Tätigkeitsbericht 2001 Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Tätigkeitsbericht 2001 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Der Rückblick auf das Jahr 2001 fokussiert sich zwangsläufig auf den 11. September. An diesem Tag steuerten Terroristen mehrere zuvor gekaperte Verkehrsflugzeuge in das World-Trade-Center in New York und in das Pentagon in Washington. Dem mutigen, selbstlosen Einsatz von Passagieren war es zu verdanken, dass nicht noch eine weitere Maschine auf eine Stadt stürzte. Diese menschenverachtenden Taten forderten Tausende Menschenleben; die Welt sah sich mit einer neuen Dimension des Schreckens konfrontiert. Die Auswirkungen der Terrorakte vom 11. September 2001 reichen bis nach Europa und berühren auch die Innere Sicherheit unseres Landes. Intensive Fahndungsmaßnahmen ließen ein nahezu weltumspannendes, verschachteltes Terrornetzwerk erkennen - auch der Terrorismus ist global geworden. Zudem steht fest, dass einige der mutmaßlichen Täter das Gastund Aufenthaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland in gröbster Weise missbraucht haben, um ihre Verbrechen hier vorzubereiten. Die Täter des 11. September wurden unter islamistischen Extremisten ausgemacht. Ihre Taten haben die öffentliche Diskussion um das Selbstverständnis des Islam und das Verhältnis zu den Muslimen auch in unserer Gesellschaft nachhaltig entfacht. Nicht immer wird diese Diskussion mit der gebotenen Sachlichkeit und Differenziertheit geführt; bisweilen wird sogar von einem "Kampf der Kulturen" gesprochen. Solche vorschnellen, plakativen Deutungen werden dem komplexen, vielschichtigen Problem aber nicht gerecht. -2Der Kern des Problems liegt nämlich nicht in einer vermeintlichen globalen Konfrontation von Kulturen, sondern vielmehr in dem gefährlichen Missbrauch einer Weltreligion durch eine Minderheit. Islamisten unterschiedlichster Herkunft benutzen den Islam als Ideologie, als Heilslehre für ihre profanen politischen Zwecke. Teile von ihnen üben Terror aus, um ihrer Ideologie Geltung zu verschaffen. Dieser Terrorismus richtet sich gegen den Gedanken der Zivilisation, dem sich Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, Einstellungen und kultureller Identitäten gleichermaßen verpflichtet fühlen. Der Widerhall der Islamisten in der "islamischen Welt" steht somit auch im krassen Widerspruch zu deren vollmundigen Verlautbarungen - die weit überwiegende Zahl der Muslime distanziert sich von ihnen. Es gilt, sich dessen stets bewusst zu bleiben, um den gefährlichen Vereinfachern nicht Wasser auf die Mühlen ihrer vorurteilsbehafteten Polemiken gegen Fremde, Andersdenkende und Menschen anderen Glaubens zu leiten. Nicht der "starke Staat" darf Ziel der Politik werden, wohl aber ist die notwendige Balance zwischen dem Schutz vor Bedrohung unter Wahrung des Primats der Freiheit das Ziel. Der Verfassungsschutz des Landes trägt der aktuellen Entwicklung der Inneren Sicherheit angemessen Rechnung. Nicht erst seit dem 11. September 2001 stellt die Beobachtung islamistisch-extremistischer Bestrebungen neben dem fortdauernden Beobachtungsschwerpunkt Rechtsextremismus eine seiner Hauptaufgaben dar. Eine weiterhin tragende Rolle spielt dabei auch die offensive Öffentlichkeitsarbeit zur nachhaltigen Information über den Extremismus jedweder Couleur. Unter dem Motto "Prävention durch Information" unterrichtet somit der Tätigkeitsbericht 2001 wiederum über relevante extremistische bzw. sicherheitsgefährdende Bestrebungen in unserem Land. Ich hoffe, er findet das Interesse vieler Leserinnen und Leser. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 8 3. Öffentlichkeitsarbeit 9 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 10 5. Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" 11 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 13 Überblick 2001 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 14 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 15 1.3 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 16 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen 19 1.4.1 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen 2001 19 1.4.3 "Anti-Antifa" 20 1.5 Rechtsextremistische Parteien 21 1.5.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 21 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 29 1.5.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 30 1.5.3 "Die Republikaner" (REP) 32 1.6 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 36 "Der Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V." 36 -41.7 Überregionale informationelle Vernetzung und Nutzung neuer Informationsund Kommunikationsmittel 37 1.8 Auslandskontakte 38 1.9 Reaktionen von Rechtsextremisten auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 39 2. Linksextremismus 41 Überblick 2001 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial 41 2.2 Linksextremistische Gewalt 42 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 42 2.3.1 Autonome 42 2.3.2 Sonstige (militante) Linksextremisten 45 2.2.3 Ermittlungsund Gerichtsverfahren terroristischer Straftäter 46 2.3.4 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 48 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 54 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 54 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 56 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 58 Überblick 2001 3.1 Personenpotenzial 58 3.2 Gewalttatenzahlen 58 3.3 Islamistischer Extremismus 59 3.3.1 "Arabische Mujahedin" und "Al Qaida" (Die Basis) 62 3.3.2 "Der Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) 64 -53.3.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 67 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C-Devrimci Sol) 69 3.5 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 71 4. "Scientology-Organisation" 77 5. Spionageabwehr 79 6. Geheimschutz/Sabotageschutz 86 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 90 D. Anhang 103 Gesetzliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Landesverfassungsschutzgesetz -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser 1. Der Tätigkeitsbericht 2001 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Der Bericht kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende rechtliche Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflussten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht lässt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 31. Dezember 2001. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. 2. Die im Tätigkeitsbericht 2001 genannten Strafund Gewalttatenzahlen wurden im Berichtsjahr erstmalig nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen polizeilichen Definitionssystem "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) erfasst. Das neue Definitionssystem stellt die tatauslösende politische Motivation in den Vordergrund. Es umfasst damit sowohl Taten mit erkennbarem extremistischen Hintergrund (s. Nr. 1.), wie auch solche politisch motivierten Delikte, bei denen (noch) nicht von einem extremistischen Hintergrund gesprochen werden kann. Angesichts der beschriebenen neuen statistischen Erfassung der politisch motivierten Kriminalität wird im Tätigkeitsbericht 2001 auf eine vergleichende Gegenüberstellung mit den Zahlen des Jahres 2000 verzichtet. Ebenso nicht enthalten sind die entsprechenden Bundeszahlen, die bis zum Redaktionsschluss noch nicht vorlagen. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes1 u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. Insbesondere hat der Verfassungsschutz keine polizeilichen Befugnisse; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, dass der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen darf, die ihm selbst untersagt sind. Daran haben auch die umfassenden gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen in Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 nichts geändert. Gleichwohl haben das erschütternde Ausmaß der Gewalt, die kaltblütige Planung und die weltweite Zusammenarbeit der Täter die Weiterentwicklung der gesetzlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ausgelöst. Nach einer ersten 1 s. unter D. Anhang -8Schaffung neuer Bestimmungen zur strafrechtlichen Verfolgung der Unterstützer ausländischer Terrororganisationen (SS 129b StGB) und zum Verbot islamistisch-extremistischer Vereine noch im Dezember 2001 (Wegfall des "Religionsprivilegs" im Vereinsgesetz) - beides als "Sicherheitspaket I" bezeichnet - ist zu Jahresbeginn 2002 das Terrorismusbekämpfungsgesetz ("Sicherheitspaket II") in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Sicherheitsgesetze der neuen Bedrohungslage angepasst worden, um bereits im Inland aufenthältliche Terroristen besser erkennen zu können, den dazu erforderlichen Datenaustausch zwischen den Behörden zu verbessern, und die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland zu verhindern. Aus Sicht des Verfassungsschutzes, dem schon immer als gesetzliche Aufgabe die Beobachtung terroristischer Bestrebungen obliegt, ist dabei von besonderer Bedeutung, dass ihm jetzt eine Reihe von neuen Ermittlungsbefugnissen zuwachsen wird. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1362. Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 2001: 2.288.800,-DM (2002: 1.600.000,-Euro). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 7.2773, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kom- 2 Stand: 31. Dezember 2001 3 Stand: 31. Dezember 2001 -9munalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz4. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen einschließlich seiner eigenen Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) zur Verfügung. Diesbezügliche Kontaktaufnahmen können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder den Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes (06131/163772) erfolgen. Der Verfassungsschutz kann auch über E-Mail (poststelle@ism.rlp.de) kontaktiert werden. Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich bzw. über die Internetadresse http://www.verfassungsschutz. rlp.de abrufbar: 4 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). - 10 - - "Verfassungsschutz transparent" - "Rechtsextremismus" - "Skinheads" - "Autonome" - "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" - "Islamistische Extremisten" - "Wirtschaftsspionage" - "Arbeiterpartei Kurdistans". - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Linksextremismus - weiterhin aktuell" - "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka" - "Aus guten Gründen - Beobachtung der 'Scientology'-Organisation durch den Verfassungsschutz" - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" - "Extremisten und Informationstechnik - vom Flugblatt zum PC" - "Rechtsextremistische Parteien - Keine Alternative" - "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - Mit Sicherheit ein Gewinn!". 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 2001 wieder an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass". Neben der Verteilung von Broschüren wie dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten" wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen von Jugendgruppen in Rheinland-Pfalz finanziell unterstützt. Die Kampagne "Fairständnis" wird in Rheinland-Pfalz auch im Jahr 2002 fortgeführt. - 11 - Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Ministerium des Innern und für Sport - Abteilung Verfassungsschutz - Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Tel.: 06131/16-3772 Fax: 06131/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de 5. Aussteigerprogramm "(R)AUSwege aus dem Extremismus" Rheinland-Pfalz sieht der wachsenden Bedrohung durch Extremisten nicht tatenlos zu. Seit Jahren ist die konsequente und dauerhafte Bekämpfung des Extremismus, insbesondere des Rechtsextremismus eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Um diesen Kampf noch weiter zu optimieren, beschäftigt sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes mit der Entwicklung neuer Initiativen und der Koordinierung laufender Maßnahmen der einzelnen Ressorts. Gerade junge Menschen geraten leicht in den Einflussbereich extremistischer, insbesondere rechtsextremistischer Gruppierungen. Aus diesem Grund hat Rheinland-Pfalz ein Programm ins Leben gerufen, das insbesondere jungen Menschen den Ausstieg aus der (rechts)extremis-tischen Szene erleichtern soll. Es wendet sich in erster Linie nicht an bekannte Aktivisten, sondern an Mitläufer und Sympathisanten. Hierfür ist seit März 2001 eine Telefon-Hotline geschaltet. Die kostenlose Hotline-Nummer 0800-4546000 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, einen ersten anonymen Kontakt zum Aussteigerprogramm - 12 - "(R)AUSwege" herzustellen. Aber es bietet auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, sozialen Fachkräften und Initiativen fachliche Beratung und Unterstützung an. Sie können sich ebenfalls an die Hotline wenden. "(R)AUSwege" steht für den Mut zum Neubeginn und ein Leben ohne Hass und Gewalt. - 13 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Der Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen war auch im Jahr 2001 ein Beobachtungsschwerpunkt des Verfassungsschutzes. Er stellt weiterhin eine Gefahr für die Innere Sicherheit unseres Staates wie auch eine stete gesellschaftspolitische Herausforderung dar. Insbesondere seine Auswirkungen auf junge Menschen geben dabei Anlass zur Sorge. Staat und Gesellschaft insgesamt haben die vielfältigen I- nitiativen zu seiner wirksamen Eindämmung fortgeführt und weiter intensiviert. Für das Berichtsjahr kann insgesamt festgestellt werden, dass sich die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene auf einem anhaltend nicht hinnehmbaren Niveau bewegen. Dies dokumentieren allein die 82 Demonstrationen, die im Jahr 2001 von der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) bundesweit durchgeführt worden sind. Allerdings gingen die öffentlichen Aktivitäten der anderen rechtsextremistischen, insbesondere neonazistischen Gruppierungen zurück. Das rechtsextremistische Personenpotenzial nahm im Jahre 2001 bundesweit insgesamt ab. Bedenklich stimmt hingegen, dass sich das rechtsextremistische Gewaltpotenzial bundesweit auch 2001 weiter vergrößert hat; in Rheinland-Pfalz stagniert es entgegen dem Bundestrend. Ebenso besorgniserregend ist nach wie vor der Einfluss, den Rechtsextremisten über zeitgemäße Medien wie Internet oder Skinhead-Musik auf junge Menschen ausüben. Wenngleich die Zahl der Konzertveranstaltungen rechtsextremistischer - 14 - Skinheadbands in Rheinland-Pfalz auch 2001 weiter abgenommen hat, muss von einer anhaltend starken Verbreitung derartigen Liedgutes, so z.B. über das Internet ausgegangen werden. Strukturell haben sich die ehemals schärfer konturierten Linien zwischen der Neonaziszene und der Skinheadbewegung weiter aufgeweicht; immer mehr werden auch gerade in der Neonaziszene festgefügte Organisationsstrukturen zugunsten loser, autonomer Verbindungen aufgegeben. Auch thematisch zeigt sich das rechtsextremistische Spektrum im neuen Jahrtausend anpassungsfähig. Verstärkt rückte im vergangenen Jahr - nicht allein wegen der Ereignisse des 11. September - das Thema Globalisierung5 in den Vordergrund rechtsextremistischer Agitation. Angesichts der aufgezeigten Entwicklungen und Trends gilt es auch weiterhin, dem Rechtsextremismus ein Hauptaugenmerk zu widmen und in den erfolgversprechenden Bemühungen bzw. Maßnahmen gegen seine Ausbreitung nicht nachzulassen. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial Bund Rheinland-Pfalz Gesamt: ca. 49.700* ca. 1.850 Gewaltbereite: ca. 10.400 ca. 100 Neonazis: ca. 2.800 ca. 50** Parteien: ca. 33.000 ca. 1.650 Sonstige: ca. 4.300 ca. 100 *ohne Mehrfachmitgliedschaften ** in "Gewaltbereite" enthalten 5 Vgl. S. 39 Nr. 1.9 - 15 - 1.2. Rechtsextremistische Gewalt6 Die Zahl politisch motivierter Straftaten (rechts) im Jahr 2001 liegt bei 550 (davon 382 so genannte Propagandadelikte); davon waren 216 rechtsextremistisch motiviert. Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) belief sich auf 32. In 28 Fällen handelte es sich dabei um Körperverletzungsdelikte. Gewalttatenzahlen 2001 Rheinland-Pfalz Gesamt: 32 Deliktsarten: Tötungsdelikte: --Versuchte Tötungen: 1 Körperverletzungen: 28 Brandstiftungen: 1 (versuchte Brandstiftung) Sprengstoffexplosionen: --Landfriedensbruch: 2 Herausragender Einzelfall war der Überfall auf das Asylbewerberheim am 31. März 2001 in Böhl-Iggelheim, Landkreis Ludwigshafen. Zwölf Jugendliche hatten vor dem Heim randaliert, die Bewohner bedroht und mehrere Sachbeschädigungen begangen. Der mittlerweile 17jährige Hauptbeschuldigte wurde inzwischen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; die Strafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig. Zudem wurden in Rheinland-Pfalz im Jahre 2001 drei jüdische Friedhöfe u.a. durch Umwerfen und Besprühen von Grabsteinen geschändet (2000: 7). 6 Durch die Einführung des Definitionssystems "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) hat sich die Erfassung und Zählweise der Strafund Gewalttaten im Berichtsjahr grundlegend geändert. Ein Vergleich mit den Zahlen des Vorjahres 2000 ist daher nur eingeschränkt möglich (s. a. Seite 6). - 16 - 1.3 Gewalttätige/gewaltbereite Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads7) Den gewalttätigen bzw. gewaltbereiten Rechtsextremisten8 werden bundesweit etwa 10.400 Personen zugerechnet (2000: ca. 9.700). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus der subkulturell geprägten Skinheadszene. In Rheinland-Pfalz sind diesem Spektrum je 50 Skinheads und 50 Neonazis zuzuordnen9. Der vorwiegend unstrukturierten Skinheadszene gehören neben unpolitischen Personen und einzelnen so genannten Redskins10 vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads an. Sie bilden seit Anfang der 90er Jahre die zahlenmäßig größte Gruppe der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Die Beziehungen zwischen rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis sowie rechtsextremistischen Parteien reichen von Integrationsbemühungen bis hin zur strikten Ablehnung. Insbesondere auf der regionalen Ebene ist ein Zusammenwirken zwischen der Skinheadszene und der Neonazisszene, aber auch mit der rechtsextremistischen Partei "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) zu beobachten. Skinheads lassen sich jedoch in aller Regel nicht dauerhaft in neonazistische Kameradschaften oder rechtsextremistische Parteien einbinden. 7 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Mai 1997), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 8 Rechtsextremistische Gewalt ist zwar kein spezifisches Jugendproblem, dennoch fällt auf, dass es sich bei den Tatverdächtigen von rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten in den meisten Fällen um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Mädchen und Frauen sind stark unterrepräsentiert - die Mehrheit der Täter ist männlich. Es dominieren einfache und mittlere Bildungsabschlüsse und entsprechende Berufe der Arbeiterund Handwerkerschicht. Die Taten werden oft in einer Gruppe bzw. Clique begangen und sehr häufig ist Alkohol mit im Spiel. 9 Vgl. S. 17 und S. 19 Nr. 1.4 10 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. - 17 - Bei den in Rheinland-Pfalz geschätzten 350 Skinheads handelt es sich nicht in allen Fällen um Extremisten. Allerdings besteht bei einem Großteil dieses Personenkreises aufgrund der subkulturellen Ausrichtung der Szene und der Beliebtheit der Skinheadmusik sowie aufgrund von Kontakten zu Rechtsextremisten die permanente Gefahr des festeren Abgleitens in das rechtsextremistische Umfeld. Etwa 50 Skinheads in Rheinland-Pfalz können eindeutig als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden. Sie agieren schwerpunktmäßig in der Vorderpfalz und in den Großräumen Koblenz/Westerwald und Zweibrücken/Westpfalz. Im Bereich der Region Westerwald bestehen Kontakte zur Skinheadszene nach Hessen und Nordrhein-Westfalen; im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg. Anlässlich von Weinund Volksfesten in Rheinland-Pfalz kam es auch im Jahre 2001 wieder zu Gewalttätigkeiten und Provokationen durch rechtsextremistisch beeinflusste Skinheads, so anlässlich des "Pfingstmarktes" in Zweibrücken. Skinheadmusik/Skinhead-"Fanzines" Skinheadmusik, Konzerte und "Fanzines" (abgeleitet vom englischen fanmagazine) sind nach wie vor entscheidende Elemente für Zusammenhalt und Motivation dieser Szene. Viele Jugendliche finden über die Skinheadmusik den Einstieg in den Rechtsextremismus. Großer Beliebtheit erfreuen sich rechtsextremistische Bands aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, Großbritannien und Kanada. Skinhead-Bands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut, vor allem in rassistischen und volksverhetzenden Liedtexten. Es gibt aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. - 18 - Eine besondere Rolle bei der Organisation/Durchführung von SkinheadKonzerten spielte seit Mitte der 90er Jahre die international aktive, straff strukturierte Skinheadgruppierung "Blood & Honour", die am Nationalsozialismus orientiertes, überwiegend rassistisches Gedankengut vertrat. Diese Konzerte hatten - insbesondere wegen der dort auftgetretenen Bands - eine besondere Anziehungskraft für die Szene. Die "Blood & Honour Division Deutschland" sowie ihre Jugendorganisation "White Youth" wurde mit Verfügung vom 12. September 2000 vom Bundesminister des Innern verboten, da sich ihre Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. Das Verbot ist seit dem 13. Juni 2001 bestandskräftig. Auch im Jahre 2001 spielten wiederum rechtsextremistische Skinheadkonzerte eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt und die überregionale Kommunikation in der Szene. Zudem fanden eine Reihe von Konzerten rechtsextremistischer Liedermacher statt, an denen auch Skinheads teilnahmen. In Rheinland-Pfalz wurden drei Auftritte von Skinhead-Bands bekannt, am 29. September 2001 in Zweibrücken-Mittelbach sowie am 08. und 29. Dezember 2001 in Dreisen (Donnersbergkreis). An diesen Konzerten nahmen teilweise bis zu 300 Besucher teil; Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten wurden dabei nicht bekannt. Zudem fanden 2001 in Rheinland-Pfalz vier Veranstaltungen mit rechtsextremistischen Lieder11 machern statt. Trotz der schon in den vergangenen Jahren durchgeführten Exekutivmaßnahmen in der rechtsextremistischen Vertriebsszene findet weiterhin ein reger Austausch und Handel mit strafrechtlich relevanten CD's statt. Auch eingeleitete Ermittlungsverfahren sowie Strafverfahren scheinen die Verantwortlichen nicht abzuschrecken. 11 Die entsprechenden Bundeszahlen der Konzerte rechtsextremistischer Skinheadbands bzw. Liedermacher lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor. - 19 - Die Inhalte der Skinhead-"Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten einschlägige Abbildungen und Texte. Darüber hinaus stellen die "Fanzines" auch neonazistische Organisationen vor, veröffentlichen Berichte über von Rechtsextremisten organisierte Veranstaltungen und bieten rechtsextremistische, szenetypische Artikel an. In jüngster Zeit findet man vermehrt auch Darstellungen über Germanenund Wikingerkult sowie über die Black Metalund Dark Wave-Szene. 1.4 Neonazistische Szene/Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 2001 ca. 2.800 Personen zugerechnet werden (2000: ca. 2.200). In Rheinland-Pfalz gab es wie im Jahr 2000 ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig einzustufen sind12. Im Neonazispektrum ist bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz nach wie vor die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG)13 als die mitgliederstärkste Organisation zu bezeichnen. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus MainzGonsenheim ist weiterhin 1. Vorsitzende der HNG. 1.4.1 "Rudolf Heß"-Gedenkveranstaltungen 200114 Die letztjährigen "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" im Bundesgebiet hatten für die Szene zunehmend an Bedeutung verloren, da vereinzelte 12 Vgl. S. 16 Nr. 1.3 13 Vgl. Kurzdarstellung HNG (S. 90) 14 In Erinnerung an den Todestag von Rudolf Heß am 17. August 1987 - 20 - regionale Demonstrationen von den Sicherheitsbehörden schon im Ansatz unterbunden werden konnten. Die für den 18. August 2001 in Wunsiedel/Bayern angemeldete Veranstaltung konnte nach Beschreitung des Rechtsweges durchgeführt werden. Somit konnten erstmals wieder nach 11 Jahren Neonazis zu der Gedenkveranstaltung (ca. 900 Teilnehmer) aufmarschieren. In nahezu allen Bundesländern, auch in Rheinland-Pfalz, kam es zu Propagandaaktionen, so z.B. Anbringen von Heß-Transparenten, -Plakaten und -Aufklebern. Wie bereits im Jahr 2000 spielten Heß-Aktionen im Ausland eine nur untergeordnete Rolle. Am 4. August 2001 fand in Hillerd/Dänemark eine Heß-Gedenkveranstaltung mit ca. 150 bis 200 Teilnehmern, darunter auch deutsche Rechtsextremisten, statt. Etwa 70 Teilnehmer veranstalteten am 11. August 2001 einen Aufzug durch die Innenstadt von Zürich/Schweiz. 1.4.2 "Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der so genannten Anti-Antifa-Arbeit aus. Sie dient u.a. der "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Personaldaten sowie der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" zu hindern bzw. von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Hierbei wird zunehmend das Medium Internet zur Verbreitung von "Schwarzen Listen" oder "Hassseiten" genutzt. Bislang sind Gewalttaten im Zusammenhang mit solchen Aufrufen nicht bekannt geworden. - 21 - Der Herausgeber der in Rheinland-Pfalz erschienenen Publikation "Reichsruf" wurde am 13. November 2001 durch das zuständige Amtsgericht zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Bewährung verurteilt. 1.5 Rechtsextremistische Parteien 1.5.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD ist gegenwärtig die aggressivste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Sie bekämpft die freiheitliche demokratische Grundordnung in zentralen Elementen und will sie durch eine andere, mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Staatsform ersetzen. Die NPD stellt die Würde des Menschen und die Gleichheit der Individuen unter den Vorbehalt der Nützlichkeit für die "Volksgemeinschaft" und missachtet den Gedanken der Völkerverständigung. Sie propagiert Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und strebt die Ausgrenzung vermeintlich "Minderwertiger" an. Aufgrund ihrer Programmatik, Strategie, Taktik und Sprache ist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus feststellbar. Der NPD-Mitgliederstand konnte im Laufe des Jahres 2001 mit bundesweit ca. 6.500 Parteiangehörigen mit einem Altersdurchschnitt von ca. 39 Jahren (früher 45 Jahre) gehalten werden. Auch der Landesverband Rheinland-Pfalz verfügte wie im Jahr zuvor noch über annähernd 250 Mitglieder, jedoch ist hier inzwischen ein gewisser Mitgliederrückgang festzustellen. Nach Auswertung der von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder vorgelegten Unterlagen über die verfassungsfeindliche Betätigung der NPD reichte die Bundesregierung am 30. Januar 2001 beim BVerfG in Karlsruhe einen Antrag auf ein Verbot der NPD ein. Dem - 22 - folgten mit eigenen Anträgen am 30. März 2001 Bundestag und Bundesrat. Die im Jahr 2000 zunächst in Folge der drohenden Antragstellung auf ein Parteiverbot geübte Zurückhaltung der NPD bei der Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen wurde wieder aufgegeben. Von bundesweit 93 angemeldeten Demonstrationen und öffentlichen Kundgebungen (2000: ca. 30) wurden 82 durchgeführt; elf konnten aus Rechtsgründen verboten werden. Neonazis, "freie Kameradschaften" und Skinheads waren der Partei willkommene Partner, um Größe und Geschlossenheit darzustellen. Bei den Veranstaltungen wurden vordergründig wirtschaftsund sozialpolitische Themen sowie aktuelle Tagesereignisse als Anlässe aufgegriffen. In Wirklichkeit erhoffte sich die Partei zum einen eine größere Resonanz bei der Bevölkerung und versuchte zum anderen rechtsextremistische A- gitation öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Herausragende Veranstaltungen im Jahr 200115 1. Mai 2001 Kundgebungen zum 1. Mai in den Städten Berlin ca. 1.100 Teilnehmer Dresden ca. 1.500 Teilnehmer Mannheim ca. 300 Teilnehmer Augsburg ca. 200 Teilnehmer Essen ca. 200 -300 Teilnehmer 8. September 2001 Grimma/Sachsen ca. 3.000Teilnehmer Pressefest des "Deutsche Stimme-Verlags" 3. Oktober 2001 Berlin ca. 1.500 Teilnehmer Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit 1. Dezember 2001 Berlin ca. 3.300 Teilnehmer Demonstration gegen die Wiedereröffnung der Wehrmachtsausstellung 15 Die Veranstaltungen des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz sind gesondert aufgeführt. - 23 - Am 8. September 2001 veranstaltete der "Deutsche Stimme-Verlag" mit ca. 3.000 Teilnehmern in Grimma/Sachsen ein Pressefest, zu dem bundesweit aufgerufen worden war. Als Redner traten neben den NPDund JN-Bundesvorsitzenden Udo VOIGT und Sascha ROßMÜLLER weitere NPD-Funktionäre und die ausländischen Rechtsextremisten Herbert SCHWEIGER (Österreich) mit einem Vortrag zum Thema "Globalisierung und Kapitalismus" und der zum Islam konvertierte Ahmet HUBER (Schweiz) mit einer Ansprache über den "Islam und die moslimische Welt" auf. Der ehemalige Rechtsterrorist Peter NAUMANN (Hessen) referierte über das Thema "Vertreibungsunrecht und Neuauflage der Wehrmachtsausstellung". Außer der "Deutschen Stimme" betrieben NPD und JN sowie u.a. die rechtsextremistische "Karlsruher Kameradschaft", der "Freundeskreis Ulrich von Hutten", die "Gemeinschaft deutscher Frauen", der "Studentenbund Schlesien" und die unter rechtsextremistischem Einfluss stehende virtuelle Internet-Partei "Freiheitlich-Unabhängig-National" (FUN) eigene Informationsstände. Am 3. Oktober 2001, dem Tag der Deutschen Einheit, versammelten sich in Berlin ca. 1.000 Rechtsextremisten zu einer von der NPD und der rechtsextremistischen Gruppierung "Bündnis Rechts" veranstalteten zentralen Demonstration. Das Motto "Deutschland ist mehr als die Bundesrepublik" wurde um das zusätzliche Motto "Frieden für Deutschland - keine Stimme den Kriegsparteien" erweitert. Die Veranstaltung war gegen den "Militäreinmarsch der USA" in Afghanistan sowie die erklärte Bereitstellung deutscher Soldaten für einen Afghanistan-Einsatz gerichtet. Der größte NPD-Aufmarsch fand jedoch mit 3.300 Teilnehmern am 1. Dezember 2001 in Berlin statt. An der Demonstration gegen die Wiedereröffnung der Wehrmachtsausstellung beteiligten sich neben NPD und JN - 24 - auch Angehörige der Neonaziund Skinheadszene sowie ausländische Rechtsextremisten. Die Teilnehmer skandierten Losungen wie "Schützt unsere Väter - Stoppt die Verräter". Die NPD wertete die Demonstration als Erfolg in der Zusammenarbeit mit Neonazis und Skinheads. Mit der Veranstaltung sei es ihr erneut gelungen, im "Kampf um die Straße" ein breites Bündnis des "Nationalen Widerstandes" zu vereinen und sich als Speerspitze der "Nationalen Außerparlamentarischen Opposition" (NAPO) darzustellen. Anlässlich der Veranstaltung kam es zu erheblichen Ausschreitungen linksextremistischer Gegendemonstranten mit der Polizei. Die NPD nahm im vergangenen Jahr an den Kommunalwahlen am 18. März 2001 in Hessen, den Landtagswahlen am 25. März 2001 in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie an den Wahlen zur Hamburger Bezirksversammlung am 23. September 2001 und zum Berliner Abgeordnetenhaus am 21. Oktober 2001 teil. Dabei strebte sie, ausgenommen die hessischen Kommunalwahlen und die Abgeordnetenwahl in Berlin, weniger den Einzug in die Parlamente als vielmehr finanzielle Unterstützung im Wege der vom Wahlergebnis abhängigen Parteienfinanzierung an. Die Partei blieb in allen Fällen unter der hierfür erforderlichen Anzahl der Wählerstimmen. Ihren aggressivsten Wahlkampf führte die NPD bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl. In der Woche vor dem eigentlichen Wahltermin veranstaltete sie täglich bis zu zwei Wahlkampfkundgebungen. Zumindest in Ost-Berlin konnte die NPD ein geringes Protestwählerpotential mobilisieren und erreichte dort ein Wahlergebnis von 1,6%.16 16 Wahlergebnis in Berlin-Ost 1,6 %, in Berlin-West 0,5 % - 25 - Wahlergebnisse 2001 Kommunalwahl Hessen 0,2 % 1997: 0,6 % Landtagswahl Rheinland-Pfalz 0,5 % 1996: 0,4 % Landtagswahl Baden-Württemberg 0,2 % 1996 keine Teilnahme Bezirksversammlung Hamburg 0,0 % 1997: 0,1 % Abgeordnetenhaus Berlin 0,9 % 1999: 0,8 % Auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA reagierte die NPD unterschiedlich. Zwar wurde der Tod unschuldiger Menschen bedauert, jedoch wurden die Anschläge als Folge des "US-Imperialismus" und als Konsequenz auf die Aktivitäten der angeblich jüdisch dominierten Hochfinanz verstanden. Darüber hinaus forderte die NPD u.a. den sofortigen Austritt Deutschlands aus der NATO und den Abzug aller "USBesatzungstruppen" aus der Bundesrepublik sowie den unverzüglichen Stopp sämtlicher Bundeswehreinsätze im Ausland. In seiner Presseerklärung vom 13. September 2001 äußerte der Parteivorstand zu den Anschlägen: ".... Der NPD-Parteivorstand verurteilt den Terroranschlag in den USA und stellt fest, dass Gewalt kein Mittel der Politik sein darf. Allerdings befindet sich Amerika seit Jahrzehnten im Krieg und mußte immer mit entsprechenden Gegenmaßnahmen rechnen. Erstmals wurden die Amerikaner auf ihrem eigenen Territorium empfindlich getroffen...." Der Prozessbevollmächtigte der NPD im Verbotsverfahren, Horst MAHLER17, verbreitete über die Homepage des "Deutschen Kollegs"18 unter der Überschrift "Independence day live" folgende Stellungnahme: ".... Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind - weil sie, vermittelt durch die Medien, den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten - eminent wirksam und deshalb rechtens..." 17 MAHLER war im Zusammenhang mit den linksterroristischen Aktivitäten der RAF 1970, 1973 und 1974 zu Haftstrafen verurteiltworden. 18 Das "Deutsche Kolleg", dem auch Horst MAHLER angehört, ist die Nachfolgeorganisation des Berliner Lesekreises der Wochenzeitung "Junge Freiheit". Es sieht seine Aufgabe in der Schulung der nationalen Intelligenz. - 26 - Die Äußerung MAHLERs fand selbst in der NPD keine uneingeschränkte Akzeptanz. Insbesondere befürchtete man dadurch eine negative Auswirkung auf das laufende Verbotsverfahren. Die parteiinternen Kontroversen um den Kurs und die politischen Ziele der Partei insbesondere die Auseinandersetzungen mit der im Jahre 2000 gegründeten innerparteilichen Oppositionsgruppe "Revolutionäre Plattform - Aufbruch 2000" (RPF) dauerten auch im Jahre 2001 an. Während der NPD-Parteivorstand noch Anfang Dezember 2000 einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur RPF gefasst und NPD-Mitgliedern bei Zuwiderhandlung mit einem Parteiausschluss gedroht hatte, unterzeichneten Vertreter von NPD und RPF im Januar 2001 eine Übereinkunft, nach der sich die RPF als eigenständige Organisation auflöst und sich als offizielle Arbeitsgemeinschaft dem Parteivorstand unterstellt.19 Die RPF befürwortete u.a. die Zusammenarbeit des NPD-Landesverbandes Schleswig-Holstein mit den freien Kräften um den Neonazi Christian WORCH (Hamburg) und unterstützte die Wahl des Neonazis Peter BORCHERT zum dortigen NPD-Landesvorsitzenden. Gegen den am 23. September 2001 vom Bundesparteivorstand verhängten organisatorischen Notstand und die Suspendierung des Landesvorstandes SchleswigHolstein legte dieser Widerspruch beim Landgericht Berlin ein. Dieses verwies die Angelegenheit an das Bundesschiedsgericht der NPD, das Ende des Jahres 2001 die Repressionsmaßnahmen gegen den Landesverband Schleswig-Holstein wieder aufhob. Da die Unstimmigkeiten der NPD mit der RPF auch im Jahr 2001 nicht beigelegt werden konnten, wurde deren Sprecher und Bindeglied zu den "Freien Nationalisten" sowie Mitglied des NPD-Bundesvorstandes Steffen HUPKA (Sachsen-Anhalt) aus der Partei ausgeschlossen. Nachdem der Parteivorstand am 4. Januar 2002 den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der 19 Die RPF strebte u.a. die Einbeziehung von sogenannten freien Kameradschaften und Neonazis in die NPD an. Als ihr Fürsprecher engagierte sich vor allem Horst MAHLER. Sprachrohr der RPF ist der vierteljährlich erscheinende "Unabhängiger Rundbrief". - 27 - RPF vom Dezember 2000 wieder in Kraft gesetzt hatte, verkündete die RPF ihre am 12. Januar 2002 einstimmig beschlossene Auflösung, weil der gewünschte Dialog mit der Parteiführung ausgeblieben sei. Diese Kontroverse um den NPD-Landesverband Schleswig-Holstein und der Parteiausschluss von Steffen HUPKA haben die Position des Parteivorstandes merklich geschwächt. Anlässlich der im Frühjahr 2002 stattfindenen Bundesvorstandswahl wird ein Wechsel an der Führungsspitze nicht ausgeschlossen. NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz verstärkte unter seinem seit Mitte 2000 amtierenden Landesvorsitzenden Martin LAUS im vergangenen Jahr seine Aktivitäten im "Kampf um die Straße" und führte in Rheinland-Pfalz sechs Demonstrationen und öffentliche Veranstaltungen durch, an denen auch Skinheads und Mitglieder so genannter Kameradschaften beteiligt waren. Herausragende Veranstaltungen im Jahr 2001 17. Februar 2001 Ludwigshafen am Rhein ca. 170 Teilnehmer Demonstration zum Auftakt des Landtagswahlkampfes 17. März 2001 Bad Kreuznach ca. 50-60 Teilnehmer Demonstration "Ist das immer noch Dein Land? - Keine Moschee in Bad Kreuznach 9. Juni 2001 Kaiserslautern ca. 300 Teilnehmer Veranstaltung "Antiimperialistische Initiative - Nie wieder Krieg" - 28 - 21. Juli 2001 Landstuhl ca. 150 Teilnehmer Demonstration "Ist das immer noch Dein Land? - Ami go home" 29. September 2001 Altenkirchen ca. 120 Teilnehmer Demonstration "Der Westerwald soll deutsch bleiben" 18. November 2001 Kranzniederlegungen anlässlich insgesamt ca. 140 Teildes Volkstrauertages auf Friedhönehmer fen und an Gedenkstätten 29. Dezember 2001 Trier ca. 150-200 Teilnehmer Demonstration "Höchststrafe für Kinderschänder - Nicht wegschauen, handeln" Die Themenauswahl zeigt, dass auch der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz in Anlehnung an die Bundespartei an der Strategie festhält, aktuelle Ereignisse und politische Fragen zum Anlass zu nehmen, um Demonstrationen und andere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur Verbreitung seiner eigentlichen verfassungsfeindlichen Ziele durchzuführen. Für Schulungsund Vortragsveranstaltungen konnten im Jahr 2001 namhafte Vertreter der rechtsextremistischen Szene als Referenten gewonnen werden. Auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA reagierte der Landesvorsitzende Martin LAUS mit einem offenen Brief an den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten mit Fragen zur Sicherheitslage in Rheinland-Pfalz nach den Anschlägen in den USA. Im Zusammenhang mit den US-Angriffen auf afghanisches Gebiet und die Zusage der Bundesregierung, Einsatzkräfte der Bundeswehr nach Afghanistan zu entsenden, veranstalteten in der Nacht vom 7. zum 8. Oktober 2001 fünf NPD/JN-Aktivisten vor der US-Airbase Spangdahlem/Eifel eine Mahnwache. Auf Transparenten forderten sie "No War" und "Stop the Bombs". - 29 - Ende des Jahres 2001 kündigte der NPD-Kreisverband Westerwald an, vor Schulen der Region Flugblätter mit dem Titel "Zukunft für die Jugend statt totalitäre Gesellschaft" verteilen zu wollen. Ungeachtet dieser Aktivitäten war wie schon im Jahr zuvor auch 2001 im NPD-Landesverband keine Geschlossenheit zu verzeichnen. Die im Frühjahr 2001 über die Internet-Homepage veröffentlichte Umstrukturierung des Landesverbandes auf nunmehr nur noch acht Kreisverbände, wodurch die inaktiven Kreisverbände den aktiven eingegliedert werden sollten, ist inzwischen abgeschlossen. Die Maßnahme brachte jedoch nicht das erhoffte Ergebnis. Parteipolitische Aktivitäten gingen weiterhin nur von einzelnen Mitgliedern und Funktionären aus. An der rheinland-pfälzischen Landtagswahl am 25. März 2001 beteiligte sich der Landesverband mit einer 10 Kandidaten umfassenden Landesliste sowie mit je einem Direktkandidaten in den Wahlkreisen Landau und Germersheim. Die NPD konnte ihr Wahlergebnis gegenüber der Landtagswahl am 24. März 1996 um 0,1 Prozentpunkt auf landesweit 0,5% (9.136 Stimmen) verbessern, blieb damit aber von ihrem eigentlichen Ziel, Wahlkampfkostenerstattung zu bekommen, weit entfernt. Ihre besten Wahlergebnisse erzielte sie in den Wahlkreisen Donnersbergkreis mit 1,2% und Kaiserslautern mit 1,0%. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die NPD-Jugendorganisation JN beteiligte sich 2001 an den bundesweiten NPD-Demonstrationen und unterstützte die Partei bei ihren Kampagnen gegen ein NPD-Verbot. Zudem stellte sie Mitglieder für die Wahlkämpfe der NPD in den Bundesländern ab, in denen die Partei an politischen Wahlen teilnahm. - 30 - Unter ihrem Bundesvorsitzenden Sascha ROßMÜLLER (Bayern) konnte die JN im Jahr 2001 ihren Mitgliederbestand halten; bundesweit gehörten ihr weiterhin ca. 500 Personen an. In Rheinland-Pfalz zeigte die Mitgliederzahl eine steigende Tendenz an auf nunmehr über 30 (2000: ca.30). In Rheinland-Pfalz wurde im April 2001 Axel FLICKINGER (Kaiserslautern) als Nachfolger des bisherigen Landesvorsitzenden Sascha WAGNER (Bad Kreuznach) gewählt. Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf die USA veröffentlichte FLICKINGER am 17. September 2001 eine schriftliche Stellungnahme, in der er zum Abstand von der Hetze gegen die islamische Welt aufrief und den Islam als der NPD "wohlgesonnen" darstellte. Die größere Gefahr stelle die Einwanderungspolitik der Berliner Parteien und die darauffolgende multikulturelle Gesellschaft dar. Am 27. Oktober 2001 beteiligten sich in Heidelberg ca. 20 JN-Aktivisten aus Rheinland-Pfalz an einer JN-Demonstration mit ca. 200 Teilnehmern zum Thema "Globalisierung stoppen - Nein zur Weltpolizei USA". Um größere Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten zu verhindern, löste die Polizei die JN-Demonstration vorzeitig auf. Eine kurz danach in Ludwigshafen am Rhein organisierte "Spontandemonstration" mit ebenfalls ca. 200 Teilnehmern konnte von der Polizei rechtzeitig unterbunden werden. An Kranzniederlegungen der NPD in Rheinland-Pfalz zum Volkstrauertages am 18. November 2001, u.a. in Zweibrücken und in der Gemeinde Wahlrod im Westerwald, nahmen auch JN-Mitglieder teil. 1.5.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die DVU wird von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autoritär geführt. Dies zeigt sich auch darin, dass die Partei- - 31 - spitze mit Ausschlussverfahren auf eigenständige Profilierungsversuche einzelner Regionalpolitiker reagiert. Die Partei tritt im Wesentlichen nur bei Wahlkämpfen in Erscheinung. Sie ist trotz einem Mitgliederrückgang auf ca. 15.000 (2000: 17.000) Mitglieder weiterhin die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland; in Rheinland-Pfalz sind es etwa 750 Mitglieder gegenüber 850 im Jahr 2000. Die alljährliche Grosskundgebung der DVU fand am 29. September 2001 in Passau statt. Das Motto der Veranstaltung, an der diesmal lediglich ca. 1.200 Personen teilnahmen, lautete: "Wir sind stolz, Deutsche zu sein". Im Jahr 2000 hatte die Besucherzahl mit ca. 2.200 noch deutlich höher gelegen. Einen weiteren Rückschlag erlitt die Partei bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 23. September 2001, bei der sie nur 0,7% der Stimmen erzielte gegenüber 4,97% im Jahr 1997. Gegenwärtig ist die DVU in drei Landesparlamenten vertreten (Brandenburg, Bremen und Sachsen-Anhalt)20. Sprachrohr der Partei ist die in dem Münchener "DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) des Dr. Gerhard FREY in dieser Form seit September 1999 wöchentlich erscheinende "National-Zeitung - Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ). Sie ist das gegenwärtig auflagenstärkste rechtsextremistische Presseorgan in Deutschland. Mit aggressiven und reißerischen Schlagzeilen und Kommentierungen werden in der NZ tagespolitische Ereignisse verzerrt dargestellt und für die eigenen Zwecke missbraucht, so z.B.: "Freibrief für kriminelle Ausländer? - Deutsche rechtlos im eigenen Land" (NZ, Nr. 17/01), "Massenzuwanderung - Segen oder Fluch? - Das Programm zur Umvolkung der Deutschen" (NZ, Nr. 20/01), 20 An der Landtagswahl am 21. April 2002 in Sachsen-Anhalt beabsichtigt sie nicht teilzunehmen. - 32 - "Vor Völkerwanderung nach Deutschland - Die furchtbaren Folgen der EU-Erweiterung" (NZ, Nr. 23/01), "Sind wir ein Volk von Ausländerfeinden? - Spiegels Hetze gegen die Deutschen" (NZ, Nr. 36/01), "Deutschland bezahlt US-Krieg - Milliarden Mark für Angriff auf Afghanistan" (NZ, Nr. 42/01) "Die Türken kommen! - Was Deutschland blühen könnte" (NZ, Nr. 45/01), "Wen überfällt Bush als Nächstes? - Fünf weitere Staaten im Visier" (NZ, Nr. 47/01) Für ihre antisemitische Agitation nutzte die NZ die Neuerscheinung der deutschen Ausgabe des Buchs "Die Holocaust-Industrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird" des jüdischen US-Amerikaners Norman G. Finkelstein unter Schlagzeilen wie: "Ein erpresserisches Geschäft - Prof. Finkelsteins Abrechnung mit der Holocaust-Industrie" (Nr. 7/2001) oder "Holocaust: Wahrheit durch Finkelstein" (Nr. 11/2001) In Rheinland-Pfalz gehen von dem nicht strukturierten DVU-Landesverband nur wenige, nicht öffentliche Aktivitäten aus. In Anzeigen der "National-Zeitung" und im Internet weist der DVU-Kreisverband Ludwigshafen/Rhein und Vorderpfalz auf Stammtische hin. An den Landtagswahlen 2001 in Rheinland-Pfalz hat sich die DVU nicht beteiligt. 1.5.3 "Die Republikaner" (REP) Wie bereits im Vorjahr setzte sich die negative Entwicklung innerhalb der REP fort. Die Partei musste einen weiteren Mitgliederrückgang hinnehmen. Zum Jahresende lag die Zahl der Parteimitglieder bundesweit bei ca. 11.500 gegenüber ca. 13.000 im Jahre 2000. Entgegen dem Bundestrend stieg dagegen in Rheinland-Pfalz die Mitgliederzahl von etwa 600 im Vorjahr auf ca. 650 Personen im Jahre 2001 an. - 33 - Darüber hinaus mussten die REP erhebliche Stimmenverluste bei der Kommunalwahl in Hessen, den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg hinnehmen. In Hessen verloren die REP bei der Kommunalwahl am 18. März 2001 4,1% der Stimmen und kamen nur noch auf 2,5%. Bei der Landtagswahl am 25. März 2001 in Baden-Württemberg verpassten die REP - nachdem die Partei zwei Legislaturperioden in Folge im Landtag vertreten war - mit 4,4% der Stimmen den Wiedereinzug in das Landesparlament. Damit verloren die REP gegenüber der Landtagswahl 1996 (9,1%) mehr als die Hälfte ihrer Wähler und scheiterten entgegen den Prognosen an der 5%-Hürde. In Rheinland-Pfalz konnten sie mit 2,4% der Stimmen die 5%-Hürde ebenfalls nicht überwinden und verloren gegenüber der Landtagswahl 1996 1,1%. Dramatisch zu nennen ist das Ergebnis der Bürgerschaftswahl am 23. September 2001 in Hamburg. Dort konnten die REP nur noch 0,1% der Stimmen verbuchen. Wahlergebnisse 2001 Kommunalwahl Hessen 2,5 % 1997: 6,6 % Landtagswahl Rheinland-Pfalz 2,4 % 1996: 3,5 % Landtagswahl Baden-Württemberg 4,4 % 1996 9,1% Bürgerschaftswahl Hamburg 0,1 % 1997: 1,8 % Abgeordnetenhaus Berlin 1,3 % 1999: 2,7 % In ersten Stellungnahmen des Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER machte dieser u.a eine von der Partei bereits im Wahlkampf formulierte, vom politischen Gegner angeblich initiierte "Hetze gegen rechts" und die Benachteiligung in der Medienberichterstattung für das Scheitern der Partei mit verantwortlich. Nach dem hochgesteckten Wahlziel, ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen, stellte der Ausgang dieser Wahlen ein - 34 - ziemliches Debakel für die Partei dar. Intern wurde bereits vor einer Spaltung der Partei gewarnt und offen der Rücktritt des Parteivorsitzenden gefordert. Die innerparteilichen Querelen und Richtungskämpfe insbesondere im Hinblick auf das Festhalten des Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER an dem seit 11 Jahren bestehenden "Ruhstorfer Abgrenzungsbeschluss" gegenüber anderen rechtsextremistischen Parteien wurden nicht zuletzt unter dem Eindruck der schlechten Wahlergebnisse verstärkt fortgesetzt. Die Agitation der REP richtete sich im Berichtszeitraum vor allem gegen die von ihnen so genannten Altparteien und deren Repräsentanten. Hauptthema war wie in der Vergangenheit auch die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung. Weitere Schwerpunkte in Pressemitteilungen und Publikationen der REP bildete das Thema "Bekämpfung des Rechtsextremismus" unter dem Schlagwort "Hysterie gegen rechts" und die Auseinandersetzung mit der PDS. Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 in New York rückte die Auseinandersetzung mit dem Islam in den Vordergrund. Unter dem Titel "Kampf dem Terror! Für Islam-Fundamentalisten ist hier kein Platz" wurde im Parteiorgan "Der Republikaner" (Ausgabe 10/2001) den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nach jahrelangem Versagen in hektischen Aktionismus zu verfallen. Auf einer Sitzung des Bundesvorstandes am 25. November 2001 in Eisenach wurde eine Resolution zur Beteiligung Deutschlands an der Terrorismus-Bekämpfung in Afghanistan verabschiedet. Unter der Überschrift "Nein zu Kriegstreiberei und Überwachungsstaat" wird der Einsatz der Bundeswehr entschieden abgelehnt ("Der Republikaner" Nr. 11-12/2001). - 35 - REP-Landesverband Rheinland-Pfalz Im Landesverband Rheinland-Pfalz waren die Themen "Zuwanderung" und "Islam" die entscheidenden Agitationsfelder. In einer so genannten Informations-Offensive 2001 wurde unter der Überschrift "Unser Land braucht bei Millionen Arbeitslosen keine Einwanderung!" die Politik der Bundesregierung kritisiert. In einem Flugblatt der REP-Stadtratsfraktion Mainz vom September 2001 wird getitelt: "Mainzer Stadtbild künftig mit islamischen Gebetstürmen?". In diesem Artikel wird weiter ausgeführt, dass nur eine starke RepublikanerVertretung eine "weitere Islamisierung und Überfremdung unserer Stadt und unserer Heimat" verhindern könne. Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 25. März 2001 traten die REP mit einer 22 Personen umfassenden Landesliste und in 17 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Im Landtagswahlkampf sorgte ein Flugblatt der REP für Aufsehen, das in stilisierter Form das Landtagsgebäude in Mainz darstellte und mit "Achtung! Wichtige Wahlunterlagen" überschrieben war. In dem sich anschließenden Rechtsstreit zwischen dem Landtag Rheinland-Pfalz und dem REP-Landesverband Rheinland-Pfalz wurde durch Beschluss des Landgerichts Mainz den REP unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis 500.000,--DM die Verwendung des Namens "Landtag Rheinland-Pfalz" bzw. eine zeichnerische Darstellung des Landtagsgebäudes untersagt. Höhepunkt des Wahlkampfes war die Großveranstaltung im Bürgerhaus Mainz-Lerchenberg mit ca. 150 Teilnehmern, bei der der Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER als Redner auftrat. Auch im Jahre 2001 schafften die REP wiederum nicht den Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag. Sie scheiterten mit einem Stimmenanteil von 2,4% deutlich an der 5%-Hürde. Gegenüber der Landtagswahl 1996 verloren sie 1,1% der Stimmen. - 36 - Ihr bestes Ergebnis erzielten die REP in den Wahlkreisen Ludwigshafen I und Kusel mit 5,4 bzw. 5,3% (1996: Ludwigshafen I und II mit 8,5 bzw. 8,0%). Die geringsten Stimmenanteile erhielten sie in den Wahlkreisen Remagen/Sinzig und Trier mit 1,8 bzw. 1,3% (1996: in beiden Wahlkreisen jeweils 2,0%). Nach dem unbefriedigenden Ausgang der Landtagswahl kamen die Aktivitäten der einzelnen Kreisverbände fast zum Erliegen. In ersten Analysen wurden der so genannte Medienboykott und die Nationalstolz-Debatte als Hauptursache für das schlechte Abschneiden angesehen. Um die Kreisverbände wieder zum Leben zu erwecken und eine Rückkehr zu aktiver Parteiarbeit zu erreichen, wurden verschiedene Kreisverbände zusammengelegt: so werden z.B. die früheren Kreisverbände Bad Kreuznach und Rhein-Hunsrück vom Kreisverband Mainz mit betreut, während der Großkreisverband Rhein-Lahn/Westerwald/Altenkirchen/Neuwied den nördlichen Landesteil abdeckt. Die Landesmitgliederversammlung der rheinland-pfälzischen REP wählte am 2. September 2001 in der Stadthalle in Germersheim einen neuen Vorstand und die Listen-Kandidaten für die Bundestagswahl 2002. Neuer Landesvorsitzender wurde Stephan STRITTER aus Mainz. Zu Stellvertretern gewählt wurden der bisherige Vorsitzende Gerhard MEYER sowie Gerhard BETZ, Christel SCHMIDT und Werner SCHICK. 1.6 Sonstige rechtsextremistische Organisationen "Der Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V."21 "Der Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V." führte auch im Jahre 2001 ü- berwiegend nichtöffentliche Treffen, so genannte Appelle durch. 21 vgl. Kurzdarstellung "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." (S. 90) - 37 - Mit Rundschreiben vom 13. Juni 2000 löste die "Bundesführung" die Organisation "Der Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten - Kampfbund für Europa" mit Sitz in Düsseldorf auf. Die Existenz des "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." blieb hiervon bislang unberührt. Angehörige bzw. Sympathisanten des "Stahlhelm" wurden am 25. September 2001 wegen unbefugten Tragens von Uniformen bzw. wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Uniformverbot durch Unterlassen zu Geldstrafen verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. 1.7 Überregionale informationelle Vernetzung und Nutzung moderner Informationsund Kommunikationsmittel Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote in den vergangenen Jahren hatten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland veranlasst, neue Wege zu suchen, um weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. So soll der Zusammenhalt regionaler Gruppierungen und die Koordination bundesweiter Aktionen stärker durch eine informationelle Vernetzung gewährleistet werden. Die elektronische Kommunikation, dazu zählen neben dem Internet auch so genannte parteiunabhängige Info-Telefone und Handys, wird intensiv für die Koordination und Mobilisierung der Szene genutzt. Das Internet ist als weltweites Computernetz inzwischen zu einem äußerst wichtigen Propagandainstrument für Rechtsextremisten geworden. Während 1999 ca. 330 Homepages deutscher Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistischer Organisationen im Internet festgestellt wurden, waren es 2001 schon etwa 1.300. Diese Zahlen unterliegen jedoch starken Schwankungen, neue Seiten sind mitunter nur kurze Zeit im Netz. Auch der ständige Wechsel von Internetadressen oder Providern erschwert eine genaue Bestimmung der Anzahl rechtsextremistischer Homepages. - 38 - Das Internet bietet Rechtsextremisten ungleich größere Möglichkeiten, verfassungsfeindliche Ziele und Ideen zu propagieren als herkömmliche Medien. Insbesondere jüngere Menschen, die gewöhnlich über Zeitschriften, Flugblätter etc. schwer erreichbar sind, können heute über das Internet einfacher an rechtsextremistisches Gedankengut herangeführt werden. Die Szene nutzt dies aus, so durch die kostenlose Verbreitung von Skinhead-Musik in Dateiform (MP 3) oder rechtsextremistischen Radioprogrammen. Auch die Betreiber der so genannten parteiunabhängigen rechtsextremistischen "Nationalen Info-Telefone" (NIT) haben das Medium Internet entdeckt. Sie beschränken sich jedoch in erster Linie auf das Verbreiten von Veranstaltungsterminen. Gelegentlich werden auch Berichte über aktuell durchgeführte Veranstaltungen veröffentlicht. Aber auch bei der Mobilisierung zu Demonstrationen spielen die Info-Telefone weiterhin eine wichtige Rolle. Ausländische Neonazis werben mit deutschsprachigen Angeboten im Internet, z.B. die amerikanische, neonazistische "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) des bekannten Gary Rex LAUCK mit ihrer Publikation "NS-Kampfruf". 1.8 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Beziehungen zu Gesinnungsgenossen im Ausland; sie versprechen sich davon vor allem Impulse für ihre "nationale Sache". Zudem werden sie aus dem Ausland mit Propagandamaterial versorgt, dessen Herstellung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen bestehen bereits seit vielen Jahren insbesondere in die USA (NSDAP/AO) und nach Kanada sowie in euro- - 39 - päische Nachbarländer, wie z.B. Niederlande, Dänemark und Schweden. Durch solche Auslandskontakte versuchen rechtsextremistische Organisationen ihre angebliche Bedeutung herauszustellen. In mehreren europäischen Staaten kommt es regelmäßig zu anlassbezogenen Treffen von Rechtsextremisten, so zum Gedenken an die Todestage von Mussolini, Franco und Rudolf Heß. Anlässlich der "Rudolf HeßGedenkveranstaltungen 2001" beteiligten sich am 4. August 2001 auch deutsche Neonazis an einer Veranstaltung in Hillerd/Dänemark. Insgesamt 40 Rechtsextremisten aus Deutschland versammelten sich am 25. August 2001 aus Anlass der 74. "Ijzerbedevaart" im belgischen Diksmuide. 1.9 Reaktionen von Rechtsextremisten auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA Die Reaktionen deutscher Rechtsextremisten auf die verheerenden Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA reichen von entschiedener Verurteilung bis hin zu uneingeschränktem Jubel. Ein Teil der rechtsextremistischen Szene beurteilt die Terroranschläge als "Befreiungstat unterdrückter Völker" gegen die USA und eine angeblich jüdisch dominierte Finanzwelt. Der Tod unschuldiger Opfer wird zwar meist bedauert, mit dem Hinweis auf "amerikanisch verschuldete Kriegsopfer z.B. in Deutschland, Japan und Vietnam" aber relativiert. Andere Rechtsextremisten nutzten die Anschläge, um ihre bekannten Forderungen wie die Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl und ein Verbot der politischen Betätigung für Asybewerber zu bekräftigen. Die ausländerfeindliche Agitation wurde jedoch vor allem in den Kreisen der Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten von einer starken antiamerikanischen Haltung überlagert. - 40 - Im Bereich der Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads lösten die Anschläge zum Teil Begeisterung aus. Einzelne Neonazis gingen sogar soweit, sich ähnliche Anschläge in Deutschland zu wünschen oder sprachen sich dafür aus, sich mit den Islamisten im gemeinsamen Kampf gegenüber Judentum, Kapital und USA zu solidarisieren. Bislang konnte allerdings keine entsprechende Zusammenarbeit festgestellt werden. Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) reagierte uneinheitlich auf die Terrorakte. Während sie in offiziellen Stellungnahmen Gewalt als Mittel der Politik zwar grundsätzlich ablehnt, behauptet sie gleichzeitig, dass die Politik der USA überhaupt erst Auslöser dieser Terroranschläge sei. So rechtfertigte der NPD-Funktionär und Rechtsanwalt Horst MAHLER die Terroranschläge als "eminent wirksam und deshalb rechtens". Die rechtsextremistischen Parteien "Deutsche Volksunion" (DVU) und "Die Republikaner" (REP) verurteilten die Terroranschläge und agitierten in diesem Zusammenhang verstärkt fremdenfeindlich, indem sie die Gefahr des Islams pauschal hervorheben und vor angeblicher Überfremdung warnen. - 41 - 2. LINKSEXTREMISMUS Im Jahr 2001 waren im Bereich des Linksextremismus durch aktuelle Geschehnisse gewisse Schwerpunktverlagerungen feststellbar. So wurde die so genannte Anti-Globalisierungsbewegung im Jahr 2001 verstärkt von autonomen Linksextremisten unterwandert. Trauriger Höhepunkt waren insoweit die gewalttätigen Proteste gegen das G 8-Treffen in Genua vom 20. bis 22. Juli 2001, bei denen ein erstes Todesopfer zu beklagen war. An den Ausschreitungen waren in erheblicher Zahl auch Autonome aus Deutschland beteiligt. Auftrieb hat die linksextremistische Szene in Deutschland auch durch die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan erhalten. Linksextremisten verstehen den militärischen Einsatz der amerikanischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten nicht als einen Kampf gegen den internationalen Terrorismus, sondern als Bestrebung der "kapitalistischen Staaten", wegen der reichen Rohstoffvorkommen in dieser Region die Vorherrschaft zu erlangen. Schon diese neuen Entwicklungen zeigen, dass auch zukünftig der Linksextremismus nicht aus den Augen verloren werden darf. 2.1 Linksextremistisches Personenpotenzial Bund Rheinland-Pfalz Gesamt: ca. 32.900* ca. 750 Gewaltbereite: ca. 7.000 ca. 130 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: ca. 26.300 ca. 620** *ohne Mehrfach** einschließlich Personen aus mitgliedschaften beeinflussten Organisationen - 42 - 2.2. Linksextremistische Gewalt Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz Gesamt: 3 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- Versuchte Tötungen: -- Körperverletzungen: 2 Brandstiftungen: -- Sprengstoffexplosionen: -- Landfriedensbruch: 1 Gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr: -- 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus Terroristische Anschläge bis hin zum Mord, wie sie in früheren Jahren von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) und den "Revolutionären Zellen/Rote Zora" (RZ) verübt wurden, gibt es derzeit nicht mehr. Gleichwohl geht von gewalttätigen Linksextremisten - zumeist aus dem anarchistisch-orientierten autonomen Spektrum - weiterhin eine Gefahr für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. 2.3.1 Autonome Autonome stellen den weitaus größten Teil des gewaltbereiten linksextremistischen Potentials und sind für die Mehrzahl der in diesem Spektrum verübten Gewalttaten (z.B. Brandanschläge, Körperverletzungsdelikte) verantwortlich. Die Zahl der Autonomen ist mit bundesweit rund 6.000 Personen seit Jahren konstant geblieben. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. - 43 - 130 Autonome (2.000: ca. 130), die vorwiegend in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Umgebung, Neustadt/W. und Trier aktiv sind. Autonome haben im allgemeinen kein einheitliches ideologisches oder strategisches Konzept. Auf der Basis einer ausgeprägten wie bisweilen diffusen "Anti-Staatlichkeit" streben sie eine herrschaftsfreie Gesellschaft an. Dazu ist es aus ihrer Sicht erforderlich und legitim, ihre politischen Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. Autonome Gewalt richtet sich im Rahmen bestimmter Aktionen wie z.B. Angriffen auf "Nazis" und deren Infrastruktur, militanten Anti-AKWAktionen oder gewalttätigen Demonstrationen sowohl gegen Personen ("Faschos", Polizeibeamte sowie "Handlanger und Profiteure des Systems") als auch gegen Sachen (Kraftfahrzeuge und Gebäude). Bei der Wahl ihrer vielfältigen Aktionsformen bemühen sich Autonome stets um "Vermittelbarkeit". Häufig greifen sie auch berechtigte Anliegen gesellschaftlicher Protestbewegungen auf und diskreditieren diese durch begleitende militante Aktionen. Bei Straßenkrawallen treten Autonome vermummt in "schwarzen Blöcken" auf. Dies geschieht regelmäßig anlässlich von Protesten gegen Rechtsextremisten, insbesondere bei Demonstrationen zum "revolutionären 1. Mai". Neben zahlreichen Anlaufund Kontaktstellen (so genannte Info-Läden, Antifa-Cafe's oder Volxküchen), die in Rheinland-Pfalz in Koblenz, Mainz und Trier existieren, nutzt die autonome Szene zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen sowie zur besseren Mobilität zunehmend elektronische Kommunikationsmittel. Dazu gehören Mobiltelefone, Mailbox-Verbundsysteme sowie vor allem das Internet. Autonome Internet-Seiten/Homepages beinhalten im wesentlichen Demonstrationsaufrufe und Informationen zu rechtsextremistischen Organisationen/Einzelpersonen. - 44 - Nach wie vor große Bedeutung kommt den zahlreichen autonomen Szenepublikationen zu, die u.a. regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere, Demonstrationsaufrufe und Berichte über Nazi-Aktivitäten/Strukturen veröffentlichen. Die meisten dieser Blätter, wie "SWING-autonomes rheinmain-info" oder der "Koblenzer-ZERR-Spiegel" decken vorrangig die Regionalbereiche ab. Bundesweite Bedeutung kommt dem Berliner Szeneblatt "INTERIM" zu. Die Mehrzahl der Autonomen lehnt entsprechend ihrem Selbstverständnis festgefügte Organisationen und hierarchische Strukturen grundsätzlich ab. Dennoch entstand 1992 die strukturierte "Antifaschistische Aktion/ Bundesweite Organisation" (AA/BO) mit der Zielsetzung, eine schlagkräftige antifaschistische Bewegung durch eine stärkere Organisierung zu erreichen. Gruppen der AA/BO gehörten permanent zu den Mitinitiatoren von militanten antifaschistischen Demonstrationen; darüber hinaus agierten sie gezielt unter Jugendlichen. Der Zerfall der AA/BO begann im Jahr 2000 mit dem Austritt mehrerer Mitgliedsgruppen. Beim "Antifa-Kongreß 2001" vom 20. bis 22. April 2001 in Göttingen wurde offiziell die Auflösung der AA/BO bekannt gegeben. Dieser Schritt sei notwendig gewesen, um der Einleitung einer neuen Strategiediskussion und einer organisatorischen und inhaltlichen Neubestimmung innerhalb der autonomen Szene, die mit dem Kongress selbst in Gang gesetzt werden sollten, nicht im Wege zu stehen. Die fehlende Bereitschaft, insbesondere bei den "klassischen", organsiationsfeindlichen Autonomen, sich stärker zu organisieren, verhinderte jedoch die angestrebte Neuentwicklung in der autonomen Antifabewegung. Am Ende des Jahres 2001 existierte somit in der autonomen Szene bundesweit kein beachtenswerter Organisierungsansatz mehr. Die innerhalb der militanten autonomen Szene vorwiegend in Berlin klandestin operierenden Kleingruppen mit zum Teil terroristischem Anstrich - 45 - setzten ihre Aktivitäten fort. Sie hinterließen bei zahlreichen Brandund Sprengstoffanschlägen kaum auswertbare Spuren und gaben - bis auf wenige Ausnahmen - aus Schutzgründen vor Strafverfolgungsbehörden in ihren Selbstbezichtigungen ständig wechselnde Aktionsnamen an ("no name"-Konzept). Beispielhaft ist hier die "militante gruppe (mg)" zu nennen, die sich zu einem Anschlag am 21. Juni 2001 mit zündzeitverzögerten Brandsätzen auf Fahrzeuge einer Daimler-Chrysler-Niederlassung in Berlin (Sachschaden über 60.000 DM) und zur Versendung von Drohschreiben mit beigelegten scharfen Kleinkaliberpatronen - datiert vom 12. Juni 2001 - an den Regierungsbeauftragten für die Zwangsarbeiterentschädigung Graf Lambsdorff und zwei weitere Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" bekannt hatte. Das autonome Szeneblatt "INTERIM" vom 29. November 2001 veröffentlichte einen mit "DEBATTENVERSUCH" überschriebenen Artikel der "mg", mit dem eine breite Diskussion über die Erweiterung militanter Aktionsformen angestoßen werden sollte. Darin ist u.a. die Rede davon, in "etappen" vom "angriff auf materielle objekte zum angriff auf verantwortliche subjekte" zu kommen. Die "mg", die zwischenzeitlich mit kontinuierlicher Namensnennung agiert, scheint damit offensichtlich den Blick der linksextremistischen Szene in Richtung Gewaltanwendung gegen Personen schärfen zu wollen. 2.3.2 Sonstige (militante) Linksextremisten Neben den Autonomen gibt es eine weitere, weniger große Anzahl von gewaltbereiten Linksextremisten, die antiimperialistisch und internationalistisch ausgerichtet sind. Diese stammen zum Teil aus ehemaligen RAFnahen Strukturen und engagieren sich schwerpunktmäßig für "politische Gefangene" sowie im Rahmen der so genannten Kurdistan-Solidarität. - 46 - Zu den aktivsten dieser Gruppen zählt die Frankfurter Initiative "Libertad!", die in der "Gefangenenfrage" weltweit den Ausgangspunkt zum Aufbau eines internationalen Netzwerks revolutionärer Kräfte sieht. Zur Durchsetzung ihrer Ziele gibt sie u.a. die Zeitschrift "So oder So" heraus. "Libertad!" gehörte u.a. zu den Mitinitiatoren des bundesweiten Aktionstages am 18. März 2001 ("Freiheit für die politischen Gefangenen") und der am 20. Juni 2001 unter dem Motto: "Deportation Class: Internet-Demo gegen das Abschiebegeschäft" durchgeführten Blockade der Homepage der Deutschen Lufthansa AG. Das "Komitee gegen Isolationshaft, Kaiserslautern" (IKM) unterstützte die hauptsächlich von türkischen Linksextremisten getragene Kampagne gegen die in türkischen Gefängnissen als "Isolationsfolter" bezeichneten Verhältnisse. Mit Flugblattaktionen Anfang des Jahres 2001 thematisierte es wiederholt die Hungerstreiks und das "Todesfasten der politischen Gefangenen" in der Türkei. Die Aktivitäten linksextremistischer Kurdistan-Solidaritätsgruppen, die in der 2. Jahreshälfte 2001 die Bemühungen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zur Aufhebung ihres Betätigungsverbotes in Deutschland verstärkt unterstützt haben, sind weiterhin rückläufig. 2.3.3 Ermittlungsund Gerichtsverfahren terroristischer Straftäter Aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen konnte im Mai und Okto22 ber 2001 Wolfgang GRAMS der Beteiligung am RAF-Anschlag vom 1. April 1991 in Düsseldorf auf den Vorsitzenden der Treuhandanstalt Dr. Rohwedder bzw. Daniela KLETTE der Mittäterschaft am Schusswaffenanschlag unbekannter terroristischer Gewalttäter auf die amerikanische 22 GRAMS kam am 27. Juni 1993 bei einer Exekutivmaßnahme gegen die RAF in Bad Kleinen zu Tode. - 47 - Botschaft in Bonn-Bad Godesberg vom 13. Februar 1991 überführt werden. Mit einer Haftstrafe von 9 Jahren ahndete am 15. Februar 2001 das Landgericht Frankfurt am Main die Beteiligung des RZ-Angehörigen HansJoachim KLEIN am Anschlag auf die OPEC-Konferenz im Dezember 1975 in Wien. KLEIN wurde des dreifachen Mordes und einfachen versuchten Mordes in Mittäterschaft sowie der Geiselnahme mit Todesfolge für schuldig befunden. Am 15. Mai 2001 wurde die frühere terroristische Gewalttäterin Andrea KLUMP vom Oberlandesgericht in Stuttgart wegen versuchten zweifachen Mordes und erpresserischem Menschenraub sowie Geiselnahme zu einer 9-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Zusammen mit dem mutmaßlichen RAF-Mitglied Horst Ludwig MEYER war sie 1988 an einem fehlgeschlagenen Attentatsversuch auf dem US-Stützpunkt in Rota/Spanien beteiligt. Der ehemalige RAF-Terrorist Rolf HEIßLER wurde am 24. Oktober 2001 vorzeitig aus der JVA Frankenthal entlassen. HEIßLER war im März 1975 im Austausch gegen den entführten Berliner CDU-Vorsitzenden Peter LORENZ freigepreßt und zusammen mit vier weiteren inhaftierten RAFAngehörigen in den Jemen ausgeflogen worden. Nach seiner erneuten Festnahme am 9. Juni 1979 in Frankfurt am Main hatte ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf am 10. November 1982 wegen Mordes in zwei Fällen sowie gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RAF zu lebenslanger Haft verurteilt. - 48 - 2.3.4 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Wichtigstes Aktionsfeld gewaltbereiter Linksextremisten - besonders Autonomer - ist weiterhin der "Antifaschistische Kampf" geblieben. Dieser verfolgt letztlich das Ziel, die angeblichen Wurzeln des Faschismus, nämlich die freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung, die als "kapitalistisches System" diffamiert wird, zu beseitigen. Im Vordergrund steht dabei die direkte Bekämpfung rechtsextremistischer Parteien und sonstiger Gruppierungen. Zur Verhinderung von NPD/JN-Aufzügen wurden im Jahr 2001 wiederum zahlreiche "antifaschistische" Protestdemonstrationen durchgeführt; häufig arbeitete man dabei mit nichtextremistischen Organisationen in so genannten antifaschistischen Bündnissen zusammen. In Ludwigshafen am Rhein vermischten sich am 17. Februar 2001 anlässlich eines NPD-Aufzuges das regionale linksextremistische autonome Spektrum und ein aus demokratischen Gruppen bestehendes "Netzwerk gegen Rechts" zu einer Demonstration von über 1.000 Menschen. Bei Auseinandersetzungen nahm die Polizei mehrere vermummte Linksextremisten wegen Werfens von Eiern und Farbbeuteln fest. Am 17. März 2001 beteiligten sich in Bad Kreuznach etwa 800 Personen - unter ihnen pfälzische Autonome - an Protestaktionen gegen einen Aufzug von etwa 60 Anhängern der NPD. Den Gegendemonstranten gelang es, NPD-Anhänger und eingesetzte Polizeibeamte einzukesseln und mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen zu bewerfen. Dabei wurden 5 Personen, darunter 1 Polizeibeamter verletzt. In Karlsruhe beteiligten sich am 2. Juni 2001 etwa 500 Personen, darunter militante Linksextremisten (u.a. auch aus dem südpfälzischen Raum), an einer zum Teil gewalttätigen Protestaktion gegen einen Aufzug von etwa - 49 - 400 Anhängern des Hamburger Neonazis Christian WORCH. Bei Konfrontationen wurden zwei Polizeibeamte leicht verletzt, mehrere "linke" Gegendemonstranten vorläufig festbzw. in Gewahrsam genommen. In Heidelberg nahmen am 27. Oktober 2001 etwa 1.500 Personen, darunter bis zu 400 Angehörige der autonomen Szene (u.a. auch aus Ludwigshafen am Rhein, Kaiserslautern und Neustadt/W.) an Protestaktionen gegen einen JN-Aufzug teil. Die Autonomen gingen dabei massiv mit Flaschenund Dosenwürfen gegen die "rechten" Versammlungsteilnehmer vor. Rund 200 Personen der JN-Anhänger reisten anschließend nach Ludwigshafen am Rhein und zogen dort randalierend durch die Innenstadt. Der Einsatz starker Polizeikräfte konnte eine direkte Konfrontation mit zahlreichen nachgereisten Autonomen verhindern. Gleichwohl wurden drei Polizeifahrzeuge beschädigt; es kam zu zahlreichen Festnahmen. Im Rahmen ihres "antifaschistischen Kampfes" schrecken militante Antifaschisten auch nicht vor körperlichen Angriffen auf "Faschos" zurück. Sie gehen dabei teilweise mit großer Brutalität vor und nehmen schwere, bleibende Schäden ihrer Opfer in Kauf. Vor einem Trierer Kino kam es zum Beispiel am 20. Februar 2001 zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen ca. 20 zum Teil mit Sturmhauben und so genannten Palästinensertüchern vermummten Angehörigen des "linken Spektrums" und fünf vermeintlichen Rechtsextremisten. Letztere wurden zunächst verbal attackiert, fotografiert und danach durch Fußtritte und Schläge verletzt. Nachdem einer der Verletzten des "rechten Spektrums" eine Schreckschusspistole zog und auf die Angreifer richtete, flüchteten diese unerkannt. Im Mainzer Innenstadtbereich bewarfen am 25. Februar 2001 drei vermummte Angehörige des örtlichen autonomen Spektrums ein Fahrzeug mit Pflastersteinen. Die beiden Insassen des attackierten Fahrzeugs ge- - 50 - hörten zu einer Personengruppe, die zuvor mit dem Anbringen von Wahlplakaten der NPD für die Landtagswahl beschäftigt war. Kampagne gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie Der Widerstand militanter Linksextremisten gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie, insbesondere gegen die Durchführung von CastorTransporten, setzte sich im Jahre 2001 fort. Die hierbei seit einiger Zeit zu beobachtende Organisationsund Mobilisierungsschwäche konnte jedoch auch durch die beiden im März und November 2001 durchgeführten Castor-Transporte von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague in das deutsche Zwischenlager nach Gorleben nicht überwunden werden, obgleich diese Ereignisse seitens der Anti-AKW-Szene als geeignete Kristallisierungsund Anknüpfungspunkte für eine Steigerung und neue Qualität der Widerstandsaktionen gesehen wurden. Das Ausmaß und die Intensität von Anschlägen von militanten AKWGegnern ist weiterhin rückläufig. Der vom 26. bis 28. März 2001 durchgeführte Castor-Transport traf vor allem im niedersächsischen Wendland auf erheblichen, teils militanten Widerstand. Allein dort demonstrierten etwa 6.000 Atomkraftgegner, unter ihnen bis zu 800 Autonome, die wiederholt die zur Sicherung eingesetzten Polizeibeamten angriffen und mit Steinen warfen. Bei Süschendorf/Landkreis Lüchow-Dannenberg mußte der Castor-Transport wegen einer Gleisblockade angehalten werden und konnte erst nach erheblicher Verspätung fortgesetzt werden. Auf der Strecke zwischen Lauterbourg/Frankreich und dem rheinlandpfälzischen Wörth wurden die Gleise in den späten Abendbzw. Nachtstunden des 26. auf den 27. März von etwa 400 Atomkraftgegnern besetzt. Der Transport konnte an verschiedenen Stellen durch Blockaden - 51 - von Kleingruppen nur unwesentlich aufgehalten werden. Im Bereich Hagenbach ketteten sich einige der ca. 200 dort versammelten Personen an die Gleise. Der zweite Castor-Transport nach Gorleben (11. bis 14. November 2001) erreichte sein Ziel ohne größere Behinderungen; im niedersächsischen Wendland wurde der Transport durch Blockaden mehrfach kurzzeitig verzögert. Bei weiteren im Berichtszeitraum durchgeführten Castor-Transporten, die über Rheinland-Pfalz nach Frankreich geführt wurden, gab es außer kleineren Störaktionen, die teilweise kurzzeitige Verzögerungen im Transportplan nach sich zogen, keine besonderen Behinderungen. Der Versuch innerhalb der Anti-AKW-Szene ihren Widerstand gegen die Castor-Transporte in einen Kontext mit Aktivitäten der "Friedensbewegung" und von Globalisierungsgegnern zu stellen, um somit ihr Potential zu verbreitern, scheiterte. Die Frustration über die geringe Beteiligung an den Protesten wurde jedoch letztlich mit der Genugtuung überspielt, dass es erneut erfolgreich gelungen sei, die Kosten für die Transporte hochzuhalten. "Globalisierung" und "Neoliberalismus" Der Mobilisierungsgrad linksextremistischer Kräfte bei europaweiten Protesten gegen die mit den Begriffen "Globalisierung" und "Neoliberalismus" beschriebene Entwicklung einer zunehmend von nationalen Schranken befreiten und sozial deregulierten Wirtschaft hat im Jahr 2001 erheblich zugenommen. Der größtenteils von nichtextremistischen Organisationen und Gruppierungen getragenen Protestbewegung gehörten neben gemäßigten linksextremistisch ausgerichteten Strömungen, die über Teilerfolge langfristig negative Auswirkungen der Globalisierung verhindern wollen, auch zu- - 52 - nehmend militante Linksextremisten an, die kompromisslos jede staatliche Herrschaftsform ablehnen und - von den überwiegend friedlich agierenden Gruppierungen geduldet - für die bei den im abgelaufenen Jahr durchgeführten europäischen Gipfeltreffen offen zu Tage getretenen Gewaltexzesse verantwortlich waren. Bei den gewalttätigen Protesten gegen den EU-Gipfel in Göteborg (15./16. Juni 2001) lieferten sich u.a. etwa 1.000 militante Aktivisten unterschiedlicher Nationalitäten, darunter zahlreiche Deutsche, massive Straßenschlachten mit der Polizei. Es wurden mehrere Polizeibeamte und Gewalttäter verletzt und über 500 freiheitsentziehende Maßnahmen, u.a. auch gegen deutsche Demonstranten, eingeleitet. Das G 8-Treffen in Genua vom 20. bis 22. Juli 2001 wurde ebenfalls von schweren Ausschreitungen militanter Globalisierungsgegner überschattet. Mehrere hundert Gewalttäter griffen wahllos Polizeibeamte, Banken, Geschäfte und Tankstellen an, Müllcontainer und Autos wurden in Brand gesetzt. Bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften wurden zahlreiche Menschen verletzt; ein italienischer Militanter wurde von der Polizei bei seinem Angriff auf einen Polizeibeamten erschossen. Es kam zu zahlreichen Festnahmen, auch deutsche Staatsangehörige wurden inhaftiert. Zu den Demonstrationen in Genua waren auch militante Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz angereist. Der Tod des militanten italienischen Globalisierungsgegners führte in zahlreichen deutschen Städten zu Solidaritätsaktionen. In Mainz zogen am 27. Juli 2001 rund 80 zum Teil dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnende Demonstranten durch die Straßen und skandierten: "Euro-pas Polizisten - Mörder und Faschisten!", "Genua, das war Mord - Widerstand an jedem Ort!", "Für die Macht der Reichen geht ihr über Leichen!". Am 14./15. Dezember 2001 kam es anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel am Rande mehrerer Demonstrationen, an denen auch zahlreiche deut- - 53 - sche militante Linksextremisten (u.a. aus Rheinland-Pfalz) beteiligt waren, erneut zu Ausschreitungen. Dabei wurden Scheiben von Banken und Geschäften eingeworfen sowie Sachbeschädigungen an Fahrzeugen verübt; eingesetzte Polizeikräfte wurden mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen. Mehrere deutsche Demonstranten wurden festgenommen, darunter zwei Personen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz. Terroranschläge in den USA Die Ereignisse am 11. September 2001 in den USA, die darauf folgende Militäraktion der US-Regierung gegen das fundamentalistische TalibanRegime in Afghanistan sowie die in diesem Zusammenhang von der deutschen Bundesregierung getroffenen Maßnahmen, insbesondere die Entsendung deutscher Soldaten in die Krisenregion wurden von Linksextremisten im Sinne antiimperialistischer Agitation, u.a. in Szene-Publikationen und vor allem im Internet, instrumentalisiert. Darüber hinaus eröffnete sich für Linksextremisten die Möglichkeit, in den zahlreich neu entstandenen, von demokratischen Organisationen/Gruppierungen getragenen "Antikriegsbündnissen" mitzuarbeiten. Dies nutzten in erster Linie marxistisch/leninistisch ausgerichtete Organisationen wie z.B. die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP). Gruppierungen der autonomen/antiimperialistischen Szene traten - nicht zuletzt wegen fehlender Identifizierung mit der Weltanschauung der für die Anschläge verantwortlichen islamistischen Terroristen - weniger aktionistisch in Erscheinung. Linksextremisten in Deutschland äußerten sich generell zwar bestürzt und ablehnend zu den Anschlägen, sahen jedoch gleichzeitig die Ursache für die Terroraktivitäten im "US-Imperialismus". Deutschland als Beteiligter am Militärkrieg in Afghanistan sei daneben ein wachsender Konkurrent zu den "anderen imperialistischen Mächten" und strebe die Rolle einer Weltmacht an. - 54 - Das DKP-Parteiorgan "Unsere Zeit" behauptet in einer Extra-Ausgabe vom 13. Oktober 2001, die Terroranschläge dienten offensichtlich "allen imperialistischen Staaten" als Anlass, ihren "totalitären Herrschaftsanspruch" umzusetzen und sich Rohstoffressourcen zu sichern. Seit dem 11. September 2001 fanden unter Beteiligung von Linksextremisten in Deutschland, u.a. auch in vielen rheinland-pfälzischen Städten, Antikriegs-Demonstrationen zum Teil mit mehreren 1.000 Teilnehmern statt. Zu den wenigen linksextremistisch initiierten Aktionen gegen die "Militär-Aggression" der USA in Afghanistan zählten u.a. auch verschiedene Demonstrationen des dem örtlichen autonomen Spektrum zuzurechnenden "Antifaschistischen Aktionsbündnis 9.6."23 aus Kaiserslautern. 2.4 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die 1968 gegründete "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) definiert sich in ihrem dogmatisch geprägten Selbstverständnis unverändert als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die "auf der Basis der Theorien von Marx, Engels und Lenin einen grundlegenden Bruch mit dem kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" anstrebt. Ziel der Partei bleibt der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft24. Der angestrebte Sozialismus wird von der DKP als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme der Gesellschaft propagiert. In ihren programmatischen Äußerungen und Thesenpapieren fokussiert die Partei ihren politischen Aktionismus auf ihre traditionellen Arbeitsfelder wie Antimonopolismus, Antifaschismus und 23 Am 9. Juni 2001 fand in Kaiserslautern eine NPD-Demonstration statt. Diese war Anlass für Angehörige aus dem linksextremistischen/autonomen Spektrum, dagegen zu demonstrieren und sich diese Gruppenbezeichnung zuzulegen. 24 DKP-Information 3/00 - Juni 2000, S. 24) - 55 - die Gewerkschafts-, Aktionseinheitsund Bündnispolitik. Insbesondere bei den Themen "Kampf gegen Rechts" und Antikriegspolitik sucht die Partei bündnispolitische Akzeptanz. Die DKP sieht es als ihre "strategische" Aufgabe an, "einen Beitrag zur Formierung breiter gesellschaftlicher Allianzen zu leisten und sie in klassenkämpferische Positionen einzubringen". Zur Erreichung ihrer Ziele setzt die Partei auch auf den Internationalismus. "Erfolgreicher Kampf um fortschrittliche Reformen ist vor allem durch einen umfassenden internationalen Klassenkampf möglich. Er ist viel enger als zu anderen Zeiten mit dem Kampf um revolutionäre Veränderungen verbunden" (DKP-Informationen Nr. 5/2001, 4. Oktober 2001). In diesem Kontext sieht sich die DKP auch als Teil der Antiglobalisierungsbewegung. Wichtigstes Ereignis für die DKP war wieder das Pressefest ihres Parteiorgans "Unsere Zeit" (UZ) vom 22. bis 24. Juni 2001 in Dortmund. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 5.000 Besucher teil. Die "UZ" berichtete von mehr als 40.000 Teilnehmern. Aus dem Ausland waren Vertreter von 35 "Bruderparteien" angereist. Laut Beschluss der 8. Tagung des DKP-Parteivorstandes vom 1./2. Dezember 2001 will sich die DKP an der Bundestagswahl 2002 beteiligen. Es "soll mit einem eigenständigen Wahlkampf der DKP das Profil einer Kraft geschärft werden, die systemkritische und systemablehnende Menschen und Bewegungen zusammenführt". Mit der Teilnahme an der Bundestagswahl - allerdings lediglich mit Direktkandidaten - hofft die DKP wieder stärker ins Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung zu gelangen. Die in 14 Bezirksorganisationen untergliederte DKP hat bundesweit ca. 4.500 Mitglieder. Ein von der Partei für das 2001 errechneter geringer - 56 - realer Mitgliederzuwachs täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die hohe Altersstruktur der Partei wie auch die permanent angespannte Finanzlage den Aktionen der DKP auch weiterhin enge Grenzen setzen wird. Der DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz hat knapp 100 Mitglieder. Es gibt Parteistrukturen in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Kusel, Mainz, Trier und Worms. Schwerpunkte sind nach wie vor in Bad Kreuznach und IdarOberstein erkennbar. 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die PDS wirkt in Rheinland-Pfalz - wie in zahlreichen anderen alten Bundesländern - auch als Anlaufpunkt ehemaliger und aktiver Linksextremisten verschiedener politischer Herkunft. "In der PDS haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen wollen und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu ändern und schrittweise zu überwinden". (Derzeit noch gültiges Programm der PDS, S. 25, beschlossen von der 1. Tagung des 3. Parteitages vom 29. bis 31. Januar 1993) Der PDS-Landesverband Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz verfügt derzeit über 11 Kreisverbände und etwa 230 Mitglieder. Aktive Kreisverbände bestehen insbesondere in Bad Kreuznach, Landau, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Neuwied, Pirmasens und Trier. Der Landesverband gibt mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren unregelmäßig die Schrift "linksrheinische" heraus und informiert, ebenso wie die Mehrzahl der vorgenannten Kreisverbände im Internet über politische Ziele und Aktivitäten. Die Partei will insbesondere ihr kommunalpolitisches Engagement erhöhen und hofft auf erste Erfolge bei künftigen Kommunalwahlen. - 57 - Bei der Landtagswahl am 25. März 2001 trat die PDS nicht mit einer Landesliste an, stellte sich jedoch in den Wahlkreisen Trier (419 Stimmen = 1,3%) und Pirmasens (241 Stimmen = 0,9%) mit Direktkandidaten zur Wahl. Nach Schaffung einer fast landesweiten Organisationsstruktur sieht die Partei in Rheinland-Pfalz ihre Konsolidierungsphase als beendet an und will nun mit einer "politischen Offensive" beginnen um verstärkt für ihren sozialistischen, antikapitalistischen und systemoppositionellen Politikansatz zu werben. Große Bedeutung misst sie hierbei auch einer Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen unterschiedlicher inhaltlicher Zielsetzungen bei um dort Akzeptanz und Einfluss zu gewinnen. Im Jahre 2002 will die Partei mit der Durchführung eines "Rheinland-PfalzTages" öffentlichkeitswirksame Akzente setzen. Der PDS-nahe im Juni 1999 gegründete Jugendverband "solid" ist seit Oktober 2000 auch in Rheinland-Pfalz mit einem Landesverband (schätzungsweise 20 Mitglieder) vertreten. Er wird gemäß einem Beschluss des PDS-Landesparteitages vom 4./5. November 2000 mit 5% des Beitragsaufkommens aus den Mitgliedsbeiträgen der PDS Rheinland-Pfalz finanziell unterstützt. - 58 - 3. SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN Im Bereich sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern war das Jahr 2001 geprägt von den brutalen und menschenverachtenden Terroranschlägen am 11. September in den USA. Vorbereitungshandlungen für die Anschläge sind auch in Deutschland erfolgt. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden sind die Anschläge in New York und Washington - denen mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen - von dem Usama BIN LADEN zuzuordnenden Netzwerk islamistischer Extremisten "Al Qaida" (Die Basis) gesteuert worden. Charakteristisch für dieses Netzwerk aus "Arabischen Mujahedin" (Glaubenskämpfer) ist eine nahezu weltweite Verzweigung von Einzelanhängern bzw. Kleinoder Kleinstgruppen. 3.1 Personenpotenzial Bund Rheinland-Pfalz Gesamt: ca. 59.100 ca. 1.400 Linksextremisten: ca. 18.250 ca. 500 Extreme Nationalisten: ca. 8.900 ca. 100 Islamistische Extremisten: ca. 31.950 ca. 800 3.2. Gewalttatenzahlen Gewalttatenzahlen Rheinland-Pfalz Gesamt: 2 Deliktsarten: Tötungsdelikte: -- Versuchte Tötungen: -- - 59 - Körperverletzungen: -- Brandstiftungen: -- Sprengstoffexplosionen: -- Landfriedensbruch: 1 Freiheitsberaubungen: -- Raub/Erpressungen: 1 3.3 Islamistischer Extremismus Im Spektrum der extremistischen Ausländerorganisationen, denen bundesweit etwa 59.100 Personen angehören, stellen die islamistischen Gruppierungen mit etwa 31.950 Aktivisten den größten Anteil. Etwa 28.650 von ihnen sind türkischer und ca. 3.100 arabischer Herkunft. Islamistische Organisationen sind ein in allen Ländern mit muslimischer Bevölkerung auftretendes Phänomen. Zum Verständnis des Phänomens "Islamismus", seine Beziehung zur Religion des Islam einerseits sowie seine Haltung zur Gewalt andererseits ist folgendes zu sagen: Im 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde auf der Arabischen Halbinsel eine Religion verkündet, deren Grundidee zugleich ihr Namensgeber war: Hingabe (an Gott) oder, im arabischen Original, Islam. Heutzutage gehören etwa 1,2 Milliarden Menschen dem Islam an, schwerpunktmäßig im Nahen Osten, in Nordafrika, Zentralasien, Südasien, Südostasien und in Teilen Südosteuropas sowie Westund Ostafrikas. Allerdings haben in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Muslime in Westeuropa und Nordamerika eine neue Heimat gefunden. Schätzungen gehen von ungefähr 15 Millionen Muslimen in Westeuropa aus, davon 3 Millionen in der Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der hohen Zahl von Muslimen und ihrer unterschiedlichen Herkunft erstaunt es nicht, dass der Islam zu unterschiedlichen Ausdrucksformen gefunden hat. Den kleinsten gemeinsamen Nenner bezie- - 60 - hungsweise das einigende Glaubensband stellt das islamische Glaubensbekenntnis dar: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt ausser Gott. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist." Eine ganz zentrale Rolle nehmen im islamischen Glauben zudem die Auferstehung, das Jüngste Gericht sowie die darauffolgende Belohnung beziehungsweise Bestrafung ein. Eine der Ausdrucksformen des Islam ist in den drei zurückliegenden Jahrzehnten, ganz besonders aber mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington, in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt und verstellt zuweilen den Blick auf andere Strömungen innerhalb der muslimischen Gemeinde. Gemeint ist der Islamismus, der auch unter den Bezeichnungen islamischer Fundamentalismus und - vor allem im französischsprachigen Raum - Integrismus geläufig ist. Dem Islamismus liegt ein Ver-ständnis vom Islam als umfassender Lebensordnung zugrunde. Die von Islamisten gebrauchte Formel "Der Islam ist Religion und Staat" (al-Islam din wa-daula) bringt diesen Anspruch zum Ausdruck und beinhaltet in seiner Konsequenz den Ruf nach Anwendung des islamischen Rechts, der Scharia. So eindeutig sich diese Forderung anhört, so verdeckt sie die Tatsache, dass es die Scharia in Form eines einheitlichen kodifizierten Gesetzbuches nicht gibt und sich hinter dem Begriff durchaus unterschiedliche rechtliche Bestimmungen verbergen können. Auch die von Islamisten verwendete Programmformel "islamische Ordnung" (annizam al-islami) wird durchaus unterschiedlich interpretiert. In der Regel kollidiert sie jedoch mit grundlegenden Prinzipien unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung wie der Anerkennung der Glaubensund Meinungsfreiheit, der Gleichberechtigung von Mann und Frau, des Prinzips der Volkssouveränität u.a.. Mit charakteristischen Wortentlehnungen aus dem medizinischen Bereich wird die islamische Ordnung als Heilmittel gegen jene Krankheiten und Schwächen propagiert, die die Einführung fremder Ordnungen und Ideologien wie Säkularismus (d.h. Trennung der weltlichen und geistlichen Sphäre), Sozialismus oder Kapitalismus verur- - 61 - sacht hätten. Wirtschaftliche Instabilität, Angst vor Identitätsverlust durch fremdkulturelle Einflüsse im Zuge von Globalisierung, ein weitverbreitetes Gefühl der Machtlosigkeit in der Weltpolitik und Zweifel an ihrer Gerechtigkeit stellen Voraussetzungen dar, die der islamistischen Strömung unter Muslimen Auftrieb verschafft haben. Wie die islamische Ordnung eingeführt werden soll - gewaltsam oder gewaltfrei, über die staatlichen Institutionen oder von der gesellschaftlichen Basis aus - darüber existieren unter den Islamisten unterschiedliche Auffassungen. Spätestens mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben jene Kräfte die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, die ihre Vision und Version von islamischer (Welt-) Herrschaft gewaltsam durchsetzen wollen. Für sie, eine Sektion innerhalb des Islamismus, hat sich jüngst die Bezeichnung Dschihadisten eingebürgert. Der Begriff ist eine Ableitung von Dschihad, dessen wörtliche Bedeutung "Bemühung, Einsatz (für die Sache Gottes)" keine spezifischen Methoden vorgibt und somit keine Anleitung für Terrorismus darstellt, trotz der bei uns oft verwendeten, aber verkürzten Übersetzung des Begriffs als "Heiliger Krieg". Die gegenwärtige Bandbreite des Islamismus reicht von Islamisten, die ihre Ziele innerhalb bestehender politischer und gesellschaftlicher Institutionen verfolgen bis zu Terrorgruppen, die außer hemmungsloser Gewalt politische Ziele im eigentlichen Sinne kaum mehr erkennen lassen. Zu dieser Gruppe müssen die Attentäter vom 11. September 2001 in den USA gezählt werden. In Deutschland leben gegenwärtig etwa 3 Mio. Muslime, davon in Rheinland-Pfalz etwa 90.000. Lediglich ein bis zwei Prozent der Muslime gehört islamistisch-extremistischen Organisationen an. In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 800 solcher islamistischer Extremisten. - 62 - 3.3.1 "Arabische Mujahedin" und "Al Qaida" (Die Basis) Als "Arabische Mujahedin" werden panislamisch orientierte "Mujahedin" (Glaubenskämpfer) arabischer Herkunft bezeichnet, die an Kämpfen in Afghanistan oder Bosnien-Herzegowina, in Tschetschenien oder auch im Kaschmir teilgenommen und dazu religiöse wie auch paramilitärische Unterweisungen in afghanischen, sudanesischen oder pakistanischen Trainingslagern erhalten haben. Eingerichtet wurden solche Rekrutierungsund Ausbildungslager nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan mit dem Ziel, Kämpfer gegen die sowjetische Besatzungsmacht auszubilden. Vor allem arabische Muslime, darunter Angehörige nahezu aller militanten islamistischen Organisationen in den Ländern des Maghreb, Libyen, Ägypten, Sudan, Saudi-Arabien und des Nahen Ostens, durchliefen in der Folge solche Ausbildungslager. Zuverlässige Zahlen, wie viele Personen dort ausgebildet wurden, sind nicht bekannt. Die persönlichen Kontakte, die das nahezu globale Netzwerk der "Arabischen Mujahedin" kennzeichnen, resultieren aus dieser Ausbildungszeit. Ein Training in Afghanistan/Pakistan gehört bis heute zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen Einsatz auf einem der Schauplätze des Dschihad und auch für den Aufstieg in den inneren Kreis einer der regionalen Islamistengruppen. Nach Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan (1989) erfolgte eine Umorientierung in den Aktionszielen der Mujahedin. Die USA, die anfänglich die Ausbildung von Mujahedin, u.a. in Pakistan, indirekt gefördert haben sollen, wurden, neben Israel, verstärkt als Gegner betrachtet. Dies intensivierte sich während des Golfkriegs und der damit einhergehenden Stationierung einer größeren Zahl amerikanischer und auch anderer westlicher Truppen in Saudi-Arabien, dem Land mit den wichtigsten heiligen Stätten des Islam. Das internationale Kontaktnetz der "Arabischen Mujahedin", das wohl nicht engmaschig ist, sich aber über alle Kontinente erstreckt, ermöglicht einen Einsatz an jedem Ort, an dem Islamisten den Dschihad für notwen- - 63 - dig halten. Die Form des Dschihad's richtet sich nach den aktuellen Gegebenheiten. Sie kann - auch für Mujahedin - in tätiger humanitärer oder finanzieller Hilfe bestehen, im Guerillakampf oder in der Durchführung bzw. Vorbereitung terroristischer Anschläge. Eine dominierende Position im internationalen Milieu "arabischer Mujahedin" nimmt seit Jahren der saudische Multimillionär Usama BIN LADEN ein, der für die Anschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika verantwortlich sein dürfte. Seine 1988 gegründete islamistisch-extremistische Terrororganisation "Al Qaida" ist ein Konglomerat von weltweit verteilten Gruppen, die als Netzwerk operieren. Die Entstehungsgeschichte dieser Organisation reicht in die Zeit der afghanischen Befreiungskriege gegen die sowjetische Besatzungsmacht zurück, an denen sich nach Schätzungen 30.000 bis 35.000 Mujahedin aus den verschiedensten islamischen Ländern beteiligt haben. Die Ausbildung der Mujahedin erfolgte in afghanischen und pakistanischen Lagern. Die dabei entstandenen persönlichen Beziehungen bilden die Grundlage für die weltweiten Verbindungen. Die auf etwa 5.000 Mitglieder geschätzte "Al Qaida"-Organisation hat sich einem gegen die westliche Welt gerichteten Gotteskrieg zur Befreiung des heiligen islamischen Bodens verschrieben. Ein von Usama BIN LADEN am 23. September 1998 unterzeichneter Aufruf einer "Welt-Islam-Front für den Dschihad gegen die Juden und Kreuzzügler" enthält die Aufforderung: "Es ist die Pflicht jedes Muslim, Amerikaner und ihre Alliierten, sowohl Militärs als auch Zivilisten, wo immer auch möglich, zu töten." "Al Qaida" besteht aus verschiedenen Komitees bzw. Ausschüssen. Es gibt ein beratendes Gremium (Shura), ein Religionskomitee, ein Militärkomitee und ein Komitee, das die wirtschaftlichen Aktivitäten überwacht. Bei geplanten Attentaten wird zunächst eine Aufklärungsgruppe entsandt. Eine zweite Gruppe schmuggelt den Sprengstoff; örtliche "Brüder" sorgen - 64 - für die Unterbringung. Eine weitere Gruppe reist sodann an und führt den Anschlag durch. Viele der Mitglieder leben in den jeweiligen Ländern als so genannte Schläfer, bis sie auf Kommando zum terroristischen Einsatz kommen. Hinweise auf Aktivitäten von Einzelpersonen aus dem Umfeld "Arabischer Mujahedin" gibt es auch in Rheinland-Pfalz. 3.3.2 "Der Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V., Köln" (ICCB) Die extremistische islamistische Vereinigung "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti) sowie 19 Teilorganisationen und die dazugehörende Stiftung "Diener des Islam" (Stichting Dienaar aan Islam) wurden am 8. Dezember 2001 von Bundesinnenminister Otto Schily verboten. Das Verbot wurde durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz möglich, die am 8. Dezember 2001 in Kraft getreten ist. Die Organisation verfügte bundesweit über etwa 1.100 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz über etwa 40. Betroffen von den polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Vollzug des Verbots bzw. der Vorbereitung weiterer Verbote von Einrichtungen dieser Organisation waren in Rheinland-Pfalz der "Wissenschaftsund Gebetsverein der türkischen Arbeitnehmer in Mainz und Umgebung e.V.", der "Islamische Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer e.V." und die "Islamische Union Ludwigshafen e.V.". Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei dem "Islamischen Verein der in Bad Kreuznach und Umgebung wohnenden türkischen Arbeitnehmer e.V." um eine Teilorganisation des "Kalifatsstaates" handelt. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2001 verfügte das Bundesministerium des Innern, dass das gegen den "Kalifatsstaat" erlas- - 65 - sene Vereinsverbot sich auch auf diese Teilorganisation erstreckt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Gegen die Verbotsverfügungen ist mittlerweile Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben worden. Der "Kalifatsstaat" strebte unter der Führung seines selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime", Metin KAPLAN, die Beseitigung des laizistischen türkischen Staatsgefüges sowie die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia25 an. Endziel war die Weltherrschaft des Islam unter der Führung eines einzigen "Kalifen". Dabei verstand sich der "Kalifatsstaat" als Wiederbelebung des durch Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) 1924 in der Türkei abgeschafften "Kalifats". Es handelt sich nach dem Selbstverständnis seiner Anhänger nicht um einen Staat im Exil oder einen "Phantomstaat", sondern um ein real existierendes Staatsgebilde mit der Hauptstadt Istanbul. Allerdings gingen die Aktivitäten "vorübergehend" von der derzeit faktischen "Hauptstadt" Köln aus, da das Staatsgebiet nach den Vorstellungen der Mitglieder des "Kalifatsstaates" von der türkischen Regierung "besetzt" sei. Als Mittel zur "Wiederbelebung" des "Kalifatsstaates" wurde seit 1996 der "Dschihad" (hier im Sinn von "Heiligem Krieg") bzw. der "Befreiungskampf" durch die "Soldaten und Generalstabsmitglieder des Kalifatsstaates", erforderlichenfalls unter Einsatz des "Schwertes" und unter Inkaufnahme des Todes, propagiert. Der "Kalifatsstaat" richtete sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen das Demokratieund das Rechtsstaatsprinzip. Er verstieß gegen den Gedanken der Völ25 Wesentliche Grundlagen der Scharia sind der Koran, die überlieferten Verhaltensweisen Mohammeds (Sunna) und die übereinstimmenden Deutungen der islamischen Rechtsund Gottesgelehrten (Ulema). - 66 - kerverständigung (Agitation gegen die Türkei, Israel und andere Staaten). Seine politische Betätigung gefährdete die Innere Sicherheit. Namentlich seine auf Umsturz der türkischen Staatsordnung gerichtete Zielsetzung gefährdete schließlich sonstige erhebliche (außenpolitische) Belange der Bundesrepublik Deutschland. Diese zum Verbot führende verfassungsfeindliche Zielrichtung ließ sich auch den Publikationen der Vereinigung, vor allem der organisationseigenen Zeitung "Ümmet-i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) entnehmen. Äußerungen in dieser Zeitung zeigten z.B. die ablehnende Haltung zur Demokratie: "... Die schlimmste Krankheit unserer Zeit ist die Demokratie! Sie ist gefährlicher und tückischer als Krebs, Aids, als die Pest und vergleichbare Krankheiten. Die Demokratie ist die größte Krankheit. Es geht so weit, dass diese Krankheit die Menschheit vernichtet. ..." ("Ümmet-i Muhammed" Nr. 381 vom 31.05.01, Seite 8). Der als "Kalif von Köln" bekannte Führer des "Kalifatsstaates", Metin KAPLAN, verbüßt wegen eines Mordaufrufs eine vierjährige Haftstrafe. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte KAPLAN am 15. November 2000 wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass KAPLAN zum Mord an seinem Widersacher, dem "Gegenkalifen" Halil Ibrahim SOFU, aufgerufen hatte, der am 8. Mai 1997 von Unbekannten in Berlin erschossen worden war. Der Bundesgerichtshof hat in einem am 25. Oktober 2001 veröffentlichten Beschluß die Revision KAPLANs gegen das erstinstanzliche Urteil des OLG Düsseldorf verworfen. - 67 - KAPLAN soll aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werden, wenn die Türkei völkerrechtlich verbindlich erklärt, ihn nicht hinzurichten, da er dort wegen Hochverrats angeklagt ist, worauf die Todesstrafe steht. 3.3.3 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) ist nach wie vor die größte in Deutschland tätige islamistisch-extremistische Organisation. Neben bundesweit etwa 27.500 Mitgliedern, in Rheinland-Pfalz etwa 550, verfügt sie über eine um vieles größere Anhängerschaft. Zahlreiche Nebenorganisationen bzw. beeinflusste Organisationen verschleiern den Umfang des tatsächlichen Einflußbereichs der IGMG. Die IGMG ist bemüht, die Meinungsführerschaft unter den Muslimen in Deutschland zu erlangen und ihre mit religiösen Forderungen verbrämten politischen Interessen durchzusetzen. Vorrangige Ziele sind die Anerkennung als Religionsgemeinschaft und die Erlaubnis für die Erteilung islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Diese Ziele verfolgt sie nicht nur innerhalb der eigenen Organisationen, sondern auch durch Einflussnahme auf andere Institutionen, wie z.B. den von der IGMG dominierten Islamrat, dem allerdings auch andere Organisationen angehören, die nicht als extremistisch zu bezeichnen sind. Der bisherige Generalsekretär der IGMG, Dr. Mehmet Sabri ERBAKAN, Neffe des früheren türkischen Ministerpräsidenten und Vordenkers der traditionellen Islamisten in der Türkei Professor Necmettin ERBAKAN, wurde am 15. April 2001 zum neuen Vorsitzenden der Organisation gewählt. Seit seiner Wahl ist ERBAKAN bemüht, die IGMG-Mitglieder zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu motivieren. Für diesen zentralen Punkt seiner Vereinspolitik wirbt er bundesweit auf zahlreichen IGMG-Veranstaltungen. - 68 - Auch bei einer Veranstaltung am 4. Juni 2001 in Neu-Ulm mit über 1.000 Teilnehmern stand die Frage der deutschen Staatsbürgerschaft im Mittelpunkt der Erörterung. In fünf Jahren, so der IGMG-Funktionär Yavuz Celik KARAHAN, gebe es 11 Millionen Muslime in Deutschland und in weiteren fünf Jahren habe man bereits die Einwohnerzahl der ehemaligen DDR erreicht. Wenn man drei Millionen Erwachsene für die IGMG gewinnen könne, sei es kein Problem, eine Partei zu gründen und ins Parlament in Berlin einzuziehen. Voraussetzung hierfür sei aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Die hier geltenden Gesetze böten mehr Freiraum als die türkischen; das müsse man ausnutzen. Hierdurch wird deutlich, dass die von der IGMG gestartete Staatsangehörigkeitskampagne nicht auf Integration abzielt, sondern die möglichst effiziente Verfolgung ihrer Ziele bezweckt. Mit Hilfe eingebürgerter Muslime will die IGMG eine Wahlpartei gründen und damit islamistischextremistische Positionen, wie sie von ihrer türkischen Mutterpartei, der inzwischen verbotenen "Fazilet-Partisi" (FP, Tugend-Partei) vertreten wurden, im politischen Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft verankern. Äußerungen führender Funktionäre der IGMG belegen, dass es sich bei der IGMG um keine lediglich religiöse Organisation handelt, vielmehr werden von ihr vorrangig politische Ziele verfolgt. Darüber hinaus machen sie deutlich, dass die anti-laizistischen, d.h. die Trennung von Staat und Religion ablehnenden Vorstellungen des Necmettin ERBAKAN den gedanklichen Überbau auch der IGMG als Teil der von ihm initiierten islamistischen Bewegung darstellen. Das politische Leitbild der IGMG ist damit eine Staatsordnung, die bis in die rechtliche Ausgestaltung religiös bestimmt ist und nicht, wie es das Grundgesetz vorsieht, den Bürger und seine politische Entscheidung in den Mittelpunkt stellt. - 69 - 3.4 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Die in Deutschland seit August 1998 verbotenen türkischen linksextremistischen Organisationen DHKP-C und THKP/-C - Devrimci Sol streben nach wie vor die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staatsund Gesellschaftsgefüges und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus an. In Europa versucht die DHKP-C ein Anhängerpotential für diese Ziele zu gewinnen. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten im Berichtszeitraum stand die Kampagne gegen die "Isolationshaftanstalten für politische Gefangene in der Türkei". Aus Protest gegen die Einführung kleinerer Haftzellen hatten mehrere hundert Gefangene in türkischen Strafanstalten bereits im Oktober 2000 einen Hungerstreik mit anschließendem Todesfasten begonnen. Im Dezember 2000 hatten türkische Sicherheitskräfte versucht, die Hungerstreiks gewaltsam zu beenden. Bei der Erstürmung von etwa 20 Gefängnissen waren 28 Häftlinge und zwei Sicherheitsbeamte ums Leben gekommen. In Europa war der Hungerstreik von einer breiten Solidaritätskampagne türkischer Linksextremisten - insbesondere von der DHKP-C - begleitet worden. In einer Vielzahl überwiegend kleinerer Protestkundgebungen im gesamten Bundesgebiet richtete sich der Aktionismus insbesondere gegen Medieneinrichtungen, diplomatische Vertretungen, Büros deutscher Parteien oder Flughäfen. So versammelten sich am 28. April 2001 in Mainz auf dem Gelände des ZDF ca. 30 Personen, überwiegend türkischer Nationalität, und übergaben einem Mitarbeiter der Nachrichtenredaktion eine Resolution. Auf mitgeführten Transparenten wurde der Hungerstreik in der Türkei thematisiert. Die Aktion verlief friedlich. - 70 - Im Zusammenhang mit der Solidaritätskampagne für die hungerstreikenden politischen Häftlinge in der Türkei behauptet das von der DHKP-C gebildete "Komitee gegen Isolationshaft" (IKM), Deutschland und die Europäische Union (EU) seien mitverantwortlich für den Tod von 28 Gefangenen, die im Verlauf der Erstürmung türkischer Haftanstalten durch Sicherheitskräfte im Dezember 2000 ums Leben gekommen waren. Die EU habe den Bau neuer Gefängnisse mit "Isolationshaftzellen" in der Türkei zur Bedingung für die Aufnahme in die Union gemacht. Die Mitverantwortung insbesondere Deutschlands begründet das IKM mit der angeblichen deutschen Beteiligung an der Entwicklung und dem Bau dieser Strafvollzugsanstalten. Darüber hinaus fordert das IKM in Veröffentlichungen, die Türkei als Urlaubsland zu meiden und auf die Bundesregierung Druck auszuüben, jede wirtschaftliche, politische und militärische Zusammenarbeit mit der Türkei einzustellen. Ohne diese könne sich dort das "Mordund Folterregime" nicht länger an der Macht halten. Der militärische Arm der DHKP-C, die DHKC, warb in einer am 25. Juli 2001 im Internet verbreiteten Erklärung mit dem Titel "Gegen den Kapitalismus, für den Sozialismus" für den "antiimperialistischen Kampf". Der Weg zu Unabhängigkeit, Demokratie und Sozialismus sei nur über eine weltweite Revolution möglich. Alle Völker der Welt sollten sich gegen die G-8-Staaten, den "Internationalen Währungsfond" (IWF) und die Weltbank auflehnen. Allein der Sozialismus sei die Alternative zum Kapitalismus. Seit ihrem Verbot im Jahre 1998 führt die DHKP-C ihre Großveranstaltungen im benachbarten Ausland, bevorzugt in Belgien oder in den Niederlanden durch. So auch am 21. April 2001 in Hertogenbosch (Niederlande) anlässlich des 7. Jahrestages ihrer Gründung und zum Gedenken an die - 71 - "Gefallenen der Revolution". Zu der Veranstaltung waren etwa 5.000 Personen angereist. In einer Rede wurde die Führungsrolle der DHKP-C im Zusammenhang mit den Hungerstreikaktionen betont. Auch im Berichtszeitraum wurden viele Funktionäre der DHKP-C in Deutschland und dem benachbarten Ausland festgenommen und u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu meist hohen Haftstrafen verurteilt. 3.5 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die 1978 in der Türkei als marxistisch-leninistische Kaderpartei gegründete und seit 1993 in Deutschland zusammen mit einigen ihrer Teilund Nebenorganisationen wegen militanten Anschlagsserien und Demonstrationen mit einem Betätigungsverbot belegte PKK ist bundesweit mit ca. 12.000 Mitgliedern/Anhängern und einer unverändert hohen Mobilisierungsfähigkeit (bis zu 50.000 Menschen bei Demonstrationen/Kulturfestivals) nach wie vor die größte und aktivste extremistische Kurdenorganisation in Deutschland. Mit dem Ziel, einen unabhängigen Kurdenstaat zu errichten, führte die PKK - vornehmlich im Südosten der Türkei - lange Jahre einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär. Seit 1999 befindet sich die PKK in einem Wandlungsprozess, der - insbesondere durch den PKK-Parteikongress vom Januar 2000 - zu grundlegenden Änderungen innerhalb der Partei geführt hat. So erklärte die PKK ihren bewaffneten Kampf für beendet und zog einen Großteil ihrer Guerillaeinheiten aus der Türkei zurück. Gleichzeitig wurde dazu aufgerufen, sich fortan als legale politische Kraft zu organisieren und sich - nur noch - - 72 - für eine kulturelle Autonomie der Kurden im Einvernehmen mit der Türkei einzusetzen. Die Steuerung der PKK erfolgt nach wie vor durch ihren seit 1999 in der Türkei inhaftierten und dort wegen Hochverrats zum Tode verurteilten Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN. In seiner Festnahme und gewaltsamen Verbringung in die Türkei sieht die PKK das Ergebnis einer internationalen Verschwörung unter Beteiligung einer Reihe europäischer Staaten, darunter auch Deutschland. Sein Schicksal verbindet die PKK weiterhin eng mit dem des kurdischen Volkes. In diesem Zusammenhang misst sie dem von ÖCALAN gegen die Türkei geführten Prozess wegen Verstoßes gegen die europäische Menschenrechtskonvention, der am 28. September 2001 vor dem "Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte" (EGMR) in Straßburg begonnen hat, große Bedeutung bei. Auch im Jahre 2001 setzte die PKK ihren Friedenskurs fort; insbesondere hielt sie sich in Deutschland an ihren selbst verordneten Gewaltverzicht und bemühte sich weiterhin, auf europäischer Ebene als Repräsentantin des kurdischen Volkes und politische Kraft zur Lösung der Kurdenfrage anerkannt zu werden26. Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit im Jahr 2001 bildete eine im Mai im Rahmen ihrer so genannten 2. Friedensinitiative europaweit gestartete "Identitätskampagne". Hierbei wurden von PKK-Mitgliedern/Sympathisanten Selbstanzeigen unterschrieben und gesammelt an Behörden übergeben (eigenen Angaben nach über 40.000 in Deutschland). Diese Anzeigen mit der Überschrift "Auch ich bin PKKler" enthalten u.a. eine PKK-Zugehörigkeitserklärung sowie die Forderungen nach Aufhebung des PKKVerbots und Freiheit für Abdullah ÖCALAN. Mit der Aktion - die letztlich ohne Erfolg blieb - wollte die PKK insbesondere in Deutschland durch ein massenhaftes Bekenntnis ihrer Anhänger zur Organisation und eine da26 Ende Januar 2002 hat der PKK-Parteirat eine Neustrukturierung bzw. Wandlungsstrategie beschlossen: innerhalb der EU-Grenzen (einschließlich der Türkei) werde die PKK unter ihrem bisherigen Namen alle "politischen, organisationsbezogenen und praktischen Aktivitäten" einstellen. - 73 - durch ausgelöste Überlastung von Polizei und Justizbehörden das PKKBetätigungsverbot ad absurdum führen und über die erhoffte öffentliche Diskussion dessen Aufhebung erreichen. Die nach wie vor illegal betriebenen Strukturen der PKK in Deutschland umfassen insgesamt 7 Regionen und unterhalb dieser Ebene 32 Gebiete, die wiederum aus mehreren Teilgebieten bestehen. Die Leitung erfolgt durch konspirativ tätige Funktionäre mit der Aufgabe, Direktiven des Präsidialrats (PKK-Leitungsgremium) an die Basis weiterzuleiten und dort umzusetzen. Daneben kann sich die PKK in Deutschland auf mehrere Massenorganisationen sowie auf zahlreiche örtliche "PKK-Vereine" stützen. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten hat sich die PKK verschiedene Geldquellen geschaffen. Dazu gehören Mitgliedsbeiträge, der Verkauf von Publikationen, Einnahmen bei Veranstaltungen und vor allem die regelmäßig zum Jahresende durchgeführten bundesweiten Spendenkampagnen. Letztere dienten in früheren Jahren der Finanzierung des bewaffneten Kampfes. Heute soll das zuletzt erheblich zurückgegangene Spendenaufkommen für die Beseitigung der in Kurdistan durch den bewaffneten Kampf entstandenen Schäden sowie für die laufende Friedensinitiative und die Intensivierung der PKK-Öffentlichkeitsarbeit Verwendung finden. Wichtige Propagandainstrumente für die PKK sind die beiden kurdischen Fernsehsender "MEDYA-TV" und "METV", die beide vom Ausland her ü- ber Satellit senden. Darüber hinaus nutzt die PKK zu Propagandazwecken bevorzugt die türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika" (Freie Politik), in der regelmäßig Interviews mit PKK-Funktionären, Verlautbarungen der PKK-Führungsgremien und Hinweise zu PKK-Veranstaltungen veröffentlicht werden. - 74 - Die PKK hat im Berichtszeitraum erneut ihre hohe Mobilisierungsfähigkeit, die sie besonders zur Durchsetzung ihrer propagandistischen Ziele nutzt, mehrfach unter Beweis gestellt. So u.a. am 12. Mai 2001: Großkundgebung in Dortmund unter dem Motto "Frieden in Kurdistan, Dialog jetzt" mit rund 35.000 Kurden aus dem gesamten Bundesgebiet - davon etwa 400 aus Rheinland-Pfalz - und dem europäischen Ausland. U.a. wurde eine Grußbotschaft von ÖCALAN verlesen. 1. September 2001: "9. Internationales Kurdistankulturfestival" in Köln unter dem Motto "Laßt uns gemeinsam den Frieden säen!" mit annähernd 50.000 Teilnehmern aus Deutschland - davon ca. 450 Kurden aus Rheinland-Pfalz - und dem europäischen Ausland. Es wurden u.a. Grußbotschaften von ÖCALAN und dem PKK-Präsidialrat vorgelesen. 28. September 2001: Europaweite Solidaritätsaktionen zum Beginn des ÖCALAN-Prozesses vor dem EGMR in Straßburg. 24./25. November 2001: (Kultur-)Veranstaltungen in den zahlreichen örtlichen "PKK-Vereinen" anläßlich des 23. Jahrestages der PKK-Gründung (27.11.1978). - 75 - Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz ist von ca. 450 PKK-Angehörige/Sympathisanten auszugehen, die vorwiegend im Rhein-Neckar-Raum (Ludwigshafen am Rhein, Worms), im Rhein-Main-Gebiet (Mainz, Bingen, Bad Kreuznach) und im Großraum Bonn (u.a. Koblenz und Umgebung) aktiv sind. Die Aktivitäten gehen fast ausschließlich von den beiden "PKK-Vereinen" in Ludwigshafen am Rhein und Mainz aus. Die Termine des Ludwigshafener Vereins, in dem auch PKK-Funktionärstreffen stattfinden, wurden regelmäßig in der "Özgür Politika" veröffentlicht. Anlässlich des kurdischen Newroz-Festes führte das PKK-Spektrum Ludwigshafen/Mannheim am 21.03.2001 einen Aufzug mit Kundgebung in der Mannheimer Innenstadt mit ca. 500 Teilnehmern durch. In mehreren Redebeiträgen wurden die Situation von Abdullah ÖCALAN, die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei und die Isolationshaft der "politi-schen Gefangenen" thematisiert. Am 2. Juli 2001 demonstrierten in Mainz ca. 70 PKK-Anhänger zu den Themen "Anerkennung der nationalen und politischen Identität Kurdistans" und "Freiheit für Abdullah ÖCALAN". Im Anschluss an die Aktion versuchten einige kurdische Abordnungen erfolglos eine Petition und eine Liste mit gesammelten Unterschriften bei der Staatskanzlei und beim Landtag abzugeben. Anfang Juli 2001 veranstaltete die PKK Ludwigshafen/Mannheim unter dem Motto "Anerkennung der politischen und kulturellen Rechte der Kurden - Demokratie in der Türkei!" einen so genannten Friedensmarsch. Dieser sollte ursprünglich nach Straßburg zum EGMR führen, wurde jedoch vorzeitig in Karlsruhe beendet, wo ingesamt über 200 Friedensmarschierer beim Bundesverfassungsgericht mehrere Unterschriftenlisten abgaben. Im Rahmen der Solidaritätsbekundungen zu Beginn des ÖCALAN-Prozesses am 28. September 2001 versammelten sich am 5. Oktober 2001 - 76 - in Mainz etwa 40 der PKK zuzurechnende Personen. Sie zeigten Plakate mit der Aufschrift "Freiheit für ÖCALAN" und "Das Verfahren von ÖCALAN ist das Verfahren der Kurden"; darüber hinaus wurde ein Sitzstreik unter dem Motto "Unsere nationale Identität ist unsere Ehre" durchgeführt. - 77 - 4. "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die hierarchisch strukturierte und weltweit aktive SO wurde im Februar 1954 von dem amerikanischen Science-Fiction-Autor Ron HUBBARD (1911-1986) in den USA gegründet. Sein Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" beinhaltet die Grundlagen scientologischen Denkens. Seit 1970 besteht die "Scientology Kirche Deutschland e.V." mit Sitz in München. Sie hat derzeit ca. 5.000 bis 6.000 Mitglieder, davon schätzungsweise 200 bis 250 in Rheinland-Pfalz. Letztere sind mangels eigener SO-Strukturen in "Kirchen" (sogenannte Orgs) "CelebrityCentres" und "Missionen" benachbarter Bundesländer eingebunden. Gemäß einem Beschluss der Innenministerkonferenz wird die SO seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachtet, da Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen. Diese ergeben sich insbesondere aus den Schriften und Handlungsanweisungen des Organisationsgründers, welche nach wie vor für Scientologen verbindlich und unabänderlich sind. Ziel der mit Absolutheitsanspruch auftretenden SO ist die Errichtung einer scientologischen Gesellschaft, in der letztlich nur über ein "AuditingVerfahren" zu "Clears" gewordenen Personen Rechte zuerkannt werden. Nichtscientologen ("Abberierte") sind nahezu rechtlos. Gleichheit, demokratische Mitwirkungsrechte, freie Meinungsäußerung, das Recht auf Opposition und eine Gewaltenteilung sieht die totalitäre Programmatik der SO nicht vor. Abweichler, Kritiker und Aussteiger werden als "Suppressive" bekämpft. Zur Verbreitung scientologischen Gedankengutes gibt die SO Schriften wie u.a. die Zeitung "Freiheit", das Mitgliedermagazin "Impact", die "Source" und zahlreiche Broschüren und Werbematerialien heraus. Dar- - 78 - über hinaus nutzt die SO zur Selbstdarstellung intensiv das Internet und seit Mitte 2000 das englischsprachige Hörfunkprogramm "New Era Radio". Mit Organisationen wie "Narconon" (Rehabilitierung von Drogenabhängigen"), "Criminon" (Rehabilitation von Strafgefangenen) u.a. versucht die SO sich als humanitäre Organsiation darzustellen und scientologische Problemlösungsansätze anzubieten. Die Scientology-Teilorganisation "World Institut of Scientology Enterprises" (WISE) soll Hubbards Verwaltungstechnologie in der Wirtschaft verbreiten und die Einflußmöglichkeiten der SO auf die Gesellschaft erweitern. Hohe Mitgliedsbeiträge der in WISE organisierten Unternehmen sind zudem eine ergiebige Finanzierungsquelle für die SO. In Rheinland-Pfalz beschränkt sich das öffentliche Engagement der SO ü- berwiegend auf das Verbreiten von Infomaterialien mittels Einwurf in Hausbriefkästen, Straßenwerbeaktionen und den Versand an Einzelpersonen und Behörden. - 79 - 5. SPIONAGEABWEHR Auch im Berichtszeitraum 2001 waren in Rheinland-Pfalz im Wesentlichen die gleichen Geheimdienste fremder Staaten wie im Vorjahr aktiv. Die brutalen Anschläge in den USA haben auch die erhöhte Aufmerksamkeit der Spionageabwehr auf diese neue Form des internationalen Terrorismus gelenkt. Damit haben sich die Schwerpunkte der bisherigen Arbeit der Spionageabwehr in der Beobachtung der Proliferationsbestrebungen27 und der Oppositionellen-Ausspähung durch fremde Dienste aber nicht verändert. Vielmehr wurden sie um die Komponente der möglichen Beschaffung von Massenvernichtungswaffen mit nachrichtendienstlichen Methoden durch internationale und nicht länderspezifisch zuzuordnende terroristische Gruppierungen erweitert. Unberührt davon blieb die Beobachtung von Aktivitäten aus den Ländern Iran, Irak, Syrien, Nordkorea und China durch die rheinland-pfälzische Spionageabwehr. Wurde im Vorjahresbericht noch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sich im Bereich Industrie, Handel, Gewerbe, Bildung, Wissenschaft und Forschung Gefährdungsaspekte im Rahmen der vielfältigen internationalen wirtschaftlich-wissenschaftlichen Kooperationen ergeben könnten, ergaben sich insbesondere aus den Sensibilisierungsgesprächen des Verfassungsschutzes mit vorgenannten Einrichtungen und damit einhergehenden Ermittlungen auch entsprechende Bestätigungen für diese Annahme. Durch diese Erkenntnisse wurde wiederholt deutlich, dass staatlich gelenkte Spionage sich in ihren Aufklärungszielen heute mehr denn je nach außenund sicherheitspolitischen sowie ökonomischen Paradigmen rich27 Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendbaren Produkte einschließlich des dafür erforderlichen Know-how sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen. - 80 - tet. Diese Bestimmungsfaktoren unterliegen im Zeitalter der Globalisierung und der Herausbildung neuer supranationaler Sicherheitsarchitekturen verschiedenartigen Einflüssen, die in ihrer Tragweite, wie es gerade die Terroranschläge in den USA gezeigt haben, weit über die nationale Betroffenheit hinausgehen. Nicht nur Staaten verfolgen aufgrund ihrer Souveränität eigene wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen zur Sicherung ihrer Zukunftschancen sondern auch international agierende terroristische Gruppierungen handeln nach diesen Prinzipien um mit entsprechender Logistik ihre menschenverachtende Zielsetzung zu verwirklichen. Dabei spielen nach wie vor einige Krisenund Schwellenländer eine nicht unerhebliche Rolle, weil ihre Aktivitäten zumindest in der Bekämpfung der USA und Israels identisch sind. Unabhängig davon bedürfen die machtpolitischen Hegemonialbestrebungen einiger Krisenländer weiterhin der besonderen Aufmerksamkeit. So befindet sich die "islamische Welt" derzeit in einem offensichtlichen Prozess der Polarisierung, der von einigen Ländern wie auch terroristischen Gruppierungen als Vorwand genutzt wird, die Frontstellung gegenüber dem Westen mittels irregulärer kriegerischer Auseinandersetzungen weiter auszubauen um damit die antiamerikanische und antiisraelische Stimmung zu intensivieren. Hintergründe für diese Entwicklungen sind zum einen in der wirtschaftlichen Opferrolle islamischer Länder und zum anderen in einer damit propagierten Vermischung des politisierten Islam zu sehen. Die Unterdrückungsmethoden autoritärer Staaten gegenüber oppositionellen Reformwilligen sind Ausdruck unversöhnlicher Herrschaftsansprüche. Die drakonischen Haftstrafen Anfang 2001 gegen iranische Teilnehmer einer Konferenz in Berlin durch das Mullah-Regime sind hierfür Beleg und belasteten erneut die Beziehungen zwischen Berlin und Teheran. Der Verlauf des Prozesses machte deutlich, dass sich die iranischen Ankläger - 81 - auf angebliche Quellenangaben stützten, die dem iranischen Nachrichtendienst zugeordnet werden dürften. Auch andere Staaten des nahen und mittleren Ostens überwachen Regimegegner in Deutschland mit nachrichtendienstlichen Mitteln: Die rheinland-pfälzische Spionageabwehr verfügt über Hinweise, denen zufolge hier aufenthältliche syrische Studenten einer intensiven Kontrolle syrischer Einrichtungen unterliegen. Diese setzen ihre Überwachungsstrategie gegen in Deutschland lebende Landsleute ungeachtet der Tat28 sache fort, dass zwei ihrer Agenten in den letzten Jahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Nötigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Die permanente Missachtung bundesdeutscher Gesetze und eine damit einhergehende Gefährdung in Deutschland lebender syrischer Oppositioneller und Studenten wird weiterhin dokumentiert durch eine im Dezember 2001 in Mainz erfolgte Festnahme eines syrischen Studenten. Dieser soll versucht haben, Studenten aus Mainz, Bonn, Marburg und Hildesheim für den syrischen Geheimdienst zu werben. Ferner soll er in Deutschland lebende syrische Oppositionelle ausgespäht haben. Mehrere dieser Betroffenen seien auf Nahostreisen vom syrischen Geheimdienst angesprochen worden um sie für eine geheimdienstliche Mitarbeit für den syrischen Auslandsgeheimdienst zu verpflichten. Als aufstrebende Wirtschaftsmacht in Fernost unternimmt China große Anstrengungen im Bereich Rüstung wie auch der Wirtschaft westliche Standards zu erreichen bzw. den Bereich der Hochtechnologie durch Forschungsprojekte voranzutreiben. Wie bereits früher berichtet, waren entsprechende Aktivitäten chinesischer Stellen für den Verfassungsschutz 28 Der syrische Staatsbürger Al Hassoun wurde am 20-März 1997 durch das OLG Koblenz wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit schwerer Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren (ohne Bewährung), der syrische Staatsbürger Al Wattar am 01.Oktober 1999 durch das Hanseatische OLG wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. - 82 - Anlass, unter dem Gesichtspunkt des unkontollierten Wissenstransfers im Bereich der "High-Tech-Institute" sowie der entsprechenden Firmenlandschaft gezielt Prävention zu betreiben. Dabei wurde u. a. bekannt, dass man sich von chinesischer Seite nicht scheut, anlässlich Besuchsreisen chinesischer Delegationen bei deutschen Firmen in unbeaufsichtigten Momenten sich firmeninterne Unterlagen im Original oder in Kopie anzueignen. Trotz fortschreitender politischer wie auch wirtschaftlicher Annäherung und Konsolidierung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Staaten der ehemaligen Sowjetunion scheinen die dortigen Nachrichtendienste unverändert hohen Wert auf die Gewinnung von militärisch-wirtschaftlich nutzbaren Informationen, insbesondere auf dem Gebiet der Hochtechnologie zu legen. Deutlich wurde dies u. a. bei Reisen deutscher Wirtschaftsdelegationen in vorgenannte Länder. Neben dem zeitlich begrenzten Abhandenkommen von Notebooks wurden in Hotelzimmern zurückgelassene Aktenkoffer während der Abwesenheit der Delegationsteilnehmer gewaltsam geöffnet, die darin befindlichen Unterlagen offensichtlich gesichtet. Da die Unterlagen im Nachhinein allerdings vollständig vorhanden waren kann eine solche Aktion nur dazu gedient haben, Verhandlungsstrategien im Vorhinein zu erkunden um sich selbst in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. Die Proliferationsbestrebungen durch Krisenländer haben durch die aktuelle Entwicklung in der "islamischen Welt" steigende Herausforderungen für die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland erreicht. Als Bedarfsträger sind nach wie vor die Staaten Iran, Irak, Libyen, Syrien und Nord-Korea zu nennen, wobei die beiden Atommächte Indien und Pakistan bei dieser Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden dürfen. Vorliegenden Erkenntnissen zur Folge war der Iran auch 2001 bemüht, im proliferationsrelevanten Bereich der Nuklearund Trägertechnologie nicht - 83 - ausfuhrgenehmigungsfähige Güter zu beschaffen. Dazu bediente er sich verschiedener miteinander verbundener Firmen in Deutschland sowie deren Niederlassungen in anderen europäischen Staaten. Bei erfolglosen Beschaffungsbemühungen wurden eigens im europäischen Ausland eingerichtete iranische Firmen/Handelsagenturen damit betraut. Offensichtlich gibt es, wie in der Vergangenheit auch, immer noch bedeutende Kooperationen zwischen staatlich gelenkten Beschaffungsstrukturen des Iran und Nordkoreas. Dies zeigte sich u. a. daran, dass vorgenannte Beschaffungsversuche zum gleichen Güterspektrum von beiden Ländern in Deutschland bzw. anderen EU-Staaten nahezu parallel bzw. in kurzer zeitlicher Abfolge initiiert wurden. Der Irak ist weiterhin bestrebt unter Umgehung des "Oil for Food"-Programms der Vereinten Nationen und unter Verstoß gegen das bestehende UN-Embargo proliferationsrelevante Güter zu erwerben. Dabei werden Firmenkontakte zunächst mit entsprechend unproblematischen Produktanfragen hergestellt und im Zuge der weiteren Geschäftsanbahnung unvermittelt auf andere Waren erweitert, die jedoch außerhalb einer Genehmigungsfähigkeit für den Export in den Irak liegen. Hierbei werden der wahre Hintergrund des Kaufinteresses und der mögliche militärische Verwendungszweck verschleiert. In die Geschäftsanbahnungen sind nicht selten Angehörige der irakischen Vertretung eingebunden. Nach aktueller Einschätzung westlicher Geheimdienste hat es der Irak geschafft, trotz bestehender Embargos im Jahr 2001 Produktionsanlagen aufzubauen, in denen zumindest Vorprodukte zu C-Waffen hergestellt werden könnten. Nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienst (BND) werden die bestehenden deutschen und europäischen Ausfuhrkontrollen dadurch unterlaufen, dass immer mehr nicht zur EU gehörende Staaten so genannte Dual-Use-Güter in Krisenländer exportieren. Des weiteren findet zwischen Lieferund Empfängerstaaten ein zunehmender Wissensaustausch statt. - 84 - Für die Bundesrepublik Deutschland war die Förderung von Studenten, Stipendiaten und Doktoranden auf internationaler Ebene stets Grundsatz entwicklungspolitischen Interesses. Im Laufe der kritischen Entwicklungen von Massenvernichtungswaffen weltweit war dieser wissenschaftliche Bereich zunehmend in den Komplex der Ausfuhrkontrolle mit einzubeziehen. Ein vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle am 1.September 2001 veröffentlichtes Merkblatt zum Wissenstransfer29 unterstreicht die zunehmende Bedeutung diese Bereiches insbesondere vor dem Hintergrund, dass Usama BIN LADENs Terrorgruppe "Al Qaida" über ABCWaffenkomponenten verfügen soll. Für den Verfassungsschutz auffallend ist die Tatsache, dass Wissenschaftler aus Krisenländern gerade in ABC-Waffen relevanten Forschungsbereichen wie z.B. Chemie oder Mikrobiologie in Deutschland promovieren wollen. Da die einschlägigen staatlichen Forschungseinrichtungen der Zielländer den Abwehrdiensten hinreichend negativ bekannt sind, werden zur Erreichung der entsprechenden Aufenthaltsgenehmigungen nachrichtendienstliche Mittel angewandt. Vor diesem Hintergrund wurde die seit Jahren vom rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz angebotene "Sicherheitspartnerschaft" mit Wirtschaftsunternehmen und Wis-senschaftsinstitutionen in Rheinland-Pfalz auch im Berichtszeitraum weiter ausgebaut und vertieft. Das Sensibilisierungsprogramm mit dem Ziel, im Rahmen der Vorbeugung weiterhin Schaden abzuwenden bzw. Schadensbegrenzung zu betreiben, findet weiterhin, gerade unter den Eindrücken des Terroranschlags vom 11. September 2001 zunehmend Akzeptanz. 29 Merkblatt über Unterrichtungsund Genehmigungspflichten bei technischer Unterstützung. Wissenstransfer bei der Zusammenarbeit mit Personen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. - 85 - Zu den Themenkomplexen Spionage, Wirtschaftsspionage, Proliferation und Wissenstransfer bietet der Verfassungsschutz Informationen an, die 30 auch im Internet unter www.verfassungsschutz.rlp.de abgerufen werden können. Die Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes bietet darüber hinaus Interessenten auch künftig Sensibilisierungsund Sicherheitsgespräche an. Als Kontakttelefonnummer dient der Anschluss Mainz 06131/16-3772 oder 16-3773 oder Fax 06131/16-3688. 30 In diesen Broschüren werden auch ausländische Nachrichtendienste vorgestellt. Deshalb fand eine Aufzählung im Tätigkeitsbericht 2001 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes nicht statt. - 86 - 6. GEHEIMSCHUTZ / SABOTAGESCHUTZ Die Ausführungen zur Spionageabwehr machen deutlich, dass die Ausspähungsbemühungen fremder Nachrichtendienste gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland unvermindert fortbestehen. Es ist deshalb wichtig, nicht nur nachrichtendienstliche Angriffe zu erkennen und abzuwehren, sondern ihnen auch von vornherein durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Ein wesentlicher Teil der Spionagebekämpfung besteht daher in der Absicherung gefährdeter Bereiche durch den personellen und materiellen Geheimschutz. Geheimschutz ist somit auch vorbeugende Spionageabwehr. Jeder Staat verfügt - unabhängig von aktuellen Gefahrensituationen - über sensible Informationen, die besonderer Geheimhaltung bedürfen und entsprechend geschützt werden müssen. Auf personeller Ebene geschieht dies in der Regel durch Sicherheitsüberprüfungen. Diese sind auch heute noch zeitgemäß, denn die Ausspähung durch menschliche Quellen hat für fremde Nachrichtendienste eine unverändert große Bedeutung. Staatsgeheimnisse oder Verschlusssachen der Bundesrepublik oder von zwischenstaatlichen Organisationen (NATO, WEU etc.) dürfen nur zuverlässigen und vertrauenswürdigen Personen zugänglich gemacht werden. Sicherheitsüberprüfungen der damit befassten Personen im öffentlichen und privaten Sektor sind daher notwendig. Rechtsgrundlage für die Sicherheitsüberprüfungen von Geheimschutzträgern ist das am 15. März 2000 in Kraft getretene Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG). Dieses regelt erstmals in Rheinland-Pfalz auch das Sicherheitsüberprüfungsverfahren bei nicht öffentlichen Stellen. Auch rheinland-pfälzische Landesbehörden können damit nun Aufträge, die Verschlusssachen zum Inhalt haben, zum Beispiel Forschungsaufträge im - 87 - hochsensiblen Wissenschaftsoder Verteidigungsbereich, an Wirtschaftsunternehmen vergeben. Zuständig für die Überprüfung ist dann das Ministerium, aus dessen Zuständigkeitsbereich heraus der Auftrag vergeben wird. Das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung unterscheidet sich nur unwesentlich von dem für Bedienstete öffentlicher Stellen. Es gelten allerdings Sonderregelungen für die nicht öffentliche Stelle, bei der die betroffene Person beschäftigt ist, insbesondere hinsichtlich des geringeren Umfangs der Datenverarbeitung. Grundlage für das Geheimschutzverfahren in der Wirtschaft ist die rechtsverbindliche Anerkennung der in dem "Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft (Geheimschutzhandbuch)" festgelegten Regeln. Dies umfasst neben den geschilderten Erfordernissen des personellen Geheimschutzes sämtliche Maßnahmen zur Schaffung, Aufrechterhaltung und Abwicklung geheimhaltungsbedüftiger Angelegenheiten (Verschlusssachen). Rückblickend ist festzustellen, dass das moderne rheinland-pfälzische Sicherheitsüberprüfungsgesetz sowohl erforderlich war als auch zu mehr Rechtssicherheit für die beteiligten Personen und Behörden geführt hat. Die durch die Terroranschläge des 11. September ausgelösten staatlichen Sicherheitsmaßnahmen führten gerade im Bereich des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes zur einer erheblichen Steigerung der Anzahl an Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät der Verfassungsschutz Behörden beim Ergreifen technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der im öffentlichen Interesse geheim- - 88 - schutzbedürftigen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse gegen Kenntnisnahme durch Unbefugte. Eine einheitliche Behandlung von Verschlusssachen bei den in Betracht kommenden öffentlichen Stellen und Kommunen des Landes wird nur erreicht, wenn in allen Bereichen nach gleichen Regelungen verfahren wird. Auf dieser Grundlage und als Folge des LSÜG wurden umfangreiche redaktionelle Änderungen an der Verwaltungsvorschrift "Anweisung zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSAnweisung/VSA) Rheinland-Pfalz" durchgeführt. Weiterhin wurden ergänzende Richtlinien zur VSA - VS-Sicherungsrichtlinie (VSSR) - VS-Kontrollrichtlinie (VSKR) dem Stand der technischen Entwicklung angepasst. Deshalb wurde erstmals auch eine Richtlinie zum Geheimschutz von Verschlusssachen beim Einsatz von Informationstechnik erstellt (VS-ITR). Die VSA und die sie ergänzenden Richtlinien stehen im übrigen materiell im Einklang mit den entsprechenden Vorschriften des Bundes und den Geheimschutzbestimmungen der Länder. Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststellen, die auch im Berichtszeitraum durch VS-Beratungen, Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren informiert wurden. Rheinland-pfälzische Betriebe und Unternehmen (ca. 50), die bislang ausschließlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in die Geheimschutzbetreuung übernommen worden sind, um geheimhal- - 89 - tungsbedürftige Aufträge des Bundes zu erfüllen, werden vom Verfassungsschutz des Landes in Geheimschutzangelegenheiten beraten. Diesbezüglich werden deshalb vor allem geheimschutzbetreute Wirtschaftsunternehmen, insbesondere solche der zukunftsträchtigen Hochtechnologie, im Interesse eines umfassenden und wirksamen Wirtschaftsschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert und sensibilisiert. - 90 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in RheinlandPfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim31 als 1. Vorsitzende. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNGAktivisten. Beide sind wegen neonazistischer Aktivitäten einschlägig vorbestraft. Die HNG - mit bundesweit rund 600 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" sieht die HNG weniger in der materiellen als vielmehr in der psychischen Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen mit dem Ziel, diese in der rechtsextremistischen Szene zu halten. Auch im Jahre 2001 entwickelte die HNG keine nennenswerten Aktivitäten mit Außenwirkung und spielt trotz ihres hohen Mitgliederbestandes derzeit keine zentrale Rolle in der Neonaziszene. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.2 "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte auch 2001 überwiegend nichtöffentliche Treffen, so genannte Appelle, durch. "Landesführer" ist nach wie vor Hans-Jürgen H. aus Pleisweiler-Oberhofen (Kreis Südliche Weinstraße). Der "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." unterhält enge Verbindungen zu dem "Stahlhelm - Landesverband Flandern" (Belgien). Es finden gegenseitige Besuche der belgischen und deutschen "Stahlhelm-Mitglieder" im "Stahlhelm-Heim" in Altenglan-Mühlbach (Kreis Kusel) statt. Der "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." steht in keinem 31 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonn-wendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. - 91 - personellen und organisatorischen Zusammenhang mit der bereits am 18. März 1966 durch das rheinland-pfälzische Innenministerium verbotenen "Ortsgruppe Bad Bergzabern des Stahlhelm e.V. - Bund der Frontsoldaten". 1.3 "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." Die 1951 gegründete germanisch-heidnische "Artgemeinschaft" wird seit 1988 von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen R. geleitet. Sie will als Glaubensbund "der Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Kultur der nordeuropäischen Menschenart" dienen und an die Wertvorstellungen der heidnischen Vorfahren anknüpfen. Treffen der "Gefährtschaft Pfalz" finden u.a. im "Stahlhelm-Heim" in Altenglan-Mühlbach (Kreis Kusel) statt. Im Jahr 2001 entwickelte die "Gefährtschaft Pfalz" nur wenige Aktivitäten. Publikationsorgan: "Nordische Zeitung" (NZ) 1.4 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in den Konzentrationslagern (so genannte Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen, sich zumeist nach außen seriös zu geben. 1.5 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD führte zusammen mit ihren Landesverbänden im Jahr 2001 eine bislang nicht gekannte Vielzahl von Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen durch. Wirtschaftsund sozialpolitische Themen sowie aktuelle Tagesereignisse stellte sie dabei in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Dennoch lag das Hauptaugenmerk der Partei auf der Vorbereitung für das vor dem Bundesverfassungsgericht anstehende Verbotsverfahren. Der Mitgliederbestand lag Ende des Jahres wie auch im Jahr 2000 bei bundesweit ca. 6.500 Parteiangehörigen. Auch die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) konnte ihre Mitgliederzahl mit ca. 500 auf dem Stand des Vorjahres halten. In Rheinland-Pfalz hat sich die Mitgliederzahl gegenüber dem Jahr 2000 nicht wesentlich verändert und liegt mit abnehmender Tendenz weiterhin bei ca. 250. Der JN-Landesverband konnte einen leichten Mitgliederzuwachs verzeichnen und verfügte Ende 2001 über etwas mehr als 30 Angehörige (2000: ca. 30). - 92 - Publikationsorgan "Deutsche Stimme" Auflage monatlich ca. 10.000 Exemplare Publikationsorgan "Südwest-Echo" der NPD in Rheinland-Pfalz Auflage unregelmäßig im Jahr 2001 nicht erschienen 1.6 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY im Jahre 1987 gegründete Partei DVU ist die größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland. Auch der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz stellt mit ca. 750 Mitgliedern nach wie vor die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung im Lande dar. Publikationsorgan: - "National-Zeitung" (NZ) Auflage wöchentlich: ca. 45.000 Exemplare 1.7 Partei "Die Republikaner" (REP) Den REP gelang es auch im Jahr 2001 nicht, die negative Mitgliederentwicklung zu stoppen. Zum Jahresende lag die Mitgliederzahl bei ca. 11.500 (2000: ca. 13.000). Der Landesverband Rheinland-Pfalz konnte entgegen dem Bundestrend seine Mitgliederzahl auf ca. 650 erhöhen (2000: ca. 600). Die Partei verpasste bei der Landtagswahl am 25. März 2001 in BadenWürttemberg den Wiedereinzug in das Landesparlament. Bei den Wahlen in Hessen, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Berlin mussten die REP ebenfalls Stimmenverluste hinnehmen. Publikationsorgan: "DER REPUBLIKANER" Auflage monatlich: ca. 20.000 Exemplare 1.8 "Partei des Volkes in Rheinland-Pfalz" (PdV) Die "Partei des Volkes in Rheinland-Pfalz" ist nach eigenem Bekunden eine politische Sammlungsbewegung aller Einwohner des Landes Rheinland-Pfalz zum Zwecke der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Grundinteressen. Sie versteht sich als eine Volkspartei, in der Bürger aller sozialer Schichten und gesellschaftlicher Gruppen zusammenarbeiten. Der Sitz der PdV ist in Frankenthal. Mitglied der PdV kann jeder werden, der die Grundsätze dieser Partei anerkennt, bereit ist, ihre Ziele zu fördern und das 14. Lebensjahr vollendet hat. Im Internet ruft die PdV zu - 93 - Veranstaltungen auf. Die Partei trat im Berichtszeitraum nicht öffentlich in Erscheinung. Erkenntnisse über Mitgliederzahlen liegen nicht vor. Publikationsorgan: - "Der Beobachter" 1.9 "Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH e.V.) Die DLVH wurde 1991 als Partei gegründet. Sie hat nach Aufgabe ihres Parteienstatus im Oktober 1996 und Umwandlung in einen Verein weiter an Bedeutung verloren. Ihr Ziel, die Parteienzersplitterung im rechtsextremistischen Lager zu überwinden bzw. "Gleichgesinnte über Parteiund Vereinsgrenzen hinweg zusammenzubringen" konnte nicht erreicht werden. Eine gewisse Bedeutung hatte die DLVH zwar mit ihren Bündnisbemühungen und die damit verbundene Initiierung von "Runden Tischen" erlangt; das Konzept für eine Vereinigung der rechtsextremistischen Parteien scheiterte jedoch auch 2001 wieder. Sprachrohr: - "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" Herausgeber Peter DEHOUST Auflage monatlich; gelegentlich zweimonatlich: ca. 14.500 Exemplare Sprachrohr: - "Signal" Herausgeber Manfred ROUHS Auflage vierteljährlich: ca. 5.000 Exemplare 1.10 "Neue Rechte" Bei der "Neuen Rechten" handelt es sich um eine geistige Strömung innerhalb des rechtsextremistischen Ideologiespektrums, bei der es sich weder um eine einheitliche Bewegung noch um eine Organisation handelt. Der Begriff steht für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger. Die Ende der 60er Jahre in Frankreich um den Publizisten Alain de Benoist entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" hatte für viele Vorbildfunktion. Die Vertreter der "Neuen Rechten" lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen. Sie verschleiern ihre demokratiefeindlichen sowie rassistisch geprägten Thesen in so subtiler Weise, dass sie für den neutralen Betrachter häufig nur schwer als solche erkennbar sind. Sie setzen darauf, in den Diskurs der Demokraten einzudringen und ihn letztlich dominieren zu können. - 94 - Folgende Publikationen werden der "Neuen Rechten" u.a. zugeordnet: - "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" - "Signal - Das patriotische Magazin" - "Sleipnir" - "Staatsbriefe" - 95 - 2. LINKSEXTREMISMUS 2.3 Gewalttätiger Linksextremismus 2.3.1 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. Der größte Teil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten ging auf das Konto von Autonomen. Aktionsschwerpunkt ist der Themenbereich "Antifaschismus". Das autonome Potenzial beläuft sich bundesweit auf mehr als 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 130. 2.3.2 Sonstige (militante) Linksextremisten 2.3.2.1 Initiative "Libertad!" Gruppierung innerhalb eines gewaltbereiten, antiimperialistisch ausgerichteten Verbundes von Linksextremisten, die zum Teil aus ehemaligen RAF-nahen Strukturen stammen. Sie sieht in der Frage der "politischen Gefangenen" weltweit die Basis zum Aufbau eines internationalen Netzwerkes revolutionärer Kräfte. 2.3.2.2 "Informationsstelle Kurdistan e.V." (ISKU) Bundesweite "Kontaktund Vernetzungsstelle" von Gruppierungen und Initiativen der deutschen "Kurdistan-Solidarität", in denen Angehörige des militanten linksextremistischen Lagers mitarbeiten. Einzelne Personen standen im Verdacht, in Anlehnung an die PKK auf die Entwicklung neuer revolutionärer (terroristischer) Strukturen hinzuwirken. 2.3.3 Terroristische Gruppierungen 2.3.3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe mit dem Ziel der Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere der Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland; sie erklärte 1998 ihre Auflösung; seitdem sind keine Erkenntnisse mehr angefallen. 2.3.3.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Linksextremistisch-terroristische Gruppierungen, die nach dem Zellenprinzip strukturiert aus einer "legalen" Existenz operierten. Von 1973 bis 1995 verübten RZ/"Rote Zora" im Rahmen ihres "bewaffneten antiimpe- - 96 - rialistischen" und "sozialrevolutionären" Kampfes Anschläge und Gewalttaten; 1999 und 2000 kam es zu Festnahmen und Verurteilungen mehrerer Gruppenangehöriger. 2.4. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.4.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 4.500 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 100; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), Wochenzeitung Auflage ca. 8.000 Exemplare "Marxistische Blätter" 2-monatlich erscheinendes Theorie-Organ Auflage ca. 3.000 Exemplare 2.4.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Nachfolgepartei der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) der früheren DDR. Das politisch-ideologische Selbstverständnis ist weiterhin von marxistischer Tradition geprägt. Die PDS duldet in der Partei offen extremistische Strukturen (u.a. "Kommunistische Plattform") und arbeitet mit deutschen und ausländischen linksextremistischen Parteien zusammen. Bundesweit ca. 84.000 Mitglieder (Rheinland-Pfalz ca. 230). Als Sprachrohr der PDS fungiert die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Neues Deutschland". 2.4.3 Sonstige 2.4.3.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die im Juni 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.000 Mitglieder. Sitz des Zentralkomitees ist in Gelsenkirchen. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung: Auflage ca. 7.500 Exemplare. 2.4.3.2 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 nach eigenen Angaben aufgelöst, agiert a- ber weiterhin konspirativ. Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus unter - 97 - dessen Namen Diskussionsveranstaltungen durchgeführt werden. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in Rheinland-Pfalz vertrieben. Publikationsorgan: "GegenStandpunkt", 4mal jährlich: Auflage ca. 7.000 Exemplare 2.4.3.3 "Rote Hilfe" (RH) Aufstrebende Rechtsund Hafthilfeorganisation, 1975 gegründet, von Linksextremisten getragen, mit zahlreichen Kontaktadressen und Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet. Die Organisation, die bundesweit etwa 4.000 Personen und in Rheinland-Pfalz etwa 50 Mitglieder umfasst, engagiert sich gegen den "staatlichen Repressionsapparat" und unterstützt sowohl deutsche wie auch ausländische gewaltorientierte Linksextremisten. - 98 - 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS32 3.1 Türken 3.1.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) Die im August 1998 verbotene "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) entstand im März 1994 als Ersatzorganisation der bereits seit 1983 verbotenen "Devrimci Sol". Die marxistisch-leninistisch orientierte DHKP-C zielt auf die Zerschlagung des türkischen Staates ab und verfolgt als Endziel eine klassenlose Gesellschaft. Innerhalb der DHKP-C stellt die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP) den politischen, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) den militärischen Arm dar. Gegen die DHKP-C hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ein Organisationsverbot verhängt, da die Tätigkeit der Organisation gegen deutsche Strafgesetze verstößt und die Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung Deutschlands gefährdet. 3.1.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Die "Türkische Volksbefreiungspartei/-Front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) entstand ebenfalls im März 1994 als Ersatzorganisation der verbotenen "Devrimci Sol". Ideologisch unterscheidet sie sich kaum von der DHKP-C. Gegen die THKP/-C - Devrimci Sol hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ein Betätigungsverbot verhängt. 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die TKP/ML wurde 1972 in der Türkei gegründet. Sie vertritt die Lehre des Marxismus-Leninismus, ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll eine "demokratische Volksherrschaft" mit einer an der marxistischleninistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung errichtet werden. Zu diesem Zweck führt ihr militärischer Arm die "Türkische ArbeiterBauernbefreiungsarmee" (TIKKO) einen bewaffneten Kampf in der Türkei. Die TKP/ML ist gekennzeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 1994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". 32 Die unter Nr. 3.1 bis 3.5 genannten Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen gesondert aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz jeweils nur über einzelne Mitglieder/Anhänger. - 99 - Am 12. Mai 2001 führte der "Partizan"-Flügel der TKP/ML in Ludwigshafen am Rhein die jährliche Gedenkveranstaltung zu Ehren des Gründers der TKP/ML Ibrahim KAYPAKKAYA durch, an der etwa 3.000 Personen teilnahmen. 3.1.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) ist im September 1994 durch den Zusammenschluss zweier türkischer linksextremistischer Organisationen entstanden. Sie bekennt sich zur Ideologie des Marxismus-Leninismus und zielt auf den revolutionären Umsturz in der Türkei und die Errichtung einer kommunistischen Volksherrschaft ab. Die MLKP ist in der Türkei auch terroristisch aktiv. 3.1.5 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) ist aus der 1985 gegründeten "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervorgegangen. 1995 wurde die AMGT in zwei unabhängige juristische Personen aufgeteilt: Die IGMG übernahm die sozialen, kulturellen und religiösen Aufgaben der AMGT, während die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V" (EMUG) für die Verwaltung und den Ausbau des beträchtlichen Immobilienbesitzes zuständig ist. Zu den Zielen der IGMG gehören die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung eines auf Koran und Sharia basierenden Gesellschaftssystems. Diese Ziele strebt die IGMG nicht mit gewaltsamen Mitteln an, sondern über eine politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder in den Gastländern. 3.1.6 "Der Kalifatsstaat", auch "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V., Köln" (ICCB) Die Organisation entstand 1985 und wurde unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V., Köln" (ICCB) vereinsrechtlich angemeldet. Der ICCB wird seit 1995 durch den selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime", Metin KAPLAN, geführt. In den letzten Jahren tritt der Verband nur noch unter der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" an die Öffentlichkeit. Ziel der Organisation ist der gewaltsame Umsturz des türkischen Staatsgefüges, das durch ein islamistisches System ersetzt werden soll. Koran und Sharia sollen die alleinige Grundlage für Recht und Gesetz bilden. Für den "Kalifatsstaat" sind Islam und Demokratie unvereinbar. Der "Kalifatsstaat" wurde am 8. Dezember 2001 durch den Bundesminister des Innern verboten. - 100 - 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebte für die kurdische Bevölkerung in der Türkei einen autonomen Status an und führte in diesem Sinne dort bis 1999 einen Guerillakrieg. Auf ihrem 7. Parteikongress im Januar 2000 vollzog die PKK einen Wandel von einer militanten zu einer politischen Organisation mit Friedensbzw. Demokratisierungsabsichten. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach kultureller Autonomie zur Bewahrung der kurdischen Identität. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Kurdische demokratische Volksunion" (YDK) oder die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM). Gegen die PKK einschließlich ihrer Teilorganisationen wurde am 26. November 1993 durch den Bundesminister des Innern ein Betätigungsverbot erlassen. In Deutschland hat die PKK etwa 12.000 Mitglieder/Anhänger; in Rheinland-Pfalz sind es derzeit ca. 450. 3.3 Araber 3.3.1 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die schiitisch-extremistische "Hizb Allah" wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Erklärte Ziele der "Hizb Allah" sind der Kampf gegen Israel und israelisch/jüdische Einrichtungen weltweit. Die Umwandlung des Libanon in einen Staat nach dem Vorbild des Iran wird derzeit nicht mehr als zentrales Ziel propagiert. Die öffentlichen Aktivitäten der "Hizb Allah"-Anhänger in Deutschland beschränken sich auf die Teilnahme an Kundgebungen. Weiterhin konzentrieren sie sich auf Aktivitäten im Rahmen religiöser Feste und auf Spendensammlungen, deren Erlöse zum Teil in den Libanon fließen. 3.3.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS ist weiterhin in Israel und den von Israel besetzten Gebieten terroristisch aktiv. In Deutschland werden die Ziele der HAMAS durch den 1981 in München gegründeten "Islamischen Bund Palästina" (IBP) unterstützt. 3.4 Algerier 3.4.1 "Islamische Heilsfront" (FIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im März 1989 in Algerien gegründet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in - 101 - Algerien. Außerhalb Algeriens wird die FIS durch ihre "Exekutivinstanz der FIS im Ausland" vertreten. Die "Exekutivinstanz" in Deutschland versucht, die im Exil lebenden FIS-Mitglieder zusammenzuführen. 3.4.2 "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA); "Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf" (GSPC) Sowohl die 1992 in Algerien gegründete GIA als auch die dort 1997 gegründete GSPC versuchen, die algerische Regierung mit terroristischen Mitteln zu stürzen, um den Weg zu einem islamischen Staat zu bereiten. Im Gegensatz zur FIS lehnen GIA und GSPC jeglichen Kompromiss mit der Regierung ab. 3.5 Iraner 3.5.1 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Der 1981 in Paris gegründete NWRI ist ein Zusammenschluss von mehreren iranischen Oppositionsgruppen. Er ist der politische Arm der "Volksmodjahedin Iran" (MEK). Der NWRI betrachtet sich als "Iranisches Exilparlament" und fordert unverändert den gewaltsamen Sturz des iranischen Regimes. In der Bundesrepublik Deutschland befassen sich die Anhänger hauptsächlich mit Agitation gegen das herrschende Regime im Iran sowie der Beschaffung von Finanzmitteln. Die Geldbeschaffungsmaßnahmen werden auch unter dem Vorwand der Flüchtlingshilfe systematisch durchgeführt. - 102 - 4. "Scientology-Organisation" (SO) Begründer der SO ist der 1986 verstorbene amerikanische ScienceFiction-Autor L. Ron HUBBARD. In seinem 1950 veröffentlichten Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" beschrieb er die Methode, wie alle menschlichen und gesellschaftlichen Probleme gelöst werden können. Im Mittelpunkt der SO-Lehre steht der "geklärte" Mensch (clear), der sich bei Anwendung der hubbardschen Technologie im Idealfall zu einem "Operierenden Thetan" entwickeln kann, welcher nicht mehr an Materie, Raum und Zeit gebunden ist. Um diesen Zustand zu erreichen, sind in den diversen SO-Einrichtungen (so genannte Orgs oder Kirchen) äußerst zeitund kostenintensive AuditingProgramme zu absolvieren. Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 199533 handelt es sich bei der SO in Deutschland nicht - wie die SO sich selbst sieht - um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. Während "Kirchen" (so genannte Orgs), "Celebrity Centres" und "Missionen" als SO-Objekte nach außen erkennbar sind, ist dies u.a. bei der "Vereinigung zur Wiedereingliederung von Straftätern" (CRIMINON), der "Anti-Drogen-Einrichtung" (NARCONON) und der "Kommission für Verstöße der Psychatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) nicht der Fall. Sie vermitteln in der Öffentlichkeit einen vordergründig seriösen Eindruck. 33 Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 143 ff - 103 - D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) Vom 06. Juli 1998 INHALTSÜBERSICHT Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen - 104 - Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten - 105 - Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Ministerium des Innern und für Sport als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und im Informationsaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), geändert durch SS 38 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; - 106 - 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. - 107 - SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5. (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schützwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. - 108 - SS9 Allgemeine Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. SS 10 Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das heimliche Mithören oder Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296), geändert durch SS 24 des Gesetzes vom 06.07.1998 (GVBl. S. 184), BS 12-1, gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung oder Verfolgung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108), genannten Straftaten verwendet werden. (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können, 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge und der hieraus gewonnenen Informationen zwingend erforderlich ist. - 109 - Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Betroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerläßlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten und - mit Ausnahme von Bildaufaufnahmen und -aufzeichnungen - der Verfolgung der in SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung genannten Straftaten übermittelt werden. (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Abs. 5 Satz 3 und 4 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung solange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist oder - 110 - 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder andere Datenträger belegbar sein. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie selbst Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenbezogenen Daten entsprechenden Akten oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhin erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. - 111 - (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespei-cherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Informationen und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung personenbezogener Informationen oder Informationsbestände von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sonstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekanntgeworden sind, ist nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. - 112 - SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentliche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218-), zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 2. die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100a der Strafprozessordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und sonstigen Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte sind die in den SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und diese die personenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder dem Schutz von Sachen von bedeutendem Wert dienen und dies mit den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde nach den SSSS 5 und 6 vereinbar ist. In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich personenbezogener Daten aus vorhandenen Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. - 113 - (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Nachrichtendienste angrenzender Staaten, an andere ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unterwanderung von Wirtschaftsunternehmen durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Bestrebungen oder 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen einer Person erforderlich. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers oder der Leiterin oder des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. SS 15 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, wenn 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. - 114 - (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 17 Minderjährigenschutz (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 18 Auskunft an Betroffene (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über personenbezogene Daten in nichtautomatisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der ü- berwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport oder hierzu besonders Beauftragte. - 115 - (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden können. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt hat. SS 19 Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildeten Kommission bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. - 116 - (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes Anwendung, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. SS 23 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Das Landesgesetz zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296, BS 12-1) wird wie folgt geändert: 1. In SS 3 Abs. 2 Satz 2 wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt und der folgende Halbsatz gestrichen. 2. Nach SS 4 wird folgender neue SS 5 eingefügt: "SS 5 Die Verarbeitung von Daten, die nach diesem Gesetz der Kontrolle durch die Kommission unterliegen, fällt nicht in die Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz, es sei denn, die Kommission ersucht diesen, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten." 3. Der bisherige SS 5 wird SS 6. 4. In der Überschrift und den SSSS 1, 2 und 3 Abs. 2 Satz 1 werden die Worte "des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" jeweils durch die Worte "des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz" ersetzt. - 117 - SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. das Landesverfassungsschutzgesetz vom 26. März 1986 (GVBl. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVBl. S. 80, 98), BS 12-2, 2. die Landesverordnung über die regelmäßigen Überprüfungsabstände der Dateien des Verfassungsschutzes vom 23. Mai 1989 (GVBl. S. 163, BS 12-2-1). - 118 - Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbe-mittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. 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