Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tätigkeitsbericht 1997 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Im Jahre 1997 war wiederum eine Reihe von Themen der Inneren Sicherheit Gegenstand öffentlicher wie politischer Diskussionen. Die Bandbreite reichte von allgemeinen Fragen der Kriminalitätsbekämpfung und der Extremismusabwehr, über die gesellschaftliche Dimension und Bewertung dieser Gefahren, bis hin zu so kontroversen Themen wie dem Großen Lauschangriff. Nicht alle diese Diskussionen verliefen mit der gebotenen Sachlichkeit und Differenziertheit, zumal dann nicht, wenn Bedrohungsgefühle oder Ängste innerhalb der Bevölkerung politisch instrumentalisiert wurden. Es macht - um nur zwei Beispiele zu nennen - weder Sinn, Flüchtlingsszenarien im verbalen Kontext mit kriminellen Handlungen zu dramatisieren, noch über vermeintlich neue Klischees von einer Bedrohung der "christlich-abendländischen Welt" durch den Islam zu philosophieren. Mit solchen vereinfachenden Thesen ist keinem gedient, außer den Propagandisten von rechts. Die politisch Verantwortlichen und die Sicherheitsbehörden sind demnach in der besonderen Pflicht und Verantwortung, ruhig, sachlich und angemessen auf jegliche Gefährdungen der Inneren Sicherheit zu reagieren. Dabei ist vor allem auch nachhaltige Sachinformation gefragt, denn nur so kann bei den Bürgerinnen und Bürgern das nötige Vertrauen gewonnen werden. Und nur so wird es auch gelingen, diese -2Aufgaben in dem Maße zu erfüllen, wie es einem demokratischen Rechtsstaat ansteht, ohne Gefahr zu laufen, wichtige Grundprinzipien dieses Staates einer schleichenden Erosion auszusetzen. Für den Verfassungsschutz war 1997 ein Jahr mit neuen Herausforderungen, aber auch mit sicherheitsgefährdenden Kontinuitäten. Mit der "Scientology-Organisation" wurde der Verfassungsschutz mit einem Beobachtungsobjekt konfrontiert, das nicht mehr in die hergebrachten Erklärungsmuster von Rechtsund Linksextremismus paßt. Der Rechtsextremismus hat sich auch 1997 wieder als handlungsfähig und - willig gezeigt; erneut angestiegene Gewalttatenzahlen sind nur ein deutliches Signal für die anhaltenden Gefahren, die von derartigen Umtrieben ausgehen. Auch im Jahre 1997 hat sich der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz diesen vielfältigen Entwicklungen in den unterschiedlichen extremistischen Bereichen mit Nachdruck gewidmet und sie sorgfältig ausgewertet. Seine Arbeitsergebnisse waren Grundlage für eine Reihe von Maßnahmen der offensiven Öffentlichkeitsarbeit, der ich unter dem Motto "Prävention durch Information" große Bedeutung beimesse, so durch die Neuherausgabe oder Überarbeitung von Informationsbroschüren und durch gezielte Vortragstätigkeit. Hierzu zählt auch die jährliche Publikation des "Tätigkeitsberichts", der einen komprimierten Überblick über alle bedeutsamen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen vermitteln soll. Ich hoffe, auch dieser Bericht findet wieder das geschätzte Interesse aller Leserinnen und Leser. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 7 3. Öffentlichkeitsarbeit 8 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 9 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 11 1.1 Rechtsextremistische Gewalt 13 1.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads) 16 1.3 Neonazistische Organisationen 18 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene 20 1.3.2 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen 1997 21 1.3.3 "Anti-Antifa" 22 1.4 Rechtsextremistische Parteien 23 1.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 23 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 26 1.4.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) 27 1.4.3 "Die Republikaner" (REP) 29 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen/ Strömungen 32 -41.5.1 Vereinigungsbestrebungen rechtsextremistischer Parteien/"Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH) 32 1.5.2 Revisionisten 33 1.5.3 "Neue Rechte" 34 1.6 Auslandskontakte 35 2. Linksextremismus 37 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 37 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 37 2.1.2 Sonstige 39 2.2 Linksextremistischer Terrorismus 40 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 40 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 42 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" 43 2.2.4 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) 43 2.3 Militante Linksextremisten 44 2.3.1 Autonome 45 2.3.2 Weitere - zum Teil spektrenübergreifende - Aktionsfelder 47 3. Ausländerextremismus 50 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 50 3.1.1 Aktionismus 52 3.1.2 Spendenkampagne 55 3.1.3 Staatliche Maßnahmen 55 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol"/Dev Sol) 57 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP [ML]) 58 -54. "Scientology-Organisation" 60 4.1 Beobachtungsauftrag 60 4.2 Entstehung und Ziele 60 4.3 Organisationen 62 4.4 Aktivitäten 63 5. Spionageabwehr 64 5.1 Allgemeine Lage 64 5.2 Nachrichtendienste Rußlands 65 5.3 Sonstige ehemalige Ostblockstaaten 66 5.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 66 5.5 Krisenund Schwellenländer 67 5.6 Wirtschaftsspionage 67 5.6.1 Nachrichtendienste Rußlands 67 5.6.2 Krisenund Schwellenländer 68 5.6.3 Maßnahmen der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr 69 6. Geheimschutz 71 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 72 D. Anhang 82 -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser Der Tätigkeitsbericht 1997 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Er kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht läßt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 31. Dezember 1997. Eventuelle Änderungen können sich noch bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er die Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; dieser hat bei seiner Aufgabenerfüllung keine Exekutivgewalt. Insbesondere stehen dem Verfassungsschutz keinerlei polizeiliche Befugnisse zu; er darf weder Personen kontrollieren noch festnehmen, Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt dafür, daß der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen kann, die ihm selbst untersagt sind. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 144 1. 1 Stand: 31. Dezember 1997 -8Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1997: 2.775.000,-DM (1998: 3.280.600,-DM). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im 2 Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 8.580 , wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz3. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen sowie für die Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) des Verfassungsschutzes. Diesbezügliche Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport 2 Stand: 31. Dezember 1997 3 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). -9(06131/163220) oder das Öffentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes (06131/163772) aufgenommen werden. Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich: - "Verfassungsschutz transparent" - "Rechtsextremismus" - "Skinheads" - "Autonome" - "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" - "Islamistische Extremisten" - "Fairständnis - Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß" - "Wirtschaftsspionage" - "Arbeiterpartei Kurdistans". - "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" - "Linksextremismus - weiterhin aktuell" - "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka" - "Aus guten Gründen - Beobachtung der 'Scientology'-Organisation durch den Verfassungsschutz" - "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" - "Extremisten und Informationstechnik - vom Flugblatt zum PC" 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 1997 wiederum an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde - 10 - achten - Gegen Fremdenhaß". Neben der Verteilung von Broschüren, wie dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten", wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz unterstützt, so u.a. im Rahmen des "Europäischen Jahres 1997 gegen Rassismus" die "Internationalen RheinlandPfälzischen Projekttage gegen Rassismus 1997", die zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung vom 08. bis 09. Dezember auf dem Flugplatz Hahn vor einem großen Zuhörerkreis durchgeführt wurden. - 11 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS4 Das rechtsextremistische Spektrum stellt auch weiterhin ein ernstzunehmendes Gefährdungspotential für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Dies wird u.a. durch die große Zahl rechtsextremistischer Gewalttäter und die gestiegenen Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Parteien belegt. Auch die kommunikative Vernetzung - vornehmlich im Bereich der Neonaziszene - wurde weiter ausgebaut und die publizistischen Aktivitäten verstärkt. Insbesondere die agitatorisch-propagandistische Anpassungsfähigkeit rechtsextremistischer Organisationen ist dabei bemerkenswert. Gerade in dieser Hinsicht widmen sich rechtsextremistische Parteien, wie aber auch die Neonazis, vordergründig und wesentlich ausgeprägter den aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Problemen in der Bundesrepublik Deutschland. Gezielt thematisieren sie die zentralen gesellschaftspolitischen Fragen im Sinne ihrer menschenverachtenden Ideologie, die sie als problemlösende Heilslehre nicht mehr nur plump-plakativ, sondern auch zunehmend subtil und unterschwellig anpreisen. Der Themenschwerpunkt der letzten Jahre, die Ausländerpolitik, wird dadurch allerdings nicht nachhaltig verdrängt. Vielmehr wird u.a. stets versucht, den Eindruck zu vermitteln, die Gründe vor allem für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland seien ursächlich im Zusammenhang mit einem viel zu hohen Anteil ausländischer Wohnbevölkerung zu sehen. Besonders verwerflich ist, daß dabei stets rassistisch "argumentiert" wird. 4 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: August 1997), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. - 12 - Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind keine ausschließlich deutschen Probleme, sondern fordern auch in vielen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) Opfer und rufen bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen Besorgnis und Angst hervor. Rechtsextremistische Aktivitäten müssen daher innerhalb der EU wirkungsvoller eingedämmt werden. Immer wieder erweist sich jedoch das in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgestaltete Recht als Hindernis bei der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten. So kann rassistisches, antisemitisches oder neonazistisches Propagandamaterial in einigen anderen europäischen Staaten - z.B. in Dänemark - ohne Strafandrohung hergestellt und verbreitet werden. Deutsche Rechtsextremisten beteiligen sich regelmäßig an einschlägigen Gedenkveranstaltungen im europäischen Ausland5 und erzielen damit zum Teil große öffentliche Aufmerksamkeit. Im Jahre 1997 gelang ihnen auch in der Bundesrepublik Deutschland die Durchführung spektakulärer Aufmärsche. So führte die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) am 1. März 1997 in München eine Demonstration gegen die 6 Ausstellung "Vernichtungskrieg - Gegen die Verbrechen der Wehrmacht" durch, an der ca. 4.300 Personen teilnahmen. Rechtsextremismus ist ein grenzüberschreitendes europäisches Problem, das nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung und mit einem angemessenen, gleichwertigen rechtlichen Instrumentarium auf Dauer nachhaltig eingedämmt werden kann. Inzwischen sind erste Schritte eingeleitet worden, um die unterschiedlichen strafrechtlichen Vorschriften innerhalb der EU zu harmonisieren. Die entsprechenden Gremien der EU sind mit der 5 vgl. "Auslandskontakte" (S. 35) 6 Am 24. Januar 1998 fand im Zusammenhang mit der in Dresden stattgefundenen Wehrmachtsausstellung ebe n- falls eine Demonstration der NPD mit ca. 1300 Teilnehmern statt. - 13 - Konzipierung einer Richtlinie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit befaßt. Zu den vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Europa gehörte 1997 auch das "Europäische Jahr gegen Rassismus". Im Jahre 1997 wurden bundesweit insgesamt etwa 48.400 (1996: 45.300) Rechtsextremisten gezählt, davon sind ca. 2.400 Neonazis (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften 2.600). Das Spektrum der militanten Rechtsextremisten ist 1997 gegenüber 1996 erheblich angewachsen und umfaßt bundesweit etwa 7.600 Personen (1996: 6.400). Die meisten von ihnen sind Angehörige der Skinheadszene. Der genaue Anteil der rechtsextremistischen Skinheadszene ist allerdings angesichts der starken Fluktuation nicht genau bestimmbar. In Rheinland-Pfalz gehörten etwa 1.900 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum an, davon sind ca. 50 Neonazis und ca. 50 rechtsextremistische Skinheads. Letztere werden als gewalttätig eingeschätzt, d.h. in Rheinland-Pfalz gibt es etwa 100 Militante. 1.1 Rechtsextremistische Gewalt Der Anstieg der Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten resultiert aus einem Zuwachs bei der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Bundesweit waren 791 Gewalttaten7 zu verzeichnen (1996: 624), darunter ein vollendetes und 13 versuchte Tötungsdelikte. Der seit 1994 festzustellende Rückgang rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten wurde damit 1997 erstmals unterbrochen. 7 Ohne Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung. Die Zahl für 1996 wurde entsprechend bereinigt. - 14 - Das Straftatenbild zeigt 1997 in Rheinland-Pfalz mit 306 Straftaten insgesamt eine Steigerung gegenüber 1996 (231 Straftaten) von etwa 32,5 %. Auch die Zahl der in den Straftaten enthaltenen Gewalttaten (d.h. ohne Sachbeschädigungen) stieg von 11 auf 18 an. In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtsjahr 8 jüdische Friedhöfe u.a. durch Umwerfen und Besprühen von Grabsteinen geschändet (1996: 2). Aus Sicht des Verfassungsschutzes gibt es zwar derzeit keine rechtsextremistische Gruppe, die im Sinne des SS 129a Strafgesetzbuch als terroristische Vereinigung angesehen werden kann. Bislang sind auch keine festen rechtsterroristischen Strukturen erkennbar. Gleichwohl waren einzelne ernstzunehmende Hinweise auf rechtsterroristische Planungen von Einzeltätern oder isolierten Kleingruppen festzustellen. Hierzu zählen u.a. die anhaltende szeneinterne Gewaltdiskussion, umfangreiche Waffenfunde, die Verbreitung von Bauanleitungen für Sprengvorrichtungen sowie die Erstellung von "Steckbriefen" sog. Volksfeinde. Diese Entwicklung ist sorgfältig zu beobachten, um rechtzeitig einem evtl. Umschlagen in einen Rechtsterrorismus vorbeugen zu können. Die latente Gefahr von Anschlägen gewalttätiger Einzeltäter ist 1997 Wirklichkeit geworden. Am 23. Februar 1997 erschoß der Berliner Neonazi Kai DIESNER auf einem Autobahnparkplatz bei Rosenburg/Schles-wigHolstein einen Polizeibeamten und verletzte einen zweiten Beamten schwer. DIESNER hatte darüber hinaus eingeräumt, auf einen Buchhändler in Berlin drei Tage zuvor geschossen und ihn schwer verletzt zu haben. DIESNER wurde am 1. Dezember 1997 wegen Mordes und versuchten Mordes vom Landgericht Lübeck zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zur Eindämmung der rechtsextremistischen Gewalt werden die Straftaten konsequent verfolgt sowie Vereinsund Versammlungsverbote erlassen. - 15 - Seit Beginn der 80er Jahre wurden von den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder 19 rechtsextremistische Vereinigungen 8 verboten: Organisation Verbot Verboten durch "Wehrsportgruppe Hoffmann" 30.01.1980 Bund (WSG) "Volkssozialistische Bewegung 27.01.1982 Bund Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) Wehrsportgruppe "Wolfspack/ 14.04.1983 Rheinland-Pfalz Sturm 12" "Aktionsfront Nationaler Soziali07.12.1983 Bund sten/Nationale Aktivisten" (ANS/ NA) - inkl. "Aktion Ausländerrückführung" (AAR) "Unabhängiger Wählerkreis Wür z- 27.02.1984 Bayern burg" (UWK) (als Nachfolgeorganisation der ANS/NA) "Nationale Sammlung" (NS) 09.02.1989 Bund "Nationalistische Front" (NF) 27.11.1992 Bund "Deutsche Alternative" (DA) 10.12.1992 Bund "Deutscher Kameradschaftsbund 21.12.1992 Niedersachsen Wilhelmshaven" (DKB) "Nationale Offensive" (NO) 22.12.1992 Bund "Nationaler Block" (NB) 11.06.1993 Bayern "Heimattreue Vereinigung Deutsch14.07.1993 Badenlands" (HVD) Württemberg "Freundeskreis Freiheit für 02.09.1993 NordrheinDeutschland" (FFD) Westfalen 8 Am 11.02.1998 verbot das Innenministerium Niedersachsen darüber hinaus den "Heideheim e.V." Hamburg und den "Heideheim e.V." Buchholz - 16 - Organisation Verbot Verboten durch "Wiking Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Bund "Nationale Liste" (NL) 24.02.1995 Hamburg "Freiheitliche Deutsche Arbeiter24.02.1995 Bund partei" (FAP) "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" 05.05.1995 Brandenburg (JF) "Skinheads Allgäu" 30.07.1996 Bayern "Kameradschaft Oberhavel" 15.08.1997 Brandenburg 1.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads9) Die Skinheadszene ist ein breites Spektrum, zu dem neben einer Vielzahl unpolitisch eingestellter Personen auch einzelne sog. Redskins10 und vor allem rechtsextremistisch eingestellte Skinheads gehören. Da Skinheads in der Regel nicht zu festen Strukturen neigen, ließen sie sich bislang nur selten in rechtsextremistische Organisationen fest einbinden. Neonazistische Zirkel knüpfen jedoch mit zunehmendem Erfolg Kontakte zu Skinheads bei deren Veranstaltungen und privaten Festen. Stärker als in den Jahren zuvor sind aber auch die von den Skinheads selbst ausgehenden Strukturierungsversuche. Zu bundesweiten Strömungen haben sich inzwischen die "Hammerskins" und die "Blood & Honour"-Skinheads entwickelt. 9 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Mai 1997), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 10 Nach eigener Aussage "links" eingestellte Skinheads. - 17 - Ihre Einstellung artikulieren rechtsextremistische Skinheads in Szeneschriften ("Fanzines", abgeleitet vom engl. fan-magazine) und vor allem durch Musik der Skinhead-Bands. Die Inhalte der "Fanzines" sowie die Liedtexte von Skinhead-Bands belegen eine latente Gewaltbereitschaft und die Menschenverachtung dieser Subkultur. Von den in Rheinland-Pfalz geschätzten 300 Skinheads können etwa 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, die schwerpunktmäßig in der Vorderpfalz und in den Räumen Kaiserslautern, Koblenz und Zweibrücken agieren. Im Bereich der Vorderpfalz unterhält die rechtsextremistische Skinheadszene Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" in Baden-Württemberg und im Saarland. In der Zeit von Mitte Juni bis Mitte August 1997 kam es im südlichen Landesteil von Rheinland-Pfalz anläßlich von Weinund Volksfesten bei insgesamt acht Veranstaltungen zu Gewalttätigkeiten durch rechtsextremistisch beeinflußte Skinheads; die verantwortlichen Personen stammten insbesondere aus der Vorderpfalz. Die einzelnen Tätergruppen traten geschlossen auf, provozierten Gäste oder griffen sie nach verbalen Attacken körperlich an. Vorläufiger Höhepunkt der Gewalttätigkeiten war die Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Ausländern am 27. Dezember 1997 in Kirchheimbolanden, in deren Verlauf zwei Beteiligte durch Messerstiche schwer verletzt wurden. Die im Jahre 1993 gegen mehrere Skinhead-Bands und gegen die Verbreiter von Skinhead-Fanzines durchgeführten Exekutivmaßnahmen haben die Handlungsfähigkeit der Skinhead-Musikszene zunächst eingeschränkt. Seit 1996 befindet sich die Skinhead-Musikszene jedoch wieder im Aufwärtstrend. Sowohl die Zahl der Skinhead-Konzerte und -Bands als auch die Produktion rechtsextremistischer Tonträger nimmt zu. Zugleich ist eine Kommerzialisierung der Skinhead-Musikszene und eine Zunahme der Zahl der Vertreiber rechtsextremistischer Skinhead-Musik festzustel- - 18 - len. Auch die Zahl rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte hat seit 1995 stark zugenommen. Nach 35 Konzerten im Jahre 1995 und 68 Konzerten im Jahre 1996 fanden 1997 bereits ca. 110 Konzerte statt. Dazu kommen ca. 20 Konzerte insbesondere rechtsextremistischer "Liedermacher", an denen auch Skinheads teilnahmen. Mehrere Auftritte von Skinhead-Bands fanden 1997 in Rheinland-Pfalz statt, so am 26. Juli 1997 in Warmsroth bei Stromberg und am 3. Oktober 1997 in Hagenbach/Krs. Germersheim. Die Produktion rechtsextremistischer Tonträger verlagert sich zunehmend ins Ausland, da Produzenten und Vertreiber in Deutschland die konsequente Strafverfolgung durch die Sicherheitsbehörden befürchten müssen. Bei erneuten bundesweiten Exekutivmaßnahmen im Juli und August 1997 beschlagnahmte die Polizei insgesamt rund 45.000 CD's mit rechtsextremistischen und zum Teil volksverhetzenden Inhalten. Außerdem wurden Geschäftsunterlagen, rechtsextremistisches Propagandamaterial und auch Waffen sichergestellt. Die Durchsuchungsmaßnahmen beruhten auf polizeilichen Ermittlungen unter Einbeziehung von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden. In Rheinland-Pfalz eröffnete der bekannte Neonazi Christian HEHL in Ludwigshafen am Rhein Mitte Oktober 1997 einen Verlagund Versandhandel, in dem szenetypische CD's, T-Shirts, Fanartikel usw. vertrieben werden. 1.3 Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1997 ca. 2.400 Personen (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften: 2.600) zugerechnet werden. In Rheinland-Pfalz gab es wie im Vorjahr ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig einzustufen sind. - 19 - In der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz ist insbesondere die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG)11 zu nennen. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim nahm weiter das Amt der 1. Vorsitzenden der HNG wahr und betreute inhaftierte Gesinnungsgenossen. Die Aktivitäten des "Internationalen Hilfskomitees für nationale politische 12 Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) und der "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD)13 beschränkten sich 1997 auf das Verteilen von Flugblättern. Während der "Rheinland-Pfalz-Tage" vom 20. bis 22. Juni 1997 in Pirmasens wurden IHV-Flugblätter mit dem Titel "Politische Verfolgung auch in Rheinland-Pfalz" verteilt. Im November 1997 wurden in Kaiserslautern Aufkleber der "ASD-Ortsgruppe Lörrach" festgestellt. Die Schändung jüdischer Friedhöfe in der Westpfalz seit 1994 wird einer Neonazigruppe aus dem ASD-Umfeld angelastet. Der Leiter der "Nationalen Volksfront - Kameradschaft Neustadt/W." 14 (N.V.F.) , der bekannte Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße, wurde am 15. Oktober 1997 vom Amtsgericht Mannheim wegen Vergehens gemäß SS 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt und befindet sich in Strafhaft. Von nachrangiger Bedeutung waren die "Kameradschaft Rhein-Nahe"15 und die "Deutschen Nationalisten" (DN)16. Am 29. September 1995 wurde 11 Vgl. Kurzdarstellung HNG (Seite 72) 12 Vgl. Kurzdarstellung IHV (Seite 72) 13 Vgl. Kurzdarstellung ASD (Seite 72) 14 Vgl. Kurzdarstellung N.V.F. (Seite 73) 15 Vgl. Kurzdarstellung "Kameradschaft Rhein-Nahe" (Seite 73) 16 Vgl. Kurzdarstellung DN (Seite 72) - 20 - vor dem LG Koblenz gegen mehrere DN-Angehörige ein Verfahren wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung ("Deutsche Alternative") nach SS 20 Vereinsgesetz eröffnet. Am 30. Juli 1997 wurde der Gründer der DN wegen Fortführung der verbotenen "Deutschen Alternative" zu sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das szenebekannte Ehepaar Curt und Ursula MÜLLER wurde vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein neuer Schwerpunkt der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz entwickelte sich 1997 in Ludwigshafen am Rhein. Der bekannte Neonazi Christian HEHL, der gute Kontakte zur Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland unterhält, eröffnete Mitte Oktober 1997 in Ludwigshafen am Rhein einen Verlagund Versandhandel ("Hehls World"), in dem szenetypische CD's, T-Shirts, Fanartikel usw. vertrieben werden. In den "Nachrichten der HNG" Nr. 200 vom September 1997 wurde für den Laden unter der Bezeichnung "STURM Verlag und Versand" geworben. Die 1. Ausgabe eines Kataloges wurde im Dezember 1997 bekannt. 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote veranlaßten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland, nach Möglichkeiten zu suchen, weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Seit 1993 entwickeln die Neonazis bundesweit kontinuierlich und zielstrebig Aktivitäten für eine überregionale Vernetzung. Ein Beispiel für die Vernetzung der Rechtsextremisten sind insbesondere die Mailboxen, z.B. das "Thule-Netz", das seit Juli 1996 im INTERNET vertreten ist. Dieses Mailboxnetz ist für Mitglieder und Sympathisanten - 21 - rechtsextremistischer Organisationen ein relativ preisgünstiges, umfassendes Informationsmittel. Durch die flächendeckende Verteilung der Mailboxen über die gesamte Bundesrepublik Deutschland kann sich jeder Rechtsextremist kostengünstig mit allen Informationen versorgen. Darüber hinaus erreicht die informationelle Vernetzung durch die Nutzung des INTERNET eine weltweite Dimension. Die vielfältigen Möglichkeiten, die der INTERNET-Bereich "World Wide Web" (WWW) bietet, machen dieses Medium für rechtsextremistische Organisationen zu einem attraktiven Werbeträger, über den neue Interessentenkreise vor allem unter Jugendlichen angesprochen werden können. Dem INTERNET dürfte daher in den nächsten Jahren bei der Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda, aber auch bei der Koordination von Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene, erhebliche Bedeutung zukommen. Seit März 1996 sind u.a. auch die rechtsextremistische "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) im INTERNET vertreten. Ausländische Neonazis werben mit deutschsprachigen Angeboten im INTERNET, so u.a. der deutschkanadische Revisionist Ernst ZÜNDEL ("Germania-Rundbriefe"). Die volksverhetzende Propaganda ZÜNDELs - mit Tonund Videosequenzen - ist in deutscher Sprache abrufbar. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indizierte Ende September 1997 sieben Artikel ZÜNDELs, die über das INTERNET verbreitet wurden. Daneben werden im Rahmen der informationellen Vernetzung weiterhin "Nationale Info-Telefone" (NIT), CB-Funkgeräte, Mobil-Telefone und Telefonketten genutzt, so z.B. zur Vorbereitung von "Rudolf Heß-Gedenkaktionen" im August 1997. 1.3.2 "Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen" 1997 1997 konnte die von Neonazis am Wochenende des 16./17. August 1997 geplante zentrale Demonstration zum Gedenken an Rudolf Heß verhin- - 22 - dert werden. Die Polizei unterband die meisten Veranstaltungen bereits im Ansatz. Insgesamt beteiligten sich mehr als 800 Rechtsextremisten (1996: 500) am 16. August 1997 an kleineren Aktionen oder versuchten, an einem Aufmarsch teilzunehmen. In Dänemark nahmen an der von der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB) angemeldeten "Heß-Kundgebung" rund 130 Personen teil, darunter auch wenige Rechtsextremisten aus der Bundesrepublik Deutschland. Der Marsch war von den Behörden nach Koege bei Kopenhagen umgeleitet worden, da sich in dem ursprünglich vorgesehenen Demonstrationsort Roskilde etwa 400 Gegendemonstranten versammelt hatten und Ausschreitungen zu befürchten waren. Mehr als 30 deutschen Rechtsextremisten war die Einreise nach Dänemark verweigert worden. Im Prozeß gegen die Organisatoren des "Rudolf Heß-Gedenkmarsches 1996" hat das Amtsgericht Worms am 9. Dezember 1997 die Urteile verkündet. Bei einem Beteiligten wurde eine für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt; darüber hinaus muß er 240 Stunden gemeinnützige Arbeit erbringen. Zwei weitere Beteiligte erhielten Geldstrafen in Höhe von 2.700 DM bzw. 7.200 DM. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die drei Angeklagten bei dem Neonaziaufmarsch am 17. August 1996 in Worms leitende Funktionen ausgeübt haben. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. 1.3.3 "Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit aus, die der bundesweit bekannte Neonazi Christian WORCH (Hamburg) 1992 initiiert hat. Kern der "AntiAntifa-Arbeit" ist u.a. die "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Personaldaten und der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifa- - 23 - schistischer Aktionen" zu hindern bzw. von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Die "Anti-Antifa"-Aktivitäten waren 1997 weiter rückläufig. Auch rheinland-pfälzische Rechtsextremisten veröffentlichten in ihren Pamphleten die Namen und Anschriften von "politischen Gegnern". So wurden in der seit 1996 erscheinenden Druckschrift "REICHSRUF", dem Publikationsorgan der "Nationalen Volksfront - Kameradschaft Neu17 stadt/W." (N.V.F.) , unter der Überschrift "Sand im Getriebe" u.a. Adressen von Staatsanwälten und Polizeibeamten veröffentlicht. In diesem Zusammenhang ist gegen den Verfasser dieser Publikation bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal ein Strafverfahren wegen Beleidigung anhängig. 1.4 Rechtsextremistische Parteien 1.4.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Dem seit März 1996 amtierenden Parteivorsitzenden Udo VOIGT gelang es nach den gescheiterten Bündnisbemühungen mit der Partei "Die Republikaner" (REP) und der "Deutschen Volksunion" (DVU), die NPD wieder als eigenständige und handlungsfähige Partei in der rechtsextremistischen Szene zu etablieren und sogar einen erheblichen Mitgliederzuwachs zu erzielen. Er konnte sich bei den Parteivorstandswahlen am 10./11. Januar 1998 in Stavenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) endgültig in der Partei durchsetzen; sein inhaftierter Amtsvorgänger Günter DECKERT dagegen spielt in der NPD derzeit keine Rolle mehr. Unter der Führung von Udo VOIGT öffnete sich die Partei zunehmend neonazistischen und militanten Gruppen und verstand es darüber hinaus, neonazistische Organisationen und Einzelpersonen über sog. Freundeskreise für die Partei zu gewinnen. Ende 1997 lag die Zahl der Parteimit17 vgl. Kurzdarstellung N.V.F. (Seite 73) - 24 - glieder bundesweit bei ca. 4.300 (1996: ca. 3.500)18, wobei insbesondere in den östlichen Bundesländern ein entsprechender Zuwachs zu verzeichnen ist. Der Aufwärtstrend in der NPD setzte sich auch bei ihren Jugendund Studentenorganisationen "Junge Nationaldemokraten" (JN) und "Nationaldemokratischer Hochschulbund" (NHB) fort. Das Parteiorgan "Deutsche Stimme" erscheint seit einigen Monaten in einem deutlich verbesserten Layout in einer Auflagenstärke von monatlich 40.000 Exemplaren (1996: 35.000). Außer ihrer Parteizeitung bediente sich die NPD zur öffentlichkeitswirksamen Darstellung ihrer rechtsextremistischen Agitationen auch 1997 moderner Kommunikationsmittel wie Mailboxen, Info-Telefone und dem INTERNET, wo sie mit mehreren Adressen vertreten ist. Seit April 1997 ist die NPD auch als Provider im INTERNET tätig. Die Partei setzte den bereits 1996 eingeschlagenen Kurs, durch verstärktes Aufgreifen sozialund wirtschaftspolitischer Themen eine vermehrte Akzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen, auch 1997 fort. Darüber hinaus propagierte sie ein "neues deutsches Reich" mit einer "neuen Ordnung"; außerdem spielt das Thema Bundeswehr eine wichtige Rolle. Neuerdings wendet sie sich öffentlich gegen den Ausschluß von NPD/JN-Angehörigen aus der Bundeswehr und kündigt entsprechende Gerichtsverfahren an. Trotz der eklatanten Niederlagen bei den hessischen Gemeindeund Kreiswahlen (0,6%) und der Hamburger Bürgerschaftswahl (0,1%) beschloß die NPD, an den Bundestagswahlen 1998 teilzunehmen. 18 Das Parteiorgan "Deutsche Stimme" nannte in seiner Dezember-Ausgabe einen Zuwachs von 1.305 Mitgliedern seit Anfang 1997. - 25 - In ihrem Wahlprogramm wendet sich die NPD gegen ansteigende Kriminalität und Überfremdung, die derzeitige Sozialund Arbeitsmarktpolitik und die Einführung des Euro. Ihren größten Erfolg konnte die NPD 1997 gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) mit der Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Gegen die Verbrechen der Wehrmacht" am 1. März 1997 in München erzielen. An der Veranstaltung nahmen rund 4.300 Personen teil. Etwa 4.800 Gegendemonstranten versuchten, den Aufzug zu stören; eine Eskalation konnte von Polizeikräften verhindert werden. Mit einer weiteren Demonstration am 1. Mai 1997 in Leipzig versuchte die NPD vergeblich, an den Erfolg von München anzuknüpfen. Nachdem letztinstanzlich das sächsische Oberverwaltungsgericht ein Demonstrationsverbot für Leipzig bestätigt hatte, distanzierte sich die NPD von weiteren Aktionen. Demonstrationen fanden unter Beteiligung von Neonazis und der JN in Hannoversch Münden (ca. 300 Teilnehmer) - wo es zu gewaltsamen Ausschreitungen mit Gegendemonstranten und der Polizei kam - sowie in weiteren Städten (insgesamt ca. 400 Teilnehmer) statt; Rheinland-Pfalz war davon nicht betroffen. Im NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz stagniert der Mitgliederstand bei ca. 160 Parteiangehörigen. Die seit den Landtagswahlen 1996 schwelenden Querelen konnten auch 1997 nicht beigelegt werden. Anläßlich des Landesparteitages am 29. Juni 1997 in Kaiserslautern wurde der seit Juni 1996 amtierende Landesvorsitzende Hans SCHMIDT in seinem Amt bestätigt; der frühere Vorsitzende Wilhelm HERBI ist nicht mehr zur Wahl angetreten. - 26 - Seine primäre Aufgabe sieht der Landesvorsitzende in der Konsolidierung des angeschlagenen Landesverbandes und den Vorbereitungen für die Bundestagswahl im September 1998. Der Landesverband RheinlandPfalz nimmt mit einer 10 Kandidaten umfassenden Landesliste an der Bundestagswahl teil. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die Jugendorganisation der NPD "Junge Nationaldemokraten" (JN) befindet sich seit dem Amtsantritt von Udo VOIGT als NPD-Bundesvorsitzender wieder im Aufwind. Sie sehen sich als Zentrum des "nationalen Widerstands" und wollen durch die Umwandlung in eine Kaderorganisation eine Führungselite bilden. Der Eintritt von ehemaligen Mitgliedern und Funktionären verbotener Organisationen und deren Aufstieg in Führungspositionen verstärkten die neonazistische Ausrichtung der JN. Mit diesem Kurs, der offensichtlich von dem Parteivorsitzenden Udo VOIGT gebilligt wird, gelang es der JN, ihren Mitgliederstand bis Ende 1997 auf über 350 auszubauen (1996: ca. 200). In dieser Zahl ist allerdings ein Anteil von über 100 JN-Anwärtern enthalten. Der JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL wurde anläßlich der am 10. Mai 1997 in Roding (Bayern) durchgeführten Vorstandswahlen in seinem Amt bestätigt. An dem Erfolg der Großdemonstration am 1. März 1997 in München war die JN maßgeblich beteiligt. Auch die verbotene Demonstration am 1. Mai 1997 in Leipzig stellte die JN-Führung als erfolgreiche Aktion dar, obwohl eine Beteiligung wie in München nicht annähernd erreicht werden konnte19. 19 Näheres hierzu Seite 25. - 27 - An der Vorbereitung und der Durchführung von Aktionen zum 10. Todestag von Rudolf Heß beteiligten sich die JN auf Druck der NPD nicht. Gegen die Teilnahme einzelner JN-Mitglieder an Gedenkveranstaltungen äußerte die Parteiführung jedoch keine Bedenken. Der am 16. Oktober 1997 in Furth i. Wald (Bayern) von der JN veranstaltete "4. Europäische Kongreß der Jugend" stand unter dem Motto "Zerschlagt die EU-Diktatur des internationalen Großkapitals". Unter den ca. 500 bis 600 Teilnehmern befanden sich u.a. Delegationen aus den europäischen Nachbarländern sowie aus Südafrika und den USA. Die große Anzahl dieser Abordnungen läßt Rückschlüsse auf gute Verbindungen der JN ins europäische Ausland erkennen. Die Gründung eines JN-Landesverbandes Rheinland-Pfalz ist auch 1997 wieder nicht gelungen. Allerdings haben sich in weiteren Städten in Rheinland-Pfalz, insbesondere in Zweibrücken, sog. JN-Freundeskreise gebildet, deren Anhänger und Sympathisanten sich hauptsächlich aus der Skinheadszene rekrutieren. Maßgebliches Engagement geht dabei von dem bekannten JN-Funktionär Sascha W. aus Koblenz aus. 1.4.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die von dem Verleger Dr. FREY von München aus zentralistisch geführte DVU ist mit ca. 15.000 Mitgliedern neben der Partei "Die Republikaner" (REP) die größte rechtsextremistische Vereinigung in Deutschland. In Rheinland-Pfalz gehören der Partei nach wie vor ca. 850 Personen an. Die meisten Mitglieder sind politisch nicht aktiv. In den neuen Bundesländern konnte sich die DVU bisher nicht erfolgreich etablieren. - 28 - Allein durch Verbreitung immensen Werbematerials vor der Hamburger Bürgerschaftswahl am 21. September 1997 erzielte die DVU ohne größeren Wahlkampf 4,9% der Wählerstimmen. Der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft blieb ihr jedoch verwehrt. Die Stimmenauszählung stellte die Partei als Wahlmanipulation dar. Abgesehen von der alljährlich stattfindenden Großkundgebung, an der am 27. September 1997 in Passau 2.500 Personen teilgenommen haben, und der Durchführung von Parteitagen trat die DVU 1997 ansonsten wieder nur durch Presseund Buchveröffentlichungen ihres Vorsitzenden und Verlegers Dr. FREY in Erscheinung. Seine "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) mit einer Auflage von wöchentlich 35.000 Exemplaren und die "Deutsche Wochenzeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA), wöchentlich 20.000 Exemplare, gehören zu den auflagestärksten rechtsextremistischen Publikationen in Deutschland. Beide sind wegen der uneingeschränkten beherrschenden Stellung Dr. FREYs als Sprachrohr der Partei anzusehen. In reißerischer Aufmachung werden in beiden Zeitungen die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost, der demokratische Rechtsstaat diffamiert und ausländerfeindliche und antisemitische Inhalte verbreitet. Ziel ist u.a., den Nationalsozialismus zumindest tendenziell zu rehabilitieren. Seit Mitte 1997 ist der Zeitungs-Verlag von Dr. FREY mit einer eigenen Homepage auch im INTERNET vertreten. Der Landesverband Rheinland-Pfalz entwickelte unter ihrem im November 1996 gewählten neuen Landesvorsitzenden kaum noch Aktivitäten. Lediglich im südpfälzischen Raum fanden regelmäßig politische Stammtische mit jedoch geringer Besucherresonanz statt. Am 31. Januar 1998 führten die DVU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Saarland einen gemeinsamen Landesparteitag in Gossersweiler-Stein/Kreis Südliche Weinstraße durch. - 29 - Höhepunkt der Parteiarbeit 1997 war ein gemeinsames Sommerfest der DVU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 28. Juni 1997 im Raum Böblingen mit ca. 100 Teilnehmern. 1.4.3 "Die Republikaner" (REP) Der Parteivorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER prognostizierte Anfang 1997, seine Partei befände sich wieder im Aufwind. Dies sei insbesondere auf die Wahlerfolge bei den Landtagswahlen 1996 in Baden-Württemberg (9,1%) und Rheinland-Pfalz (3,5%) und die Konsolidierung des Parteienhaushalts durch die staatliche Parteienfinanzierung zurückzuführen. 1997 beteiligten sich die REP an den Gemeindeund Kreiswahlen am 2. März in Hessen, wo sie landesweit durchschnittlich 2,2% bzw. 6,6% der abgegebenen Stimmen erzielten (1993: 2,9% bzw. 0,2%) und am 21. September an der Hamburger Bürgerschaftswahl. Hier erreichten sie nur noch 1,8% (1993: 4,8%) und büßten bei den gleichzeitigen Wahlen zu der Hamburger Bezirksversammlung mehr als die Hälfte ihrer Stimmanteile ein. Tatsächlich konnten die REP ihre in den Vorjahren erlittenen Mitgliederverluste teilweise wieder ausgleichen. Ende 1997 verfügte die Partei über ca. 15.500 Mitglieder (1996: ca. 15.000); in Rheinland-Pfalz waren es wie 1996 auch ca. 550. Zur Verbreitung ihres Gedankengutes benutzt die Partei neben ihrem Parteiorgan "Der Republikaner" die Kommunikationsmittel Mailboxen, InfoTelefone und verstärkt das INTERNET. In Rheinland-Pfalz bestehen InfoTelefone in Mainz und Bad Dürkheim; seit Oktober 1997 ist eine INTERNET-Homepage des REP-Landesverbandes Rheinland-Pfalz bekannt. - 30 - Zu den Unterorganisationen "Republikanische Jugend" (RJ), "Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten" (REP BB) und "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) kam Anfang 1997 der "Republikanische Hochschulverband" (RHV) hinzu. Am 15. Januar 1997 zog der REPHochschulbeauftragte Eike E. sowie ein weiterer REP-Funktionär in das Studentenparlament der Universität Marburg ein. Im Mai 1997 veröffentlichte E. in der rechtsextremistischen Monatsschrift "Nation & Europa" den Artikel "Der AStA und das politische Mandat". Dr. SCHLIERER ist zwar weiterhin bestrebt, die REP als eine rechtskonservative, demokratische Partei darzustellen, doch lagen auch 1997 bundesweit Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Ausrichtung der Partei vor. Neben Agitationen gegen die "Umerziehung" durch die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkrieges und Angriffen gegen Institutionen und Repräsentanten des demokratischen Deutschland war auch weiterhin fremdenfeindliche Propaganda zu beobachten. Derzeitige wirtschaftliche und soziale Probleme wurden mit den in Deutschland lebenden Ausländern sowie mit Asylbewerbern in Verbindung gebracht. Der geschäftsführende stellvertretende Bundesvorsitzende Christian KÄS äußerte anläßlich des "Republikanertages" am 3. Oktober 1997 in Stuttgart: "Ich fühle mich auf den Straßen eben nicht wohl, wenn ich mitten in Deutschland den Eindruck habe in Afrika zu sein (...). Sie (die Ausländer) wollen einfach nur schön leben..., aber nicht bei uns und nicht auf unsere Kosten. Wir sagen, die Zeit ist abgelaufen. Sie müssen raus." Der von Dr. SCHLIERER vertretene Abgrenzungskurs von anderen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen ist weiterhin umstritten. So beklagte der ehemalige REP-Bundesschiedsgerichtsvorsitzende Hartmut KOCH in seinem Aufsatz vom 8. Juni 1997 die "verfehlte Extremismusabgrenzung" der Partei und forderte den Parteivorstand auf, alle - 31 - Abgrenzungsbeschlüsse aufzuheben. Verschiedene gegen Parteimitglieder verhängte Ordnungsmaßnahmen wegen deren Eintritt für eine Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen - so gegen das rheinland-pfälzische REP-Mitglied Hans R. - lehnte das seinerzeit noch von Helmut K. geleitete Bundesschiedsgericht ab. Anläßlich des Landesparteitages der REP in Sachsen-Anhalt im Januar 1997 wurde der ehemalige REP-Bundesvorsitzende und Befürworter einer "Vereinigten Rechten" Franz SCHÖNHUBER zum Ehrenmitglied ernannt. Am REP-Bundesparteitag am 18. Oktober 1997 in Dietmannsried/Bayern nahm ein Vertreter der rechtsextremistischen französischen "Front National" (FN) teil. Dr. SCHLIERER propagierte aus diesem Anlaß eine Intensivierung der Beziehungen. An der Bundestagswahl 1998 will sich die Partei flächendeckend in sämtlichen Bundesländern beteiligen. In Rheinland-Pfalz werden die REP mit Direktkandidaten sowie einer Landesliste antreten. Kernpunkt des Wahlkampfes sollen neben Kriminalität und Ausländerpolitik die Auflösung des Vertrages von Maastricht und die Verhinderung des Euro sein. Eine derzeit im Landesverband Rheinland-Pfalz zu beobachtende teilweise Umstrukturierung und Konsolidierung neuer Kreisverbände ist noch nicht abgeschlossen. Bemühungen zum Aufbau einer rheinland-pfälzischen REP-Jugend waren in Mainz und Speyer festzustellen; am 5. Juli 1997 fand in Mainz ein "Erster Kongreß der rheinland-pfälzischen REPJugend" statt. Die von den REP in verschiedenen Bundesländern eingeleiteten Gerichtsverfahren, u.a. wegen der Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln bzw. der Bezeichnung der Partei als "extremistisch", blieben bislang erfolglos. - 32 - Im Verfahren des REP-Landesverbandes gegen das Land RheinlandPfalz hat das Verwaltungsgericht Mainz dagegen mit Urteil vom 10.12.1997, Az.: 7 K 102/94.Mz., dem Land die weitere Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagt. Über eine Beobachtung mit offenen Mitteln durch den Verfassungsschutz hat das Gericht ausdrücklich nicht entschieden. Das Gericht stellte zwar zunächst fest, daß sich innerhalb der REP in der Vergangenheit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung feststellen ließen, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (10. Dezember 1997) jedoch keine aktuellen Erkenntnisse mehr hierfür vorgebracht worden seien. Gegen das Urteil hat das Land Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt, weil nach Auffassung des für die Beobachtung zuständigen Innenministeriums weiterhin ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen seitens der REP vorliegen, die eine Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln rechtfertigen. 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen/Strömungen 1.5.1 Vereinigungsbestrebungen rechtsextremistischer Parteien/"Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH) Trotz Aufgabe des Parteienstatus im Oktober 1996 mit dem Ziel, die Parteienzersplitterung im rechtsextremistischen Lager zu überwinden, konnte der DLVH keinen Aufschwung erzielen. Eine gewisse Bedeutung hatte die DLVH zwar mit ihren Bündnisbemühungen und die damit verbundene Initiierung von "Runden Tischen" erlangt. Ihr Konzept für eine Vereinigung der rechtsextremistischen Parteien scheiterte jedoch auch 1997 wieder; DVU, NPD und REP lehnten eine Zusammenarbeit ab. - 33 - Lediglich durch die Wahl des DLVH-Vorstandsmitgliedes Jürgen SCHÜTZINGER in den Vorstand der rechtsextremistischen "Gesellschaft für Freie Publizistik e.V." (GfP) im April 1997 in Gera konnte die DLVH eine Verbindung zu einer anderen rechtsextremistischen Organisation knüpfen. Im vergangenen Jahr konnten in Rheinland-Pfalz keine Aktionen der DLVH festgestellt werden. Ende 1997 verfügte die DLVH bundesweit nur noch über ca. 700 Mitglieder (1996: 800), davon etwa 15 in Rheinland-Pfalz. Als Sprachrohr bediente sie sich auch 1997 der erwähnten rechtsextremistischen "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" der DLVH-Mit-glieder Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER sowie der Publikation "Europa Vorn" von Manfred ROUHS. 1.5.2 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges in ihrem Sinne umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des Nationalsozialismus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern (sog. Auschwitz-Lüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen, sich zumeist nach außen seriös zu geben. Namhafte Agitatoren sind vor allem der britische Staatsangehörige David IRVING und der Deutsch-Kanadier Ernst ZÜNDEL. ZÜNDEL ist Initiator des pseudowissenschaftlichen "Leuchter-Gutachten", das in der revisionistischen Propaganda als "Beweismittel" gegen den Holocaust gilt. ZÜNDEL nutzt zur Verbreitung seiner revisionistischen Propaganda auch das weltweite INTERNET. - 34 - 1.5.3 "Neue Rechte" Als "Neue Rechte" wird eine bestimmte geistige Strömung innerhalb des Rechtsextremismus bezeichnet, bei der es sich weder um eine einheitliche Bewegung noch um eine Organisation handelt. Der Begriff steht für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger. Die Ende der 60er Jahre in Frankreich um den Publizisten Alain de Benoist entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" hatte für viele Vorbildfunktion. Die Vertreter der "Neuen Rechten" lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen und verschleiern ihre demokratiefeindlichen sowie rassistisch geprägten Thesen in so subtiler Weise, daß sie für den neutralen Betrachter häufig nur schwer erkennbar sind. Sie setzen darauf, in den Diskurs der Demokraten einzudringen und ihn letztlich zu dominieren. Für viele haben die politischen Theorien der "Konservativen Revolution"20 der Weimarer Republik Vorbildcharakter. Deren antidemokratisches, autoritäres Ideenfundament sorgte nach Auffassung von Wissenschaftlern mit dafür, daß der geistige Nährboden für die nationalsozialitische Terrorherrschaft bereitet werden konnte. Die heutigen Fürsprecher der "Neuen Rechten" sind nicht an Parteigründungen oder kurzfristigen Wahlerfolgen interessiert. Vielmehr versuchen sie, ihr rechtsextremistisches Gedankengut quasi als "schleichendes Gift" langfristig in der Bevölkerung zu verankern. Erst eine Vorherrschaft ihrer 20 Gemeinsam war den Vertretern der "konservativen Revolution" ihr Anspruch, das politische System der Weimarer Republik durch einen revolutionären Akt zu überwinden, um dadurch gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die dann konserviert werden sollten. Dieser doppelte Anspruch und die damit verbundene Strategie, über Denkzirkel einen kulturellen und damit auch letztlich einen politischen Wandel einzuleiten, sind so herausragende Besonderheiten, daß deren Vertreter - bei aller Differenzieung - unter die gemeinsame Sammelbezeichnung "Konservative Revolution" gefaßt werden können. Vgl. dazu Backes/Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik, Köln 1989, S. 163 - 35 - ideologischen Prinzipien bei der Definition von Politik, Staatsund Sozialwesen könne eine tatsächliche Übernahme der Macht in greifbare Nähe bringen. Bei den Autoren der "Neuen Rechten" fällt auf, daß sie nicht fest an eine einzelne Publikation gebunden sind, sondern ihre Beiträge häufig in verschiedenen Publikationen der "Neuen Rechten" veröffentlichen. Folgende Publikationen werden der "Neuen Rechten" u.a. zugeordnet: - "Staatsbriefe" - "Nation & Europa - Deutsche Monatshefte" - "Sleipnir". 1.6 Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten vielfältige Beziehungen zu Gesinnungsgenossen im Ausland; insbesondere versprechen sie sich davon Impulse für ihre nationale Sache. Vor allem werden sie von dort mit Propagandamaterial versorgt, dessen Herstellung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen im Ausland bestehen bereits seit vielen Jahren insbesondere in die USA (NSDAP/AO), nach Kanada, in die Niederlande sowie nach Dänemark, Österreich, Frankreich und Belgien. In mehreren Staaten Europas kommt es bei bestimmten Anlässen zu Treffen von Rechtsextremisten, wie dem Gedenken an Hitlers Geburtstag, den Todestagen von Mussolini, Franco und Rudolf Heß. An der 70. "Ijzerbedevaart", der traditionellen Gedenkfeier flämischer Patrioten in Diksmuide/Belgien, nahmen am 30. August 1997 rund 140 Rechtsextremisten aus verschiedenen Ländern teil, darunter ca. 80 Deutsche. Die belgische - 36 - Polizei nahm bei Kontrollen 13 deutsche Rechtsextremisten fest. Deutsche Rechtsextremisten beteiligten sich auch an den Feierlichkeiten zum Todestag von General Franco vom 21. bis 23. November 1997 in Madrid. In jüngerer Zeit mehren sich die Erkenntnisse, daß insbesondere die Neonaziszene ihre Bemühungen um internationale Verflechtungen kontinuierlich fortsetzt. Die Grenzöffnungen im Rahmen der EU und vor allem nach Osteuropa werden von den Rechtsextremisten in Deutschland mit großem Interesse wahrgenommen. - 37 - 2. LINKSEXTREMISMUS Ziel der linksextremistischen Gruppierungen, denen 1996 bundesweit ca. 34.100 Personen (Rheinland-Pfalz: etwa 750) zugerechnet werden konnten, ist die Beseitigung der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, um an deren Stelle eine kommunistische Gesellschaft oder eine herrschaftsfreie (Anarchie) zu errichten. Der politische Kampf von Linksextremisten orientiert sich an revolutionärmarxistischen oder anarchistischen Ideologien, wobei sich ein Teil der Gruppierungen militanter Aktionsformen bis hin zum bewaffneten Kampf bedient. Viele linksextremistische Organisationen sehen nach Überwindung ihrer aus dem Niedergang des Sozialismus entstandenen fundamentalen Existenzkrise inzwischen wieder Ansätze zur Umsetzung ihrer Ziele. Dies zeigt sich trotz ideologisch-politischer Unterschiede in einer verstärkten kampagnenorientierten Zusammenarbeit. 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die bundesweit in 14 Bezirksorganisationen gegliederte, ca. 6.200 Mitglieder umfassende DKP hat sich nach ihrer Existenzund Identitätskrise zwischenzeitlich wieder konsolidiert. Sie konzentrierte sich 1997 auf die Rückgewinnung politischer Handlungsfähigkeit, wobei allerdings die hohe Altersstruktur der Mitglieder und die finanzielle Situation der Partei die Aktionsmöglichkeiten stark begrenzen. Grundlage für die politische Arbeit der DKP bilden die vom 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung". Diese bekräftigen ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele. Sie versteht sich danach als Weltanschauungspartei, welche zur Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme die Errich- - 38 - tung einer neuen sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung, auch unter Einbeziehung revolutionärer Vorgehensweisen, propagiert. Erklärtes Hauptziel der DKP bleibt somit, die bürgerliche Gesellschaft durch den Kommunismus zu ersetzen. Dies bestätigt auch der 1997 im Vorfeld des 14. Parteitages im Mai 1998 vorgelegte Entwurf eines Grundsatzpapieres "Sozialismus - die historische Alternative zum Kapitalismus". Traditionell gehören die Themenfelder "Antifaschismus", "Antiimperialismus", Gewerkschaftsund Internationalismusarbeit zu den Hauptanliegen der DKP-Politik. Zur Propagierung ihrer Ziele setzt die DKP wieder zunehmend auf die Intensivierung ihrer Aktionseinheitsund Bündnispolitik. Die Orientierungspunkte der Parteiarbeit zeigt das vom 13. Parteitag der DKP am 3./4. Februar 1996 in Dortmund beschlossene Aktionsprogramm unter dem Motto "Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Demokratieabbau!". Darin bezeichnet die DKP es als ihre "strategische Aufgabe", "einen Beitrag zur Formierung breiter gesellschaftlicher Allianzen zu leisten und in sie klassenkämpferische Positionen einzubringen". Ihren Forderungen will die Partei durch außerparlamentarischen Druck und eine stärkere öffentliche Präsenz Resonanz verschaffen. Vor dem Hintergrund der aktuellen arbeitsund sozialpolitischen Situation erhofft sich die DKP neuen politischen Aufschwung und eine stärkere Akzeptanz bei den Arbeitnehmern sowie neue Ansatzpunkte zur Propagierung ihrer Ideologie. Ein hohen Stellenwert hat für die DKP die Weiterentwicklung ihres wöchentlich erscheindenden Zentralorganes "Unsere Zeit" (UZ). Der Schwerpunkt der DKP-Aktivitäten lag 1997 daher in der Durchführung des 10. UZ-Pressefestes in Dortmund vom 29. bis 31. August 1997, das nach Eigenangaben der Partei ca. 40.000 Besucher zählte, darunter Vertreter von 33 kommunistischen "Bruderorganisationen". - 39 - Weitere Agitationsschwerpunkte der DKP waren 1997 die Kubaund Kurdistansolidarität, der Protest gegen den Einsatz der Bundeswehr im Ausland und gegen den Vertrag von Maastricht. Zu den Bundestagswahlen 1998 hat die DKP zur Stimmabgabe für die PDS aufgerufen und beabsichtigt, in einigen Wahlkreisen auch eigene Direktkandidaten aufzustellen. In Rheinland-Pfalz sind den Aktivitäten der DKP - trotz einer leichten Zunahme - weiterhin enge personelle und auch finanzielle Grenzen gesetzt. Die DKP hat derzeit noch etwa knapp über 100 Mitglieder, allerdings wie im Bundestrend mit überwiegend hoher Altersstruktur. Örtliche Schwerpunkte der Arbeit der DKP sind insbesondere in Bad Kreuznach, IdarOberstein und Kaiserslautern erkennbar. Sporadisch erscheinen Flugblätter und vereinzelt Kleinzeitungen. 2.1.2 Sonstige Zum Spektrum der sonstigen revolutionären Marxisten gehören zahlreiche Organisationen, deren Bekanntheitsund Wirkungsgrad jedoch sehr unterschiedlich ist. Zu nennen sind hier die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die "Marxistische Gruppe" (MG) und der "Revolutionär Sozialistische Bund" (RSB) sowie die "Internationale Sozialistische Organisation" (ISO). Aktivitätsschwerpunkte dieser Gruppen liegen in Rheinland-Pfalz in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Gruppierungen wie die "Vereinigung für sozialistische Politik" (VSP) und das "Forum kommunistische Arbeitsgemeinschaften" (vormals "Bund Westdeutscher Kommunisten" - BWK) kooperieren mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), sind jedoch in Rheinland-Pfalz nahezu bedeutungslos. - 40 - Die PDS in Rheinland-Pfalz stellt sich - wie auch in zahlreichen anderen alten Bundesländern - als ein Sammelbecken von Linksextremisten verschiedener politischer Herkunft dar. Der PDS-Landesverband RheinlandPfalz befindet sich (immer) noch in der Aufbauphase. Örtliche Schwerpunkte liegen u.a. in Mainz, Kaiserslautern und Trier. Bei den Bundestagswahlen 1998 will die PDS versuchen, in allen Wahlkreisen in Rheinland-Pfalz Direktkandidaten aufzustellen. 2.2 Linksextremistischer Terrorismus Die linksextremistisch-terroristische Szene befindet sich seit Anfang der 90er Jahre in einer anhaltenden Phase der Neuorientierung. Die 1997 in den Vordergrund gestellte Aufarbeitung der eigenen Geschichte, verbunden mit Diskussionen über den "bewaffneten Kampf", offenbarte allgemeine Perspektivlosigkeit. Gleichwohl gefährdeten auch 1997 wiederum linksextremistisch-terroristische Gruppierungen z.B. durch zahlreiche Brandanschläge die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die RAF, die bis Anfang der 90er Jahre gezielt Attentate gegen in Deutschland stationierte Angehörige der US-Streitkräfte sowie gegen Funktionsträger in Politik und Wirtschaft verübte, erklärte 1992 ihr bisheriges revolutionäres Konzept als gescheitert. Seit der Sprengung der JVA Weiterstadt am 27. März 1993 führte sie keine Anschläge mehr aus. Die letzten öffentlichen Erklärungen der RAF stammen von Ende 1996. Darin stellt sie sich weiterhin als selbstbestimmte und handlungsfähige Kraft dar, ohne auf frühere Widerstandskonzepte zurückgreifen zu wollen. - 41 - Eine Reihe von Inhaftierten aus der RAF äußerte sich im Verlauf des Jahres zu ihrer politischen Vergangenheit und insbesondere zum Thema "RAF" selbst. Christian KLAR (JVA Bruchsal) erklärte beispielsweise im "SZ-Magazin" (Beilage zur Süddeutschen Zeitung) vom 25. April 1997, die RAF gehöre in eine ganz bestimmte Zeit, nämlich in die 70er und 80er Jahre. Sie sei inzwischen Geschichte. Birgit HOGEFELD (JVA Frankfurt-Preungesheim) bekräftigte in einem Interview gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (veröffent-licht am 13. Oktober 1997), daß es die RAF - obwohl sie deren Auflösungserklärung für längst überfällig halte - "natürlich" noch gebe. Ihr langes Schweigen interpretiere sie als intensiven Nachdenkungsprozeß über das "wie weiter". Im übrigen habe die RAF eine "politische Verantwortung, noch einmal etwas zu sagen". Damit tue sie sich offensichtlich schwer. Das linksextremistisch-terroristische Spektrum nahm den 20. Jahrestag des sog. Deutschen Herbstes, der im Oktober 1977 mit der "Landshut"Entführung und der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Schleyer seinen Höhepunkt erreichte, zum Anlaß, um verstärkt auf die Bedeutung der "Gefangenenfrage" und die Notwendigkeit der "Geschichtsaufarbeitung" hinzuweisen. In verschiedenen bundesdeutschen Städten fanden dazu entsprechende Diskussionsund Vortragsveranstaltungen statt. Dabei wurde von den Protagonisten vordergründig der "herrschenden" Geschichtsschreibung die eigene Sicht entgegengestellt und der Aufbruch in den 70er Jahren als "legitim" qualifiziert. Darüber hinaus ist es ihnen allerdings nicht gelungen, aus den in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen gemeinsam mit der sich zunehmend konzeptund orientierungslos darstellenden "linken" Szene neue Widerstandsperspektiven und revolutionäre Ideen zu erarbeiten. - 42 - Die Forderung nach Freilassung der RAF-Gefangenen ist auch 1997 zentrales Thema im linksextremistischen Spektrum geblieben. Neben zahlreichen Informationsveranstaltungen und Demonstrationen wurde u.a. eine Postkartenaktion zur Freilassung des RAF-Häftlings Helmut POHL (Adressat war der Bundesjustizminister) sowie eine Plakataktion zum Thema "Perspektive Freiheit" durchgeführt. Darüber hinaus initiierten Unterstützergruppen und Einzelpersonen einen "Dringenden Appell für die bedingungslose Freilassung der Gefangenen aus der Roten Armee Fraktion (RAF)". Im Zusammenhang mit dem 20. Todestag der RAF-Mitglieder BAADER, ENSSLIN und RASPE (18. Oktober) kam es bundesweit verstärkt zu Sympathiekundgebungen für die RAF-Inhaftierten, vielerorts in Form von auf Ortsschildern aufgebrachten Parolen, so u.a. auch am 20. Oktober in Mainz: "Freiheit für Rolf HEIßLER 21 - Gefangener aus der RAF seit 1979". 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Mit der Festnahme der beiden mutmaßlichen Angehörigen Bernhard FALK und Michael STEINAU Anfang 1996 wurde die Struktur der AIZ offensichtlich zerschlagen; seither ist die Gruppe nicht wieder in Erscheinung getreten. Die beiden Vorgenannten haben sich seit dem 14. November 1997 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchten Mordes und anderer Straftaten vor dem OLG Düsseldorf zu verantworten. 21 HEIßLER sitzt in der JVA Frankenthal ein. - 43 - 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Anschläge der RZ und der "Roten Zora", einer aus RZ-Zusammenhängen entstandenen Frauengruppe, wurden 1997 nicht bekannt. Allerdings gab es Anschläge von linksextremistischen (autonomen) Gruppierungen, deren Taterklärungen Parallelen zu früheren RZ-Erklärungen aufweisen22. Das RZ-Konzept, den "bewaffneten Kampf" nicht aus dem Untergrund, sondern aus konspirativen Strukturen in der "Legalität" zu führen, fand in Strategiediskussionen militanter Linksextremisten weiterhin Beachtung. 2.2.4 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) Der AIW, ein politisch heterogenes Geflecht von Gruppen und Einzelpersonen aus früheren RAF-nahen Strukturen und ehemals der autonomen Szene zuzurechnenden Personenzusammenhängen, bemühte sich in Anknüpfung an frühere theoretische und praktische Konzeptionen der RAF fortgesetzt um neue revolutionär militante Strategien und Strukturen. Ein einheitliches, von allen Strömungen des AIW gleichermaßen getragenes Konzept konnte jedoch bislang noch nicht entwickelt werden. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen "revolutionären Entwicklungen" und politischen Arbeitsschwerpunkte. Neben militant internationalistisch ausgerichteten Zusammenhängen, die sich konzeptionell an dem sog. Befreiungskampf der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) orientieren oder für eine internationale Zusammenarbeit und Solidarität gegen staatliche Unterdrükkung kämpfen, gibt es auch solche, die sich (bislang) nur im Rahmen antifaschistischer Basisarbeit bewegen. 22 u.a. am 7. November 1997 ein Brandanschlag auf das Arbeitsamt Göttingen mit Taterklärung "Autonome, Göttingen". - 44 - Die Frankfurter "Initiative Libertad!" setzte ihren internationalistisch ausgerichteten Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen fort. Nahziel ist die Festlegung eines weltweiten Kampftages für die politischen Gefangenen, für Solidarität gegen staatliche Unterdrückung. Der überregional in den Städten Mainz, Gütersloh und Marburg agierende Gruppenverband "JARAMA - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" verfolgte auch 1997 noch das Ziel, die Besitzund Machtstrukturen des "Imperialismus" zu zerschlagen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Dabei orientierte "JARAMA" sich an Grundsätzen früherer RAF-Politik und befürwortete eine militante Praxis. Das propagierte Handlungsbzw. Widerstandskonzept, u.a. verbindliche und einheitliche Strukturen für den Aufbau "revolutionärer Kerne" zu schaffen, konnte jedoch bislang nicht realisiert werden. Aktivitäten fanden 1997 mit absteigender Tendenz überwiegend zum Thema "Antifaschismus" nur noch in Mainz statt. Veranstaltungen/Demonstrationen wie z.B. zum Gedenken an den 8. Mai 1945 ("Tag der Befreiung vom Nazi-Faschismus") und gegen das in Verbindung mit dem "Nazi-Faschismus" gebrachte Unternehmen IG Farben wurden wiederum in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA) durchgeführt. 2.3 Militante Linksextremisten Die Anzahl der 1997 verübten Gewalttaten im linksextremistischen Bereich, für die zum überwiegenden Teil Autonome verantwortlich waren, ist unvermindert hoch. Insbesondere Brandund Sprengstoffanschläge sowie Eingriffe in den Schienenund Straßenverkehr verursachten erneut Schäden in Millionenhöhe. Insgesamt wurden bundesweit 833 Gewalttaten festgestellt (1996: 716), in Rheinland-Pfalz waren es 9 (1996: 7). - 45 - 2.3.1 Autonome Zum Jahresende 1997 betrug das autonome Potential bundesweit mehr als 6.000 Personen. In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 120 Autonome, hauptsächlich in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Speyer und Trier. Ziel der Autonomen ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Auf dem Weg dahin wollen sie den von ihnen als "Schweinesystem" bezeichneten Staat durch gewalttätige Aktionen - sowohl gegen Personen als auch gegen Sachen - zerschlagen. Autonome haben im allgemeinen keine fundierten ideologischen Konzepte. Sie bedienen sich zuweilen kommunistischer und anarchistischer Theorien. Entscheidend für sie ist dabei der Grundgedanke von "Anti-Staatlichkeit". Sie beanspruchen "Freiräume" außerhalb der "herrschenden" Gesetze und "Zwänge", u.a. in Wohngemeinschaften, häufig in besetzten oder "legalisierten" Häusern. Neben diesen Anlaufund Kontaktstellen, die es in Rheinland-Pfalz in Mainz, Speyer, Trier und Kaiserslautern gibt, nutzt die autonome Szene zunehmend moderne Kommunikationsmittel wie beispielsweise Info-Telefone, Mailboxen und zunehmend auch das INTERNET. Große Bedeutung kommt den zahlreichen autonomen Szene-Publikationen zu, die u.a. regelmäßig Taterklärungen, Positionspapiere, Demonstrationsaufrufe oder auch "Bastelanleitungen" für Sprengsätze veröffentlichen. Die meisten dieser Blätter, wie z.B. die "SWING - autonomes rhein-main-info" oder die Zeitschrift "K-BUTT - VÄLZISCHE PFOLXZEITUNG", decken vorrangig den regionalen Bereich ab. Bundesweite Bedeutung haben Publikationen wie die "INTERIM" aus Berlin und das unter wechselnden ausländischen Tarnadressen vertriebene Untergrundblatt "radikal". Trotz polizeilicher Durchsuchungsmaßnahmen am 12. Juni 1997 in Berlin und dabei sichergestelltem strafrechtlich belastenden Material ist es nicht gelungen, das weitere Erscheinen der "INTERIM" zu verhindern. In einer im September erschienenen Sondernummer "Best of INTERIM '97" betonen die Herausgeber u.a. die anhaltende kommunikative, aber - 46 - auch "praktische" Bedeutung des Blattes. Weiterhin würden darin "erfolgsversprechende Strategien und Mittel für einen - auch militanten - Widerstand vorgestellt und diskutiert" werden. Am 25. August wurde das wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen vier Mitarbeiter der Zeitschrift "radikal" vor dem OLG Koblenz anhängige Verfahren gemäß SS 153 a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Den Betroffenen wurde zur Auflage gemacht, jeweils 1.000 DM an eine Hilfsorganisation zu zahlen. Die Mehrzahl der Autonomen lehnt ihrem Selbstverständnis entsprechend festgefügte Organisationen und hierarchische Strukturen ab. Gleichwohl gibt es autonome Zusammenhänge, die sich fortgesetzt um eine stärkere Vernetzung und Organisierung des gewaltbereiten linksextremistischen Potentials bemühen. In diesem Sinne propagiert die seit 1992 existierende "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) entsprechend ihrem Leitsatz "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System" fortwährend militante Aktionsformen, insbesondere Angriffe gegen "faschistische Strukturen". Bei den "Bundesweiten Antifa-Treffen" (B.A.T.) stand die gegen die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) gerichtete Kampagne "Tuu Matsch Nazis" im Mittelpunkt. Die Aktionsfelder von Autonomen sind vielfältig und orientieren sich an aktuellen und vermittelbaren Themen. Seit Jahren kommt dabei der "Antifaschismus"-Arbeit ("Antifa") wesentliche Bedeutung zu. Autonome spähen systematisch Rechtsextremisten und deren Strukturen aus und veröffentlichen ihre Recherchen in Broschüren und Flugschriften. Revolutionärer Antifaschismus bedeutet nach autonomen Verständnis aber auch Kampf gegen die Wurzeln des Faschismus, gegen das "imperialistische System". Die Gewaltbereitschaft der Autonomen gegenüber dem politischen Gegner zeigte sich 1997 insbesondere bei mehreren von der - 47 - AA/BO und den B.A.T. bundesweit organisierten Demonstrationen gegen die NPD/JN. So beispielsweise in Eningen (1. Februar), Aschaffenburg (22. Februar), Saarlouis (14. Juli) und Marburg (14. September), wo es jeweils unter Beteiligung von rheinland-pfälzischen Autonomen neben Auseinandersetzungen mit den "Rechten" auch zu zahlreichen Sachbeschädigungen und gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeikräften kam. In Trier tauchte im April ein von einer "Radikalen Anarchistischen Front" unterzeichnetes Flugblatt auf, das offen zum Mord aufrief: "Kampf dem Faschismus ... jetzt auch in Trier ... schlagt die Nazibanden ... Mord ist auch eine Lösung". 2.3.2 Weitere - zum Teil spektrenübergreifende - Aktionsfelder Zu einem weiteren herausragenden Aktionsfeld für militante Linksextremisten gehört nach wie vor die in der Hauptsache von friedfertigen Atomkraftgegnern getragene "Anti-Castor-Kampagne", die als politische Plattform mißbraucht wird, um mit militanten, illegalen Aktionen den eigenen revolutionären Zielen näherzukommen. Im Zusammenhang mit dem dritten Castor-Transport vom 3. bis 5. März 1997 nach Gorleben verübten militante Linksextremisten zahlreiche Anschläge (u.a. mit Hakenkrallen) gegen die Deutsche Bahn AG, zerstörten mögliche Transportstrecken und griffen die Polizei gewalttätig an. In der "heißen Phase" registrierte die Polizei insgesamt 659 Straftaten. 77 Beamte wurden u.a. durch Steine, Stahlkugeln und Knüppelschläge verletzt; zwei von ihnen schwer. Es entstanden Sachschäden in mehrfacher Millionenhöhe. Das linksextremistische Spektrum wertete die Aktionen in Gorleben als Erfolg. Das politische Nahziel, die materiellen und politischen Kosten für den Transport weiter in die Höhe zu treiben, sei erreicht worden. - 48 - In den bundesweiten, von Linksextremisten beeinflußten Konferenzen der Anti-AKW-Gegner - zuletzt am 25./26. Oktober 1997 in Göttingen - einigten sich die Teilnehmer darauf, ihre Aktionsfelder auf Proteste gegen Transporte zum zweiten deutschen Zwischenlager in Ahaus und gegen Transporte zu den Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) auszudehnen. Diskussionen über Formen des Widerstandes bzw. die Gewaltfrage endeten in dem Konsens, alle Aktionen, die keine Menschen gefährdeten, seien leg itim. Auch in Rheinland-Pfalz gab es Aktionen gegen Castor-Transporte. So ging beispielsweise am 23. September 1997 im Zusammenhang mit einem Nuklear-Transport vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in die Wiederaufbereitungsanlage nach La Hague bei der Polizei in Neustadt a.d. Weinstraße telefonisch eine anonyme Bombendrohung ein. Am 5. November stoppten mehrere Atomkraftgegner - darunter auch Autonome - einen Castor-Transport vor dem Bahnhof Bengel (Strecke Koblenz-Trier), besetzten den Gleiskörper und hantierten an Leitungen der Lokomotive. Die Blockierer wurden von der Polizei vorläufig festgenommen. Linksextremisten, darunter auch "Antiimperialisten" und Autonome, betätigten sich auch 1997 wiederum in der sog. Kurdistansolidarität. Mit regionalen Veranstaltungen sowie überregional initiierten Aktionen/Kampagnen zeigten sie sich fortgesetzt solidarisch mit dem "Befreiungskampf" der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Zahlreiche Linksextremisten beteiligten sich u.a. an der im Herbst von der "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) bundesweit initiierten Kampagne unter dem Motto "Dialog statt Verbot", die sich in Form einer mehrwöchigen Busfahrt durch 25 bundesdeutsche Städte gegen die Bonner Kurdenpolitik, insbesondere das bestehende PKK-Verbot, richtete. Auch in Mainz, wo das örtliche, maßgeblich aus - 49 - linksextremistischen Kräften zusammengesetzte "Kurdistan Bündnis" fortwährend Solidaritätsarbeit leistet, machte der Bus am 12. November 1997 Station. Die Solidaritätsaktionen für den 1982 wegen Polizistenmordes in den USA zum Tode verurteilten Mumia Abu JAMAL wurden mit einer sog. Karawane für Mumia Abu JAMAL vom 16. August bis 20. September von mehreren Gruppierungen aus dem Saarland, aus Luxemburg und RheinlandPfalz, darunter das Kaiserslauterer "Komitee für internationale Solidarität", fortgesetzt. - 50 - 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ende 1997 gehörten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden bundesweit ca. 58.200 (1996: 57.300) und landesweit etwa 1.100 Ausländer extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Organisationen an (1996: ca. 1.250). Damit ist nur ein sehr geringer Prozentsatz der insgesamt in RheinlandPfalz lebenden Ausländer (1997: 300.352, Bundesrepublik Deutschland insgesamt: 7.365.833) als verfassungsfeindlich zu bezeichnen. Die zu verzeichnenden Gewalttaten extremistischer Ausländer beliefen sich 1997 auf bundesweit 314 (1996: 349); darunter waren wie 1996 zwei Tötungsdelikte. In Rheinland-Pfalz wurde 5 Gewalttaten gezählt (1996: 7). 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 23 Ende des Jahres 1997 sorgte die Flucht von überwiegend nordirakischen Kurden nach Süditalien weltweit für Aufsehen und machte auf das ungelöste Kurdenproblem aufmerksam. Die PKK nahm dies zum Anlaß, um von den europäischen Staaten politischen Druck auf die Türkei zur Lösung der Probleme der Kurden zu fordern. Die PKK fordert derzeit in Deutschland die Aufhebung des vom Bundesminister des Innern am 26. November 1993 erlassenen Verbotes der PKK und ihrer Propagandaeinheit, der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) sowie einiger Teilund Nebenorganisationen. Weitere Hauptanliegen der PKK sind die Beendigung der "Repressionen" gegen Einrichtungen und Wohnungen der in Europa lebenden Kurden, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Organisationsfreiheit für das kurdische Volk, Einflußnahme der europäischen Staaten auf die Türkei und Aufnahme eines Dialoges mit der PKK. 23 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Arbeiterpartei Kurdistans" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: September 1995), die beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3 - 5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) kostenlos angefordert werden kann. - 51 - Für Unruhe in PKK-Kreisen sorgte im Spätsommer 1997 die Nachricht, daß sich eine Oppositionsgruppe gegen die seit 13 Jahren andauernde Gewaltund Terrorpolitik des in Syrien aufenthältlichen PKK-Generalvorsitzenden ÖCALAN, genannt "APO" (= Onkel) gebildet habe. Zu den Oppositionellen soll auch seine Exfrau Kesire ÖCALAN zählen sowie Selim CÜRÜKKAYA, Buchautor von "PKK - Die Diktatur des Abdullah ÖCALAN". In einer Veröffentlichung heißt es, "die 13 Jahre andauernde Gewaltund Terrorpolitik ÖCALANs brachte der Organisation nur Blut und Tränen ... Jetzt ist es Zeit, sich von APO zu trennen." Auswirkungen auf die PKK waren jedoch bisher nicht erkennbar. In einem Interview mit dem ZDF am 19. August 1997 beteuerte ÖCALAN erneut den bedingungslosen Gewaltverzicht für seine Organisation in Deutschland. Auch deutsche Touristen in der Türkei müßten sich nicht vor Anschlägen kurdischer Terrorkommandos fürchten. Dies gelte auch, falls das Verbot der PKK in Deutschland bestehen ble ibe. Gewalttätige Ausschreitungen der PKK sind 1997 in Deutschland nicht bekannt geworden. Innerhalb der Organisation dagegen wurde weiterhin Gewalt ausgeübt. Spendenunwillige wurden erpreßt und zur Zahlung gezwungen, Oppositionelle innerhalb der PKK nach wie vor gewalttätig verfolgt. Zur Rekrutierung von Kämpfern für den Befreiungskampf in Kurdistan unterhält die PKK in Belgien und in den Niederlanden Ausbildungslager. Vielfach werden Jugendliche ohne Zustimmung der Eltern in diese Ausbildungslager gebracht. Aus Angst vor Repressionen vertrauen sich viele Eltern den deutschen Sicherheitsbehörden nicht an. Die der PKK nahestehende Tageszeitung "Özgür Politika" (Freie Politik) berichtete, daß anläßlich der 10. Europakonferenz der "Union der Ju- - 52 - gendlichen aus Kurdistan" (YCK) vom 29. März bis 5. April 1997 beschlossen wurde, der in der Türkei agierenden "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) Kräfte in Stärke einer Brigade zuzuführen. Im Rahmen der alljährlichen Boykottaufrufe hatte die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM), Dachverband PKK-naher Kurdenvereine, zu Beginn der Urlaubssaison erneut dazu aufgerufen, die Türkei als Urlaubsland zu meiden. Der Kampf dort verlagere sich auch zunehmend in die Städte und in die Urlaubsgebiete. Die Einnahmen aus dem Tourismus dienen der Türkei zur Finanzierung des Krieges gegen die Kurden. Zur Unterstützung ihres Kampfes in den kurdischen Siedlungsgebieten versuchte die PKK, Bündnisse mit anderen "oppositionellen Kräften" in der Türkei und in "Kurdistan" zu schließen. Es gelang ihr, Übereinkünfte mit der "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C)24 und mit der vom Iran unterstützten "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) unter ihrem Führer TALABANI zu erzielen. Dagegen scheiterten Bemühungen um ein Abkommen mit der vom Irak unterstützten "Demokratischen Partei Kurdistans" (KDP) unter ihrem Führer BARSANI. 3.1.1 Aktionismus Die PKK nutzt sowohl kurdische Feste, z.B. das kurdische Neujahrsfest "Newroz", wie auch deutsche Feiertage, z.B. den Tag der Arbeit am 1. Mai, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Weitere Anlässe für demonstrative Aktionen ergeben sich insbesondere bei militärischen Aktivitäten der türkischen Armee, wie z.B. der alljährlichen "Frühjahrsund Herbstoffensive" und dem Einmarsch in die kurdischen Siedlungsgebiete im Nordirak. 24 Siehe S. 57 - 53 - Seit jeher wird das Newroz-Fest (Frühlingsfest) am 21. März jeden Jahres von den Kurden zur Propagierung ihrer politischen Ziele genutzt. Der PKK ist es gelungen, bei den Kurden in Deutschland das Newroz-Fest für sich zu vereinnahmen und so für ihre politischen Ziele zu nutzen. Im Gegensatz zu 1996 verliefen, entsprechend der von ÖCALAN vorgegebenen Maxime, die Newroz-Feiern im Jahre 1997 weitgehend friedlich. In Mainz wurde die für den 22. März 1997 angemeldete Newroz-Veranstaltung durch die Stadtverwaltung Mainz verboten und das Verbot durch das Verwaltungsgericht Mainz bestätigt. Dagegen demonstrierten in Mainz am 21. März ca. 20 Personen, überwiegend aus dem deutschen autonomen Spektrum. Zum Abschluß der Newroz-Feiern fand am 26. April 1997 in Düsseldorf eine Kundgebung mit 45.000 Teilnehmern aus Deutschland und dem westeuropäischen Ausland unter dem Motto "Zeit für Frieden in Kurdistan" statt. Auf dem Demonstrationsweg wurden PKK-Symbole gezeigt. Bei der Kundgebung wurde eine 15-minütige Rede ÖCALANs eingespielt. Redner forderten ein Ende des Blutvergießens in Kurdistan, die Einstellung aller wirtschaftlichen und militärischen Hilfen Deutschlands an die Türkei und die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbotes. In zahlreichen deutschen Städten beteiligten sich PKK-Anhänger an den 1. Mai-Veranstaltungen des "Deutschen Gewerkschaftsbundes" (DGB). Dabei zeigten sie auch vereinzelt PKK-Symbole oder skandierten entsprechende Parolen. In Stuttgart führten linksextremistische Türken und PKK-Anhänger eine eigene 1. Mai-Demonstration mit ca. 1.400 Teilnehmern durch. Die PKK-gesteuerten Organisationen "Konföderation Kurdischer Vereine in Europa" (KON-KURD), "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) - 54 - und "Verband der Student/Innen aus Kurdistan" (YXK) organisierten einen "Marsch zur Freiheit Kurdistans" von Brüssel nach Straßburg in der Zeit vom 3. bis 12. März 1997 mit zahlreicher Beteiligung von PKK-Anhängern. Höhepunkt der PKK-Propagandaveranstaltungen im Jahre 1997 stellte das überwiegend von Mitgliedern und Anhängern der PKK aus Deutschland und mehreren westeuropäischen Ländern besuchte "Kurdische Kulturund Friedensfestival" am 6. September 1997 in Köln mit ca. 70.000 Personen dar. Dabei wurden PKK-Symbole gezeigt und eine Rede des Generalvorsitzenden ÖCALAN über Lautsprecher eingespielt. Der der PKK nahestehende Fernsehsender "MED-TV" berichtete live über das Festival. Unter dem Motto "Dialog statt Verbot" führte die YEK-KOM vom 3. bis 26. November 1997 unter Einsatz eines Info-Busses eine Kampagne in 24 Städten in der Bundesrepublik Deutschland durch. Außerdem war vorgesehen, in einigen Landeshauptstädten Petitionen jeweiligen den Parlamenten zu übergeben, so in Mainz am 12. November 1997. Unterstützt wurde diese Kampagne durch Kurdistan-Solidaritätsgruppen. Aus Anlaß des 19. Jahrestages der Parteigründung (27. November) führte die PKK in Mannheim eine "Kurdische Kulturveranstaltung" mit über 7.000 Teilnehmern durch. In Rheinland-Pfalz fanden auch mehrere Veranstaltungen mit Kurdistanbezug statt, so ein vermutlich von der YCK am 18. Januar 1997 durchgeführtes Musikfest mit ca. 600 Personen in Mainz und ein als kurdische Verlobungsfeier für den 16. November 1997 angemeldetes Fest in Fachbach bei Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis), das sich als Treffen der verbotenen PKK erwies. Bei der vorher vorgenommenen Polizeikontrolle wurde - 55 - PKK-Propagandamaterial gefunden, von den kontrollierten Personen wurden 34 vorläufig festgenommen. 3.1.2 Spendenkampagne 1997 Die PKK nutzt Deutschland und Mitteleuropa als Ruheraum. Spenden und Beiträge von PKK-Angehörigen in Deutschland stellen eine ihrer Haupteinnahmequellen dar. Das festgesetzte Spendenaufkommen für 1997 aus Deutschland soll ca. 30 Millionen DM betragen haben, davon dürften schätzungsweise 1 bis 2 Millionen DM auf Rheinland-Pfalz entfallen sein. Beiträge und Spenden werden von jedem PKK-Angehörigen eingezogen. Größere Beträge müssen kurdische Geschäftsleute erbringen. Beim Eintreiben der Spenden schrecken PKK-Funktionäre auch vor der Anwendung von Gewalt nicht zurück25. Ob die festgesetzten Spendenziele insgesamt erreicht werden konnten, ist jedoch fraglich. 3.1.3 Staatliche Maßnahmen Am 13. Januar 1998 teilte der Generalbundesanwalt öffentlich mit, daß die Generalbundesanwaltschaft den Führungskader der PKK nicht mehr als terroristische, sondern nur noch als kriminelle Vereinigung einstufe. Es lasse sich nicht mehr nachweisen, daß der PKK-Führungskader seine Tätigkeit auf die - eine Einstufung als Terrorgruppe rechtfertigende - Begehung von Tötungsund Brandstiftungsdelikten ausgerichtet habe. Allerdings sei der PKK-Funktionärskörper weiterhin als kriminelle Vereinigung anzusehen, in deren Umfeld durchaus Fälle von Kindesentziehung, Spen26 denerpressung, Körperverletzung sowie Waffendelikte vo rkommen . 25 s. hierzu Seite 57. 26 Das PKK-Verbot durch den Bundesminister des Innern wird durch diese geänderte Einschätzung nicht berührt. - 56 - Durch die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder konnten weitere hohe Funktionäre festgenommen werden, gegen die u.a. Haftbefehle wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgelegen hatten. Einige Strafverfahren endeten mit zum Teil langen Haftstrafen; so verurteilte das OLG Hamburg im März 1997 z.B. drei Anhänger der PKK wegen versuchten Totschlags zu mehrjährigen Haftstrafen. Die zwei Frauen und ein Mann hatten 1994 Schlägertrupps mit Strafaktionen gegen abtrünnige PKK-Anhänger beau ftragt. Das OLG Frankfurt am Main verhängte am 13. Oktober 1997 gegen drei Funktionäre der PKK wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung an Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet Freiheitsstrafen von mehreren Jahren. Ebenfalls zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte das OLG Celle am 12. November 1997 den ehemaligen Finanz-Europaverantwortlichen der PKK, Murat EKINCI. EKINCI war am 16. Juni 1996 festgenommen worden; dabei konnten 163.000 DM PKK-Gelder sichergestellt werden. Gegen den am 19. August 1997 von Großbritannien an die Bundesrepublik Deutschland ausgelieferten "ehemaligen" PKK-Europaverantwortlichen, Kani YILMAZ, hat das OLG Celle am 11. Februar 1998 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung auf eine mehrjährige Haftstrafe erkannt. In Rheinland-Pfalz nahm die Polizei am 9. Januar 1997 den PKK-Verantwortlichen für Mainz, Ali K., fest. Am 3. April 1997 wurden u.a. im Zusammenhang mit einer Spendenaktion für die PKK Wohnungen und Geschäftsräume in Koblenz, Neuwied, Andernach, Bad Ems, Bendorf und Mayen durchsucht. - 57 - Am 3. Mai 1997 überfielen in Wallmenroth/Kreis Altenkirchen vier mutmaßliche PKK-Anhänger einen Kurden und verletzten ihn schwer. Er gab an, im Jahre 1995 monatlich eine Spende an die PKK geleistet zu haben. Als er die Zahlung eingestellt habe, sei er wiederholt aufgefordert worden, weitere Zahlungen zu leisten, was er jedoch verweigert habe. Wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz verhängte das Landgericht Koblenz gegen 105 Kurden, die am 14. Mai 1995 auf dem Gelände der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz an einer Versammlung der PKK teilgenommen hatten, Geldstrafen zwischen DM 300 und 1.800. Dabei wurde berücksichtigt, daß zahlreiche Angeklagte von PKK-Aktivisten massiv unter Druck gesetzt worden waren, um sie zur Mitarbeit zu bewegen.27 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol"/Dev Sol) Die in der Türkei terroristisch operierende "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) ist nach anhaltenden Flügelkämpfen im Jahre 1994 in zwei eigenständige, sich unversöhnlich gegenüberstehende Organisationen zerfallen. Beide Gruppen der im Jahre 1983 vom Bundesinnenminister in Deutschland wegen schwerer Gewalttaten verbotenen Organisation haben das Ziel, den türkischen "Staatsapparat zu zerschlagen" und in der Türkei eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Der sog. KARATAS-Flügel28 hat sich in "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) umbenannt. Der sog. YAGAN-Flügel29 verwendet 27 Siehe auch Tätigkeitsbericht des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz von 1995. 28 Benannt nach dem langjährigen Leiter der "Devrimci Sol", Dursun KARATAS. 29 Bei Bedri YAGAN handelt es sich um einen am 5. März 1993 von türkischen Sicherheitskräften getöteten Dev SolFührungsfunktionär. - 58 - die Bezeichnung "Türkische Volksbefreiungspartei/-front-Devrimci Sol" (THKP-C-Devrimci Sol). Zusammen verfügen beide Gruppierungen bundesweit über etwa 1.300 Anhänger. In Deutschland treten sowohl die DHKP-C als auch die THKP-C-Devrimci Sol in Erscheinung, wobei die DHKP-C der größere und bei weitem aktivere "Devrimci-Sol"-Flügel ist. Die in der Bundesrepublik Deutschland gewaltsam ausgetragenen Flügelkämpfe wurden auch im Jahre 1997 fortgesetzt. So griffen am 13. Juni 1997 in Frankfurt am Main vier Türken einen Anhänger des KARATASFlügels tätlich an und schossen ihm in die Beine. Unbekannte Täter überfielen am 12. Juli 1997 in einem türkischen Lokal in Hamburg zwei vermutliche Anhänger des YAGAN-Flügels und verletzten diese durch Schläge und Schüsse in die Beine erheblich. Ebenfalls in Hamburg wurde am 9. August 1997 ein Anhänger des KARATAS-Flügels durch Schüsse in Bauch und Oberschenkel lebensgefährlich verletzt. Diese Anschläge bestätigen die weiterhin hohe Gewaltbereitschaft zwischen Anhängern des YAGANund des KARATAS-Flügels. Mit weiteren Anschlägen ist auch in der Zukunft zu rechnen. Bei den jährlichen Spendenkampagnen zur Finanzierung der Organisation im Heimatland gehen Mitglieder beider Flügel auch weiterhin mit Drohungen und Nötigungen vor, um die vorgegebenen Beträge bei ihren Anhängern einzutreiben. 3.3 "Türkische Kommunistische Partei(Marxisten-Leninisten)" (TKP[ML]) Die im Jahre 1972 in der Türkei gegründete TKP(ML) ist seit 1994 in Folge von Machtkämpfen in die konkurrierenden Flügel "Partizan" und "Ost- - 59 - anatolisches Gebietskomitee" (DABK) gespalten. Beide Flügel operieren in der Türkei terroristisch mit dem Ziel, die dort bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in einer "demokratischen Volksrevolution" zu zerschlagen. Sie haben zusammen bundesweit etwa 2.000 Anhänger und finanzieren sich hauptsächlich durch jährliche Spendenkampagnen, bei denen es immer wieder zu gewaltsamen Erpressungen kommt. So forderten auch im Jahre 1997 mutmaßliche "Partizan"-Aktivisten von den Betreibern einer Bar in Goch (Nordrhein-Westfalen) 10.000 DM für den bewaffneten Kampf der TKP(ML) in der Türkei. Als sich der angesprochene Türke weigerte, schlugen ihn die Täter nieder und schossen ihm in beide Oberschenkel. - 60 - 4. "Scientology-Organisation" (SO) 4.1 Beobachtungsauftrag Die Innenministerkonferenz hat am 6. Juni 1997 aufgrund des Berichts einer von ihr im November 1996 eingesetzten Arbeitsgruppe festgestellt, daß es bei der SO Anhaltspunkte für politisch motivierte Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gibt. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wurden daher aufgefordert, die SO mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten und der Innenministerkonferenz nach Jahresfrist über die Ergebnisse zu beric hten. Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz prüft seitdem, ob und inwieweit sich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Tätigkeiten der SO in Rheinland-Pfalz ergeben. 4.2 Entstehung und Ziele Die SO bezeichnet sich selbst als eine "Erlösungsreligion" in der "Tradition ostasiatischer Religionen, insbesondere des Buddhismus", die "dem Menschen den Zustand vollständiger geistiger Freiheit von dem endlosen Kreislauf von Geburt und Tod vermitteln und ihn von seinen Banden im physischen Universum"30 befreien will. Nach der Lehre von Scientology ist die Welt zum Untergang verurteilt. Den einzig möglichen Weg zur Rettung zeige Scientology auf. 30 Mustersatzung einer Scientology-Mission (1992) - 61 - Die SO beruht auf den Werken des amerikanischen Science-FictionSchriftstellers Lafayette Ron HUBBARD. In dem von ihm im Jahre 1950 veröffentlichten Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" will HUBBARD eine Methode entwickelt haben, mit der sich der Benutzer selbst von allerlei psychischen und physischen Belastungen befreien könne. Ziel ist der perfekte Mensch, der "Clear", d.h. "jemand, der als Ergebnis der dianetischen Therapie weder aktiv noch potentiell psychosomatische Krankheiten oder "Aberrationen"31 hat. Diese Abweichungen von der Rationalität gehen nach HUBBARD auf "Engramme", d.h. schmerzhafte Eindrücke und Verletzungen, zurück, die mit Hilfe des "Auditings" bewußt gemacht und "gelöscht" werden. Dabei hilft der "Auditor" (dianetischer Therapeut) dem "Preclear" (einem, der noch nicht "clear" ist) durch Fragen, in die Vergangenheit zurückzugehen und die dort entstandenen "Engramme" zu entdecken und aufzuarbeiten. Als Hilfsmittel wird dabei ein sog. "E-Meter", ein Gerät zur Messung des Hautwiderstandes, benutzt. Auf der Grundlage der Dianetik und insbesondere der Science-FictionWelt entwickelte HUBBARD den Übermenschen "Thetan", ein Geistwesen, das im Idealzustand unbegrenzte Fähigkeiten besitzt und nicht an "Materie, Energie, Raum und Zeit" gebunden ist32. Angestrebt wird der sog. "Operierende Thetan", d.h. ein "Clear", der nicht mehr an den Körper gebunden ist. Durch Anwendung von Dianetik und Scientology soll nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch der gesamte Planet ("Clear Pla33 net") "gecleart" (befreit) werden . Ziel der SO ist eine scientologische Gesellschaftsform, die allerdings der Demokratievorstellung des deutschen Grundgesetzes zuwiderläuft. 31 Denkweisen und Handlungen, die von der Lehre der SO abweichen. 32 HUBBARD, Scientology, Die Grundlage des Denkens, 2. Auflage, Kopenhagen, 1973, S. 37. 33 Vgl. HUBBARD-Communication Office Policy Letter vom 21. Oktober 1971, S. 3 - 62 - Dabei kann der Zustand "Clear" oder "Thetan" nur mittels eines zeitaufwendigen und auch sehr teuer werdenden Kurssystems erreicht werden, was die kommerziellen Interessen der SO verdeutlicht. So hat das Bundesarbeitsgericht im Jahre 1995 festgestellt; das Auftreten der SO als "Kirche" diene lediglich als Vorwand zur Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen. Dabei wertete das Gericht die angewendeten Praktiken als menschenverachtend34. 4.3 Organisationen Im Jahre 1954 wurde in den USA die erste "Kirche" für Anhänger der Scientology, die "Church of Scientology" gegründet35. Die SO verfügt nach ihren eigenen Angaben inzwischen in 107 Ländern über ca. 3.100 Einrichtungen mit etwa 8 Millionen Mitgliedern. In der Bundesrepublik Deutschland sollen es nach eigenen Angaben der SO ca. 30.000 Mitglieder sein, nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden dürften es deutlich weniger als 10.000 sein. Die Führungsinstanz bildet das vielschichtig gegliederte "Religious Technology Center" (RTC) in Los Angeles mit einer Europazentrale in Kopenhagen. Auf dem Wirtschaftssektor existiert das "World Institute of Scientology Enterprises International (WISE), für die Verbreitung von Lebensphilosophie und Bildung gibt es die "Association for Better Living and Education" (ABLE International). Für die Basisarbeit und als Auffangbecken existieren - ähnlich wie in anderen Ländern - in Deutschland derzeit sieben sog. Kirchen, zehn Missionen und drei Cele-brity-Center. Die SO unterhält daneben das "Office of Special Affairs" (OSA), das Aufgaben eines Sicherheitsdienstes erfüllt. In Rheinland-Pfalz konnte bislang keine der vorgenannten Einrichtungen festgestellt werden. 34 BAG, Az. 5 AZB 21/94, vom 22. März 1995. 35 Vgl. HUBBARD, Das Handbuch für den ehrenamtlichen Geistlichen, 2. Auflage, Kopenhagen, 1983, S. 741 - 63 - 4.4 Aktivitäten Seit Beginn der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden versucht die SO auf vielfältige Weise, gegen die staatlichen Maßnahmen in Deutschland vorzugehen. Hierzu wendet sie sich mit schriftlichen Beschwerden über die angebliche Verletzung der Religionsfreiheit von Scientologen in Deutschland an inund ausländische Politiker, u.a. auch das amerikanische Repräsentantenhaus sowie internationale Einrichtungen (OSZE, UNO-Menschenrechtskommission). Im September 1997 richtete sie ein Schreiben an die Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Bundesrates gegen eine angebliche vom Bundesarbeitsministerium und dem bayerischen Innenminister gesteuerte Kampagne gegen Scientologen, die nach ihrer Ansicht nicht auf Fakten oder gerechtfertigten Grundlagen basierten. Am 21. Juni 1997 führte eine bislang nicht bekannte Organisation "Freedom for Religions in Germany" in Frankfurt am Main und am 27. Oktober 1997 in Berlin eine Demonstration durch. Unter den ca. 1.500 Teilnehmern in Frankfurt und ca. 3.000 Teilnehmern in Berlin waren auch viele aus dem Ausland angereiste Scientologen. Mit Transparenten wie "Zündet die Inquisition die Scheiterhaufen wieder an?" oder "Reichen sechs Millionen Deportierte nicht aus, um den Faschismus auszutreiben?", wurde Deutschland in die Nähe des Hitler-Faschismus gerückt. Zu den Rednern der Veranstaltung in Berlin gehörte u.a. der aus den USA eingereiste Leiter der OSA. Im Jahre 1997 wurden in Rheinland-Pfalz in erster Linie Mitgliederwerbemaßnahmen der SO festgestellt. - 64 - 5. SPIONAGEABWEHR 5.1 Allgemeine Lage Die Spionageabwehr gehört nach wie vor zu den originären Aufgaben des Verfassungsschutzes. Art, Umfang und Intensität der Arbeit der deutschen Spionageabwehr waren auch 1997 wieder geprägt von den Aktivitäten der gegen die Bundesrepublik Deutschland tätigen Nachrichtendienste. Das im Berichtszeitraum angefallene Erkenntnisaufkommen hat die bereits erkannten Tendenzen bestätigt, daß gegen deutsche Firmen gerichtete Wirtschaftsspionage vorrangige Aufgabe fremder Nachrichtendienste ist. Dies heißt jedoch nicht, daß die Bedeutung der klassischen Spionage mit Zielrichtung Politik, Militär oder Wissenschaft vernachlässigt würde. Das nachhaltige Aufklärungsinteresse in diesen Bereichen ist insbesondere unter den Aspekten der Beitrittsbemühungen ehemaliger Ostblockstaaten in die NATO und in die EU zu sehen. Dabei sieht gerade Rußland durch diese aktuellen Entwicklungen der ehemaligen Satellitenstaaten seine ureigensten geostrategischen Sicherheitsinteressen sowie seinen nationalökonomischen Nutzen gefährdet. Im Rahmen nachhaltiger Proliferationsbestrebungen36 versuchen die sog. Krisenund Schwellenländer (Iran, Irak, Syrien, Libyen, Nordkorea) im High-tech-Standort Deutschland wissenschaftlich-technische Informationen und sensible Güter illegal zu beschaffen. 36 Weitergabe von ABC-Waffentechnik, Mittel zu deren Herstellung, Trägertechnologie und sonstige Kriegswaffen sowie Vorund Nebenprodukte an Krisenländer außerhalb der NATO. - 65 - Daneben gilt das Aufklärungsinteresse dieser Länder den in Deutschland lebenden Oppositionellen und Regimekritikern, deren Organisationen in Deutschland im nachrichtendienstlichen Auftrag unterwandert werden. Dadurch sehen sich diese hier ebenso wie in ihrem Heimatland Repressalien ausgesetzt. 5.2 Nachrichtendienste Rußlands Wie bereits in den vergangenen Tätigkeitsberichten umfassend dargelegt, haben sich die russischen Nachrichtendienste nach wie vor dem gesetzlichen Auftrag, Wirtschaftsspionage gegen Deutschland zu betreiben, mit Nachdruck gewidmet. Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung ist jeglicher Erkenntnisgewinn betreffend die Themen der NATO-Osterweiterung und der EUMitgliedschaft für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR sowie für den militärischen Nachrichtendienst GRU ein Aufklärungsschwerpunkt. Diese russischen Bestrebungen werden durch jüngste Äußerungen des russischen Staatspräsidenten JELZIN anläßlich des 80. Jahrestages der Gründung des sowjetischen Geheimdienstes "TSCHEKA" (Vorläufer des KGB) am 19. Dezember 1997 in einer Rundfunkansprache untermauert, in der er die Auslandsspionage besonders würdigte. Die Nachrichtendienste bezeichnete er als "vitale Notwendigkeit" für die politische und ökonomische Sicherheit Rußlands. Die heutigen russischen Nachrichtendienste stünden in der Tradition des ehemaligen KGB und seien fester Bestandteil der russischen Sicherheitsstrategie. Dieser Aussage schloß sich auch der Leiter des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR TRUBNIKOW an, indem er am 15. Dezember 1997 öffentlich die Notwendigkeit und den Fortbestand der russischen Auslandsaufklärung damit begründete, daß kein Land mit Selbstrespekt ohne Nachrichtendienst existieren könne und daher keine Notwendigkeit bestehe, diesen allgemein anerkannten Grundsatz zu dramatisie- - 66 - ren. Der Auslandsnachrichtendienst entwickele seine Arbeit ständig weiter und passe sie somit in der Prioritätensetzung der jeweiligen veränderten politischen und wirtschaftlichen Entwicklung an. Daraus ergibt sich zwangsläufig für die bundesdeutschen Abwehrbehörden die Notwendigkeit, diese Bestrebungen im Rahmen der vorgegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen aufzuklären und entsprechende Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. 5.3 Sonstige ehemalige Ostblockstaaten Die Initiativen dieser Staaten, wie z.B. Polen und Rumänien, hinsichtlich ihrer angestrebten Mitgliedschaft in NATO und EU, lassen einen Rückgang der allgemeinen Spionageaktivitäten erwarten. Trotz der Beteuerungen o.g. Staaten liegen jedoch Erkenntnisse darüber vor, daß die Spionagetätigkeit, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, noch nicht vollends eingestellt wurde. Nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden wird die Spionage mit Rücksicht auf die außenpolitische Interessenlage allerdings zunehmend mit größerer Zurückhaltung betrieben. 5.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Die Überwerbung ehemaliger hauptamtlicher MfS-Angehöriger bzw. die Reaktivierung noch nicht erkannter Agenten der früheren DDR-Dienste durch östliche, insbesondere russische Nachrichtendienste, hält bis heute unvermindert an. - 67 - 5.5 Krisenund Schwellenländer Die Nachrichtendienste der bereits erwähnten Krisenund Schwellenländer spielen bei der Ausspähung und Überwachung der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Dissidenten und Oppositionellen eine maßgebliche Rolle. Zu Staaten islamistisch-fundamentalistischer Prägung liegen Erkenntnisse dafür vor, daß nachrichtendienstliche Aufklärung und staatsterroristische Aktionen kumulativ zu Repressionen in Deutschland geführt haben 37. 5.6 Wirtschaftsspionage Deutschland ist für osteuropäische, nah-mittelöstliche, asiatische aber auch für westliche Geheimdienste zur Erlangung von Spitzentechnologien, Exportchancen und militärisch-nutzbaren Technologien bevorzugtes Zielgebiet. Trotz modernster Technik zum Aufnehmen und Auswerten jeglicher Telekommunikation gehört zunehmend der wissenschaftlich geschulte High-tech-Agent zum unverzichtbaren Spektrum der nachrichtendienstlichen Beschaffungsbemühungen. Hierdurch wird die weltweite Spitzenstellung der deutschen Wirtschaft, Industrie und Forschung eindeutig demonstriert. 5.6.1 Die russischen Dienste sind insbesondere daran interessiert, durch Wirtschaftsspionage den technologischen Rückstand zum Westen aufzuholen und dabei die oft immensen Forschungsund Entwicklungskosten einzusparen. Die Aktivitäten in diesem Zusammenhang sind sehr vielschichtig: a) Joint-Ventures Russische nachrichtendienstliche Mitarbeiter sind innerhalb der rus37 Bestätigt durch Erkenntnisse aus dem Urteil zum sog. MYKONOS-Prozeß, Kammergericht Berlin, Az.: 1-19/93 - 68 - sischen Privatwirtschaft abgetarnt. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen Firmen mit ihren Partnern in Rußland ist in der Regel zeitlich befristet. Es steht zu vermuten, daß zur Abtarnung nachrichtendienstlicher Aktivitäten eigens gegründete Firmen in Rußland (insbesondere Imund Exportfirmen) zunehmend an Bedeutung gewinnen. b) Gemischte Firmen: Hier beteiligt sich der russische Partner an einer in Deutschland niedergelassenen Firma. Diese Verbindung wird bisweilen genutzt, um mittels Kapital und damit Entscheidungsdominanz unter dem Deckmantel einer bestehenden deutschen Firma Wirtschaftsspionage zu betreiben. Angeleitet werden die russischen Agenten hauptsächlich zentral aus Moskau. Die Informationen, die sie "nach Hause" bringen, werden entweder der heimischen Wirtschaft angeboten oder ins Ausland verkauft. Wirtschaftsspionage ist somit für die russischen Dienste ein durchaus lukratives Geschäft geworden. Neben der sog. offenen Beschaffung und Gesprächsabschöpfung sowie dem Einsatz von eigenen, verdeckt arbeitenden Agenten in Firmen wird auch die Anwerbung von zukünftigen Agenten (sog. Perspektivagenten) in geeigneten Zielobjekten betrieben. 5.6.2 Im Gegensatz zu den russischen Diensten liegt das Hauptaugenmerk der Nachrichtendienste der Krisenund Schwellenländer im Bereich der nachrichtendienstlich gesteuerten Beschaffung von Produkten, die unter dem Begriff "Proliferation" 38 subsumiert werden können. 38 siehe Fußnote S. 64. - 69 - Daneben sind auch sog. Dual-use-Güter39 von besonderer Bedeutung. Ihr militärischer Charakter ist oft auch für Fachleute nicht ohne weiteres offenkundig. Die Anfragen vor allem iranischer Firmen - auch an rheinland-pfälzische Unternehmen - haben steigende Tendenz. Die auf ausfuhrgenehmigungspflichtige und Dual-use-Güter abzeichnenden Beschaffungsaktivitäten werden dabei geschickt verschleiert, so durch gesplittete Beschaffungen ("Kettengeschäfte"), vorgeschobene Interessenten ("Strohmänner") oder Beschaffungsumwege ("Umweglieferungen") über Tarnfirmen in unverfänglichen Drittländern (z.B. im Fernen Osten oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten). Betroffen von derartigen Anfragen sind vornehmlich mittelständische Betriebe der Branchen Biologie, Chemie, Maschinenund Anlagenbau sowie Elektronik. 5.6.3 Maßnahmen der rheinland-pfälzischen Spionageabwehr Da die Vorgehensweise aller vorgenannten Institutionen bei der speziellen Form der Wirtschaftsspionage äußerst variantenreich, vielschichtig und subtil ist und sich durch ein hohes Maß an Professionalität auszeichnet, ist sie selbst für Fachleute der Spionageabwehr oft nur schwer zu durchschauen, für die betroffenen Firmen in der Regel nicht wahrnehmbar. Das Phänomen Wirtschaftsspionage läßt sich nach Erkenntnissen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes nur dann wirksam bekämpfen, wenn alle davon betroffenen Stellen im Rahmen eines Synergieeffektes zusammenarbeiten. Wie bereits aus der Managementlehre bekannt, ist Transparenz ein wichtiger Faktor für Vertrauen und Akzeptanz. 39 Erzeugnisse, die neben ihrer zivilen Verwendbarkeit auch für militärische Zwecke genutzt werden können. - 70 - Diese Erkenntnis hat sich der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz auch im Umgang mit heimischen Wirtschaftsunternehmen, Universitäten und Forschungsinstituten zu eigen gemacht, um die Basis für eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Verfassungsschutz und vorgenannten Einrichtungen zu schaffen. In einer für die Spionageabwehr bis vor kurzem nicht üblichen offensiven Öffentlichkeitsarbeit wurde über diverse Medien (Rundfunk, Fernsehen 40 und Printmedien) und Broschüren das Problemfeld Wirtschaftsspionage dargelegt. Gerade der Verfassungsschutz ist bei der Abwehr von Spionageaktivitäten in hohem Maße auf die Mithilfe der Betroffenen selbst angewiesen, d.h. auf deren diesbezüglich gewonnenen Verdachtsmomente oder Hintergrundinformationen. Eine evtl. Kontaktscheu ist dabei unbegründet, da Diskretion und umsichtiges Verhalten zu den Grundprinzipien des Verfassungsschutzes gehören. Es liegt jedenfalls nicht im Interesse des Verfassungsschutzes, firmenbezogene Informationen über Spionageaktivitäten oder Arbeitsergebnisse aus den für eine Wirtschaftsspionage relevanten Bereichen öffentlich zu machen. Zudem bietet der Verfassungsschutz auch die Möglichkeit von entsprechenden Sicherheitsgesprächen. Im Berichtszeitraum wurden vermehrt mit rheinland-pfälzischen Firmen und Institutionen Sensibilisierungsgespräche im Rahmen der Prävention geführt. Aufgrund der positiven Resonanz offeriert die Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes Interessenten diese kostenlose Dienstleistung auch weiterhin. Als Kontakttelefonnummer dient der Anschluß Mainz 06131/16-3773 oder Fax 06131/16-3688. 40 "Spionage heute - Märkte, Macht und Militär" sowie "Wirtschaftsspionage". - 71 - 6. GEHEIMSCHUTZ Die Erkenntnisse aus dem Bereich der Spionageabwehr bestätigen die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Geheimund Sabotageschutzes. So ist es Aufgabe des Geheimschutzes, nachrichtendienstlichen Angriffen durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Dabei wirkt die Verfassungsschutzbehörde im Rahmen des personellen Geheimschutzes ebenso wie beim personellen Sabotageschutz bei Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen mit und fördert als Fachbehörde durch entsprechende Informationen das Sicherheitsbewußtsein der auf allen Behördenebenen des Landes tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Bereich des materiellen Geheimschutzes übernimmt der Verfassungsschutz eine wichtige Beratungsfunktion gegenüber den öffentlichen Dienststellen in Rheinland-Pfalz bei der Durchführung technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen. Daneben hat der Verfassungsschutz im Berichtszeitraum die Geheimschutzbeauftragten der rheinland-pfälzischen Behörden bei deren vielfältigen Geheimschutztätigkeiten beraten, geschult sowie Sicherheitsinformationen herausgegeben, um einen möglichst einheitlichen Sicherheitsstandard zu erreichen. - 72 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in RheinlandPfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Deutsche Nationalisten" (DN) Am 21. Juli 1993 wurde die DN gegründet. In Rheinland-Pfalz hat sie nur wenige Mitglieder. Die DN versteht sich als Partei und ist beim Bundeswahlleiter registriert. Eine Anerkennung als Partei ist damit allerdings noch nicht verbunden. 1.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte NS-Aktivistin Ursula MÜLLER aus MainzGonsenheim als 1. Vorsitzende. Bei der Jahreshauptversammlung am 8. März 1997 in Fuldabrück/Hessen wurde U. MÜLLER in ihrem Amt bestätigt. Die HNG - mit bundesweit annähernd 400 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" zielt auf die nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die neonazistische Szene ab. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.3 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Nachdem der Neonazi Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein am 30. Mai 1995 sein Ausscheiden "aus dem nationalpolitischen Widerstand in der BRD" erklärt hatte, kamen die Aktivitäten der von ihm im Jahre 1986 gegründeten "nationalen sozialistischen Kampfgruppe" zunächst völlig zum Erliegen. Wie im Vorjahr wurden 1997 nur geringfügige Aktivitäten festgestellt. 1.4 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das IHV wurde am 20. Juni 1987 von dem Neonazi Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein gegründet. Die im wesentlichen von TAG ausgehen- - 73 - den Aktivitäten des IHV beschränkten sich bislang auf die Herausgabe der monatlich erscheinenden Publikation "IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit". Nach dem Ausscheiden des TAG aus der Szene wurden die Aktivitäten des IHV vorübergehend eingestellt. Im 2. Halbjahr 1997 wurden neue Ausgaben der vorgenannten Publikation bekannt. IHV-Vorsitzender ist seit 1996 der Neonazi Markus WALTER aus Pirm asens. 1.5 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Der "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz-Gonsenheim war durch seine wiederkehrenden neonazistischen Veranstaltungen bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER keine derartigen NeonaziTreffen mehr stattgefunden. Es bestehen jedoch weiterhin Verbindungen zur rechtsextremistischen/neonazistischen Szene in der Bundesrepublik Deutschland. 1.6 "Nationale Volksfront - Kameradschaft Neustadt/W." (N.V.F.) Die 1996 gegründete "N.V.F." wurde bislang von dem Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße geleitet. Die nur wenige Mitglieder umfassende neonazistische Gruppe verteilt die Publikation "REICHSRUF - Stimme der NS-Bewegung Saar-Pfalz". Die ausgeprägt antisemitische Schrift veröffentlicht Interviews und Stellungnahmen bekannter Neonazis und wirbt für rechtsextremistische Organisationen. 1.7 "Kameradschaft Rhein-Nahe" Am 19. September 1997 wurde in Bingen am Rhein die "Kameradschaft Rhein-Nahe" gegründet; an der Gründungsversammlung waren nach eigenen Angaben mehr als 30 Personen anwesend. Für die Organisation wurde in den "Nachrichten der HNG", Nr. 202 vom November 1997 geworben. Aktivitäten der "Kameradschaft Rhein-Nahe" wurden bislang nicht bekannt. 1.8 "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte 1997 nur nichtöffentliche Treffen, sogenannte Appelle, durch. In der Publikation "Der Stahlhelm" werden auch vereinsinterne Angelegenheiten behandelt, wie u.a. die Fahrt des "Landesverbandes Pfalz" am 26. Juni 1997 nach Dresden ("Der Stahlhelm" Nr. 7/8 vom Juli/August 1997). - 74 - 1.9 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD konnte unter ihrem im März 1996 gewählten Bundesvorsitzenden Udo VOIGT ihren Mitgliederbestand bundesweit auf etwa 4.300 Personen ausbauen; dem rheinland-pfälzischen Landesverband gehören nach wie vor etwa 160 Mitglieder an. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) profitierte vom Führungsstil des NPD-Bundesvorsitzenden, der eine Öffnung der JN für Neonazis tolleriert, und konnte ihre Mitgliederzahl auf über 350 erhöhen, davon ca. 100 JN-Anwärter. In Rheinland-Pfalz ist es der JN auch 1997 nicht gelungen, einen eigenen Landesverband zu gründen. Publikationsorgan der NPD: "Deutsche Stimme" Auflage monatlich: ca. 40.000 Exemplare Publikationsorgan der JN: "Einheit und Kampf" Auflage monatlich: ca. 2.000 Exemplare 1.10 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY im Jahre 1997 gegründete Partei DVU ist mit rund 15.000 Mitgliedern weiterhin eine der größten rechtsextremistischen Organisationen Deutschlands. Auch der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz stellt mit etwa 850 Mitgliedern nach wie vor die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung im Lande dar. Publikationsorgane: "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA) Auflage wöchentlich: ca. 20.000 Exemplare "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) Auflage wöchentlich: ca. 35.000 Exemplare 1.11 Partei "Die Republikaner" (REP) Die 1983 gegründeten REP konnte 1997 ihren Mitgliederbestand auf ca. 15.500 erhöhen; in Rheinland-Pfalz liegt die Mitgliederzahl bei ca. 550 Personen. Zu den bereits bestehenden Nebenorganisationen "Republikanische Jugend" (RJ), "Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten" (REP BB) und "Republikanischer Bund der Frauen" (RBF) kam 1997 der "Republikanische Hochschulverband" (RHV) hinzu. - 75 - In Rheinland-Pfalz wurde 1997 die nur innerhalb des Landesverbandes Rheinland-Pfalz aktive "Republikanische Kommunalpolitische Vereinigung e.V." (RKV) gegründet. Publikationsorgan: "DER REPUBLIKANER" Auflage monatlich: über 20.000 Exemplare 1.12 "Deutsche Liga für Volk und Heimat e.V." (DLVH e.V.) Die 1991 als Partei gegründete und im Oktober 1996 in einen Verein umgewandelte DLVH verfügt über ca. 700 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz gehören ihr nach wie vor ca. 15 Personen an. Die Aufgabe des Parteienstatus hat sich für die DLVH nicht ausgezahlt. Sie fand 1997 im rechtsextremistischen Spektrum nicht den erhofften Anklang für ihre Bündnispolitik. Sprachrohr: - "Nation & Europa - Deutsche Rundschau" Herausgeber Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER Auflage monatlich: ca. 16.000 Exemplare Sprachrohr: - "Europa Vorn" Herausgeber Manfred ROUHS Auflage zweimonatlich: ca. 5.000 Exemplare 2. LINKSEXTREMISMUS 2.1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 6.200 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz knapp über 100; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), seit Juli 1996 wöchentliche Erscheinungsweise: Auflage ca. 10.000. - 76 - 2.1.2 Sonstige41 2.1.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.500 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz sind die Gruppen Mainz/Wiesbaden und Ludwigshafen/ Mannheim aktiv. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung Auflage ca. 7.500 Exemplare 2.1.2.2 "Internationale Sozialistische Organisation" (ISO) Im Juni 1994 vorwiegend von den aus der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) ausgetretenen Mitgliedern gebildete trotzkistische Organisation. In Rheinland-Pfalz gibt es die Ortsgruppe Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan: "Internationaler Sozialismus" (IS), zweimonatliche Erscheinungsweise: Auflage ca. 300 Exemplare 2.1.2.3 "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) Im Oktober 1994 überwiegend von trotzkistischen Mitgliedern der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) gegründete trotzkistische Organisation. In Rheinland-Pfalz bestehen Ortsgruppen in Mainz/Wiesbaden und in Ludwigshafen am Rhein/Mannheim. Publikationsorgan: "avanti - die Internationale" Auflage ca. 500 Exemplare 2.1.2.4 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 nach eigenen Angaben aufgelöst, sie agiert aber weiterhin konspirativ (ca. 10.000 Mitglieder). Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber wiederholt Diskussionsveranstaltungen durch. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in RheinlandPfalz vertrieben. 41 Die hier unter Nr. 2.1.2.1 bis 2.1.2.5 genannten Organisationen haben in Rheinland-Pfalz zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. - 77 - Publikationsorgan: "GegenStandpunkt"; 4mal jährlich: Auflage ca. 7.000 Exemplare 2.1.2.5 "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstanden; nannte sich bis Juni 1995 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Zentralorgan: "Sozialistische Zeitung" (SOZ); 14-tägig: Auflage ca. 2.000 Exemplare 2.2 Terrorismus 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, deren Ziel die Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere die Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland ist. 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Terroristische Gruppierung, die sich an militanten/bewaffneten Aktionen der RAF aus früheren Jahren orientiert und zur Erreichung ihrer politischen Ziele auch den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf genommen hat. Nach der Festnahme von zwei mutmaßlichen AIZ-Angehörigen Anfang 1996 ist die Gruppe offensichtlich zerschlagen. 2.2.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) / "Rote Zora" Linksextremistisch-terroristische Gruppierungen, die nach dem Zellenprinzip strukturiert aus einer "legalen" Existenz operieren. Seit November 1973 verüben RZ im Rahmen ihres "bewaffneten antiimperialistischen" und "sozialrevolutionären" Kampfes Anschläge und Gewalttaten. Innerhalb der RZ gibt es seit 1977 die selbständig agierende Frauengruppe "Rote Zora", die im Dezember 1993 ein überarbeitetes Positionspapier verbreitete und 1995 ihren letzten Anschlag verübte. 2.2.4 "Jarama - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" Gruppierung des "Antiimperialistischen Widerstands"; orientiert sich an Grundsätzen früherer "RAF-Politik" und befürwortet eine militante Praxis. Strebt bundesweit eine neue revolutionäre Organisierung an. - 78 - 2.3 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. 1997 ging der größte Teil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf das Konto von Autonomen. Aktionsschwerpunkt ist der Themenbereich "Antifaschismus" Das autonome Aktionspotential beläuft sich derzeit bundesweit auf mehr als 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 120. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS42 3.1 Türken 3.1.1 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) Der KARATAS-Flügel der am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Devrimci Sol" nennt sich seit März 1994 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C). Innerhalb der DHKP-C stellt die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP) den politischen, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) den militärischen Arm dar. Die marxistisch-leninistisch orientierte DHKP-C zielt auf die Zerschlagung des türkischen Staates und verfolgt als Endziel eine klassenlose Gesellschaft. 3.1.2 "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) Der YAGAN-Flügel der am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Devrimci Sol" tritt seit März 1994 unter der Bezeichnung "Türkische Volksbefreiungspartei/-front - Revolutionäre Linke" (THKP/-C - Devrimci Sol) in Erscheinung. Ideologisch unterscheidet sie sich kaum von der DHKP-C. 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei(Marxisten-Leninisten)" (TKP[ML]) Als Abspaltung der maoistischen "Revolutionären Arbeiterund Bauernpartei der Türkei" (TIKP) im April 1972 in der Türkei gegründet. Sie erklärte fortan der Türkei den bewaffneten Kampf und zielt auf die Vernichtung des bestehenden türkischen Staatsgefüges ab. Die TKP(ML) ist gekenn42 Die unter Nr. 3.1 bis 3.5 genannten Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen gesondert aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz jeweils nur über einzelne Mitglieder/Anhänger. - 79 - zeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 1994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". Bundesweit verfügt die TKP(ML) über etwa 2.000 Mitglieder bzw. Anhänger. 3.1.4 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Die MLKP ist im September 1994 durch Vereinigung zweier türkischer linksextremistischer Organisationen entstanden. Sie hat die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei zum Ziel. Die MLKP ist in der Türkei terroristisch aktiv. 3.1.5 "Islamische Gemeinschaft - Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG ist im Jahre 1995 aus der 1985 gegründeten "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) hervorgegangen und übernahm die sozialen, kulturellen und religiösen Aufgaben der AMGT. Zu den Hauptzielen der IGMG gehören die weltweite Islamisierung sowie die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung eines auf dem Koran basierenden Regierungsund Gesellschaftssystems. Diese Ziele strebt die IGMG nicht mit gewaltsamen Mitteln an, sondern über die politische und gesellschaftliche Betätigung ihrer Mitglieder. Die IGMG verfügt bundesweit über ca. 26.500 Mitglieder. 3.1.5 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) Im November 1984 in Köln von dem im Mai 1995 verstorbenen Cemalettin KAPLAN gegründet. Nachfolger ist sein Sohn Metin KAPLAN. Der ICCB strebt die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei an durch eine Revolution nach iranischem Vorbild. Der nach dem Tod KAPLANs anhaltende Mitgliederrückgang des Verbandes hat sich auch 1997 fortgesetzt. Bundesweit gehören dem ICCB noch ca. 1.300 Mitglieder an. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt auf terroristischem Wege einen unahängigen kurdischen Staat auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft marxistisch-leninistischer Prägung an. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den be- - 80 - waffneten Kampf der PKK in der Türkei. Die PKK - einschließlich ihrer Teilorganisationen - wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern verboten. In Deutschland hat die PKK etwa 11.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz verfügt sie über mehr als 350 Mitglieder und zahlreiche Sympathisanten. 3.3 Araber 3.3.1 "Hizb Allah" (Partei Gottes) Die schiitisch-extremistische "Hizb Allah" wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines "islamischen Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie ist für zahlreiche Terrorakte im Libanon verantwortlich. 3.3.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den palästinensischen Autonomiegebieten und operiert von dort aus gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet wird die HAMAS vom IBP vertreten. 3.4 Algerier 3.4.1 "Islamische Heilsfront" (FIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im Jahre 1989 in Algerien gegründet. Sie propagiert den gewaltsamen Widerstand gegen die algerische Regierung und sucht ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen Staatswesens, gemeinsam mit ihrem militärischen Arm, der "Islamischen Heilsarmee" (AIS), mit Hilfe terroristischer Mittel durchzusetzen. Außerhalb Algeriens wird die FIS durch ihre "Exekutivinstanz der FIS im Ausland" vertreten. Im Bundesgebiet sind bisher keine offenen vereinsähnlichen Strukturen der FIS bekanntgeworden. 3.4.2 "Bewaffnete islamische Gruppe" (GIA) Die GIA wurde im April 1992 nach dem Verbot der FIS gegründet. Die GIA zielt wie die FIS darauf ab, Algerien in einen islamistischen Staat umzuwandeln. Im Gegensatz zur meist mit ihr rivalisierenden FIS lehnt die GIA jeglichen Dialog mit der algerischen Regierung ab. Wie bei der FIS sind auch bei der GIA bisher keine vereinsähnlichen Strukturen im Bundesgebiet ersichtlich. - 81 - 3.5 Iraner 3.5.1 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Der NWRI ist ein Zusammenschluß von einigen iranischen Oppositionsgruppen. Er ist der politische Arm der "Volksmodjahedin Iran" (MEK). Der NWRI betrachtet sich als "Exilparlament" und gibt vor, die "einzige legitime demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Er fordert den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland befassen sich die Anhänger hauptsächlich mit Agitationen gegen das herrschende Regime im Iran sowie der Beschaffung von Finanzmitteln und führen zu diesem Zweck Straßensammlungen durch. 3.5.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Als Propagandaträger des Iran im Ausland fungieren die in den regionalen Vereinen des islamistisch-extremistischen Dachverbandes U.I.S.A. organisierten iranischen Studenten. Zur Aufgabe der vom Iran finanziell unterstützten U.I.S.A. gehört auch die Bekämpfung von Oppositionellen. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger auf. - 82 - D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, ... Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. ... Landesverfassungsschutzgesetz [vom 26. März 1986 (GVBl. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVBl. S. 80), BS 12-2] SS 1 - Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, - 83 - 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt ferner mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS 2 - Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS 3 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 - Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. - 84 - (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS 5 - Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS 6 - Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. - 85 - (6) Gesetzliche Übermittlungsverbote bleiben unberührt. SS 7 - Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS 8 - Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn - 86 - 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. SS 9 - Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 - Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. SS 11 - Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 - Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVBl. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. - 87 - (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 - Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 14 - Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVBl. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVBl. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. Hinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwekke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunaloder Europawahlen. Mißbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbe-mittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.