juristischen Beistand. U.a. wird in den vorgelegten Klagebegründungen dargelegt, die IGMG sei früher zwar extremistisch gewesen, es habe sich jedoch ein Wandlungsprozess vollzogen. Am Rande einer Gerichtsverhandlung wurde von einem IGMG-Funktionär erklärt, sein Verband leiste derzeit über 80 Einbürgerungsbewerbern, deren Einbürgerungsanträge abgelehnt wurden, juristischen Beistand. Derzeit ist in Rheinland-Pfalz ein Klageverfahren wegen der Ablehnung des Einbürgerungsantrages eines IGMG-Mitgliedes anhängig. Mit einer Flut von Abmahnungen sieht sich auch der Autor und Journalist Udo Ulfkotte konfrontiert, der in seinem Buch "Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern" über die IGMG berichtet. Am 22. Mai 2003 hob das Landgericht Berlin ein zunächst ver- -73längertes Auslieferungsverbot gegen das Buch auf. Allerdings darf der Autor nicht mehr behaupten, die "Islamische Föderation Berlin" sei ein Landesverband der IGMG. 3.3.3 Sonstige islamistische Organisationen Darüber hinaus sind Aktivitäten weiterer islamistischer Organisationen in Rheinland-Pfalz bekannt. Sie sind jeweils durch Einzelpersonen vertreten, Organisationsstrukturen in Rheinland-Pfalz existieren nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand hingegen nicht. "Hizb Allah" (weitere mögliche Umschrift: Hizbullah, "Partei Gottes") Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" wurde 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gegründet. Die Umwandlung des Libanon in einen Staat nach iranischem Vorbild ist mittlerweile zugunsten einer pragmatischen Haltung in den Hintergrund gerückt. Ihre Frontstellung gegen die israelische Präsenz in der Nahostregion besteht allerdings fort, wobei hier auch der bewaffnete Kampf eine Rolle spielt. Gewaltaktionen gingen von "Hizb Allah"-Mitgliedern in Deutschland bislang nicht aus. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich vielmehr auf die Durchführung von Versammlungen, Kundgebungen und religiöser Feste sowie auf das Sammeln von Spenden, deren Erlöse zum Teil in den Libanon fließen. "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/ HAMAS (Islamische Widerstandsbewegung) Die HAMAS wurde 1987 im Gaza-Streifen gegründet und steht heutzutage als eine islamistische und zugleich palästinensisch-nationalistische Organisation im Kampf gegen Israel in vorderster Front. Dies unterstreicht sie nicht allein durch ihre antiisraelische Rhetorik, sondern darüber hinaus -74auch durch Selbstmordattentate, für die vor allem ihr militärischer Arm, die "Izzaddin al-Qassam"-Brigaden, verantwortlich sind. In der Bundesrepublik Deutschland werden die Interessen der HAMAS durch den 1981 in München gegründeten "Islamischen Bund Palästina" (IBP) vertreten. Der mit dem IBP verbundene Spendenverein "Al-Aqsa e.V." in Aachen wurde im August 2002 durch Verfügung des Bundesminister des Innern verboten. Durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2003 wurde die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des "Al-Aqsa e.V." angeordnet. Danach darf der Verein vorläufig weiterhin Gelder sammeln, wenn die Verwendung dieser Gelder dem Bundesministerium des Innern nachgewiesen wird. "Muslimbruderschaft" (offiziell: "Gemeinschaft der Muslimbrüder") / "Islamische Zentren" 1928 von Hasan al-Banna in Ägypten gegründet, breitete sich die Muslimbruderschaft in den darauffolgenden Jahren in zahlreiche Länder aus. In ihrer wechselvollen Geschichte lösten sich friedliche und militante Phasen ab. Derzeit ist die Muslimbruderschaft in verschiedenen Staaten um eine Rehabilitierung sowie eine Integration in die bestehende politische Ordnung bemüht, im Rahmen derer sie sich für ihr Ziel eines islamischen Staates einsetzen will. In Deutschland stellen das "Islamische Zentrum München" und das "Islamische Zentrum Aachen" Schwerpunkte in der Arbeit der Muslimbruderschaft dar. In Rheinland-Pfalz unterhält sie keine Einrichtung, doch stehen ihr Einzelpersonen nahe. Vertreter der Muslimbruderschaft in Deutschland präsentieren sich dialogbereit gegenüber christlichen und jüdischen Organisationen und bekunden ihre Treue zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, doch aus der gleichzeitigen Verbreitung islamistischen Gedankenguts ergibt sich ein letztlich noch nicht geklärtes Spannungsverhältnis. -75"Front Islamique du Salut, Islamische Heilsfront" (FIS) Die FIS wurde 1989 in Algerien mit dem Ziel, eine islamische Staatsordnung zu etablieren, gegründet. Nach dem Verbot 1992 waren die FIS und speziell ihr militärischer Arm "Islamische Heilsarmee" (AIS) für zahlreiche Gewalttaten in Algerien verantwortlich. Seit dem 1997 erklärten Waffenstillstand und der im Jahr 2000 folgenden Selbstauflösung der AIS ist jedoch eine versöhnlichere Haltung gegenüber der algerischen Regierung festzustellen - anders als bei den militanten Untergrundorganisationen GIA (Bewaffnete Islamische Gruppe) und GSPC (Salafistische Gruppe für die Predigt und den Kampf). Am 2. Juli 2003 wurden die beiden FIS-Führer Abbasi MADANI und Ali BENHADJ nach mehrjährigen Haftstrafen (zunächst im Gefängnis, zuletzt unter Hausarrest) in Algerien freigelassen. Inwieweit die Haftentlassungen Einfluss auf die weitere Entwicklung der FIS nehmen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 1994 in Damaskus (Syrien) nach Spaltung der 1978 in der Türkei gegründeten, 1983 in Deutschland verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) Mitglieder (Bund) ca. 750 Mitglieder (Rheinland-Pfalz) ca. 25 Die in Deutschland seit 1998 verbotene linksextremistische türkische Organisation "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi" (DHKP-C) mit ihren Untergliederungen DHKP ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei") als politischer und DHKC ("Revolutionäre Volksbefreiungsfront") als militärischer Flügel zielt auf eine gewaltsame Beseitigung der bestehenden türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung und propagiert als Endziel die Errich- -76tung einer sozialistischen, den marxistisch-leninistischen Prinzipien folgenden klassenlosen Gesellschaft. Aktivitäten der Organisation beschränken sich indes nicht nur auf das Heimatland Türkei, sondern werden in allen Ländern mit türkischen Bevölkerungsanteilen entfaltet. Auch in Rheinland-Pfalz ist diese Organisation vertreten. Am 9. Juli 2003 wurden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Koblenz in sieben Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen) insgesamt 45 Objekte aus dem Bereich der DHKP-C durchsucht, darunter sieben in Rheinland-Pfalz (in Ludwigshafen, Lahnstein, Kaiserslautern, Worms und Wörrstadt). Dabei wurde umfangreiches Propagandamaterial, PC's, Handy's und eine Schusswaffe sichergestellt sowie ein Haftbefehl vollstreckt. Am 13. Oktober 2003 wurde durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Koblenz gegen den am 9. Juli 2003 bei der länderübergreifenden polizeilichen Durchsuchungsaktion festgenommenen DHKP-C-Aktivisten aus Biblis/Hessen wegen Mitgliedschaft in einem verbotenen Verein, schwerer räuberischer Erpressung und weiterer Straftaten Anklage erhoben. Das Gerichtsverfahren in dieser Sache beginnt aller Voraussicht nach Anfang des Jahres 2004. In Deutschland bedient sich die Organisation u.a. der Publikation "Ekmek ve Adalet" (Brot und Gerechtigkeit), um ihre Ziele und Ideen zu propagieren. Ebenso nutzt sie das Internet, um Berichte über aktuelle Ereignisse, Aufrufe usw. zu verbreiten. Wie bereits in den vergangenen Jahren, setzte die DHKP-C auch im Jahr 2003 ihre Kampagne gegen die Haftbedingungen "politischer Gefangener" in der Türkei fort. Hintergrund ist die Verlegung von Häftlingen in der Tür- -77kei in Haftanstalten mit Einzelzellen, anstatt, wie bisher, in Großraumzellen. Das von der DHKP-C gegründete "Komitee gegen Isolationshaft" (IKM) hat sich im Frühjahr 2003 in "TAYAD-Komitee" umbenannt und versteht sich als "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei". Der Verein trat im Zusammenhang mit Spendenaufrufen und einer Hungerstreikaktion vom 16. bis 20. Juli 2003 in den Großstädten Köln, Berlin, Frankfurt/Main und Dortmund in Erscheinung. Die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC), der militärische Arm der DHKP-C, verübte am 15. April 2003 zwei Sprengstoffanschläge auf das Restaurant einer amerikanischen Fastfoot-Kette in Istanbul/Türkei sowie auf eine dortige Freizeiteinrichtung für Richter. In einer Presseerklärung, die von der DHKC über das Internet verbreitet wurde, begründet sie die Anschläge damit, dass die USA und die mit ihr zusammenarbeitende türkische Regierung "für die Massaker" im Irak und in türkischen Gefängnissen verantwortlich seien. Am 26. April 2003 veranstaltete die DHKP-C zum Jahrestag ihrer Parteigründung und zum Gedenken an die "Gefallenen der Revolution" in Rotterdam/Niederlande ihr jährliches Parteifest mit etwa 3.500 Teilnehmern. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Auch wenn die DHKP-C in Deutschland bisher überwiegend an der friedlichen Linie ihres Protestes festhielt, zeigen die Anschläge der DHKC im Heimatland Türkei den terroristischen Charakter der Organisation. Auch im Jahr 2003 wurde gegen Funktionäre der DHKP-C in der Bundesrepublik Deutschland Anklage wegen strafrechtlicher Vorwürfe erhoben bzw. Verurteilungen ausgesprochen. Insbesondere wurde der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (SS 129 a StGB) erhoben. -78Durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.12.200314 wird die DHKP-C - wie schon bisher - in der aktualisierten "EU-Terrorliste" geführt. 3.5 "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK); "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Gründung (MEK/NWRI): 1965 im Iran/1981 in Paris Mitglieder (Bund) ca. 900 einzelne in Rheinland-Pfalz Die linksextremistische iranische Organisation "Volksmodjahedin IranOrganisation" (MEK) mit dem von ihr gelenkten und international tätigen "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI) als politische Interessenvertretung der MEK gilt als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe. Die Organisation konzentrierte ihre Aktivitäten unverändert darauf, die politische Annäherung zwischen Deutschland und dem Iran zu stören und den Sturz des iranischen Regimes zu propagieren. Zur Unterstützung ihrer politischen Ziele wurde mit Hilfe des ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam HUSSEIN auf irakischem Boden die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA) als militärischer Arm der Organisation unterhalten. Im Zuge des Irak-Krieges im Jahr 2003 wurde die NLA von den US-Streitkräften weitestgehend entwaffnet. Für die MEK war im Jahr 2003 der Irak-Krieg vor allem mit der Befürchtung verbunden, dass ihre im Irak stehende "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), eine von Frauen dominierte Rebellenarmee mit bis zu 5.000 Kämpfern, vernichtet werden könnte. Mit zahlreichen Aktionen, vor und nach dem Irak-Krieg, insbesondere durch den als politischen Arm agierenden NWRI hat die MEK im Jahr 14 Amtsblatt der EU vom 24.12.2003 - 2003/902/EG - -792003 international und in Deutschland verstärkt propagandistisch für ihre Ziele in der Öffentlichkeit geworben. An einer Demonstration des NWRI am 19. April 2003 in Köln, für die bundesweit mobilisiert wurde, beteiligten sich etwa 1.200 Anhänger. Das beherrschende Thema der Veranstaltung bezog sich auf iranische Übergriffe auf Lager der "Nationalen Befreiungsarmee" (NLA) im Irak am 10., 11. und 12. April 2003. Am 17. Juni 2003 durchsuchten französische Sicherheitskräfte die Europazentrale sowie 12 weitere Objekte der MEK in Auvers-sur-Oise bei Paris. Dabei wurden 165 Personen vorläufig festgenommen, darunter Maryam RADJAVI, Ehefrau des MEK-Führers Massoud RADJAVI sowie weitere hochrangige Funktionäre. Hintergrund der Polizeiaktion war ein seit ca. zwei Jahren laufendes Ermittlungsverfahren der französischen Behörden gegen die MEK wegen Verdachts krimineller Geldbeschaffungsmethoden, der Gründung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Delikte (durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22. Dezember 200315 wird die MEK, wie schon bisher, in der aktualisierten "EU-Terrorliste" geführt). Unmittelbar nach Bekanntwerden der Polizeiaktion rief die Führung der MEK ihre Mitglieder europaweit zu Demonstrationen auf. In Deutschland kam es zu Protestaktionen von Anhängern der Organisation vor den französischen und iranischen Generalkonsulaten in Düsseldorf, München, Berlin und Hamburg sowie den beiden Botschaften in Berlin. Am 18. Oktober 2003 fand eine zentrale Konzertveranstaltung des NWRI in der Dortmunder Westfalenhalle unter dem Motto "Solidarität mit iranischen Flüchtlingen" statt, an der etwa 4.000 bis 5.000 Besucher teilnahmen. In den politischen Statements wurde insbesondere die Streichung 15 Amtsblatt der EU vom 24.12.2003 - 2003/902/EG - -80der MEK aus den Listen terroristischer Organisationen der USA und der EU sowie die Beseitigung des iranischen Regimes gefordert. Nachdem die irakische Übergangsregierung die im Irak verbliebenen MEK-Angehörigen aufgefordert hat, das Land wegen der "dunklen Geschichte dieser Terrororganisation" bis Ende des Jahres 2003 zu verlassen, kam es seit dem 12. Dezember 2003 vor amerikanischen Vertretungen in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Franfurt/Main zu Demonstrationen von Anhängern der MEK und des NWRI. An den Kundgebungen beteiligten sich jeweils zwischen 15 und 45 Personen. Befürchtet werden in diesem Zusammenhang auch mögliche Abschiebungen in den Iran. 3.6 "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) (ehemals: "Arbeiterpartei Kurdistans" -PKKneu: "Volkskongress Kurdistans" -KONGRA GELKGK) Gründung als PKK: 1978 (in der Türkei) durch Abdullah ÖCALAN Umbenennung in KADEK: 4. April 2002 (Grenzgebiet Iran/Irak) Umbenennung in KONGRA GEL: Parteikongress (27.10. - 06.11.2003) Leitung in Europa/Deutschland: Führungsfunktionäre der "Kurdischen demokratischen Volksunion" (YDK) Mitglieder (Bund): ca. 11.500 Mitglieder (Rheinland-Pfalz): ca. 450 Betätigungsverbot in Deutschland: seit 26. November 1993 Allgemeines Die 1978 in der Türkei von Abudllah ÖCALAN als marxistisch-leninistische Kader-Partei gegründete PKK - im April 2002 und Anfang November 2003 umbenannt in KADEK (Kongrea Azadi u Demokratizia Kurdistan) bzw. "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) - ist mit ca. 11.500 Mitgliedern/Anhängern nach wie vor die größte und aktivste extremistische Kur- -81denorganisation in Deutschland. Bei bundesbzw. europaweiten Großveranstaltungen ist sie in der Lage, mehrere zehntausend Anhänger zu mobilisieren. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz gibt es unverändert ca. 450 Mitglieder/Anhänger von PKK/KADEK/KONGRA-GEL. Sie sind vorwiegend im Rhein-Neckar-Raum (Ludwigshafen, Worms), im Rhein-Main-Gebiet (Mainz, Bingen, Bad Kreuznach) und im nördlichen Rheinland-Pfalz (Koblenz und Umgebung) aktiv. Anlaufbzw. Aktionszentren waren bis zu ihrer Schließung die beiden KADEK-nahen Vereine in Ludwigshafen und Mainz. Das Anfang Oktober 2001 neu eröffnete "MEDYA-Beratungsund Kulturzentrum" in Mainz, Münsterstraße 21 hat sich Anfang Mai 2003 aufgelöst. Die ehemaligen Vereinsmitglieder sind seither in den örtlichen Verein in Rüsselsheim integriert worden. Der "Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen", Bismarckstraße 45 ist zum 31. Juli 2003 geschlossen worden; es erfolgte ein Umzug nach Mannheim. Aktionen/Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz Vom 29. Januar bis 14. Februar 2003 beteiligten sich zahlreiche KADEKAnhänger an einem Hungerstreik im Mainzer "MEDYA-Beratungsund Kulturzentrum" gegen die "Islolationshaft" von Abdullah ÖCALAN. Im selben Zusammenhang fanden sich am 7. Februar ca. 40 Angehörige des KADEK-Spektrums zu einer Kundgebung auf dem Mainzer Neubrunnenplatz zusammen. Sie zeigten u.a. Transparente mit dem Bild ÖCALANs, verteilten Flugblätter und skandierten Parolen wie "Freiheit für ÖCALAN" und "Frieden". -82Anlässlich des kurdischen Newroz-Festes demonstrierten über 600 Anhänger des KADEK-Gebietes Ludwigshafen/Mannheim am 21. März 2003 für Frieden und bessere Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs. Am 28. Juni 2003 fand in Mainz eine von der KADEK-Frauenorganisation "Partei der Freien Frauen" (PJA) organisierte überregionale Demonstration mit ca. 1.100 Teilnehmern statt, darunter KADEK-Anhänger aus Ludwigshafen/Mannheim und den benachbarten Bundesländern (Saarland, Hessen und Baden-Württemberg). U.a. wurden Flugblätter "Generalamnestie für gesellschaftlichen Frieden in der Türkei unterstützen!" verteilt. In Ober-Olm bei Mainz fand am 4. Oktober 2003 eine Trauerund Gedenkveranstaltung des Mitte August 2003 im Nordost-Irak zu Tode gekommenen ehemaligen hochrangigen KADEK-Funktionärs Engin SINCER mit ca. 400 Personen statt, darunter auch hohe Repräsentanten des vom KADEK-dominierten "Kurdischen Nationalkongress" (KNK) sowie mehrere Funktionäre/Angehörige des bundesweiten KADEK-Spektrums, u.a. auch aus dem Gebiet Ludwigshafen/Mannheim. Im Rahmen der europaweiten KADEK-Kampagne "Demokratische Lösung für den Frieden" kam es in der Zeit vom 24. bis 26. Oktober 2003 in Mannheim zu einer Hungerstreikaktion mit ca. 15 Angehörigen des KADEKGebietes Ludwigshafen/Mannheim. Rheinland-pfälzische Mitglieder bzw. Anhänger aus dem Spektrum PKK/KADEK/KONGRA-GEL beteiligten sich im Jahre 2003 zudem an mehreren überregionalen Aktionen, so am 15. Februar an einer Großdemonstration (ca. 15.000 Teilnehmer) unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN" in Straßburg/Frankreich und am 13. September an einer Kundgebung mit ca. 40.000 Teilnehmern in Gelsenkirchen unter dem Motto "Für einen demokratischen Mittleren Osten und ein freies Kurdistan". Entwicklung Mit dem Ziel, einen unabhängigen Kurdenstaat zu errichten, führte die PKK - vornehmlich im Südosten der Türkei - lange Jahre einen Guerilla- -83krieg gegen das türkische Militär. Auch in Europa schreckte sie vor terroristischen Anschlägen und Gewalttaten nicht zurück. Dies führte in Deutschland 1993 zur Verhängung eines vereinsrechtlichen Betätigungsverbotes gegen die PKK sowie einige ihrer Teilund Nebenorganisationen. Im Februar 1999 wurde der PKK-Vorsitzende Abdullah ÖCALAN in Kenia festgenommen; seither sitzt er in einem türkischen Gefängnis ein. Die zunächst gegen ihn wegen Hochverrats verhängte Todesstrafe wurde durch ein türkisches Staatssicherheitsgericht im Oktober 2002 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt, nachdem die Todesstrafe in der Türkei grundsätzlich abgeschafft wurde. Im August 1999 änderte die PKK ihre politischen Ziele grundlegend, indem sie den bewaffneten Kampf für beendet erklärte. Gleichzeitig kündigte sie an, sich als legale politische Kraft zu organisieren und fortan mit friedlichen und demokratischen Mitteln - möglichst im Einvernehmen mit dem türkischen Staat - eine kulturelle Autonomie der Kurden anzustreben. Die Guerillaeinheiten der PKK stellten daraufhin ihre Aktivitäten in der Türkei ein und zogen sich überwiegend in den Nord-Irak zurück. Seit diesem politischen Kurswechsel sind erhebliche Gewalttaten der PKK in Europa ausgeblieben; gleichwohl gab es, insbesondere um die Öffentlichkeit stärker auf die Kurdenproblematik aufmerksam zu machen, vereinzelte (Brand)Anschläge in deutschen Großstädten durch die PKKJugendorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) - im August 2003 erfolgte deren Umbenennung in "Bewegung der freien Jugend Kurdistans" (TECAK). Um ihre vermeintlich friedlich-demokratisch ausgerichtete Politik konsequent fortzuführen und sich gleichzeitig von dem anhängenden Makel einer Terrororganisation zu lösen, beschloss die PKK auf ihrem 8. Parteikongress vom 4. bis 10. April 2002 alle Aktivitäten unter ihrem bisherigen Namen einzustellen. Als legitime und einzige Nachfolgeorganisation wurde der "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) ins Leben gerufen, der fortan mit verschiedenen sowohl in der Türkei wie auch -84europaweit durchgeführten "Friedens"-Kampagnen Druck auf die Türkei auszuüben versuchte, um den politischen Prozess zur Lösung der Kurdenfrage zu forcieren. So kündigte der Generalpräsidialrat des KADEK am 13. Februar 2003 den "einseitigen Friedensprozess" auf und erklärte gegenüber der Türkei den Beginn des "Verteidigungskampfes". Diese offene Drohung zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes stand im Zusammenhang mit der Kampagne zur Verbesserung der Haftbedingungen von Abdullah ÖCALAN und dem damals drohenden militärischen Einsatz der Türkei im Nord-Irak. Die sich häufenden Operationen der türkischen Sicherheitskräfte gegen Guerillaeinheiten des KADEK im Nord-Irak sowie die in der Türkei beschlossenen politischen Reformen - insbesondere das im August 2003 in Kraft getretene "Resozialisierungsgesetz", das u.a. für reuige Anhänger des KADEK (ausgenommen hochrangige Funktionäre) bei Abkehr von der Organisation und Aussagebereitschaft die Möglichkeit der Strafmilderung vorsieht - nahm der KADEK zum Anlass, der türkischen Regierung bei fortgesetztem Ignorierens seiner Forderungen erneut mit militärischen Aktionen zu drohen. Um seinen Friedenund Demokratiebestrebungen weiterhin Nachdruck zu verleihen, startete der KADEK weitere europaweite Kampagnen, wobei erneut die Haftbedingungen und der Gesundheitszustand von Abdullah ÖCALAN im Mittelpunkt standen. Parallel dazu stellte der KADEK Ende August 2003 einen dreistufigen sogenannten "Fahrplan für einen demokratischen Wandel (Roadmap)" vor. Danach soll der türkische Staat im Zeitraum eines Jahres die kurdische Identität und Sprache sowie die kulturellen Rechte der Kurden verfassungsmäßig und gesetzlich garantieren. Darüber hinaus sollen Funktionäre und Mitglieder der Organisation in die Türkei zurückkehren dürfen sowie der Generalvorsitzende ÖCALAN freigelassen werden. Die Umwandlung der "Roadmap" in ihrer ersten Stufe sah bis zum 1. Dezember 2003 die Umwandlung des als "einseitig" bezeichneten Waffenstillstandes in einen "zweiseitigen" (also auch von der Türkei getragenen) vor. Zum wiederholten Male wurde in -85diesem Zusammenhang der Türkei bei einer weiteren Verweigerungshaltung mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gedroht. Auf seinem 2. außerordentlichen Parteikongress, der vom 26. Oktober bis 6. November 2003 im Nord-Irak stattgefunden hat, löste sich der "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) auf. An seiner Stelle kam es zur Gründung des "Volkskongress Kurdistans" (kurdisch: "Kongra Gel (e) Kurdistan" - KONGRA GEL - KGK). Ziel sei die politische Lösung der kurdischen Frage mit den betroffenen Ländern Türkei, Irak, Iran und Syrien. Nach Aussage des neugewählten KGK-Vorsitzenden Zübeyir AYDAR (ehemals Mitglied des kurdischen Exilparlaments und Präsidialrats des KNK) erwarte man u.a. von der Türkei, dass sie beginne, sich politisch zu bewegen. Die Guerilla ("Volksverteidigungskräfte") sei künftig autonom und nicht in die Führung des KGK eingebunden, unterstünde allerdings dessen politischem Willen. Ihre Waffen würde sie nur zur Selbstverteidigung behalten. Abdullah ÖCALAN wurde ohne ein formelles Amt zur "Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes" ernannt. Unter den KGK-Vizepräsidenten befinden sich eine Reihe ehemaliger PKK/KADEK-Führungskader wie z.B. Osman ÖCALAN, Riza ALTUN und die frühere Europa-Sprecherin Mizgin SEN. Somit bleibt offensichtlich die Kontinuität zu den Vorläuferorganisationen gewahrt. In einer seiner ersten Erklärungen bedauerte der KGK, dass im Rahmen der Umsetzung der noch vom KADEK auf den Weg gebrachten "Roadmap" das Ziel der ersten Stufe mit der vorgegebenen Frist zum 1. Dezember 2003 nicht erreicht worden sei. Deshalb habe man die Frist "zu einer zweiten Bewertung der Lage" verlängert; gleichzeitig wurden die weiteren geplanten Etappen der "Roadmap" in Frage gestellt. Mittelfristig kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass es in der Türkei wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Guerillaeinheiten der KADEK und türkischen Streitkräften kommt. -863.7 Sonstige Organisationen, die im Jahr 2003 in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind: "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die TKP/ML wurde 1972 in der Türkei gegründet. Sie vertritt die Lehren des Marxismus-Leninismus ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll eine "demokratische Volksherrschaft" mit einer an der marxistisch-leninistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung errichtet werden. Dieses Ziel soll mit Hilfe der "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), dem militärischen Arm der Organisation, erkämpft werden. Die TKP/ML ist durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen gekennzeichnet. Seit April 1994 ist die TKP/ML in den sog. "PartizanFlügel" sowie in das "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Anfang 2003 wurde bekannt, dass der DABK-Flügel in der Neugründung der "Maoist Komünist Partisi" (MKP) aufgegangen ist. Beide Gruppierungen unterhalten in der Türkei voneinander getrennte bewaffnete Guerillagruppen, die auf Seiten von "Partizan" unter der Bezeichnung "TIKKO", auf Seiten der MKP (seit Ende 2002) unter dem Namen "Volksbefreiungsarmee" (HKO) auch terroristische Aktionen durchführen. "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) ist im September 1994 aus dem Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen entstanden. Sie vertritt die Lehren des MarxismusLeninismus. Ziele dieser Gruppierung sind die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Etablierung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Zur Finanzierung der Parteiarbeit und der Guerillaaktivitä- -87ten in der Türkei führt die Organisation jährlich eine europaweite Spendenkampagne unter ihren Anhängern durch. Interne ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP führten zur Abspaltung der "Kommunistischen Partei-Aufbauorganisation" (KP-IO). -884. Internet/Neue Medien Das Internet, die weltumspannende technische Möglichkeit zur Kommunikation, Information und zum Datenaustausch, hat sich in den letzten Jahren als Hauptsäule der Informationsgesellschaft neben den Funkund Printmedien in rasanter Weise etabliert. Die Zahl der Internetnutzer beträgt weltweit ca. 580 Millionen. In Deutschland ist die Zahl von rund 250.000 im Jahre 1995 auf knapp 39 Millionen 2003 angestiegen. Online-Studien zufolge nutzen mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung dieses Medium, wobei die Altersgruppe der 14bis 19jährigen zu den extensivsten Nutzern gehört. Schätzungen zufolge gibt es derzeit weltweit ca. zwei Milliarden Homepages. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gehört auch, aus diesem immensen Datenbestand diejenigen Informationen herauszufiltern, die Organisationen, Gruppen und Personen einstellen, mit dem Ziel, die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes und der Länder zu gefährden. 4.1 Rechtsextremisten Im rechtsextremistischen Spektrum haben Kommunikationsmittel wie die "parteiunabhängigen Infotelefone" auch unter dem Gesichtspunkt einer informationellen Vernetzung in jüngerer Zeit an Bedeutung verloren. Demgegenüber haben rechtsextremistische Parteien, Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen in den letzten Jahren die Informationstechnik des Internet in vielfältiger Weise für Propaganda, Kommunikation, zum Datenaustausch, zum Versandhandel von Audiound Video-Material, verbotenen Artikeln, Schriften, Abzeichen und ähnlichem vermehrt genutzt. Daneben dienen Chat-Rooms und interne Diskussionsforen zur Absprache und zur Koordinierung von Demonstrationen und Versammlungen. -89Im Jahre 2003 wurden im Internet ca. 920 Homepages und viele in Untermenüs enthaltene Seiten mit rechtsgerichtetem Inhalt beobachtet. Etwa 35 sind Gruppen und Personen in Rheinland-Pfalz zuzurechnen. Durch die in den letzten Jahren ständig verbesserte Zusammenarbeit mit deutschen Internetdiensteanbietern konnten viele Web-Seiten aus dem Netz entfernt werden. Strafrechtlich relevante Homepages wurden den Strafverfolgungsbehörden übermittelt und führten zu einer Reihe von Ermittlungsverfahren. Die überwiegende Anzahl der rechtsextremistisch ausgerichteten Seiten sind bei amerikanischen Internet-Firmen hinterlegt und entziehen sich somit dem Zugriff der deutschen Gerichtsbarkeit. 4.2 Linksextremisten Linksextremisten nutzen in weit weniger offensiv die Möglichkeiten des Internets. Informationen zur Selbstdarstellung, zu Aktivitäten und Veranstaltungen nehmen insgesamt einen breiten Raum ein. Die meisten von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachteten Parteien, Organisationen und Gruppen sind im Internet vertreten. Neben den üblichen Kommunikationswegen hat das gesamte linksextremistische Spektrum aber auch vielfältige Informationsportale zur Weitergabe von aktuellen, szenespezifischen Hinweisen wie z.B. Demonstrationsund Aktionsaufrufe eingerichtet, unterhält Archive und Diskussionsplattformen und gibt Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen heraus. Starke Präsenz zeigen antifaschistische und autonome Gruppen, Globalisierungs-, Militarismusund Castor-Transport-Gegner, aber auch Antiimperialisten und Anarchisten. Viele bieten den Eintrag in Mailinglisten oder den Bezug von Newsletters an. Bundesweit werden derzeit ca. 1.450 linksextremistische Internet-Seiten beobachtet, die wiederum auf vielen Unterseiten relevante Informationen enthalten. In Rheinland-Pfalz sind es ca. 35 Seiten, wobei auch die überregionalen Informationsangebote in die Gesamtbetrachtung einfließen müssen. -904.3 Ausländerextremismus In den letzten Jahren präsentieren sich zunehmend ausländische Rechtsund Linksextremisten, aber auch islamistische Gruppen im Internet. Zumeist in ihrer Heimatsprache dargestellte Sachverhalte und Informationen verschließen sich weitgehend dem deutschen Internet-Nutzer. Gleichwohl ist es Aufgabe der Sicherheitsbehörden, relevante Erkenntnisse herauszufiltern, die ggf. Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren könnten. Dies gilt insbesondere für solche Internet-Seiten, die im Bereich des islamistischen Terrors z.B. mit Tatbekennungen, kriegsverherrlichenden Videos, gefilmten Anschlagsszenen auf sich aufmerksam machen, wie Taliban/Al Qaida nahe Gruppen. Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland vertretene ausländerextremistische Organisationen aus dem arabischen, türkischen, kurdischen und iranischen Bereich verfügen über ein informatives und vielfältiges InternetAngebot. Chats, Newsgroups und Gästebücher dienen dabei der Kontaktpflege und Organisation von Veranstaltungen, außerdem der Selbstdarstellung und Propaganda. Aktuelle Pressemitteilungen, Kommentare und ähnliche Verlautbarungen runden das Informationsangebot ab. Das Internet-Angebot umfasst derzeit ca. 130 Webseiten, wovon ca. 80 deutschsprachig angeboten werden. -915. SPIONAGEABWEHR Spätestens nach dem Ende der offiziellen Kampfhandlungen im Irak wurde deutlich, dass sich die Grundbedingungen einer wirkungsvollen Friedensund Sicherheitspolitik entscheidend verändert haben. Frontlinien und Sicherheitszonen sind überholte Begriffe, wenn das Gefährdungspotential von einem Gegner ausgeht, der jederzeit und überall auf der Welt zu Terrorakten bereit zu sein scheint und bei der Wahl seiner Einsatzmittel immer unberechenbarer wird. Vor diesem Hintergrund erhält die Bekämpfung der Entwicklung, Herstellung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen einen herausragenden Stellenwert. Zwar ist der Irak aus dem Kreis der kritischen Staaten zwangsläufig ausgeschieden. Bis zum Ausbruch des Krieges gehörte er jedoch wie Iran, Libyen, Nord-Korea, Syrien und Pakistan zu den so genannten Krisenländern, denen erhebliche Aufrüstungsbemühungen unterstellt wurden. Beschaffungsmaßnahmen dieser Länder im Bereich der Proliferation sind gekennzeichnet durch das Einschalten von Zwischenhändlern in Drittstaaten, die Gründung weltweit operierender Tarnfirmen, die Angabe falscher Endverbraucher und Verschleierung der Lieferwege. Geheimdienstmitarbeiter treten als Besteller oder Käufer auf, steuern entsprechende Firmen mit staatlicher Beteiligung und nehmen in konspirativ arbeitenden Beschaffungsnetzen leitende Aufgaben wahr. Durch entsprechende Beschaffungsbemühungen gerieten die Staaten China, Pakistan und Indien in das Blickfeld der Spionageabwehr. Die Verhandlungstaktik von Nord-Korea im Atomstreit bestätigt beispielhaft aus den zurückliegenden Jahren gewonnene Erkenntnisse, die auf eigenständige Entwicklungen im Bereich von ABC-Waffen und Trägertechnologie schließen ließen. -92Andererseits hat Libyen sein Atom(waffen)-programm offen gelegt und zudem seine Programme zur Entwicklung auch anderer Massenvernichtungsmittel im Dezember 2003 der UNO, gegenüber den USA und Großbritannien eingestanden. Die Ergebnisse der Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) haben auch den Iran dazu gebracht, seine atomaren Forschungsund Entwicklungsprogramme einzugestehen. Aktuelle Erkenntnisse der IAEA deuten jedoch darauf hin, dass der Iran in seinen Aktivitäten wesentlich weiter fortgeschritten war, als er dies bislang verlautbart hatte. Hauptdrehscheibe für nachrichtendienstlich gesteuerte illegale Beschaffungen ist zunehmend die Jebel Ali Freezone in Dubai. Dort haben sich einschlägige Firmen im Laufe der vergangenen Jahre niedergelassen, die ihren Ursprung in kritischen Staaten haben und über die auch gelieferte Waren in die Länder Iran, Libyen, Nord-Korea, Pakistan und Syrien weitergeleitet werden. Deutschland zählt weiterhin zu den bevorzugten Spionagezielen für Nachrichtendienste fremder Staaten. Dazu gehören neben Ländern aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) auch einige aus dem mittelund fernöstlichen sowie dem nordafrikanischen Raum. Ausspähungsziele deren Dienste sind Politik, Wirtschaft und Militär bis hin zur Unterwanderung in Deutschland ansässiger Organisationen und Personen, die in Opposition zum Regime im Heimatland stehen. Irak Im Vorfeld des sich abzeichnenden Irak-Kriegs war in Deutschland ein starkes Interesse irakischer Nachrichtendienste an politischen Informationen und an Aktivitäten der Regimegegner festzustellen. Hier lebende Iraker vertraten in einer Vielzahl von Gesprächen die Auffassung, dass von in Deutschland lebenden Landsleuten, gleich welcher Glaubensrichtung, keine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland ausgehen würde. -93Kurz vor Ausbruch des Irak-Krieges wurden mehrere an der irakischen Botschaft in Berlin abgetarnt tätige Mitarbeiter irakischer Nachrichtendienste ausgewiesen. Gegen verschiedene mutmaßliche Agenten des irakischen Nachrichtendienstes leitete der Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit ein. Syrien Unverändert unterhalten die syrischen Nachrichtendienste in Deutschland stark besetzte Legalresidenturen an den offiziellen und halboffiziellen Vertretungen ihres Landes. Die dort unter diplomatischem Status tätigen Mitarbeiter setzten auch 2003 ihre illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten fort. Schwerpunkt war weiterhin die Aufklärung, Ausforschung und Ü- berwachung der in Deutschland lebenden syrischen Landsleute, soweit deren politische Einstellung als potentielle Bedrohung für das syrische Regime angesehen werden. Dabei können sich die syrischen ND-Angehörigen in Deutschland auf ein weit verzweigtes Agentennetz stützen, dessen Informationen in Syrien die Grundlage für die Aufnahme von "Betroffenen" in sog. schwarze Listen sind, die letztlich auch eine lückenlose Überwachung dieser Personen bei der Einund Ausreise in Syrien sicherstellen. Zur Gewinnung neuer Agenten drohen die syrischen Nachrichtendienste unverändert mit erheblichen Repressalien gegen die in Syrien lebenden Angehörigen und gegen die Betroffenen selbst, die bei Reisen in die Heimat nicht selten Opfer von Inhaftierung, Verhören und Misshandlungen werden. Haftentlassung ist vielfach nur durch Geldzahlungen und/oder verbunden mit dem Einverständnis zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit möglich. Trotz Kooperationen in verschiedenen Sicherheitsbereichen zwischen deutschen und syrischen Stellen weigerte sich Syrien bislang beharrlich, seine Zusage einzuhalten, erkannte und gegen die Bundesrepublik tätige Agenten seiner Nachrichtendienste abzuziehen. -94Iran Nach vorliegenden Hinweisen verfolgt der Iran ein Programm sowohl im Bereich der konventionellen Rüstung als auch bei Nuklearund Trägertechnologie sowie bei der Entwicklung und Herstellung biologischer und chemischer Kampfstoffe. Die Erkenntnisse westlicher Dienste zum iranischen Atomprogramm wurden durch die Zugeständnisse iranischer Stellen in den vergangenen Monaten, den angestrebten Beitritt Irans zum Atomwaffensperrvertrag und bereits durch die ersten Inspektionsergebnisse durch die internationale Atomenergiebehörde in Wien bestätigt. Ähnlich arabischen Staaten ist auch die iranischen Oppositionellenszene in Deutschland bevorzugtes Ausspähungsziel. Um Personen zur Mitarbeit zu nötigen, werden psychischer Druck bzw. Repressalien gegen im Iran lebende Familienangehörige angewendet. Besonderes Interesse gilt der Ausspähung der aus Sicht Irans militantesten Gruppe, der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) sowie ihrem politischen Arm, dem "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI). Am 29. September 2003 verurteilte das Kammergericht Berlin einen dort lebenden Deutsch-Iraner wegen Spionage zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, weil der systematisch Informationen über oppositionelle iranische Organisationen, deren Mitglieder, Veranstaltungen und Absichten gesammelt und diese an seine Auftraggeber in Teheran weitergegeben hatte. Libyen Die Wirksamkeit internationaler Embargomaßnahmen werden am Beispiel Libyen deutlich. Libyen bemüht sich intensiv, die Akzeptanz der internationalen Staatengemeinschaft zurück zugewinnen, nicht zuletzt um nach vielen Jahren wieder wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu erlangen. Vor diesem Hintergrund muss auch der Verzicht Gaddafis auf die Entwicklung -95von ABC-Waffen jeglicher Art verstanden werden. Die bisherige Offenlegung hat Erkenntnisse der Dienste bestätigt, dass Libyen tatsächlich solche Waffen besitzt bzw. in entsprechenden Entwicklungsstadien hatte. Der außenpolitische Kurswechsel hat bislang die internen Herrschaftsstrukturen offenbar nicht verändert. Oppositionelle Bestrebungen in Libyen werden nicht geduldet. Im Ausland lebende Staatsangehörige werden ü- berwacht, sofern sie dem Regime kritisch gegenüberstehen. Nord-Korea Nord-Korea unterhält zahlreiche Nachrichtendienste, die der kommunistischen Partei, den Volksstreitkräften oder General KIM JONG IL direkt unterstellt sind. An der Interessenvertretung in Berlin, der personell am stärksten besetzten Vertretung Nord-Koreas in Europa, werden auch Legalresidenturen unterhalten. Das Augenmerk der Beobachtung nordkoreanischer Aktivitäten war darauf gerichtet, die Weiterverbreitung (Proliferation) von nicht konventionellen Rüstungsgütern zu verhindern. NordKorea gilt als einer der Hauptunterstützer für die Fortentwicklung der Scud-Raketentechnologie, die für die Länder Libyen, Syrien insbesondere aber Irak, Iran und Pakistan neue Möglichkeiten eröffnete. Die Zuspitzung des internationalen Konfliktes mit Nord-Korea war 2003 insbesondere darauf zurückzuführen, dass Nord-Korea mehrfach bestätigte, Atombrennstäbe aus dem Reaktor in Yongbyon zu waffenfähigem Plutonium aufbereitet zu haben. Daneben gibt es deutliche Hinweise, dass Nord-Korea auch an der Technologie für Gasultrazentrifugen interessiert ist. Diesem Ziel diente der Versuch Spezialaluminiumröhren über Malaysia zu beschaffen. Der Transport - angeblich über China - konnte noch auf dem Seeweg gestoppt werden. -96Pakistan Pakistan ist zur Zeit das einzige islamische Land, das Atombomben besitzt. Vielleicht gerade deshalb zeigen die aktuellen Eingeständnisse des "Vaters der islamischen Atombombe" Abdul Quadeer Khan die Brisanz der aktuellen Gefährdungslage durch ein weltweites Beziehungsgeflecht um Kerntechnik und andere proliferationsrelevante Güter. Obwohl die pakistanische Regierung nach den Anschlägen des 11. September 2001 eng mit den westlichen Ländern kooperiert, ist im Land eine islamistische Grundstimmung erkennbar, die bis in den Behördenapparat und in das Militär reicht. Zunehmend zeichnet sich ab, dass Pakistan für Länder wie Iran, NordKorea und Libyen erste Adresse für den Kauf von Gasultrazentrifugen sowie Bauplänen von Nukleartechnologie und entsprechenden Know-how zu sein scheint. Dabei bedienen sich diese Länder eines feingesponnenen Netzes über Drittländer. Der Nukleartechniker Khan nahm dabei offensichtlich eine Schlüsselfunktion ein. China In die Umsetzung der ehrgeizigen Entwicklungsziele der chinesischen Volkswirtschaft sind die chinesischen Nachrichtendienste eingebunden, um möglichst schnell Anschluss an die Standards der modernen Industriestaaten zu gewinnen. Aus allen gesellschaftlich bedeutsamen Bereichen wie Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Militär sollen entsprechende Informationen offen oder verdeckt gewonnen werden. Da die Nachrichtendienstoffiziere meist über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügen, fällt es ihnen leicht Kontakte aufzubauen und zu pflegen, um das Wissen ihrer Gesprächspartner unauffällig und langfristig abzuschöpfen und so an vertrauliche Informationen zu gelangen. Legendierte Firmengründungen dürften als geeignete Beschaffungsbüros auch für die chinesischen Nachrichtendienste zum handwerklichen Repertoire gehören. -97China verstärkt seine Bemühungen, die Ausrüstung seiner Streifkräfte zu modernisieren. Dabei orientiert es sich im wesentlichen an den Standards westlicher Hochtechnologie. Möglicherweise dadurch begünstigt, tritt China auch als Rüstungsund Proliferationslieferant in Krisenregionen in Erscheinung. Daneben ist es Aufgabe chinesischer Nachrichtendienste in Deutschland, hier Oppositionelle und in ihrem Heimatland nach Demokratie strebende chinesische Gruppierungen zu beobachten. So werden die hier lebenden islamischen Uiguren und die Anhänger der Falun-Gong-Sekte unvermindert mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Russische Föderation Unverändert steht die Bundesrepublik Deutschland im Fokus der russischen Geheimdienste. Nach wie vor sind Mitarbeiter dieser Dienste zahlenmäßig stark an den Legalresidenturen russischer Vertretungen in Deutschland und den Niederlassungen staatlicher russischer Firmen tätig und leisten neben der Unterstützung nachrichtendienstlicher Aktivitäten offene und verdeckte Informationsbeschaffung für ihre Auftraggeber. Die Zusammenarbeit russischer und deutscher Dienststellen im Aufklärungsspektrum des Terrorismus, der Proliferation und der organisierten Kriminalität hat Deutschland als Spionageziel offenbar nicht ausgenommen, allenfalls zu einer vorsichtigeren Vorgehensweise des ND-Personals veranlasst. Als wichtigste Geheimdienste der Russischen Föderation, die auch in Deutschland aktiv sind, sind die Auslandsaufklärungsdienste SWR, der militärische Aufklärungsdienst GRU sowie der Inlandsabwehrdienst FSB zu nennen. Aus der fortdauernden Umgestaltung des Sicherheitsapparates, die der russische Präsident im Jahre 2003 mit Nachdruck vorangetrieben hat, ist -98der FSB bereits gestärkt hervorgegangen. Der Fernmeldeaufklärungsdienst FAPSI wurde ebenso wie der Grenzschutzdienst FPS aufgelöst und mehr oder weniger in den FSB integriert. Dabei dürfte der FSB mittlerweile wieder einen Einflussbereich zurückgewonnen haben, der dem des ehemaligen KGB sehr nahe kommt (350.000 - 400.000 Mitarbeiter). Nach Aussagen des FSB-Chef PATRUSCHEW soll dem Geheimdienst auch die Privatisierung staatlicher Unternehmen unterstehen. Dabei ist bekannt, dass Offiziere des FSB schon seit einiger Zeit im Privatisierungsministerium platziert sind. Von daher verwundert auch nicht das Interesse russischer Nachrichtendienste an Informationen zur Lösung der russischen Schuldenproblematik und an Hinweisen zur Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft in Russland. So waren die Geheimdienste auch an Kontakten in den deutschen Bankenbereich bemüht. Letztlich werden mit großer Regelmäßigkeit russische Banker in deutschen Partnerbanken ausgebildet. Zur Methodik der russischen Dienste gehört, wie bei allen anderen Diensten auch, zunächst die offene Informationsbeschaffung, die heute durch die Nutzung entsprechender Informationsquellen wie das Internet erheblich erleichtert wird. Allerdings kann diese Vorgehensweise letztlich konspirative Beschaffungsmethoden, wie seit Jahrzehnten angewandt und damit den Einsatz von geheimen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht ersetzen. Als Agenten werden offensichtlich in erster Linie Ausländer oder im Ausland lebende russische Staatsangehörige angeworben, die aus beruflichen oder familiären Gründen häufig nach Russland reisen. Dazu zählen auch deutschstämmige Spätaussiedler, die teilweise bereits vor ihrer Ausreise nach Deutschland auf eine geheimdienstliche Tätigkeit vorbereitet wurden. -99Zu den Themenkomplexen Spionage, Wirtschaftsspionage, Proliferation und Wissenstransfer bietet der Verfassungsschutz Informationen an, die auch im Internet unter www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden können. Er bietet darüber hinaus Interessenten auch künftig Sensibilisierungsund Sicherheitsgespräche an. Als Kontakt-Nummer dient der Anschluss Mainz 06131 / 16-3772 oder 163773 oder 163770 oder Fax 06131/16-3688. - - 100 6. GEHEIMSCHUTZ/SABOTAGESCHUTZ Wie in den Jahren zuvor, hat sich die Verfassungsschutzbehörde - hier lediglich als mitwirkende Behörde - auch im Berichtszeitraum erfolgreich der Aufgabe gewidmet, im Zusammenwirken mit ihren Partnern, den als "zuständige Stelle" originär geforderten Geheimschutzbeauftragten der Behörden oder Sicherheitsbevollmächtigten der geheimschutzbetreuten Wirtschaft, die im staatlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Informationen gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen. Materieller Geheimschutz Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (VS-Beratungen, Schulungen und Broschüren) wurden die Partner über den gebotenen Umgang mit Verschlusssachen und deren sachgerechte technische und organisatorische Sicherung informiert und sensibilisiert. Insbesondere die ständig an Bedeutung gewinnende, gleichzeitig aber auch immer komplexer und damit anfälliger werdende Informationsund Kommunikationstechnik erfordert die präzise Einhaltung der in der staatlichen Verschlusssachenanweisung (VSA) wie auch im Geheimschutzhandbuch der Wirtschaft vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Dort sind darüber hinaus weitere technische, aber auch bauliche, organisatorische und personelle Maßnahmen verbindlich angeordnet, die in ihrer Gesamtheit ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept ergeben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen den Wirtschaftsunternehmen auch beim Schutz ihrer eigenen Betriebsgeheimnisse. Deshalb besteht das Angebot der Verfassungsschutzbehörde, auch die nicht der Geheimschutzbetreuung unterliegenden Unternehmen im Land entsprechend zu beraten. Personeller Geheimschutz Auch im Zeitalter der Hochtechnologie ist die menschliche Quelle im Objekt die effektivste und ergiebigste Form der Nachrichtenbeschaffung. Der - - 101 Staat schützt sich hiergegen neben seiner aufklärenden Spionageabwehr auch mit präventiven Maßnahmen bei der Auswahl seiner Geheimnisträger. Personen, die in Behörden oder Betrieben Zugang zu staatlichen Verschlusssachen (VS) haben, erhalten sollen oder ihn sich verschaffen könnten, werden zuvor einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen periodisch wiederholt werden muss. So wird geprüft, ob die betroffene Person oder auch die (als Lebenspartner(in) oder Ehegatte) einbezogene Person nach ihrem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass sie mit den anvertrauten VS sachgerecht umgehen wird. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung wird von der Verfassungsschutzbehörde der "zuständigen Stelle" in Form eines Votums lediglich als Entscheidungshilfe mitgeteilt. Die Entscheidung, ob die Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden kann, obliegt dem jeweils zuständigen Geheimschutzbeauftragten bzw. Sicherheitsbevollmächtigten. Vorbeugender personeller Sabotageschutz Seit 1. Januar 2003 unterfällt auch der vorbeugende personelle Sabotageschutz dem Anwendungsbereich des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz. Danach ist einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung in Rheinland-Pfalz beschäftigt ist oder beschäftigt werden soll. Im Berichtszeitraum erfolgte die zur Wahrung gleicher Sicherheitsstandards erforderliche Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Die bundesweite Koordination ist Aufgabe der Geheimschutzkommission (GSK) des Arbeitskreises IV der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, die seit Februar 2003 unter rheinland-pfälzischem Vorsitz arbeitet. - - 102 D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) vom 06. Juli 1998 zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2002, GVBl. 2002, S. 477 Inhaltsübersicht Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit - - 103 Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS 9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Ministerium des Innern und für Sport als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. - - 104 SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und im Informationsaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361), nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. - - 105 Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 . (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. - - 106 Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz und Recht gebunden ( Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. SS9 Allgemeine Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. SS 10 Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das heimliche Mithören oder Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477, BS 12-1), gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die Verarbeitung der durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361). (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn - - 107 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können, 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge und der hieraus gewonnenen Informationen zwingend erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Betroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerläßlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Verwendung der durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten erfolgt in entsprechender Anwendung des SS 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes . Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung genannten Straftaten verwendet werden. (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. - - 108 SS 10a Weitere Einzelfallbefugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwer wiegende Gefahren für die in SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (4) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einholen. Die Auskünfte können auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten sind 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennungen sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund TeledienstDienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (5) Auskünfte nach den Absätzen 1 bis 4 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. Der Antrag ist durch die G 10Aufsichtsbeamtin oder den G 10-Aufsichtsbeamten im Sinne des SS 8 Abs. 3 des Landesgesetzes zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses schriftlich zu stellen und zu begründen. Über den Antrag entscheidet die Leiterin oder der Leiter oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet monatlich die nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildete Kommission über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Für die Aufgaben und Befugnisse der Kommission sowie die Mitteilung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 an die Betroffenen findet das Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses entsprechende Anwendung. (6) Das Auskunftsersuchen und die Auskunft selbst dürfen den Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. (7) Auf die Verarbeitung der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen personenbezogenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. (8) Das fachlich zuständige Ministerium berichtet über die durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 dem parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes unter entsprechender Anwendung des SS 8 Abs. 10 Satz 1 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes für dessen Berichte nach SS 8 Abs. 10 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . - - 109 Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist oder 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder andere Datenträger belegbar sein. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst Bestrebungen der Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenbezogenen Daten entsprechenden Akten oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 weiterhin erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. - - 110 (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 erforderlich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Informationen und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung personenbezogener Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sonstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist für Zwecke der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. - - 111 SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentliche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218 -), zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 2. die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100 a der Strafprozeßordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und sonstigen Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte sind die in den SS 74 a des Gerichtsverfassungsgesetzes und SS 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und diese die personenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder dem Schutz von Sachen von bedeutendem Wert oder der Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes dienen und dies mit den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde nach den SS 5 und SS 6 vereinbar ist. In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich personenbezogener Daten aus vorhandenen Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muß zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Nachrichtendienste angrenzender Staaten, an andere ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SS 5 und SS 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermitt- - - 112 lung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sinne des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unterwanderung von Wirtschaftsunternehmen durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Bestrebungen oder 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen einer Person erforderlich. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers oder der Leiterin oder des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. SS 15 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SS 13 und SS 14 unterbleibt, wenn 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 17 Minderjährigenschutz (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfaßten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung - - 113 zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 18 Auskunft an Betroffene (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über personenbezogene Daten in nichtautomatisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport oder hierzu besonders Beauftragte. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden können. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt hat. SS 19 Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird. - - 114 Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur parlamentarischen Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gebildeten Kommission bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sowie die Durchführung des SS 10a Abs. 1 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach SS 10a Abs. 1 bis 4 zu geben. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 4 Satz 1 und die SSSS 12 bis 19 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung SS 23 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes können das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz sowie das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes und Artikel 14 der Verfassung für Rheinland-Pfalz eingeschränkt werden. - - 115 SS 24 (Änderungsbestimmung) SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) (Aufhebungsbestimmung) * - - 116 Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. 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