Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tel./Fax.: 06131/16-3772/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de Tätigkeitsbericht 1998 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Im Jahre 1998 konnten mehrere bedeutende Verfassungsjubiläen begangen werden. Zum 50. Mal jährten sich der Verfassungskonvent vom Herrenchiemsee (10. bis 23. August 1948) sowie die konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates (1. September 1948). Beide Ereignisse waren in besonderer Weise prägend für die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 als ein freiheitlicher, demokratischer Rechtsstaat. Die Arbeit dieser Gremien brachte mit dem Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 verkündet wurde, eine Verfassung auf den Weg, die den Menschen in unserem Lande ein bislang nicht bekanntes Höchstmaß an individuellen Freiheitsund Mitbestimmungsrechten gewährleistet. Zudem war das Grundgesetz angesichts des gerade überwundenen nationalsozialistischen Terrorregimes für unsere Nachbarn ein wichtiger Garant für das unumstößliche Bekenntnis Deutschlands zur Wahrung der Menschenrechte und zur Demokratie. Dies ist in der heutigen Zeit des immer schneller zusammenwachsenden Europas weiterhin von Bedeutung. Die nunmehr fünfzigjährige Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland hat - vor allem auch unter den fortdauernden Eindrücken des totalitären "Dritten Reiches" und des von den Nationalsozialisten entfesselten Zweiten Weltkrieges - ein um -2das andere Mal die Unverzichtbarkeit dieser herausragenden Werte des Grundgesetzes nachdrücklich belegt. Fünfzig Jahre Grundgesetz bedeuten aber auch fünfzig Jahre wehrhafte Demokratie, repräsentiert durch ein System verschiedener Schutzelemente, die für den Erhalt unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung geschaffen worden sind. Die dauerhafte, stabile Existenz des demokratischen Verfassungsstaates ist zwar vor allem in hohem Maße von der Akzeptanz seiner Bürgerinnen und Bürger abhängig. Über diesen ideellen Ansatz hinaus ist aber auch - weiterhin - ein angemessener institutioneller Verfassungsschutz als Teil dieser wehrhaften Demokratie erforderlich. Die unveränderbaren Grundwerte unserer Verfassung sind vom Grundgesetzgeber bewußt dem freien Spiel der politischen und gesellschaftlichen Kräfte entzogen und somit nicht zur Disposition gestellt. Es wird nämlich immer Menschen geben, die die ihnen eingeräumte Freiheit mißbrauchen, um sie letztlich abzuschaffen. Gerade die in den letzten Jahren verstärkten Bestrebungen der Rechtsextremisten stellen dies deutlich unter Beweis. Solcherart Bestrebungen zu beobachten und zu analysieren ist eine der primären Aufgaben des Verfassungsschutzes. Ebenso entspricht es seinem Selbstverständnis, offensiv und kontinuierlich über Beobachtungsergebnisse zu berichten. Ein wichtiger Bestandteil dieser Berichterstattung, quasi als Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, ist der jährliche Tätigkeitsbericht. Ich hoffe, die aktuelle Ausgabe 1998 dieser Publikation wird sich wiederum der Aufmerksamkeit seiner Leserinnen und Leser erfreuen. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 7 3. Öffentlichkeitsarbeit 8 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 9 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 11 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotential 13 1.2 Rechtsextremistische Gewalt 13 1.3 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 16 1.4 Neonazistische Organisationen 18 1.4.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene 20 1.4.2 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen 1997 21 1.4.3 "Anti-Antifa" 22 1.5 Rechtsextremistische Parteien 22 1.5.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 22 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 27 1.5.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 28 1.5.3 "Die Republikaner" (REP) 32 1.6 Auslandskontakte 36 -42. Linksextremismus 38 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 38 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 38 2.1.2 Sonstige 40 "Rote Hilfe e.V." (RH) 41 2.2 Linksextremistischer Terrorismus 41 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 42 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 43 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" 43 2.2.4 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) 44 2.3 Militante Linksextremisten (Autonome) 45 2.4 Aktionsfelder von militanten Linksextremisten (u.a. Autonome) 47 3. Ausländerextremismus 51 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 51 3.1.1 Allgemeines 51 3.1.2 Situation in Deutschland 52 3.1.3 Aktionismus/Kampagnen 53 3.1.4 Staatliche Maßnahmen 56 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol"/Dev Sol) 56 3.3 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) - "Der Kalifatsstaat" 57 3.4 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 59 -54. "Scientology-Organisation" 60 4.1 Beobachtungsauftrag 60 4.2 Entstehung und Ziele 60 4.3 Organisationen 62 4.4 Aktivitäten 63 5. Spionageabwehr 65 5.1 Allgemeine Lage 65 5.2 Nachrichtendienste Rußlands 66 5.3 GUS (ohne Rußland) 67 5.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 68 5.5 Krisenund Schwellenländer 68 5.6 Wirtschaftsspionage 72 6 Maßnahmen der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr 73 6. Geheimschutz 75 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 77 D. Anhang 88 -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser Der Tätigkeitsbericht 1998 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Er kann demnach keine umfassende und abschließen-de Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht läßt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 31. Dezember 1998. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes1 u.a. Aufgaben der Informationsbeschaffung und - auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; ihm steht bei seiner Aufgabenerfüllung keinerlei Exekutivgewalt zu. Insbesondere hat der Verfassungsschutz keine polizeilichen Befugnisse; er darf weder Personen kontrollieren oder festnehmen, noch Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt zudem dafür, daß der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen kann, die ihm selbst untersagt sind. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1402. 1 s. unter D. Anhang 2 Stand: 31. Dezember 1998 -8Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1998: 3.280.600,-DM (1999: 2.459.400,-DM). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 8.2353, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz4. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen einschließlich seiner eigenen Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) zur Verfügung. Diesbezügliche Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder das Öffentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes (06131/163772) erfolgen. 3 Stand: 31. Dezember 1998 4 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). -9Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich: - "Verfassungsschutz transparent" - "Rechtsextremismus" - "Skinheads" - "Autonome" - "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" - "Islamistische Extremisten" - "Fairständnis - Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß" - "Wirtschaftsspionage" - "Arbeiterpartei Kurdistans". - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Linksextremismus - weiterhin aktuell" - "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka" - "Aus guten Gründen - Beobachtung der 'Scientology'-Organisation durch den Verfassungsschutz" - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" - "Extremisten und Informationstechnik - vom Flugblatt zum PC" - "Rechtsextremistische Parteien - Keine Alternative" Die Broschüren des Landesverfassungsschutzes stehen auch im Internet ein (http://www.verfassungsschutz.rlp.de). 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 1998 wiederum an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß". Neben der Verteilung von Broschüren wie - 10 - dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten" wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz unterstützt. Die Kampagne "Fairständnis" wird auch 1999 fortgeführt; für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Ministerium des Innern und für Sport - Abteilung Verfassungsschutz - Schillerplatz 3-5 55116 Mainz Tel.: 06131/16-3772 Fax: 06131/16-3688 Internet: http://www.verfassungsschutz.rlp.de - 11 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS5 Das rechtsextremistische Spektrum stellt weiterhin ein ernstzunehmendes Gefährdungspotential für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar, denn wie 1997 sind auch im Jahre 1998 die Zahlen gewaltbereiter Rechtsextremisten und die Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Parteien wiederum gestiegen. Zudem wurde die Nutzung des INTERNET für Propagandazwecke weiter verstärkt. Die herkömmlichen publizistischen Aktivitäten hingegen blieben - wie schon im Jahre 1997 - auf einem gleich hohem Niveau. Insbesondere die agitatorisch-propagandistische Anpassungsfähigkeit rechtsextremistischer Organisationen ist bemerkenswert. Die rechtsextremistischen Parteien, aber auch die Neonazis, greifen weiterhin die aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland auf. Gezielt thematisieren sie die zentralen gesellschaftspolitischen Fragen im Sinne ihrer menschenverachtenden Ideologie, die sie als problemlösende Heilslehre nicht mehr nur plump-plakativ, sondern auch zunehmend subtil und unterschwellig anpreisen. Zudem wird versucht, den Eindruck zu vermitteln, die Gründe vor allem für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland seien ursächlich im Zusammenhang mit einem viel zu hohen Anteil ausländischer Wohnbevölkerung zu sehen. Besonders verwerflich ist, daß dabei stets rassistisch "argumentiert" wird. 5 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Juli 1998), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert oder im Internet abgerufen werden kann (http://www.verfas-sungsschutz.rlp.de). - 12 - Ein Schwerpunkt rechtsextremistischer Agitation waren 1998 die Demonstrationen gegen die vom Hamburger Institut für Sozialforschung in mehreren deutschen Städten durchgeführte Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944". In Dresden, Kassel, Münster, Bonn und Hannover kam es zu Gegenaktionen von Rechtsextremisten. Die vom 12. Juli bis 13. August 1998 in Koblenz im Haus Metternich gezeigte Ausstellung verlief hingegen ohne besondere Vorkommnisse. Die letztjährigen "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" waren wegen der geringen Resonanz für die neonazistische Szene ein Fehlschlag; sie haben dadurch insgesamt an Bedeutung verloren. Auch der Versuch, die Szene zum 100. Todestag Otto von Bismarcks am 30. Juli 1998 zu mobilisieren, scheiterte. Die Aktivitäten der Revisionisten6 hatten innerhalb der Szene nur (noch) wenig Bedeutung. Rechtsextremismus, der insbesondere von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gekennzeichnet wird, ist kein ausschließlich deutsches Problem, sondern fordert auch in vielen anderen Mitgliedsstaaten der EU Opfer und ruft bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen Besorgnis und Angst hervor. Als wichtiger Baustein im Sinne einer EU-weiten Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wurde u.a. am 2. Juni 1997 eine Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit Sitz in Wien eingerichtet. Die Beobachtungsstelle dient der Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten durch die Bereitsstellung von "objektiven, zuverlässigen und vergleichbaren Informationen über rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Phänomene auf europäischer Ebene". Sie hat am 20./21. Januar 1998 ihre Arbeit aufgenommen. 6 vgl. Kurzdarstellung Revisionisten (S. 79) - 13 - 1.1 Rechtsextremistisches Personenpotential Im Jahre 1998 wurden bundesweit insgesamt etwa 53.600 (1997: 48.400) Rechtsextremisten gezählt, davon sind ca. 2.400 Neonazis. Das Spektrum der militanten Rechtsextremisten ist 1998 gegenüber 1997 erneut angewachsen und umfaßt bundesweit etwa 8.200 Personen (1997: 7.600). Die meisten von ihnen sind Angehörige der Skinheadszene. Der genaue Anteil der rechtsextremistischen Skinheadszene ist allerdings angesichts der starken Fluktuation nicht genau bestimmbar. In Rheinland-Pfalz gehörten nach wie vor etwa 1.900 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum an, davon sind ca. 50 Neonazis und ca. 50 rechtsextremistische Skinheads. Letztere werden als gewalttätig eingeschätzt, d.h. in Rheinland-Pfalz gibt es etwa 100 militante Rechtsextremisten. 1.2 Rechtsextremistische Gewalt Der weitere Anstieg der Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten resultiert auch im Jahre 1998 aus einem Zuwachs der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Die Zahl der Gewalttaten ging 1998 zurück. Bundesweit waren 707 Gewalttaten7 zu verzeichnen (1997: 790). In Rheinland-Pfalz war folgende Entwicklung zu beobachten: Die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten stieg 1998 auf 355 Delikte an (1997: 318 Straftaten). Die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) sank leicht von 19 auf 16. In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtsjahr 11 jüdische Friedhöfe u.a. durch Umwerfen und Besprühen von Grabsteinen geschändet (1997: 8). 7 Ohne Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung. - 14 - Aus Sicht des Verfassungsschutzes gibt es derzeit keine rechtsextremistische Gruppe, die im Sinne des SS 129a Strafgesetzbuch als terroristische Vereinigung angesehen werden kann. Bislang sind auch keine festen rechtsterroristischen Strukturen erkennbar. Gleichwohl waren auch 1998 ernstzunehmende Hinweise auf rechtsterroristische Planungen von Einzeltätern oder isolierten Kleingruppen festzustellen. Hierzu zählen u.a. die anhaltende szeneinterne Gewaltdiskussion sowie erneute Waffenfunde. Im Zusammenhang mit Waffenfunden im Landkreis Kaiserslautern im März 1998 wurde Ende 1998 Anklage gegen einen Hauptverdächtigen erhoben8. Diese Entwicklung ist sorgfältig zu beobachten, um rechtzeitig einem evtl. Umschlagen in einen Rechtsterrorismus vorbeugen zu können. Zur Eindämmung der rechtsextremistischen Gewalt werden die Straftaten konsequent verfolgt sowie Vereinsund Versammlungsverbote erlassen. Seit Beginn der 80er Jahre wurden von den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder 20 rechtsextremistische Vereinigungen verboten: Organisation Verbot Verboten durch "Wehrsportgruppe Hoffmann" 30.01.1980 Bund (WSG) "Volkssozialistische Bewegung 27.01.1982 Bund Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) Wehrsportgruppe "Wolfspack/ 14.04.1983 Rheinland-Pfalz Sturm 12" 8 Die Verurteilung erfolgte am 13. Januar 1999 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die auf die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Ein weiterer Mitangeklagter erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. - 15 - Organisation Verbot Verboten durch "Aktionsfront Nationaler Soziali07.12.1983 Bund sten/Nationale Aktivisten" (ANS/ NA) - inkl. "Aktion Ausländerrückführung" (AAR) "Unabhängiger Wählerkreis Würz27.02.1984 Bayern burg" (UWK) (als Nachfolgeorganisation der ANS/NA) "Nationale Sammlung" (NS) 09.02.1989 Bund "Nationalistische Front" (NF) 27.11.1992 Bund "Deutsche Alternative" (DA) 10.12.1992 Bund "Deutscher Kameradschaftsbund 21.12.1992 Niedersachsen Wilhelmshaven" (DKB) "Nationale Offensive" (NO) 22.12.1992 Bund "Nationaler Block" (NB) 11.06.1993 Bayern "Heimattreue Vereinigung Deutsch14.07.1993 Badenlands" (HVD) Württemberg "Freundeskreis Freiheit für 02.09.1993 NordrheinDeutschland" (FFD) Westfalen "Wiking Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Bund "Nationale Liste" (NL) 24.02.1995 Hamburg "Freiheitliche Deutsche Arbeiter24.02.1995 Bund partei" (FAP) "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" 05.05.1995 Brandenburg (JF) "Skinheads Allgäu" 30.07.1996 Bayern "Kameradschaft Oberhavel" 15.08.1997 Brandenburg "Heideheim e.V.", Hamburg und 11.02.1998 Niedersachsen Buchholz - 16 - 1.3 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads9) Der Skinheadszene gehören neben unpolitisch eingestellten Personen und einzelnen sog. Redskins10 vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads an. Da Skinheads in der Regel nicht zu festen Strukturen neigen, ließen sie sich bislang nur selten in rechtsextremistische Organisationen fest einbinden. Trotz der generellen Organisationsunwilligkeit der Skinheads sind seit einiger Zeit innerhalb der Szene Strukturierungsansätze zu erkennen. Größere und seit Jahren sich aufeinander zu bewegende Skinheadszenen treten zum Teil unter gemeinsamen Bezeichnungen auf, verwenden einheitliche Aufnäher und eigene Flaggen, um Gruppengefühl auszudrücken. Seit Mitte der 90er Jahre gewinnen die "Hammerskins" und die "Blood & Honour"-Skinheads, zwei ausländische Gruppierungen, die der "White Power"-Bewegung zuzurechnen sind, auch in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend an Bedeutung. Sie pflegen ein elitäres Selbstverständnis innerhalb der Szene. Von den in Rheinland-Pfalz geschätzten 300 Skinheads können weiterhin etwa 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, die mit Schwerpunkten in der Vorderpfalz und in den Räumen Koblenz, Trier und Zweibrücken agieren. Im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg und im Saarland. Im Jahre 1998 kam es anläßlich von Weinund Volksfesten erneut zu Gewalttätigkeiten und Provokationen durch rechtsextremistisch beeinflußte Skinheads. Die einzelnen Tätergruppen traten überwiegend geschlossen auf, pöbelten Gäste an oder griffen sie nach verbalen Attacken körperlich an. 9 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Mai 1997), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 10 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. - 17 - Skinheadmusik, Konzerte und "Fanzines" (abgeleitet vom englischen fanmagazine) sind weiterhin entscheidende Elemente für Zusammenhalt und Motivation der Szene. Skinhead-Bands propagieren rechtsextremistisches Gedankengut bzw. rassistische und volksverhetzende Texte. Es gibt aber auch Bands, die weitgehend unpolitisch und nicht extremistisch sind. Die Inhalte der "Fanzines" sind überwiegend von rechtsextremistischer Ideologie durchzogen und enthalten einschlägige Abbildungen und Texte. Darüber hinaus stellen die "Fanzines" auch neonazistische Organisationen vor, veröffentlichen Berichte über von Rechtsextremisten organisierte Veranstaltungen und bieten rechtsextremistische, szenetypische Artikel an. Seit mehreren Jahren befindet sich die Skinhead-Musikszene im Aufwärtstrend. Sowohl die Zahl der rechtsextremistischen Skinhead-Bands als auch die Produktion rechtsextremistischer Tonträger hat kontinuierlich zugenommen. Zugleich ist eine Kommerzialisierung und eine Zunahme der Zahl der Vertreiber rechtsextremistischer Skinhead-Musik festzustellen. Auch die Zahl rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte ist seit 1995 stark steigend. Nach 35 Konzerten im Jahre 1995, 68 im Jahre 1996 und 106 im Jahre 1997 fanden 1998 128 Konzerte statt. Dazu kommen ca. 40 Konzerte (1997: 23) insbesondere rechtsextremistischer "Liedermacher", an denen auch Skinheads teilnahmen. Mehrere Auftritte von SkinheadBands fanden 1998 in Rheinland-Pfalz statt, so am 4. Juli 1998 in Warmsroth bei Stromberg und am 26. September 1998 in Hertlingshausen/Krs. Bad Dürkheim. Nach öffentlichen Protesten wurde ein ursprünglich für den 3. Oktober 1998 in Koblenz geplantes Skinheadkonzert kurzfristig nach Höhr-Grenzhausen/Westerwaldkreis verlegt. An den Konzerten in Rheinland-Pfalz nahmen teilweise bis zu 200 Besucher teil; Zwischenfälle wurden dabei nicht bekannt. - 18 - Im Jahre 1998 wurden in mehreren Bundesländern erneut zahlreiche Exekutivmaßnahmen gegenüber Vertreibern und Produzenten rechtsextremistischer Skinhead-Musik durchgeführt. So durchsuchte die Polizei am 11. November 1998 auch in Koblenz die Wohnräume von Mitgliedern der Skinhead-Band "ZENSUR", da deren veröffentlichten Lieder gewaltverherrlichende Texte enthielten. Aufgrund des zunehmend lukrativen kommerziellen Erfolges dürften sich die Verbreiter des rechtsextremistischen Liedgutes sowie die Veranstalter von Konzerten durch Exekutivmaßnahmen auf Dauer jedoch nicht abschrecken lassen. 1.4 Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1998 ca. 2.400 Personen zugerechnet werden. In Rheinland-Pfalz gibt es ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig einzustufen sind. Die Zahlen haben sich gegenüber 1997 nicht verändert. In der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz gilt - ebenso wie im Bundesgebiet - nach wie vor die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG)11 als die mitgliederstärkste Organisation. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim ist weiterhin 1. Vorsitzende der HNG und betreut inhaftierte Gesinnungsgenossen. Der Leiter der "Nationalen Volksfront - Kameradschaft Neustadt/W." (N.V.F.)12, der bekannte Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße, der am 15. Oktober 1997 vom Amtsgericht Mannheim wegen Vergehens gemäß SS 126 Strafgesetzbuch (Störung des öffentlichen Friedens durch 11 Vgl. Kurzdarstellung HNG (Seite 77). 12 Vgl. Kurzdarstellung N.V.F. (Seite 78). - 19 - Androhung von Straftaten) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war, befindet sich weiterhin in Strafhaft13. Nach einem Anfang 1998 bekanntgewordenen Flugblatt will die N.V.F. "ihren Kampf mit aller Aggressivität fortsetzen und das System bekämpfen". Die "Kameradschaft Rhein-Nahe"14 führte am 4. Juli 1998 in der Nähe von Bingen ein sog. Sommerfest durch, an dem über 100 Gesinnungsgenossen aus Rheinland-Pfalz und benachbarten Bundesländern teilnahmen. Anläßlich dieser Veranstaltung wurde die Fusion mit einer "Kameradschaft" aus Hessen bekanntgegeben ("Nachrichten der HNG", Nr. 212 vom September 1998). Ein neuer Schwerpunkt der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz ist 1997 in Ludwigshafen am Rhein entstanden. Der bekannte Neonazi Christian H., der gute Kontakte zur Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland unterhält, hatte Mitte Oktober 1997 in Ludwigshafen am Rhein einen Verlagund Versandhandel, in dem szenetypische CD's, T-Shirts, Fanartikel usw. vertrieben wurden, eröffnet. In den "Nachrichten der HNG" Nr. 200 vom September 1997 war für den Laden unter der Bezeichnung "STURM Verlag und Versand" geworben worden. Auf Anordnung der Stadtverwaltung Ludwigshafen am Rhein wurden die Geschäftsräume am 5. Mai 1998 geschlossen. 1.4.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote in der Vergangenheit hatten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesre13 Am 7. Januar 1999 wurde B. vom LG Frankenthal u.a. wegen Schändung der jüdischen Friedhöfe in Busenberg und Neustadt/Weinstraße zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten Jugendstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 14 Vgl. Kurzdarstellung "Kameradschaft Rhein-Nahe" (Seite 78). - 20 - publik Deutschland veranlaßt, neue Wege zu suchen, um weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Der Zusammenhalt regionaler Gruppierungen und die Koordination bundesweiter Aktionen soll neuerdings insbesondere durch eine sog. informationelle Vernetzung gewährleistet werden. Die Nutzung moderner Kommunikationssysteme ist somit grundsätzlich Teil rechtsextremistischer Strategie. Im Rahmen der Vernetzung spielen die "Nationalen Info-Telefone" (NIT) eine wichtige Rolle. Über Anrufbeantworter können regelmäßig aktualisierte Ansagetexte abgerufen werden. Auch im Berichtsjahr waren die NIT das wichtigste Kommunikationsmittel für die Bekanntgabe von Terminen und Veranstaltungsorten, z.B. anläßlich der "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen". Die Mailboxverbundsysteme "Thule-Netz" und "Nordland-Netz" sind weitere Bestandteile der "informationellen Vernetzung". Das "Thule-Netz" ist seit Juli 1996 auch im INTERNET vertreten. 1998 haben diese Verbundsysteme jedoch an Bedeutung verloren. Dagegen ist das INTERNET als weltweites Computernetz zum wichtigsten Propagandainstrument für die Rechtsextremisten geworden. Während es 1996 noch 32 Homepages deutscher Rechtsextremisten im INTERNET gab, waren es 1997 80 und 1998 bereits 200 mit weiter steigender Tendenz. Für eine künftige Verstärkung der Aktivitäten im INTERNET spricht dessen multimediale Ausrichtung, die es zum besonders wirkungsvollen Propagandaund Werbeinstrument macht. Gerade der INTERNET-Bereich "World Wide Web" (WWW) eröffnet den Rechtsextremisten Möglichkeiten, die im Vergleich zu sonstigen Werbeträgern - wie z.B. Publikationen, Rundfunk usw. - einerseits sehr kostengünstig sind, andererseits die Aussicht bieten, einen sehr umfangreichen Adressatenkreis anzuspre- - 21 - chen. Das gilt vor allem für jüngere Menschen, die über die herkömmlichen Medien nur sehr schwer zu erreichen sind. Seit Mitte 1996/Anfang 1997 sind neben Neonazis im übrigen auch die rechtsextremistischen Parteien "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die "Deutsche Volksunion" ( DVU) und die "Republikaner" (REP) im INTERNET vertreten. Ausländische Neonazis werben mit deutschsprachigen Angeboten im INTERNET, z.B. der deutsch-kanadische Revisionist Ernst ZÜNDEL ("Germania-Rundbriefe") und die amerikanische neonazistische Organisation "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) mit ihrer Publikation "NS-Kampfruf". Eine Nutzung des INTERNET mit dem Ziel, über dieses Medium eine organisatorische und ideologische Vernetzung herbeizuführen, ist bislang jedoch nur in einem geringen Umfang erkennbar. 1.4.2 "Rudolf Heß-Gedenkveranstaltungen" 1998 Die von Neonazis für den 15. August 1998 geplante zentrale Gedenkveranstaltung aus Anlaß des 11. Todestages des ehemaligen Hitlerstellvertreters Rudolf Heß konnte wie im Vorjahr von den Sicherheitsbehörden verhindert werden. Fast alle weiteren Kundgebungen im Zusammenhang mit dem Heß-Todestag wurden von der Polizei unterbunden. Insgesamt beteiligten sich lediglich 200 Rechtsextremisten (1997: 800) am 15. August 1998 an kleineren Aktionen oder versuchten, an einem Aufmarsch teilzunehmen. Lediglich in Greve/Dänemark kam es zu einer nennenswerten Aktion, die von der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB) veranstaltet wurde. An einem Aufmarsch nahmen ca. 140 Rechtsextremisten teil, darunter auch wenige Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundesgrenzschutz hatte vorher mehr als 110 deutsche Rechtsextremisten an der Ausreise nach Dänemark gehindert. - 22 - 1.4.3 "Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit aus. Sie dient u.a. der "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Personaldaten und der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" zu hindern bzw. von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Auch die "Nationalen InfoTelefone" werden in jüngster Zeit für "Anti-Antifa-Aktionen" genutzt. Die "Anti-Antifa"-Aktivitäten waren 1998 insgesamt jedoch weiter rückläufig. In Rheinland-Pfalz wurde 1998 lediglich ein Fall bekannt. Ein junger Rechtsextremist aus Schifferstadt forderte in einem 1998 erschienenen Flugblatt "Staatsfeind - Stimme der Anti-Antifa im Kurpfalz Gebiet" Gesinnungsgenossen auf, Adressen von "Antifas, Verrätern oder sonstigen Feinden" zu übersenden, um sie an andere "Kameradschaften" weiterzugeben. 1.5 Rechtsextremistische Parteien 1.5.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Den auch 1998 anhaltenden Aufwärtstrend der NPD unter ihrem seit 1996 amtierenden Parteivorsitzenden Udo VOIGT führte die Partei zum einen darauf zurück, daß sie eine "klassische" Partei sei. Zugleich ging sie jedoch "Aktionsbündnisse" mit Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads ein. Parteiziel ist die Einbindung von Jugendlichen aus dem neonazistischen Bereich, um mit diesem Potential zu einer "Partei der Jugend" zu avancieren. Eine Magnetwirkung übte hierbei vor allem die NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) und deren En- - 23 - gagement in der Skinheadmusikszene aus. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert , dass sich die NPD neuerdings als Partei des "deutschen Sozialismus" bezeichnet. In ihrem Publikationsorgan "Deutsche Stimme", Ausgabe Juli 1998, heißt es: "Dem menschenverachtenden, ungebändigten Kapitalismus nach USamerikanischer Art müssen deutsche Nationalisten zum Wohle des eigenen Volkes den deutschen Sozialismus entgegensetzen". Die NPD sieht ihre zukünftige Hauptaufgabe unter anderem in der "Umgestaltung des Eigentums, der Wirtschaftsverfassung und des Finanzwesens, dem Schutz der Arbeit gegen Ausbeutung und soziale Not sowie die politische Umgestaltung des Staates". Insbesondere der Mitgliederzuwachs in den neuen Bundesländern führte zu einer Verjüngung der Partei. Die Mitgliederzahl stieg 1998 bundesweit auf ca. 6.000 an (1997: ca. 4.300), wobei der größte Zuwachs im Osten Deutschlands zu verzeichnen war. In Rheinland-Pfalz erhöhte sich die Mitgliederzahl auf ca. 200 (1997 ca. 160). Zur Steigerung ihrer Populariät in der rechten Szene trugen 1998 u.a. auch die von der NPD organisierten Großveranstaltungen bei. Den Auftakt bildete die unter dem Motto "Tag des nationalen Widerstands" angekündigte Großkundgebung am 7. Februar 1998 in der "Nibelungenhalle" in Passau. Weitere bemerkenswerte Aktionen waren die Aufmärsche am 1. Mai 1998 in Leipzig zum "Tag der Arbeit" und anläßlich einer Wahlkundgebung am 19. September 1998 in Rostock. Zu den jeweils bis zu 5.000 Teilnehmern zählten überwiegend Neonazis und Skinheads. Eine führende Rolle spielte die NPD bei der Kampagne gegen die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941- - 24 - 1944". Im Laufe des Jahres organisierte sie unter Beteiligung der JN fünf Demonstrationen gegen diese Ausstellung, wobei es bei Gegendemonstrationen zu Ausschreitungen mit politischen Gegnern kam. Im Jahre 1999 sollen die Kundgebungen, so in Kiel am 30. Januar 1999, gegen die Wanderausstellung fortgesetzt werden. Demonstrationen gegen die Wanderausstellung Datum Ort Teilnehmer Veranstalter 24.01.1998 Dresden ca. 1.300 NPD 06.06.1998 Kassel ca. 350 REP 08.08.1998 Koblenz verboten NPD 12.09.1998 Münster ca. 300 NPD 24.10.1998 Bonn ca. 950 NPD 28.11.1998 Hannover ca. 100 Freie Nationalisten 19.12.1998 Hannover ca. 200 NPD Weitere öffentliche Auftritte mit zum Teil bis zu 600 Teilnehmern fanden anläßlich der Wahlkämpfe bei den Landtagswahlen in den einzelnen Bundesländern sowie während des Bundestagswahlkampfes statt. Innerhalb der Partei ist die öffentliche Wirkung dieser Massenaufmärsche allerdings wegen der Beteiligung von Skinheads und ehemaligen Funktionären verbotener Neonazivereinigungen umstritten ("Glatzen", Skinhead-uniformen). Beteiligung an Wahlen Die NPD beteiligte sich an den Landtagswahlen am 13. September 1998 in Bayern (0,2%) und am 27. September in Mecklenburg-Vorpommern (1,1%) sowie an der Bundestagswahl (0,3%). - 25 - Zur Bundestagswahl trat die NPD außer in Thüringen, wo sie die für eine Wahlteilnahme notwendige Zahl an Unterstützerunterschriften nicht erreichen konnte, in sämtlichen Bundesländern an. In Rheinland-Pfalz nahm sie mit einer zehn Kandidaten umfassenden Landesliste und einem Direktkandidaten im Wahlkreis 161 (Südpfalz) teil. In den Mittelpunkt ihres Bundestagswahlkampfes stellte die NPD u.a. folgende Parolen: - "Wir sind die echte Opposition" - "Arbeit zuerst für Deutsche" - "Wir schaffen soziale Sicherheit" - "Deutsch denken - Deutsch fühlen - Deutsch handeln" - "Allein gegen die Mafia" - "National aus Tradition" - "NPD - Die Euro-Partei" In Rheinland-Pfalz fand der Wahlkampf der NPD, der sich primär auf Plakataktionen und das Verteilen von Propagandaschriften beschränkte, insbesondere in den grösseren Städten und im südlichen Landesteil statt. Die Partei bediente sich dabei der Hilfe von JN-Sympathisanten und Skinheads. Direkten Kontakt mit dem Bürger suchte sie lediglich in einigen pfälzischen Städten und Gemeinden. Nach dem amtlichen Endergebnis erzielte die Partei mit 0,3 % der Wählerstimmen bundesweit das schwächste Ergebnis von allen rechtsextremistischen Parteien15. In Rheinland-Pfalz lag sie mit 0,2 % sogar noch darunter; ihr bestes Ergebnis konnte die Partei in den Wahlkreisen 160 (Pirmasens) und 161 (Südpfalz) mit jeweils 0,4 % erzielen. 15 1994 hat die NPD an der Bundestagswahl nicht teilgenommen. - 26 - Die Wahlergebnisse im einzelnen: Wahlkreise Zweitstimmen in % Wahlkreis 146 Neuwied 0,1 % Wahlkreis 147 Ahrweiler 0,1 % Wahlkreis 148 Koblenz 0,1 % Wahlkreis 149 Cochem 0,1 % Wahlkreis 150 Kreuznach 0,2 % Wahlkreis 151 Bitburg 0,1 % Wahlkreis 152 Trier 0,1 % Wahlkreis 153 Montabaur 0,2 % Wahlkreis 154 Mainz 0,1 % Wahlkreis 155 Worms 0,2 % Wahlkreis 156 Frankenthal 0,3 % Wahlkreis 157 Ludwigshafen 0,2 % Wahlkreis 158 Neustadt-Speyer 0,2 % Wahlkreis 159 Kaiserslautern 0,2 % Wahlkreis 160 Pirmasens 0,4 % Wahlkreis 161 Südpfalz 0,4 % Die NPD-Führung zeigte sich in einer ersten Reaktion über die Wahlergebnisse der Bundestagswie auch der Landtagswahl in MecklenburgVorpommern enttäuscht, obwohl sie dort mit 1,1 % ihr bestes Landtagswahlergebnis seit Jahren erhalten hatte. Das schlechte Abschneiden führte der Partei deutlich vor Augen, daß sie bei Wahlen weiterhin chancenlos ist. Sie erwägt ungeachtet dessen aber keine Kooperation mit anderen rechtsextremistischen Parteien, so der DVU, die bei der NPD als eine "Briefkastenfirma" ohne Parteienstruktur gilt. Das Ergebnis dürfte jedoch diejenigen in der Partei gestärkt haben, die der NPD als Wahlpartei ohnehin keine Priorität einräumen und im Sinne einer "außerparlamentarischen Opposition" eher einer Zusammenarbeit mit Neonazis den Vorzug geben. Im Landesverband Rheinland-Pfalz war die Parteiarbeit 1998 insbesondere durch den Bundestagswahlkampf geprägt. Die Aktivitäten im Bereich Koblenz und im südpfälzischen Raum führten zu einem Mitgliederzulauf, - 27 - der sich mehrheitlich aus der Skinheadszene rekrutierte. Die unterschiedliche Altersstruktur bedingte anhaltende parteiinterne Auseinandersetzungen um die Besetzung von Führungspositionen. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Im gleichen Maße wie bei der Mutterpartei NPD setzte sich 1998 auch der Aufwärtstrend der JN unter ihrem Bundesvorsitzenden Holger APFEL weiter fort. Ende 1998 verfügten sie über ca. 400 Mitglieder (1997: ca. 350) und stellten damit den größten Zusammenschluß rechtsextremistischer Jugendorganisationen dar. Die JN verstehen sich heute als Auffangbecken für Neonazis und Angehörige von inzwischen verbotenen rechtsextremistischen Organisationen. Sie arbeiten zudem eng mit Skinheads zusammen. Ehemalige Funktionäre verbotener Gruppierungen gehören heute dem JN-Bundesvorstand an und verfügen dort über erheblichen Einfluß. Mittlerweile wächst hier eine "nationale außerparlamentarische Opposition" heran. Ihre politische Arbeit wollen die JN nicht alleine auf "nationalstaatliche" sondern insbesondere auf "nationaleuropäische" Interessen abstellen und den Aufbau einer europäischen Vernetzung vorantreiben. In diesem Zusammenhang ist auch der von den JN ins Leben gerufene "Europäische Kongreß der Jugend" zu sehen, der am 24. Oktober 1998 im griechischen Thessaloniki - und damit zum ersten Mal im Ausland - stattfand. Wie in den vergangenen Jahren nahmen an dem Kongreß rechtsextremistische Jugendorganisationen aus europäischen Staaten sowie den USA und aus Südafrika teil. Veranstaltungsthemen waren u.a. die "Rassenmischung" und die angebliche "völkerverderbende Macht der Juden". Mit nur 150 Teilnehmern lag die Besucherzahl jedoch weit unter der Veranstaltung von 1997 im bayerischen Furth im Wald (ca. 500). - 28 - Auch 1998 wurden regelmäßig Schulungsveranstaltungen mit dem Ziel durchgeführt, die JN als eine Kaderorganisation aufzubauen. Mittels Anschreiben an Gemeindeverwaltungen und Sportvereine etc. - u.a. auch in Rheinland-Pfalz - versuchten die JN hierfür geeignete Räumlichkeiten anzumieten. In Rheinland-Pfalz bewegt sich die JN-Anhängerschaft bei über 30 Personen. Nach eigenen Angaben wurde ein eigenständiger JN-Landesverband gegründet. Zum Vorsitzenden soll der bekannte Funktionär im JNBundesvorstand Sascha W. gewählt worden sein. Über die Gründungsveranstaltung und die Vorstandswahl berichtete die NPD-Publikation "Deutsche Stimme" in der Ausgabe August 1998. Mit der Verteilung von NPD-Wahlpropaganda und Plakatieraktionen unterstützten JN-Mitglieder aus Rheinland-Pfalz die NPD im Bundestagswahlkampf und im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. 1.5.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die DVU wird von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY zentralistisch und autoritär geführt. Sie ist die derzeit größte rechtsextremistische Partei und verfügt bundesweit über ca. 18 000 Mitglieder. Dies bedeutet einen Zuwachs von ca. 3000 Mitgliedern gegenüber 1997. In Rheinland-Pfalz gehören der Partei ca. 850 Personen an. Beteiligung an Wahlen Die DVU, die über 15 Landesverbände verfügt (Stand: 01. März 1998), konnte bereits in der Vergangenheit vereinzelt Wahlerfolge erzielen. Ihr bislang spektakulärstes Ergebnis erzielte sie mit 12,9 % der Stimmen bei - 29 - der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 26. April 1998 und zog mit 16 Abgeordneten in den Magdeburger Landtag ein. Damit ist zum ersten Mal eine rechtsextremistische Partei in einem Parlament der neuen Länder vertreten. Dieser Wahlerfolg gelang in erster Linie durch eine Materialschlacht. Zur Wahlwerbung hatte die DVU vor allem flächendeckende Plakatierungen, Postwurfsendungen besonders an jüngere Wähler und Spruchbandwerbung per Flugzeug eingesetzt. Wahlveranstaltungen wurden kaum durchgeführt. Die Werbeslogans lauteten u.a.: - "Deutsches Geld für deutsche Arbeitsplätze" - "Kriminelle Ausländer raus!" - "Diesmal Protest wählen!" - "Ausbildungsplätze schaffen!" - "Politiker-Gehälter kürzen!" Es ist der DVU gelungen, vor allem Protestwähler und Jungwähler anzusprechen. In der Gruppe der bis zu 24 Jahre alten Wähler erhielt sie über 20 % der Stimmen. Der Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt stärkte die Stellung der DVU im rechtsextremistischen Lager. Dies macht sich auch bei den steigenden Mitgliederzahlen bemerkbar. Für die Bundestagswahl am 27. September 1998 nominierte die DVU als unabhängigen Spitzenkandidaten den ehemaligen REP-Bundesvorsitzenden Franz SCHÖNHUBER, der auch bei der Europawahl im Juni 1999 als Spitzenkandidat die DVU anführen soll. Eine Materialschlacht wie beim Wahlkampf in Sachsen-Anhalt hat es beim Bundestagswahlkampf in Rheinland-Pfalz bei weitem nicht gegeben. Es wurden nur vereinzelt Hauswurfsendungen und Plakatierungen durchgeführt. Das verteilte Werbematerial sollte sowohl Überzeugungswähler wie auch Protestwähler ansprechen. - 30 - So lautete der Slogan eines Flugblattes: "Die DVU will - Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche! - Deutsches Geld zuerst für deutsche Aufgaben! - Die D-Mark soll bleiben! - Kriminalität hart bekämpfen! - Ausländerbegrenzung durchsetzen! ... was die Mehrheit der Deutschen will." Auf der Rückseite des Flugblattes hieß es: "Deutsche, lasst Euch nicht zur Sau machen! DVU, der Protest bei der Wahl gegen Schweinereien von oben". Der Höhepunkt der Wahlkampfveranstaltungen war die am 26. September 1998 stattgefundene Grosskundgebung in Passau, die unter dem Motto stand: "Deutschland: Jetzt kommt die DVU. Grosskundgebung am Vortag der Bundestagswahl." An dieser Veranstaltung nahmen ca. 3000 Personen teil. Bereits von Dr. FREY und seinen Anhängern gehegte Hoffnungen auf ähnliche Ergebnisse wie bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern erfüllten sich bei der Bundestagswahl nicht. Die DVU erzielte im Bundesgebiet lediglich 601.192 Stimmen, dies entspricht 1,2 %. Bei der am gleichen Tage stattgefundenen Landtagswahl in MecklenburgVorpommern erreichte sie 2,9 % der Stimmen und scheiterte somit auch dort an der 5 % Hürde. In Rheinland-Pfalz lag der Stimmenanteil bei 0,7 %, dies entspricht 17.918 Stimmen. Dieses Ergebnis liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Selbst in den sogenannten "Hochburgen" Ludwigshafen - 31 - und Pirmasens konnte der Bundesdurchschnitt nicht überschritten werden. Die Wahlkreisergebnisse im einzelnen: Wahlkreise: Zweitstimmen in % Wahlkreis 146 Neuwied 0,7 Wahlkreis 147 Ahrweiler 0,5 Wahlkreis 148 Koblenz 0,7 Wahlkreis 149 Cochem 0,6 Wahlkreis 150 Kreuznach 0,9 Wahlkreis 151 Bitburg 0,6 Wahlkreis 152 Trier 0,4 Wahlkreis 153 Montabaur 0,9 Wahlkreis 154 Mainz 0,5 Wahlkreis 155 Worms 0,9 Wahlkreis 156 Frankenthal 0,8 Wahlkreis 157 Ludwigshafen 1,0 Wahlkreis 158 Neustadt-Speyer 0,6 Wahlkreis 159 Kaiserslautern 0,8 Wahlkreis 160 Pirmasens 1,0 Wahlkreis 161 Südpfalz 0,5 Franz SCHÖNHUBER wertete noch am Abend des Wahltages bei einer Pressekonferenz der DVU das Ergebnis bei der Bundestagswahl als letztes Warnsignal für die rechten Parteien. Diese hätten jetzt nur noch eine Chance - die Europawahl. Auslandskontakte pflegte Dr. FREY in jüngerer Zeit zu dem französischen "Front National" (FN) unter Jean Marie LE PEN. Bei einem gemeinsamen Treffen am 15. Juni 1998 in Straßburg wurde u.a. beschlossen, die "Bindungen" der beiden Parteien "auszubauen und (zu)verstärken". Für die Europawahl 1999 wurde die Absicht bekundet, eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden. In Rheinland-Pfalz gehen von dem nicht strukturierten DVU-Landesverband kaum Aktivitäten aus. Im südpfälzischen Raum fanden politi- - 32 - sche Stammtische mit geringer Besucherresonanz statt. In Anzeigen der "Deutschen National-Zeitung" wird auf regelmäßige DVU-Veranstaltungen im Raum Koblenz-Neuwied hingewiesen. Am 31. Januar 1998 führten die DVU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Saarland einen gemeinsamen Landesparteitag in Gossersweiler-Stein/Kreis Südliche Weinstraße durch. 1.5.3 "Die Republikaner" (REP) Aufgrund des schlechten Abschneidens der REP bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie der anhaltenden Personalund Richtungsdiskussionen um den Parteivorsitzenden Dr. SCHLIERER verlor die Partei 1998 Mitglieder, die zum Teil in die Konkurrenzpartei DVU überwechselten. Ende des Jahres 1998 verfügte die Partei noch über ca. 15.000 Mitglieder (1997: ca. 15.500). Diese negative Entwicklung wirkte sich auf den rheinland-pfälzischen Landesverband mit seinen 17 Kreisverbänden jedoch nicht aus. Hier stieg die Mitgliederzahl entgegen dem Bundestrend auf mittlerweile über 600 (1997: ca. 550) an. Aufgrund dieser positiven Entwicklung konnte der Landesverband im südlichen Landesteil die Organisation ausbauen. Die Bemühungen zum Aufbau einer REP-Jugend waren gegenüber 1997 aber wieder rückläufig. Beteiligung an Wahlen Zur Landtagswahl am 1. März 1998 in Niedersachsen traten die REP zwar als einzige rechtsextremistische Partei an, erreichten aber nur 2,8% der Wählerstimmen (1994: 3,7%). Der Negativtrend setzte sich bei der Land- - 33 - tagswahl am 26. April 1998 in Sachsen-Anhalt fort. Hier erhielt die Partei lediglich 0,7% (1994: 1,4%)16. Auch die Landtagswahl am 13. September 1998 in Bayern, zu der die Konkurrenzpartei DVU nicht angetreten war, brachte den REP nur 3,6% (1994 3,9%). Bei der Landtagswahl am 27. September 1998 in Mecklenburg-Vorpommern lag das Wahlergebnis nur noch bei 0,5% (1994: 1,0%). An der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag, ebenfalls am 27. September 1998, nahmen die REP mit Direktkandidaten und Landeslisten in sämtlichen Bundesländern teil; in Rheinland-Pfalz trat sie in allen 16 Wahlkreisen mit Direktkandidaten und mit einer neun Kandidaten umfassenden Landesliste an. Um auch die Jugend für eine Stimmabgabe zugunsten der REP zu gewinnen, wurde erstmals die Jugendzeitung "Junge Deutsche" in einer Auflagenstärke von ca. 200.000 Exemplaren bundesweit in Umlauf gebracht. In den Mittelpunkt ihrer Wahlpropaganda stellten die REP u.a. folgende Slogans: - "Deutsche Interessen zuerst" - "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" - "DM behalten - Politiker austauschen" - "Wenn wir kommen fliegen andere nach Hause" - "Kriminelle Ausländer raus" - "Die Republikaner , nötiger denn je" 16 Das schlechte Abschneiden im Vergleich zur DVU, die hier mit 12,9 % ihr bislang spektakulärstes Ergebnis erzielte, wurde von den REP als existenzbedrohend eingeschätzt und löste in der Folge heftige Debatten um den Bundesvorsitzenden Dr. SCHLIERER aus. - 34 - In Rheinland-Pfalz setzten die REP als Wahlwerbung vornehmlich Propagandaschriften und Plakate ein; daneben richtete man in den letzten Wochen vor dem Wahltermin in den größeren rheinland-pfälzischen Städten Informationsstände ein. Darüber hinaus bedienten sie sich zur Vorstellung ihrer Wahlkandidaten auch moderner Informationstechniken wie des INTERNET. Nach dem amtlichem Endergebnis erzielten die REP bundesweit 1,8% der Wählerstimmen (1994: 1,9%) und lagen damit 0,6% über der DVU. In Rheinland-Pfalz betrug das Wahlergebnis für die REP 2,1 % (1994: 1,9%). Überdurchschnittliche Stimmanteile erhielten sie im Wahlkreis 157 (Ludwigshafen) mit 3,8%, im Wahlkreis 159 (Kaiserslautern) mit 3,6% und im Wahlkreis 161 (Südpfalz) mit 3,5%. Insgesamt fielen die Ergebnisse im südlichen Landesteil besser aus als im Norden von Rheinland-Pfalz, wo die REP im Wahlkreis 153 (Montabaur) mit 1,5% ihr bestes Resultat erzielten17. Die Wahlergebnisse im einzelnen: Wahlkreise: Zweitstimmen in % Wahlkreis 146 Neuwied 1,1 Wahlkreis 147 Ahrweiler 1,0 Wahlkreis 148 Koblenz 0,8 Wahlkreis 149 Cochem 1,3 Wahlkreis 150 Kreuznach 1,8 Wahlkreis 151 Bitburg 1,2 Wahlkreis 152 Trier 1,1 Wahlkreis 153 Montabaur 1,5 Wahlkreis 154 Mainz 2,2 Wahlkreis 155 Worms 2,6 Wahlkreis 156 Frankenthal 3,2 Wahlkreis 157 Ludwigshafen 3,8 Wahlkreis 158 Neustadt-Speyer 3,1 Wahlkreis 159 Kaiserslautern 3,6 Wahlkreis 160 Pirmasens 3,1 Wahlkreis 161 Südpfalz 3,5 17 Bei der hessischen Landtagswahl am 7. Februar 1999 erhielten die REP 2,7% (1995: 2,0%) der Wählerstimmen. - 35 - Infolge der Wahlniederlagen nahmen die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei an Schärfe zu. Die Kritik am Festhalten SCHLIERER's an der Abgrenzung von anderen Parteien des rechten Spektrums gemäß dem "Ruhstorfer Abkommen" von 1990 wurde wieder lauter18. Die Konsequenz hieraus waren Parteiausschlüsse der Rädelsführer. Damit konnte die Parteiführung jedoch die Fortführung der Abgrenzungsdiskussion nicht verhindern. So forderte der stellvertretende Parteivorsitzende Christian KÄS ein "Ende der Leisetreterei" und eine Annäherung im Umgang mit anderen Rechtsparteien und äußerte, dass der "Spaltungsparteitag von Ruhstorf" ein Fehler gewesen sei. Die Nähe der REP zu anderen rechtsextremistischen Organisationen wurde auch bei folgenden Veranstaltungen deutlich: Bei einer Kundgebung der REP gegen die Einführung des Euro und für ein "Europa der Vaterländer" am 30. Mai 1998 in der Nähe von Saarbrükken waren auch Abordnungen von NPDund JN-Mitgliedern sowie von Neonazis , u.a. auch aus Rheinland-Pfalz, anwesend. Außerdem hatte die Partei Einladungen auch an die französische Partei "Front National" (FN) und den belgischen "Vlaams Blok" gerichtet, die von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistisch eingestuft werden. Während einer von der hessischen REP-Jugend für den 6. Juni 1998 in Kassel angemeldeten Kundgebung gegen die dortige Wanderausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" , u.a. gemeinsam mit NPDund JN-Mitgliedern, erhielt auch der bekannte Neonazi Thomas W. aus Hamburg Rederecht. Allerdings wurde ungeachtet der Querelen innerhalb der Partei Dr. SCHLIERER beim Bundesparteitag am 21. November 1998 in Hinterskirchen/Bayern als Bundesvorsitzender der REP bestätigt. Christian KÄS 18 Das "Ruhstorfer Abkommen" wurde anläßlich des Bundesparteitags am 7./8. Juli 1990 in Ruhstorf/Bayern verabschiedet und beinhaltet die Abgrenzung der REP von extremistischen und verfassungsfeindlichen Organisationen. - 36 - blieb stellvertretender Bundesvorsitzender. Der Pressesprecher des REPLandesverbandes Rheinland-Pfalz und Vorsitzende des Kreisverbandes Kusel gehört dem Parteivorstand als Beisitzer an. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Dezember 199719, mit dem der Landesregierung Rheinland-Pfalz die Beobachtung der Partei "Die Republikaner" mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagt wurde, hat das Land Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt, die am 4. August 1998 zugelassen worden ist. 1.6 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Beziehungen zu Gesinnungsgenossen im Ausland; insbesondere versprechen sie sich davon Impulse für ihre "nationale Sache". Zudem werden sie aus dem Ausland mit Propagandamaterial versorgt, dessen Herstellung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen bestehen bereits seit vielen Jahren insbesondere in die USA (NSDAP/AO), nach Kanada, in die Niederlande sowie nach Dänemark, Spanien, Österreich, Frankreich und Belgien. In mehreren europäischen Staaten kommt es regelmäßig zu anlaßbezogenen Treffen von Rechtsextremisten, so zum Gedenken an Hitlers Geburtstag sowie zu den Todestagen von Mussolini, Franco und Rudolf Heß. Etwa 100 deutsche Rechtsextremisten beteiligten sich am 14./15. Februar 1998 an einem internationalen Treffen in Budapest anläßlich des 52. Jahrestages der Schlacht um die ungarische Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg. An der 71. "Ijzerbedevaart", der traditionellen Gedenkfeier flämischer Nationalisten in Diksmuide/Belgien, nahmen am 29. August 1998 19 Siehe hierzu den "Tätigkeitsbericht 1997" des Ministeriums des Innern und für Sport, Ziffer 1.4.3 "Die Republikaner". - 37 - rund 150 Rechtsextremisten aus verschiedenen Ländern teil, darunter ca. 50 aus Deutschland. Die belgische Polizei nahm bei Kontrollen 14 deutsche Rechtsextremisten fest. Im Rahmen der Berichterstattung der "Nationalen Info-Telefone" (NIT) werden häufig Aktivitäten von Rechtsextremisten und rechtsextremistischen Parteien im benachbarten Ausland dargestellt. So berichtete das NIT Schleswig-Holstein in seiner Ansage vom 11. Dezember 1998 über die innerparteilichen Steitigkeiten der französischen rechtsextremistischen Partei "Front National" (FN). - 38 - 2. LINKSEXTREMISMUS Ziel der linksextremistischen Gruppierungen, denen 1998 bundesweit ca. 34.700 Personen (1997: ca. 34.100) zugerechnet werden konnten (davon in Rheinland-Pfalz wie 1997 etwa 750), ist die Beseitigung der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, um an deren Stelle eine kommunistische oder eine herrschaftsfreie Gesellschaft (Anarchie) zu errichten. Der politische Kampf von Linksextremisten orientiert sich an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien, wobei sich ein Teil der Gruppierungen militanter Aktionsformen bedient. Viele linksextremistische Organisationen sehen nach Überwindung ihrer aus dem weltweiten Niedergang des Sozialismus entstandenen fundamentalen Existenzkrise inzwischen wieder Ansätze zur Umsetzung eigener Zielvorstellungen. Dies zeigt sich trotz ideologischpoli-tischer Unterschiede in einer verstärkten kampagnenorientierten Zusammenarbeit. 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP konzentrierte sich auch 1998 auf die Rückgewinnung politischer Handlungsfähigkeit, wobei die hohe Altersstruktur und die finanzielle Situation der Partei die Aktionsmöglichkeiten weiterhin stark einengen. Nach Angaben anläßlich des 14. Parteitages der DKP am 22. bis 24. Mai 1998 in Hannover verfügt die Partei bundesweit über knapp 6.500 Mitglieder in über 230 Parteigruppen, 110 Kreisen und 14 Bezirksorganisationen. Die DKP fixiert ihre politischen Zielsetzungen auch nach den fundamentalen politischen Umwälzungen durch den Niedergang des Sozialismus weiterhin unbeirrt am Marxismus-Leninismus und den hieraus resultierenden - 39 - Revolutionsund Klassenkampftheorien. Aus ihrer Sicht bleibt der revolutionäre Bruch mit dem kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen Voraussetzung dafür, um zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zu gelangen20. Der Sozialismus wird von der Partei als Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme propagiert. Zum 14. Parteitag unter dem Motto: "Heute kämpfen für Arbeitsplätze und Demokratie - für eine sozialistische Zukunft" waren 219 Delegierte sowie Gastdelegationen von 28 "Bruderparteien" und "Befreiungsorganisationen" aus 27 Ländern erschienen. Zu den deutschen Gästen gehörten u.a. Vertreter der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ), der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) sowie der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Der Tätigkeitsbericht des Parteivorstandes betonte die Forderungen des vom 13. Parteitag beschlossenen Aktionsprogramms "Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen die Kriegspolitik, gegen Sozialund Demokratieabbau!". Er verlangte erneut die Auflösung der NATO und der Westeuropäischen Union sowie Widerstand gegen die "Kriegspolitik" der Bundesregierung als zentrale Aufgabe der DKP. Hohen Stellenwert hat für die DKP auch die Internationalismusarbeit, insbesondere die "Antiimperia-listische Solidarität" mit dem sozialistischen Kuba. Der Parteitag beschloss, die Diskussion über das vorliegende Grundsatzpapier "Sozialismus - die historische Alternative zum Kapitalismus" fortzusetzen und mit der Erarbeitung eines neuen Parteiprogramms zu beginnen. Zur Bundestagswahl 1998 rief der Parteitag dazu auf, mit der Zweitstimme die PDS zu wählen. Die DKP selbst stellte bundesweit keine Landeslisten auf. Traditionell gehören die Themenfelder "Antifaschismus", "Antiimperialismus" sowie Gewerkschafts-, Aktionseinheitsund Bündnispolitik zu den 20 DKP-Informationen Nr. 5/98 vom 10. Juni 1998; Rede des DKP-Bundesvorsitzenden Heinz STEHR. - 40 - Hauptanliegen der Partei. Sie sieht es als ihre "strategische Aufgabe" an, "einen Beitrag zur Formierung breiter gesellschaftlicher Allianzen zu leisten und in sie klassenkämpferische Positionen einzubringen". Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen arbeitsund sozialpolitischen Situation hofft die DKP nach wie vor auf eine stärkere Akzeptanz bei den Arbeitnehmern und Ansatzpunkte zur Propagierung ihrer Ideologie. In Rheinland-Pfalz sind den Aktivitäten des ca. 100 Mitglieder umfassenden DKP-Bezirksverbandes weiterhin enge personelle und finanzielle Grenzen gesetzt. Örtliche Schwerpunkte sind insbesondere in Bad Kreuznach und Idar-Oberstein erkennbar. Bei den Kommunalwahlen am 13. Juni 1999 wird die DKP in Rheinland-Pfalz voraussichtlich erneut versuchen, über offene bzw. über Bündnislisten Mandate zu erringen. 2.1.2 Sonstige Zum Spektrum der sonstigen revolutionären Marxisten gehören zahlreiche Organisationen, deren Bekanntheitsund Wirkungsgrad jedoch sehr unterschiedlich ist. Zu nennen sind hier die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Marxistische Gruppe" (MG) und der "Revolutionär Sozialistische Bund" (RSB). Aktivitäten dieser Gruppen gibt es Rheinland-Pfalz in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Gruppierungen wie die "Vereinigung für sozialistische Politik" (VSP) und das "Forum kommunistische Arbeitsgemeinschaften" (vormals "Bund Westdeutscher Kommunisten" - BWK) kooperieren mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), sind jedoch in RheinlandPfalz nahezu bedeutungslos. Die PDS in Rheinland-Pfalz stellt sich - wie auch in zahlreichen anderen alten Bundesländern - als ein Sammelbecken von Linksextremisten verschiedener politischer Herkunft dar. Der PDS-Landesverband Rheinland- - 41 - Pfalz befindet sich (immer) noch in der Aufbauphase. Örtliche Schwerpunkte liegen u.a. in Mainz, Ludwigshafen am Rhein, Koblenz und Trier. Bei den Bundestagswahlen 1998 verfehlte die PDS zwar die angestrebte Verdoppelung ihres prozentualen Stimmenanteils von 1994 (15.135 Zweitstimmen = 0,6%), konnte jedoch einen deutlichen Zuwachs an 25.083 Zweitstimmen (1,0%) erzielen. "Rote Hilfe e.V." (RH) Die "Rote Hilfe e.V." (RH), eine von Linksextremisten getragene, bundesweit agierende Solidaritätsorganisation für "politische Verfolgte aus dem linken Spektrum der BRD und anderen Ländern" mit bundesweit annähernd 3.000 Mitgliedern (in Rheinland-Pfalz: ca. 40), unterstützte fortgesetzt Protestund Solidaritätsaktionen gegen den "Staatlichen Repressionsapparat". U.a. drängte sie bei der Bundesregierung im Oktober 1998 auf eine "politische Lösung" hinsichtlich der Freilassung der noch verbliebenen Gefangenen aus der "Roten Armee Fraktion" (RAF). Anläßlich des bundesweiten Aktionstages für die "politischen Gefangenen" am 18. März 1998 rief die RH unter dem Motto "Solidarität heißt Widerstand - Gegen staatliche Unterdrückung" bundesweit zu Aktionen auf. In mehreren Städten fanden dazu Veranstaltungen mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen statt, so auch in Mainz zum Thema "Repression und politische Gefangene". 2.2 Linksextremistischer Terrorismus Von gewalttätigen Linksextremisten, insbesondere aus der anarchistisch orientierten autonomen Szene gehen auch weiterhin Gefährdungen für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. - 42 - Demgegenüber haben über viele Jahre aktiv gewesene terroristische Gruppierungen wie die "Rote Armee Fraktion" (RAF) keine nennenswerte Bedeutung mehr. 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) In einem mit "März 1998" datierten mehrseitigen Papier, das am 20./21. April 1998 über die Nachrichtenagentur "Reuters" und verschiedene Tageszeitungen an die Öffentlichkeit gelangte, erklärte die RAF ihre Auflösung: "Vor fast 28 Jahren am 14. Mai entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Selbstkritisch stellt die RAF in ihrer Auflösungserklärung fest, dass es ihr zu keinem Zeitpunkt gelungen sei, über den "bewaffneten Kampf" einen Weg der "Befreiung" aufzuzeigen. Gleichwohl habe sie mehr als zwei Jahrzehnte dazu beigetragen, dass es den Gedanken daran heute (noch) geben würde. Als entscheidende Gründe für ihre Selbstauflösung nennt die RAF das Fehlen sozialrevolutionärer Ansätze in ihrem lediglich auf Militanz basierenden Konzept. Die Reaktionen aus dem linksextremistischen Spektrum und aus den Reihen der RAF-Inhaftierten auf die Auflösungserklärung waren auffällig gering. Während die Auflösung als solche allgemein begrüßt wurde, gab es zum Teil heftige Kritik an dem von der RAF skizzierten Geschichtsrückblick bzw. an der Auflösungsbegründung. Andererseits wurde in den Reaktionen mehrheitlich herausgestellt, dass der "bewaffnete Kampf" der RAF als "eine radikale Option politischen Handelns" nicht verlorengehen dürfe bzw. notwendiges Mittel im Kampf um "Befreiung" bleiben müsse. - 43 - Die Sympathisantenund Unterstützerszene, insbesondere die "Angehörigengruppe" der RAF-Inhaftierten war auch 1998 bemüht, ihrer Forderung nach Freilassung aller noch einsitzenden "RAF-Gefangenen" auf vielfältige Weise Nachdruck zu verleihen. Gerade in den ersten Wochen nach Bekanntwerden der RAF-Erklärung kam es zu verstärktem Aktionismus. Jetzt nach der offiziellen RAF-Auflösung - so betonte die Unterstützerszene - sei ein weiteres Festhalten des Staates an den "Gefangenen aus der RAF" überhaupt nicht mehr zu begründen. Am 3. Juni 1998 fand vor der JVA Frankenthal anläßlich des 50. Geburtstages des dort inhaftierten terroristischen Gewalttäters Rolf HEIßLER eine "Knastkundgebung" mit zahlreichen autonomen/antiimperialistischen Szeneangehörigen statt, die lautstark die "Freiheit für alle RAFGefangenen" forderten. Es wurde Leuchtmunition verschossen, auch kam es zu Ausein-andersetzungen mit der Polizei. 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Der Prozess gegen die beiden AIZ-Beschuldigten Michael S. und Bernhard F. vor dem OLG Düsseldorf dauert an. Inzwischen gestand S. seine Beteiligung an den Sprengstoffanschlägen auf die Privathäuser zweier CDU-Politiker in Siegen (17. September 1995) und Erkrath (23. April 1995) sowie auf das peruanische Honorarkonsulat in Düsseldorf (23. Dezember 1995). F. verweigerte bislang die Aussage. 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Anschläge der RZ und der "Roten Zora", einer aus RZ-Zusammenhängen entstandenen Frauengruppe, wurden 1998 nicht bekannt. - 44 - 2.2.4 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) Im Spektrum des AIW, dem Personen aus früheren RAF-nahen Strukturen und ehemals autonomen/antifaschistischen Zusammenhängen angehören, wurden die Diskussionen um neue revolutionär militante Strategien und Strukturen weitergeführt. Ein einheitliches von allen Strömungen des AIW gleichermaßen getragenes Konzept konnte bislang jedoch noch nicht entwickelt werden. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen "revolutionären Entwicklungen" und politischen Arbeitsschwerpunkte. Weiterhin aktiv waren in erster Linie militant internationalistisch ausgerichtete Zusammenhänge, die sich konzeptionell an dem sog. Befreiungskampf der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) orientieren oder für eine internationale Zusammenarbeit und Solidarität gegen staatliche Unterdrückung kämpfen. Innerhalb der von Linksextremisten getragenen bundesweiten "KurdistanSolidarität" (vgl. auch Nr. 2.4) fanden sich - parallel zum Zerfallsprozess des RAF-Komplexes - einige wenige Aktivisten aus dem nord-westdeutschen Raum zusammen, die sich u.a. in Ausbildungslagern Kurdistans einer ideologischen und militärischen Schulung unterzogen - ein Teil absolvierte kurzzeitige "Kampfeinsätze" für die PKK -, um mit diesem Rüstzeug den Aufbau eines neuen (militanten) revolutionären Prozesses hier in Deutschland voranzubringen. Diesem Kreis stand offenbar auch die wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Anschlag der RAF auf die JVA Weiterstadt (März 1993) mit Haftbefehl gesuchte Andrea W. nahe, die - nach Meldungen der öffentlichen Medien - Ende Oktober 1998 im PKK-Kampfgebiet von Angehörigen der türkischen Streitkräfte gefangengenommen und erschossen worden sein soll. In einem Nachruf der "Kurdistan-Solidarität Hamburg" vom November 1998 wird W. als "unsere Genossin und Freundin" bezeichnet, die - 45 - sich über mehrere Monate als Internationalistin der Frauenarmee des "Freien Frauenverbandes in Kurdistan" (YAJK)21 am kurdischen Befreiungskampf beteiligte. Ihr Ziel sei es gewesen, "nach Europa zurückzukommen, um am Aufbau revolutionärer Politik mitzuarbeiten ... Erfahrungen über die Organisationsprozesse der kurdischen Revolution (zu) sammeln und ihre Erfahrungen aus den Kämpfen hier in Europa an die kurdische Befreiungsbewegung weitergeben." Der überregional in den Städten Mainz, Gütersloh und Marburg seit 1993 agierende Gruppenverband "JARAMA - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" scheiterte mit seiner politischen Zielsetzung, über den Aufbau sog. revolutionärer Kerne verbindliche/einheitliche Strukturen zu schaffen und somit die Besitzund Machtstrukturen des "Imperialismus" zu zerschlagen. 1998 konnten keine Aktivitäten der Gruppe mehr festgestellt werden. 2.3 Militante Linksextremisten (Autonome) Die Anzahl der 1998 von Linksextremisten verübten Gewalttaten, für die zum überwiegenden Teil wiederum Autonome verantwortlich waren, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen. Auffällig ist jedoch die enorm angestiegene Gewaltbereitschaft Autonomer gegenüber "Rechtsextremisten". Insgesamt wurden bundesweit 626 Gewalttaten festgestellt (1997: 696); in Rheinland-Pfalz war keine Gewalttat zu verzeichnen (1997: 9). Das Potential der Autonomen beträgt bundesweit mehr als 6.000 Personen. In Rheinland-Pfalz gibt es wie 1997 etwa 120 Autonome, hauptsächlich in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Trier und im pfälzischen Raum. 21 s.a. Kapitel 3. Ausländerextremismus, Teil 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), S. 51 ff. - 46 - Autonome haben im allgemeinen keine fundierten ideologischen Konzepte. Entscheidend für sie ist der Grundgedanke der "Anti-Staatlichkeit"; sie streben in diesem Sinne eine herrschaftsfreie Gesellschaft an. Dazu ist es aus ihrer Sicht notwendig, den verhaßten Staat auch mit Gewalt zu bekämpfen. Die Gewalt der Autonomen richtet sich sowohl gegen Sachen als auch gegen Menschen (z.B. "Faschos" -Rechtsextremistenoder "Bullen" -Polizeibeamte-). Neben zahlreichen Anlaufund Kontaktstellen (sog. Infoläden, Antifa-Cafes etc.), die es in Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern, Mainz und Trier gibt, nutzt die autonome Szene moderne Kommunikationsmittel wie Info-Telefone, Mailboxen und zunehmend auch das Internet. Nach wie vor große Bedeutung kommt den zahlreichen autonomen Szene-Publikationen zu, die u.a. regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere und Demonstrationsaufrufe veröffentlichen. Die meisten dieser Blätter, wie z.B. die "SWING - autonomes rhein-main-info" oder die in Kaiserslautern erscheinende Zeitschrift "K-BUTT - Välzische Pfolxzeitung", decken vorrangig den Regionalbereich ab. Bundesweite Bedeutung haben Publikationen wie die "INTERIM" aus Berlin und das unter wechselnden ausländischen Tarnadressen vertriebene Untergrundblatt "radikal", für das wie aus der Mai-Ausgabe 1998 (Nr. 155) deutlich wird, nach dem weitgehenden Rückzug der früheren "Macher" inzwischen ein neues Redaktionskollektiv verantwortlich zeichnet. Die Mehrzahl der Autonomen lehnt nach ihrem Selbstverständnis festgefügte Organisationen und hierarchische Strukturen ab. Gleichwohl gibt es autonome Zusammenhänge, die sich fortgesetzt um eine stärkere Organisierung und Strukturierung des gewaltbereiten linksextremistischen Potentials bemühen. Hierbei ist insbesondere die seit 1992 existierende "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) mit bundesweit 12 Mitgliedsgruppen erwähnenswert. Gruppen der AA/BO agitierten weiterhin verstärkt unter Jugendlichen, riefen offen zu Gewalt auf und - 47 - gehörten zu den Mitinitiatoren von zum Teil militant verlaufenden antifaschistischen Demonstrationen. Die Koordinierungsaktivitäten im Rahmen der "Bundesweiten Antifa-Treffen" (B.A.T.) verloren 1998 weiter an Bedeutung. An den beiden durchgeführten Bundestreffen im April und Oktober beteiligten sich auch rheinland-pfälzische "Antifaschisten". 2.4 Aktionsfelder von militanten Linksextremisten (u.a. Autonome) Das Hauptbetätigungsfeld der Autonomen blieb 1998 der sog. Antifaschistische Kampf. Systematisch spähten sie Rechtsextremisten aus und veröffentlichten die Rechercheergebnisse in Form von "Steckbriefen". Die Brutalität bei zahlreichen Überfällen auf "Faschos" und bei Anschlägen auf deren Eigentum nahm 1998 erheblich zu. "Antifaschismus" richtet sich nach autonomem Verständnis aber vor allem auch gegen die vermeintlichen Wurzeln des Faschismus, nämlich das "imperialistische System". Die Autonomen wähnen die Bundesrepublik Deutschland in historischer Kontinuität zum Dritten Reich und diffamieren den Staat und seine Repräsentanten als "faschistisch". In einem Ende September verbreiteten Internet-Beitrag der "Antifaschistischen Aktion Berlin" (AAB) - Mitgliedsgruppe der AA/BO - mit dem Titel "Antifaschismus ist der Kampf ums Ganze", in dem die Gruppe u.a. auch taktische/strategische Überlegungen für das Einklinken in demokratische Bewegungen anstellt, heißt es wörtlich: "Unser Konzept ... ist 'revolutionärer Antifaschismus'. 'Revolutionär' bedeutet die Ausrichtung auf grundsätzliche, fundamentale Umwälzung der bestehenden Lebensverhältnisse. Mit eingeschlossen ist dabei die Weigerung, sich auf die Spielregeln des Bestehenden einzulassen." Schwerpunkte autonomer "Antifa-Aktivitäten" bildeten 1998 erneut - größtenteils bundesweit - organisierte Protestaktionen gegen Veranstal- - 48 - tungen der NPD und ihrer Jugendorganisation JN. So beispielsweise im thüringischen Saalfeld (14. März), in Leipzig (1. Mai), Saarbrücken (30. Mai), Rostock (19. September) und Bonn (24. Oktober), wo es jeweils auch unter Beteiligung rheinland-pfälzischer Autonomer zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit "Rechten" und teilweise mit Polizeikräften kam. Im Rhein-Main-Gebiet engagierten sich Antifaschisten - u.a. auch Autonome aus dem Raum Mainz-Bingen - in einer Kampagne "Gegen den rechten Sound-Dreck". Die Aktion richtete sich gegen "Nazi-Rock" als "Be-gleitmusik für faschistischen Terror" und als Propagandaund Rekrutierungsfeld für "rechte Jugendliche". Die u.a. von Autonomen vom 25. bis 30. Mai 1998 durchgeführte "AntifaMobiltour" durch die Vorderpfalz - Stationen waren u.a. Frankenthal und Bad Dürkheim - sollte offensichtlich dazu dienen, neue Aktivisten für die "Antifa-Arbeit" zu gewinnen. Der "Kampf gegen Kernenergie und Atommülltransporte" war auch 1998 ein weiteres zentrales Aktionsfeld der militanten Linksextremisten. Unter vordergründiger Solidarität mit der in ihrer Mehrheit demokratischen Anti-AKW-Bewegung verfolgen Autonome mittels illegaler, militanter Aktionen (z. B. Hakenkrallenanschläge gegen Bahnstrecken) weitergehende Ziele. So betonten Autonome in einem Reader zur "Anti-Atom-Herbstkonferenz" vom 16. bis 18. Oktober 1998 in Berlin: "Als Autonome/Linksradikale verstehen wir uns nicht in erster Linie als AKW-GegnerInnen. Wir kämpfen für weitreichendere Ziele ... und tragen diese Kämpfe in die Anti-AKW-Bewegung. (...) Die Kämpfe der Autonomen richten sich nicht gegen die jeweiligen Maschinen, z.B. AKWs, sondern gegen das dahinterstehende System. (...) Ein System, das sich auf Gewalt gründet, kann nicht allein durch Vernunft beendet werden, so schön das auch wäre. Von daher halten wir Gegengewalt weiterhin für notwendig und legitim." Im Zusammenhang mit dem 4. Castor-Transport am 19./20. März 1998 nach Ahaus (Nordrhein-Westfalen) kam es zu zahlreichen Anschlägen - 49 - gegen Einrichtungen der Deutschen Bahn AG. Militante Atomkraftgegner beschädigten u.a. Fahrleitungen und Gleisanlagen, warfen Molotowcocktails, beschossen die Polizei mit Signalmunition und setzten "Krähenfüße" gegen deren Fahrzeuge ein. Im Vorfeld des Castor-Transports wurden am 10. März 1998 im Rhein-Main-Gebiet in einer offensichtlich koordinierten Aktion an mehreren Orten, so auch in Mainz, über 70 Fahrkartenautomaten mit Montageschaum beschädigt bzw. zerstört. In den bundesweiten, von Linksextremisten beeinflußten Konferenzen der Anti-AKW-Gegner im April, Juni und Oktober 1998 verständigten sich die Teilnehmer darauf, "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln" den nächsten Castor-Transport in ein deutsches Zwischenlager zu verhindern, darüber hinaus auch Transporte zu den Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und Großbritannien anzugehen sowie die laufende "SiemensBoykott-Kampagne" auszuweiten. Mit dem Thema "Kurdistan-Solidarität" beschäftigte sich fortgesetzt - allerdings mit abnehmender Tendenz - ein breites linksextremistisches Spektrum, darunter Aktivisten des "Antiimperialistischen Widerstandes" (vgl. Punkt 2.2.4) und sonstige Linksextremisten bishin zu linksextremistischen Parteien wie DKP und MLPD. Die erkennbar rückläufigen Aktionen/Agitationen sind vor allem auf den aktuell "gewaltfreien" politischen Kurs der PKK-Führung außerhalb der eigentlichen Konfliktregion zurückzuführen. Während der kurzzeitigen Inhaftierung des PKK-Führers Abdullah ÖCALAN in Italien (12. November bis 16. Dezember 1998) kam es verstärkt zu bundesweiten Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen. Eine besondere Rolle innerhalb der linksextremistischen PKK-Solidaritätsarbeit spielte erneut die als Dachverband fungierende "Infostelle Kurdistan" (ISKU) in Köln. Das maßgeblich aus linksextremistischen Kräften zusammengesetzte Mainzer "Kurdistan-Bündnis" führte im Februar 1998 in Mainz eine Aus- - 50 - stellung zum Thema "Gute Minen gibt es nicht" durch; bei einer weiteren "Kurdistan-Veranstaltung" am 8. April 1998 wurde über eine "Delegationsreise" nach Diyarbakir zu den "Newroz"-Feierlichkeiten informiert. Ein weiterer Themenkomplex der (militanten) Linksextremisten ist der "Antirassismus" in Zusammenhang mit der Flüchtlings-, Asylund Abschiebeproblematik. Im Jahre 1998 wurden die zum Teil maßgeblich von Linksextremisten mitinitiierten Kampagnen fortgeführt bzw. neu belebt. Im Rahmen der seit 1996 laufenden Kampagne "Kein Mensch ist illegal" zog im August und September 1998 eine von verschiedenen Linksextremisten unterstützte "Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen" durch zahlreiche deutsche Städte. Stationen waren u.a. auch Mainz und Trier. Die Protestbzw. Solidaritätsaktionen für den in den USA wegen Polizistenmordes von der Hinrichtung bedrohten Journalisten und Bürgerrechtler Mumia Abu JAMAL nahmen zum Ende des Berichtsjahres hin (wieder) zu. An den vom 5. bis 12. Dezember 1998 durchgeführten bundesweiten Aktionstagen unter dem Motto "Freiheit für Mumia Abu JAMAL" beteiligten sich auch "Antirassisten" aus Mainz und Trier. - 51 - 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ende 1998 gehörten bundesweit ca. 59.100 (1997: 58.200) und landesweit etwa 1.200 Personen extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Ausländerorganisationen an (1997: ca. 1.100). Die zu verzeichnenden Gewalttaten extremistischer Ausländer beliefen sich 1998 auf bundesweit 258 (1997: 314). In Rheinland-Pfalz wurde keine Gewalttat festgestellt (1997: 5). 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)22 3.1.1 Allgemeines Die PKK ist die einflußreichste und stärkste Kurdenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Sie verfügt hier über ca. 11.000 Mitglieder und kann mitunter mehr als 50.000 Personen zu Großveranstaltungen in Deutschland mobilisieren. In Rheinland-Pfalz werden der PKK mehr als ca. 350 Mitglieder und zahlreiche weitere Sympathisanten zugerechnet. Für die PKK war das Jahr 1998 von Rückschlägen geprägt. Die PKKTeilorganisation "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) geriet in der Südost-Türkei und im angrenzenden irakischen Grenzgebiet bei bewaffneten Auseinandersetzungen gegen das türkische Militär offensichtlich in Bedrängnis. Der mehrfach von der PKK angebotene Waffenstillstand wurde von der türkischen Regierung abgelehnt. Unter Androhung eines Militärschlages gelang es der Türkei außerdem, im Oktober 1998 Syrien zu veranlassen, die bisherige finanzielle und logistische Unterstützung der 22 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Arbeiterpartei Kurdistans" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: September 1995), die beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3 - 5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) kostenlos angefordert werden kann. - 52 - PKK zu beenden. Die PKK mußte daraufhin ihre Stützpunkte in dem von Syrien kontrollierten Bekaa-Tal im Libanon, wo sich auch ihr Generalvorsitzender Abdullah "APO" ÖCALAN aufhielt, räumen. ÖCALAN verließ den Nahen Osten und hielt sich zunächst in der Nähe von Moskau auf. Am 12. November 1998 verließ er Rußland und wurde bei seiner Einreise nach Italien auf dem Flughafen Rom festgenommen. ÖCALAN selbst betonte, er sei deshalb nach Europa gekommen, um eine politische Lösung für die Kurden zu suchen. Dabei stand im Mittelpunkt, seine augenscheinliche Wandlung vom Revolutionär zum Staatsmann glaubhaft zu machen. Der italienische Haftbefehl gegen ÖCALAN wurde am 20. November 1998 aufgehoben. ÖCALAN verließ nach dem offenkundigen Scheitern seiner Bemühungen Italien wieder am 16. Januar 1999 auf dem Luftwege in Richtung Rußland. In PKK-nahen Medien wurden am 19. Januar 1999 Erklärungen ÖCALAN's verbreitet, in denen er angesichts der neuen Situation u.a. die Auffassung vertritt, dass es letztlich wohl keine Alternative zur Wiederaufnahme des Krieges gebe. Verschiedene europäische Länder, so auch die Bundesrepublik Deutschland, zählt ÖCALAN dabei aufgrund ihrer aktuellen Politik zu den "Feinden der Kurden". Nach der Festnahme ÖCALANs durch türkische Sicherheitskräfte am 15. Februar 1999 und seiner Verbringung in ein türkisches Gefängnis brachen in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Ländern zum Teil heftige, von Gewalt begleitete Protestaktionen seiner Anhänger aus. Den Forderungen nach Freilassung des PKK-Führers bzw. nach einem fairen Gerichtsverfahren wurde u.a. mit Besetzung von Konsulaten und Parteibüros, Geiselnahmen und Brandanschlägen Nachdruck verliehen. 3.1.2 Situation in Deutschland Auch im Berichtsjahr hielt sich die PKK in Deutschland an die von ÖCALAN 1996 gegebene Direktive der "gewaltfreien Aktionen", wenn - 53 - gleich gegen Ende des Jahres, im Hinblick auf die Ereignisse in Rom, unter den Teilnehmern bei Veranstaltungen und Demonstrationen bereits eine gereizte Stimmung herrschte. Aufgrund dieses Verhalten hoffte die PKK auf Aufhebung des am 26. November 1993 vom Bundesminister des Innern erlassenen Verbotes, das sie sowie einzelne Teilund Nebenorganisationen betrifft. Als gewissen Teilerfolg wertet sie die Aussage des Generalbundesanwaltes vom 12. Januar 1998, nach der der PKK-Funktionärskörper nicht mehr als terroristische (SS 129a StGB) sondern nur als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. Gleichwohl betonte die Bundesregierung erneut, dass das PKK-Verbot auch künftig Bestand haben werde. Viele in Deutschland lebende Kurden unterstützen weiterhin ungebrochen die PKK, auch wenn die Organisation u.a. mit gewaltsamen Disziplinierungsmaßnahmen gegen unbotmäßige Mitglieder vorgeht und kurdische Jugendliche sogar gegen den Willen ihrer Eltern in Ausbildungslager verbrachte. Die ideologische Schulung erfolgt in Europa; danach werden sie zur weiteren Ausbildung in den Nahen Osten oder zum Kampfeinsatz in die Kurdenregion gebracht. 3.1.3 Aktionismus/Kampagnen Rückkehrkampagne Als Signal gegen die Flüchtlingsbewegung aus kurdischen Siedlungsgebieten, die von der PKK als "türkischer Genozid" an den Kurden verurteilt wird, wurde im Frühjahr 1998 in Europa eine Kampagne "Ich will in mein Land zurückkehren" (sog. Rückkehrkampagne) veranstaltet. Hieran beteiligten sich ca. 50.000 Kurden. - 54 - Tourismusboykott Um die von ihr bekämpfte türkische Regierung zu treffen, rief die PKK, wie alljährlich, im Frühjahr 1998 bundesweit die deutschen Urlauber zum Tourismus-Boykott der Türkei auf. Anti-Drogenkampagne Mit einer Anti-Drogenkampagne wandte sich die der PKK nahestehende "Konföderation der kurdischen Verein in Europa" (KON-KURD) in der Zeit vom 9. bis 14. August 1998 in Europa an kurdische Jugendliche und prangerte eine angebliche Tolerierung des Rauschgifthandels durch den türkischen Staat an. Dabei wurden bei einem in Mainz am 12. August 1998 durchgeführten Info-Stand auch Plakate der verbotenen kurdischen Organisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) festgestellt. Bündnisbestrebungen In dem Bestreben, ihre Schlagkraft zu stärken, gelang es der PKK im Juni 1998, weitere türkische revolutionär-marxistische Organisationen, darunter die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML), die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP), die "Revo-lutionäre Linke" (Devrimci Sol) und andere Splittergruppen, für ein Aktionsbündnis "Revolutionäre Vereinte Kräfte" (DBG) zu gemeinsamen Aktionen und zur Ausweitung des "revolutionären Kampfes" zu gewinnen. Größere Aktionen gingen von dem Bündnis bislang jedoch nicht aus. NEWROZ Die von den Kurden um den 21. März 1998 durchgeführten Feiern zum Newroz-Fest (kurdisches Neujahrsfest) im Bundesgebiet verliefen fried- - 55 - lich. Eine größere Veranstaltung, an der sich auch PKK-Anhänger aus Rheinland-Pfalz beteiligten, fand u.a. mit 6.000 Personen in Karlsruhe statt. Ziel dieser Veranstaltungen ist es, die PKK unter den Angehörigen ihrer Volksgruppen als alleinige Vertreterin des kurdischen Volkes darzustellen und ihnen zu suggierieren, nur sie sei in der Lage, die vielfältigen Probleme der Kurden zu lösen. Solidarisierungsaktionen mit ÖCALAN in Deutschland Die Verhaftung ÖCALANs am 12. November 1998 auf dem Flughafen in Rom führte auch bei den PKK-Anhängern in Deutschland am Wochenende des 14./15. November 1998 zu spontanen Aktionsund Solidaritätskundgebungen. In Rom protestierten am 17. November 1998 ca. 4.000 Kurden, darunter auch einige aus Rheinland-Pfalz, gegen die Festnahme ÖCALANs. In dieser Zeit demonstrierten in vielen Städten PKK-Anhänger für Solidarität mit ÖCALAN und gegen seine Ausweisung in die Türkei. Teilweise besetzten sie auch öffentliche Einrichtungen, so z.B. am 14. November 1998 die Räumlichkeiten des Südwestrundfunks in Stuttgart und Einrichtungen der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Unter dem Motto "Frieden, Freiheit und Demokratie" für das kurdische Volk und für den Verbleib ÖCALANs in Italien demonstrierten am 19. Dezember 1998 in Bonn mehr als 30.000 Personen. Dabei zeigten Teilnehmer zahlreiche Fahnen und Symbole der verbotenen PKK. Über Lautsprecher wurde eine Rede ÖCALANs eingespielt. Hintergrund dieser Kundgebung war, ein stärkeres Engagement europäischer Staaten zur Lösung der Probleme in der Osttürkei zu erreichen. Spendenkampagne 1998 Um ihre Ausgaben für den Guerillakrieg im kurdischen Siedlungsgebiet der Osttürkei, aber auch für die Organisation selbst bestreiten zu können, - 56 - führt die PKK eine alljährliche Spendenkampagne von Oktober bis Mitte Januar des folgenden Jahres durch. Für die Kampagne 1997 betrug das Ziel für Deutschland ca. 30 Mio. DM. Die erneute Spendenkampagne für 1998 dürfte einen höheren Betrag anstreben. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die gesetzten Ziele auch jeweils erreicht werden. 3.1.4 Staatliche Maßnahmen Im südwestdeutschen Raum durchsuchte die Polizei am 3. März 1998 insgesamt 51 Wohnungen, darunter auch eine in Rheinland-Pfalz. Bei dieser Aktion wurde Propagandamaterial, aber auch eine Pistole, sichergestellt. Eine ehemalige PKK-Verantwortliche der Region Süd erhielt wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung vom OLG Celle am 17. Dezember 1998 eine Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten. Sie war u.a. für einen Brandanschlag am 21. Mai 1997 auf den "Deutsch-Türkischen Freundschaftsverein" in Bad Kreuznach mitverantwortlich. 3.2 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) und "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Am 13. August 1998 hat der Bundesminister des Innern die türkischen Vereinigungen DHKP-C und THKP/-C - Devrimci Sol verboten. Die Verbote stützen sich u.a. darauf, dass die Tätigkeiten beider Organisationen gegen deutsche Strafgesetze verstoßen und die innere Sicherheit und öffentliche Ordnung Deutschlands gefährden. Die beiden Gruppierungen sind Ende 1993 aus der in der Bundesrepublik Deutschland seit 1983 ver- - 57 - botenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangen und haben deren politische Ziele - die "Zerschlagung" des türkischen Staatsapparates - und ideologische Vorstellungen - die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei - übernommen. Bei der DHKP-C handelt es sich um den sog. KARATAS-Flügel23, bei der THKP/-C - Devrimci Sol um den sog. YAGAN-Flügel24 der "Devrimci Sol". Zusammen verfügen beide Gruppierungen bundesweit über etwa 1.300 Anhänger, wobei die DHKP-C größer und bei weitem aktiver ist. Die seit der Spaltung der Organisation auch im Bundesgebiet gewaltsam ausgetragenen Kämpfe um die jeweiligen regionalen Einflußsphären forderten im Jahre 1998 weitere Opfer. So wurden am 29. Januar 1998 in Hamburg zwei Angehörige des KARATAS-Flügels von mutmaßlichen YAGAN-Anhängern durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Nach staatlichen Exekutivmaßnahmen und einer Anklage des Generalbundesanwalts gegen mutmaßliche Funktionäre der THKP/-C - Devrimci Sol, denen versuchter Mord, Erpressung sowie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt werden, sind die gewalttätigen Auseinandersetzungen der rivalisierenden Lager deutlich zurückgegangen. 3.3 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) - "Der Kalifatsstaat" Der ICCB, der seit 1995 durch den selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime" Metin KAPLAN geführt wird, tritt seit Mitte des Jah23 Benannt nach dem langjährigen Leiter der "Devrimci Sol", Dursun KARATAS. 24 Bei Bedri YAGAN handelt es sich um einen am 5. März 1993 von türkischen Sicherheitskräften getöteten Dev SolFührungsfunktionär. - 58 - res 1998 auch unter der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" an die Öffentlichkeit. Bundesweit verfügt der ICCB über etwa 1.200 Mitglieder. Der islamistisch-extremistische Verband will einen Umsturz der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Errichtung eines theokratischen Staates auf fundamentalistischer Basis. Er lehnt Demokratie und Parteienpluralismus ab. Auch im Jahre 1998 waren die Verlautbarungen des ICCB von äußerster Aggressivität geprägt. So rief KAPLAN im Verbandsorgan "Ümmet-i.Muhammed" (Die Gemeinde Mohammeds) vom 23. Juli 1998 seine Anhänger zum gewaltsamen Glaubenskampf auf. In der als Fetwa (islamisches Rechtsgutachten mit der Aufforderung zur Bestrafung) bezeichneten Erklärung heißt es u.a., es sei nunmehr rechtmäßig diejenigen zu töten, die sich auf islamischem Territorium gegen den Kalifen stellen. Am 6. August 1998 veröffentlichte "Ümmet-i.-Muhammed" eine umfassende an die "deutsche Nation" gerichtete Erklärung KAPLANs. Hierin beklagt er polizeiliche Durchsuchungen seiner Einrichtungen im Bundesgebiet. Er droht, wenn die Feindschaft gegen die Muslime nicht aufgegeben werde, ziehe sich die deutsche Nation den Zorn Allahs zu. Dann würde dieses Land dem Erdboden gleichgemacht und von der Bildfläche verschwinden. Mit seinen Äußerungen verstößt KAPLAN permanent gegen ein ihm im Jahre 1996 auferlegtes politisches Betätigungsverbot. Trotz zahlreich fest-gesetzter Zwangsgelder hält sich KAPLAN nicht an die behördlichen Auflagen25. 25 Der Generalbundesanwalt ermittelt seit September 1997 u.a. gegen KAPLAN wegen Verdachts der Rädelsfüh-rerschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen Verdachts der Beteiligung an der Ermordung des ICCB-abtrünnigen "Gegenkalifen" Halil Ibrahim S. am 8. Mai 1997 in Berlin. - 59 - 3.4 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG ist mit etwa 26.500 Mitgliedern die größte islamistischextremistische Organisation in Deutschland. Auch die IGMG strebt die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung eines islamistischen Staatsund Gesellschaftssystem an, wie es ihrer Meinung nach mit dem Koran sowie den Lebensregeln des Propheten vorgegeben und zur wahren Ausübung des Islam unverzichtbar ist. Die Islamisierung der türkischen Gesellschaft und langfristig weltweit aller Gesellschaften, in denen Muslime leben, will die IGMG jedoch nicht durch einen gewaltsamen Umsturz erreichen. Sie setzt auf politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Anhänger sowohl in den Aufenthaltsländern als auch in der Türkei selbst. Zu den Arbeitsschwerpunkten der IGMG gehört islamische Erziehungsund Bildungsarbeit mit dem Zweck, bei den in Deutschland lebenden türkischen Muslimen eine "islamische Identität" zu schaffen und im Sinne der IGMG auszubauen. Eine wichtige Zielgruppe sind dabei die türkischen Jugendlichen, denen Freizeitaktivitäten, Wissenswettbewerbe oder Koran-kurse angeboten werden. Eine der wenigen öffentlichen Aktionen der IGMG waren der "3. europäische Jugendtag" am 2. Mai 1998 und der "Tag der Frauen" am 9. Mai 1998 in Düsseldorf. Auf dem Jugendtag erklärte der Vorsitzende der IGMG-Jugend Mehmed S., Ziel der IGMG sei die erfolgreiche Vorbereitung der Jugend auf die Zukunft. Mit ihrer auf Rückkehr ausgerichteten Ausländerpolitik wirke die deutsche Regierung jedoch allen Integrationsbemühungen entgegen. - 60 - 4. "Scientology-Organisation" (SO) 4.1 Beobachtungsauftrag Die Innenministerkonferenz (IMK) hatte am 6. Juni 1997 beschlossen, die SO durch die Verfassungsschutzbehörden beobachten zu lassen. Die Verfassungsschutzbehörden haben der IMK am 19./20. November 1998 einen ersten umfassenden Bericht über die bisherigen Beobachtungsergebnisse26 vorgelegt. Aufgrund dieses Berichts wird die Beobachtung der SO fortgeführt, so auch in Rheinland-Pfalz. Auch die am 9. Mai 1996 vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" hält in ihrem Abschlußbericht vom 29. Mai 1998 die Beobachtung der ScientologyOrganisation durch die Verfassungsschutzbehörden für erforderlich27. 4.2 Entstehung und Ziele Die SO bezeichnet sich selbst als eine "Erlösungsreligion" in der "Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus", die "dem Menschen den Zustand vollständiger geistiger Freiheit von dem endlosen Kreislauf von Geburt und Tod vermitteln und ihn von seinen Banden im physischen Universum"28 befreien will. Nach der Lehre von Scientology ist die Welt zum Untergang verurteilt. Den einzig möglichen Weg zur Rettung zeige Scientology auf. Die SO beruft sich auf die Werke des amerikanischen Science-FictionSchriftstellers Lafayette Ron HUBBARD (1911 - 1986). In dem von ihm im 26 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Scientology der Verfassungschutzbehörden vom 12. Oktober 1998 gemäß Beschluß der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 05./06.06.1997 (abrufbar im INTERNET unter: http://www.verfassungsschutz.nrw.de) 27 Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen", Herausgeber: Deutscher Bundestag - Referat "Öffentlichkeitsarbeit, Bonn 1998. 28 Mustersatzung einer Scientology-Mission (1992). - 61 - Jahre 1950 veröffentlichten Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" will HUBBARD eine Methode entwickelt haben, mit der sich der Benutzer selbst von allerlei psychischen und physischen Belastungen befreien könne. Ziel ist der perfekte Mensch, der "Clear", d.h. "jemand, der als Ergebnis der dianetischen Therapie weder aktiv noch potentiell psychosomatische Krankheiten oder "Aberrationen"29 hat. Diese Abweichungen von der Rationalität gehen nach HUBBARD auf "Engramme", d.h. schmerzhafte Eindrücke und Verletzungen zurück, die mit Hilfe des "Auditings" bewußt gemacht und "gelöscht" werden. Dabei hilft der "Auditor" (dianetischer Therapeut) dem "Preclear" (einem, der noch nicht "clear" ist) durch Fragen, in die Vergangenheit zurückzugehen und die dort entstandenen "Engramme" zu entdecken und aufzuarbeiten. Als Hilfsmittel wird dabei ein sog. E- Meter, ein Gerät zur Messung des Körperwiderstandes benutzt. Auf der Grundlage der Dianetik und insbesondere der Science-FictionWelt entwickelte HUBBARD den Übermenschen "Thetan", ein Geistwesen, das im Idealzustand unbegrenzte Fähigkeiten besitzt und nicht an "Materie, Energie, Raum und Zeit" gebunden ist30. Angestrebt wird der sog. Operierende Thetan, d.h. ein "Clear", der nicht mehr an den Körper gebunden ist. Durch Anwendung von Dianetik und Scientology soll nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch der gesamte Planet ("Clear Planet") "gecleart" (befreit) werden31. Die so befreiten Menschen sollen nach der SO-Programmatik die "neue Zivilisation" oder "wahre Demokratie" tragen. Die hierzu entwickelten Vorstellungen, wonach beispielsweise nur "geclearte" Menschen Rechte haben sollen, verstoßen eindeutig gegen 29 Denkweisen und Handlungen, die von der Lehre der SO abweichen. 30 HUBBARD, Scientology, Die Grundlage des Denkens, 2. Auflage, Kopenhagen, 1973, S. 37. 31 Vgl. HUBBARD-Communication Office Policy Letter vom 21. Oktober 1971, S. 3. - 62 - die garantierten Schutzgüter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Der Zustand "Clear" oder "Thetan" kann allerdings nur mittels eines zeitaufwendigen und auch sehr teuer werdenden Kurssystems erreicht werden, was die kommerziellen Interessen der SO verdeutlicht. Zahlreiche auf HUBBARD zurückgehende Anweisungen belegen das Bestreben der SO, mit gängigen kaufmännischen Praktiken (Lockangebote, Rabatte etc.) Auditing-Kurse, Bücher, Kassetten etc. an ihre Mitglieder sowie an Außenstehende zur Gewinnerzielung zu verkaufen. Dieses Vorgehen hebt sich in deutlicher Weise von den üblichen Zielen einer Religionsgemeinschaft, wie die SO sich stets darzustellen versucht, ab. So hat HUBBARD in einer internen Anweisung seine Anhänger angewiesen: "Machen Sie Geld, machen Sie mehr Geld, sorgen Sie dafür, dass andere Leute genauso Geld machen"32. Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahre 1995 festgestellt: das Auftreten der SO als "Kirche" diene lediglich als Vorwand zur Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen. Dabei wertete das Gericht die angewendeten Praktiken als menschenverachtend33. 4.3 Organisationen Nach den Ergebnissen der bisherigen Beobachtung hat die weltweit agierrende SO in Deutschland etwa 5.000 bis 6.000 Mitglieder, deutlich weniger als die von der SO selbst angegebenen 30.000. Gezielte Expansions-bemühungen gehen in der Bundesrepublik von elf "Kirchen" (sog. ORG) bzw. "Celebrity-Center" und zehn "Missionen" aus. Gelegentlich werden "Kirchen" und "Missionen" von Scientologen auch als "DianetikZentrum" bezeichnet. Insgesamt unterscheiden sich diese Einrichtungen in der Art der dort erbrachten Dienstleistung. Bundesweit sind in den genannten 32 HCO-PL vom 9. März 1972. 33 BAG, Az. 5 AZB 21/94, vom 22. März 1995. - 63 - Einrichtungen ca. 950 Mitarbeiter tätig, davon ca. 350 bis 400 sog. FieldStaff-Members, also eine Art "freie Mitarbeiter". In Rheinland-Pfalz konnte bislang keine der genannten Einrichtungen festgestellt werden; ca. 250 Mitglieder34 werden hier der SO zugeordnet. Die Führungsinstanz bildet das vielschichtig gegliederte "Religious Technology Center" (RTC) in Los Angeles mit einer Europazentrale in Kopenhagen. Auf dem Wirtschaftssektor existiert das "World Institute of Scientology Enterprises International" (WISE), für die Verbreitung von Lebensphilosophie und Bildung gibt es die "Association for Better Living and Education" (ABLE International). Daneben unterhält die SO das "Office of Special Affairs" (OSA), das auch Aufgaben eines Sicherheitsdienstes erfüllt. 4.4 Aktivitäten Zu den auffallendsten Aktivitäten gehört das Verteilen SO-eigener Schriften und Werbematerialien. Dazu zählt insbesondere die für die Öffentlichkeit bestimmte Zeitung "Freiheit", das Mitgliedermagazin "Impact" sowie Zeitschriften der örtlichen ORGs. Zu den Werbematerialien zählen auch Postwurfsendungen, die nach genauem Hinsehen als SO-Werbung erkennbar sind. Wiederholt wurden im Berichtszeitraum bundesweit - insbesondere an öffentliche Stellen - verschiedene Broschüren versandt, mit denen sich die SO gegen die angebliche Diskriminierung als Religionsgemeinschaft verwahrte. Auf einer eigenen Homepage im Internet wird gegen die von der SO behauptete staatliche Verfolgung von Scientologen in Deutschland argumentiert, die der nationalsozialistischen Judenverfolgung gleiche. Darüber hinaus nutzte die SO das Internet auch zur Werbung für die Teilnahme an - 64 - 34 Stand März 1998: ca. 250. - 65 - Demonstrationen, wie zuletzt dem "Europäischen Marsch für Religionsfreiheit", dessen Abschlusskundgebung am 10. August 1998 in Frankfurt am Main stattfand. Hierzu zählten auch Vorveranstaltungen am 6. August 1998 in München und 8. August 1998 in Stuttgart. Diese größeren Veranstaltungen sind von übergeordneten SO-Einrichtungen außerhalb Deutschlands geplant und gelenkt worden. - 66 - 5. SPIONAGEABWEHR 5.1 Allgemeine Lage Die zukünftige Erweiterung der EU auf Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes, die Anwartschaft dieser Länder auf eine NATOMitgliedschaft sowie der erstarkende europäische Wirtschaftsraum stehen im besonderen Aufklärungsinteresse ehemaliger Ostblockstaaten - vor allem Rußlands. Gleichermaßen hat die führende Weltwährung US-Dollar mit dem EURO eine stärker zu beachtende Konkurrenz erhalten, so dass im Rahmen der globalen Aufteilung der Märkte ein vereintes Europa als Wirtschaftsmacht zukünftig eine gewichtigere Rolle spielen wird. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die von vorgenannten Entwicklungen betroffenen Staaten des Ostens, aber auch des Westens, prioritäre Aufklärungsinteressen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland hatten. Diese Entwicklungen berühren nicht nur ausschließlich die geostrategischen Sicherheitsinteressen der GUS, sondern zunehmend auch wirtschaftsstrategische globale Interessen konkurrierender Industrienationen. Das im Berichtszeitraum angefallene Erkenntnisaufkommen hat die bereits erkannten Tendenzen bestätigt, dass sich die nachrichtendienstliche Zielrichtung auf gleichbleibend hohem Niveau eingependelt hat. Gegen deutsche Firmen gerichtete Wirtschaftsspionage ist vorrangige Aufgabe fremder Nachrichtendienste, wobei nicht zu verkennen ist, dass auch den klassischen Spionagefeldern Politik, Militär, Wissenschaft und Forschung nach wie vor Bedeutung zukommt. In die Beobachtung mit einbezogen werden müssen auch spezielle Varianten der Spionage, wie sie von den sogenannten Krisenund Schwellen- - 67 - ländern35 betrieben wird. Neben der nachrichtendienstlich gesteuerten Proliferation36 spielen in diesem Spektrum die Ausspähung und Unterwanderung ausländischer oppositioneller Gruppierungen in Deutschland sowie staatsterroristische Aktivitäten eine Rolle. 5.2 Nachrichtendienste Rußlands Wie bereits seit Jahren bekannt widmen sich die russischen Nachrichtendienste mit Nachdruck ihrem gesetzlichen Auftrag, Wirtschaftsspionage gegen Deutschland zu betreiben sowie die aktuelle Entwicklung der NATO-Osterweiterung und die Initiativen der EU-Mitgliedschaft ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten zu erforschen. Diesbezüglich haben sich im Berichtszeitraum keine Änderungen ergeben. Es ist schon Tradition der russischen Nachrichtendienste, Spionage als "vitale Notwendigkeit" für die politische und ökonomische Sicherheit Rußlands zu bezeichnen. Auch 1998 war festzustellen, dass der russische Auslandsnachrichtendienst (SWR) seine Arbeit der jeweiligen Prioritätensetzung angepaßt und damit der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen hat. War es am 19.12.1997 der 80. Jahrestag der Gründung des sowjetischen Geheimdienstes "TSCHEKA" ( politische Polizei von 1917-22 und Vorläufer des Geheimdienstes KGB ), so war es am 05.11.1998 der 80. Jahrestag des militärischen Auslandsaufklärungsdienstes (GRU), der in einer Grußbotschaft des russischen Staatspräsidenten Jelzin öffentlich gelobt wurde: der GRU habe große Beiträge zum Sieg über den Faschismus 35 Iran, Irak, Syrien, Libyen, Nordkorea. 36 Weitergabe von ABC-Waffentechnik, Mittel zu deren Herstellung, Trägertechnologie und sonstige Kriegswaffen, sowie Vorund Nebenprodukte an Krisenländer außerhalb der NATO. - 68 - sowie zur Erlangung eines militärisch-strategischen Gleichgewichts während des "kalten Krieges" geleistet. Führende Persönlichkeiten des GRU bezeichneten ihn als den geheimsten der russischen Nachrichtendienste. Er betreibe nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung mittels Satelliten, Spionageflugzeugen und -schiffen, sowie elektronischer Abhörtechnik. Die bedeutendsten Informationsquellen seien jedoch nach wie vor die GRU-Agenten. Die Mitarbeiter des GRU fühlen sich, ähnlich wie die des zivilen Aufklärungsdienstes SWR sowie des Inlandsdienstes FSB, nach wie vor der Tradition der Nachrichtendienste der ehemaligen Sowjetunion verpflichtet. Bemerkenswert ist, dass von russischer Seite der hohe Stellenwert der Informationsbeschaffung durch Agenten betont wird. Die in Deutschland festgestellten von GRU-Offizieren ausgehenden nachrichtendienstlichen Aktivitäten haben dies bestätigt. 5.3 GUS (ohne Rußland) Das Aufklärungsinteresse dieser Staaten geht zwangsläufig mit dem Rußlands einher. Dies trifft vor allem für die Nachrichtendienste von Kasachstan, Usbekistan und der Ukraine zu. Hervorzuheben sind insbesondere die Aktivitäten des Nachrichtendienstes von Kasachstan (KNB), in dessen besonderem Blickfeld offensichtlich die deutschen Aussiedler stehen. Hierbei werden oftmals noch vorhandene verwandtschaftliche Beziehungen und die damit verbundenen Reisen zur Anwerbung von Agenten genutzt. Tendenziell war in der Vergangenheit ein engeres Zusammenrücken der GUS-Dienste festzustellen. Neben bilateralen Abkommen zur Zusammenarbeit wurden am 20. September 1998 acht neue Abkommen über - 69 - multinationale Zusammenarbeit der GUS-Dienste unterzeichnet; dazu gehören auch solche über den Austausch von Informationen sowie über ein System zur Nutzung gemeinsamer Datenbanken für die Nachrichtendienste der GUS-Republiken. Die Zentraleinheit dieser Datenbank ist offensichtlich beim russischen Inlandsnachrichtendienst (FSB) in Moskau installiert. Anläßlich der Unterzeichnung oben genannter Abkommen würdigte der Leiter des FSB PUTIN die Tatsache, dass alle GUS-Republiken vertreten waren. 5.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Entgegen der Bekundung ehemaliger Führungsoffiziere des MfS gegenüber ihren Agenten, dass alle Unterlagen über deren Tätigkeit vernichtet worden seien, gelingt es deutschen Sicherheitsbehörden nach wie vor, diese zu identifizieren und ihre oftmals über Jahrzehnte andauernde Agententätigkeit nachzuweisen. Insoweit geht der Verfassungsschutz davon aus, dass sie zukünftig allein schon aufgrund einer möglichen Enttarnung für andere Nachrichtendienste nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Nach wie vor gilt es, die Überwerbung ehemaliger hauptamtlicher MfSAngehöriger bzw. deren Reaktivierung durch russische aber auch andere Nachrichtendienste aufzuklären bzw. zu verhindern. Vor diesem Hintergrund sind die im Besitz der USA befindlichen Unterlagen aus der medienbekannten Aktion "ROSEWOOD" (Rosenholz) für Deutschland sicherlich von Interesse. 5.5 Krisenund Schwellenländer Die Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer spielen bei der Ausspähung und Überwachung der in der Bundesrepublik Deutschland - 70 - lebenden Dissidenten und Oppositionellen eine maßgebliche Rolle. Zu Staaten islamistisch-fundamentalistischer Prägung liegen Erkenntnisse dafür vor, daß nachrichtendienstliche Aufklärung und staatsterroristische Aktionen wiederholt zu Repressionen in Deutschland geführt haben37. 5.5.1 Iran Iran gilt als weltweit aktivster Einkäufer für Rüstungstechnologie und sog. Dual-use-Güter38. Zur Verschleierung der nachrichtendienstlichen Steuerung bedient er sich einer Vielzahl staatlicher Institutionen und iranischer Firmenkonglomerate. Im Zusammenspiel mit subtilen Vorgehensweisen wie z.B. falsche Deklarierung von Waren, Erstellen falscher Endabnehmerbescheinigungen sowie Umleitung von Warensendungen über Drittländer gelingt es dem Iran immer wieder, die außenwirtschaftlichen Kontrollinstrumente Deutschlands wie auch der EU zu umgehen. In Deutschland bieten zahlreiche ganz oder teilweise in iranischem Eigentum befindliche Firmen den Nachrichtendiensten des Iran ideale Stützpunkte im hiesigen Operationsgebiet. Die mehr als 100.000 Personen (darunter mehr als 10.000 Studenten) umfassende iranische Gemeinde in Deutschland gilt als eine der größten iranischen Exilgruppen weltweit und bildet für die Dienste des Heimatlandes gleichermaßen Aufklärungsschwerpunkt wie Personalreservoir. Intensive Beziehungen werden zu der regimetreuen "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) unterhalten, deren Mitglieder speziell in die Informationssammlung im wissenschaftlich technischen Bereich involviert sind. Daher stellt der Transfer von Technologien oder von Mate37 Bestätigt durch Erkenntnisse aus dem Urteil zum sog. MYKONOS-Prozeß, Kammergericht Berlin, Az.: 1-19/93. 38 Güter, die neben ihrer zivilen Verwendbarkeit auch für militärische Zwecke genutzt werden können. - 71 - rialien zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen in Verbindung mit der Weitergabe von wissenschaftlichem Know-how ein zunehmendes Problem dar. Den Verfassungsschutzbehörden liegen Hinweise dafür vor, dass iranische Studenten, Stipendiaten, Postgraduierte und Austauschwissenschaftler systematisch in die nachrichtendienstliche Beschaffung eingebunden werden. Oftmals sind sie bereits im Iran auf bestimmte Studiengänge an ausgewählten Hochschulen in Deutschland und Europa hin verpflichtet worden. 5.5.2 Syrien Unverändert betrachten syrische Nachrichtendienste Deutschland als wichtiges Operationsgebiet. Die Auslandsaktivitäten werden vorwiegend aus den Legalresidenturen an den amtlichen und halbamtlichen Vertretungen Syriens heraus geplant und gesteuert. Ein Schwerpunkt stellt erwiesenermaßen die Überwachung im deutschen Exil lebender regimekritischer Landsleute dar, wie der Fall eines in Rheinland-Pfalz lebenden gebürtigen Libanesen gezeigt hat.39 Desweiteren zählt die konspirative Beschaffung politischer, militärischer und wirtschaftlicher Informationen zu den umfangreichen Auslandsaktivitäten syrischer Nachrichtendienste. Besonders intensiv versucht Syrien den Ausund Aufbau biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen und einer eigenen Trägertechnologie zu forcieren. Dazu bedienen sich staatliche syrische Stellen, so auch die Nachrichtendienste, nach außen hin "unverdächtig" erscheinender renommierter wissenschaftlicher Einrichtungen. 39 Dieser hatte an seinen Auftraggeber, einen Angehörigen der syrischen Botschaft, jahrelang Informationen über hier lebende Landsleute geliefert. Sein eigeninitiativ aufgebautes Informantennetz reichte bis in deutsche Hochschulen hinein. Teilweise wurden diese zur Mitarbeit gezwungen, indem er ihnen damit drohte, dass eine Weigerung zur Gefahr für Leib und Leben von Familienangehörigen in der Heimat führen könnte. - 72 - 5.5.3 Irak Seit dem Bestehen des UN-Total-Embargos gegen den Irak sind Beschaffungsaktivitäten aus den Legalresidenturen heraus im militärischen Bereich erheblich gestört. Jedoch liegen dem Verfassungsschutz mittlerweile Anhaltspunkte vor, die darauf hindeuten, dass der Irak seine Bemühungen zur Erlangung von ABC-Waffen und einschlägiger Technik wieder intensiviert. Als Umweglieferland (sog. Drittland) dient dabei in erster Linie Jordanien. 5.5.4 Libyen Auch für die libyschen Auslandsnachrichtendienste spielt die Überwachung der in Deutschland lebenden Dissidenten eine zentrale Rolle. Daneben hat der Erwerb von Waffensystemen, chemischen Stoffen, Anlagen, Maschinen, Fertigund Halbfertigprodukten aus dem sog. Dual-useBereich gleichrangige Bedeutung. Ähnlich wie Iran und Irak versucht auch Libyen sich durch Umgehung des bestehenden UN-Teilembargos mittels Lieferungen über Drittländer und damit einhergehender Verschleierung den Erhalt kritischer Güter zu sichern. Dabei kommen den staatlichen liby-schen Stellen die kapitalmäßigen Beteiligungen an deutschen Firmen entgegen. Wirtschaftliche Verflechtungen erlauben es, den libyschen Nachrichtendiensten zudem, illegale Stützpunkte im hiesigen Industriebereich anzusiedeln. 5.5.5 China Die Liberalisierung und Modernisierung der Wirtschaft der Volksrepublik China darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass an einem Sozialismus chinesischer Prägung nach wie vor strikt festgehalten wird. Dies belegen die medienbekannten Festnahmen chinesischer Regimekritiker eindeutig. - 73 - Bei der Realisierung des ehrgeizigen Plans, noch vor dem Jahre 2020 weltweit führende Wirtschaftsmacht zu werden, ist China in besonderer Weise auch auf die Erkenntnisse seiner Nachrichtendienste angewiesen. Die Rolle von insgesamt sechs chinesischen Nachrichtenund Sicherheitsdiensten ist daraufhin explizit ausgerichtet. Es liegen Erkenntnisse vor, dass die in Deutschland lebenden zahlreichen Studenten, Praktikanten und Wissenschaftler chinesischer Volkszugehörigkeit intensiv "betreut" werden, d.h. regelmäßig in die Legalresidenturen Chinas vorgeladen und dort abgeschöpft werden. Von sog. illegalen Residenturen, u.a. abgetarnt als Chinarestaurants, wird nicht nur die Emigrantenszene beobachtet, sondern es werden auch Informationen mit militärischem Hintergrund und zur wissenschaftlichen Forschung gesammelt. Die intensiven Bemühungen Chinas im wirtschaftlichen und rüstungspolitischen Bereich lassen den Schluß zu, dass sich China vom Status "Entwicklungsland" entfernt und perspektivisch eine führende Rolle im gesamten pazifischen Raum anstrebt. 5.6 Wirtschaftsspionage Die anhaltenden Spionageaktivitäten vorgenannter Staaten sowie das natürliche Informationsbedürfnis einer Reihe anderer, auch westlicher Länder40, verdeutlichen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich nicht zu einer "geheimdienstfreien Zone" entwickelt. Vielmehr ist nach wie vor von einer erheblichen Spionagebedrohung mit einem Schwerpunkt zur Wirtschaftsspionage und den damit verbundenen subtileren Vorgehensweisen auszugehen. 40 Versuch der Ausforschung des BMWI durch den CIA-Agenten Peyton Humphries; veröffentlicht u.a. in Stuttgarter Zeitung vom 10.03.1997. - 74 - Vor diesem Hintergrund wird auf die Ausführungen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes zum Thema Wirtschaftsspionage in den Tätigkeitsberichten 1996 und 1997 verwiesen41, die auch weiterhin Bedeutung haben. 5.7 Maßnahmen der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr Die im Berichtszeitraum gemachten positiven Erfahrungen der rheinlandpfälzischen Spionageabwehr mit Wirtschaftsunternehmungen und Wissenschaftsinstitutionen bestärken in der Auffassung, dieses Programm der "Sicherheitspartnerschaft" fortzuführen, um im Rahmen der Vorbeugung auch zukünftig Schaden möglichst abzuwenden bzw. Schadensbegrenzung zu betreiben. Wie bereits teilweise dargestellt ist die Vorgehensweise fremder Nachrichtendienste in Deutschland bei der speziellen Form der Wirtschaftsspionage äußerst variantenreich, vielschichtig und subtil. Sie zeichnet sich durch ein hohes Maß an Professionalität aus und ist selbst für Fachleute der Spionageabwehr oft nur schwer zu durchschauen, für die betroffenen Firmen in der Regel kaum wahrnehmbar. Das Phänomen Wirtschaftsspionage läßt sich nach Erkenntnissen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes nur dann wirksam bekämpfen, wenn alle davon betroffenen Stellen im Rahmen eines Synergieeffektes zusammenarbeiten. Dabei ist Transparenz ein wichtiger Faktor für Vertrauen und Akzeptanz. Diese Erkenntnis hat sich der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz auch im Umgang mit heimischen Wirtschaftsunternehmen, Universitäten und Forschungsinstituten zu eigen gemacht, um die Basis für eine Sicher41 s. auch Broschüre "Wirtschaftsspionage". - 75 - heitspartnerschaft zwischen Verfassungsschutz und vorgenannten Einrichtungen zu schaffen. In einer für die Spionageabwehr bis vor kurzem nicht üblichen offensiven Öffentlichkeitsarbeit wurde über diverse Medien (Rundfunk, Fernsehen und Printmedien) und Broschüren42 das Problemfeld Wirtschaftsspionage dargelegt. Gerade der Verfassungsschutz ist bei der Abwehr von Spionageaktivitäten in hohem Maße auf die Mithilfe der Betroffenen selbst angewiesen, d.h. auf deren diesbezüglich festgestellte Verdachtsmomente oder Hintergrundinformationen. Eine evtl. Kontaktscheu ist dabei unbegründet, da Diskretion und umsichtiges Verhalten zu den Grundprinzipien des Verfassungsschutzes gehören. Zudem bietet der Verfassungsschutz auch die Möglichkeit von entsprechenden Sicherheitsgesprächen. So wurden auch 1998 vermehrt mit rheinland-pfälzischen Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen Sensibilisierungsgespräche im Rahmen der Prävention geführt. Dabei hat sich gezeigt, dass nicht nur Großfirmen von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste berührt sind, sondern kleine und mittlere Unternehmen gleichermaßen. Aufgrund der positiven Resonanz bietet die Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes Interessenten diesen Service auch weiterhin. Als Kontakttelefonnummer dient der Anschluß Mainz 06131/16-3773 oder Fax 06131/16-3688. 42 u.a. "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär". - 76 - 6. GEHEIMSCHUTZ Der aktuelle Bericht der Spionageabwehr macht deutlich, dass die Ausspähungsbemühungen fremder Geheimdienste unvermindert fortbestehen. Es ist deshalb wichtig, nicht nur nachrichtendienstliche Angriffe zu erkennen und abzuwehren, sondern ihnen von vornherein durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Ein wesentlicher Teil der Spionagebekämpfung besteht daher in der Absicherung gefährdeter Bereiche durch den personellen und materiellen Geheimschutz. Geheimschutz ist somit vorbeugende Spionageabwehr. Der Verfassungsschutz wirkt in diesem Sinne bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen sowie bei technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen anderer Stellen mit. Je vorausschauender der vorbeugende Geheimund Sabotageschutz arbeiten, desto geringer sind die Gefahren der Ausspähung, des Geheimnisverrats und der Sabotage. Der personelle Geheimschutz umfaßt die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können. Der personelle Sabotageschutz besteht in der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät der Verfassungsschutz Behörden beim Ergreifen technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der im öffentlichen Interesse geheim- - 77 - schutzbedürftigen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse gegen Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Aufbewahrung, Verwaltung und Beförderung dieser Verschlußsachen richtet sich in Rheinland-Pfalz nach der am 13. März 1996 in Kraft getretenen Verschluss-Sachenanweisung (VSA). Ansprechpartner der Verfassungsschutzbehörde sind die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststellen, die auch im Berichtszeitraum durch VS-Beratungen, Schulungen, persönliche Gespräche und Broschüren informiert wurden. Betriebe und Unternehmen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in die Geheimschutzbetreuung übernommen worden sind, um geheimhaltungsbedürftige Aufträge des Bundes zu erfüllen, werden vom Verfassungsschutz des Landes in Geheimschutzangelegenheiten beraten. Hierbei werden die geheimschutzbetreuten Wirtschaftsunternehmen, insbesondere die der zukunftsträchtigen Hochtechnologie im Interesse eines umfassenden und wirksamen Wirtschaftsschutzes über Ausspähungsmethoden fremder Nachrichtendienste informiert und sensibilisiert. - 78 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in RheinlandPfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte Aktivistin Ursula MÜLLER aus MainzGonsenheim als 1. Vorsitzende. Bei der Jahreshauptversammlung am 7. März 1998 in Butzbach-Wiesental/Hessen wurde U. MÜLLER in ihrem Amt bestätigt. Die HNG - mit bundesweit nunmehr etwa 450 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" zielt auf die nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die neonazistische Szene ab. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.2 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Nachdem der Neonazi Ernst T. aus Ludwigshafen am Rhein am 30. Mai 1995 sein Ausscheiden "aus dem nationalpolitischen Widerstand in der BRD" erklärt hatte, kamen die Aktivitäten der von ihm im Jahre 1986 gegründeten "nationalen sozialistischen Kampfgruppe" 1998 völlig zum Erliegen. 1.3 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das IHV wurde am 20. Juni 1987 von dem Neonazi Ernst T. aus Ludwigshafen am Rhein gegründet. Die im wesentlichen von T. ausgehenden Aktivitäten des IHV beschränkten sich bislang auf die Herausgabe der monatlich erscheinenden Publikation "IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit". IHV-Vorsitzender ist seit 1996 der Neonazi Markus W. aus Pirmasens. 1998 trat diese neonazistische Kleingruppe öffentlich nicht in Erscheinung. - 79 - 1.4 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Der "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz-Gonsenheim war durch seine wiederkehrenden neonazistischen Veranstaltungen bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER keine derartigen NeonaziTreffen mehr stattgefunden. Dieses Verbot wurde letztlich durch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1996 bestätigt. Es bestehen jedoch weiterhin Verbindungen zur rechtsextremistischen/neonazistischen Szene in der Bundesrepublik Deutschland. 1.5 "Nationale Volksfront - Kameradschaft Neustadt/W. (N.V.F.)" Die 1996 gegründete "N.V.F." wurde bislang von dem Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße geleitet. Die nur wenige Mitglieder umfassende neonazistische Gruppe verteilte die Publikation "REICHSRUF - Stimme der NS-Bewegung Saar-Pfalz". Die ausgeprägt antisemitische Schrift veröffentlichte Interviews und Stellungnahmen bekannter Neonazis und warb für rechtsextremistische Organisationen. 1998 wurden - wohl bedingt durch die Inhaftierung des Michael B. - keine weiteren Ausgaben bekannt. 1.6 "Kameradschaft Rhein-Nahe" Am 19. September 1997 wurde in Bingen am Rhein die "Kameradschaft Rhein-Nahe" gegründet; an der Gründungsversammlung waren nach eigenen Angaben mehr als 30 Personen anwesend. Für die Organisation wurde in den "Nachrichten der HNG", Nr. 202 vom November 1997 geworben. 1.7 "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte 1998 überwiegend nichtöffentliche Treffen, sogenannte Appelle, durch. "Landesführer" ist Hans-Jürgen H. aus Pleisweiler/Pfalz (Kreis Südliche Weinstraße). Seit Mitte 1998 verfügt der "Stahlhelm" in Mühlbach/Glan über ein neues "Heim", in dem künftig auch Veranstaltungen durchgeführt werden sollen (Publikation "Der Stahlhelm" Nr. 5/6 vom Mai/Juni 1998). Am 14. und 15. November 1998 feierte die Bundesführung des "Stahlhelm" in Oberheimbach (Kreis Mainz-Bingen) das 80-jährige Bestehen der Organisation. Am 15. November 1998 legten "Stahlhelm"-Mitglieder am Ehrenmal der Gefallenen beider Weltkriege in Oberheimbach einen Kranz nieder. - 80 - 1.8 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in den Konzentrationslagern (sog. Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen, sich zumeist nach außen seriös zu geben. 1.9 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Unter der Führung des im März 1996 zum Parteivorsitzenden gewählten Udo VOIGT hat sich die NPD weiter stabilisiert und ihren Mitgliederbestand auf ca. 6.000 ausgebaut. Trotz erheblicher Anstrengungen bei der Mitgliederwerbung konnte der Landesverband Rheinland-Pfalz mit dieser Entwicklung nicht schritthalten; die Mitgliederzahl liegt hier bei annähernd 200. Auch die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) erhöhte ihren Mitgliederbestand auf bundesweit ca. 400. Nach der Gründung eines JN-Landesverbandes Rheinland Pfalz verfügt die JN hier über ca. 30 Anhänger. Publikationsorgan der NPD: "Deutsche Stimme" Auflage monatlich: ca. 40.000 Exemplare Publikationsorgane der JN: "Einheit und Kampf" Auflage unregelmäßig: ca. 2.000 Exemplare "Der Aktivist" Auflage unregelmäßig: ca. 900 Exemplare 1.10 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY im Jahre 1987 gegründete Partei DVU ist mit rund 18.000 Mitgliedern die größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland. Auch der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz stellt mit etwa 850 Mitgliedern nach wie vor die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung im Lande dar. - 81 - Publikationsorgane: - "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) Auflage wöchentlich: ca. 37 000 Exemplare - "Deutsche Wochen-Zeitung/ Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA) Auflage wöchentlich: ca. 20 000 Exemplare 1.11 Partei "Die Republikaner" (REP) Die Mitgliederzahl der Partei beträgt bundesweit ca. 15.000; in RheinlandPfalz dagegen konnte der Landesverband seinen Mitgliederbestand auf nunmehr über 600 ausbauen. Die Partei verfügt über die Nebenorganisationen "Republikanische Jugend" (RJ), "Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten" (RepBB), "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) und "Republikanischer Hochschulverband" (RHV). In Rheinland-Pfalz besteht die nur innerhalb des Landesverbandes Rheinland-Pfalz aktive "Republikanische Kommunalpolitische Vereinigung e.V." (RKV). Publikationsorgan: - "DER Neue REPUBLIKANER" Auflage monatlich: über 20.000 Exemplare - "Junge Deutsche" Auflage unregelmäßig, erstmals anläßlich der Bundestagswahl 1998 ca. 200.000 Exemplare 1.12 "Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH e.V.) Die DLVH wurde 1991 als Partei gegründet. Sie hat nach Aufgabe ihres Parteienstatus im Oktober 1996 und Umwandlung in einen Verein weiter an Bedeutung verloren. Ihr Ziel, die Parteienzersplitterung im rechtsextremistischen Lager zu überwinden konnte nicht erreicht werden. Eine gewisse Bedeutung hatte die DLVH zwar mit ihren Bündnisbemühungen und die damit verbundene Initiierung von "Runden Tischen" erlangt. Das Konzept für eine Vereinigung der rechtsextremistischen Parteien scheiterte jedoch auch 1998 wieder. Ende 1998 verfügte die DLVH bundesweit nur über ca. 500 Mitglieder (1997: 700), davon etwa 15 in Rheinland-Pfalz. Sprachrohr: - "Nation & Europa - Deutsche Rundschau" Herausgeber Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER Auflage monatlich: ca. 16.000 Exemplare - 82 - Sprachrohr: - "Signal" (bis Mai 1998 unter dem Titel: "Europa Vorn" erschienen) Herausgeber Manfred ROUHS Auflage zweimonatlich: ca. 5.000 Exemplare 1.13 "Neue Rechte" Als "Neue Rechte" wird eine bestimmte geistige Strömung innerhalb des Rechtsextremismus bezeichnet, bei der es sich weder um eine einheitliche Bewegung noch um eine Organisation handelt. Der Begriff steht für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger. Die Ende der 60er Jahre in Frankreich um den Publizisten Alain de Benoist entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" hatte Vorbildfunktion. Die Vertreter der "Neuen Rechten" lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen und verschleiern ihre demokratiefeindlichen sowie rassistisch geprägten Thesen in einer so subtilen Weise, daß sie für den neutralen Betrachter häufig nur schwer erkennbar sind. Sie setzen darauf, in den Diskurs der Demokraten einzudringen und ihn letztlich zu dominieren. Folgende Publikationen werden der "Neuen Rechten" u.a. zugeordnet: - "Staatsbriefe" - "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" - "Sleipnir". 2. LINKSEXTREMISMUS 2.1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 6.500 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 100; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), seit Juli 1996 wöchentliche Erscheinungsweise: Auflage ca. 10.000 Exemplare. - 83 - 2.1.2 Sonstige43 2.1.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.500 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz besteht eine Gruppe in Ludwigshafen am Rhein. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung: Auflage ca. 7.500 Exemplare. 2.1.2.2 "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) Im Oktober 1994 überwiegend von trotzkistischen Mitgliedern der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) gegründete trotzkistische Organisation. Aktivitäten werden in den Räumen Mainz/Wiesbaden und Ludwigshafen am Rhein/Mannheim entwickelt. Publikationsorgan: "avanti - die Internationale": Auflage monatlich ca. 500 Exemplare. 2.1.2.3 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 nach eigenen Angaben aufgelöst, sie agiert aber weiterhin konspirativ (ca. 10.000 Mitglieder). Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber wiederholt Diskussionsveranstaltungen durch. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in RheinlandPfalz vertrieben. Publikationsorgan: "GegenStandpunkt", 4mal jährlich: Auflage ca. 7.000 Exemplare 2.1.2.4 "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstanden; nannte sich bis Juni 1995 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). 43 Die hier unter Nr. 2.1.2.1 bis 2.1.2.5 genannten Organisationen haben in Rheinland-Pfalz zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. - 84 - Zentralorgan: "Sozialistische Zeitung" (SOZ), 14-tägig: Auflage ca. 2.000 Exemplare 2.1.2.5 "Rote Hilfe" (RH) Aufstrebende Rechtsund Hafthilfeorganisation, die von Linksextremisten getragen wird, mit zahlreichen Kontaktadressen und Ortsgruppen im gesamten Bundesgebiet. 2.2 Terrorismus und sonstiger militanter Linksextremismus 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe mit dem Ziel der Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere der Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland; erklärte 1998 ihre Auflösung; seitdem keine Aktivitäten mehr. 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Terroristische Gruppierung, die sich an militanten/bewaffneten Aktionen der RAF aus früheren Jahren orientierte und zur Erreichung ihrer politischen Ziele auch den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf genommen hat. Nach der Festnahme zweier mutmaßlicher Angehöriger Anfang 1996 gilt die Gruppe als zerschlagen; das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Linksextremistisch-terroristische Gruppierungen, die nach dem Zellenprinzip strukturiert aus einer "legalen" Existenz operieren. Seit November 1973 verüben RZ im Rahmen ihres "bewaffneten antiimperialistischen" und "sozialrevolutionären" Kampfes Anschläge und Gewalttaten. Innerhalb der RZ gibt es seit 1977 die selbständig agierende Frauengruppe "Rote Zora". 2.2.4 "Jarama - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" Gruppierung des "Antiimperialistischen Widerstands"; orientiert sich an Grundsätzen früherer "RAF-Politik" und befürwortet eine militante Praxis. Strebt bundesweit eine neue revolutionäre Organisierung an; war 1998 inaktiv. - 85 - 2.2.5 Autonome Örtliche meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. 1998 ging der größte Teil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf das Konto von Autonomen. Aktionsschwerpunkt ist der Themenbereich "Antifaschismus"; aber auch starke Beteiligung an den Aktionen gegen die Atommülltransporte. Das autonome Aktionspotential beläuft sich derzeit bundesweit auf mehr als 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 120. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS44 3.1 Türken 3.1.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) Der KARATAS-Flügel der am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Devrimci Sol" nennt sich seit März 1994 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C). Innerhalb der DHKP-C stellt die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP) den politischen, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) den militärischen Arm dar. Die marxistisch-leninistisch orientierte DHKP-C zielt auf die Zerschlagung des türkischen Staates und verfolgt als Endziel eine klassenlose Gesellschaft. Gegen die DHKP-C hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ein Organisationsverbot verhängt, da die Tätigkeit der Organisation gegen deutsche Strafgesetze verstößt und die Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung Deutschlands gefährdet. 3.1.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Der YAGAN-Flügel der verbotenen "Devrimci Sol" tritt seit März 1994 unter der Bezeichnung "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) in Erscheinung. Ideologisch unterscheidet sie sich kaum von der DHKP-C. Gegen die THKP/-C - Devrimci Sol hat der Bundesminister des Innern am 13. August 1998 ebenfalls ein Betätigungsverbot verhängt, da auch ihre Tätigkeit gegen deutsche Strafgesetze verstößt und die Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung Deutschlands gefährdet. 44 Die unter Nr. 3.1 bis 3.5 genannten Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen gesondert aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz jeweils nur über einzelne Mitglieder/Anhänger. - 86 - 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei(Marxisten-Leninisten)" (TKP[ML]) Die TKP(ML) wurde 1972 gegründet. Sie vertritt die Lehre des MarxismusLeninismus, ergänzt durch Aspekte des Maoismus. Ihr Ziel ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges. An dessen Stelle soll ein Staatsgebilde mit einer an der marxistisch-leninistischen und maoistischen Ideologie orientierten Gesellschaftsordnung geschaffen werden. Zu diesem Zweck führt ihr militärischer Arm, die "türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), einen bewaffneten Guerilla-Krieg in der Türkei. Die TKP(ML) ist gekennzeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 1994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". Bundesweit verfügt die TKP(ML) über etwa 2.000 Mitglieder bzw. Anhänger. 3.1.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die MLKP ist im September 1994 durch Vereinigung zweier türkischer linksextremistischer Organisationen entstanden. Sie bekannt sich zur Ideologie des Marxismus-Leninismus und strebt die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei an. Die MLKP ist in der Türkei terroristisch aktiv. In der Bundesrepublik Deutschland verfügt sie über mehrere Hundert Anhänger. 3.1.5 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG ist im Jahre 1995 aus der 1985 gegründeten "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervorgegangen und übernahm die sozialen, kulturellen und religiösen Aufgaben der AMGT. Zu den Hauptzielen der IGMG gehören die weltweite Islamisierung sowie die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung eines auf dem Koran basierenden Regierungsund Gesellschaftssystems. Diese Ziele strebt die IGMG nicht mit gewaltsamen Mitteln an, sondern über eine politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder. Die IGMG verfügt bundesweit über ca. 26.500 Mitglieder. 3.1.5 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) "Der Kalifatsstaat" Der ICCB wird seit 1995 durch den selbsternannten "Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime", Metin KAPLAN, geführt. In letzter Zeit tritt er auch mit der Bezeichnung "Der Kalifatsstaat" an die Öffentlichkeit. Der Verband zielt auf den gewaltsamen Sturz des türkischen Staatsgefüges, das durch ein islamistisches System ersetzt werden soll. Für den ICCB sind Islam und Demokratie unvereinbar. Der ICCB polemisiert scharf gegen den - 87 - Staat Israel und gegen die USA und strebt eine weltweite Islamisierung an. Bundesweit gehören dem ICCB ca. 1.200 Mitglieder an. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt für die kurdische bevölkerung in der Türkei einen autonomen Status an und führt in diesem Sinne dort einen Guerillakrieg. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdi-stans" (ERNK) oder die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den be-waffneten Kampf der PKK in der Türkei. Die PKK - einschließlich ihrer Teilorganisationen - wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern verboten. In Deutschland hat die PKK etwa 11.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz verfügt sie über mehr als 350 Mitglieder und zahlreiche Sympathisanten. Die PKK tritt in Deutschland wiederholt mit gewalttätigen Aktionen zur Erreichung ihrer politischen Ziele auf. 3.3 Araber 3.3.1 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die schiitisch-extremistische "Hizb Allah" wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines "islamischen Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie ist für zahlreiche vor allem gegen Israel gerichtete Terrorakte im Libanon und im Ausland verantwortlich. 3.3.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den palästinensischen Autonomiegebieten und operiert von dort aus gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet wird die HAMAS vom IBP vertreten. 3.4 Algerier 3.4.1 "Islamische Heilsfront" (FIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im Jahre 1989 in Algerien gegründet. Sie propagiert den gewaltsamen Widerstand gegen die algerische Regierung und sucht ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen - 88 - Staatswesens, gemeinsam mit ihrem militärischen Arm, der "Islamischen Heilsarmee" (AIS), mit Hilfe terroristischer Mittel durchzusetzen. Die AIS rief im Oktober 1997 einen einseitigen Waffenstillstand aus, den sie seither weitgehend einhält. Außerhalb Algeriens wird die FIS durch ihre "Exekutivinstanz der FIS im Ausland" vertreten. Im Bundesgebiet sind bisher keine offenen vereinsähnlichen Strukturen der FIS bekanntgeworden; gleichwohl gibt es auch hier zahlreiche Anhänger und Sympathisanten. 3.4.2 "Bewaffnete islamische Gruppe" (GIA) Die GIA wurde im April 1992 nach dem Verbot der FIS in Algerien gegründet. Die GIA zielt wie die FIS darauf ab, Algerien in einen islamistischen Staat umzuwandeln. Im Gegensatz der teilweise mit ihr rivalisierenden FIS lehnt die GIA jeglichen Dialog mit der algerischen Regierung ab. Wie bei der FIS sind auch bei der GIA bisher keine organisatorischen Strukturen im Bundesgebiet ersichtlich. 3.5 Iraner 3.5.1 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Der NWRI ist ein Zusammenschluß von mehreren iranischen Oppositionsgruppen. Er ist der politische Arm der "Volksmodjahedin Iran" (MEK). Der NWRI betrachtet sich als "Exilparlament" und gibt vor, die "einzige legitime demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Er fordert den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland befassen sich die Anhänger hauptsächlich mit Agitationen gegen das herrschende Regime im Iran sowie der Beschaffung von Finanzmitteln und führen zu diesem Zweck Straßensammlungen durch. 3.5.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Als Propagandaträger des Iran im Ausland fungieren die in den regionalen Vereinen des islamistisch-extremistischen Dachverbandes U.I.S.A. organisierten iranischen Studenten. Zur Aufgabe der vom Iran finanziell unterstützten U.I.S.A. gehört auch die Bekämpfung von Oppositionellen. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger auf. - 89 - D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwekke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG) Vom 06. Juli 1998 INHALTSÜBERSICHT Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung SS2 Verfassungsschutzbehörde SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS4 Begriffsbestimmungen - 90 - Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze SS9 Allgemeine Befugnisse SS 10 Besondere Befugnisse Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 15 Übermittlungsverbote SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten SS 17 Minderjährigenschutz SS 18 Auskunft an Betroffene SS 19 Datenschutzkontrolle Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 23 Einschränkung von Grundrechten SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses SS 25 Inkrafttreten - 91 - Der Landtag Rheinland-Pfalz hat das folgende Gesetz beschlossen: Teil 1 Allgemeine Bestimmungen SS1 Zweckbestimmung Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. SS2 Verfassungsschutzbehörde (1) Alle den Zwecken des Verfassungsschutzes dienenden Aufgaben und Befugnisse werden vom Ministerium des Innern und für Sport als Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. (2) Der Verfassungsschutz und die Polizei dürfen einander nicht angegliedert werden. SS3 Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit dem Bund und den Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und im Informationsaustausch sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Behörden für Verfassungsschutz anderer Länder dürfen in Rheinland-Pfalz unter Beachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954 - 2970 -), geändert durch SS 38 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. Die Verfassungsschutzbehörde darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es dieses Gesetz und die Rechtsvorschriften der betreffenden Länder zulassen. (3) Bei der Erfüllung von Aufgaben auf Grund eines Gesetzes nach Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes stehen der Verfassungsschutzbehörde nur die Befugnisse zu, die sie zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Landesgesetz hat. SS4 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; - 92 - 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in diesem Gesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes unter Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst in einer Weise bekämpfen, die geeignet ist, diese Schutzgüter erheblich zu beschädigen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Teil 2 Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde SS5 Beobachtungsaufgaben Die Verfassungsschutzbehörde beobachtet 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und 4. Bestrebungen und Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Die Beobachtung erfolgt durch gezielte und planmäßige Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen. - 93 - SS6 Aufgaben bei der Sicherheitsüberprüfung Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte sowie 4. in den übrigen gesetzlich vorgesehenen Fällen. SS7 Unterrichtung der Landesregierung und der Öffentlichkeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die Landesregierung regelmäßig und umfassend über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5. (2) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 und andere grundlegende Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. (3) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Absatz 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist und das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das schützwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. Teil 3 Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS8 Allgemeine Rechtsgrundsätze (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). (2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Verfassungsschutzbehörde diejenige zu treffen, die einzelne Personen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber der Polizei stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. - 94 - SS9 Allgemeine Befugnisse Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere Informationen einschließlich personenbezogener Daten verarbeiten, insbesondere erheben, speichern, nutzen, übermitteln und löschen, soweit nicht die SSSS 10 bis 17 die Befugnisse besonders regeln. SS 10 Besondere Befugnisse (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf Methoden und Gegenstände einschließlich technischer Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung (nachrichtendienstliche Mittel) anwenden. Nachrichtendienstliche Mittel sind insbesondere der Einsatz von verdeckt eingesetzten hauptamtlichen Bediensteten, Vertrauensleuten und Gewährspersonen, das Anwerben und Führen gegnerischer Agentinnen und Agenten, Observationsmaßnahmen, Bildund Tonaufzeichnungen sowie die Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungen regelt. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzulegen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, wozu insbesondere das heimliche Mithören oder Aufzeichnen des außerhalb der Wohnung nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter verdecktem Einsatz technischer Mittel gehört, bedürfen der Anordnung durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister und der Zustimmung der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296), geändert durch SS 24 des Gesetzes vom 06.07.1998 (GVBl. S. 184), BS 12-1, gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung oder Verfolgung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108), genannten Straftaten verwendet werden. (3) Die zuständigen öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften leisten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Tarnmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Hilfe. (4) Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können, 2. er sich gegen Personen richtet, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, daß sie für eine nach Nummer 1 verdächtige Person bestimmte Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder sonstigen von dieser beabsichtigten Kontakt zu ihr haben; die Erhebung darf nur erfolgen, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 zu gewinnen, 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zwingend erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenzugänge und der hieraus gewonnenen Informationen zwingend erforderlich ist. - 95 - Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere, Betroffene weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information auch aus allgemein zugänglichen Quellen gewonnen werden kann. Der Einsatz eines nachrichtendienstlichen Mittels darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerläßlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur zu Zwecken der Verhütung der in SS 7 Abs. 3 in Verbindung mit den SSSS 2 und 3 Abs. 3 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten und - mit Ausnahme von Bildaufaufnahmen und -aufzeichnungen - der Verfolgung der in SS 100 c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozeßordnung genannten Straftaten übermittelt werden. (6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. (7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Abs. 5 Satz 3 und 4 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (8) Betroffenen sind Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 5 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung solange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. Teil 4 Datenverarbeitung SS 11 Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten erheben, in Akten und Dateien speichern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 erforderlich ist oder - 96 - 3. dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 6 erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die in Dateien gespeichert sind, welche der Auswertung personenbezogener Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 dienen sollen, müssen durch Akten oder andere Datenträger belegbar sein. (2) Daten über Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie selbst Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 nachgehen (Unbeteiligte), dürfen nur dann verarbeitet werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 5 erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Daten Unbeteiligter dürfen auch verarbeitet werden, wenn sie mit zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit einem unvertretbaren Aufwand möglich ist; in diesem Falle sind die Daten zu sperren. (3) Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit ihrer Kenntnis erhoben, ist der Erhebungszweck anzugeben. Betroffene sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (4) In Dateien im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 dürfen zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 6 nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die selbst der Sicherheitsüberprüfung unterliegen oder in diese einbezogen werden. (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen für andere Zwecke nur insoweit verarbeitet werden, als dies zur Abwehr erheblicher Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. SS 12 Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind. Gleiches gilt, wenn sie im Einzelfall feststellt, daß in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde hat in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. Die den zu löschenden personenbezogenen Daten entsprechenden Akten oder Aktenbestandteile sind zu vernichten, wenn eine Trennung von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 weiterhin erforderlich sind, mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für sonstige Akten, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Voraussetzungen nach Satz 1 im Einzelfall feststellt. Personenbezogene Daten sind zu sperren, sofern trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen eine Löschung nach Satz 2 oder eine Vernichtung nach Satz 3 oder 4 nicht vorzunehmen ist. - 97 - (3) Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach von ihr festzusetzenden Fristen, in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 2 und des SS 6 spätestens nach fünf Jahren und in den Fällen des SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 spätestens nach drei Jahren, ob in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport stellt im Einzelfall fest, daß die weitere Speicherung zur Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Betroffener erforderlich ist. SS 13 Informationsübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde Informationen, soweit diese nach ihrer Beurteilung zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 Nr. 1 und 4, soweit die Bestrebungen und Tätigkeiten durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sind, sowie SS 5 Nr. 2 und 3 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen die öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften von sich aus auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, die Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Satz 1 Nr. 1 und 4 betreffen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 erforderlich ist, von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Informationen und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Das Ersuchen braucht nicht begründet zu werden; die Verfassungsschutzbehörde allein trägt die Verantwortung für dessen Rechtmäßigkeit. Ein Ersuchen soll nur dann gestellt werden, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (3) Bestehen nur allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 5, so kann die Verfassungsschutzbehörde die Übermittlung personenbezogener Informationen oder Informationsbestände von den öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften nur verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörde kann auch Einsicht in die amtlichen Dateien und sonstigen Informationsbestände nehmen, soweit dies zur Aufklärung der in Satz 1 genannten Tätigkeiten oder Bestrebungen zwingend erforderlich ist und durch eine andere Art der Übermittlung der Zweck der Maßnahme gefährdet oder Betroffene unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist auf Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf deren Verwertung durch die Verfassungsschutzbehörde findet SS 7 Abs. 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechende Anwendung. - 98 - SS 14 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf an öffentliche Stellen personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die empfangende Stelle darf personenbezogene Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Zu anderen Zwecken darf die Verfassungsschutzbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Daten nur übermitteln an 1. die Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183 - 1218-), zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S. 2594), 2. die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten, den in SS 100a der Strafprozeßordnung und SS 131 des Strafgesetzbuchs genannten Straftaten und sonstigen Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität; Staatsschutzdelikte sind die in den SSSS 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs der Täterin oder des Täters oder der Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchst. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind, 3. die Polizeiund Ordnungsbehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und die Übermittlung zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 2 genannten Straftaten oder von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 4. andere öffentliche Stellen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist und diese die personenbezogenen Daten für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder dem Schutz von Sachen von bedeutendem Wert dienen und dies mit den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde nach den SSSS 5 und 6 vereinbar ist. In den Fällen des SS 21 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes übermittelt die Verfassungsschutzbehörde darüber hinaus auch den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden des Landes Informationen einschließlich personenbezogener Daten unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (3) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt auf begründete Anfrage von öffentlichen Stellen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften Auskunft einschließlich personenbezogener Daten aus vorhandenen Unterlagen über gerichtsverwertbare Tatsachen im Rahmen von Einstellungs-, Disziplinarund Kündigungsverfahren, im Einbürgerungsverfahren und in den Fällen, in denen dies durch eine Rechtsvorschrift vorgesehen oder vorausgesetzt wird. Die Auskunft muß zur Erfüllung der Aufgaben der anfragenden Stelle zwingend erforderlich sein. (4) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt gemäß SS 21 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. - 99 - (5) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an ausländische Nachrichtendienste angrenzender Staaten, an andere ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen der empfangenden Stelle erforderlich ist. Die Übermittlung an ausländische Nachrichtendienste geschieht im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sie unterbleibt in allen Fällen, in denen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. (6) Personenbezogene Daten dürfen an nichtöffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dies ist 1. zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, 2. zur Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht, 3. zum Schutze der Volkswirtschaft vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten oder vor der planmäßigen Unterwanderung von Wirtschaftsunternehmen durch die in SS 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 genannten Bestrebungen oder 4. zum Schutze von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen einer Person erforderlich. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers oder der Leiterin oder des Leiters der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport. Sie ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die Verfassungsschutzbehörde sich vorbehält, Auskunft über die Nutzung der personenbezogenen Daten zu verlangen. SS 15 Übermittlungsverbote Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach den SSSS 13 und 14 unterbleibt, wenn 1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen dies erfordern, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, insbesondere Gründe des Quellenschutzes, des Schutzes operativer Maßnahmen oder sonstige Geheimhaltungsgründe entgegenstehen oder 3. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. SS 16 Besondere Pflichten bei der Übermittlung personenbezogener Daten (1) Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen, es sei denn, es ist sachlich ohne Bedeutung. (2) Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, daß sie - 100 - nicht erforderlich sind, hat sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen personenbezogenen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die personenbezogenen Daten zu sperren. SS 17 Minderjährigenschutz (1) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nicht in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 und in zu ihrer Person geführten Akten gespeichert werden. (2) Über Minderjährige nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 oder in zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte personenbezogene Daten sind nach Ablauf von zwei Jahren seit dem zuletzt erfaßten Verhalten auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, nach Eintritt der Volljährigkeit sind weitere Erkenntnisse nach SS 5 angefallen. (3) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 11 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (4) Personenbezogene Daten über das Verhalten von Minderjährigen vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. SS 18 Auskunft an Betroffene (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen über zu ihrer Person in Akten und Dateien im Sinne des SS 11 Abs. 1 Satz 2 gespeicherte Daten sowie über den Zweck und die Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung auf Antrag unentgeltlich Auskunft. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und auf die empfangende Stelle bei Übermittlungen. Über personenbezogene Daten in nichtautomatisierten Dateien und Akten, die nicht zur Person von Betroffenen geführt werden, ist Auskunft nur zu erteilen, soweit Angaben gemacht werden, die ein Auffinden der personenbezogenen Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu besorgen ist, 2. durch sie Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder 4. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheimgehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung des Ministeriums des Innern und für Sport oder hierzu besonders Beauftragte. - 101 - (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, sind Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden können. Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz an Betroffene dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zugestimmt hat. SS 19 Datenschutzkontrolle Der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ist auf Verlangen Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren. Ihr oder ihm ist ferner Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Dateien, Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren, soweit nicht die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird. Teil 5 Parlamentarische Kontrolle SS 20 Parlamentarische Kontrollkommission (1) Zur Wahrnehmung seines parlamentarischen Kontrollrechtes gegenüber der fachlich zuständigen Ministerin oder dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der nach dem Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz gebildeten Kommission bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. SS 21 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Die fachlich zuständige Ministerin oder der fachlich zuständige Minister unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Die Unterrichtung umfaßt - 102 - auch den nach SS 10 Abs. 5 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach SS 10 Abs. 6 erfolgten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. (2) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die umfassende Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Dies schließt ein Recht auf Einsicht in Dateien, Akten und sonstige Unterlagen ein. (3) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung der fachlich zuständigen Ministerin oder des fachlich zuständigen Ministers bestimmt. Teil 6 Schlußbestimmungen SS 22 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach den SSSS 5 und 6 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes Anwendung, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. SS 23 Einschränkung von Grundrechten Auf Grund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes eingeschränkt werden. SS 24 Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses Das Landesgesetz zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296, BS 12-1) wird wie folgt geändert: 1. In SS 3 Abs. 2 Satz 2 wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt und der folgende Halbsatz gestrichen. 2. Nach SS 4 wird folgender neue SS 5 eingefügt: "SS 5 Die Verarbeitung von Daten, die nach diesem Gesetz der Kontrolle durch die Kommission unterliegen, fällt nicht in die Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz, es sei denn, die Kommission ersucht diesen, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten." 3. Der bisherige SS 5 wird SS 6. 4. In der Überschrift und den SSSS 1, 2 und 3 Abs. 2 Satz 1 werden die Worte "des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses" jeweils durch die Worte "des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz" ersetzt. - 103 - SS 25 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig treten außer Kraft: 1. das Landesverfassungsschutzgesetz vom 26. März 1986 (GVBl. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVBl. S. 80, 98), BS 12-2, 2. die Landesverordnung über die regelmäßigen Überprüfungsabstände der Dateien des Verfassungsschutzes vom 23. Mai 1989 (GVBl. S. 163, BS 12-2-1). - 104 - Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwekke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Mißbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbe-mittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.