Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Tätigkeitsbericht 1999 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz begeht im Jahre 2000 sein fünfzigjähriges Jubiläum. Dies gibt Anlass, mit dem Tätigkeitsbericht 1999 auch kurz auf fünf Jahrzehnte im Dienste der Inneren Sicherheit unseres Landes zurückzublicken. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz nahm 1950 mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seine Arbeit auf. Obgleich seine Aufbauphase mitten in die Zeit des "Kalten Krieges" fiel, war er doch von Beginn an nicht einseitig antikommunistisch ausgerichtet, sondern gegen jedwede extremistischen Bestrebungen, egal ob von rechts oder links. Bis in die achtziger Jahre hinein bildeten allerdings die Beobachtung von linksextremistischen Bestrebungen und die Abwehr von Spionage aus dem früheren Ostblock neben der dauerhaften Bekämpfung des Rechtsextremismus besondere Arbeitsschwerpunkte. Dem linksextremistischen Potential konnten zeitweise immerhin mehr als dreimal soviele Anhänger zugerechnet werden wie dem politischen Gegenüber von rechts. Gerade die siebziger und achtziger Jahre waren zudem von einer bedrohlichen Entwicklung in der linksterroristischen Szene gekennzeichnet. In Rheinland-Pfalz erreichte der Verfassungsschutz in dieser Zeit mit 165 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen personellen Höchststand. -2Die "Wende" 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 bedeuteten auch Zäsuren für den Verfassungsschutz allgemein. Auf den Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks und den Niedergang der Ideologie des Marxismus-Leninismus reagierte er mit sachgerechtem Personalabbau und strukturellen Veränderungen. Schwerpunkte mussten angesichts vieler Entwicklungen neu definiert werden. Das traf in erster Linie auch für das bis heute anhaltende Problem eines erstarkten Rechtsextremismus zu. Aber auch andere Gefährdungen und neue Herausforderungen prägen heute die Arbeit des Verfassungsschutzes. Hierzu zählen die vielfältigen Formen des Ausländerextremismus, die zunehmende Nutzung neuer Medien wie das Internet durch Extremisten, die wachsende Bedrohung durch Wirtschaftsspionage fremder Nachrichtendienste oder gar neue extremistische Erscheinungsformen wie die "Scientology-Organisation", die nicht so recht in die gängigen Erklärungsmuster passen. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz im Jahr 2000 stellt sich diesen Herausforderungen mit einem seit den Gründerjahren konsequent weiterentwickeltem Selbstverständnis. Er versteht sich heute mehr denn je als eine zeitgemäße Dienstleistungsbehörde für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Aktuell erfüllen 135 Landesbedienstete Aufgaben im Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz. Sie beschaffen Nachrichten, werten sie sachrecht aus und informieren zeitnah über die gewonnenen Erkenntnisse. Hierfür gebührt ihnen, aber auch allen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank und Anerkennung. Unter dem Motto "Prävention durch Information" unterrichtet der Tätigkeitsbericht 1999 wiederum über relevante extremistische bzw. sicherheitsgefährdende Bestrebungen in unserem Land. Ich hoffe, er findet das Interesse der Leserinnen und Leser. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 7 3. Öffentlichkeitsarbeit 8 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 9 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 11 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 11 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 12 1.3 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 13 1.4 Neonazistische Organisationen 15 1.4.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene 16 1.4.2 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen 1999 18 1.4.3 "Anti-Antifa" 18 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 19 1.5.1 "Der Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V." 19 1.6 Rechtsextremistische Parteien 20 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 20 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 23 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 25 1.6.3 "PfalzPartei" (PP) 26 1.6.4 "Die Republikaner" (REP) 27 1.7 Auslandskontakte 32 -42. Linksextremismus 34 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 34 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 34 2.1.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) 36 2.1.3 Sonstige 37 "Rote Hilfe e.V." (RH) 37 2.2 Gewalttätiger Linksextremismus 37 2.2.1 Terroristische Gruppierungen 38 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 38 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 40 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" 40 2.2.2 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) 41 2.2.3 Autonome 42 2.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten 44 3. Ausländerextremismus 51 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 51 3.1.1 Allgemeine Lage 51 3.1.2 Lage in Rheinland-Pfalz 53 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol"/Dev Sol) 54 3.3 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) - "Der Kalifatsstaat" 56 3.4 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 57 -54. "Scientology-Organisation" 59 4.1 Organisationen 59 4.2 Aktivitäten 60 5. Spionageabwehr 61 5.1 Allgemeine Lage 61 5.2 Nachrichtendienste Rußlands 62 5.3 Kritische Länder1 63 5.4 Wirtschaftsspionage 65 5.5 Sicherheitskonzept 65 6. Geheimschutz 67 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 69 D. Anhang 81 Gesetzliche Grundlagen 81 Grundgesetz (Auszug) 81 Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) 81 Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG) 95 1 Nach h.M. bessere Bezeichnung für Krisenund Schwellenländer, da über die Länder Iran, Irak, Libyen, Syrien und Nordkorea hinaus auch die Länder Indien und Pakistan darunter zu verstehen sind. -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser Der Tätigkeitsbericht 1999 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Der Bericht kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflussten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht lässt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grund-ordnung unseres Staates richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 31. Dezember 1999. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungs- 2 schutzgesetzes u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. Insbesondere hat der Verfassungsschutz keine polizeilichen Befugnisse; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, dass der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen darf, die ihm selbst untersagt sind. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1353. 2 s. unter D. Anhang 3 Stand: 31. Dezember 1999 -8Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1999: 2.459.400,-DM (2000: 2.280.800,-DM). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 7.7734, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz5. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen einschließlich seiner eigenen Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) zur Verfügung. Diesbezügliche Kontaktaufnahmen können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder den Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes (06131/163772) erfolgen. 4 Stand: 31. Dezember 1999 5 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). -9Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich: - "Verfassungsschutz transparent" - "Rechtsextremismus" - "Skinheads" - "Autonome" - "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" - "Islamistische Extremisten" - "Wirtschaftsspionage" - "Arbeiterpartei Kurdistans". - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Linksextremismus - weiterhin aktuell" - "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka" - "Aus guten Gründen - Beobachtung der 'Scientology'-Organisation durch den Verfassungsschutz" - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" - "Extremisten und Informationstechnik - vom Flugblatt zum PC" - "Rechtsextremistische Parteien - Keine Alternative" - "Informationsschutz in der gewerblichen Wirtschaft - Mit Sicherheit ein Gewinn!" Die Broschüren des Landesverfassungsschutzes stehen auch im Internet ein: http://www.verfassungsschutz.rlp.de. 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 1999 wieder an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Frem- - 10 - denfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhass". Neben der Verteilung von Broschüren wie dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten" wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen von Jugendgruppen in Rheinland-Pfalz unterstützt. Die Kampagne "Fairständnis" wird auch im Jahr 2000 fortgeführt; für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Ministerium des Innern und für Sport - Abteilung Verfassungsschutz - Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Tel.: 06131/16-3772 Fax: 06131/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de - 11 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS Das rechtsextremistische Spektrum stellt weiterhin ein ernstzunehmendes Gefährdungspotenzial für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Die Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Parteien haben sich gegenüber 1998 allerdings geringfügig verringert. Zentrale Themen des rechtsextremistischen Parteienspektrums waren im Jahre 1999 die Europa-, Landtagsund Kommunalwahlen, bei denen jedoch nur vereinzelt Erfolge erzielt werden konnten6. Daneben thematisierte das gesamte rechtsextremistische Spektrum den NATO-Einsatz im Kosovo, die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944" sowie die aktuellen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme der Bundesrepublik Deutschland. Zum wichtigsten Medium für die Szene hat sich das INTERNET herauskristalisiert, mit dem sich der einzelne Rechtsextremist nicht nur ein nahezu grenzenloses Informationsangebot erschließen, sondern auch grenzüberschreitend weltweit kommunizieren kann. 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotenzial Im Jahre 1999 wurden bundesweit insgesamt etwa 51.400 (1998: 53.600) Rechtsextremisten gezählt, davon sind ca. 2.200 Neonazis. Das Spektrum 6 Vgl. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) S. 25 ff. - 12 - der militanten Rechtsextremisten ist 1999 gegenüber 1998 erneut angewachsen und umfasst bundesweit etwa 9.000 Personen (1998: 8.200). Die meisten von ihnen sind Angehörige der Skinheadszene. Der genaue Anteil der rechtsextremistischen Skinheadszene ist allerdings angesichts der starken Fluktuation nicht bestimmbar. In Rheinland-Pfalz gehörten nach wie vor etwa 1.900 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum an, davon sind ca. 50 Neonazis und ca. 50 rechtsextremistische Skinheads. Letztere werden als gewalttätig eingeschätzt, d.h. in Rheinland-Pfalz gibt es wie in den Jahren zuvor etwa 100 militante Rechtsextremisten. 1.2 Rechtsextremistische Gewalt Der weitere Anstieg der Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten resultierte auch im Jahre 1999 aus einem Zuwachs der rechtsextremistischen Skinheadszene. Die Zahl der Gewalttaten stieg 1999 an. Bundesweit waren 746 Gewalttaten7 zu verzeichnen (1998: 708). In Rheinland-Pfalz war folgende Entwicklung zu beobachten: Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten liegt mit 352 Delikten geringfügig unter der des Jahres 1998 (355 Delikte). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) stieg von 16 auf 24 an. In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtsjahr 12 jüdische Friedhöfe u.a. durch Umwerfen und Besprühen von Grabsteinen geschändet (1998: 11). Aus Sicht des Verfassungsschutzes gibt es nach wie vor keine rechtsextremistische Gruppe, die im Sinne des SS 129a Strafgesetzbuch als terroristische Vereinigung angesehen werden kann. Bislang sind auch keine 7 Ohne Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung. - 13 - festen rechtsterroristischen Strukturen erkennbar. Gleichwohl waren auch 1999 ernstzunehmende Hinweise auf rechtsterroristische Planungen von Einzeltätern oder isolierten Kleingruppen festzustellen. Hierzu zählten u.a. die anhaltende szeneinterne Gewaltdiskussion sowie erneute Waffenfunde im Bundesgebiet außerhalb von Rheinland-Pfalz, so im November 1999 in Niedersachsen. Auf Internet-Webseiten wurde zur Gewalt gegen politische Gegner aufgerufen bzw. wurden Anleitungen zum Bombenbau verbreitet. Diese Entwicklung ist weiterhin sorgfältig zu beobachten, um rechtzeitig einem evtl. Umschlagen in einen Rechtsterrorismus vorbeugen zu können. 1.3 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads8) Der Skinheadszene gehören neben unpolitischen Personen und einzelnen sog. Redskins9 vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads an. Da Skinheads in der Regel nicht zu festen Strukturen neigen, ließen sie sich bislang nur selten in rechtsextremistische Organisationen fest einbinden. Trotz der generellen Organisationsunwilligkeit der Skinheads sind seit einiger Zeit innerhalb der Szene Strukturierungsansätze zu erkennen. Größere und seit Jahren sich aufeinander zubewegende Skinheadszenen treten zum Teil unter gemeinsamen Bezeichnungen auf, verwenden einheitliche Aufnäher und eigene Flaggen, um Gruppengefühl auszudrücken. Seit Mitte der 90er Jahre gewinnen die "Hammerskins" und die "Blood & Honour"-Skinheads, zwei ausländische Gruppierungen, die der "White Power"-Bewegung zuzurechnen sind, auch in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend an Bedeutung. Sie pflegen ein elitäres Selbstverständnis innerhalb der Szene. 8 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Mai 1997), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 9 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. - 14 - Von den in Rheinland-Pfalz geschätzten 300 Skinheads können weiterhin etwa 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, die mit Schwerpunkten in der Vorderpfalz und in den Großräumen Koblenz/Westerwald und Zweibrücken/Westpfalz agieren. Im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg und im Saarland. Im Jahre 1999 kam es anlässlich von Weinund Volksfesten erneut zu Gewalttätigkeiten und Provokationen durch rechtsextremistisch beeinflusste Skinheads. Skinheadmusik, Konzerte und "Fanzines" (abgeleitet vom englischen fanmagazine) sind weiterhin entscheidende Elemente für Zusammenhalt und Motivation dieser Szene. Skinhead-Bands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut, so insbesondere rassistische und volksverhetzende Texte. Es gibt aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. Die Inhalte der "Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten einschlägige Abbildungen und Texte. Darüber hinaus stellen die "Fanzines" auch neonazistische Organisationen vor, veröffentlichen Berichte über von Rechtsextremisten organisierte Veranstaltungen und bieten rechtsextremistische, szenetypische Artikel an. Hierzu zählt in Rheinland-Pfalz z.B. das Fanzine "Pfalzfront". Seit mehreren Jahren befindet sich die Skinhead-Musikszene im Aufwärtstrend. Sowohl die Zahl der rechtsextremistischen Skinhead-Bands (1999: 93) als auch die Produktion rechtsextremistischer Tonträger hat in der Vergangenheit kontinuierlich zugenommen. Zugleich ist weiterhin eine Kommerzialisierung und eine Zunahme der Zahl der Vertreiber rechtsextremistischer Skinheadmusik festzustellen. In Rheinland-Pfalz wurde 1999 die Gruppe "Feldzug" aus dem Raum Bad Dürkheim bekannt. Die Zahl rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte war seit 1995 bundesweit - 15 - stark steigend. Nach 35 Konzerten im Jahre 1995, 68 im Jahre 1996, 106 im Jahre 1997 und 128 im Jahre 1998 fanden jedoch 1999 noch 105 Konzerte statt. Dazu kamen 1999 25 Konzerte (1998: 40) insbesondere rechtsextremistischer "Liedermacher", an denen auch Skinheads teilnahmen. Der in den letzten Jahren zu beobachtende starke Anstieg von Skinhead-Konzerten scheint vorerst wohl gestoppt zu sein. Mehrere Auftritte von Skinhead-Bands fanden 1999 auch in Rheinland-Pfalz statt, so am 4. April 1999 in Monzingen und am 17. Juli 1999 in Warmsroth bei Stromberg. An den Konzerten in Rheinland-Pfalz nahmen teilweise bis zu 800 Besucher teil; Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten wurden dabei nicht bekannt. Im Jahre 1999 wurden in mehreren Bundesländern erneut zahlreiche E- xekutivmaßnahmen gegenüber Vertreibern und Produzenten rechtsextremistischer Skinheadmusik durchgeführt. So durchsuchte die Polizei am 31. August 1999 auch in Rheinland-Pfalz die Wohnräume von Mitgliedern einer rechtsextremistischen Skinhead-Band aus Hessen, da deren veröffentlichte Lieder volksverhetzende Texte enthielten. Aufgrund des zunehmenden kommerziellen Erfolges dürften sich die Verbreiter rechtsextremistischen Liedgutes sowie die Veranstalter von Konzerten durch Exekutivmaßnahmen auf Dauer jedoch nicht abschrecken lassen. 1.4 Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1999 ca. 2.200 Personen zugerechnet werden (1998: ca. 2.400). In Rheinland-Pfalz gab es wie 1998 ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig einzustufen sind. - 16 - In der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz gilt - ebenso wie im Bundesgebiet - nach wie vor die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG)10 als die bundesweit mitgliederstärkste Organisation. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim ist weiterhin 1. Vorsitzende der HNG und be-treut inhaftierte Gesinnungsgenossen. Die Kleingruppen "Nationale Volksfront" - Kameradschaft Neustadt/W. (N.V.F.)"11 und "Kameradschaft Rhein-Nahe"12 blieben 1999 ohne Bedeutung im neonazistischen Spektrum; sie traten öffentlich nicht in Erscheinung. 1.4.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote in den vergangenen Jahren hatten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland veranlasst, neue Wege zu suchen, um weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Der Zusammenhalt regionaler Gruppierungen und die Koordination bundesweiter Aktionen soll stärker durch eine sog. informationelle Vernetzung gewährleistet werden. Die Nutzung moderner Kommunikationssysteme, wie dem INTERNET, ist somit grundsätzlich Teil rechtsextremistischer Strategie. Dagegen waren die Mailboxverbundsysteme "Thule-Netz" und "Nordland-Netz" 1999 ohne Bedeutung. Im Rahmen der Vernetzung spielen auch die "Nationalen Info-Telefone" (NIT) eine wichtige Rolle. Über Anrufbeantworter können regelmäßig aktualisierte Ansagetexte abgerufen werden. So waren die NIT im Berichts10 Vgl. Kurzdarstellung HNG (S. 69) 11 vgl. Kurzdarstellung N.V.F. (S. 70) 12 vgl. Kurzdarstellung "Kameradschaft Rhein-Nahe" (S. 70) - 17 - jahr wieder ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Bekanntgabe von Terminen und Veranstaltungsorten, z.B. anlässlich der bundesweiten "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen". Das INTERNET ist als weltweites Computernetz inzwischen zu einem äußerst wichtigen Propagandainstrument für die Rechtsextremisten geworden. Während es 1996 noch 32 Homepages deutscher Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistischer Organisationen im INTERNET gab, waren es 1997 80, 1998 200 und 1999 bereits etwa 330 mit weiter steigender Tendenz. Hinzu kommt eine Vielzahl ausländischer Homepages - die Schätzungen belaufen sich derzeit auf weltweit über 1400 einschlägige Seiten aus 30 Staaten. Zu dieser Entwicklung gehört auch, dass deutsche Rechtsextremisten technisch immer anspruchsvoller für ihre verfassungsfeindlichen Ziele werben. Für eine künftige Verstärkung der Aktivitäten im INTERNET spricht dessen multimediale Ausrichtung, die es zu einem besonders wirkungsvollen Propagandaund Werbeinstrument macht. Gerade der INTERNET-Bereich "World Wide Web" (WWW) eröffnet den Rechtsextremisten Möglichkeiten, die im Vergleich zu sonstigen Werbeträgern - wie z.B. Publikationen, Rundfunk usw. - einerseits sehr kostengünstig sind, andererseits die Aussicht bieten, einen sehr großen Adressatenkreis anzusprechen. Das gilt vor allem für jüngere Menschen, die über die herkömmlichen Medien nur noch schwer zu erreichen sind. Ausländische Neonazis werben mit deutschsprachigen Angeboten im INTER-NET, z.B. der deutsch-kanadische Revisionist Ernst ZÜNDEL ("Germania-Rundbriefe") und die amerikanische neonazistische Organisation "Natio-nalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) mit ihrer Publikation "NS-Kampfruf". Eine Nutzung des INTERNET mit dem Ziel, über dieses Medium eine organisatorische Vernetzung herbeizuführen, ist bislang jedoch nicht erkennbar gewesen. - 18 - 1.4.2 "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" 1999 Die letztjährigen "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" waren wegen der geringen Resonanz für die neonazistische Szene ein Fehlschlag; sie haben dadurch insgesamt an Bedeutung verloren. Da ein zentraler oder mehrere Gedenkmärsche mit Hunderten von Teilnehmern angesichts der staatlichen Gegenmaßnahmen kaum realisierbar waren, hatte die Neonaziszene 1999 einen Strategiewechsel vollzogen. Der Schwerpunkt der Aktionen wurde auf die regionale Ebene verlagert. An den von den Neonazis verkündeten "Rudolf Heß-Aktionswochen" vom 09. bis 22. August 1999 aus Anlass des 12. Todestages des ehemaligen Hitlerstellvertreters Rudolf Heß beteiligten sich in Deutschland an mehreren dezentralen Veranstaltungen insgesamt etwa 400 Personen (1998: 200). Fast alle Kundgebungen im Zusammenhang mit dem Heß-Todestag wurden von der Polizei aufgelöst. Lediglich vor der deutschen Botschaft in Bern/Schweiz kam es am 14. August 1999 zu einer nennenswerten Aktion, zu dem das "Nationale Info-Telefon Karlsruhe" aufgerufen hatte. An dem Aufmarsch nahmen ca. 150 Neonazis aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich teil. Auch in Rheinland-Pfalz kam es vereinzelt zu "Heß-Aktionen". Insbesondere in Nierstein und Nackenheim (jeweils Kreis Mainz-Bingen) wurden in größeren Mengen "Heß"-Plakate geklebt. 1.4.3 "Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit aus. Sie dient u.a. der "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Personaldaten und der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" zu hindern bzw. - 19 - von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Die "Anti-Antifa"-Aktivitäten waren 1999 bundesweit insgesamt zwar weiter rückläufig, allerdings wurden in Rheinland-Pfalz 1999 zwei Fälle bekannt: Im August 1999 tauchte in Berlin eine Liste u.a. mit Angaben zu politischen Gegnern auf. Absender war eine "Anti-Antifa Kurpfalz" . Ende 1999 erschien eine Publikation mit der Bezeichnung "Der Wehrwolf"; als Herausgeber zeichnete eine 13 "Anti-Antifa im WAW" , ''V.i.S.d.P. Keith Butcher/USA". In dieser Schrift forderte eine "Anti-Antifa Saar-Pfalz" aus Ludwigshafen am Rhein u.a. dazu auf, "Antifa" und "Rotfront" zu zerschlagen. Auf mehreren Seiten der Schrift folgten Abbildungen, Namen und Adressen von Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien und Adressen u.a. jüdischer Gemeinden, Künstler etc. und Personen des öffentlichen Lebens. 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen 1.5.1 "Der Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V." Der "Stahlhelm-Landesverband Pfalz e.V."14, der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, ist eine rechtsextremistische Gruppierung, deren ideologische Ausrichtung insbesondere von nationalistischvölkischem, antisemitischem und revisionistischem Gedankengut geprägt ist. Bei einzelnen Mitgliedern des Landesverbandes Pfalz wurden im Frühjahr 1998 Waffen gefunden. Verurteilungen in diesem Zusammenhang erfolgten Anfang 1999 durch das Landgericht Kaiserslautern zu Geldund Haftstrafen auf Bewährung. Anlässlich der Eröffnungsfeier des "Stahlhelm-Heims" in Altenglan-Mühlbach (Kreis Kusel) am 24./25. Juli 1999, an der auch Gesinnungsgenossen aus Belgien teilnahmen, erschienen mehrere Personen in uniform13 WAW = "Weißer Arischer Widerstand" 14 vgl. Kurzdarstellung "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." (S. 70) - 20 - ähnlicher Kleidung. Eingeleitete Ermittlungsverfahren führten zu Anklagen und Strafbefehlen wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. 1.6 Rechtsextremistische Parteien 1.6.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD beging im November 1999 in München die Jubiläumsfeier zu ihrem 35jährigen Bestehen. Unter ihrem Parteivorsitzenden Udo VOIGT fand auch 1999 die ideologische und strategische Umorientierung der NPD ihre Fortsetzung. Die drei Säulen des heutigen Parteikonzeptes sind der "Kampf um die Straße", bei dem öffentlichkeitswirksame Aufmärsche und Veranstaltungen, Rederecht für Neonazis und die Bildung einer "nationalen außerparlamentarischen Opposition" im Vordergrund stehen sollen, der "Kampf um die Köpfe" als Mitgliederund Interessentenwerbung und der "Kampf um die Parlamente", mit dem die Partei langfristig eine parlamentarische Verankerung anstrebt. Ideologisch versteht sich die Partei als "sozialrevolutionäre Erneuerungsbewegung" und propagiert den Kurs eines "deutschen Sozialismus" mit betont antikapitalistischen Elementen. Insgesamt vollzieht die NPD durch ihre Umorientierung eine Annäherung an Konzeptionen der Neonaziszene und mit der Forderung nach einer "politischen" und "sozialen Revolution" hat die NPD eine wichtige inhaltliche Klammer für den "nationalen Widerstand" geschaffen. Die Strategie der Parteiführung wurde jedoch nicht von allen Landesverbänden mitgetragen. Bereits Anfang 1999 spalteten sich Teile des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern und des Landesverbandes Thüringen von der NPD ab. Damit kam erstmals seit der Übernahme des - 21 - Parteivorsitzes durch Udo VOIGT im März 1996 die Aufwärtsentwicklung der NPD zum Stillstand. Ende 1999 hatte die Partei wie bereits 1998 bundesweit ca. 6.000 Mitglieder. Themenschwerpunkt war auch 1999 die Fortsetzung der Kampagne gegen die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944". Gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) führte die NPD fünf Demonstrationen gegen die Ausstellung durch, darunter eine am 20. Februar 1999 in Saarbrücken mit Teilnehmern auch aus Rheinland-Pfalz. Bei Gegenkundgebungen kam es zu Übergriffen gegen Demonstrationsteilnehmer und Polizeikräfte. Einen vom Veranstalter am 4. November 1999 verkündeten Ausstellungsstopp zur Überarbeitung der Bilddokumente würdigte die NPD als Erfolg der "Nationalen außerparlamentarischen Opposition". In Rheinland-Pfalz konnte die Partei ihren Mitgliederbestand auf ca. 250 (1998 ca. 200) erhöhen. Am 28. März 1999 wurde in Kaiserslautern ein stark verjüngter Landesvorstand gewählt. Mit diesem nahmen die Aktivitäten des Landesverbandes wieder zu; so wurden vermehrt Informationsstände von NPD und JN sowie eine Zunahme von Schulungsund Vortragsveranstaltungen, u.a. mit namhaften Vertretern der rechten Szene, festgestellt. Mit der Gründung des "Politisch kulturellen Arbeitskreises Pfalz" im August 1999 in Kaiserslautern und des "Politisch kulturellen Arbeitskreises Koblenz" Anfang Dezember 1999 im Raum Koblenz/Neuwied sollen neue Interessenten und Mitglieder gewonnen werden. Beteiligung an Wahlen Den Auftakt des Europawahlkampfes bildete der außerordentliche NPDBundesparteitag im Februar 1999 in Mulda/Sachsen, dessen Delegierte - 22 - das Programm zur Wahl des Europäischen Parlaments am 13. Juni 1999 beschlossen. Als Spitzenkandidat wurde der Parteivorsitzende Udo VOIGT nominiert. Ihren Europa-Wahlkampf richtete die Partei vor allem gegen die EU-Verträge von Maastricht und Amsterdam. Der Kosovo-Konflikt und die deutsche Beteiligung an den Nato-Angriffen gegen Jugoslawien wurden e- benfalls für Propagandazwecke genutzt und eine Bestrafung der für die Kriegsvorbereitungen und die Kriegshandlungen verantwortlichen Politiker gefordert; Soldaten der Bundeswehr sollten ihre Mitwirkung an dem "Angriffskrieg" verweigern. In einer Presseerklärung der NPD hieß es: "Das Parteipräsidium der NPD fordert alle Deutschen dazu auf, diesem verantwortungslosen Treiben und dem verbrecherischen Angriffskrieg der Bonner Abenteuerer und Steigbügelhalter des US-Imperialismus ein Ende zu bereiten." Vom Wahlausgang erhoffte sich die Partei weniger den Einzug in das Europäische Parlament als eher die Erlangung von Geldern aus der Parteienfinanzierung. Die NPD konnte ihren Stimmenanteil lediglich auf unbedeutende 0,4% (1994: 0,2%) erhöhen und blieb damit knapp unter dem für die Parteienfinanzierung benötigten Satz von 0,5%. In Rheinland-Pfalz erzielte sie ebenso wie 1994 nur 0,2% der Stimmen. Außer an der Europawahl nahm die NPD 1999 an den Landtagswahlen in Hessen, Bremen, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Berlin mit Schwerpunkt in Sachsen teil. Helfer von NPD und JN aus Rheinland-Pfalz unterstützten dort den Wahlkampf. Die Wahlergebnisse im einzelnen: Hessen 07.02.1999 0,2 % (1995: 0,3 %) Bremen 06.06.1999 0,29 % (1995: 0,09 %) - 23 - Brandenburg 05.09.1999 0,7 % (1994: nicht teilgenommen) Thüringen 12.09.1999 0,24 % (1994: nicht teilgenommen) Sachsen 19.09.1999 1,4 % (1994: nicht teilgenommen) Berlin 10.10.1999 0,8 % (1995: nicht teilgenommen) Bei den Kommunalwahlen am 13. Juni 1999 in mehreren Bundesländern konnte die NPD lediglich in Sachsen 9 Mandate erringen. In Rheinland-Pfalz trat sie nicht zur Wahl an. Bei der Wahl zum Bezirkstag der Pfalz und der Stadtratswahl in Kaiserslautern kandidierten jedoch NPD-Mitglieder auf der Liste der "PfalzPartei" (PP)15. Aufgrund der schwachen Wahlergebnisse wurden vom Parteivorstand und den Landesverbänden - so auch in Rheinland-Pfalz - erneut Überlegungen zu Absprachen für ein Wahlbündnis mit anderen rechten Parteien getroffen. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die Jugendorganisation der NPD führte am 10. April 1999 in Klingenberg am Main ihre Bundesvorstandswahl durch. Als neuer Bundesvorsitzender wurde in einer Kampfkandidatur Sascha ROßMÜLLER aus Bayern gewählt.16 Der Gegenkandidat trat aufgrund seiner Wahlniederlage mit seinen Anhängern aus den JN aus und gründete im Juni 1999 das "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) mit Sitz in Eschweiler (bei Aachen). Vom BDVG, dem die Rückendeckung durch die Mutterpartei NPD fehlt, gingen bislang nur geringe Aktivitäten aus. 15 vgl. "PfalzPartei" (S. 26) 16 Anlässlich der Vorstandswahl am 5. Februar 2000 in Straßenhaus (Landkreis Neuwied) wurde ROßMÜLLER im Amt des Bundesvorsitzenden bestätigt. - 24 - Die JN, der heute noch ca. 350 Mitglieder (1998: 400) angehören, sieht ihre vordringliche Aufgabe in der Stärkung der JN-Basis. Eine sinnvolle Eigendynamik der Stützpunkte sei Voraussetzung, um die "JN zu einer ernstzunehmenden Gefahr zu machen". Außerdem gehöre es zu ihren Aufgaben, einen "mit sozialrevolutionären Qualitäten ausgestatteten Nationalismus zeitgemäß und systemkritisch zu formulieren". Die Zusammenarbeit mit Neonazis und Skinheads hat dabei keine grundlegende Änderung erfahren. Die Eigenständigkeit gegenüber der Mutterpartei ging inzwischen wieder weitgehend verloren. Eine Begründung hierfür dürfte im Aufrücken von e- hemaligen JN-Funktionären in den NPD-Bundesvorstand liegen. Die Aktivitäten der JN waren auch 1999 geprägt von ausländerfeindlichen Aktionen u.a. mit Schlagworten wie: "Keine doppelte Staatsbürgerschaft und kein Wahlrecht für Ausländer" "Einwanderung stoppen - Widerstand jetzt" "Schrittweise Rückführung der in Deutschland lebenden Ausländer" "Ersatzlose Streichung des sog. Asylparagraphen im GG" Am 13. März 1999 feierten die JN ihr 30jähriges Bestehen im niederbayerischen Mitterskirchen unter dem Motto "30 Jahre JN - 30 Jahre Kampf, Aktion, Widerstand". Der "6. Europäische Kongress der Jugend" wurde in diesem Jahr von den JN am 30. Oktober 1999 in Falkenberg/Landkreis Rottal-Inn mit Teilnehmern aus Deutschland und dem benachbarten Ausland ausgerichtet. Die Redner, einige davon aus Österreich, Schweden und den USA, beschäftigten sich insbesondere mit gängigen nationalistischen und revisionistischen Themen. Die rheinland-pfälzischen JN waren auch 1999 weiter bemüht, ihre Organisationsstruktur durch die Gründung neuer Stützpunkte auszubauen. - 25 - Schulungsveranstaltungen und Gesprächskreise sollten Interessenten u.a. aus der rechten Skinheadszene an die JN heranführen und zur Mitgliedschaft anregen. Die Zahl der JN-Anhänger stagnierte am Jahresende jedoch weiterhin bei ca. 30 Personen. Am 1. August 1999 fanden im rheinhessischen Monsheim Vorstandswahlen statt, bei denen Sascha W. wieder zum JN-Landesvorsitzenden gewählt worden ist. Unter seiner Leitung unterstützten JN-Mitglieder Aktionen der rheinland-pfälzischen NPD mit eigenen Informationsständen. 1.6.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die DVU wird von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autoritär geführt. Sie ist die größte rechtsextremistische Partei und verfügt bundesweit über ca. 17.000 Mitglieder. Dies bedeutet allerdings einen Rückgang von ca. 1000 Mitgliedern gegenüber 1998. In Rheinland-Pfalz gehören der Partei nach wie vor ca. 850 Personen an. An dem am 16. Januar 1999 in München stattgefundenen Bundesparteitag haben ca. 220 Personen teilgenommen. Der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard FREY wurde in seinem Amt bestätigt. Die Wiederwahl galt als selbstverständlich, zumal es auch keinen Gegenkandidaten gab. Die DVU hat entgegen ihrer ursprünglichen Planung weder an der Europawahl17 am 13. Juni 1999 noch an der am gleichen Tag durchgeführten Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz teilgenommen. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg am 5. September 1999 erreichte sie 5,3 % der Stimmen und zog damit nach Sachsen-Anhalt (1998) in einen weiteren Landtag in den neuen Ländern ein. 17 Auch 1994 nahm die DVU an der Europawahl nicht teil. - 26 - Mit einem auf einzelne bevölkerungsschwache Länder begrenzten hohen Propagandaaufwand wird eine bundesweite Publizität erzielt, wovon man sich eine Verbesserung der Erfolgsaussichten verspricht. Die alljährliche Grosskundgebung der DVU fand am 25. September 1999 in Passau statt. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 2000 Personen teil, etwa 1000 weniger als 1998. Die Wochenzeitungen "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA) sind wegen der uneingeschränkten beherrschenden Stellung ihres Herausgebers Dr. FREY als Sprachrohr der Partei anzusehen. Sie sind mit der Nr. 36/99 vom 03. September 1999 erstmalig in einer gemeinsamen Ausgabe erschienen. Die neue Publikation trägt den Titel "National-Zeitung (NZ) mit dem Untertitel "Deutsche Wochen-Zeitung". Die NZ erscheint - wie die bisherigen DNZ und DWZ - in dem Münchener "DSZ - Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH" (DSZ-Verlag) des Dr. Gerhard FREY. In Rheinland-Pfalz gehen von dem nicht strukturierten DVU-Landesverband nur wenige, nicht öffentliche Aktivitäten aus. In Anzeigen der "National-Zeitung" weisen die DVU-Kreisverbände Ludwigshafen/Rhein und Koblenz-Umland auf Stammtische hin. 1.6.3 "PfalzPartei" (PP) Die "PfalzPartei" (PP) mit Sitz in Frankenthal/Pfalz versteht sich nach ihrem Programm als eine Volkspartei, in der Bürger aller sozialer Schichten und gesellschaftlicher Gruppen zusammenarbeiten. Ihre Aktivitäten/Organisationsstrukturen beziehen sich bislang auf das Gebiet der Pfalz. Erkenntnisse über konkrete Mitgliederzahlen liegen nicht vor. - 27 - Bei den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz am 13. Juni 1999 erzielte die PP folgende Ergebnisse: Anzahl der Stimmen Kreisfreie Stadt Frankenthal (Pfalz) 3.720 Kreisfreie Stadt Kaiserslautern 9.695 Landkreis Bad Dürkheim 29.180 Bezirkstag der Pfalz 4.550 Auf ihrer Wahlliste kandidierten auch Mitglieder der NPD. Die PP beantragte im Mai 1999 beim Verwaltungsgericht Mainz die Unterlassung der nachrichtendienstlichen Beobachtung durch den rheinlandpfälzischen Verfassungsschutz. In einem Eilantrag wollte die PP durchsetzen, dass sie noch vor den Kommunalwahlen nicht mehr beobachtet werden durfte. Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht Mainz abgelehnt. Aufgrund dieses Beschlusses beantragte die PP die Zulassung der Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Koblenz. Dieser Antrag wurde vom Oberwaltungsgericht Koblenz abgelehnt, weil das Gericht zu der Auffassung kam, dass sich tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen einer kleinen Regionalpartei schon daraus ergeben können, dass sie eine Wahlabsprache mit einer als rechtsextremistisch erkannten Partei getroffen hat. 1.6.4 "Die Republikaner" (REP) Wie bereits 1998 mussten die REP auch im zurückliegenden Jahr erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen; zum Jahresende lag die Zahl der Parteiangehörigen bei ca. 14.000 (1998: ca. 15.000). In Rheinland-Pfalz hatte die Partei Ende 1999 ebenso wie 1998 ca. 600 Mitglieder. - 28 - Der Kurs des Parteivorsitzenden Dr. Rolf SCHLIERER, die REP in eine seriöse rechtskonservative Partei umzuwandeln und sein Festhalten am "Ruhstorfer Abkommen" vom Juli 1990, mit dem eine klare Abgrenzung von anderen rechten Parteien durchgesetzt werden sollte, sowie die zahlreichen Wahlniederlagen des letzten Jahres führten bei der Parteibasis zur offenen Unzufriedenheit mit der Führungsspitze. Besonders deutlich wurde die negative Stimmung gegen Dr. SCHLIERER bei mehreren Veranstaltungen im Bundesgebiet mit Harald NEUBAUER, Mitherausgeber der rechtsextremistischen Publikation "Nation & Europa", so auch im März 1999 in Germersheim. Im Mai 1999 erließ das Parteipräsidium bei Androhung von Parteiordnungsmaßnahmen ein generelles Auftrittsverbot für NEUBAUER Eine dennoch von dem hessischen Kreisverband Offenbach am 16. Mai 1999 durchgeführte Kundgebung mit ihm blieb jedoch ohne Folgen. Stattdessen forderte der Vorsitzende des REP-Kreisverbandes Bergstraße (Hessen) in einem Interview mit dem NPD-Organ "Deutsche Stimme" im Oktober 1999 den Rücktritt SCHLIERER's vom Parteivorsitz. Eine Pressemitteilung vom 8. November 1999 lautete: "Die Versammlung der hessischen Kreisvorsitzenden der Republikaner fordert den Bundesvorstand der REP auf, aufgrund der katastrophalen Wahlergebnisse der letzen Jahre zurückzutreten. Der Kurs der Abgrenzung gegenüber anderen Patrioten wird ebenso verurteilt wie die "Wohlverhaltenspolitik" gegenüber den sog. Etablierten. Diese kann als gescheitert gewertet werden. Wir fordern die sofortige Einberufung eines Sonderparteitages mit dem Ziel der personellen Erneuerung und des Wiederaufbaus unserer Partei." Ein Agitationsschwerpunkt der REP war 1999 die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Unterschriftensammlungen hierzu fanden jedoch nicht die gewünschte Resonanz bei der Bevölkerung. In einem offenen Brief vom 7. Januar 1999 forderte Dr. SCHLIERER: - 29 - "Unsere Demokratie kann auf Dauer nur funktionieren, wenn ein Mindestmaß an Homogenität des Staatsvolkes gewahrt wird. .... Wir fordern Sie auf, nicht auf halbem Wege stehenzubleiben, sondern dafür Sorge zu tragen, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht der Beliebigkeit ausgesetzt wird." Das deutsche Engagement im Kosovo-Konflikt war ebenso Gegenstand der REP-Agitation. In einer Entschließung des Bundesparteitages am 28. März 1999 in Deggendorf sowie in Pressemitteilungen wurde "die deutsche Beteiligung an den Angriffskriegen gegen Serbien" auf das schärfste missbilligt; mit öffentlichen Protestaktionen hielten sich die REP jedoch weitestgehend zurück. Auf den am 4. November 1999 vom Veranstalter der Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" verkündeten Ausstellungsstopp forderten die REP, diese auf Dauer einzustellen. Gleichzeitig kündigte der Landesverband Hessen an, eine Gegenausstellung in Wiesbaden durchzuführen. Beteiligung an Wahlen An den Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 1999 nahmen die REP mit Dr. SCHLIERER als Spitzenkandidat teil. Den Abschluss des Wahlkampfes bildete eine zentrale Kundgebung am 12. Juni 1999 in Berlin. Als Bundesergebnis erzielte die Partei 1,7% der Stimmen (1994: 3,9%). Die größten Verluste musste sie in ihren Hochburgen Bayern (- 4,7%) und Baden-Württemberg (-2,6%) hinnehmen. In Rheinland-Pfalz konnte die Partei mit 2,1% das Bundesergebnis übertreffen, lag aber dennoch 1,6% unter dem Landesergebnis von 1994. Vom Landesdurchschnitt abweichende Ergebnisse erzielten die REP in folgenden Wahlbezirken: - 30 - Stadt Ludwigshafen am Rhein 4,8% (1994: 0,6%) Stadt Speyer 4,6% (1994: 5,0%) Landkreis Kusel 5,3% (1994: 6,4%) Landkreis Germersheim 4,5% (1994: 5,2%) Auch bei den im Jahre 1999 durchgeführten Landtagswahlen mussten die REP zum Teil Stimmenverluste hinnehmen. Die Wahlergebnisse fielen wie folgt aus: Hessen 07.02.1999 2,7% (1995: 2,0%) Bremen 06.06.1999 nicht teilgenommen (1995: 0,3%) Brandenburg 05.09.1999 nicht teilgenommen (1994: 1,4%) Saarland 05.09.1999 1,3% (1994: 1,4%) Thüringen 12.09.1999 0,76% (1994: 1,3%) Sachsen 19.09.1999 1,5% (1994: 1,3%) Berlin 10.10.1999 2,7% (1995: 2,7%) Im Jahre 1999 beteiligten sich die REP außerdem in acht Bundesländern an Kommunalwahlen, konnten jedoch nur vereinzelt Mandate erringen. Im Wahlkreis Karlsruhe kandidierten NPD-Mitglieder auf der Liste der REP. In Rheinland-Pfalz trat die Partei außer im Regierungsbezirk Koblenz zur Kommunalwahl an. Mit einem Landesergebnis von 0,9% (1994: 1,1%) erzielte sie bei den Wahlen zu den Gemeindeund Stadträten 14 Sitze so - 31 - wie 6 Sitze in den Kreistagen; weitere 3 Sitze erhielt die Partei in den Verbandsgemeinderäten und 11 Sitze in Ortsbeiräten. Im Bezirkstag der Pfalz sind die REP nicht mehr vertreten. Die besten Ergebnisse erzielten die REP in folgenden Wahlbezirken: 1999 1994 Ludwigshafen am Rhein 5,3% 3 Sitze 5,6% 4 Sitze Mainz 3,8% 2 Sitze 3,8% 2 Sitze Speyer 4,7% 2 Sitze 2,8% 0 Sitze Schifferstadt 4,6% 1 Sitz 3,5% 1 Sitz Germersheim 10,0% 3 Sitze nicht teilgenommen Limburgerhof 3,6% 1 Sitz nicht teilgenommen Landkreis Germersheim 4,8% 2Sitze 4,9% 2 Sitze Landkreis Kusel 4,7% 2 Sitze 4,0% 2 Sitze Landkreis Ludwigshafen 3,5% 2 Sitze 4,5% 2 Sitze Aufgrund der Wahlniederlagen und des umstrittenen Kurses des Parteivorsitzenden Dr. SCHLIERER vermehrten sich die Rufe nach einem Bündnis mit anderen rechten Parteien und Organisationen. Selbst die ansonsten inaktive "Republikanische Jugend" (RJ) forderte in einer Resolution den Rücktritt des Parteivorsitzenden und einen engeren Zusammenhalt der "rechten Gemeinschaft". Klagen gegen die nachrichtendienstliche Beobachtung Im Klageverfahren des REP-Landesverbandes Rheinland-Pfalz gegen das Land Rheinland-Pfalz entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) - 32 - Koblenz in der Berufungsverhandlung am 10. September 1999, dass die weitere Beobachtung der REP durch den Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln in Rheinland-Pfalz zulässig sei. Gegen das Urteil beantragte der Landesverband die Zulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Berlin18. Im Revisionsverfahren des REP-Landesverbandes Niedersachsen gegen das Land Niedersachsen stellte auch das BVerwG Berlin in seinem Urteil vom 7. Dezember 1999 Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen fest. Zur Klärung der Frage, ob der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in Niedersachsen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, wurde die Sache an das OVG Lüneburg zurückverwiesen, weil dieses im Gegensatz zum OVG Koblenz zu dieser Frage seinerzeit keine Feststellungen getroffen hatte. Im Verfahren der REP gegen das Land Bayern u.a. wegen nachrichtendienstlicher Beobachtung, hat die Partei ihre Klage inzwischen zurückgezogen. 1.7 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Beziehungen zu Gesinnungsgenossen im Ausland; insbesondere versprechen sie sich davon Impulse für ihre "nationale Sache". Zudem werden sie aus dem Ausland mit Propagandamaterial versorgt, dessen Herstellung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen bestehen bereits seit vielen Jahren insbesondere in die USA (NSDAP/AO), nach Kanada, in die Niederlande sowie nach Schweden, Dänemark, Spanien, Österreich, Frankreich und Belgien. 18 Mit Beschluss vom 3. März 2000 hat das BVerwG die Beschwerde der REP gegen die Nichtzulassung der Revision verworfen. - 33 - In mehreren europäischen Staaten kommt es regelmäßig zu anlassbezogenen Treffen von Rechtsextremisten, so zum Gedenken an den Todestagen von Mussolini, Franco und Rudolf Heß. Anlässlich der "Rudolf HeßGedenkveranstaltungen 1999" beteiligten sich am 14. August 1999 ca. 150 deutsche Neanazis an einer Demonstration vor der deutschen Botschaft in Bern/Schweiz. Insgesamt 50 Rechtsextremisten aus Deutschland versammelten sich am 28. August 1999 aus Anlass der 72. "Ijzerbedevaart" im belgischen Diksmuide. Etwa 50 deutsche Rechtsextremisten haben an den Gedenkfeiern zu Ehren des spanischen Diktators Franco vom 19. bis 21. November 1999 in Spanien teilgenommen. - 34 - 2. LINKSEXTREMISMUS Linksextremistischen Gruppierungen konnten 1999 bundesweit ca. 34.200 Personen (1998: ca. 34.700) zugerechnet werden (davon in RheinlandPfalz wie 1998 etwa 750). Ihr Ziel ist die Beseitigung der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, um an deren Stelle eine kommunistische oder eine herrschaftsfreie Gesellschaft (Anarchie) zu errichten. Der politische Kampf der Linksextremisten orientiert sich weitgehend an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien. Ein Teil der Gruppierungen bedient sich dabei militanter Aktionsformen. Viele Organisationen sehen nach Überwindung ihrer aus dem weltweiten Niedergang des Sozialismus entstandenen fundamentalen Existenzkrise inzwischen wieder Ansätze zur Umsetzung eigener Zielvorstellungen. Dies zeigt sich im linksextremistischen Lager trotz ideologisch-politischer Unterschiede in einer verstärkten ereignisbezogenen Zusammenarbeit, die 1999 insbesondere in Aktionen und Agitationen gegen den Einsatz der NATO im Kosovokonflikt offenbar wurde. 2.1 Marxisten/Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Die DKP konzentrierte sich auch 1999 auf den Erhalt der nach dem Scheitern des "realen Sozialismus" verbliebenen, stark dezimierten Organisationsstruktur sowie auf die Wiedererlangung der politischen Handlungsfähigkeit der Partei. Hierbei setzen jedoch die hohe Altersstruktur und die finanzielle Situation nach wie vor enge Grenzen. Derzeit hat die Partei etwa 5.000 Mitglieder; leichten Aufwind sieht sie in den neuen Bundesländern. Die DKP fixiert ihre politischen Zielsetzungen weiterhin unbeirrt am Marxismus-Leninismus und den hieraus resultierenden Revolutionsund - 35 - Klassenkampftheorien. Aus ihrer Sicht bleibt der revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen Voraussetzung dafür, um zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zu gelangen. Der Sozialismus wird von der Partei als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme propagiert. Höhepunkt der politischen Arbeit der DKP war auch im Jahre 1999 wieder das Pressefest der DKP-Wochenzeitung "Unsere Zeit" (UZ) vom 27. bis 29. August in Dortmund. Die DKP wertete den Verlauf (laut Eigenangaben ca. 40.000 Teilnehmer) als Stärkung der Partei. Der politische Aktionismus der DKP widmet sich den traditionellen Themenfeldern "Antifaschismus", "Antiimperialismus" sowie der Gewerkschafts-, Aktionseinheits-, und Bündnispolitik. Die Partei sieht es als ihre "strategische Aufgabe" an, "einen Beitrag zur Formierung breiter gesellschaftlicher Allianzen zu leisten und in sie klassenkämpferische Positionen einzubringen". Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen arbeitsund sozialpolitischen Situation hofft die DKP nach wie vor auf eine stärkere Akzeptanz bei den Arbeitnehmern und Ansatzpunkte zur Propagierung ihrer Ideologie. Darüber hinaus agitierte die DKP im Jahre 1999 insbesondere gegen die "NATO-Aggression" in Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt, führte Veranstaltungen zum 50. Jahrestag der Gründung der ehemaligen DDR durch und setzte ihre Solidaritätsarbeit für das sozialistische Kuba fort. Bei den Europawahlen am 13. Juni 1999 kandidierte die DKP nicht, sondern rief nach kontroversen innerparteilichen Diskussionen und einer Entscheidung des DKP-Parteivorstandes vom 10. Mai 1999 zur Wahl der PDS auf. Trotz des Wahlaufrufes zugunsten der PDS führte die DKP aber einen eigenständigen Wahlkampf. - 36 - Auf Platz 12 der PDS-Liste zur Europawahl kandidierte ein DKP-Funktionär. Im übrigen wird das Bekenntnis zu einer Zusammenarbeit beider Parteien regelmäßig bei Treffen von Spitzenfunktionären bekräftigt. In Rheinland-Pfalz werden die Aktivitäten des ca. 100 Mitglieder umfassenden DKP-Bezirksverbandes weiterhin durch niedrige personelle und finanzielle Ressourcen begrenzt. Als örtliche Schwerpunkte sind insbesondere Bad Kreuznach und Idar-Oberstein erkennbar. Laut DKP-Bezirks-info Rheinland-Pfalz, Ausgabe Oktober 1999 bestehen darüber hinaus DKPKreisorganisationen bzw. kreisfreie Gruppen in Kaiserslautern, Kusel, Ludwigshafen, Mainz, Speyer, Worms und Koblenz. Bei den Kommunalwahlen am 13. Juni 1999 erlangte die DKP über Bündnislisten jeweils ein Mandat im Stadtrat Idar-Oberstein und im Kreistag von Birkenfeld. 2.1.2 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Die PDS wirkt in Rheinland-Pfalz - wie in zahlreichen anderen alten Bundesländern - auch als ein Anlaufpunkt ehemaliger und aktiver Linksextremisten verschiedener politischer Herkunft. Der PDS-Landesverband Rheinland-Pfalz setzte seine Aufbauarbeit fort und verfügt inzwischen landesweit über eine - nach eigenen Angaben ausreichend konsolidierte - Organisationsstruktur für eine politische Arbeit. Ihm gehören fast 200 Mitglieder an. Schwerpunkte sind in den Universitätsstädten erkennbar. In Mainz trat die PDS zur Kommunalwahl am 13. Juni 1999 an und erhielt einen Stimmenanteil von 1,5%. Bei der Europawahl erhielt die PDS in Rheinland-Pfalz 0,8% der Stimmen (Europawahl 1994 = 0,4% und Bundestagswahl 1998 = 1%). Die Partei beabsichtigt, bei der Landtagswahl im Jahre 2001 zu kandidieren. - 37 - 2.1.3 Sonstige Zum Spektrum der sonstigen revolutionären Marxisten gehören zahlreiche Organisationen mit verschiedenen ideologischen Bezugspunkten, deren Bekanntheitsund Wirkungsgrad jedoch sehr unterschiedlich ist. Öffentlich in Erscheinung treten in Rheinland-Pfalz insbesondere die maoistisch orientierte "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) und der trotzkistische "Revolutionär Sozialistische Bund/IV. Internationale" (RSB). Aktivitäten dieser Gruppen gibt es in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. "Rote Hilfe e.V." (RH) Die "Rote Hilfe e.V." (RH), eine von Linksextremisten getragene, bundesweit agierende Solidaritätsorganisation für "politische Verfolgte aus dem linken Spektrum der BRD und anderen Ländern" mit bundesweit über 3.500 Mitgliedern (in Rheinland-Pfalz ca. 50), engagierte sich auch 1999 gegen den "Staatlichen Repressionsapparat" und unterstützte deutsche und ausländische gewaltorientierte Linksextremisten mit Zuschüssen für Prozessund Anwaltskosten. Am 18. März 1999 rief die RH zusammen mit weiteren linksextremistischen Gruppierungen traditionsgemäß zu einem bundesweiten Aktionstag für die "politischen Gefangenen" auf. Sie beteiligte sich darüber hinaus an den Gegenaktionen anlässlich des Anfang Juni 1999 in Köln stattgefundenden EU-Gipfels und startete im Spätsommer 1999 eine Kampagne "Für die Freilassung der Gefangenen aus der RAF". 2.2 Gewalttätiger Linksextremismus Weiterhin gefährden gewalttätige Linksextremisten - zumeist aus dem autonomen Spektrum - die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. - 38 - Spätestens seit der selbstverkündeten "offiziellen" Auflösung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im April 1998 gehört der deutsche Linksterrorismus in dieser Form der Vergangenheit an. Das verbliebene Umfeld beschäftigt sich vorwiegend mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Die Strukturen innerhalb des militanten linksextremistischen Spektrums haben sich in den letzten Jahren zunehmend verändert. Sie sind in Bezug auf Kommunikation sowie aktionsbezogene Zusammenarbeit mit gewaltfreien "Linken" und bisweilen auch mit nichtextremistischen Gruppierungen durchlässiger und somit auch unübersichtlicher geworden. Die Anzahl der 1999 von Linksextremisten verübten Gewalttaten, für die in erster Linie Autonome verantwortlich waren, ist im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgegangen. Dagegen ist die Zahl der militanten Aktionen gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten erheblich gestiegen. Auffällig in diesem Bereich ist zugleich die weiter zunehmende Brutalität. Insgesamt konnten bundesweit 571 (1998: 626) Gewalttaten registriert werden; in Rheinland-Pfalz gab es 2 (1998: 0) Gewalttaten zu ver19 zeichnen . 2.2.1 Terroristische Gruppierungen "Rote Armee Fraktion" (RAF) Am 15. September 1999 wurde in Wien der seit 1986 wegen mutmaßlicher RAF-Mitgliedschaft mit internationalem Haftbefehl gesuchte Horst Ludwig MEYER20 bei einem Schusswechsel mit Polizeibeamten tödlich verletzt. Die mit ihm zusammenlebende, ebenfalls seit 1984 wegen mutmaßlicher RAF-Mitgliedschaft gesuchte Andrea KLUMP wurde unverletzt 19 Alle Zahlenangaben ohne Widerstandsdelikte (im wesentlichen Delikte gegen staatliche Personen u. Einrichtungen). 20 M. wird u.a. mit dem tödlichen Anschlag der RAF vom 9. Juli 1986 auf das Siemens-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Karlheinz Beckurts in Verbindung gebracht. - 39 - festgenommen und am 23. Dezember 1999 nach Deutschland ausgeliefert. In der Wiener Wohnung der beiden wurden Fälschungsutensilien, ein Computer sowie deutsche und dänische Personaldokumente gefunden. Als Reaktion auf die exekutiven Maßnahmen in Wien wurde in der Nacht zum 17. September 1999 auf das Botschaftsgebäude der Republik Österreich in Kopenhagen ein Brandanschlag verübt. In einem dazu in dänischer Sprache abgefassten Bekennerbrief bezichtigte sich eine bislang unbekannte "Aktionsgruppe Horst Ludwig MEYER" der Tat. In der deutschen linksextremistischen Szene fand das Wiener Ereignis kaum Resonanz. Die militante "Autonome Anitfa (M)" aus Göttingen kritisierte in einer Erklärung vom 16. September 1999, dass selbst nach der Beendigung des bewaffneten Kampfes die "Kill-Fahndung" des Staates als Bestandteil der Vernichtungsstrategie gegen die radikale Linke fortbestehe. Die Szenepublikationen "INTERIM" (Nr. 485 vom 7. Oktober 1999) und "Angehörigen-Info" (Nr. 225 vom 4. Oktober 1999) agitierten in gleicher Weise. Am 5. Januar 1999 wies der Bundesgerichtshof den Revisionsantrag der zu lebenslanger Haft verurteilten RAF-Terroristin Birgit HOGEFELD als unbegründet zurück und bestätigte insoweit die "besondere Schwere der Schuld". Das Verfahren - u.a. wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs - wurde damit rechtskräftig abgeschlossen. Das seit 1985 mit internationalem Haftbefehl gesuchte mutmaßliche RAFMitglied Barbara MEYER - ihr wird u.a. Mittäterschaft bei einem Überfall auf einen Geldboten (Juni 1985) sowie Beteiligung an einem versuchten Sprengstoffdiebstahl (Juli 1985) vorgeworfen - stellte sich am 4. Mai 1999 in der deutschen Botschaft in Beirut (Libanon) den Strafverfolgungsbehörden und wurde bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland - 40 - festgenommen. Wegen fehlender Fluchtgefahr wurde sie am 11. Oktober 1999 aus der Untersuchungshaft entlassen. Des weiteren wurden die inhaftierten RAF-Mitglieder Stefan WISNIEWSKI (1. März 1999) und Sieglinde HOFMANN (5. Mai 1999) auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Die über Jahre anhaltenden Bemühungen der sog. Angehörigengruppe der inhaftierten RAF-Mitglieder nach Freilassung aller noch einsitzenden "RAF-Gefangenen" haben 1999 weiter an Intensität verloren. Das bundesweit erscheinende "Angehörigen-Info", das sich fast ausschließlich den "RAF-Gefangenen" widmete, hat mittlerweile seine Berichterstattung auf die politischen Gefangenen unterschiedlichster Art weltweit ausgedehnt. "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Das OLG Düsseldorf verurteilte am 1. September 1999 die AIZ-Angehörigen Bernhard FALK und Michael STEINAU wegen vierfachen versuchten Mordes, Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen und der Verabredung eines Verbrechens zu Haftstrafen von 13 bzw. 9 Jahren. Ihnen wird zur Last gelegt, unter der Bezeichnung AIZ von 1992 bis 1995 insgesamt neun Brand-, Schusswaffenund Sprengstoffanschläge verübt zu haben. "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Der Deutsch-Palästinenser Tarek M. wurde am 19. Mai 1999 aufgrund eines Haftbefehls wegen des dringenden Verdachts der Unterstützung der terroristischen Vereinigung RZ und des unerlaubten Besitzes von Sprengstoff festgenommen. Am 7. Juli 1999 wurde der Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Erkenntnisse aus den im Rahmen der Exekutivmaßnahmen im Mai 1999 sichergestellten Asservaten sowie Nachermittlungen führten zur Erweiterung des Haftbefehls auf Rädelsführerschaft in - 41 - der RZ sowie Tatbeteiligung u.a. an den Schusswaffenanschlägen auf den Vorsitzenden Richter am Berliner Bundesverwaltungsgericht im September 1987, den Leiter der Berliner Ausländerbehörde im Oktober 1986 sowie an dem Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Berlin im Februar 1987. M. wurde deswegen am 23. November 1999 erneut festgenommen. Am 19. Dezember 1999 kam es in Berlin und Frankfurt am Main zu Festnahmen von drei weiteren mutmaßlichen RZ-Mitgliedern. Der im September 1998 in Frankreich verhaftete frühere RZ-Angehörige Hans-Joachim KLEIN wurde im Mai 1999 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Mitte November 1999 wurde er von der Frankfurter Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Konferenz der Erdöl exportierenden Länder im Dezember 1975 in Wien wegen dreifachen Mordes angeklagt. 2.2.2 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) Die Aktivitäten innerhalb des AIW reduzierten sich - nicht zuletzt wegen unterschiedlicher ideologischer Ansichten und fehlender konkreter Zielvorstellungen - auf die fortwährenden Bemühungen der Initiative "Liber21 tad!" , in verschiedenen Kampagnen und Aktionen "Ziele internationaler Zusammenarbeit und Solidarität mit den politischen Gefangenen weltweit" umzusetzen. Neben der Mobilisierung zu dem am 18. März 1999 durchgeführten bundesweiten Aktionstag "Freiheit für alle politischen Gefangenen" gelang es "Libertad!" mit tatkräftiger Unterstützung der Frankfurter Gruppe "Kein Friede" sowie weiteren antiimperialistischen und autonomen Gruppierungen, eine internationale Arbeitskonferenz unter dem Motto "Befriedung 21 Die Initiative "Libertad" ging aus den 1992 in München gegen den Weltwirtschaftsgipfel gerichteten "antiimperialistischen" Aktionen hervor. - 42 - oder Befreiung? Perspektiven internationaler Solidarität" vom 1. bis 5. April 1999 in Berlin zu veranstalten. Mit ca. 800 Teilnehmern an der Abschlussveranstaltung wurde eine beachtliche Resonanz erzielt. Durch die Anwesenheit von ausländischen Aktivisten aus weltweiten Basisund Befreiungsprozessen aus 25 Ländern - überwiegend aus Europa, Lateinamerika und Afrika - wurde die Internationalisierung als Voraussetzung für den angestrebten künftigen "Aufbau eines weltweiten Vernetzungssystem oppositioneller Gruppen" erreicht. Gruppen und Einzelpersonen des AIW, insbesondere die Initiative "Libertad!", riefen im Frühjahr 1999 unter dem Motto "Wir sind alle PKK!" zur Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf und zur Unterstützung der kurdischen Genossen auf. Gleichzeitig wurde der Militäreinsatz der NATO auf dem Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien als "Angriffs-krieg" verurteilt. Im Internet forderte das Kaiserslauterer "Komitee für Internationale Solidarität" u.a. dazu auf, die "NATO-Kriegspolitik" zu bekämpfen. 2.2.3 Autonome Das Potenzial der Autonomen beträgt bundesweit unverändert etwa 6.000 Personen. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. 130 Autonome, hauptsächlich in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Trier und im pfälzischen Raum. Autonome haben im allgemeinen keine fundierten ideologischen Konzepte. Entscheidend für sie ist der Grundgedanke der "Anti-Staatlichkeit"; sie streben in diesem Sinne eine herrschaftsfreie Gesellschaft an. Dazu ist es aus ihrer Sicht notwendig, den verhassten Staat auch mit Gewalt zu bekämpfen. Die Gewalt der Autonomen richtet sich sowohl gegen Sachen als auch gegen Menschen (z.B. "Faschos" und "Bullen"). Neben zahlrei- - 43 - chen Anlaufund Kontaktstellen (sog. Infoläden, Antifa-Cafes etc.), so in Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern, Mainz, Neustadt/Weinstraße und Trier, nutzt die autonome Szene moderne Kommunikationsmittel wie MobilTelefone, Mailboxen und zunehmend auch das INTERNET. Nach wie vor große Bedeutung kommt den zahlreichen autonomen SzenePublikationen zu, die u.a. regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere, Demonstrationsaufrufe und Berichte über "Nazi-Aktivitäten" veröffentlichen. Die meisten dieser Blätter, wie "SWING - autonomes-rhein-maininfo", "ARNie - Informationsbrief des antifaschistischen Aktionsbündnis Rhein-Neckar (AARN)" oder der "KOBLENZER-Zerr-SPIEGEL", decken vorrangig die Regionalbereiche ab. Bundesweite Bedeutung haben Publikationen wie "INTERIM" aus Berlin und das Untergrundblatt "radikal", das allerdings 1999 nur einmal erschien (Nr. 156/Juni 1999). Gleichwohl lässt diese Ausgabe, u.a. mit einer Anleitung zum Bau von zündzeitverzögerten Brandsätzen, das verstärkte Bemühen der neuen "Macher" erkennen, die Zeitschrift als Forum für die Diskussion linksradikaler Themen außerhalb staatlicher Kontrollen wieder in das Bewußtsein der Szene zu bringen. Obwohl die Mehrzahl der Autonomen nach ihrem Selbstverständnis festgefügte Organisationen und hierarchische Strukturen ablehnt, konnte sich seit 1992 die "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/ BO) entwickeln, die sich fortgesetzt um eine stärkere Organisierung und Strukturierung des gewaltbereiten linksextremistischen Potentials bemüht. Gruppen der AA/BO agitierten verstärkt unter Jugendlichen, riefen offen zu Gewalt auf und gehörten zu den Mitinitiatoren von zum Teil militant verlaufenen antifaschistischen Demonstrationen. Im März 1999 startete die AA/BO unter dem Motto "ANTIFA OFFENSIVE 99 - Den rechten Vormarsch stoppen!" eine von über 30 Gruppierungen - darunter die "Antifaschistische Aktion Koblenz" - getragene Kampagne mit dem Ziel, die örtlichen und regionalen Strukturen von Rechtsextremisten aufzudecken und öffentlich zu thematisieren. So fanden zahlreiche, teilweise bundesweit koordinierte Aktionen gegen "organisierten Neofaschismus" und "rechte Subkultur" statt. - 44 - In den letzten Jahren konnten in erster Linie in der "neuen" Bundeshauptstadt Berlin autonome Strukturen mit terroristischen Ansätzen festgestellt werden. Diese Entwicklung setzte sich auch 1999 fort. Brandund Sprengstoffanschläge verursachten Schäden in Millionenhöhe. Als Schutz vor staatlichen Maßnahmen firmieren die unbekannten Täter in ihren Selbstbezichtigungsschreiben unter ständig wechselnden Aktionsnamen wie beispielsweise "Autonome Gruppe 'Zerschlagt die NATO'" oder "Autonome Gruppen 'Rassisten stinken'". 2.3 Aktionsfelder militanter Linksextremisten Antifaschismus Der sog. antifaschistische Kampf ist auch 1999 das Hauptbetätigungsfeld militanter Linksextremisten geblieben. Systematisch wurden "Faschos" (Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten) ausgespäht und Rechercheergebnisse in Publikationen oder mittels Flugschriften veröffentlicht. So kamen im Rahmen der "ANTIFA OFFENSIVE 99" u.a. im August 1999 in der Südpfalz (Schifferstadt und Annweiler) jeweils Flugblätter mit "Steckbriefen" von Angehörigen der örtlichen rechtsextremistischen Szene sowie Parolen "Vorsicht Neonazi in ihrer Nachbarschaft!" und "Den rechten Vormarsch stoppen!" zur Verteilung. Im "ARNie", November-Ausgabe 1999, war unter der Überschrift "nazifunktionär wieder aktiv!" eine Pressemitteilung der "autonomen antifaschistischen front neustadt" mit einer ausführlichen Beschreibung der Aktivitäten eines mit Namen genannten Rechtsextremisten aus Neustadt/ Weinstraße abgedruckt. Der Text endet mit der Parole: "nazis outen!!! antifa heisst angriff!!! kein fuß breit den faschisten!!!". - 45 - Anschläge militanter Linksextremisten auf sog. Faschos und deren Eigentum wurden ungebrochen fortgesetzt; dabei hat die Brutalität weiter zugenommen. So haben Anfang Dezember 1999 in Ludwigshafen am Rhein vier unbekannte, schwarz gekleidete und mit "Sturmhauben" vermummte Personen einen ortsbekannten Rechtsextremisten verfolgt, in einem Eis-Cafe gestellt und u.a. mit Teleskopstöcken geschlagen. Im November 1999 wurden in Annweiler (Kreis Südliche Weinstraße) bei einem Kraftfahrzeug eines "Neonazis" die Scheiben eingeschlagen, Reifen zerstochen und die Parole "Nazisau" mit roter Farbe aufgesprüht. Das Berliner Szeneblatt "INTERIM" vom 2. Dezember 1999 veröffentlichte dazu eine mit "autonome antifas" unterzeichnete Tatbekennung, die mit der Parole endet: "lasst nazis keine ruhe - für die militante OFFENSIVE". Bei Ankündigung öffentlicher Veranstaltungen von Rechtsextremisten riefen militante "Antifas" in der Regel dazu auf, diese mit allen Mitteln zu verhindern. So kam es im Laufe des Jahres 1999 bundesweit, auch unter Beteiligung rheinland-pfälzischer Autonomer, zu folgenden Protestbzw. Gegenaktionen: 20. Februar Demonstration gegen JN in Saarbrücken 22. Mai Demonstration gegen NPD in Köln 4. September Demonstration gegen einen "Naziladen" in Neunkirchen/Saarland 26. September Antifaschistischer Aktionstag "Nazis raus aus den Stadien" in Mannheim 2. Oktober Demonstration gegen NPD in Köln 9. Oktober Abschlussveranstaltung "ANTIFA OFFENSIVE '99" gegen NPD in Stuttgart - 46 - Um neue Aktivisten für die "Antifa-Arbeit" zu gewinnen, fand zum wiederholten Male auf Initiative des "Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar" (AARN) vom 28. September bis 21. Oktober 1999 eine "Antifa-Mobiltour" mit Stationen in Bruchsal, Hockenheim und in der Pfalz (Schifferstadt und Annweiler) statt. Kampagne gegen die Kernenergie Militante Linksextremisten taten sich auch 1999 innerhalb der in ihrer großen Mehrheit nicht extremistischen Anti-AKW-Bewegung mit eigenen Aktionen hervor. Am 24. März 1999 brachten Unbekannte den Mast einer Stromleitung der Bahn im Landkreis Potsdam zum Umstürzen und verursachten damit Sachschaden von ca. 450.000 DM. In einem mit "Autonome Gruppen" gekennzeichneten Bekennerbrief, der u.a. die Atompolitik der neuen Bundesregierung kritisierte, wurde dazu aufgefordert, den Druck der AntiAKW-Bewegung zu erhöhen und eine "Gegenmacht zu den herrschenden Strukturen" aufund auszubauen. Bei einer am 6. Juli 1999 im norddeutschen Raum innerhalb der militanten autonomen Szene erfolgten Durchsuchungsaktion der Bundesanwaltschaft konnte erstmals geeignetes Beweismaterial (angesägte Gleisstücke, die Handskizze einer Hakenkralle, Werkzeuge zum Lockern von Schienen etc.) für eine Anklage wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr und Bildung einer terroristischen Vereinigung sichergestellt werden. In den regelmäßig unter Beteiligung von Linksextremisten im Jahr 1999 durchgeführten Anti-AKW-Konferenzen wurde in erster Linie über weitere Handlungsmöglichkeiten nachgedacht, um einem sofortigen Ausstieg aus - 47 - der Atomwirtschaft Nachdruck zu verleihen. Widerstand sei gleichermaßen gegen CASTOR-Transporte von Atomkraftwerken zu Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und England, gegen die Rücktransporte des wiederaufgearbeiteten Materials nach Deutschland sowie gegen innerdeutsche Transporte von den Atomkraftwerken zu den Zwischenlagern zu richten. Im Rahmen einer "Verstopfungsstrategie" will man einen Entsorgungsnotstand und somit letztlich die Stilllegung von Atomkraftwerken herbeiführen. Die 1999 bundesweit organisierten Großdemonstrationen/Blockaden der Anti-AKW-Bewegung verliefen in der Regel friedlich. "Antirassismus" Die Flüchtlings-, Asylund Abschiebepolitik beschäftigte auch 1999 militante Linksextremisten. Ziel ihrer Angriffe waren angebliche Profiteure des Rassismus sowie vermeintliche Schreibtischtäter in Parteien, Behörden und Redaktionen. In Ballungsräumen, wie beispielsweise in Berlin, kam es fortgesetzt zu zielgerichteten Brandanschlägen mit beträchtlichen Sachschäden. In Zweibrücken nahmen am 2. Oktober 1999 rund 120 Personen - zum Teil aus dem autonomen/antifaschistischen Spektrum aus dem Saarland - an einer Demonstration gegen die örtliche Abschiebehaftanstalt Birkhausen teil. Mit der friedlich verlaufenen Aktion unter dem Motto "Abschiebehaft abschaffen" sollte ein Zeichen gegen "rassistische Politik" gesetzt werden. Am 15. Oktober 1999 beteiligten sich annähernd 200 Personen an einer Demonstration gegen die Bundesgrenzschutzdirektion in Koblenz als Teil eines europaweiten Aktionstages anlässlich des EU-Gipfeltreffens zur Migrationsund Flüchtlingspolitik in Tampere (Finnland). Die Teilnehmer trugen Transparente mit der Aufschrift "Festung Europa" und "Fluchthilfe statt Menschenjagd". - 48 - "Internationalismus" Die internationalistisch ausgerichteten Aktivitäten militanter Linksextremisten hielten auch 1999 an. In örtlichen "Kurdistan-Solidaritätsgruppen" und in der aus Köln nach Berlin umgezogenen Dachorganisation "Informationsstelle Kurdistan" (ISKU) organisierte Angehörige des autonomen und antiimperialistischen Spektrums unterstützten weiterhin die Ziele und Belange der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), insbesondere reagierten sie auf die Festnahme und Verurteilung des PKK-Vorsitzenden Abdullah ÖCALAN verstärkt mit demonstrativen Aktionen. So führte die ISKU in der Zeit vom 22. Oktober bis 6. November 1999 eine Busreise durch mehrere deutsche Städte unter dem Motto "Freiheit für Abdullah ÖCALAN - für eine politische Lösung in Kurdistan" durch. Das maßgeblich aus linksextremistischen Kräften zusammengesetzte "Kurdistan-Bündnis Mainz" war 1999 bemüht, die Kurden-Thematik durch Flugblattverteilung und Infostände im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu halten. U.a. beteiligte man sich am 26. März 1999 an einer Demonstration "Frieden für Kurdistan" durch die Mainzer Innenstadt. Am 26. August 1999 fand in Mainz eine vom "Kurdistan Bündnis" initiierte Informationsveranstaltung zum ÖCALAN-Prozess mit einem seiner Rechtsanwälte statt, an der sich ca. 100 Personen beteiligten. Mumia Abu JAMAL-Solidaritätsgruppen Gruppen aus dem autonomen und antiimperialistischen Spektrum reagierten mit spontanen Protestkundgebungen in mehreren deutschen Städten auf die zuletzt für den 2. Dezember 1999 festgesetzte, jedoch wieder aufgehobene und auf unbestimmte Zeit verschobene Hinrichtung gegen das in den USA wegen Polizistenmordes zum Tode verurteilte e- hemalige "Black Panther"-Mitglied Mumia Abu JAMAL. - 49 - Am 13. November 1999 kam es in Kaiserslautern auf Initiative des "Bundestreffens" und eines örtlichen Mumia Abu JAMAL-Unterstützerkomitees unter dem Motto "Für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu JAMAL und allen politischen Gefangenen" zu einer friedlichen Demonstration mit annähernd 400 Teilnehmern. Kosovo-Konflikt Angesichts des militärischen Eingreifens der NATO in den Kosovo-Konflikt im Frühjahr 1999 demonstrierte nahezu das gesamte linksextremistische Lager - zum Teil in unterschiedlichen Bündnissen und Zusammensetzungen, auch zusammen mit serbischen Vereinen - sowohl gegen die NATO und ihren "völkerrechtswidrigen" und "imperialistischen" Krieg als auch gegen die Politik der Bundesrepublik Deutschland. Der Auftritt des Bundesverteidigungsministers am 1. Mai 1999 in Ludwigshafen wurde von ca. 150 Personen durch ein Pfeifkonzert massiv gestört; Teilnehmer, die den Minister als "Mörder" bezeichneten, wurden dabei festgenommen. Militante Linksextremisten verübten darüber hinaus bundesweit eine Reihe von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen; außerdem kam es zu mehreren massiven Drohungen mit Straftaten. EUund Weltwirtschaftsgipfel in Köln Unter Beteiligung von militanten Linksextremisten - u.a. aus RheinlandPfalz - protestierte in Köln ein breites linkes Aktionsbündnis gegen die 1999 dort durchgeführten Gipfeltreffen (EU-Gipfel vom 3. bis 4. Juni und Weltwirtschaftsgipfel vom 18. bis 20. Juni): An der zentralen Demonstration "Europäische Märsche gegen Arbeitslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung, Rassismus und Krieg" am 29. Mai 1999 beteiligten sich insgesamt 11.000 Personen. Aus zwei von Autonomen gebildeten "Schwarzen Blöcken" heraus kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. - 50 - Am 3. Juni 1999 nahmen rund 2.200 Linksextremisten, überwiegend Autonome, an einer Kundgebung gegen die EU-Ratstagung teil. Unter dem Motto "Fight Fortress Europe" schlossen sich auch Autonome aus anderen europäischen Ländern dem Aufzug an. Ein linksextremistisch dominiertes "Bündnis Köln 99" veranstaltete anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels am 19. Juni 1999 eine Demonstration "Gipfelsturm", an der bis zu 8.000 Personen teilnahmen. - 51 - 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ende 1999 gehörten bundesweit ca. 59.700 (1998: etwa 59.100) und landesweit etwa 1.150 (1998: ca. 1.200) Personen extremistischen bzw. extremistisch beeinflussten Ausländerorganisationen an. Das entspricht bundesweit einem Anteil von etwa 0,8% an den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden rund 7,5 Millionen Ausländern. In Rheinland-Pfalz sind es weniger als 0,4% von etwa 311.500 ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Die zu verzeichnenden Gewalttaten extremistischer Ausländer beliefen sich im Jahre 1999 auf bundesweit 391 (1998: 258). In Rheinland-Pfalz wurden zwei Gewalttaten festgestellt (1998: 1). 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 3.1.1 Allgemeine Lage Zentrales Thema und Hintergrund aller Aktivitäten der seit dem 26. November 1993 in Deutschland verbotenen PKK war im Jahre 1999 das Schicksal ihres Generalvorsitzenden Abdullah ("Apo" = Onkel) ÖCALAN. ÖCALAN war am 15. Februar 1999 aus Nairobi/Kenia auf die türkische Gefängnisinsel Imrali verbracht und dort am 29. Juni 1999 zum Tode verurteilt worden. Das Kassationsgericht in Ankara bestätigte am 25. November 1999 das Todesurteil. Über die Vollziehung des Urteils haben das türkische Parlament und letztendlich der türkische Staatspräsident noch nicht entschieden. Hoffnung knüpft die PKK an eine für sie positive Entscheidung über einen Eilantrag der Anwälte ÖCALANs an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg auf Aussetzung aller Maßnahmen zum Vollzug des Todesurteils. Nach einem Beschluss der türkischen Regierung vom 12. Januar 2000 soll vor einer endgültigen Entscheidung im Parlament der Spruch dieses Gerichtshofes abgewartet werden. - 52 - Die Bekanntgabe der Verhaftung ÖCALANs durch die türkischen Medien und die Umstände seiner Verbringung in die Türkei führten auch in Deutschland und den Nachbarländern zu militanten Reaktionen der PKK. In zahlreichen europäischen Städten, vor allem aber auch in vielen deutschen Städten wie Bonn, Düsseldorf, Hamburg, Köln und Berlin, kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und Geiselnahmen seitens der kurzfristig über Mobiltelefone mobilisierten PKK-Anhängerschaft. In der Bundesrepublik Deutschland waren insbesondere Einrichtungen der Türkei, Griechenlands, Israels und Kenias, aber auch Büros deutscher Parteien, z.B. das SPD-Parteibüro in Hamburg, Ziele der PKK-Anschläge. Der schwerste Zwischenfall ereignete sich am 17. Februar 1999 bei der versuchten Erstürmung des israelischen Konsulats in Berlin. Israelische Sicherheitskräfte erschossen drei PKK-Anhänger; ein Vierter verstarb einige Tage später in Folge seiner Verletzungen. Nach Aufrufen maßgebender PKK-Europafunktionäre zur Besonnenheit und Einhaltung demokratischer Spielregeln beruhigte sich die PKK-Anhängerschaft in der Folgezeit wieder. Die nach diesen Aufrufen durchgeführten zahlreichen Demonstrationen und die alljährlichen NEWROZFeiern (kurdisches Neujahrsfest am 21. März) verliefen bundesweit friedlich. Die größte Demonstration fand unter dem Thema "Frieden für Kurdistan und Demokratie in der Türkei" am 17. April 1999 in Bonn mit mehr als 80.000 Teilnehmern statt. Lediglich nach Verkündung des Todesurteils am 29. Juni 1999 kam es in Deutschland erneut zu Gewalttaten, so z.B. zu zahlreichen Brandanschlägen auf türkische Reisebüros, Kulturvereine und Geschäfte. Zur Beruhigung der Gesamtlage trugen auch die Aufrufe ÖCALANs von der türkischen Gefängnisinsel Imrali aus bei, der den bewaffneten Kampf nach 15 Jahren für beendet erklärte. Gleichzeitig befahl er am 2. August 1999 den Rückzug der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) zum 1. September 1999 aus dem Kampfgebiet. - 53 - Als Anerkennung der politischen Verhältnisse in der Türkei befahl ÖCALAN symbolhaft zwei 8-köpfigen Gruppen, sich am 1. und 29. Oktober 1999 den türkischen Behörden zu stellen. Gleichzeitig rief er die Kurden in Europa zur Rückkehr in ihre Heimat und zum Wiederaufbau auf. Ziel dieser Maßnahmen war es, die PKK in eine politische Organisation umzuwandeln. Das am 12. April 1995 erstmals in Den Haag/Niederlande zusammengetretene "Kurdische Exilparlament" (PKDW) gliederte sich dem im Mai 1999 in Amsterdam gegründeten "Kurdischen Nationalkongress" (KNK) an, der seitdem versucht, mit Parteien und staatlichen Institutionen auf politischer Ebene Verbindung aufzunehmen und in den USA sowie in Europa Kontaktbüros zu eröffnen. Die PKK-Frauenorganisation "Union der Freien Frauen aus Kurdistan" (YAJK) benannte sich im Juli 1999 in "Partei kurdischer Frauen" (PJKK) um. Weitergehende Beschlüsse, die PKK in eine politische Organisation umzuwandeln, fasste die PKK anlässlich ihres 7. Parteikongresses im Januar 2000. Das Auftreten von ÖCALAN sowie seine Kooperationsbereitschaft im Prozess riefen bei den PKK-Anhängern aber auch Irritationen sowie Unmut hervor. Zwischenzeitlich wird der neue Kurs der PKK jedoch überwiegend akzeptiert, außer von diversen jugendlichen PKK-Anhängern, die die Aufgabe elementarer Programmpunkte wie z.B. die Forderung nach einer Autonomie Kurdistans nicht nachvollziehen können. Eine Spaltung der PKK ist jedoch nicht zu erwarten. 3.1.2 Lage in Rheinland-Pfalz Von den ca. 12.000 PKK-Anhängern in Deutschland wohnen ca. 350 in Rheinland-Pfalz. Hier wurden sie länderübergreifend im Rhein-Neckar- - 54 - Raum (Mannheim/Ludwigshafen), im Rhein-Main-Gebiet (Mainz, Bingen und Bad Kreuznach) und im Großraum Bonn (Koblenz und Umgebung) aktiv. Bei einer unangemeldeten Demonstration in Wiesbaden wegen der Verbringung ÖCALANs auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 18. Februar 1999 wurde u.a. der PKK-Gebietsleiter für Mainz/Wiesbaden festgenommen. Es besteht der Verdacht, dass auch der Anschlag am 23. Februar 1999 in Betzdorf (Kreis Altenkirchen), bei dem unbekannte Täter einen Molotowcocktail auf ein türkisches Geschäft warfen, in diesem Zusammenhang zu sehen ist. In Mainz versammelten sich am 27. Februar 1999 ca. 1.000 PKK-Anhänger bei einer vom "Kurdistan-Bündnis" angemeldeten Protestversammlung. Gegen mehrere PKK-Aktivisten wurden im Laufe des Jahres in RheinlandPfalz wegen Unterstützung der verbotenen PKK Ermittlungsverfahren eingeleitet und Wohnungen polizeilich durchsucht. 3.2 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Die verbotenen türkischen linksextremistischen Organisationen DHKP-C und THKP/-C - Devrimci Sol22 nehmen für sich in Anspruch, die frühere, seit 1983 ebenfalls verbotene Devrimci Sol zu verkörpern; sie verfügen bundesweit zusammen über ca. 1.100 Mitglieder. Die mitgliederstärkere DHKP-C strebt die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates an und verfolgt das Ziel einer klassenlosen Gesell22 Am 13. August 1998 verhängte der Bundesminister des Innern gegen die DHKP-C ein Organisationsverbot und gegen die THKP/-C - Devrimci Sol ein Betätigungsverbot, da die Tätigkeit der Gruppen u.a. die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschlands gefährdet. - 55 - schaft. Mit ihren "Bewaffneten Propagandaeinheiten" (SPW) führt die DHKP-C bevorzugt in den größeren Städten der Türkei terroristische Aktionen durch. In einer im Internet verbreiteten Erklärung bezichtigt sich dieser militärische Arm der DHKP-C, am 10. September 1999 Sprengstoffanschläge auf zwei Außenstellen türkischer Ministerien in Istanbul durchgeführt zu haben. Die THKP/-C - Devrimci Sol unterscheidet sich ideologisch und in ihren Aktionen kaum von der DHKP-C. Die seit der Spaltung der Devrimci Sol im Jahre 1992 im Bundesgebiet gewaltsam ausgetragenen Rivalitäten zwischen der DHKP-C und der THKP/-C - Devrimci Sol um die Vorherrschaft in Europa haben sich im Berichtszeitraum nicht fortgesetzt. Im Jahre 1999 kam es zu zahlreichen Verurteilungen von Funktionären/Aktivisten der DHKP-C. Der ehemalige Deutschlandverantwortliche der Organisation wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im Februar 1999 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen im Jahre 1997 versuchten zweifachen Totschlags in Frankfurt/Main und Hamburg zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen Mordes wurde vom OLG Hamburg im November 1999 ein Aktivist der DHKP-C zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er im April 1997 in Hamburg nach vorangegangenem Streit um den Verkauf der DHKP-C-Publikation "Kurtulus" (Befreiung) den türkischen Inhaber eines Imbisslokals erschossen und war an einem Schusswaffenanschlag auf Mitglieder der THKP/-C - Devrimci Sol im September 1997 in Hamburg beteiligt gewesen. In einer im März 1999 im Internet verbreiteten Stellungnahme gegen ihr Verbot erklärte die DHKP-C: "Die DHKP-C wird alle Demagogien und Verbote des deutschen Imperialismus ins Leere laufen lassen; der bewaffnete Kampf für die Errichtung einer Volksmacht werde nur in der Türkei geführt; weder die Volksbefreiungspartei noch die Front betrieben den bewaffneten Kampf in Deutsch- - 56 - land. Die Bundesrepublik sei allerdings ein ausbeuterisches imperialistisches Land, das nach wie vor die Politik des 'faschistischen NaziDeutschlands' vertrete." Um ein mögliches Verbot von Veranstaltungen in Deutschland zu umgehen, verlagerte die DHKP-C Großveranstaltungen, wie z.B. die Gedenkveranstaltung am 10. April 1999 zum 5. Jahrestag der Parteigründung mit etwa 5.000 Besuchern, die in Genk/Belgien stattfand. 3.3 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) - "Der Kalifatsstaat" Der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V, Köln" (ICCB) wird seit 1995 durch den selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime" Metin KAPLAN geführt. Die Bezeichnung ICCB ist inzwischen im Sprachgebrauch der Organisation jedoch völlig in den Hintergrund getreten; der Verband bezeichnet sich nunmehr als "Hilafet Devleti" (Der Kalifatsstaat). Bundesweit verfügt er über etwa 1.100 Mitglieder. Ziel des islamistisch-extremistischen Verbandes ist die Weltherrschaft des Islam. Als Schritt auf diesem Weg propagiert er die Beseitigung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei. Demokratie und Parteienpluralismus werden als völlig unvereinbar mit dem Islam abgelehnt. In dem Verbandsorgan "Ümmet-i Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) vom 3. Juni 1999 fordert der Sohn des sich derzeit in Untersuchungshaft befindenden Metin KAPLAN die Leser auf, sich unter der Fahne des Kalifen dem Djihad (Heiligen Krieg) anzuschließen, sich zu erheben und zu kämpfen. Jeder Muslim habe die Pflicht, einen islamischen Staat zu gründen, das islamische Recht (Scharia) zum Gesetz und den Koran zur Verfassung zu erheben. Es sei falsch, den Djihad in der Hoffnung hinauszuzögern, die Zahl der Anhänger des "Kalifatsstaates" werde sich noch wesentlich erhöhen. - 57 - Am 25. März 1999 war Metin KAPLAN in Köln festgenommen worden. In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom August 1999 wird ihm vorgeworfen, innerhalb des "Kalifatsstaates" eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, um seinen Führungsanspruch als "Kalif aller Gläubigen" gegenüber Abweichlern wie dem Berliner "Gegenkalifen Halil" Ibrahim SOFU durchzusetzen. Er habe Todesdrohungen gegen SOFU ausgesprochen, der im Mai 1997 einem Attentat von drei bislang unbekannten Tätern zum Opfer fiel. Wegen dieser Festnahme kam es im Verlauf des Jahres 1999 wiederholt zu Protestaktionen seiner Anhänger. So demonstrierten etwa 2.000 Personen am 9. und 10. April 1999 in der Innenstadt von Karlsruhe und vor dem Bundesgerichtshof. Auf mitgeführten Transparenten hieß es u.a.: "Festnahme des Kalifen = Festnahme des Islam" oder "Wir sind Islamisten, keine Terroristen". Auch auf Plakaten wurde KAPLAN als Symbolfigur seiner Organisation mit folgenden Worten glorifiziert23: "Großer Kommandant, heldenhafter Glaubenskämpfer, der trotz aller Hindernisse auf dem Wege des Propheten für das Kalifat eintritt. Wir sind stolz, erfreut und glücklich, dass wir so einen heldenhaften und mutigen Kalifen haben. Entweder Kalifat oder Märtyrertod!" 3.4 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) ist mit etwa 27.000 Mitgliedern weiterhin die größte extremistische Ausländerorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die IGMG fordert die Abschaffung der laizistischen Staatsverfassung in der Türkei und stattdessen die Einführung eines islamischen Staatsund Gesellschaftssystems auf der Grundlage von Koran und Scharia. 23 Der Prozess gegen Metin KAPLAN wurde am 8. Februar 2000 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eröffnet. - 58 - Die Islamisierung der türkischen Gesellschaft und langfristig aller Gesellschaften weltweit, in denen Muslime leben, will die IGMG jedoch nicht durch einen gewaltsamen Umsturz erreichen. Sie setzt vielmehr auf die politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Anhänger sowohl in den Aufenthaltsländern als auch in der Türkei. Die IGMG wirbt unter den in Deutschland lebenden türkischen Landsleuten, in dem sie Beistand und Betreuung in religiösen und sozialen Fragen anbietet. Im Jahre 1999 widmete sich die IGMG wiederum in großem Umfang der islamistischen Erziehungsund Bildungsarbeit; nach wie vor ist die Jugendarbeit ein Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Den türkischen Jugendlichen bietet die IGMG als wichtigster Zielgruppe ein breites Angebot an Freizeitaktivitäten und Weiterbildungsmöglichkeiten. Damit ist sie nach eigenem Bekunden in der Lage, die Jugend dem "Einfluss der westlichen Gesellschaft" zu entziehen und sie an die Organisation heranzuführen. Auch im Jahre 1999 führte die IGMG wieder Großveranstaltungen durch. Einen Höhepunkt bildete die 5. Vollversammlung des Verbandes am 22. Mai 1999 in Köln, an der etwa 40.000 Personen aus Deutschland und dem europäischen Ausland teilnahmen. In seiner Rede forderte der Generalsekretär der IGMG die Erteilung islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen. Weitere öffentliche Veranstaltungen der IGMG waren am 1. Mai 1999 in Düsseldorf der "Tag der Frauen 1999" mit etwa 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie am 16. Oktober 1999 ebenfalls in Düsseldorf der "4. europäische Jugendtag" mit etwa 6.000 Besuchern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. - 59 - 4. "Scientology-Organisation" (SO) 4.1 Organisationen Nach den Ergebnissen der bislang dreijährigen Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat die weltweit agierende SO in Deutschland etwa 5.000 bis 6.000 Mitglieder, deutlich weniger als die von der SO selbst angegebenen 30.000. Während "Kirchen" (sog. Orgs), "Celebrity-Centres" und "Missionen" als SO-Objekte nach außen erkennbar sind, ist dies u.a. bei der "Vereinigung zur Wiedereingliederung von Straftätern" (CRIMINON), der "Anti-Drogen-Einrichtung" (NARCONON), der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) oder dem "Zentrum für Individuelles und Effektives Lernen" (ZIEL) nicht der Fall. Bundesweit sind in den genannten Einrichtungen knapp 1.000 Mitarbeiter tätig, davon einige Hundert sog. Field-Staff-Members, also eine Art "freie Mitarbeiter". Mit Ausnahme der KVPM, die in Wattenheim (Kreis Bad Dürkheim) über eine Kontaktadresse verfügt, konnte bislang in Rheinland-Pfalz keine der vorgenannten Einrichtungen festgestellt werden. Ca. 250 Mitglieder werden in Rheinland-Pfalz der SO zugeordnet, die sich der Angebote der SOEinrichtungen im benachbarten Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen bedienen. Die Führungsinstanz der SO bildet das vielschichtig gegliederte "Religious Technology Center" (RTC) in Los Angeles (USA) mit einer Europazentrale in Kopenhagen (Dänemark). Auf dem Wirtschaftssektor bestätigt sich das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE), dem auch einige rheinland-pfälzischen Firmen angehören. Die "Association for Better Living and Education" (ABLE International) ist für die Verbreitung der SOLebensphilosophie und Bildung zuständig. Daneben unterhält die SO das "Office of Special Affairs" (OSA), das auch Aufgaben eines eigenen Sicherheitsdienstes erfüllt. - 60 - 4.2 Aktivitäten Die SO behauptet von sich in der Öffentlichkeit, eine Religionsgemeinschaft oder gar eine Kirche zu sein, die dem Schutz des Art. 4 Grundgesetz unterliege und schon allein deshalb nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfe. Aus diesem Grund führte sie im Jahre 1999 mit großem finanziellen Werbeaufwand eine bundesweite Aufklärungskampagne "Was ist Scientology?" durch. Zu Ausstellungen, u.a. im März 1999 in Frankfurt am Main, wurden auch rheinland-pfälzische Landespolitiker schriftlich eingeladen. Darüber hinaus wurde die Aufklärungsschrift "Effektive Hilfe im Dienste der Allgemeinheit - ein Leitfaden" sowie die Broschüre "Verfassungsschutz als Rufmordinstrument" u.a. zielgerichtet an Politiker verschickt. Eine Demonstration am 7. August 1999 in Hamburg gegen die derzeitigen psychiatrischen Behandlungsmethoden in Deutschland anlässlich des dort stattgefundenen XI. Kongresses der "Weltvereinigung der Psychiatrie" (WPA) sowie die Abschlussveranstaltung im Rahmen des "Europäischen Marathons für Menschenrechte 1999" am 25. Oktober 1999 in Hamburg gehörten zu den erwähnenswerten Aktionen der SO im Jahre 1999. Regelmäßig wurden SO-eigene Schriften und Werbematerialien wie z.B. die Zeitung "Freiheit", das Mitgliedermagazin "IMPACT" sowie Publikationen regionaler SO-Einrichtungen verteilt. Werbeaktivitäten waren landesweit, vor allem in Mainz, Ludwigshafen am Rhein, Landau und in Bad Kreuznach festzustellen. - 61 - 5. SPIONAGEABWEHR 5.1 Allgemeine Lage Die Aufnahme der ehemaligen Warschauer-Pakt-Mitgliedsstaaten Polen, Ungarn und Tschechien in die NATO Anfang 1999 wurde bereits kurz darauf im Rahmen des "Kosovo-Konfliktes" auf eine schwierige Probe gestellt, die diese Staaten mit Bravour bestanden haben. Insofern ist die Aufnahme und Integration dieser drei Länder in die wirtschaftliche Staatengemeinschaft der EU absehbar. Daneben besteht ein großes Interesse weiterer ehemaliger Ostblock-Staaten, den Schritt in eine politisch und wirtschaftlich sichere Zukunft nachzuvollziehen. Parallel dazu wurden Entwicklungen auf Seiten Rußlands deutlich, einer zukünftigen Schwächung als Weltmacht und damit einer gewissen Isolierung auf politischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene entgegenzusteuern. Aus russischer Sicht dürfte die NATO-Erweiterung und Integration weiterer ehemaliger Ostblock-Staaten in die EU als eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses nicht nur in Europa, sondern auch in der südosteuropäischen Region gewertet werden. Zudem wird eine stärkere Einflussnahme seitens der USA befürchtet. Im übrigen ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Rußland und der Volksrepublik China festzustellen, die dem beiderseitigen Sicherheitsinteresse dienen dürfte. Diese Entwicklung mündete im Dezember 1999 in eine neue russische Sicherheitsdoktrin, deren Ziel u.a. in der Vermeidung einer weiteren Aufspaltung bzw. Schwächung der Russischen Föderation zu sehen ist. Insofern setzten sich folglich auch die erkannten Tendenzen der russischen Nachrichtendienste auf den klassischen Spionagefeldern Politik, Militär, Wissenschaft und Forschung sowie Wirtschaft unverändert fort. - 62 - Ungebrochen waren im Berichtszeitraum auch die Spionageaktivitäten so genannter kritischer Länder wie Iran, Irak, Syrien, Libyen und Nord-Korea. Neben der nachrichtendienstlich gesteuerten Proliferation24 spielen in diesem Spektrum die Ausspähung und Unterwanderung ausländischer regimefeindlicher Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin eine zunehmende Rolle. Im Berichtszeitraum ließen erneut Berichte aufhorchen, dass Nachrichtendienste befreundeter Länder statuswidrigen nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Deutschland nachgehen. 5.2 Nachrichtendienste Rußlands Wie in den Tätigkeitsberichten der vergangenen Jahre jeweils dargelegt, widmen sich die russischen Nachrichtendienste mit Nachdruck ihrem gesetzlichen Auftrag, Wirtschaftsspionage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben sowie die aktuelle Entwicklung der NATOOsterweiterung und die Initiativen der EU-Mitgliedschaft ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten zu erforschen. Diesbezüglich haben sich im Berichtszeitraum keine Änderungen ergeben. Traditionell setzten die russischen Nachrichtendienste ihre Spionageaktivitäten unter dem Selbstverständnis der "vitalen Notwendigkeit" für die politische und ökonomische Sicherheit Rußlands fort. Gleich ob russischer Auslandsnachrichtendienst (SWR), militärischer Nachrichtendienst (GRU), die Föderale Agentur für Regierungsfernmeldewesen und Information (FAPSI) oder letztlich der russische Inlandsabwehrund Sicherheitsdienst (FSB), sie alle haben den gesetzlichen Auftrag, in Deutschland die vorge24 Weitergabe von ABC-Waffentechnik, Mittel zu deren Herstellung, Trägertechnologie und sonstige Kriegswaffen, sowie Vorund Nebenprodukte an Krisenländer außerhalb der NATO - 63 - nannten Zielbereiche Politik, Militär, Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft sowie die deutschen Nachrichtenund Sicherheitsdienste zu unterwandern und durch Spionage aufzuklären. Im Rahmen der Nutzung seines "Heimvorteils" in Rußland stehen im Blickfeld des FSB insbesondere Personen, die interessante Zugänge in deutschen Firmen, Forschungsinstituten und Behörden haben oder als Geschäftsleute/Reisende unter nachrichtendienstlichen Gesichtspunkten für Rußland bedeutsame Güter und Informationen beschaffen können. Ferner liegen den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse darfür vor, dass kritische Länder wie z.B. der Iran die Territorien der GUS sowie russische Firmen dazu nutzen, ausfuhrgenehmigungspflichtige Güter im Rahmen ihrer ABC-Waffenund Trägertechnologieentwicklung illegal zu beschaffen. Es ist kaum vorstellbar, dass solche Aktivitäten den russischen Nachrichtendiensten nicht bekannt sind. Eher ist davon auszugehen, dass sie von diesen toleriert und unter Umständen sogar unterstützt werden. 5.3 Kritische Länder Zu den kritischen Ländern rechnet der Verfassungsschutz in erster Linie I- ran, Irak, Libyen, Syrien und Nord-Korea, die sich bemühen, ihre Streitkräfte mit atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen sowie den dazugehörenden Trägertechnologiesystemen auszurüsten. Die Tendenz geht dabei zu weitreichenden Raketensystemen, so dass zunehmend die Territorien von Natopartnern in direkter Reichund Zielweite liegen. Aber auch Indien und Pakistan müssen einer solchen kritischen Bewertung unterzogen werden. Die im Jahre 1999 von beiden Seiten durchge- - 64 - führten Atomwaffentests zeigen, dass sich hier zwei konfliktbereite bevölkerungsreiche Staaten gegenüberstehen, die mit großem Engagement weitreichende Trägersysteme entwickeln. Angefallene Erkenntnisse lassen vermuten, dass staatliche iranische, syrische wie auch irakische Stellen bei rheinland-pfälzischen Firmen offensichtlich versucht haben, ausfuhrgenehmigungspflichtige bzw. einem Embargo unterliegende Güter unter Außerachtlassung gesetzlicher Genehmigungsvorbehalte zu beschaffen. Zielgruppe waren dabei neuerdings auch kleine und mittelständische Firmen, die über keine bzw. geringe Exporterfahrung verfügen. Die seit Jahren angebotenen Sensibilisierungsmaßnahmen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (z.B. Aufklärung zur Verhinderung von Proliferation) führten zu entsprechenden Rückfragen von Firmen. Das Programm dieser Sicherheitspartnerschaft mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ist geeignet dazu beizutragen, Schaden von den betroffenen Firmen abzuwenden. Im Rahmen des damit einhergehenden Synergieeffektes wurden Verdachtsmomente festgestellt und Hintergrundinformationen gewonnen, auf die der Verfassungsschutz bei der Abwehr von Spionageaktivitäten in diesem Bereich in hohem Maße angewiesen ist. Dabei sind Diskretion und umsichtiges Verhalten in solchen Fällen für den Verfassungsschutz selbstverständlich. Charakteristisch für alle kritischen Länder - aber auch für China und Vietnam - ist zudem die Ausforschung und Überwachung der in Deutschland lebenden Dissidenten und Oppositionellen mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Zu Staaten islamisch-fundamentalistischer Prägung gibt es Erkenntnisse, dass nachrichtendienstliche Aufklärung wiederholt zu Repressionen hier lebender Personen anlässlich von Besuchsaufenthalten im Heimatland geführt haben. - 65 - 5.4 Wirtschaftsspionage Die anhaltenden Spionageaktivitäten vorgenannter Staaten sowie das natürliche Informationsbedürfnis einer Reihe anderer Länder verdeutlichen, dass sich deutsche Sicherheitsbehörden keinesfalls der irrigen Vorstellung hingeben dürfen, die Bundesrepublik Deutschland sei eine "geheimdienstfreie Zone". Das nach wie vor von einer erheblichen Spionagebedrohung mit einem Schwerpunkt zur Wirtschaftsspionage auszugehen ist, belegt z.B. deutlich eine Presseerklärung des SWR in der russischen Regierungszeitung "ISWESTIA" im Februar 1999, wonach "der SWR dazu aufgerufen sei, im Ausland günstige Bedingungen für die Forcierung russischer Wirtschaftsinteressen zu schaffen und ausländische Investoren nach Rußland zu locken". Der Verfassungsschutz verschließt in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben seine Augen aber auch nicht, wenn in diesem Zusammenhang statuswidriges Verhalten von Nachrichtendiensten befreundeter Staaten festgestellt werden sollte. Dafür gibt es in Rheinland-Pfalz bislang allerdings keine Anhaltspunkte. 5.5 Sicherheitskonzept Die vom rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz angestrebte "Sicherheitspartnerschaft" mit Wirtschaftsunternehmungen und Wissenschaftsinstitutionen hat sich bewährt. Das Sensibilisierungsprogramm mit dem Ziel, im Rahmen der Vorbeugung weiterhin Schaden abzuwenden bzw. Schadensbegrenzung zu betreiben, findet Akzeptanz. Es hat sich gezeigt, dass Wirtschaftsspionage sowie die nachrichtendienstlich gesteuerte Proliferation nur dann wirksam bekämpft werden kann, wenn die Betroffenen vertrauensvoll zusammenarbeiten. - 66 - Die Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes bietet deshalb Interessenten auch künftig Sensibilisierungsund Sicherheitsgespräche an. Als Kontakttelefonnummer dient der Anschluss Mainz 06131/16-3773 o- der Fax 06131/16-3688. - 67 - 6. GEHEIMSCHUTZ Der aktuelle Bericht der Spionageabwehr macht deutlich, dass die Ausspähungsbemühungen fremder Geheimdienste unvermindert fortbestehen. Es ist deshalb wichtig, nicht nur nachrichtendienstliche Angriffe zu erkennen und abzuwehren, sondern ihnen auch von vornherein durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Ein wesentlicher Teil der Spionagebekämpfung besteht daher in der Absicherung gefährdeter Bereiche durch den personellen und materiellen Geheimschutz. Geheimschutz ist somit vorbeugende Spionageabwehr. Der Verfassungsschutz wirkt in diesem Sinne bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen25 sowie bei technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen anderer Stellen mit. Je vorausschauender der vorbeugende Geheimund Sabotageschutz arbeitet, desto geringer sind die Gefahren der Ausspähung, des Geheimnisverrats und der Sabotage. Der personelle Geheimschutz umfasst die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können. Der personelle Sabotageschutz besteht in der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät der Verfassungsschutz Behörden beim Ergreifen technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der im öffentlichen Interesse geheimschutzbedürftigen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse gegen Kenntnisnahme durch Unbefugte. 25 vgl. Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG) vom 8. März 2000 (S. 95) , veröffentlicht im Gesetzund Verornungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz, Ausgabe Nr. 6/2000 vom 14. März 2000 - 68 - Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststellen, die auch im Berichtszeitraum durch VS-Beratungen, Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren informiert wurden. Rheinland-pfälzische Betriebe und Unternehmen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in die Geheimschutzbetreuung übernommen worden sind, um geheimhaltungsbedürftige Aufträge des Bundes zu erfüllen, werden vom Verfassungsschutz des Landes in Geheimschutzangelegenheiten beraten. Hierbei werden die geheimschutzbetreuten Wirtschaftsunternehmen, insbesondere solche der zukunftsträchtigen Hochtechnologie im Interesse eines umfassenden und wirksamen Wirtschaftsschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert und sensibilisiert. - 69 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in RheinlandPfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim26 als 1. Vorsitzende. Bei der Jahreshauptversammlung am 13. März 1999 im Raum Würzburg wurde U. MÜLLER in ihrem Amt bestätigt ("Nachrichten der HNG", Nr. 219 vom April 1999) . Gemeinsam mit ihrem Ehemann Curt MÜLLER gehörte sie bereits Anfang der achtziger Jahre zu den führenden HNG-Aktivisten. Beide sind wegen neonazistischer Aktivitäten einschlägig vorbestraft. Die HNG - mit bundesweit rund 500 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" zielt auf die nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die neonazistische Szene ab. Die HNG entwickelte auch 1999 keine nennenswerten Aktivitäten mit Außenwirkung und spielt trotz ihres hohen Mitgliederbestandes derzeit keine zentrale Rolle in der Neonaziszene. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.2 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das IHV wurde am 20. Juni 1987 von dem Neonazi Ernst T. aus Ludwigshafen am Rhein gegründet. Die im wesentlichen von T. ausgehenden Aktivitäten des IHV beschränkten sich bislang auf die Herausgabe der monatlich erscheinenden Publikation "IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit". 1999 wurden keine Ausgaben dieser Schrift bekannt. IHV-Vorsitzender ist seit 1996 der Neonazi Markus W. aus Pirmasens. 1999 trat diese neonazistische Kleingruppe öffentlich nicht in Erscheinung. 26 Das Anwesen der Eheleute Ursula und Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim war bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonn-wendfeier" vom 17. Juni 1993 haben keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. - 70 - 1.3 "Nationale Volksfront - Kameradschaft Neustadt/W. (N.V.F.)" Die 1996 gegründete "N.V.F." wurde bislang von dem Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße geleitet. Die nur wenige Mitglieder umfassende neonazistische Gruppe verteilte bislang die Publikation "REICHSRUF - Stimme der NS-Bewegung Saar-Pfalz". Die Publikation trifft mit ihren antisemitischen und rassistischen Beiträgen und ihren Werbebeiträgen für rechtsextremistische Organisationen in der neonazistischen Szene auf Zustimmung. 1999 wurde der "REICHSRUF - Mitteilungsblatt für revolutionäre Nationalsozialisten", Ausgabe Nr. 6 und die Schrift "Volkssturm - Mitteilungsblatt der Nationalen Volksfront - Kameradschaft Neustadt/ Wstr." bekannt; zu Aktivitäten kam es nicht. 1.4 "Kameradschaft Rhein-Nahe" Am 19. September 1997 wurde in Bingen am Rhein die "Kameradschaft Rhein-Nahe" gegründet; bei der Gründungsversammlung waren nach eigenen Angaben mehr als 30 Personen anwesend. Für die Organisation wurde in den "Nachrichten der HNG", Nr. 202 vom November 1997 geworben. 1999 trat diese neonazistische Kleingruppe öffentlich nicht in Erscheinung. 1.5 "Pfalzfront" Ende 1999 wurde durch ein Flugblatt sowie eine Veröffentlichung im Internet eine Organisation "Pfalzfront" bekannt, die sich nach eigenen Angaben in die drei "Kameradschaften" Mannheim, Ludwigshafen am Rhein und Neustadt a.d. Weinstr. sowie die "Anti-Antifa Saarpfalz"27 gliedert. Ziel der "Pfalzfront" sei es, in der Region die politische Tätigkeit von Einzelaktivisten und Kleinstgruppen zu koordinieren. NS-Aktivisten aus der Vorderpfalz und dem Rhein-Neckar-Raum sollen sich im Sinne autonomer Strukturen zur "überregionalen Pfalzfront" zusammenschließen. Aktivitäten dieser offensichtlich nur fiktiv bestehenden Gruppierung wurden bislang nicht bekannt. 1.6 "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte auch 1999 überwiegend nichtöffentliche Treffen, sogenannte Appelle, durch. Außerdem wurden in unregelmäßigen Abständen wehrsportähnliche Übungen durchgeführt mit dem Ziel, das sogenannte "Stahlhelm-Wehrsportkreuz" zu erhalten. "Landesführer" ist nach wie vor Hans-Jürgen H. aus PleisweilerOberhofen (Kreis Südliche Weinstraße). Seit Mitte 1998 verfügt der Verein in Altenglan-Mühlbach (Kreis Kusel) über ein neues "Stahlhelm-Heim"; die 27 S. Ziffer 1.4.3 "Anti-Antifa" (S. 18) - 71 - offizielle Einweihungsfeier fand am 24./25. Juli 1999 statt. Das Haus dient insbesondere als Treffpunkt für Veranstaltungen der Landesverbände des "Stahlhelm" aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Der "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." unterhält enge Verbindungen zu dem "Stahlhelm - Landesverband Flandern" (Belgien). Es finden gegenseitige Besuche der belgischen und deutschen "Stahlhelm-Mitglieder" statt. In der vom Bundesverband herausgegebenen Zeitschrift "Der Stahlhelm" werden regelmäßig Beiträge in flämischer Sprache veröffentlicht. 1.7 "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." Die 1951 gegründete germanisch-heidnische "Artgemeinschaft" wird seit 1988 von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen R. geleitet. Sie will als Glaubensbund "der Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Kultur der nordeuropäischen Menschenart" dienen und an die Wertvorstellungen der heidnischen Vorfahren anknüpfen. Die "Gefährtschaft Pfalz" der "Artgemeinschaft" wird von dem Goden (Gefährtschaftsführer) und "Landesführer" des "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." HansJürgen H. aus Pleisweiler-Oberhofen (Kreis Südliche Weinstraße) geleitet. Treffen der "Gefährtschaft Pfalz" finden u.a. im dem "Stahlhelm-Heim" in Altenglan-Mühlbach (Kreis Kusel) statt, so unter anderem am 11. August 1999 anlässlich der totalen Sonnenfinsternis. Publikationsorgan: "Nordische Zeitung" (NZ) 1.8 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in den Konzentrationslagern (sog. Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen, sich zumeist nach außen seriös zu geben. 1.9 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 1999 gelang es der NPD nicht mehr, ihren 1998 bundesweit noch zu beobachtenden Aufwärtstrend fortzusetzen. Auch der zum Teil mit großem Engagement geführte Wahlkampf anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament sowie der diesjährigen Landtagswahlen brachten der Partei nicht die erhoffte Resonanz. Die Mitgliederzahl stagniert seit 1998 bei ca. 6.000 Personen; in Rheinland-Pfalz dagegen stieg die Zahl der Mitglieder auf ca. 250 an (1998 ca. 200). - 72 - Der Mitgliederbestand der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) lag Ende 1999 bundesweit bei ca. 350 (1998: ca. 400), im Landesverband Rheinland-Pfalz nach wie vor bei ca. 30 Personen. Publikationsorgane der NPD: "Deutsche Stimme" Auflage monatlich: ca. 10.000 Exemplare "NN aktuell" (früher "Deutsche Stimme extra") Auflage vierteljährlich: Auflagenzahl z.Zt. nicht bekannt Publikationsorgan der "Südwest-Echo" NPD Rheinland-Pfalz Auflage unregelmäßig: Höhe unbekannt 1.10 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY im Jahre 1987 gegründete Partei DVU ist mit rund 17.000 Mitgliedern die größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland. Auch der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz stellt mit etwa 850 Mitgliedern nach wie vor die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung im Lande dar. Publikationsorgan: - "National-Zeitung" (NZ) Auflage wöchentlich: ca. 50.000 Exemplare 1.11 Partei "Die Republikaner" (REP) Als Folge der schlechten Wahlergebnisse der Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament sowie den Landtagsund Kommunalwahlen ging die Mitgliederzahl der Partei weiter zurück und lag Ende 1999 bei ca. 14.000 (1998 ca. 15.000); im Landesverband Rheinland-Pfalz verfügte die Partei wie bereits Ende 1998 über ca. 600 Mitglieder. In der Partei werden Rücktrittsforderungen an den Parteivorsitzenden Dr. SCHLIERER laut und zur Abwendung künftiger Wahlschlappen Forderungen nach Bündnisgesprächen mit anderen rechten Parteien - so auch im REP-Landesverband Rheinland-Pfalz - erhoben. Publikationsorgane: - "DER neue REPUBLIKANER" Auflage monatlich: über 20.000 Exemplare - 73 - - "Junge Deutsche" Auflage unregelmäßig, erstmals anläßlich der Bundestagswahl 1998 ca. 200.000 Exemplare 1.12 "PfalzPartei" (PP) Die "PfalzPartei" (PP) mit Sitz in Frankenthal (Pfalz) versteht sich als eine Volkspartei, in der Bürger aller sozialer Schichten und gesellschaftlicher Gruppen zusammenarbeiten. Ihre Aktivitäten/Organisationsstrukturen beziehen sich bislang auf das Gebiet der Pfalz. Erkenntnisse über Mitgliederzahlen liegen nicht vor. 1.13 "Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH e.V.) Die DLVH wurde 1991 als Partei gegründet. Sie hat nach Aufgabe ihres Parteienstatus im Oktober 1996 und Umwandlung in einen Verein weiter an Bedeutung verloren. Ihr Ziel, die Parteienzersplitterung im rechtsextremistischen Lager zu überwinden bzw. "Gleichgesinnte über Parteiund Vereinsgrenzen hinweg zusammenzubringen" konnte nicht erreicht werden. Eine gewisse Bedeutung hatte die DLVH zwar mit ihren Bündnisbemühungen und die damit verbundene Initiierung von "Runden Tischen" erlangt; das Konzept für eine Vereinigung der rechtsextremistischen Parteien scheiterte jedoch auch 1999 wieder. Ende 1999 verfügte die DLVH bundesweit über weniger als 500 Mitglieder (1998: ca. 500), davon etwa 15 in Rheinland-Pfalz. Sprachrohr: - "Nation & Europa - Deutsche Rundschau" Herausgeber Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER Auflage monatlich: ca. 16.000 Exemplare Sprachrohr: - "Signal" (bis Mai 1998 unter dem Titel: "Europa Vorn" erschienen) Herausgeber Manfred ROUHS 1.14 "Neue Rechte" Als "Neue Rechte" wird eine bestimmte geistige Strömung innerhalb des Rechtsextremismus bezeichnet, bei der es sich weder um eine einheitliche Bewegung noch um eine Organisation handelt. Der Begriff steht für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger. Die Ende der 60er Jahre in Frankreich um den Publizisten A- lain de Benoist entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" hatte für viele Vorbildfunktion. - 74 - Die Vertreter der "Neuen Rechten" lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen. Sie verschleiern ihre demokratiefeindlichen sowie rassistisch geprägten Thesen in so subtiler Weise, daß sie für den neutralen Betrachter häufig nur schwer erkennbar sind. Sie setzen darauf, in den Diskurs der Demokraten einzudringen und ihn letztlich zu dominieren. Folgende Publikationen werden der "Neuen Rechten" u.a. zugeordnet: - "Staatsbriefe" - "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" - "Sleipnir". 2. LINKSEXTREMISMUS 2.1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 5.000 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 100; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), seit Juli 1996 wöchentliche Erscheinungsweise: Auflage ca. 10.000 Exemplare. 2.1.2 Sonstige28 2.1.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.000 Mitglieder. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung: Auflage ca. 7.500 Exemplare. 2.1.2.2 "Revolutionär Sozialistischer Bund/IV. Internationale" (RSB) Im Oktober 1994 überwiegend von trotzkistischen Mitgliedern der damaligen "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) gegründete trotzkistische Organisation. Aktivitäten werden in den Räumen Mainz/Wiesbaden und Ludwigshafen am Rhein/Mannheim entwickelt. 28 Die hier unter Nr. 2.1.2.1 bis 2.1.2.4 genannten Organisationen haben in Rheinland-Pfalz zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. - 75 - Publikationsorgan: "avanti - die Internationale": Auflage monatlich ca. 500 Exemplare. 2.1.2.3 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 nach eigenen Angaben aufgelöst, agiert a- ber weiterhin konspirativ (ca. 10.000 Mitglieder). Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber wiederholt Diskussionsveranstaltungen durch. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in RheinlandPfalz vertrieben. Publikationsorgan: "GegenStandpunkt", 4mal jährlich: Auflage ca. 7.000 Exemplare 2.1.2.4 "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstanden; nannte sich bis Juni 1995 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Zentralorgan: "Sozialistische Zeitung" (SOZ), 14-tägig: Auflage ca. 2.000 Exemplare 2.1.2.5 "Rote Hilfe" (RH) Aufstrebende Rechtsund Hafthilfeorganisation, 1975 gegründet, von Linksextremisten getragen, mit zahlreichen Kontaktadressen und Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet. 2.1.2.6 "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) Nachfolgepartei der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Das politisch-ideologische Selbstverständnis ist weiterhin von marxistischer Tradition geprägt. Die PDS duldet in der Partei offen extremistische Strukturen (u.a. "Kommunistische Plattform") und arbeitet mit deutschen und ausländischen linksextremistischen Parteien zusammen. Bundesweit ca. 94.000 Mitglieder (Rheinland-Pfalz ca. 200). Als Sprachrohr der PDS fungiert die Tageszeitung "Neues Deutschland". - 76 - 2.2 Terrorismus und sonstiger militanter Linksextremismus 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe mit dem Ziel der Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere der Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland; erklärte 1998 ihre Auflösung. 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Terroristische Gruppierung, die von 1992 bis 1995 mehrere Anschläge beging, sich an militanten/bewaffneten Aktionen der RAF aus früheren Jahren orientierte und zur Erreichung ihrer politischen Ziele auch den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf nahm. Zwei Gruppenangehörige wurden 1999 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Linksextremistisch-terroristische Gruppierungen, die nach dem Zellenprinzip strukturiert aus einer "legalen" Existenz operierten. Von 1973 bis 1995 verübten RZ/"Rote Zora" im Rahmen ihres "bewaffneten antiimperialistischen" und "sozialrevolutionären" Kampfes Anschläge und Gewalttaten; 1999 kam es zu Festnahmen mehrerer Gruppenangehöriger. 2.2.4 Autonome Örtliche meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. 1999 ging der größte Teil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf das Konto von Autonomen. Aktionsschwerpunkt ist der Themenbereich "Antifaschismus". Das autonome Aktionspotential beläuft sich bundesweit auf mehr als 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 130. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS29 3.1 Türken 3.1.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) Die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) entstand im März 1994 als Ersatzorganisation der bereits seit 1983 vom Bundesmini29 Die unter Nr. 3.1 bis 3.5 genannten Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen gesondert aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz jeweils nur über einzelne Mitglieder/Anhänger. - 77 - ster des Innern verbotenen "Devrimci Sol". Die marxistisch-leninistisch orientierte DHKP-C zielt auf die Zerschlagung des türkischen Staates ab und verfolgt als Endziel eine klassenlose Gesellschaft. Innerhalb der DHKP-C stellt die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP) den politischen, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) den militärischen Arm dar. Gegen die DHKP-C hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ein Organisationsverbot verhängt, da die Tätigkeit der Organisation gegen deutsche Strafgesetze verstößt und die Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung Deutschlands gefährdet. 3.1.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Die "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/- C - Devrimci Sol) entstand ebenfalls im März 1994 als Ersatzorganisation der verbotenen "Devrimci Sol". Ideologisch unterscheidet sie sich kaum von der DHKP-C. Gegen die THKP/-C - Devrimci Sol hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ein Betätigungsverbot verhängt. 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) Die TKP/ML wurde 1972 in der Türkei gegründet. Sie vertritt die Lehre des Marxismus-Leninismus, ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll ein Staatsgebilde mit einer an der marxistisch-leninistischen und maoistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung geschaffen werden. Zu diesem Zweck führt ihr militärischer Arm, die "türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), einen bewaffneten Guerilla-Krieg in der Türkei. Die TKP/ML ist gekennzeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 1994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". Bundesweit verfügt die TKP/ML über etwa 1.900 Mitglieder bzw. Anhänger. 3.1.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die MLKP ist im September 1994 durch Vereinigung zweier türkischer linksextremistischer Organisationen entstanden. Sie bekennt sich zur I- deologie des Marxismus-Leninismus und zielt auf den revolutionären Umsturz in der Türkei und die Errichtung einer kommunistischen Volksherrschaft ab. Die MLKP ist in der Türkei terroristisch aktiv. In der Bundesrepublik Deutschland verfügt sie über mehrere Hundert Anhänger. - 78 - 3.1.5 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG ist im Jahre 1995 aus der 1985 gegründeten "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervorgegangen und übernahm die sozialen, kulturellen und religiösen Aufgaben der AMGT. Zu den Hauptzielen der IGMG gehören die weltweite Islamisierung sowie die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung eines auf dem Koran basierenden Regierungsund Gesellschaftssystems. Diese Ziele strebt die IGMG nicht mit gewaltsamen Mitteln an, sondern über eine politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder. Die IGMG verfügt bundesweit über ca. 27.000, in Rheinland-Pfalz über mehrere hundert Mitglieder. 3.1.6 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) "Der Kalifatsstaat" Der ICCB wird seit 1995 durch den selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime", Metin KAPLAN, geführt. In letzter Zeit tritt der Verband nur noch mit der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" an die Öffentlichkeit. Er zielt auf den gewaltsamen Sturz des türkischen Staatsgefüges, das durch ein islamistisches System ersetzt werden soll. Für den ICCB sind Islam und Demokratie unvereinbar. Der ICCB polemisiert scharf gegen Israel und die USA und strebt eine weltweite Islamisierung an. Bundesweit gehören dem ICCB ca. 1.100 Mitglieder an. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebte für die kurdische Bevölkerung in der Türkei einen autonomen Status an und führte in diesem Sinne dort einen Guerillakrieg. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führte bis August/September 1999 den bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei. Auf Weisung von A. ÖCALAN hat die ARGK zum 1. September 1999 den bewaffneten Kampf eingestellt und sich aus der Türkei zurückgezogen. Die PKK einschließlich ihrer Teilorganisationen wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern verboten. In Deutschland hat die PKK etwa 12.000 Anhänger; in Rheinland-Pfalz verfügt sie über mehr als 350 Anhänger und zahlreiche Sympathisanten. Die PKK trat in Deutschland wiederholt - auch 1999 - mit gewalttätigen Aktionen zur Erreichung ihrer politischen Ziele auf. - 79 - Zur Mobilisierung ihrer Anhängerschaft bedient sich die PKK nach Entzug der Sendelizenz des TV-Senders MED-TV im März bzw. April 1999 seit Ende Juli 1999 des neuen Senders MEDYA-TV und weiterhin der PKKnahen türkischsprachigen Tageszeitung "ÖZGÜR POLITIKA" (Freie Politik). 3.3 Araber 3.3.1 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die schiitisch-extremistische "Hizb Allah" wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines "islamischen Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie ist für zahlreiche vor allem gegen Israel gerichtete Terrorakte im Libanon und im Ausland verantwortlich. 3.3.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den palästinensischen Autonomiegebieten und operiert von dort aus gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet wird die HAMAS vom IBP vertreten. 3.4 Algerier 3.4.1 "Islamische Heilsfront" (FIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im Jahre 1989 in Algerien gegründet. Sie propagiert den gewaltsamen Widerstand gegen die algerische Regierung und strebt die Errichtung eines islamistischen Staatswesens an. Außerhalb Algeriens wird die FIS durch ihre "Exekutivinstanz der FIS im Ausland" vertreten. Im Bundesgebiet sind bisher keine offenen vereinsähnlichen Strukturen der FIS bekanntgeworden; gleichwohl gibt es auch hier zahlreiche Anhänger und Sympathisanten. 3.4.2 "Bewaffnete islamische Gruppe" (GIA) Die GIA wurde im April 1992 nach dem Verbot der FIS in Algerien gegründet. Die GIA zielt wie die FIS darauf ab, Algerien in einen islamistischen Staat umzuwandeln. Im Gegensatz zur teilweise mit ihr rivalisierenden FIS lehnt die GIA jeglichen Dialog mit der algerischen Regierung ab. Wie bei der FIS sind auch bei der GIA bisher keine organisatorischen Strukturen im Bundesgebiet offen erkennbar. - 80 - 3.5 Iraner 3.5.1 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Der NWRI ist ein Zusammenschluss von mehreren iranischen Oppositionsgruppen. Er ist der politische Arm der "Volksmodjahedin Iran" (MEK). Der NWRI betrachtet sich als "Exilparlament" und gibt vor, die "einzige legitime demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Er fordert den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland befassen sich die Anhänger hauptsächlich mit Agitationen gegen das herrschende Regime im Iran sowie der Beschaffung von Finanzmitteln; zu diesem Zweck werden Straßensammlungen durchgeführt. 3.5.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Als Propagandaträger des Iran im Ausland fungieren die in den regionalen Vereinen des islamistisch-extremistischen Dachverbandes U.I.S.A. organisierten iranischen Studenten. Zur Aufgabe der vom Iran finanziell unterstützten U.I.S.A. gehört auch die Bekämpfung von Oppositionellen. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger auf. 4. "Scientology-Organisation" (SO) Begründer der SO ist der 1986 verstorbene amerikanische ScienceFiction-Autor L. Ron HUBBARD. In seinem 1950 veröffentlichten Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" beschrieb er die Methode, wie alle menschlichen und gesellschaftlichen Probleme gelöst werden können. Im Mittelpunkt der SO-Lehre steht der "geklärte" Mensch (clear), der sich bei Anwendung der hubbardschen Technologie im Idealfall zu einem "Operierenden Thetan" entwickeln kann, welcher nicht mehr an Materie, Raum und Zeit gebunden ist. Um diesen Zustand zu erreichen, sind in den diversen SO-Einrichtungen (sog. Orgs oder Kirchen) äußerst zeitund kostenintensive Auditing-Programme zu absolvieren. Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 199530 handelt es sich bei der SO in Deutschland nicht - wie die SO sich selbst sieht - um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. 30 Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 143 ff - 81 - D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) Vom 06. Juli 1998 INHALTSÜBERSICHT Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen - 82 - Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten - 83 - Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Ministerium des Innern und für Sport als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und im Informationsaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), geändert durch SS 38 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; - 84 - 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. - 85 - SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5. (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schützwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. - 86 - SS9 Allgemeine Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. SS 10 Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das heimliche Mithören oder Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296), geändert durch SS 24 des Gesetzes vom 06.07.1998 (GVBl. S. 184), BS 12-1, gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung oder Verfolgung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108), genannten Straftaten verwendet werden. (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorliegen, dass die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können, 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge und der hieraus gewonnenen Informationen zwingend erforderlich ist. - 87 - Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Betroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerläßlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten und - mit Ausnahme von Bildaufaufnahmen und -aufzeichnungen - der Verfolgung der in SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung genannten Straftaten übermittelt werden. (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Abs. 5 Satz 3 und 4 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung solange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist oder - 88 - 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder andere Datenträger belegbar sein. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie selbst Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenbezogenen Daten entsprechenden Akten oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhin erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. - 89 - (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespei-cherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, dass die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Informationen und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung personenbezogener Informationen oder Informationsbestände von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sonstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekanntgeworden sind, ist nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. - 90 - SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentliche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218-), zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 2. die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100a der Strafprozessordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und sonstigen Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte sind die in den SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und diese die personenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder dem Schutz von Sachen von bedeutendem Wert dienen und dies mit den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde nach den SSSS 5 und 6 vereinbar ist. In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich personenbezogener Daten aus vorhandenen Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muss zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. - 91 - (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Nachrichtendienste angrenzender Staaten, an andere ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unterwanderung von Wirtschaftsunternehmen durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Bestrebungen oder 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen einer Person erforderlich. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers oder der Leiterin oder des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und dass die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. SS 15 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, wenn 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie - 92 - nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 17 Minderjährigenschutz (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfassten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 18 Auskunft an Betroffene (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über personenbezogene Daten in nichtautomatisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der ü- berwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport oder hierzu besonders Beauftragte. - 93 - (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden können. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt hat. SS 19 Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildeten Kommission bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfasst auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. - 94 - Teil 6 Schlussbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes Anwendung, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. SS 23 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Das Landesgesetz zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296, BS 12-1) wird wie folgt geändert: 1. In SS 3 Abs. 2 Satz 2 wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt und der folgende Halbsatz gestrichen. 2. Nach SS 4 wird folgender neue SS 5 eingefügt: "SS 5 Die Verarbeitung von Daten, die nach diesem Gesetz der Kontrolle durch die Kommission unterliegen, fällt nicht in die Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz, es sei denn, die Kommission ersucht diesen, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten." 3. Der bisherige SS 5 wird SS 6. 4. In der Überschrift und den SSSS 1, 2 und 3 Abs. 2 Satz 1 werden die Worte "des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" jeweils durch die Worte "des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz" ersetzt. - 95 - SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. das Landesverfassungsschutzgesetz vom 26. März 1986 (GVBl. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVBl. S. 80, 98), BS 12-2, 2. die Landesverordnung über die regelmäßigen Überprüfungsabstände der Dateien des Verfassungsschutzes vom 23. Mai 1989 (GVBl. S. 163, BS 12-2-1). Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG) Vom 8. März 2000 Inhaltsübersicht Teil 1 Sicherheitsüberprüfungen bei öffentlichen Stellen Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Anwendungsbereich und Zweck SS2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten SS3 Betroffene und einbezogene Personen SS4 Zuständigkeiten SS5 Verschlusssachen SS6 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte SS7 Sicherheitsrisiko, sicherheitserhebliche Erkenntnis, Sicherheitshinweise SS8 Rechte und Pflichten der betroffenen und der einbezogenen Personen Abschnitt 2 Überprüfungsarten SS9 Arten der Sicherheitsüberprüfung SS 10 Einfache Sicherheitsüberprüfung SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung SS 12 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Abschnitt 3 Befugnisse und Maßnahmen SS 13 Allgemeine Befugnisse SS 14 Sicherheitserklärung SS 15 Aufgaben und Maßnahmen der zuständigen Stelle SS 16 Aufgaben und Maßnahmen der mitwirkenden Behörde - 96 - SS 17 Abschluss der Sicherheitsüberprüfung SS 18 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit SS 19 Unterrichtungspflichten SS 20 Aktualisierung der Sicherheitserklärung, Wiederholungsüberprüfung Abschnitt 4 Datenverarbeitung SS 21 Zweckbindung SS 22 Berichtigung, Sperrung und Löschung personenbezogener Daten SS 23 Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten Teil 2 Sonderregelungen für Sicherheitsüberprüfungen bei nicht öffentlichen Stellen SS 24 Anwendungsbereich SS 25 Zuständigkeiten SS 26 Datenverarbeitung durch die nicht öffentliche Stelle SS 27 Abschluss der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe einer sicherheitserheblichen Erkenntnis SS 28 Mitteilungsund Unterrichtungspflichten Teil 3 Reisebeschränkungen SS 29 Anzeigepflicht, Befugnisse der zuständigen Stelle Teil 4 Übergangsund Schlussbestimmungen SS 30 Übergangsbestimmungen SS 31 Verwaltungsvorschriften SS 32 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes und des Landesverfassungsschutzgesetzes SS 33 Strafbestimmungen SS 34 Einschränkung von Grundrechten SS 35 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz SS 36 In-Kraft-Treten - 97 - Teil 1 Sicherheitsüberprüfungen bei öffentlichen Stellen Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Anwendungsbereich und Zweck (1) Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die von einer öffentlichen Stelle mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung) oder bereits betraut worden ist (Wiederholungsüberprüfung). (2) Zweck dieses Gesetzes ist es, im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten vor der Kenntnisnahme durch Unbefugte zu schützen und die Zugangsbefugnis zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit auf Personen zu beschränken, bei denen kein Sicherheitsrisiko besteht (Geheimschutz). (3) Bei der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine Maßnahme darf insbesondere nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. SS2 Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes übt aus, wer 1. Zugang zu Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VSVERTRAULICH hat oder ihn sich in Zusammenhang mit seiner beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit verschaffen kann, 2. Zugang zu mit Nummer 1 vergleichbaren Verschlusssachen ausländischer oder überoder zwischenstaatlicher Stellen hat oder ihn sich in Zusammenhang mit seiner beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit verschaffen kann, sofern eine Verpflichtung besteht, hierfür nur sicherheitsüberprüfte Personen einzusetzen, 3. in einer öffentlichen Stelle oder in einem Teil von ihr tätig ist, die aufgrund des Umfanges und der Bedeutung dort anfallender Verschlusssachen von der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde oder der jeweils zuständigen obersten Aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der für den Geheimschutz zuständigen obersten Landesbehörde zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist, oder 4. eine Tätigkeit ausübt, die nach sonstigen gesetzlichen Bestimmungen eine Sicherheitsüberprüfung voraussetzt. Mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit sollen nur volljährige Personen betraut werden. SS3 Betroffene und einbezogene Personen (1) Eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (betroffene Person), ist vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Von der Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz kann abgesehen werden, wenn für die betroffene Person vor weniger als fünf Jahren eine gleichoder höherwertige Sicherheitsüberprüfung durchgeführt oder sie in eine Sicherheitsüberprüfung mit entsprechenden Maßnahmen einbezogen und kein Sicherheitsrisiko festgestellt worden ist. Dies gilt nur, soweit die Unterlagen noch verfügbar sind. Über weitere Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle nach Maßgabe dieses Gesetzes. - 98 - (2) Die volljährige Ehefrau oder der volljährige Ehemann oder die volljährige Partnerin oder der volljährige Partner, mit der oder mit dem die betroffene Person in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt (Lebenspartnerin oder Lebenspartner), ist in die Sicherheitsüberprüfungen nach den SSSS 11 und 12 einzubeziehen; über Ausnahmen entscheidet die zuständige Stelle. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. (3) Einer Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz unterliegen nicht 1. die Mitglieder des Landtags, soweit nicht dessen Verfahrensregelungen etwas anderes bestimmen, 2. die Mitglieder der Landesregierung, 3. Richterinnen und Richter, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen, 4. ausländische Staatsangehörige, sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse überoder zwischenstaatlicher Stellen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 ausüben sollen, 5. Personen, die nach sonstigen Gesetzen hiervon ausgenommen sind. SS4 Zuständigkeiten (1) Zuständige Stelle für die Sicherheitsüberprüfung ist 1. die öffentliche Stelle, die eine Person mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betrauen will, es sei denn, die jeweils zuständige oberste Landesbehörde oder die jeweils zuständige oberste Aufsichtsbehörde übernimmt die Aufgaben der zuständigen Stelle, 2. die Landtagsverwaltung für die Mitglieder des Landtags, sofern diese nach Maßgabe des SS 3 Abs. 3 Nr. 1 einer Sicherheitsüberprüfung unterliegen, sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen, 3. im Übrigen die jeweilige oberste Landesbehörde oder die jeweilige oberste Aufsichtsbehörde der öffentlichen Stelle, die eine Verschlusssache an eine nicht öffentliche Stelle weitergeben will, soweit nicht die SSSS 24 bis 28 Anwendung finden. (2) Die Aufgaben der zuständigen Stelle nach diesem Gesetz sind von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit wahrzunehmen. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass die Aufgabenwahrnehmung nicht durch Handlungspflichten nach anderen Gesetzen beeinträchtigt wird. (3) Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist die Verfassungsschutzbehörde im Sinne des SS 2 des Landesverfassungsschutzgesetzes (LVerfSchG) vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184, BS 122); sie wird nur auf Ersuchen der zuständigen Stelle tätig. SS5 Verschlusssachen (1) Verschlusssachen im Sinne dieses Gesetzes sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Der Geheimhaltungsgrad wird entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit nach Maßgabe des Absatzes 2 von einer öffentlichen Stelle oder auf deren Veranlassung festgelegt (Einstufung). (2) Eine Verschlusssache ist 1. STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, 2. GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, 3. VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, 4. VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. - 99 - SS6 Sicherheitsakte und Sicherheitsüberprüfungsakte Die Sicherheitsakte der zuständigen Stelle und die Sicherheitsüberprüfungsakte der mitwirkenden Behörde dürfen der personalverwaltenden Stelle nicht zugänglich gemacht werden; SS 21 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt. Sie sind gesondert zu führen und aufzubewahren. Bei einem Wechsel der zuständigen Stelle ist die Sicherheitsakte zur betroffenen Person auf schriftliche Anforderung an die nunmehr zuständige Stelle abzugeben. Wechselt die mitwirkende Behörde, ist die Sicherheitsüberprüfungsakte zur betroffenen Person auf schriftliche Anforderung an die nunmehr zuständige mitwirkende Behörde abzugeben. SS7 Sicherheitsrisiko, sicherheitserhebliche Erkenntnis, Sicherheitshinweise (1) Ein Sicherheitsrisiko im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte 1. Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen oder 2. eine besondere Gefährdung durch Anbahnungsoder Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen oder 3. Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Ein Sicherheitsrisiko kann auch aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Person der Ehefrau oder des Ehemannes oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners vorliegen. (2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt. (3) Sicherheitshinweise im Sinne dieses Gesetzes sind fallbezogene Empfehlungen, die zur weiteren Betreuung der betroffenen Person notwendig erscheinen. SS8 Rechte und Pflichten der betroffenen und der einbezogenen Personen (1) Die betroffene Person soll von der zuständigen Stelle in einem persönlichen Gespräch über den Zweck, die Art und das Verfahren der beabsichtigten Sicherheitsüberprüfung sowie über den damit verbundenen Umfang der Datenverarbeitung unterrichtet werden. Dies gilt auch hinsichtlich des Ergebnisses der abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung. Wird eine Sicherheitsüberprüfung der nächsthöheren Art notwendig, so ist auch für diese eine entsprechende Unterrichtung erforderlich. (2) Die Sicherheitsüberprüfung bedarf der Einwilligung der betroffenen Person; wird diese verweigert, dürfen die Sicherheitsüberprüfung nicht durchgeführt und die betroffene Person mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht betraut werden. Die Einwilligung muss sich auf alle Maßnahmen beziehen, die Gegenstand der Unterrichtung waren. Besteht für die betroffene Person eine dienstoder arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Pflicht, die Einwilligung zu erteilen, so ist sie darauf hinzuweisen. Für die Anfrage bei der oder dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gemäß SS 15 Abs. 3 und 4 bedarf es nur ihrer Kenntnisnahme. (3) Die betroffene Person ist zu belehren, dass sie die zur Durchführung der Sicherheitsüberprüfung erforderlichen Daten vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben hat. Sie kann Angaben verweigern, die für sie, eine nahe Angehörige oder einen nahen Angehörigen im Sinne des SS 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung oder die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner die Gefahr strafrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Verfolgung, der Entlassung oder Kündigung begründen könnten. Auf dieses Verweigerungsrecht ist die betroffene Person hinzuweisen; Gleiches gilt hinsichtlich ihres Widerspruchsrechts gemäß SS 24 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Buchst. c des Bundesdatenschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108). - 100 - (4) Sollen Daten zur Ehefrau oder zum Ehemann oder zur Lebenspartnerin oder zum Lebenspartner erhoben oder soll eine dieser Personen in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden, gelten die Absätze 1 und 2 Satz 1, 2 und 4 und Absatz 3 entsprechend. Auf ein Gespräch mit der zuständigen Stelle gemäß Absatz 1 Satz 1 kann dabei verzichtet werden. (5) Auskunftsund Referenzpersonen sollen nur mit ihrem Einverständnis durch die betroffene Person in der Sicherheitserklärung nach SS 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 21 und 22 angegeben werden. (6) Die betroffene Person hat der zuständigen Stelle von sich aus Änderungen von Namen, Wohnsitzen und Staatsangehörigkeiten mitzuteilen. Mitteilungsbedürftig ist ferner jede Veränderung des Familienstandes, auch das Eingehen oder Beenden einer Lebenspartnerschaft. SS 20 Abs. 1 bleibt unberührt. (7) Liegen bei der betroffenen Person oder in der Person der Ehefrau oder des Ehemannes oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners tatsächliche Anhaltspunkte vor, die ein Sicherheitsrisiko begründen, so hat ihr die zuständige Stelle Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den erheblichen Tatsachen zu äußern. Sie kann zur Anhörung bei der zuständigen Stelle mit einem Rechtsbeistand erscheinen. Die Anhörung hat schutzwürdige Interessen von Personen, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung Angaben gemacht haben, zu berücksichtigen. Die Anhörung soll unterbleiben, wenn der zuständigen Stelle objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einen erheblichen Nachteil für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes zur Folge hätte, insbesondere bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Personen. Unterbleibt die Anhörung, ist die Person, die dies betrifft, unter Hinweis auf die Rechtsgrundlage darüber zu unterrichten. (8) Absatz 7 gilt auch, wenn die Weiterbeschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abgelehnt werden soll. Abschnitt 2 Überprüfungsarten SS9 Arten der Sicherheitsüberprüfung (1) Entsprechend der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wird eine 1. einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) oder 2. erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) oder 3. erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) durchgeführt. (2) Ergibt sich bei der Sicherheitsüberprüfung eine sicherheitserhebliche Erkenntnis, kann die zuständige Stelle die nächsthöhere Art der Sicherheitsüberprüfung einleiten. Diese ist jedoch nur in dem Umfang durchzuführen, wie es zur Aufklärung der sicherheitserheblichen Erkenntnis erforderlich ist. SS 10 Einfache Sicherheitsüberprüfung (1) Die einfache Sicherheitsüberprüfung ist durchzuführen für Personen, die 1. Zugang zu VS-VERTRAULICH oder nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 vergleichbar eingestuften Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht SS 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Anwendung findet, 2. sonstige Tätigkeiten in Bereichen nach SS 2 Satz 1 Nr. 3 wahrnehmen sollen. Gleiches gilt in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. - 101 - (2) Die zuständige Stelle kann 1. von einer Sicherheitsüberprüfung insgesamt oder 2. von der Anordnung einzelner Maßnahmen absehen, wenn Art oder Dauer der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit dies im Einzelfall zulässt oder die Unaufschiebbarkeit der Tätigkeit es erfordert. SS 11 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung (1) Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung ist durchzuführen für Personen, die 1. Zugang zu GEHEIM oder nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 vergleichbar eingestuften Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Anwendung findet, 2. Zugang zu einer Vielzahl VS-VERTRAULICH oder nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 vergleichbar eingestufter Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können. Gleiches gilt in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. (2) Von einer Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 1 soll abgesehen werden, wenn die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 für ausreichend hält. SS 12 Erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (1) Eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ist durchzuführen für Personen, die 1. Zugang zu STRENG GEHEIM oder nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 vergleichbar eingestuften Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. Zugang zu einer Vielzahl GEHEIM oder nach SS 2 Satz 1 Nr. 2 vergleichbar eingestufter Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 3. als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde tätig werden sollen. Gleiches gilt in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. (2) Von einer Sicherheitsüberprüfung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 soll abgesehen werden, wenn die zuständige Stelle im Einzelfall nach Art und Dauer der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 oder SS 11 für ausreichend hält. Abschnitt 3 Befugnisse und Maßnahmen SS 13 Allgemeine Befugnisse (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde dürfen die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeiten und die sonstigen nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen. (2) Sollen durch die zuständige Stelle oder die mitwirkende Behörde im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung personenbezogene Daten nach diesem Gesetz erhoben werden, dürfen die dafür erforderlichen personenbezogenen Daten angegeben werden. SS 16 Abs. 5 Satz 2 bleibt unberührt. SS 14 Sicherheitserklärung (1) In der Sicherheitserklärung sind von der betroffenen Person anzugeben 1. Namen, auch frühere, Vornamen, akademische Grade, 2. Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, - 102 - 3. Staatsangehörigkeit, auch frühere und mehrfache, 4. Familienstand, Lebenspartnerschaft, 5. Wohnungen und Aufenthalte seit Vollendung des 18. Lebensjahres a) im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, b) im übrigen Inland und im Ausland, jeweils von längerer Dauer als zwei Monate, 6. Berufe, 7. Beschäftigungsstellen und entsprechende Zeiten, 8. im Haushalt lebende Personen über 18 Jahre (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, auch frühere und mehrfache, Verwandtschaftsgrad oder sonstiger Grund des Zusammenlebens), 9. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, laufende und die der vergangenen fünf Jahre, und Angaben darüber, ob zurzeit die finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, 10. Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten oder zu Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, 11. Beziehungen, auch frühere, zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Landesverfassungsschutzgesetzes, 12. Strafverfahren, laufende und frühere, 13. Disziplinarverfahren, laufende und frühere, 14. Wohnungen und Aufenthalte bis zu einer Dauer von zwei Monaten und Reisen, jeweils seit Vollendung des 18. Lebensjahres, in Staaten, in denen nach Feststellung der für den Geheimschutz zuständigen obersten Landesbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen waren oder sind, 15. nahe Angehörige in den in Nummer 14 genannten Staaten sowie sonstige Beziehungen zu diesen Staaten, 16. Reisen in sonstige Länder in Zeiten, in denen sich ein Wohnsitz im ehemaligen kommunistischen Machtbereich befand, 17. frühere Sicherheitsüberprüfungen als betroffene oder einbezogene Person, sowie bei Sicherheitsüberprüfungen nach den SSSS 11 und 12 zusätzlich 18. Eltern, auch Stiefoder Pflegeeltern (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, auch frühere und mehrfache, und Wohnung), 19. Ausbildungs-, Wehroder Zivildienststellen und entsprechende Zeiten, 20. Nummer des Personalausweises oder Reisepasses, 21. zwei geeignete Auskunftspersonen zur Identitätsprüfung der betroffenen Person (Namen, Vornamen, Anschriften und Bezug zur betroffenen Person), sowie bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 12 zusätzlich 22. drei geeignete Referenzpersonen (Namen, Vornamen, Berufe, berufliche und private Anschriften und Telefonnummern sowie Art und Dauer der Bekanntschaft). Bei Sicherheitsüberprüfungen nach den SSSS 11 und 12 ist den Erklärungen ein aktuelles Lichtbild beizufügen. In den Fällen des SS 10 Abs. 2 Nr. 2 sind nur die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Daten sowie die derzeitige Hauptwohnung und die derzeitige Beschäftigungsstelle anzugeben. (2) Bei jeder Sicherheitsüberprüfung sind die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 10 und 11 genannten Daten auch zur Ehefrau oder zum Ehemann oder zur Lebenspartnerin oder zum Lebenspartner anzugeben. Wird die Ehefrau oder der Ehemann oder die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen, so sind zu deren oder dessen Person zusätzlich die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 bis 9, 12, 15 und 17 genannten Daten anzugeben. (3) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Personen sind zusätzlich die Wohnungen seit der Geburt und die Geschwister (Namen, auch frühere, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, auch frühere und mehrfache, und Wohnung) anzugeben. (4) SS 8 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt. - 103 - SS 15 Aufgaben und Maßnahmen der zuständigen Stelle (1) Die zuständige Stelle erhebt die personenbezogenen Daten grundsätzlich bei der betroffenen Person und im Bedarfsfall auch bei der einbezogenen Person; dazu dient insbesondere die Sicherheitserklärung, die die betroffene Person gemäß SS 14 abzugeben hat. Reicht diese Erhebung nicht aus oder stehen ihr schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, ihrer Ehefrau oder ihres Ehemannes oder ihrer Lebenspartnerin oder ihres Lebenspartners entgegen, können auch andere geeignete Personen oder Stellen befragt werden. SS 16 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung. (2) Die Sicherheitserklärung kann mit der betroffenen Person und mit deren Ehefrau oder Ehemann oder Lebenspartnerin oder Lebenspartner besprochen werden. Die zuständige Stelle hat die Angaben der betroffenen Person und die der Ehefrau oder des Ehemannes oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Zu diesem Zweck kann auch die Personalakte der betroffenen Person eingesehen werden. (3) Die zuständige Stelle fragt unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit zur Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit der betroffenen oder der einbezogenen Person für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei der oder dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik an, wenn die betroffene oder die einbezogene Person vor dem 1. Januar 1970 geboren wurde und in dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft war oder Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorliegen. Die Anfrage kann sich auch auf die Tätigkeit für einen ausländischen Nachrichtendienst beziehen. Solange die Auskunft unter einem Vorbehalt steht, sind weitere Anfragen zulässig und nach jeweils drei Jahren zu wiederholen. Enthält die Auskunft eine sicherheitserhebliche Erkenntnis, übermittelt die zuständige Stelle diese zur Bewertung an die mitwirkende Behörde, sofern kein Verwendungsverbot nach Maßgabe des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2272), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1334), entgegensteht. (4) Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Personen kann auch dann bei der oder dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik angefragt werden, wenn die in Absatz 3 Satz 1 genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Absatz 3 Satz 2 bis 4 findet Anwendung. (5) Die zuständige Stelle leitet die Sicherheitserklärung unter Hinweis auf eine gestellte Anfrage gemäß Absatz 3 oder Absatz 4 an die mitwirkende Behörde weiter und ersucht diese, an der Sicherheitsüberprüfung mitzuwirken. Dabei hat die zuständige Stelle die vorgesehene sicherheitsempfindliche Tätigkeit sowie die Gründe zu beschreiben, die für die Festlegung der Art der Sicherheitsüberprüfung maßgeblich sind. Die Weiterleitung an die mitwirkende Behörde unterbleibt, wenn die zuständige Stelle selbst feststellt, dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Im Übrigen sind alle Informationen, die für die sicherheitsmäßige Beurteilung der betroffenen Person erforderlich sein können, der mitwirkenden Behörde unverzüglich mitzuteilen. (6) In den Fällen des SS 18 kann die zuständige Stelle die mitwirkende Behörde ersuchen, ihr ein vorläufiges Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung mitzuteilen. (7) Die zuständige Stelle kann die betroffene Person und im Bedarfsfall auch deren Ehefrau oder E- hemann oder Lebenspartnerin oder Lebenspartner zu allen sicherheitserheblichen Sachverhalten befragen und diese mit ihnen erörtern. - 104 - SS 16 Aufgaben und Maßnahmen der mitwirkenden Behörde (1) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 Abs. 1 trifft die mitwirkende Behörde folgende Maßnahmen: 1. sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der eingeholten Meldedaten und der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, 2. Ersuchen um eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister und eine Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister zur betroffenen Person, 3. Anfragen zur betroffenen Person an das für die derzeitigen Hauptund Nebenwohnungen jeweils zuständige Landeskriminalamt, die Grenzschutzdirektion und die Nachrichtendienste des Bundes, 4. Auskunftsersuchen zur betroffenen Person an das Ausländerzentralregister, soweit hierzu Anlass besteht. Im Fall des SS 10 Abs. 2 Nr. 2 ist der in Satz 1 genannte Umfang der Sicherheitsüberprüfung entsprechend zu beschränken mit der Maßgabe, dass zumindest die in Nummer 1 genannten Maßnahmen durchzuführen sind. (2) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 11 trifft die mitwirkende Behörde zusätzlich zu Absatz 1 folgende Maßnahmen: 1. soweit Anlass besteht, Anfragen zur betroffenen Person an das Bundeskriminalamt und das für die Hauptund Nebenwohnungen der letzten fünf Jahre jeweils zuständige Landeskriminalamt o- der die jeweils zuständige Polizeidienststelle, 2. Prüfung der Identität der betroffenen Person, soweit hierzu Anlass besteht, 3. Überprüfung der Ehefrau oder des Ehemannes oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners der betroffenen Person entsprechend dem für diese vorgesehenen Umfang, sofern nicht die zuständige Stelle von der Einbeziehung in die Sicherheitsüberprüfung absieht. (3) Bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 12 befragt die mitwirkende Behörde zusätzlich zu den nach den Absätzen 1 und 2 zu treffenden Maßnahmen die von der betroffenen Person in ihrer Sicherheitserklärung angegebenen Referenzpersonen, um zu prüfen, ob die Angaben der betroffenen Person zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. Im Bedarfsfall können auch von der betroffenen Person nicht benannte Dritte befragt werden. In den Fällen des SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ist stets auch die betroffene Person selbst zu befragen. (4) Soweit die Aufklärung eines sicherheitserheblichen Sachverhalts es erfordert, kann die mitwirkende Behörde zusätzlich folgende Maßnahmen treffen: 1. Befragung der betroffenen Person, ihrer Ehefrau oder ihres Ehemannes oder ihrer Lebenspartnerin oder ihres Lebenspartners, 2. Befragung weiterer Dritter, 3. Auskunftsersuchen an Stellen, insbesondere Staatsanwaltschaften und Gerichte, 4. Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung. Maßnahmen nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 sind nur zulässig, sofern die Befragung gemäß Satz 1 Nr. 1 nicht ausreicht oder dieser schutzwürdige private oder überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. (5) Soweit Referenzpersonen, weitere Dritte und nicht öffentliche Stellen befragt werden sollen, sind diese auf den Zweck der Erhebung und die Freiwilligkeit ihrer Angaben oder auf eine dienstoder arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. Bei Sicherheitsüberprüfungen der in SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 genannten Personen hat die Angabe zu deren Beschäftigungsstelle und der Art ihrer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu unterbleiben, wenn dies zum Schutz der betroffenen Person, Dritter oder der mitwirkenden Behörde erforderlich ist. (6) Die mitwirkende Behörde kann im Einvernehmen mit der zuständigen Stelle in die Personalakten der betroffenen Person Einsicht nehmen, wenn dies zur Klärung oder Beurteilung einer sicherheitserheblichen Erkenntnis unerlässlich ist. - 105 - SS 17 Abschluss der Sicherheitsüberprüfung (1) Kommt die mitwirkende Behörde zu dem Ergebnis, dass kein Sicherheitsrisiko nach SS 7 Abs. 1 vorliegt, teilt sie dies der zuständigen Stelle mit. Mitzuteilen ist auch eine Erkenntnis, die zwar kein Sicherheitsrisiko begründet, aber sicherheitserheblich ist. Hierzu können auch Sicherheitshinweise gegeben werden. (2) Besteht nach Auffassung der mitwirkenden Behörde ein Sicherheitsrisiko, unterrichtet sie unter Darlegung der Gründe und ihrer Bewertung die zuständige Stelle. (3) Die zuständige Stelle entscheidet, gegebenenfalls nach Anhörung gemäß SS 8 Abs. 7 oder 8, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Ist dies der Fall, darf die betroffene Person nicht mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden. Lassen sich Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Sicherheitsrisikos nicht ausräumen, soll von der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abgesehen werden. (4) Die Entscheidung der zuständigen Stelle nach Absatz 3 ist der betroffenen Person mitzuteilen. (5) Liegt nach Entscheidung der zuständigen Stelle kein Sicherheitsrisiko vor, ist die betroffene Person vor Aufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit förmlich zu ermächtigen oder zuzulassen, zu belehren und zur Geheimhaltung zu verpflichten. Die näheren Einzelheiten regelt eine Verwaltungsvorschrift. SS 18 Vorläufige Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (1) In Ausnahmefällen, insbesondere bei fehlender Auskunft auf eine Anfrage nach SS 15 Abs. 3 und 4, kann die zuständige Stelle abweichend von SS 3 Abs. 1 Satz 1 der betroffenen Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit vor Abschluss der Sicherheitsüberprüfung zuweisen, wenn die mitwirkende Behörde zumindest 1. bei der Sicherheitsüberprüfung nach SS 10 die Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung vorliegender Erkenntnisse bewertet hat oder 2. bei den Sicherheitsüberprüfungen nach den SSSS 11 und 12 die Maßnahmen der nächstniederen Art der Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen hat und sich daraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko ergeben haben. (2) Die vorläufige Zuweisung ist im Benehmen mit der mitwirkenden Behörde zu befristen. (3) SS 17 Abs. 5 gilt entsprechend. SS 19 Unterrichtungspflichten (1) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich unverzüglich gegenseitig über die persönlichen und dienstlichen oder arbeitsrechtlichen Verhältnisse der betroffenen Person sowie über sonstige personenbezogene Daten zu unterrichten, soweit sie die sicherheitsempfindliche Tätigkeit der betroffenen Person betreffen oder für die sicherheitsmäßige Beurteilung erforderlich sind. (2) Die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde haben sich auch nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn eine Erkenntnis über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt wird, die ein Sicherheitsrisiko begründet oder zumindest sicherheitserheblich ist, oder sich eine mitgeteilte Erkenntnis als unrichtig oder unvollständig erweist. (3) Unterrichtet die zuständige Stelle die mitwirkende Behörde über das Vorliegen einer sicherheitserheblichen Erkenntnis, so stellt die mitwirkende Behörde fest, ob ein Sicherheitsrisiko nach SS 7 Abs. 1 vorliegt und teilt der zuständigen Stelle das Ergebnis der Prüfung mit. Im Übrigen ist SS 17 Abs. 3 und 4 entsprechend anzuwenden. - 106 - SS 20 Aktualisierung der Sicherheitserklärung, Wiederholungsüberprüfung (1) Die Sicherheitserklärung ist der betroffenen Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, alle fünf Jahre erneut zuzuleiten und von ihr zu aktualisieren, soweit die Daten unrichtig oder ergänzungsbedürftig sind; im Bedarfsfall kann mit der betroffenen Person und mit deren Ehefrau oder Ehemann oder Lebenspartnerin oder Lebenspartner ein Gespräch geführt werden. Die zuständige Stelle hat die mitwirkende Behörde über das Ergebnis zu unterrichten; gegebenenfalls ersucht sie diese, Maßnahmen gemäß SS 16 Abs. 1 Satz 1 zu treffen. (2) Im Rahmen der Aktualisierung ist eine Anfrage bei der oder dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nach Maßgabe des SS 15 Abs. 3 nachzuholen, sofern sie bisher unterblieben ist. SS 15 Abs. 4 gilt entsprechend. (3) Bei Sicherheitsüberprüfungen nach den SSSS 11 und 12 ist in der Regel im Abstand von zehn Jahren eine Wiederholungsüberprüfung einzuleiten. Absatz 1 bleibt hiervon unberührt. Im Übrigen kann die zuständige Stelle ungeachtet der Art der durchgeführten Sicherheitsüberprüfung eine Wiederholungsüberprüfung einleiten, wenn eine sicherheitserhebliche Erkenntnis dies erfordert. Auf die Wiederholungsüberprüfung finden die Bestimmungen über die Sicherheitsüberprüfung Anwendung. Sie ist nur in dem Umfang durchzuführen, wie der Überprüfungszweck dies erfordert. Abschnitt 4 Datenverarbeitung SS 21 Zweckbindung (1) Die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen von den Daten verarbeitenden Stellen für Zwecke des Geheimschutzes und die Bekämpfung von erheblichen Straftaten oder die Abwehr erheblicher Gefahren für das Gemeinwohl oder die öffentliche Sicherheit genutzt und übermittelt werden; ferner ist die Nutzung und Übermittlung für Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zulässig. Die zuständige Stelle darf die gespeicherten personenbezogenen Daten darüber hinaus für disziplinarrechtliche sowie dienstoder arbeitsrechtliche Maßnahmen nutzen und übermitteln, soweit dies aus Gründen des Geheimschutzes erforderlich ist. Die mitwirkende Behörde darf die gespeicherten personenbezogenen Daten über die in Satz 1 genannten Zwecke hinaus nutzen und übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der ihr gemäß SS 5 LVerfSchG obliegenden Aufgaben zwingend erforderlich ist. (2) Die Nutzung oder Übermittlung personenbezogener Daten nach Absatz 1 unterbleibt, soweit besondere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. (3) Stellen, denen personenbezogene Daten von der zuständigen Stelle oder der mitwirkenden Behörde übermittelt wurden, dürfen diese nur für die Zwecke verarbeiten, zu deren Erfüllung sie übermittelt worden sind; soweit es sich um ausländische öffentliche Stellen handelt, findet SS 14 Abs. 5 LVerfSchG Anwendung. Nicht öffentliche Stellen sind darauf hinzuweisen, dass die übermittelten personenbezogenen Daten ausschließlich für die Zwecke verarbeitet werden dürfen, zu deren Erfüllung sie übermittelt worden sind. SS 22 Berichtigung, Sperrung und Löschung personenbezogener Daten (1) Die Daten verarbeitenden Stellen haben personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig oder unvollständig sind. Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war. - 107 - (2) Die zuständige Stelle hat personenbezogene Daten grundsätzlich spätestens fünf Jahre nach dem Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu löschen. Ist die betroffene Person verstorben, sind die personenbezogenen Daten innerhalb eines Jahres zu löschen. Nimmt die betroffene Person die sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht auf, sind die personenbezogenen Daten spätestens ein Jahr nach Beendigung der Sicherheitsüberprüfung zu löschen. (3) Die mitwirkende Behörde hat personenbezogene Daten nach Maßgabe des Absatzes 2 zu löschen. In den Fällen des SS 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 verlängert sich die in Absatz 2 Satz 3 genannte Frist um zwei Jahre. (4) Die Löschung personenbezogener Daten nach den Absätzen 2 und 3 unterbleibt, wenn abzusehen ist, dass die betroffene Person zu einem späteren Zeitpunkt mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut wird; in diesem Fall verlängern sich die in Absatz 2 Satz 1 und 3 und Absatz 3 genannten Fristen um höchstens fünf Jahre. Satz 1 Halbsatz 1 gilt entsprechend, solange ein Verfahren wegen der Nichtaufnahme der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit anhängig ist. (5) Für die Sperrung personenbezogener Daten gelten die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes vom 5. Juli 1994 (GVBl. S. 293), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Juli 1996 (GVBl. S. 270), BS 204-1. SS 23 Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten (1) Auf schriftlichen Antrag erteilt die jeweilige Daten verarbeitende Stelle unentgeltlich Auskunft über die bei ihr zur anfragenden Person im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung. (2) Soweit die Auskunft der zuständigen Stelle auch personenbezogene Daten umfasst, die sie an die mitwirkende Behörde übermittelt hat oder die ihr von dieser übermittelt worden sind, bedarf die Auskunftserteilung der vorherigen Zustimmung der mitwirkenden Behörde. Für die Versagung dieser Zustimmung durch die mitwirkende Behörde gilt Absatz 3 entsprechend. (3) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Daten verarbeitenden Stellen liegenden Aufgaben gefährden würde, 2. dies zu einer Gefährdung von Nachrichtenzugängen führen kann oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der mitwirkenden Behörde zu befürchten ist, 3. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, geheim gehalten werden müssen. (4) Wird die Auskunft ganz oder teilweise nicht erteilt, bedarf dies gegenüber der anfragenden Person keiner Begründung, soweit dadurch der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. In diesem Fall ist die anfragende Person darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dieser oder diesem ist auf Verlangen der anfragenden Person Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien und Unterlagen der Sicherheitsüberprüfung zu gewähren, soweit nicht die jeweils zuständige oberste Landesbehörde oder die zuständige oberste Aufsichtsbehörde im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an die anfragende Person dürfen den Zweck der Auskunftsverweigerung nicht gefährden und keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Daten verarbeitenden Stelle zulassen. (5) Der anfragenden Person kann auf Antrag Einsicht in die Sicherheitsakte gewährt werden; die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend. Ein Recht auf Einsicht in die Sicherheitsüberprüfungsakte bei der mitwirkenden Behörde besteht grundsätzlich nicht. - 108 - Teil 2 Sonderregelungen für Sicherheitsüberprüfungen bei nicht öffentlichen Stellen SS 24 Anwendungsbereich Für die Sicherheitsüberprüfung einer Person, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit bei einer nicht öffentlichen Stelle ausüben soll, gelten, sofern nicht in den SSSS 25 bis 28 Sonderregelungen getroffen sind, die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes. SS 25 Zuständigkeiten (1) Zuständige Stelle für die Sicherheitsüberprüfung ist die jeweilige oberste Landesbehörde oder die jeweilige oberste Aufsichtsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich aufgrund eines Vertrages mit einer nicht öffentlichen Stelle Verschlusssachen entstehen oder aus deren Zuständigkeitsbereich aufgrund eines Vertrages Verschlusssachen an eine nicht öffentliche Stelle weitergegeben werden sollen. (2) Die Aufgaben der nicht öffentlichen Stelle nach diesem Gesetz sind in der Regel von einer Organisationseinheit wahrzunehmen, die über die Zuweisung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit hinaus keine arbeitsrechtlichen Personalentscheidungen treffen und auch nicht unmittelbar daran mitwirken darf. Die zuständige Stelle kann Ausnahmen zulassen, wenn die nicht öffentliche Stelle sich verpflichtet, Informationen, die ihr im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung bekannt werden, nur für solche Zwecke zu verarbeiten, die mit der Sicherheitsüberprüfung verfolgt werden, und die betroffene Person über die Ausnahmeregelung schriftlich zu unterrichten. SS 26 Datenverarbeitung durch die nicht öffentliche Stelle (1) Die nicht öffentliche Stelle darf die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 verarbeiten. (2) Die SSSS 15 und 20 Abs. 1 gelten mit der Maßgabe, dass die nicht öffentliche Stelle die in SS 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 genannten personenbezogenen Daten zur Durchführung der Sicherheitsüberprüfung bei der betroffenen Person erhebt. Die nicht öffentliche Stelle prüft diese Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit und kann, soweit dies notwendig ist, die Personalunterlagen einsehen. Sie gibt die Daten nach Überprüfung an die zuständige Stelle weiter und teilt dieser Informationen mit, die für die sicherheitsmäßige Beurteilung der betroffenen Person erforderlich sein können. (3) Neben der zuständigen Stelle führt auch die nicht öffentliche Stelle über die betroffene Person eine Sicherheitsakte. Für diese gilt SS 6 entsprechend mit der Maßgabe, dass sie bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht abgegeben werden darf. (4) Die nicht öffentliche Stelle darf in Dateien die in SS 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 genannten personenbezogenen Daten der betroffenen Person, die diesbezüglichen Aktenfundstellen sowie die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung ergangenen Vermerke speichern, verändern und nutzen. (5) Für die Berichtigung, Sperrung und Löschung der in Akten und Dateien der nicht öffentlichen Stelle gespeicherten personenbezogenen Daten gelten die für die zuständige Stelle getroffenen Regelungen des SS 22 entsprechend. SS 27 Abschluss der Sicherheitsüberprüfung, Weitergabe einer sicherheitserheblichen Erkenntnis Die zuständige Stelle unterrichtet die nicht öffentliche Stelle nur darüber, ob die betroffene Person zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ermächtigt oder nicht ermächtigt wird. Erkenntnisse, die die Ablehnung einer Ermächtigung zur sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betreffen, dürfen nicht mitgeteilt wer- - 109 - den. Zur Gewährleistung des Geheimschutzes kann eine sicherheitserhebliche Erkenntnis nach SS 7 Abs. 2 an die nicht öffentliche Stelle übermittelt werden; die Erkenntnis darf ausschließlich zu dem verfolgten Zweck genutzt werden. Die nicht öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung eine Erkenntnis über die betroffene oder die einbezogene Person bekannt wird, die ein Sicherheitsrisiko begründen oder zumindest sicherheitserheblich sein kann. SS 28 Mitteilungsund Unterrichtungspflichten (1) Die betroffene Person hat der nicht öffentlichen Stelle von sich aus die in SS 8 Abs. 6 Satz 1 und 2 genannten Änderungsdaten mitzuteilen. (2) Die nicht öffentliche Stelle hat die zuständige Stelle unverzüglich über die ihr nach Absatz 1 mitgeteilten personenbezogenen Daten sowie über das bevorstehende Ausscheiden der betroffenen Person aus der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu unterrichten. Teil 3 Reisebeschränkungen SS 29 Anzeigepflicht, Befugnisse der zuständigen Stelle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, können verpflichtet werden, Reisen in oder durch Staaten, in denen nach Feststellung der für den Geheimschutz zuständigen obersten Landesbehörde besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen waren oder sind, der zuständigen Stelle oder der nicht öffentlichen Stelle rechtzeitig vorher anzuzeigen. Die Reise kann von der zuständigen Stelle untersagt werden, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die eine erhebliche Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste erwarten lassen. Die zuständige Stelle wird ermächtigt, den Personenkreis und das Verfahren über die mögliche Anordnung von Reisebeschränkungen in einer Dienstvorschrift oder bei einer nicht öffentlichen Stelle in einer vertraglichen Vereinbarung mit dieser zu regeln. Teil 4 Übergangsund Schlussbestimmungen SS 30 Übergangsbestimmungen (1) Bei Sicherheitsüberprüfungen, die vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes abgeschlossen wurden, ist die erste Wiederholungsüberprüfung gemäß SS 20 Abs. 3 zehn Jahre nach Abschluss der jeweils letzten Überprüfung, die erste Aktualisierung gemäß SS 20 Abs. 1 fünf Jahre nach Abschluss der jeweils letzten Überprüfung oder Aktualisierung durchzuführen. (2) Maßnahmen im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen, die vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eingeleitet wurden, aber noch nicht abgeschlossen sind, bleiben wirksam, sofern sie mit entsprechenden Maßnahmen nach diesem Gesetz vergleichbar sind. SS 31 Verwaltungsvorschriften Die für den Geheimschutz zuständige oberste Landesbehörde erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften. - 110 - SS 32 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes und des Landesverfassungsschutzgesetzes (1) Soweit sich aus diesem Gesetz Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten ergeben, gehen diese dem Landesdatenschutzgesetz vor. (2) Für die mitwirkende Behörde gelten die Bestimmungen des Landesverfassungsschutzgesetzes, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. SS 33 Strafbestimmungen (1) Wer gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, 1. verarbeitet, zum Abruf bereithält oder 2. abruft, einsieht, sich verschafft oder durch Vortäuschung falscher Tatsachen ihre Weitergabe an sich oder einen anderen veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. SS 34 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS 35 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz Das Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296), geändert durch SS 24 des Gesetzes vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184), BS 12-1, wird wie folgt geändert: 1. SS 1 wird wie folgt geändert: a) Folgender Absatz 1 wird eingefügt: "(1) Die nach Artikel 1 SS 1 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1334), für die Sicherheitsüberprüfung zuständige Behörde ist das Ministerium des Innern und für Sport." b) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 2 und wie folgt geändert: Die Angabe "SS 4" wird durch die Angabe "Artikel 1 SS 4" ersetzt. 2. In SS 2 wird die Angabe "SS 5" durch die Angabe "Artikel 1 SS 5" ersetzt. 3. In SS 3 Abs. 2 Satz 1 wird die Angabe "SS 5" durch die Angabe "Artikel 1 SS 5" ersetzt. SS 36 In-Kraft-Treten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung "Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes - Sicherheitsrichtlinien/SiR - Rheinland-Pfalz" vom 24. August 1995 (MinBl. S. 396; 1998 S. 558) außer Kraft. - 111 - Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbe-mittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.