VERFASSUNGSSCHUTZ R H E I N L A N D P F A L Z Tätigkeitsbericht 1996 Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tätigkeitsbericht 1996 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Die Legitimation unseres Staates erwächst in hohem Maße aus der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Staatsund Verfassungsordnung. Dabei wird der Staat an der Schwelle zum 21. Jahrhundert angesichts der erheblichen Herausforderungen der heutigen Zeit mehr denn je an seiner Leistungsfähigkeit und -bereitschaft gemessen. Der Verfassungsschutz kommt diesem Anspruch nach, indem er die Bürgerinnen und Bürger so umfassend wie möglich über sich und seine Arbeitsergebnisse informiert. Somit erbringt er für die Menschen auch eine adäquate Gegenleistung für die von ihnen entrichteten Steuern. Gerade angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen sollte nämlich jedes Handeln des Staates von der Maxime eines angemessenen Einsatzes von Haushaltsmitteln getragen sein. Der rheinland-pfälzise+^Verfassungsschutz -hat sich daher rn den vergangenen Jahren konsequent und zielstrebig fortentwickelt. In seiner inneren Organisation hat er durch personelle wie strukturelle Maßnahmen den veränderten Beobachtungsschwerpunkten Rechnung getragen. Vor allem in der entschlossenen Bekämpfung des Rechtsextremismus spiegeln sich Erfolge wider, die seine Unverzichtbarkeit als wirksames Instrument der Inneren Sicherheit unseres Landes nachdrücklich belegen. .-). Aber auch nach außen hat sich das Selbstverständnis des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes sachgerecht gewandelt. Er folgt dabei dem Gedanken vom geheimen Nachrichtendienst zur zeitgemäßen Dienstleistungsbehörde. Einen wichtigen Teil seiner Aufgabenerfüllung sieht der rheinland-pfälzische Verfassungschutz heute somit mehr denn je in der differenzierten und umfassenden Hintergrundinformation der Bürgerinnen und Bürger über extremistische bzw. sicherheitsgefährdende Bestrebungen sowie über Grundlagen und Arbeitsweisen des Verfassungsschutzes. Auch im Jahre 1996 hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz die vielfältigen Entwicklungen in den unterschiedlichen extremistischen Bereichen sorgfältig ausgewertet. Seine Arbeitsergebnisse waren wiederum Grundlage für eine Reihe von Maßnahmen der offensiven Öffentlichkeitsarbeit, der unter dem Motto "Prävention durch Information" große Bedeutung beigemessen wird, so durch die Neuherausgabe oder Überarbeitung von Informationsbroschüren und durch Vortragstätigkeit. Hierzu zählt auch der jährliche "Tätigkeitsbericht", der einen komprimierten Überblick über alle bedeutsamen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen vermitteln soll. Ich hoffe, dieser Bericht findet auch dieses Mal wieder das geschätzte Interesse seiner Leserinnen und Leser. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 7 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 8 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 9 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 10 1.1 Rechtsextremistische Gewalt 12 1.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere 14 rechtsextremistische Skinheads) 1.3 Neonazistische Organisationen 15 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene 16 1.3.2 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen 1996 18 1.3.3 "Anti-Antifa" 19 1.4 Rechtsextremistische Parteien 20 1.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 20 1.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 21 (NPD) 1.4.3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 24 1.4.4 "Die Republikaner" (REP) 25 1.4.5 Vereinigungsbestrebungen rechtsextremistischer 26 Parteien 1.5 Sonstige rechtsextremistische Bestrebungen 27 1.5.1 Revisionisten 27 1.5.2 "Neue Rechte" 28 1.6 Auslandskontakte 30 2. Unksextremismus 31 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 31 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 31 2.1.2 Sonstige 33 2.2 Linksextremistischer Terrorismus 34 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 34 Inhaftierte der RAF 36 RAF-Umfeld 37 2.2.2 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) 37 2.2.3 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 39 2.2.4 Agitationsbzw. Aktionsschwerpunkte des 40 linksextremistisch-terroristischen Spektrums 2.2.5 Sonstige militante Linksextremisten 42 (Autonome) 3. Ausländerextremismus 45 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 45 3.1.1 Aktionismus 49 3.1.2 Spendenkampagne 51 3.1.3 Staatliche Maßnahmen 52 3.1.4 Neue Organisationen 53 3.1.5 Solidaritätsbestrebungen 55 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre 56 Linke" ("Devrimci Sol'VDev Sol) 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/ 57 Marxisten-Leninisten" (TKP [ML]) 4. Spionageabwehr 58 4.1 Allgemeine Lage 58 4.2 Russische Nachrichtendienste 60 4.3 Sonstige ehemalige Ostblockstaaten 62 4.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 63 5. Geheimschutz 63 Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 65 Anhang 74 -6Anmerkunq für die Leserinnen und Leser Der Tätigkeitsbericht 1996 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit ausgehen. Er kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht läßt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Staates richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 31. Januar 1997. Eventuelle Änderungen können sich insbesondere bei den Zahlenangaben noch aufgrund von Nachmeldungen ergeben. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als Nachrichtendienst vollzieht er die Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen trifft allerdings nicht der Verfassungsschutz; dieser hat bei seiner Aufgabenerfüllung keine Exekutivgewalt. Insbesondere stehen dem Verfassungsschutz keinerlei polizeiliche Befugnisse zu; er darf weder Personen kontrollieren noch festnehmen, Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt dafür, daß der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen kann, die ihm selbst untersagt sind. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 144.1 1 Stand: 31. Dezember 1996 -8Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1996: 2.851.600,-DM (1997: 2.775.000,-DM). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 9.612,2 wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. NADIS ist ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz.3 Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinlandpfälzische Verfassungsschutz regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen sowie Jur die Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) des Verfassungsschutzes. Diesbezügliche Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport 2 Stand: 31. Dezember 1996 3 Vgl. Gesetz Ober die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I.Seite 2954). (06131/163220) oder das Offentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes (06131/163772) aufgenommen werden. Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich: "Verfassungsschutz transparent" "Rechtsextremismus" "Skinheads" "Autonome" "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" "Islamistische Extremisten" "Fairständnis - Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß" "Wirtschaftsspionage" "Arbeiterpartei Kurdistans". "Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus" "Linksextremismus - weiterhin aktuell" "Ausländerextremismus - von Irland bis Sri Lanka" Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 1996 wiederum an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß". Neben der Verteilung von Broschüren, wie dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten", wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz unterstützt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger erhalten über die Kontakttelefonnummer 06131/163772 Informationen zum Fortgang der Kampagne "FAIRSTÄNDNIS" auch im Jahre 1997. 10B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS4 Das rechtsextremistische Spektrum stellt ungeachtet verschiedener positiver Entwicklungen, wie dem anhaltenden Rückgang extremistischer Gewalttaten, auch weiterhin ein ernstzunehmendes Gefährdungspotential für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Dies wird u.a. durch die große Zahl rechtsextremistischer Gewalttäter, die weitestgehend gefestigten Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Wahlerfolge der Partei "Die Republikaner" (REP) bei den Landtagswahlen in Baden Württemberg (ca. 9,1%) und Rheinland-Pfalz (3,5%) belegt5. Auch die kommunikative Vernetzung - vornehmlich im Bereich der Neonaziszene - und eine Verstärkung publizistischer Aktivitäten schritten weiter voran. Insbesondere die agitatorisch-propagandistische Anpassungsfähigkeit rechtsextremistischer Organistionen ist bemerkensund erwähnenswert. Gerade in dieser Hinsicht widmen sich rechtsextremistische Parteien, wie aber auch die Neonazis, aktuell vordergründig wesentlich ausgeprägter den sozialen und wirtschaftlichen Problemen in der Bundesrepublik Deutschland. Gezielt thematisieren sie damit wiederum ein zentrales gesellschaftspolitisches Feld im Sinne ihrer menschenverachtenden Ideologie, die sie als problem lösende Heilslehre nicht nur plump-plakativ, "sondern auch zunehmend subtil und unterschwellig anpreisen. Der Themenschwerpunkt der letzten Jahre, die Ausländerpolitik, wird dadurch allerdings nicht nachhaltig verdrängt. Vielmehr wird u.a. 4 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Oktober 1995), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 5 Bei der Kommunalwahl in Hessen im März 1997 erzielten die REP im Landesdurchschnitt 6,6% (1993: 8,3%). -11 - stets versucht, den Eindruck zu vermitteln, die Gründe für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien ursächlich im Zusammenhang mit einem viel zu hohen Anteil ausländischer Wohnbevölkerung zu sehen. Besonders verwerflich ist, daß dabei stets auch rassistisch "argumentiert" wird. Es hat sich auch 1996 zunehmend gezeigt, daß Formen des "intellektuellen Rechtsextremismus" (Stichwort: "Neue Rechte"), die oft nur wenig in der Öffentlichkeit bekannt sind, weiterhin an Gewicht und Bedeutung gewinnen, wenn auch bisher keine klaren Strukturen und Organisationsformen entstanden sind. Die Trennungslinien dieses Phänomens zum Radikalismus, d.h. zu einer vom Grundgesetz noch geduldeten Form der politischen Auseinandersetzung, sind vielfach fließend. Dies erschwert im Einzelfall auch eine Bewertung durch den Verfassungsschutz. Fest steht allerdings, daß die theoretische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Ideologieelementen zugenommen hat und diese für einige Intellektuelle auch kein politisches Tabu in ihrem Handeln mehr darstellen. Diese Entwicklungsansätze gilt es auch weiterhin sorgsam zu beobachten und zu bewerten. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus fordern auch in vielen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) Opfer und rufen bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen Besorgnis und Angst hervor. Sie sind kein ausschließlich deutsches Problem. Dies hat sich 1996 u.a. durch grenzüberschreitende Aktivitäten von Rechtsextremisten erneut ein um das andere Mal gezeigt. Folgerichtig muß die konsequente Bekämpfung des Rechtsextremismus auch im Rahmen der EU fortgesetzt werden. Dies trifft für repressive Maßnahmen ebenso zu wie für eine zielgruppenorientierte Prävention. So wurde 1997 zum "Europäischen Jahr gegen Rassismus" erklärt. -12lm Jahre 1996 wurden bundesweit insgesamt etwa 45.300 (1995:46.100) Rechtsextremisten gezählt, davon sind ca. 2.420 Neonazis (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften 2.690), von denen ca. 1.200 (1995: 1.060) keinen Zusammenschlüssen angehören. Das Spektrum der militanten Rechtsextremisten6 umfaßt bundesweit etwa 6.400 Personen (1995: 6.200). Das bundesweite rechtsextremistische Gewaltpotential setzt sich insbesondere aus Angehörigen der Skinheadszene zusammen. Der genaue Anteil der rechtsextremistischen Skinheadszene ist allerdings angesichts der starken Fluktuation nicht im einzelnen bestimmbar. In Rheinland-Pfalz gehörten etwa 1.850 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum an, davon sind ca. 50 Neonazis und ca. 50 rechtsextremistische Skinheads. Letztere werden als gewalttätig eingeschätzt, d.h. in Rheinland-Pfalz gibt es etwa 100 Militante. 1.1 Rechtsextremistische Gewalt Der seit 1994 festzustellende Rückgang rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten setzte sich auch 1996 weiter fort. Hierzu dürften u.a. die verbesserte Prävention und die konsequente Strafverfolgung dieser Delikte beigetragen haben. Allerdings waren bundesweit immer noch 781 Gewalttaten zu verzeichnen (1995: 837), darunter ein vollendetes und 12 versuchte Tötungsdelikte. Das Straftatenbild zeigt 1996 in Rheinland-Pfalz mit 231 Straftaten insgesamt einen Rückgang gegenüber 1995 (338 Straftaten) von etwa 32%. Dieser Rückgang ist vor allem auf ein Absinken der fremdenfeindlichen Straftaten von 113 auf 84 und antisemitischer Straftaten von 53 auf 28 Delikte zurückzuführen. Auch die Zahl der Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) ging von 25 auf 10 zurück. In Rheinland-Pfalz wurden 6 Stand: 31. Dezember 1996 -131996 zwei jüdische Friedhöfe durch Umwerfen von Grabsteinen geschändet (1995: 5). Zu den Tätergruppen rechtsextremistischer Gewalt sind allgemeingültige Aussagen nur bedingt möglich, da es sich in einer Vielzahl von Fällen um Ersttäter handelt, die bislang nicht als Rechtsextremisten in Erscheinung getreten waren. Fest steht jedoch, daß die Strafund Gewalttaten nach wie vor überwiegend von jungen Tätern begangen werden7. Insgesamt herrscht Strukturlosigkeit und Spontaneität bei den Tatbegehungen rechtsextremistischer Gewalttäter vor; feste Strukturen und Planungsvorläufe sind eher die Ausnahme. Aus Sicht des Verfassungsschutzes gibt es derzeit keine rechtsextremistische Gruppe, die im Sinne des SS 129a Strafgesetzbuch als terroristische Vereinigung angesehen werden kann. Weder ist der hierzu notwendige Organisationsgrad bei den bekannten rechtsextremistischen Zusammenschlüssen erkennbar, noch gibt es bislang die für terroristische Aktionen nötige Akzeptanz in der Szene selbst. Gleichwohl waren gelegentlich ernstzunehmende Hinweise auf nicht auszuschließende rechtsterroristisch geprägte Aktionen von Einzeltätern oder isolierten Kleingruppen festzustellen8. Hierzu zählen u.a. die anhaltende, szeneinterne Gewaltdiskussion, Waffenfunde, die Verbreitung von Bauanleitungen für Sprengvorrichtungen sowie die Erstellung von "Steckbriefen" sogenannter Volksfeinde. 7 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Oktober 1995), Ziffer 4.6.2. 8 Am 23. Februar 1997 erschoß der Neonazi Kai D. aus Berlin auf einem Autobahnparkplatz bei Rosenburg/SchleswigHolstein einen Polizisten und verletzte einen zweiten Beamten schwer. D. ist darüber hinaus aufgrund eigener Einlassung dringend verdächtig, auf einen Buchhändler in Berlin drei Tage zuvor geschossen und ihn schwer verletzt zu haben. -141.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads9) Die Skinheadszene ist ein breites Spektrum, zu dem neben unpolitischen Personen auch solche zählen, die sich als "linke" Skinheads bezeichnen (sogenannte Redskins). Zahlenmäßig gewachsen ist in den letzten Jahren aber der Anteil von Skinheads, die aufgrund von Handlungsweisen und ideologischen Grundzügen dem rechtsextremistischen Bereich zuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um überzeugte Rassisten, die ideologische Grundmuster aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verinnerlicht haben. So benutzen sie Symbole des Nationalsozialismus und lehnen sich damit an das Neonazispektrum an, zu dem punktuelle Verbindungen bestehen. Insgesamt ist die rechtsextremistische Skinheadsszene durch einen niedrigen Organisationsgrad gekennzeichnet. Ihre Einstellung artikulieren rechtsextremistische Skinheads in Szeneschriften ("Fanzines", abgeleitet vom engl, fan-magazine) und vor allem durch ihre Musik der Skinhead-Bands. Die Inhalte der "Fanzines" sowie die Liedtexte von Skinhead-Bands belegen eine latente Gewaltbereitschaft und die Menschenverachtung dieser Subkultur. Von den in Rheinland-Pfalz geschätzten 250 Skinheads können etwa 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, vornehmlich wohnhaft in den Räumen Kaiserslautern, Koblenz, Trier und Zweibrücken. Im Bereich der Vorderpfalz entwickelt sich seit 1994 ein Schwerpunkt der rechtsextremistischen Skinheadszene mit Verbindungen zu "autonomen Kameradschaften" nach Baden-Württemberg, in das Saarland und in die neuen Bundesländer. 9 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: August 1996), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. -15Die im Jahre 1993 gegen mehrere Skinhead-Bands und gegen die Verbreiter von Skinhead-Fanzines durchgeführten Exekutivmaßnahmen haben die Handlungsfähigkeit der Skinhead-Musikszene zunächst eingeschränkt, nicht jedoch die schnellebige und sich ständig verändernde Szene völlig lahmlegen können. Die rechtsextremistische Skinheadmusikszene hat ihr Verhalten seitdem allerdings dem erhöhten staatlichen Druck angepaßt, so durch konspiratives Auftreten (Konzerte werden z.B. als "private Feiern" getarnt) und ein verstärktes Ausweichen in das Ausland. Zudem verhalten sich die Vertreiber der Musik vorsichtiger, indem sie Tonträger nur mit "entschärften" Texten anbieten oder im benachbarten Ausland herstellen bzw. vertreiben. Die Zahl der Skinhead-Konzerte hat sich 1996 mit 68 gegenüber 1995 (35) fast verdoppelt. Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat am 30. Juli 1996 den Verein "Skinheads Allgäu" verboten. Die vierköpfige Vereins-Band "Faustrecht" trat zuletzt bei einem Skin-Konzert am 13. Juli 1996 in Mecklenburg-Vorpommern auf. Sie bezeichnete sich selbst als "Blood and Honour"-Band, die "für die Erhaltung der weißen Rasse und die Bekämpfung des internationalen Großkapitals, die Rückbesinnung auf deutsche Werte und Tradition, wie Volksgemeinschaft und Treue zum Vaterland" eintrete. Mit dem Verein "Skinheads Allgäu" wurde die zwölfte rechtsextremistische Organisation seit 1992 verboten. Erstmals richtete sich damit das Verbot gegen eine von Skinheads gegründete Gruppierung. Auftritte von Skinhead-Bands fanden 1996 auch in Rheinland-Pfalz statt, so am 29. Juni 1996 in Schweigen-Rechtenbach (Kreis Südliche Weinstraße). Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1996 ca. 2.420 Personen (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften: 2.690) zugerechnet werden. Davon waren etwa 1.490 in 48 Gruppen zusammengeschlossen; -16rund 1.200 Neonazis waren nicht organisiert. In Rheinland-Pfalz gab es wie im Vorjahr ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig eingestuft werden. In der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz ist insbesondere die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG)10 zu nennen. Die Neonazi-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim nahm weiter das Amt als 1. Vorsitzende der HNG wahr und betreute inhaftierte Gesinnungsgenossen. Von nachrangiger Bedeutung waren dagegen die Aktivitäten des "Internationalen Hilfskomitees für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV)11, der "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD), des "Neonazikreises um Curt MÜLLER"12 und der "Deutschen Nationalisten" (DN) 13 . Am 2. November 1996 löste die Polizei in Worms ein Treffen von 17 Neonazis auf und stellte rechtsextremistisches Propagandamaterial sicher. An den Treffen nahmen Personen aus Rheinland-Pfalz und Hessen teil. Ein von der neonazisistischen "Kameradschaft Karlsruhe" organisiertes Treffen am 9. November 1996 wurde von der Polizei in Neuburg am Rhein (Kreis Germersheim) aufgelöst. Es wurden Platzverweise gegen 77 Personen erteilt. An Kontrollstellen auf der Zufahrt zum Veranstaltungsort waren bereits 25 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Die Teilnehmer an dem Treffen kamen aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote veranlaßten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutsch10 Vgl. Kurzdarstellung HNG (Seite 65) 11 Vgl. Kurzdarstellung IHV (Seite 66) 12 Seit der Verbotsverfügung der Stadt Mainz vom 17. Juni 1993, die in letzter Instanz vom OVG Koblenz am 19. September 1995 bestätigt wurde, finden als private Feiern deklarierte Neonazi-Treffen auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER nicht mehr statt. - - , - * , _ _ ^ . - - -17land, nach Möglichkeiten zu suchen, weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Seit 1993 entwickeln die Neonazis bundesweit kontinuierlich und zielstrebig Aktivitäten für eine überregionale Vernetzung. Bei überregionalen Aktionen wurden von maßgeblichen Neonazis zur Mobilisierung und Leitung CB-Funkgeräte und Mobiltelefone eingesetzt sowie Telefonketten eingerichtet. Auch über "Info-Telefone" waren Informationen abrufbar. Insbesondere der Einsatz von Mobiltelefonen hat den Vorteil, daß übermittelte Informationen tatsächlich nur einen bestimmten, ausgewählten Personenkreis erreichen, und macht es möglich, auf polizeiliche Maßnahmen oder Gegenreaktionen des "linken" Spektrums kurzfristig und flexibel zu reagieren. Einen weiteren Teil der kommunikativen Vernetzung stellen die überregional erreichbaren Mailboxen14 dar, deren Zahl sich unter Nutzung der neuesten Computertechnik ständig erweitert. Über Mailboxen können Informationen empfangen und von sogenannten Usern auch verbreitet werden; registrierte "User" gelangen zudem an verschlüsselte Insider-Informationen. Im Jahre 1996 gehörten 15 Mailboxen15 im In-und Ausland dem seit Anfang 1993 existierenden sogenannten Thule-Netz, einem organisationsübergreifenden Verbundsystem, an. Seit Anfang 1996 nutzen Rechtsextremisten in zunehmendem Maße auch das größte Datennetz der Welt, das Internet. Der unter der Bezeichnung "Thule-Netz" operierende Zusammenschluß von rechtsextremistischen Mailboxen bot über das Internet Zugriff auf bestimmte Nachrichtenbereiche an. Gesinnungsgenossen können sich auf diese Weise schnell und problemlos Informationen beschaffen. Seit März 1996 sind u.a. auch die rechtsextremistische "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) im Internet vertreten. Aus13 Vgl. Kurzdarstellung ON (Seite 65) 14 Eine Mailbox ist ein an das Telefonnetz angeschlossener Computer, der als Datenbank dient. 15 Stand März 1997:13 Mailboxen - 18ländische Neonazis werben mit deutschsprachigen Angeboten im Internet, so u.a. die "NSDAP-AO" des Gary Rex LAUCK sowie der deutschkanadische Revisionist Ernst ZÜNDEL ("Germania-Rundbriefe"). Die Propaganda ZÜNDELs ist wahlweise in deutscher, englischer und französischer Sprache abrufbar. Bislang hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sieben Artikel ZÜNDELs indiziert, die über das Internet verbreitet werden. 1.3.2 "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltunqen 1996 Die informationelle Vernetzung ist eine der wichtigsten Grundlagen für eine reibungslose Kommunikation zwischen den führenden Aktivisten der Neonaziszene. Dies belegen insbesondere überregionale Veranstaltungen wie zuletzt die "Rudolf-Heß"-Gedenkveranstaltungen im Jahre 1996. Wie schon in den vergangenen Jahren lagen zunächst keine Informationen über einen bestimmten Veranstaltungsort vor, wenngleich in insgesamt 120 deutschen Städten Kundgebungen und Aufmärsche angemeldet waren. Hierbei handelte es sich jedoch um die zwischenzeitlich hinlänglich bekannten Scheinanmeldungen, mit deren Hilfe sich die Rechtsextremisten dem erhöhten Verfolgungsdruck durch die Sicherheitsbehörden zu entziehen versuchten. Tatsächlich kam es dann am 17. August 1996 in Worms zu einer zentralen "Heß"-Gedenkveranstaltung, in deren Verlauf über 150 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden. Für den Veranstaltungsort Worms hatten sich die Veranstalter erst kurzfristig entschieden und die anreisenden Teilnehmer entsprechend umdirigiert. Weitere "Heß-Veranstaltungen" fanden in Merseburg/SachsenAnhalt (ca. 120 Teilnehmer), Wunsiedel/Bayern (15 Teilnehmer wurden in Gewahrsam genommen) und Trollhättan/Schweden (ca. 300 Teilnehmer, darunter ca. 50 Deutsche) statt. -191.3.3 ..Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit aus, die der bundesweit bekannte Neonazi Christian WORCH (Hamburg) 1992 initiiert hat. Kern der "AntiAntifa-Arbeit" ist u.a. die "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Personaldaten und der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" zu hindern bzw. von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Die "Anti-Antifa"-Aktivitäten waren 1996 weiter rückläufig. Eine "Anti-Antifa"-Gruppe in Sachsen-Anhalt griff in einem Flugblatt in diffamierender Weise rheinland-pfälzische Politiker der Partei "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN" an: "Nennen Sie uns bitte außerdem weitere Personen, die sich als sogenannte Antifaschisten bezeichnen und gegen Mitbürger vorgehen, die eine nationale Gesinnung haben". In Publikationen der "ASD" und des "IHV" (vgl. S. 16) wurden im 2. Halbjahr 1996 u.a. Adressen von politischen Gegnern und "Verrätern" veröffentlicht. Darüber hinaus erschien Ende 1996 erstmals eine Publikation "REICHSRUF", in der durch die Angabe von Kontaktadressen für die "Anti-Antifa" geworben wurde. Gleichzeitig wurden Name und Lichtbild eines Staatsanwaltes veröffentlicht. Der "REICHSRUF" wird von einer bislang unbekannten "Nationalen Volksfront" (N.V.F.) aus Neustadt/Weinstraße vertrieben. Erkenntnisse über die Auflagenhöhe liegen nicht vor. Presserechtlich verantwortlich war der bekannte Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße. Darüber hinaus trat die "N.V.F." 1996 nicht in Erscheinung. -20- 4 Rechtsextremistische Parteien 4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) Bundesweit verfügte die DVU Ende 1996 wie im Vorjahr über ca. 15.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz gehören ihr unverändert ca. 850 Personen an. In den Presseorganen Dr. FREYs "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA) und "Deutsche National-Zeitung" (DNZ), die aufgrund seiner absoluten Führungsstellung als Organe der DVU angesehen werden können, wurden auch 1996 wiederum ausländerfeindliche Inhalte und unterschwelliger Antisemitismus verbreitet sowie die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost. Dr. FREY scheint seine konstante Ablehnung einer Vereinigung der DVU mit anderen rechtsextremistischen Parteien inzwischen abgelegt zu haben. In den Publikationen DWZ/DA und DNZ veröffentlichte er im Juni 1996 unter der Überschrift "Einheit der Rechten" die Bereitschaft seiner Partei, mit "allen demokratischen nationalen Rechten" zusammenzuarbeiten. Dieses Kooperationsangebot richtete sich an die REP und die NPD. Herausragende bundesweite Veranstaltung der DVU war wiederum die alljährlich stattfindende Großkundgebung in Passau mit ca. 2.500 Teilnehmern am 28. September 1996. Der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz trat 1996 öffentlich kaum in Erscheinung. An der Landtagswahl am 24. März 1996 hat er nicht teilgenommen. Während des gemeinsamen Parteitages der Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 16. November 1996 in Stettfeld (Baden-Württemberg) trat der 1994 zum Landesvorsitzenden gewählte Wolfgang KUBISTIN nicht mehr zur Wahl an; neuer Landesvorsitzender wurde Hans Dieter LIEDERWALD (beide aus Rheinland-Pfalz). -211.4.2 ..Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die NPD stand Anfang 1996 wegen der umstrittenen Amtsenthebung des früheren Bundesvorsitzenden Günter DECKERT im September 1995 vor einer Spaltung. Erst mit Aufhebung der Suspendierung durch das badenwürttembergische Landesschiedsgericht und DECKERTS16 Wahl zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf dem Sonderparteitag am 23724.März 1996 in Bad Durkheim wurde die Spaltung abgewendet. Zum neuen Parteivorsitzenden wurde Udo VOIGT gewählt. Auch 1996 war wie in den Vorjahren bei der NPD ein Mitgliederrückgang zu verzeichnen; Ende 1996 betrug die Mitgliederzahl bundesweit nur noch ca. 3.500 (1995: ca. 4.000). Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz verfügte Ende 1996 über etwa 160 Mitglieder (1995: ca. 170). Über das Parteiorgan "Deutsche Stimme", das in einer Auflage von 35.000 Exemplaren vertrieben wird, sowie mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel Internet, Mailboxen und Info-Telefone verbreitet die NPD ihre rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Vorstellungen, wobei ihre Verfassungsfeindlichkeit auch aus dem 1996 überarbeiteten Parteiprogramm weiter deutlich wird. Neuerdings widmet sich die Partei stärker den sozialen Problemen in der Bundesrepublik als Agitationsfeld und will "nationaldemokratische Lösungen" erarbeiten. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 1998 war bereits das Jahr 1996 von dem Bemühen der NPD geprägt, eine "fundamentale Opposition" aller rechtsextremistischen Parteien unter der Wahlplattform "Bündnis Deutschland" zusammenzuführen. 16 DECKERT verbüßt seit dem 14. November 1995 eine zweijährige Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. -22Zum früheren "Tag der Deutschen Einheit" am 17. Juni veranstaltete die NPD eine "Großkundgebung" in Bonn, an der nur etwa 130 Personen teilnahmen 17 . Ende Oktober 1996 veranstaltete die Partei im Raum Kaiserslautern erstmals in Rheinland-Pfalz ihren Frauenkongreß, zu dem bundesweit eingeladen wurde. Ziel der Veranstaltung war, die Stellung der Frau innerhalb der Partei aufzuwerten. Die Teilnehmerinnen forderten einstimmig die Einführung der Todesstrafe für Sexualund Kindesmörder. Über eine Bündnisbereitschaft mit "konsensfähigen und seriösen" rechten Organisationen hinaus hat sich die NPD auch gegenüber Neonazis geöffnet und toleriert auch die engere Zusammenarbeit ihrer Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die zu einer Kaderorganisation umstrukturiert werden soll, mit Neonazis. JN-Funktionäre, darunter Holger APFEL, der am 25726. Mai 1996 auf dem Bundeskongreß in Leipzig als JN-Bundesvorsitzender bestätigt wurde, nahmen gemeinsam mit Neonazis an dem Aufmarsch anläßlich des Todestages von Rudolf Heß am 17. August 1996 in Worms teil. APFEL gehörte zu den 150 von der Polizei in Worms vorläufig festgenommenen Demonstranten. Auch die JN-Publikation "Einheit und Kampf hat sich inzwischen stärker zu einem neonazistischen Szeneblatt entwickelt. Aufgrund ihrer engen Zusammenarbeit mit Neonazis konnten die JN ihren Mitgliederbestand auf ca. 200 Personen ausbauen (1995: ca. 150). In Rheinland-Pfalz sind die JN - abgesehen von wenigen Einzelmitgliedern - nicht mehr als Organisation vertreten; der Versuch einer Reorganisation blieb auch 1996 weitgehend erfolglos. 17 Am 1. März 1997 initiierten die NPD und ihre Jugendorganisation JN in München eine Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 -1944", an der mehr als 4.000 Rechtsextremisten teilnahmen. -23Der rheinland-pfälzische NPD-Landesverband beteiligte sich an der Landtagswahl am 24. März 1996 in Rheinland-Pfalz mit einer 12 Kandidaten umfassenden Landesliste und dem ehemaligen Landesvorsitzenden Wilhelm HERBI als Direktkandidaten im Wahlkreis Südliche Weinstraße. Sie erzielte landesweit 0,4 % der Wählerstimmen; HERBI erhielt in seinem Wahlkreis 0,1 %. Neonazis und Skinheads unterstützten den Wahlkampf. Wegen tiefgreifender Querelen im Landtagswahlkampf wurde HERBI am 10. März 1996 seines Amtes enthoben. Auf dem Landesparteitag am 2. Juni 1996 in Kaiserslautern wurde der hessische NPD-Landesvorsitzende Hans SCHMIDT zum neuen Vorsitzenden auch des Landesverbandes Rheinland-Pfalz gewählt. HERBI, der gegen seine Amtsenthebung Einspruch beim Bundesvorstand eingelegt hatte, ließ sich von seinen Anhängern auf einem von ihm einberufenen Landesparteitag am 23. September 1996 in Winterbach (Kreis Zweibrücken) als Landesvorsitzender bestätigen. Der Parteivorstand verhängte daraufhin über den Landesverband Rheinland-Pfalz den parteilichen Notstand und bestimmte zur Vorbereitung einer Neuwahl des Landesvorstandes einen kommissarischen Vertreter; doch hat das rheinland-pfälzische Landesschiedsgericht die Notstandsverordnung für ungültig erklärt. Diese offensichtliche Zerstrittenheit ist ursächlich für den weiteren Rückgang der politischen Aktivitäten des Landesverbandes. Erwähnenswerte Aktionen gingen von HERBI aus, der mit seinen Skinhead-Konzerten am 2. März in Bad Durkheim und 29. Juni 1996 in Schweigen-Rechtenbach (vgl. S. 15) versuchte, junge Menschen an die NPD heranzuführen. Die auf Initiative HERBI's am 23. November 1996 duchgeführte "Totengedenkfeier" auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers in Biebelsheim (Kreis Bad Kreuznach) fand nicht die erhoffte Resonanz. -24- " 3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die DLVH vertritt weiterhin eine nationalistische, völkisch-kollektivistische und revisionistische Grundhaltung. Sie hat ihr primäres Ziel, die "nationalen rechten Parteien" zu vereinen, auch 1996 nicht erreicht. Nach dem Vorbild eines 1995 ins Leben gerufenen "Förderkreises Bündnis Deutschland/Runder Tisch Nordrhein-Westfalen" folgte am 13. April 1996 in Ludwigshafen am Rhein auf Initiative des DLVH-Landesverbandes Rheinland-Pfalz die Gründung des "Förderkreises Bündnis Deutschland/Runder Tisch Rheinland-Pfalz". An der Veranstaltung nahmen etwa 100 Personen aus unterschiedlichen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen teil, darunter als Redner der damalige stellvertretende Vorsitzende des REP-Landesverbandes Saarland. Trotz ihrer Vereinigungsbemühungen fand die Partei weder bei den REP noch bei der NPD bzw. DVU die erstrebte Resonanz. Dies hatte letzlich zur Folge, den Parteienstatus aufzugeben und die DLVH ab dem 18. Oktober 1996 als Verein weiterzuführen. In einer hierzu veröffentlichten Pressemitteilung heißt es unter anderem, die politische Arbeit werde als "überparteiliche und unabhängige Vereinigung" fortgesetzt, wozu der Verein mit "anderen demokratisch-patriotischen Organisationen" zusammenwirken wolle". In einem an die Präambel des ehemaligen Parteiprogramms angelehnten Manifest werden die bekannten extremistischen Grundpositionen weiterhin vertreten. Die erste Veranstaltung des Vereins DLVH fand am 22. November 1996 auf Initiative des DLVH-Landesverbandes Rheinland-Pfalz in Limburgerhof (Kreis Ludwigshafen am Rhein) statt. Funktionäre aus Baden-Württemberg stellten dort Strategiepapiere und Modelle zur Gründung einer neuen Partei "Vereinigte Rechte" vor. Die DLVH verfügte Ende 1996 bundesweit über ca. 800 Mitglieder (1995: ca. 900), davon etwa 15 in Rheinland-Pfalz. Als Sprachrohr bediente sie -25sich der rechtsextremistischen Schriften "Nation & Europa - Deutsche Rundschau" der DLVH-Mitglieder Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER sowie "Europa Vorn" von Manfred ROUHS. An der Landtagswahl am 24. März 1996 in Rheinland-Pfalz beteiligte sich die DLVH nicht. 1.4.4 ..Die Republikaner" (REP) Die REP mit bundesweit etwa 15.000 Mitgliedern (1995: ca. 16.000) - in Rheinland-Pfalz etwa 55018 (1995: ca. 600) - verfolgten auch im Jahre 1996 Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die im wesentlichen durch Äußerungen und Aktivitäten von Funktionären belegbar sind. Allerdings ist die rechtsextremistische Agitation in Publikationen und Propagandamaterialien seit dem Führungswechsel19 an der Parteispitze Ende 1994 allgemein zurückhaltender geworden. Weiterhin werden jedoch für gesellschaftliche Mißstände in erster Linie Ausländer mehr oder weniger unverhohlen verantwortlich gemacht. Auch Themen wie das Maastricht-Abkommen und die Europäische Währungsunion wurden mit einschlägigen Schlagworten wie "Ausländerüberschuß" verknüpft. Sozialpolitische Themen wie Arbeitslosigkeit und Rentenproblematik sind auch bei den REP stärker in den Mittelpunkt der Agitation getreten. Das von dem als gemäßigt geltenden Parteivorsitzenden Dr. SCHLIERER angestrebte Ziel, rechtsextremistische Positionen zugunsten eines demokratischen Weges aufzugeben, fand auch weiterhin nicht die Zustimmung der Führungsfunktionäre. Dies machte die Wahl des Parteivorsitzenden auf dem Bundesparteitag im Oktober 1996 in Hannover deutlich, wo etwa ein Drittel der Delegierten gegen SCHLIERER und für den als rechtsextremistischen Hardliner geltenden Otmar WALLNER aus Bayern stimmte. 18 Nach eigenen Angaben (Stand: März 1997) verfügt die Partei landesweit aktuell über 500 Mitglieder. 19 Dr. Rolf SCHLIERER löste im Dezember 1994 Franz SCHÖNHUBER als Partetvorsitzenden ab. -26Nach Überwindung eines finanziellen Tiefs erscheint seit Anfang 1996 das Parteiorgan "Der Republikaner" wieder monatlich in einer Auflagenhöhe von 22.000 Exemplaren. Zur weiteren Verbreitung ihres Gedankengutes nutzt die Partei die Kommunikationsmittel Internet, Mailboxen und InfoTelefone. In Rheinland-Pfalz bestehen Info-Telefone in Mainz und Bad Durkheim. Die REP beteiligten sich im Jahre 1996 an den Kommunalwahlen in Bayern und Niedersachsen sowie am 24. März 1996 an den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo die Partei 9,1 % der Wählerstimmen erzielte und mit 14 Sitzen zum zweiten Mal in den baden-württembergischen Landtag einzog. In Rheinland-Pfalz trat die Partei zur Landtagswahl mit einer 20 Kandidaten umfassenden Landesliste sowie in 19 von 51 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Sie erzielte 3,5 % (1992: 2,0 %) der Wählerstimmen. Ihr bestes Ergebnis erreichten die REP in Ludwigshafen am Rhein mit 8,5 % 20. Zur Erlangung der Unterstützerunterschriften bediente sich die Partei der DLVH als Wahlhelfer. Der rechtsextremistische Verlag "Unabhängige Nachrichten" trat als Sponsor für ein Flugblatt der REP in Erscheinung. Ermutigt durch das Landtagswahlergebnis kandidierte die stellvertretende Landesvorsitzende Anna Maria BENNING zur Oberbürgermeister-Wahl am 17. November 1996 in Mainz und erreichte 3,6 % der Wählerstimmen, blieb damit jedoch weit unter dem gesteckten Ziel von 5 %21. 1.4.5 Vereiniqunqsbestrebungen rechtsextremistischer Parteien Die seit 1994 von rechten Parteien und Organisationen propagierten Vereinigungsbestrebungen fanden auch 1996 ihre Fortsetzung. Als Initiator 20 Seit den Kommunalwahlen 1994 sind die REP in den Kreistagen Germersheim, Ludwigshafen am Rhein und Kusel sowie in den Stadtparlamenten Frankenthal, Germersheim, Kaiserslautem, Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Schifferstadt vertreten. 21 An den Kommunalwahlen in Hessen am 2. März 1997 beteiligten sich die REP flächendeckend und erreichten im Landesdurchschnitt 6,6 % der Wählerstimmen (1993: 8,3 %); vgl. auch Fußnote 5. -27dieser Entwicklung profilierte sich die DLVH. Nahziel der Vereinigungsbestrebungen ist nach wie vor die Aufhebung des Nebenund Gegeneinan- d e r im rechten Lager zugunsten gemeinsamer Kandidaturen und Zweckbündnisse, die Erhöhung der Chancen bei Wahlen und letzlich die Bildung einer Partei der "Vereinigten Rechten". Zwar erklärten der neue NPDBundesvorsitzende Udo VOIGT und der DVU-Vorsitzende Dr. FREY öffentlich die Bereitschaft ihrer Parteien zu einem "Bündnis für Deutschland" bzw. zu einer Zusammenarbeit mit "allen demokratischen, nationalen Rechten". Mangelnde Bündnisbereitschaft, interne Auseinandersetzungen der beteiligten Parteien um Führungsansprüche und die Wahlerfolge der REP bei den Landtagswahlen brachten jedoch die Vereinigungsbestrebungen nicht voran. Bemerkenswert sind allerdings die im Dezember 1996 in Straßburg durch eine Delegation deutscher Verleger und Publizisten aus dem rechtsextremistischen Spektrum mit dem Vorsitzenden der französischen "Front National", Jean-Marie LE PEN, und Führern des belgischen "Vlaams Blök" geführten Gespräche über die Beilegung des Parteienhaders und die Möglichkeit einer stärkeren Vernetzung der patriotischen Kräfte in Europa. An dem Treffen nahmen die Herausgeber der rechtsextremistischen Monatsschrift "Nation & Europa - Deutsche Rundschau", Harald NEUBAUER und Peter DEHOUST, sowie Franz SCHÖNHUBER teil. Das Treffen mit LE PEN rückt die Vereinigungsbemühungen in einen internationalen Zusammenhang und verleiht diesen dadurch eine größere Bedeutung. 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen/Strömungen 1.5.1 Revisionisten Die Revisionisten versuchen, die Geschichte des "Dritten Reiches" und des Zweiten Weltkrieges umzuschreiben. Sie beschönigen die Zeit des -28Nationalsozialmus, stellen die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage und relativieren deutsche Kriegsverbrechen, insbesondere durch unzulässige Vergleiche. Sie leugnen die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern (sog. AuschwitzLüge). Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen, sich zumeist nach außen seriös zu geben. Namhafte Agitatoren sind vor allem der Brite David IRVING22 und der Deutsch-Kanadier Ernst ZÜNDEL. ZÜNDEL ist Initiator der pseudowissenschaftlichen "Leuchter-Gutachten", die in der revisionistischen Propaganda als "Beweismittel" gegen den Holocaust gelten. 1.5.2 "Neue Rechte" Der Begriff "Neue Rechte" steht in der Bundesrepublik Deutschland bereits seit Ende der 60er Jahre bzw. Anfang der 70er Jahre für eine diffuse und uneinheitliche Bewegung "rechter" Theoretiker und ihrer Anhänger. Dabei hatte die in Frankreich um den Publizisten Alain de Benoist Ende der 60er Jahre entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" für viele Vorbildfunktion. Bei der "Neuen Rechten" handelt es sich weder um eine einheitliche Bewegung oder Organisation, noch liegt ihr eine in sich geschlossene Ideologie zugrunde. Vielmehr stellt sie eine Strömung dar, die nach ihrer ideologischen Ausprägung in Teilbereichen dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden kann. Die Vertreter dieser Richtung lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepulik Deutschland erkennen. Für viele haben die politischen Theorien der 22 IRVING wurde im Januar 1993 vom Landgericht München wegen Leugnung des Holocaust zu einer Geldstrafe in Höhe von 30.000,-DM verurteilt. Am 22. März 1996 bestätigte das Verwaltungsgericht München eine gegen ihn im Mai 1993 ergangene Ausweisungsverfügung der Stadt München. -29"Konservativen Revolution der Weimarer Republik Vorbildcharakter. Deren antidemokratisches, autoritäres Ideenfundament sorgte nach Auffassung von Wissenschaftlern mit dafür, daß der geistige Nährboden für die nationalsozialitische Terrorherrschaft bereitet werden konnte. Aus der Vielzahl der ideologischen Grundzüge der "Neuen Rechten" sind vor allem die abstammungsorientierte, völkisch-nationalistische Haltung und die antipluralistischen/antidemokratischen Positionen bemerkenswert. Wesentliches Element von Politik sei, sich von Moral freizuhalten und den Willen zur Macht bis hin zur Gewaltanwendung nach innen und außen zu verdeutlichen. Der demokratische Staat wird von ihnen als "liberalistisch" im Sinne einer "gleichmacherischen, dekadenten" Gesellschaftsform diffamiert. Die Teilnahme an Wahlen oder die Etablierung in einer Partei spielt für die Umsetzung des beschriebenen Gedankengutes in den politischen Meinungsprozessen keine Rolle. Die "Neue Rechte" will zunächst versuchen, zunehmend Einfluß auf den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozeß zu gewinnen und auf diese Weise Begriffe besetzen. Erst eine Vorherrschaft ihrer ideologischen Prinzipien bei der Definition von Politik, Staatsund Sozialwesen könne nach ihrer Auffassung eine tatsächliche Übernahme der Macht in greifbare Nähe bringen. Sichtbar werden diese Gedanken inzwischen in einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt von Zeitschriften, Magazinen wie zum Beispiel "Nation & Europa", Büchern und den Aussagen von Theoriezirkeln und Gesprächskreisen. 23 Gemeinsam war den Vertretern der .konservativen Revolution" ihr Anspruch, das politische System der Weimarer Republik durch einen revolutionären Akt zu aberwinden, um dadurch gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die dann konserviert werden sollten. Dieser doppelte Anspruch und die damit verbundene Strategie, über Denkzirkel einen kulturellen und damit auch letztlich einen politischen Wandel einzuleiten, sind so herausragende Besonderheiten, daß deren Vertreter - bei aller Differenzieung - unter die gemeinsame Sammelbezeichnung .Konservative Revolution" gefaßt werden können. Vgl. dazu Backes/Jesse: Politischer Extremsimus in der Bundesrepublik, Köln 1989, S. 163 -30Auslandskontakte Deutsche Rechtsextremisten unterhalten Beziehungen zu Gesinnungsgenossen im Ausland; insbesondere versprechen sie sich davon etwas für ihre nationale Sache. Vor allem werden sie von dort mit Propagandamaterial versorgt, dessen Herstellung und Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen im Ausland bestehen bereits seit vielen Jahren insbesondere in die USA (NSDAP/AO), nach Kanada (Ernst ZÜNDEL), in die Niederlande, nach Dänemark, Schweden, Lettland, Rußland, Österreich, Spanien, Frankreich und Belgien. An den Gedenkfeiern zum Todestag von General Franco vom 22. bis 24. November 1996 in Spanien haben etwa 50 deutsche Rechtsextremisten teilgenommen. 1995 hatten an diesem Treffen noch ca. 200 deutsche Gesinnungsgenossen teilgenommen. Nach internen Streitigkeiten der spanischen Organisatoren über die Ausrichtung dieser Veranstaltungen dürften die Gedenkfeiern allerdings für deutsche Rechtsextremisten an Bedeutung verlieren. Nach wie vor von Bedeutung bleiben allerdings die alljährlichen Treffen von Rechtsextremisten aus ganz Europa jeweils im August im belgischen Diksmuide. In jüngerer Zeit mehren sich die Erkenntnisse, daß insbesondere die Neonaziszene die Bemühungen um internationale Verflechtungen kontinuierlich steigert. Die Grenzöffnungen im Rahmen der Europäischen Union und vor allem nach Osteuropa werden von den Rechtsextremisten in Deutschland mit großem Interesse wahrgenommen. Offensichtlich versuchen sie, durch entsprechende Verbindungen auch dem Fahndungsdruck in ihrem Heimatland zu entgehen. Ob es mittelfristig zu einem europaweiten Zusammenschluß von Rechtsextremisten kommen wird, bleibt abzuwarten. <*--** - ' * * - * -- -- . . . -312. LINKSEXTREMISMUS Ziel der linksextremistischen Gruppierungen, denen 1996 bundesweit ca. 35.200 Personen (Rheinland-Pfalz: etwa 750) zugerechnet werden konnten, ist die Beseitigung der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung, um an deren Stelle eine kommunistische Gesellschaft oder eine herrschaftsfreie Gesellschaft (Anarchie) zu errichten. Der politische Kampf von Linksextremisten orientiert sich an revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien, wobei ein Teil der Gruppierungen militante Aktionsformen bis hin zum bewaffneten Kampf akzeptiert. Viele linksextremistische Organisationen sehen - nach Überwindung ihrer aus dem Niedergang des Sozialismus entstandenen fundamentalen Existenzkrisen - inzwischen wieder Ansätze zur Umsetzung ihrer Ziele. Dies zeigt sich trotz ideologisch-politischer Unterschiede wieder in einer verstärkten kampagnenorientierten Zusammenarbeit. 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 ..Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die bundesweit noch etwa 6.200 Mitglieder umfassende DKP hat zwischenzeitlich ihre Existenzund Identitätskrise weitgehend überwunden und sich konsolidiert. Die Partei verfügt nach eigenen Angaben vom Dezember 1996 über 13 Bezirksorganisationen und insgesamt 220 Gruppen. Grundlage für die politische Arbeit der DKP bilden die vom 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung". Diese bekräftigen die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele der DKP. Sie versteht sich als Weltanschauungspartei, welche zur Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme die Errichtung einer neuen sozialistischkommunistischen Gesellschaftsordnung auch unter Einbeziehung revolu -32tionärer Vorgehensweisen als notwendig propagiert. Erklärtes Hauptziel der DKP bleibt, die bürgerliche Gesellschaft durch den Kommunismus zu ersetzen. Die Schwerpunkte der DKP-Politik liegen traditionell in den Themenbereichen Antifaschismus, Antiimperialismus, Gewerkschaftsund Internationalismusarbeit. Zur Propagierung ihrer Ziele setzt die DKP wieder zunehmend auf die Intensivierung ihrer Aktionseinheitsund Bündnispolitik. Orientierungspunkte für die künftige Arbeit der Partei setzte der 13. Parteitag der DKP am 3./4. Februar 1996 in Dortmund, der u.a. ein neues Aktionsprogramm unter dem Motto "Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Demokratieabbau!" beschloß. Darin bezeichnete die DKP es als ihre "strategische Aufgabe", "einen Beitrag zur Formierung breiter gesellschaftlicher Allianzen zu leisten und in sie klassenkämpferische Positionen einzubringen". Ihren Forderungen will die Partei durch außerparlamentarischen Druck und eine stärkere öffentliche Präsenz Resonanz verschaffen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsund sozialpolitischen Situation erhofft sich die DKP neuen politischen Aufschwung und eine stärkere Akzeptanz bei den Arbeitnehmern sowie neue Ansatzpunkte zur Propagierung ihrer Ideologie. Zu dem vorgenannten Parteitag hatten 31 "Bruderparteien" und Befreiungsorganisationen aus 27 Ländern Vertreter entsandt. Weitere Agitationsschwerpunkte der DKP lagen 1996 in der Kubaund Kurdistansolidarität, im Protest gegen den Einsatz der Bundeswehr im Ausland und gegen den Vertrag von Maastricht. Besondere Aufmerksamkeit widmet die DKP der Weiterentwicklung ihres Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ). Diese Zeitung erscheint seit 5. Juli 1996 wieder als Wochenzeitung (zuvor 14-tägige Erscheinungsweise) mit einer Auflage von ca. 10.000 Exemplaren. -33Dem Aktionsrahmen und der Öffentlichkeitsarbeit der DKP sind in Rheinland-Pfalz - trotz einer leichten Aktivitätszunahme - enge personelle, zudem auch finanzielle Grenzen gesetzt. Die DKP hat derzeit noch etwa 150 Mitglieder, allerdings mit überwiegend hoher Altersstruktur. Örtliche Schwerpunkte der Arbeit der DKP sind insbesondere in Bad Kreuznach, Idar-Oberstein und Kaiserslautern erkennbar. Sporadisch erscheinen wieder Flugblätter und vereinzelt Kleinzeitungen. Zu der Landtagswahl im März 1996 hat die DKP nicht kandidiert. 2.1.2 Sonstige Zum Spektrum der sonstigen revolutionären Marxisten gehören zahlreiche Organisationen, deren Bekanntheitsund Wirkungsgrad jedoch sehr unterschiedlich ist. Zu nennen sind hier die "Marxistisch-Leninistische Partei" (MLPD), die "Marxistische Gruppe" (MG) und der "Revolutionär Sozialistische Bund" (RSB) sowie die "Internationalistische Organisation" (ISO)24 Aktivitätsschwerpunkte dieser Gruppen liegen in Rheinland-Pfalz in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Gruppierungen wie die "Vereinigung für sozialistische Politik" (VSP) und "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) kooperieren mit der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), sind jedoch in Rheinland-Pfalz nahezu bedeutungslos. Die PDS in Rheinland-Pfalz stellt sich - wie auch in zahlreichen anderen alten Bundesländern - als ein Sammelbecken von Linksextremisten verschiedener politischer Herkunft dar. Der PDS-Landesverband RheinlandPfalz befindet sich noch in der Aufbauphase. Örtliche Schwerpunkte liegen u.a. in Mainz, Kaiserslautern und Trier. 24 Zwischenzeitlich umbenannt in .Internationale Sozialistische Organisation". -342.2 Linksextremistischer Terrorismus Die linksextremistisch-terroristische Szene befindet sich seit den umwälzenden Veränderungen in Europa nach wie vor in einer Neuorientierungsphase. Anschläge der terroristischen Gruppierungen "Rote Armee Fraktion" (RAF) und "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) sind 1996 ausgeblieben. Die RAF hält sich weiterhin an die Linie ihrer Gewaltverzichtserklärung vom April 1992, in der sie das Scheitern des bewaffneten Kampfes eingestanden hat; nach längerer Pause meldete sie sich Ende 1996 mit mehreren Erklärungen wieder zu Wort. Die AIZ, die noch 1995 durch spektakuläre Sprengstoffanschläge eine permanente Bedrohung darstellte, wurde Anfang des Jahres 1996 durch die Festnahme von zwei mutmaßlichen Angehörigen offenbar entscheidend in ihrer Aktionsfähigkeit getroffen, so daß die Sicherheitsbehörden davon ausgehen, daß von der AIZ keine unmittelbare Gefährdung mehr ausgeht. 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Die RAF, die in den 70er und 80er Jahren gezielt Attentate gegen Angehörige der hier stationierten US-Streitkräfte sowie gegen Funktionsträger in Politik und Wirtschaft verübte, erklärte 1992 ihr bisheriges Konzept als gescheitert. Nach dem Sprengstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt am 27. März 1993 stellte sie ihre Anschlagsaktivitäten vorerst ein. Das neue RAF-Konzept wirbt unter ausdrücklichem Verzicht auf gezielt tödliche Anschläge für eine Neuorientierung revolutionärer Politik durch Anknüpfung an soziale Konfliktfelder und den Aufbau einer "sozialen Gegenmacht von unten". In Folge interner Auseinandersetzungen um die politische Kursänderung brach das frühere stabile RAF-Gefüge (Kommandoebene, Inhaftierte und Umfeld) im Herbst 1993 auseinander. -35Ende 1996 trat die RAF nach mehr als zweieinhalb Jahren - ihr bis dahin letztes Papier stammt vom März 1994 - mit drei Erklärungen wieder an die Öffentlichkeit. Die Papiere zeigen, daß die RAF keineswegs vor ihrer Auflösung steht, wie im Verlauf des Jahres 1996 von den beiden Inhaftierten aus der RAF Helmut POHL und Birgit HOGEFELD gefordert, sondern nach wie vor als selbstbestimmte und handlungsfähige terroristische Gruppe fortbesteht. Wesentliches Thema einer Erklärung vom 29. November 1996 waren insbesondere die Aussagen des der RAF-Mitgliedschaft und der Beteiligung am Herrhausen-Attentat (30. November 1989) verdächtigten Christoph SEIDLER, der sich Ende November 1996 im Rahmen des Aussteigerprogramms des Bundesamtes für Verfassungsschutz den Behörden gestellt hatte. Dieser - so die RAF - sei nie Mitglied ihrer Organisation gewesen, auch habe die Gruppe nichts mit dessen Rückkehr in die Legalität zu tun. An die "Linke" richtet die RAF den Appell, nichts über "illegale Strukturen" und "geheime Orte des Exils" auszusagen. Die vom Staat ausgehende Repression habe sich inzwischen gegen immer größere Teile der Gesellschaft ausgeweitet. Diesen Bedingungen habe sich die "Linke" heute zu stellen und über die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte Erkenntnisse für die Zukunft, d.h. für eine Neubestimmung revolutionärer Politik und Neuformierung einer radikalen "Linken", zu gewinnen. In einem weiteren Papier, ebenfalls vom 29. November 1996, versucht die RAF, die Vermutungen der im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die JVA Weiterstadt gesuchten Andrea WOLF, neben Klaus STEINMETZ hätte es noch weitere Spitzel innerhalb der illegalen Struktur der RAF gegeben, zu entkräften. Im dritten Papier der RAF vom 9. Dezember 1996 bringen die Illegalen deutlich zum Ausdruck, daß sie nicht daran dächten, die Auflösung der RAF zu betreiben. Zwar sei es nach wie vor "am besten und zeitgemäß", aus Diskussionen mit der "Linken" Schlußfolgerungen für neue revolutio- -36näre Konzepte zu ziehen. Dieser Weg habe sich jedoch als sehr langwierig herausgestellt, weshalb man den Neuorientierungsprozeß künftig "unabhängig davon und doch wieder nur als RAF" fortsetzen wolle. Das alte RAF-Konzept sei "objektiv" überholt; eine "modifizierte Neuauflage des Alten" könne es auch nicht geben. Die RAF wolle insgesamt dazu beitragen, aus der Geschichte neue Erkenntnisse im Hinblick auf eine "emanzipative Politik für die Umwälzung der Verhältnisse" zu gewinnen. Inhaftierte aus der RAF In einem Interview, das Ende Mai 1996 in der Zeitschrift "Konkret" veröffentlicht wurde, befaßte sich Helmut POHL, einer der Wortführer der noch verbliebenen RAF-Inhaftierten, kritisch mit der "jüngeren" Geschichte der RAF. In Übereinstimmung mit den anderen Inhaftierten forderte er, die Illegalen sollten ihre Auflösung als RAF erklären. Der Bundesanwaltschaft warf er vor, sie würde den Gefangenen trotz gegenteiliger Informationen immer wieder den Stempel der "Hardliner" aufdrücken. Von der lange Zeit erhobenen Forderung nach einer Zusammenlegung der Gefangenen rückte POHL ab. Wichtiger seien jetzt Haftbedingungen zur Vorbereitung auf die Freiheit, für die die Gefangenen nach wie vor als Kollektiv kämpften. 1996 wurden die ehemaligen RAF-Mitglieder Hanna KRABBE und Susanne BECKER geb. ALBRECHT aus der Haft entlassen. Das RAF-Mitglied Birgit HOGEFELD wurde am 5. November 1996 nach fast zweijähriger Verhandlungsdauer wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt25. Das Gericht sah es u.a. als erwiesen an, daß sie bei der Tötung des amerikanischen Soldaten Pimental und am Sprengstoffanschlag auf die US-Airbase am Frankfurter Flughafen 1985 beteiligt war. In ihrem Prozeß-Schlußwort vom 29. Oktober 1996 distanzierte sich HOGEFELD eindeutig von den Gewalttaten der RAF und forderte - ebenso wie Helmut 25 Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. -37POHL - die verbliebenen Angehörigen der RAF-Kommandoebene auf, die "Auflösung als RAF zu erklären". Als erste RAF-Gefangene überhaupt sprach sie vor Gericht ausführlich über die Opfer der Terrorgruppe. RAF-Umfeld Das verbliebene RAF-Umfeld hat sich 1996 weiter verkleinert. Es gelang ihm nicht einmal ansatzweise, den von der RAF angestrebten Aufbau einer "sozialen Gegenmacht von unten" in die Wege zu leiten. Die Aktivitäten des RAF-Umfeldes konzentierten sich auf die agitatorische Begleitung des vor dem OLG Frankfurt am Main geführten Strafverfahrens gegen Birgit HOGEFELD. So wurden während des Prozesses von einer Wiesbadener Gruppe insgesamt 13 Ausgaben eines "info zum Prozeß gegen Birgit HOGEFELD" mit einer Reihe von "Hintergrundberichten" über den angeblichen politischen Charakter des Prozesses und mit seinem vermeintlich von vornherein bestimmten Ausgang herausgegeben. In mehreren Städten des Bundesgebietes fanden seit Beginn des HOGEFELDProzesses sog. Infoveranstaltungen statt. So auch mehrmals in Mainz, zuletzt am 17. Juli 1996. .2 "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW) Seit 1992 haben sich neue, die "reformistische" Politik der RAF ablehnende Personenund Gruppenzusammenhänge entwickelt, die als "Antiimperialistischer Wderstand" (AIW) bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um ein Geflecht unterschiedlicher Strömungen aus vormals der RAF nahestehenden Strukturen sowie um einzelne radikal-feministisch ausgerichtete Gruppen. Sie beschäftigen sich mit typischen Themen der Antifa-Arbeit, bemühen sich darüber hinaus aber auch - in Anlehnung an RAF-Konzepte der 70er und 80er Jahre - um neue revolutionäre und militante Strategien und Strukturen. -38Dem AIW sind u.a. auch die Gruppen "JARAMA! - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" in Mainz, "Initiative Linker Aufbruch" (ILA) in Gütersloh und "Revolutionäre Organisation - Jetzt Aufbauen" (ROJA) in Marburg zuzurechnen. Diese Gruppen, die sich seit 1994 intensiv mit der Geschichte der RAF und des bewaffneten Kampfes auseinandersetzen, sind inzwischen zu einem weitgehend homogenen "Kollektiv" mit eigenen revolutionären Strukturen zusammengewachsen. Seit Mitte 1996 treten sie unter der gemeinsamen Gruppenbezeichnung "JARAMA" auf. Begleitend zu einer antifaschistischen Veranstaltungsreihe in Mainz, die zusammen mit der dortigen Kreisvereinigung der linksextremistisch beeinflußten "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) durchgeführt wurde, verbreitete die Gruppe "JARAMA" eine Broschüre mit dem Titel "WACHT AUF VERDAMMT(E)!", in der die Verfasser behaupten, daß "Sozialabbau, Faschismus und Kriegsgefahr" die "prägenden Elemente der momentanen Umstrukturierung der Gesellschaft" seien. In der Broschüre stellt sich "JARAMA" als eine Gruppe von "Kommunistinnen und Kommunisten" vor. Ihr gehe es in den kommenden Jahren um den Aufbau "revolutionärer Kerne", die in der Lage seien, Initiative und Verantwortung für revolutionäre Kämpfe zu übernehmen. Das Ziel sei die Zerschlagung der Besitzund Machtstrukturen des Imperialismus und der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. In einer im "Angehörigen-Info" (Nr. 184 vom 9. August 1996) abgedruckten Erklärung - herausgegeben von Angehörigen, Freunden und Freundinnen politischer Gefangener in der BRD - äußerte sich die Gruppe "JARAMA" erneut zu ihrem Selbstverständnis und ihren politischen Zielen, insbesondere zur Neubildung verbindlicher und handlungsfähiger Organisationsstrukturen, zum Wiederaufbau revolutionärer Politik sowie zu ihrer Verbundenheit mit den "politischen Gefangenen aus der RAF". -39Die gleichlautende Anschrift von "JARAMA" in Mainz und der Redaktion der Zeitschrift "clockwork - zusammen für befreiung kämpfen", die Nennung von "JARAMA" im Impressum der "clockwork" als Unterstützergruppe und die ideologische Ausrichtung der Zeitschrift deuten offenkundig auf bestehende Verflechtungen hin. 3 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Die AIZ entwickelte sich 1991 bis 1995, in einer durch den Zerfall des bestehenden RAF-Gefüges geprägten Phase der Verunsicherung und Desorientierung, zu einer gefährlichen terroristischen Gruppierung. Seit Dezember 1992 hat die AIZ mehrere Brand-, Schußwaffen-und Sprengstoffanschläge verübt, u.a. auch gegen Personen aus Politik und Wirtschaft; ihr letzter Anschlag am 23. Dezember 1995 galt dem peruanischen Honorarkonsulat in Düsseldorf. In ihren Positionsbzw. Bekennerschreiben bezog sich die AIZ fortwährend auf revolutionär-islamische Gruppierungen. Ebenso wurden regelmäßig "exotische" Themen aufgegriffen, die jenseits gängiger linksextremistischer Argumentation und Agitation liegen. Damit stieß die AIZ in der linksextremistischen Szene auf offene Ablehnung, die sie unerwidert ließ. In einschlägigen extremistischen Presseerzeugnissen wurden vermehrt Beiträge mit massiver Kritik an dem von der AIZ praktizierten "Revolutionskonzept" veröffentlicht. So kritisierte z.B. die in Hamburg erscheinende autonome Szenepublikation "Zeck-Info aus der Flora" (Ausgabe Nr. 46 vom Februar 1996) in einem mehrseitigen Artikel die "Allmachtsphantasien" der AIZ. Ein anderer in der linksextremistischen Untergrundzeitschrift "radikal" (Nr. 154, Juni 1996) erschienener Beitrag distanzierte sich noch eindeutiger: Zu einer Gruppe, "die den Einsatz von selbstgebauten Splitterbomben auf belebten Plätzen gutheißt", dürfe es kein solidarisches Verhältnis geben. -40Am 25. Februar 1996 erfolgte im schleswig-holsteinischen Witzhave die Festnahme der zwei mutmaßlichen Mitgliedern der AIZ, Bernhard FALK und Michael STEINAU. Gegen sie, die bereits 1994 wegen Sachbeschädigungen an Shell-Tankstellen in Hamburg und Aachen zu Freiheitsstrafen auf Bewährung rechtskräftig verurteilt wurden, erging Haftbefehl wegen versuchten Mordes, Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und anderer Straftaten. Während ihrer Untersuchungshaft protestierten die beiden AlZ-Tatverdächtigen wiederholt in Form von politischen Erklärungen gegen die ihrer Meinung nach menschenunwürdigen Haftbedingungen; gleichzeitig bekräftigten sie ihre besondere Beziehung zu islamischen Widerstandsbewegungen. Im Mittelpunkt ihres Protestes standen zwei im Frühjahr und Herbst 1996 durchgeführte Hungerstreikaktionen, die weder positive Reaktionen noch Solidaritätsbekundungen innerhalb der linken Szene hervorriefen. 1996 gab es keinerlei AlZ-Aktivitäten. Offensichtlich konnte mit der Festnahme der beiden Personen der wesentliche Teil der Gruppe ausgeschaltet werden. 4 Aktionsbzw. Agitationsschwerpunkte des linksextremistischZ-terroristischen Spektrums Personen und Gruppierungen des RAF-Umfeldes sowie das Spektrum des AIW, hier insbesondere der "Initiativkreis Libertad!", beschäftigten sich auch 1996 fortgesetzt mit dem Thema "Freiheit der politischen Gefangenen aus RAF und Widerstand"; zum Teil wurde auch die Freilassung des farbigen US-Häftlings Mumia Abu Jamal gefordert. Im Rahmen ihrer Kampagne für die Schaffung eines "internationalen Kampftages für alle politischen Gefangenen weltweit" hatte die Initiative "Libertad" für den 18. März 1996 einen bundesweiten Aktionstag initiiert, um durch verschiedene Aktivitäten dem "Wderstand gegen die staatliche Unterdrückung sowie der -41 - Folter und Todesstafe in Gefängnissen" besonderen Nachdruck zu verleihen. In diesem Zusammenhang fand u.a. am 17. März 1996 vor der Justizvollzugsanstalt Frankenthal, in der das frühere RAF-Mitglied Rolf HEIßLER einsitzt, eine Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit" mit etwa 70 Teilnehmern statt. Zu den Mitorganisatoren gehörten auch Personen aus der antiimperialistischen/autonomen Szene Kaiserslautern. Ein weiteres Aktionsfeld mit zunehmender Bedeutung innerhalb der gesamten linken Szene stellt die sog. Kurdistansolidarität dar. Solidaritätsbekundungen für ein "freies Kurdistan", verbunden mit indirekter propagandistischer Unterstützung der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und ihr nahestehender Gruppierungen, fanden überwiegend in Form von Informationsveranstaltungen und demonstrativen Aktionen statt. Schwerpunkt bildete u.a. eine breite Kampagne zum dritten Jahrestag des PKKVerbots am 26. November 1996. Die Zentren des Aktionismus lagen dabei im westund norddeutschen Raum; aber auch in Rheinland-Pfalz kam es zu vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen. Das in Mainz seit Sommer 1996 agierende "Kurdistan-Bündnis", das sich maßgeblich aus linksextremistischen Kräften zusammensetzt (u.a. "Autonome Antifa Mainz/Wiesbaden", DKP, SDAJ, PDS), zeigte in mehreren Veranstaltungen seine Unterstützungsbereitschaft für den "kurdischen Widerstand"; gleichzeitig forderte man die Aufhebung der Verbote kurdischer Organisationen. Das in Kaiserslautern aus Personen der örtlichen antiimperialistischen Szene bestehende "Komitee für Internationale Solidarität" besetzte Ende Juli 1996 das AStA-Büro der Universität Kaiserslautern, um seine Solidarität mit den in türkischen Gefängnissen einsitzenden kurdischen Widerstandskämpfern auszudrücken. Im November und Dezember 1996 führte das Komitee eine Reihe von Veranstaltungen und Filmvorträgen unter -42dem Motto "Freiheit für die Völker der Türkei - Freiheit für Kurdistan" durch. Der sog. Angriff des Staates auf linke Strukturen ("Repression"), z.B. in Form von "129a-Verfahren", bildete ebenfalls ein bevorzugtes Thema der linksextremistisch-terroristischen Szene und war Anlaß für vielfältige Aktionen, so u.a. am 24. Juni 1996 in Koblenz wegen des dort stattfindenden Prozesses gegen eine bekannte Szene-Angehörige aus Saarbrücken. Sonstige militante Linksextremisten (Autonome) Den größten Anteil gewaltbereiter Linksextremisten bilden Autonome, die auch 1996 wieder zahlreiche Gewalttaten verübten. Der Zulauf zu autonomen Gruppierungen/Zusammenhängen hält unvermindert an. Zum Jahresende 1996 betrug dieses Potential bundesweit mehr als 6.000 Personen. In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 120 Autonome, hauptsächlich in Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, Speyer und Trier. Ziel der Autonomen ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft, indem der von ihnen als "Schweinesystem" bezeichnete Staat zerschlagen wird. Autonome schließen sich grundsätzlich in lockeren Gruppierungen zusammen und lehnen eine formelle Organisation "und hierarchische Strukturen ab. Aktuelle bundesweite Organisationsinitiativen, vorwiegend auf "Antifa"Basis, stehen im Widerspruch zu diesem Grundprinzip und sind daher auch in ihrer Entwicklung nicht vorangekommen. Autonome beanspruchen "Freiräume" außerhalb der "herrschenden" Gesetze und "Zwänge", wie z.B. besetzte Häuser, "Infoläden" oder Jugendtreffs. Neben diesen Anlaufund Kontaktstellen - in Rheinland-Pfalz z.B. in Mainz, Speyer und Trier -nutzt die autonome Szene moderne Kommunikationsmittel (InfoTelefone und Mailboxen), so u.a. das 1991 in Mainz gegründete Mailboxnetz "Spinnennetz", das jetzt von Bonn, Frankfurt am Main und Hamburg aus betrieben wird. -43 - Große Bedeutung kommt nach wie vor den - zum Teil illegal verbreiteten - autonomen Szeneblättern zu, wie beispielsweise der wöchentlich in Berlin erscheinenden Schrift "INTERIM" oder der Untergrundzeitschrift "radikal", die seit kurzem auch vollständig im "Internet" abrufbar ist. Im September 1996 veranlaßte deshalb die Bundesanwaltschaft deutsche OnlineDienste, den Zugang zu der niederländischen "Internet"-Adresse von "radikal" zu sperren. Daraufhin wurde die "Internef'-Fassung der "radikal" auf mehrere andere ausländische Rechner kopiert. Für Rheinland-Pfalz sind die in Kaiserslautern zur Verteilung kommende Zeitschrift "K-BUTT - VÄLZISCHE PFOLXZEITUNG" und der in Speyer erscheinende "FeuerSPEYER" zu nennen. Die Bemühungen um eine stärkere Vernetzung und Organisierung des gewaltbereiten linksextremistischen (autonomen) Potentials hielten - wenn auch in vermindertem Umfang - im Jahre 1996 an. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO), die mehrere Gruppen aus verschiedenen deutschen Städten/Regionen umfaßt - darunter auch die "Autonome Antifa Mainz/ Wiesbaden" - ,zu nennen. Entsprechend ihrem Leitsatz: "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System" propagiert die AA/BO fortgesetzt militante Aktionsformen, insbesondere Angriffe gegen "faschistische Strukturen". Ein bevorzugtes Aktionsfeld bildeten dabei Solidaritätsbekundungen zum kurdischen Befreiungskampf. In diesem Bereich engagierte sich auch verstärkt die "Autonome Antifa Mainz/Wiesbaden". Ansätze zu einem fortwährenden informellen Erfahrungsaustausch und zur Organisierung zeigten - neben der AA/BO - auch die "Bundesweiten Antifa-Treffen" (B.A.T.). Die dort zusammenarbeitenden Gruppen starteten Ende 1996 eine bundesweite Kampagne unter dem Motto "Tuu Matsch Nazis". -44Die Aktionsfelder der Autonomen orientieren sich im wesentlichen an aktuellen und vermittelbaren Themen. Seit Jahren kommt dabei der "Antifaschismus"-Arbeit ("Antifa") große Bedeutung zu. Autonome spähen systematisch Rechtsextremisten und deren Strukturen aus und veröffentlichen ihre Recherchen in Broschüren und Flugschriften. Im Antifaschismus sehen sie jedoch nicht nur den bloßen Kampf gegen Rechtsextremisten, sondern vielmehr auch die Auseinandersetzung mit dem "imperialistischen System" und der Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland, die sie als "faschistisch" diffamieren. In Kaiserslautern kam es im Herbst 1996 wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linksund rechtsextremistischen Szene. Anlaßbezogen führte deshalb ein breites "Antifaschistisches Bündnis Kaiserslautern" am 30. November 1996 eine Demonstration unter dem Motto "Kampf dem Faschismus" mit überregionaler Beteiligung durch. Die Dezember-Ausgabe der örtlichen Zeitschrift "KBUTT" beschäftigte sich ebenfalls mit den "faschistischen Umtrieben" in Kaiserslautern; darüber hinaus wird darauf hingewiesen, "daß es niemals so notwendig war, Widerstand zu leisten" und "bestehende Verhältnisse anzugreifen". Zu einem weiteren herausragenden Aktionsfeld für militante Linksextremisten entwickelte sich die in der Hauptsache von friedfertigen Atomkraftgegnern getragene "Anti-Castor-Kampagne", die als politische Plattform mißbraucht wird, um mit militanten, illegalen Aktionen den eigenen revolutionären Zielen näher zu kommen. Im Zusammenhang mit dem zweiten Castor-Transport am 7.IQ. Mai 1996 kam es bundesweit zu erheblich gesteigerten Protestund Gewaltaktionen militanter (autonomer) Atomkraftgegner26. Besonders verwerflich waren die zahlreichen gefährlichen Eingriffe in den Bahnverkehr. Im Strecken 26 Auch den 3. Castor-Transport vom 3. bis 5. März 1997 nahmen Szeneangehörige wiederum zum Anlaß für Mobilisierungsaktionen und gewalttätigen Aktionismus. -45führungsbereich Rheinland-Pfalz, zwischen Wörth am Rhein und Berg (Kreis Germersheim), wurde neben dem Gleis ein verdächtiger Gegenstand entdeckt, der sich als Bombenattrappe herausstellte. Anfang Oktober 1996 gab es bundesweit erneut eine gegen die Deutsche Bahn AG gerichtete militante Aktionswelle. Die Verantwortung dafür übernahmen "Autonome Gruppen", die in einem mehrseitigen "Kommunique" dazu aufforderten, "einen offensiven Angriff auf die Infrastruktur von Bahn-, Stromund Staatseinrichtungen zu führen. Es gehe dabei nicht nur um die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen; zugleich müsse auch die Überwindung des "globalen Kapitalismus" und der "patriarchalen Herrschaftsverhältnisse" angestrebt werden. Dazu seien militante Aktionen ein notwendiges Mittel. In Rheinland-Pfalz gab es im Rahmen der "Anti-Castor-Kampagne" nur wenige militante Aktionen; gleichwohl kam es in den Städten Mainz, Trier und Kaiserslautern mehrfach zu Mobilisierungsaktionen. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ende 1996 gehörten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden bundesweit ca. 57.300 (1995: 55.100) und landesweit etwa - wie im Vorjahr - 1.250 Ausländer extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Organisationen an. 3.1 ..Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)27 Die in der Bundesrepublik Deutschland aktiven Mitglieder und Sympathisanten der PKK haben auch 1996 für ihr Ziel, ein unabhängiges Kurdistan zu erreichen, vielfältigen Aktionismus entwickelt. Darüber hinaus forderte 27 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Arbeiterpartei Kurdistans" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: September 1995), die beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3 - 5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) kostenlos angefordert werden kann. -46die PKK die Aufhebung des vom Bundesminister des Innern ausgesprochenen Vereinsverbots. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang vor allem der Aufruf an die Innenminister der Länder, anläßlich deren Konferenz am 22. November 1996 in Hamburg, einen Beitrag zur deutsch-kurdischen Verständigung zu leisten und das Vereinsverbot aufzuheben. Auffällig war, daß die PKK die Schraube der Gewalt nicht weiter angezogen hat, obwohl ihr Führer Abdullah ÖCALAN grundsätzlich weiter die bewährte Doppelstrategie verfolgte, einerseits gewaltfreien Aktionismus in Form von Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen, verstärkte Medienarbeit und Publikationsvielfalt, andererseits aber auch machtvolle Gewaltdemonstrationen mit schweren Sachbeschädigungen, Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften sowie Androhung von Gewalt gegen Personen und Einrichtungen. ÖCALAN hat sich im Laufe des Jahres 1996 mehrfach in den Medien zur Lage seiner Partei und deren Zielsetzung geäußert. Während er Ende 1995 und Anfang des Jahres 1996 der Bundesrepublik Deutschland allenfalls unterschwellig drohte, bezog er gegenüber dem der PKK nahestehenden Fernsehsender MED-TV am 28. Januar 1996 deutlicher Stellung: "Die Unterdrückung der Kurden ist unerträglich geworden. Sie sind nahe daran zu explodieren. Deutschland wird es erleben, wenn der Waffenstillstand keine positiven Antworten erfahren sollte, wird es in Europa eine Massenerhebung geben, in erster Linie in Deutschland und dabei werden hunderte von Menschen sterben" und "... wenn morgen 50 deutsche Touristenleichen in Deutschland ankommen, dürfen die Verantwortlichen nicht überrascht sein. Auch wenn in Deutschland unkontrollierte Ausschreitungen stattfinden sollten, sollten sie sich ebenfalls nicht wundern, weil dort Unrecht geschieht". Anfang Mai 1996 schlug er jedoch eine andere Linie ein. In einem Interview mit dem ZDF am 5. Mai 1996 teilte er mit, "seine Partei werde in Zu- .*^^^^^(tm) -47kunft jegliche Gewalt in Deutschland unterlassen". Er habe seine Anhänger aufgefordert, Gewaltaktionen in Deutschland, wie anläßlich des kurdischen Newroz-Festes, 1996 nicht zu wiederholen. Die Kurden müßten sich an die deutschen Gesetze halten. Dabei räumte er Fehler seiner Organisation ein und betonte, gezielte Aktionen gegen deutsche Türkeitouristen seien zu keiner Zeit geplant gewesen. Er forderte im übrigen die deutschen Politiker dazu auf, die "kurdische Sache" nicht weiter durch die "türkische Brille" zu sehen und brachte seinen Wunsch nach einem Dialog mit der deutschen Seite zum Ausdruck. In ähnlicher Weise äußerte er sich auch am 20. Mai 1996 in der Zeitung "Die Welt", wobei er den Wunsch aussprach, Deutschland solle eine Vermittlerrolle zwischen der PKK und der Türkei übernehmen. Erstmals rückte er - zumindest verbal - von seiner bisherigen Forderung nach einem eigenen Kurdenstaat ab und erwog die Möglichkeit einer Eingliederung in eine föderalistische demokratische Türkei nach dem Modell der Bundesrepublik Deutschland. Ende Juni/Anfang Juli 1996 berichteten mehrere der PKK nahestehende Publikationen von einer im Mai 1996 in Kurdistan durchgeführten 4. Nationalkonferenz der PKK. Insbesondere habe sich dabei ÖCALAN zur aktuellen politischen Lage, der Führungsrealität, der ideologisch-politischen Entwicklung in der PKK und über die befreiten Gebiete geäußert. Insgesamt sei der Kampf der PKK gegen das "imperialistisch-kapitalistische System" gewürdigt worden. In bezug auf die verstärkten Angriffe des türkischen Militärs, trotz des einseitig von der PKK verkündeten Waffenstillstandes, gab er der Entschlossenheit Ausdruck, die militärische Stärke rasch auszuweiten und auch militärische Vorstöße in die türkischen Städte zu tragen für den Fall, daß die Entwicklung anhalte. Er schloß auch den Einsatz sog. "Selbstmordkommandos" auf "Ziele von strategischer Bedeutung" nicht aus. Wie alljährlich gab die PKK aus Anlaß ihres 12. Jahrestages der Aufnahme des bewaffneten Kampfes (15. August 1984) eine Erklärung durch ih- -48re ebenfalls vom Bundesministerium des Innern verbotene Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistan" (ERNK) heraus28. Darin heißt es u.a., die PKK und das kurdische Volk seien weiterhin psychologischen und terroristischen Angriffen des "Internationalen Imperialismus" ausgesetzt. Die Zentren befänden sich in Ankara, Brüssel und Bonn. Die Angriffe gegen die PKK dauerten an. Das zeigten auch die Attentatsversuche auf den Vorsitzenden APO29, die zeitweise Schließung des kurdischen Fernsehsenders MED-TV und die Bezichtigung der PKK als "Terrororganisation" beim G7-Treffen30 Wenn das Kurdenproblem nicht in der richtigen Form angegangen werde und auf das Waffenstillstandsangebot der PKK keine sachgerechte Antwort erfolge, werde sich demnächst eine sehr stürmische Schlacht entwickeln. Demgegenüber wiederholte ÖCALAN in einem am 15. September 1996 im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Interview, daß er seine Partei und ihre Sympathisanten angewiesen habe, in Deutschland keine Gewalt mehr anzuwenden. Die PKK habe in der Vergangenheit Fehler gemacht, die sich nicht wiederholen dürften. Gleichwohl habe die deutsche Regierung die Fehler der PKK zu hart bestraft, was durch das übertriebene Parteiverbot zum Ausdruck komme. Neben der ERNK nutzte ÖCALAN auch weitere PKK-Nebenorganisationen31, wie z.B. den "Freien Frauenverband Kurdistans" (YAJK), zu Propagandazwecken. In einem Flugblatt ist davon die Rede, daß die Frau "im nationalen Befreiungskampf eine wichtige und unentbehrliche Rolle spiele. Mehr als 35% der Mitglieder des bewaffneten Arms der PKK, der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK)32, seien Frauen. Der Frauen28 Veröffentlicht am 14. August 1996 in der PKK-nahestehenden türkischsprachigen Tageszeitung "Özgür Politika" (Freie Politik) 29 APO = Onkel, Spitzname von Abduallah ÖCALAN. 30 Wirtschaftsgipfel der sieben führenden Industrienationen. 31 Weitere Nebenorganisationen sind "Union der Patriotischen Arbeiter aus Kurdistan" (YKWK), .Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK), .Union zur Pflege der kurdischen Kultur e.V." (YRWK), "Verband der Studentinnen aus Kurdistan" (YXK). 32 Bei der ARGK handelt es sich um die Kampforganisation der PKK, die nur in der Türkei existiert. -49verband habe u.a. das Ziel, kurdische Frauen außerhalb der Türkei für die Unterstützung des "nationalen" und "sozialen" Befreiungskampfes zu organisieren und zur aktiven Teilnahme am Kampf zu ermutigen. Zudem besteht der dringende Verdacht, daß die PKK künftige Guerillakämpfer auch unter in Deutschland lebenden kurdischen Jugendlichen gegen den Willen ihrer Eltern anwirbt bzw. mit erpresserischen Methoden dazu verpflichtet. 3.1.1 Aktionismus Vor allem im März 1996 setzte die PKK bei ihren Aktionen noch auf brutale Gewalt. Schwere Ausschreitungen gab es anläßlich einer Demonstration in Bonn, die von der YAJK am 9. März 1996 anläßlich des "Internationalen Frauentages" durchgeführt wurde. Die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zeigten mehrfach Fahnen mit Symbolen der verbotenen PKK/ERNK. Bei polizeilichen Kontrollen wurden die Beamten mit Flaschen, Dosen und Pflastersteinen beworfen. Im Verlauf der Auseinandersetzungen erlitten 12 Polizeibeamte erhebliche Verletzungen. Darüber hinaus kam es zu schweren Sachbeschädigungen. 30 Personen wurden vorläufig festgenommen. Zu weiteren Eskalationen führte eine verbotene Demonstration am 16. März 1996 in Dortmund. Die zunächst unter Auflagen genehmigte Veranstaltung unter dem Motto "Politische-demokratische Lösung für Kurdistan" war unter dem Eindruck zu erwartender Ausschreitungen am 12. März verboten worden. Trotz eingerichteter Kontrollstellen gelangten Demonstranten in die Innenstadt, bewarfen polizeiliche Einsatzkräfte mit ausgegrabenen Pflastersteinen und verübten Sachbeschädigungen. Mehr als 2.000 Demonstranten in der Innenstadt von Dortmund schlössen sich teilweise zu Sitzblockaden zusammen und führten eine abschließende Versammlung durch. -50Bereits im Vorfeld waren bundesweit mehrere PKK-Anhänger an der Anfahrt nach Dortmund gehindert worden. Auch dabei war es in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens, Thüringens sowie in Hamburg und Berlin zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes "Newroz" (21. März)33 demonstrierten mutmaßliche PKK-Anhänger am 19. März 1996 vor den Landtagsgebäuden in Hannover, Düsseldorf und Mainz. In Hannover und Mainz wurden Resolutionen übergeben, wobei die Aktionen friedlich verliefen. Eine in Mainz für den 21. März 1996 vorgesehene Demonstration war wegen möglicher PKK-Beteiligung und zu befürchtender Ausschreitungen nicht genehmigt worden. Bei den im Verlauf des Tages in und um Mainz durchgeführten Kontrollen beschlagnahmte die Polizei vier Benzinkanister sowie einzelne Hiebund Stichwaffen. PKK-Anhänger dürften auch für die im März offensichtlich im Zusammenhang mit dem Newroz-Fest verübten mindestens 16 Brandanschläge mittels Molotowcocktails auf Polizeiwachen, Banken und Postämter u.a. in Dortmund, Kassel, Bremen, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen und Wiesbaden verantwortlich sein. Nach beschwichtigenden Erklärungen ÖCALANs im Mai 1996 u.a. im ZDF ebbte die Welle der Gewalt ab. Die am 15. Juni 1996 in Hamburg durchgeführte "Friedensdemonstration" mit ca. 40.000 kurdischen Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet verlief friedlich. Diese Veranstaltung ist ein deutlicher Beleg für die von der PKK angewandte Doppelstrategie. Während der Kundgebung wurde eine Rede ÖCALANs eingespielt, der Respekt gegenüber der deutschen Gesetzgebung und Demokratie äußerte, gleichwohl aber die Aufhebung des "sinnlosen Parteiverbots" fprderte. Neben den öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen führte die PKK regionale "Volksversammlungen" durch, die als kulturelle Veranstaltungen 33 Auch im März 1997 fanden bundesweit wiederum Aktionen zum "Newroz"-Fest statt. -51 - getarnt wurden. In den "Volksversammlungen" erhalten die Mitglieder einen aktuellen Überblick über die Ereignisse in Kurdistan und werden über die von der Partei gefaßten Beschlüsse und deren beabsichtigte Umsetzung informiert. Um eine solche Versammlung handelte es sich vermutlich auch am 12. Mai 1996 mit ca. 1.500 Beteiligten in Eich bei Worms. An einer ähnlichen Veranstaltung, die sich insbesondere an kurdische Frauen richtete und von der YAJK initiiert war, nahmen am 19. Mai 1996 in Lambrecht (Kreis Neustadt/Weinstraße) etwa 1.500 Personen, überwiegend Frauen teil. Auch die im August 1996 anläßlich des 12. Jahrestages der Aufnahme des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei (15. August 1984) bundesweit durchgeführten Zusammenkünfte u.a. in Köln, Essen, Neuss und Ulm sowie die Veranstaltungen anläßlich der Parteigründung am 27. November 1978 u.a. in Hamburg, Bonn, Hannover, Darmstadt und Saarbrücken verliefen friedlich. Dies trifft auch auf die größte Propagandaveranstaltung der PKK, das "Friedensfestival Kurdistan", am 21. September 1996 in Köln mit mehr als 60.000 überwiegend PKK-Sympathisanten und Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet und den europäischen Nachbarländern zu. Allerdings blockierten ca. 400 aus Frankreich anreisende Teilnehmer bei Trier fünf Stunden lang die Autobahn, weil ihnen wegen fehlender Visa der Grenzübertritt verweigert wurde. Sie drohten mit Selbstverbrennungen, sollte man ihrer Forderung nach Ausstellung von Tagesvisa nicht nachkommen. Eine drohende Eskalation konnte nach mehrstündigen Verhandlungen vermieden werden. Schließlich räumten die Blockierer die Autobahn und reisten nach Frankreich zurück. 3.1.2 Spendenkampaqne 1996 Um ihren enormen Finanzbedarf zu decken, scheuen die PKK-Geldeintreiber, wie in der Vergangenheit, auch nicht vor der Anwendung von .. . _ ._ iiairidniiiMiwiim - - -52Gewalt zurück. Spendenunwillige Personen werden zu mitunter erheblichen Beträgen erpreßt. So wurden am 9. Januar 1996 in Bielefeld und am 28. August 1996 in Köln Kurden von PKK-Angehörigen mit Stöcken zusammengeschlagen und mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden; sie hatten mehrfach Zahlungen verweigert. In drei Fällen gehen rheinlandpfälzische Ermittlungsbehörden ebenfalls von Spendenerpressungen für. die PKK aus. Es handelt sich um Vorfälle in Mendig (Januar 1996), Andernach (August 1996) und Mainz (31. Oktober 1996). Die Spendenvorgaben für die Kampagne 1996/1997 bewegen sich etwa in der gleichen Höhe wie im Vorjahr; das waren für Europa ca. 50 Mio. DM und in Deutschland ca. 25 Mio. DM, Das Spendenziel ist nach ersten Erkenntnissen allerdings nicht ganz erreicht worden. 3.1.3 Staatliche Maßnahmen Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder konnten im Laufe des Jahres 1996 mehrere kurdische Extremisten festnehmen, Ermittlungsverfahren gegen sie einleiten und dadurch das Funktionärsgefüge der PKK in der Bundesrepublik Deutschland schwächen. In einer Reihe von Prozessen wurden kurdische Straftäter zum Teil zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Weiterhin wurden Vereine verboten, z.B. der "Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein" in Stuttgart am 13. Mai 1996, eine Vielzahl von Wohnungen von PKK-Angehörigen durchsucht sowie Spendengelder und Propagandamaterial sichergestellt. In Rheinland-Pfalz verurteilte am 4. Oktober 1996 das Landgericht Mainz einen 24 Jahre alten Kurden zu zwei Jahren Haft, weil er im März 1995 zusammen mit einem Landsmann einen Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro in Mainz verübt hatte. -53Bei einer umfangreichen Durchsuchungsaktion vornehmlich in Süddeutschland, u.a. auch in Rheinland-Pfalz, von mehr als 50 Objekten am 22. Oktober 1996 wurden zahlreiche Beweismittel, darunter PKK-Fahnen und Symbole, Schriften sowie Spendengeldquittungen und Bargeld sichergestellt. Nach einem der Beteiligten war mit Haftbefehl wegen des Verdachts der räuberischen Erpressung und gefährlichen Körperverletzung gesucht worden. Zu dieser Angelegenheit äußerte sich am 23. Oktober 1996 die "Nationale Befreiungsfront Kurdistan" (ERNK) und verurteilte die Durchsuchungen. Häuser von hunderten von "Patrioten" seien ohne rechtliche Begründung durchsucht worden. Die Angriffe müßten sofort gestoppt werden. Im übrigen dienten sie dazu, die positive Haltung ÖCALANs, die dieser gegenüber Deutschland eingenommen habe, ins Leere laufen zu lassen. Falls die Übergriffe andauerten, werde die deutsche Regierung für die Folgen verantwortlich sein. Am 3. Dezember 1996 führten Ermittlungen rheinland-pfälzischer Sicherheitsbehörden zu umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen gegen mutmaßliche PKK-Aktivisten in 29 Objekten in Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. In Mainz war der "Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein" durchsucht worden, daneben Wohnungen in Bad Kreuznach und Alzey. Am 9. Januar 1997 konnte in Mainz nach polizeilichen Ermittlungen eine Person festgenommen werden, die eine maßgebliche Rolle für die PKK im Raum Mainz gespielt haben soll. Die bei ihr festgestellten Unterlagen deuten darauf hin, daß sie dem Führungsbereich der PKK zuzuordnen ist. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 3.1.4 Neue Organisationen Im Jahre 1996 sind mehrere Organisationen gegründet worden, bei denen es sich um Vorfeldorganisationen der PKK handeln dürfte. So berichtete -54am 20. Februar 1996 die "Özgür Politika" über die am 17./18. Februar 1996 in Köln stattgefundene Gründungsversammlung der "Union der Journalisten Kurdistans" (YRK). In ihrer Satzung spricht diese u.a. von der Entwicklung des "nationalen" und "sozialen" Kampfes des kurdischen Volkes, was insoweit der Zielrichtung anderer PKK-Organisationen entspricht. Wie die "Özgür Politika" am 3. März 1996 berichtete, führte die "Union der Juristen Kurdistans" (KHB) am 2./3. März 1996 in NordrheinWestfalen ihre Gründungsversammlung durch. An der Veranstaltung nahmen Kurden aus Belgien, Luxemburg und Frankreich teil. Nach Angaben des kurdischen Fernsehsenders MED-TV wurde während der Versammlung eine Botschaft Abdullah ÖCALANs von einem Tonband abgespielt. Er begrüßte den Zusammenschluß der Juristen, die das Rechtssystem der Kolonialmächte durch ein nationales Rechtssystem ersetzen müßten. In der "Özgür Politika" vom 14. Oktober 1996 wurde auch die Gründung der "Schriftstellervereinigung Kurdistans", die am 12. Oktober 1996 in Köln stattgefunden haben soll, bekanntgegeben. Im Bereich der PKK zuzurechnender Publikationen wurde im April 1996 eine von der Nachrichtenagentur DEM herausgegebene Schrift "DEMNews Bulletin" in englischer Sprache bekannt, in dem diese erklärt, sie wolle die kurdischen Angelegenheiten transparent machen und dafür sorgen, daß die Realität des Krieges in Kurdistan bekannt werde. In der Erstausgabe beschäftigten sich die Verfasser überwiegend mit dem "Befreiungskampf der PKK in der Türkei". Bei der DEM handelt es sich nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden um eine Nachfolgeorganisation der verbotenen "Kurdisch-Deutschen Presseagentur" (KURD-A), die ihrerseits die ebenfalls verbotene "Kurdistan Haber Ajansi/News Agency" (KURDHA) abgelöst hatte. -553.1.5 Solidaritätsbestrebungen Die PKK nimmt grundsätzlich für sich in Anspruch, die alleinige Vertreterin der kurdischen Sache zu sein. In der Vergangenheit hat sie deshalb nur wenige Kontakte zu anderen Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen geknüpft. Punktuelle Solidaritätsaktionen, wie beispielsweise am 28. September 1996 in Berlin, Köln, Bremen und Stuttgart aus Anlaß von Gefangenenrevolten in türkischen Haftanstalten, mit anderen türkischen Linksexstremisten bilden eher die Ausnahme. Am 22. Dezember 1996 ist erstmals ein "gemeinsames Protokoll" zwischen der PKK und der türkischen "Revolutionären Volksbefreiungspartei" (DHKP) u.a. auch im Internet verbreitet worden. In einem Flugblatt heißt es, beide Organisationen hielten es für notwendig, im Rahmen einer (zu bildenden) "Revolutionären Front" den gemeinsamen Kampf gegen das türkische "Ausbeutungsund Unterdrückungsregime" zu führen und dessen Sturz vorzubereiten. Im übrigen wolle man auch die Militärbasen "imperialistischer" Länder auf dem Territorium der beiden Völker beseitigen. Zum Schluß enthält das Protokoll den Appell an alle "demokratischen, fortschrittlichen Organisationen", den schrittweisen Aufbau der "Revolutionären Front" zu unterstützen. Die Zeitung "Özgür Politika" berichtete bereits am 28. Dezember 1996 über den Aufbau der geplanten Front. Deutsche Linksextremisten haben in der Vergangenheit durch Demonstrationsteilnahme und Eigeninitiative die "kurdische Sache" vehement unterstützt. Dies reicht von der bloßen Anmeldung kurdischer Veranstaltungen bis hin zur verbalen und tatsächlichen Unterstützung. So erschien in Mainz die von Personen aus dem "Antiimperialistischen Widerstand" herausgegebene Szenepublikation "clockwork" (Ausgabe Frühjahr 1996, Nr. 39/40), die als Positionspapier eine Bewertung der aktuellen "strategischen Situation der PKK in der Türkei" abgibt. Darin heißt es, es sei an der Zeit, Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf durch den -56Aufbau einer "revolutionären Perspektive in der BRD" zu zeigen. Die deutschen Metropolenlinken müßten selbst zum "revolutionären Subjekt" werden, das in der Lage sei, den "deutschen Imperialismus" in seinem Innern zu lähmen. 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol'VDev Sol) Die "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) ist nach anhaltenden Flügelkämpfen im Jahre 1994 in zwei eigenständige, sich unversöhnlich gegenüberstehende Organisationen zerfallen. Beide versuchen in Rivalität zueinander, die im Jahre 1983 vom Bundesinnenminister wegen schwerer Gewalttaten verbotene Organisation fortzuführen. Der sog. KARATAS-Flügel34 hat sich in "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) umbenannt. Innerhalb der DHKP-C bildet die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP) den politischen, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC) den militärischen Arm. Der sog. YAGAN-Flügel35 verwendet die Bezeichnung "Türkische Volksbefreiungspartei/-front-Devrimci Sol" (THKP-C-Devrimci Sol). In Deutschland treten sowohl die DHKP-C als auch die THKP-C-Devrimci Sol in Erscheinung. Sie finanzieren sich neben Mitgliedsbeiträgen hauptsächlich aus regelmäßig durchgeführten Spendenkampagnen. Die Eintreibung der "Spenden" erfolgt auch unter Androhung von Gewalt. Anhängern beider Gruppierungen gelang es auch im Jahre 1996 wieder, Protestaktionen in der Bundesrepublik Deutschland wegen aktueller Vorfälle in der Türkei, wie Festnahmen von Gesinnungsgenossen auf türki34 Benannt nach dem langjährigen Leiter der "Devrimci Sol", Dursun KARATAS. 35 Bei Bedri YAGAN handelt es sich um einen am 5. März 1993 von türkischen Sicherheitskraften getöteten Dev SolFührungsfunktionär. -57schem Gebiet oder Häftlingsrevolten in türkischen Gefängnissen, durchzuführen. Sie dürften auch für zahlreiche Brandanschläge im Januar 1996 gegen türkische Einrichtungen im Bundesgebiet verantwortlich sein. Außerdem führten sie Besetzungsaktionen in mehreren Städten Deutschlands durch; so drangen 13 Aktivisten der DHKC am 5. Januar 1996 in Mainz in die Geschäftsräume des türkischen Arbeitsattaches ein. Mit dieser Aktion wollte die DHKC öffentlichkeitswirksam auf die Niederschlagung einer Häftlingsrevolte in der Türkei aufmerksam machen. Die Teilnehmer der Besetzung vom 5. Januar 1996 wurden vom Amtsgericht Mainz bereits am 12. Januar 1996 wegen Hausfriedensbruchs zu Haftstrafen zwischen sechs und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Auch in Zukunft muß damit gerechnet werden, daß auf vergleichbare Vorfälle in der Türkei spontan auch gewalttätige Aktionen in Deutschland durchgeführt werden. "Türkische Kommunistische Partei(Marxisten-Leninisten)" (TKPfML]) Die im Jahre 1972 in der Türkei gegründete TKP(ML) hat sich faktisch in zwei organisatorisch unabhängige Flügel gespalten, den "Partizan"-Flügel und das dominierende "Ostanatolische Gebietskomitee" (DABK). Beide Gruppierungen finanzieren sich hauptsächlich durch jährlich veranstaltete Spendenkampagnen, wobei es immer wieder zu gewaltsamen Erpressungen von Geldern kommt. Auch im Jahre 1996 nahmen Anhänger des DABK tagespolitische Ereignisse in der Türkei zum Anlaß für öffentlichkeitswirksame Gewaltakte gegen türkische Einrichtungen in Deutschland. So kam es im Zusammenhang mit einer in mehreren türkischen Gefängnissen von politischen Gefangenen durchgeführten Hungerstreikaktion im Bundesgebiet im Juli 1996 zu einer Serie von gewaltsamen Aktionen (Brandanschläge, Besetzungsaktionen) gegen türkische Einrichtungen. -58An diesen gewalttätigen Solidaritätsaktionen beteiligten sich auch Anhänger der TKP(ML), der DHKP-C und der "Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei" (MLKP)36. Auch künftig muß mit weiteren Gewaltaktionen der TKP(ML) gerechnet werden. 4. SPIONAGEABWEHR 4.1 Allgemeine Lage Die vielfältigen Aktivitäten der Aufklärungsdienste fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland haben auch 1996 vor allem mit Zielrichtung Wirtschaft unverändert fortbestanden. 37 Die zunehmende Globalisierung hat bereits ansatzweise zur Herausbildung neuer zukünftig dominanter Wirtschaftsräume geführt. Eine fortschreitende Liberalisierung des Welthandels bewirkt, daß die führenden Wirtschaftsnationen in einen verstärkten Wettbewerb eintreten und sich neu orientieren müssen, um Marktanteile zu erhalten und auszubauen. Produktionsverlagerungen in infrastrukturell gut organisierte Billiglohnländer beschleunigen diesen Prozeß. Dabei scheinen ehemalige Ostblockstaaten wegen nach wie vor bestehender vielfältiger Hemmnisse und der schwer kalkulierbaren sicherheitspoHtischen Lage für potentielle Investoren offenbar eher risikobehaftet. Der Demokratisierungsprozeß und eine insbesondere die Volkswirtschaft belebende Entwicklung werden damit weiterhin verzögert. Der Aufbau einer zukunftsträchtigen und konkurrenzfähigen eigenen Industrie, die nicht ausschließlich auf die Produktion mili36 Bei der MLKP handelt es sich um eine revolutionär-marxistische Gruppe. Ihr Ziel ist die Etablierung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei. 37 Beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz kann eine zum Thema "Wirtschaftsspionage" herausgegebene Broschüre angefordert werden. Ratsuchende können unter der Telefonnummer 06131/163773 Kontakt aufnehmen. -59tärischer Güter ausgerichtet ist, mit entsprechenden Forschungsund Entwicklungskomponenten ist noch nicht sichtbar. Vor diesem Hintergrund finden die nachhaltigen Aufklärungsbemühungen gerade der russischen Nachrichtendienste gegenüber westlichen Industriestaaten ihre logische Erklärung. Die Einrichtung von eigenen Schwerpunktabteilungen bei den Diensten zeigt das besondere Aufklärungsinteresse an der Bundesrepublik Deutschland. Der Hightech-Standort Deutschland steht zudem auch im besonderen Blickfeld der sog. Krisen-und Schwellenländer (z.B. Iran, Irak, Syrien, Libyen, Nord-Korea). Im Rahmen ihrer Proliferationsbestrebungen versuchen sie, ihre militärische Logistik aus Gründen der Machterhaltung und des Hegemonialstrebens auszubauen. Ihre politischen Absichten sehen die Regierungen dieser Länder durch die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Oppositionellen und Regimekritiker gefährdet. Dem Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse darüber vor, daß diese und ihre Organisationen in Deutschland im nachrichtendienstlichen Auftrag unterwandert werden, um die Mitglieder auszuspähen und mit Repressalien gegen sie vorzugehen. Auch die Spionageabwehr des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes hat sich auf diese neue Entwicklung eingestellt. Im Rahmen einer angestrebten Sicherheitspartnerschaft wurde und wird versucht, die von möglichen Aktivitäten betroffenen Industrieund Wirtschaftsunternehmen im Lande entsprechend zu sensibilisieren. Allerdings scheint das Sicherheitsbewußtsein einschließlich der Bereitschaft, entsprechende Eigenvorsorge gegen eine nachrichtendienstlich gesteuerte Wirtschaftsspionage in den Unternehmen zu treffen, nicht immer im entsprechenden Maße gegeben. -60Russische Nachrichtendienste Die aktuelle Erkenntnislage, insbesondere zu Aufklärungszielen der russischen Nachrichtendienste, hat bestätigt, daß diese ihren gesetzlichen Auftrag, verstärkt Wirtschaftsspionage gegen Deutschland zu betreiben, nachkommen. Als ein weiterer Schwerpunkt der russischen Nachrichtendienste ist jeglicher Erkenntnisgewinn, der die aktuellen Themen der NATO-Osterweiterung und der EU-Mitgliedschaft ehemaliger Ostblockstaaten betrifft, anzusehen. Im zivilen russischen Auslandsnachrichtendienst (SVR) bildet die Beschaffung von Wirtschaftsinformationen seit Anfang der 90er Jahre einen Aufklärungsschwerpunkt. Der SVR verfügt dazu über eine eigene Verwaltung für Wirtschaftsspionage. Dies ist durch Äußerungen des 1. stellvertretenden Direktors des SVR, SHCHERBAKOV, im Mai 1996 belegt. General LEBED hatte im Juni 1996 dazu aufgefordert, das Potential des SVR für den Bereich Wirtschaft besser zu nutzen. Der Einsatz von menschlichen Quellen hat sich für die russischen Dienste - neben der elektronischen Aufklärung - als unverzichtbar erwiesen. Auch war feststellbar, daß die Wirtschaftsspionage ausländischer Dienste sich aller "erprobten nachrichtendienstlichen Verfahrensweisen" bedient. Dazu gehören die Gesprächsabschöpfung, die Informationsbeschaffung mit technischen Mitteln, der Einsatz getarnter Mitarbeiter, die Anwerbung und der verdeckte Einsatz von Agenten in Firmen, die Gründung von Tarnfirmen oder die Nutzung wirtschaftlicher Beziehungen bzw. Verflechtungen (z.B. sog. Joint Ventures). Die russischen Nachrichtendienste bedienen sich in der Privatwirtschaft zudem bevorzugt der "nicht traditionellen Abdeckung" von Agenten, die - -61 - in unterschiedlichen Funktionen in Unternehmen plaziert - im Rahmen ihrer Wirtschaftskontakte nachrichtendienstlich relevante Zugangslagen nutzen. Dies erschwert den Nachweis einer Spionagetätigkeit in besonderem Maße. Die rasch wachsende Zahl von deutschen Firmen mit GUSBeteiligung, auch in Deutschland, bietet dazu ausreichend Gelegenheit. SVR-Angehörige suchten in der Vergangenheit in ganz Rußland Geschäftsleute, Firmen, Behörden, wissenschaftliche Institute und ähnliche Einrichtungen auf. Sie erkundigten sich danach, welche Firmeninhaber oder Mitarbeiter ins westliche Ausland reisen. Vor Reiseantritt wurden diesen Personen für die zu besuchenden Objekte oder Kontaktpersonen Fragenkataloge übergeben. Abgeschöpft wurden die Reisenden dann unmittelbar nach ihrer Rückkehr durch die örtlichen Dienststellen des SVR. Ferner müssen in Rußland sämtliche Bedienstete von Behörden ihre Kontakte zu Ausländern schriftlich dem SVR anzeigen; dies gilt auch für Zufallsbekanntschaften. Zu melden sind dabei detailliert die Gesprächsinhalte. Auch der militärische Nachrichtendienst Rußlands (GRU) befaßt sich schwerpunktmäßig mit der Beschaffung von Informationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Ein militärischer Bezug muß nicht unbedingt gegeben sein. Der GRU gründete dazu eigens die 15. Verwaltung (Industriespionage). Der russischen "Bundesagentur für das Nachrichtenund Informationswesen der Regierung beim Präsidenten" (FAPSI) obliegt laut Gesetz über die Auslandsaufklärung vom 17.01.1996 ebenfalls die Informationsbeschaffung auf wirtschaftlichem und wissenschaftlich-technischem Gebiet. Die FAPSI hat in den letzten Jahren den Wirkungskreis auf private Unternehmen wie Banken, Handelsund Industriebetriebe erweitert. Private Konkurrenten von FAPSI benötigen eine entsprechende Genehmigung zur Ausübung ihrer geschäftlichen Aktivitäten. Durch das faktische Monopol auf die Bereitstellung von Sicherheit beim technischen Informations- -62schutz erschließt sich für den Dienst nicht nur eine bedeutende Einnahmequelle, sondern auch ein Informationsspektrum, das er nachrichtendienstlich auswertet. 4.3 Sonstige ehemalige Ostblockstaaten Auch wenn von einzelnen ehemaligen Ostblockstaaten versichert wird, keine Spionage mehr gegen die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben, entspricht dies nicht immer der Realität. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, daß eine Vielzahl dieser Staaten Gesprächsaufklärung, insbesondere zum Thema Wirtschaftsspionage betreibt. Der polnische Auslandsnachrichtendienst UOP bildet z.B. verstärkt Journalisten, Handelsvertreter, Bankkaufleute und Wissenschaftler für illegale Einsätze im Ausland aus, will sie aber nach eigenem Bekunden nicht einsetzen. Ungeachtet dessen hat er eine besondere Unterabteilung gegründet, die sich ausschließlich mit der Zielrichtung Bundesrepublik Deutschland befaßt. Die rumänischen Aufklärungsdienste beobachten offen und verdeckt die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Machtwechsel in Rumänien bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit die dort wachsenden demokratischen Strukturen ggf. auch eine Einstellung der gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Spionage nach sich ziehen. Insgesamt trifft aber für alle ehemaligen Ostblockstaaten zu, daß sie Spionage im klassischen agressiven Sinne z.Zt. mit größerer Zurückhaltung betreiben, um außenpolitische Interessenlagen nicht zu beeinträchtigen. -63Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Unverändert muß davon ausgegangen werden, daß die Überwerbung ehemaliger hauptamtlicher MfS-Angehöriger bzw. die Reaktivierung noch nicht erkannter Agenten der früheren DDR-Dienste durch östliche, insbesondere russische Nachrichtendienste bis heute anhält. Im Berichtszeitraum wurden gegen 17 Personen aus Rheinland-Pfalz Ermittlungsverfahren eingeleitet bzw. mit Haftund/oder Geldstrafen/Geldbußen abgeschlossen oder wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. GEHEIMSCHUTZ Die Erkenntnisse aus dem Bereich der Spionageabwehr bestätigen die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Geheimund Sabotageschutzes. Aufgabe des Geheimschutzes ist es, nachrichtendienstlichen Angriffen durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Dabei wirkt die Verfassungsschutzbehörde im Rahmen des personellen Geheim Schutzes ebenso wie beim personellen Sabotageschutz bei Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen mit und fördert als Fachbehörde durch entsprechende Informationen das Sicherheitsbewußtsein der auf allen Behördenebenen des Landes tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Bereich des materiellen Geheimschutzes übernimmt der Verfassungsschutz eine wichtige Beratungsfunktion gegenüber den öffentlichen Dienststellen in Rheinland-Pfalz bei der Durchführung technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen. -64lm Hinblick auf die am 12.03.1996 in Kraft getretene neue Anweisung zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlußsachen (VS-AnweisungA/SA Rheinland-Pfalz) wurden die mit Verschlußsachen betrauten Dienststellen des Landes in mehreren Veranstaltungen über die eingetretenen Veränderungen informiert. -65C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in RheinlandPfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Deutsche Nationalisten" (DN) Am 2 1 . Juli 1993 wurde die DN von dem bekannten Neonazi Michael PETRI aus Hessen gegründet. Die Organisation mit Sitz in Mainz strebt unter maßgeblicher Beteiligung von PETRI eine bundesweite Ausdehnung an. In Rheinland-Pfalz hat sie nur wenige Mitglieder. Die DN versteht sich als Partei und ist beim Bundeswahlleiter registriert. Eine Anerkennung als Partei ist damit allerdings noch nicht verbunden. Am 29. September 1995 wurde vor dem LG Koblenz gegen mehrere DN-Angehörige ein Verfahren wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung ("Deutsche Alternative") nach SS 20 Vereinsgesetz eröffnet. Seit dem 30. Oktober 1996 wird das Verfahren ausschließlich gegen PETRI, der seinen Austritt aus der Szene erklärte, und die Eheleute Curt und Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim geführt. 1.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte NS-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz38 Gonsenheim als 1. Vorsitzende. Bei der Jahreshauptversammlung am 9. März 1996 in Bad Durkheim wurde MÜLLER für weitere drei Jahre in ihrem Amt bestätigt. Die HNG - mit bundesweit annähernd 350 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" zielt auf die nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die neonazistische Szene ab. Die HNG rief mehrfach zur Solidarität für den "politisch verfolgten" USAmerikaner Gary Rex LAUCK auf, der am 22. August 1996 vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde (vgl. S. 18). Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 38 Am 8. März 1997 fand in Fuldabrück/Hessen die Jahreshauptversammlung 1997 der HNG mit ca. 150 Teilnehmern statt. -66"Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Nachdem der Neonazi Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein am 30. Mai 1995 sein Ausscheiden "aus dem nationalpolitischen Widerstand in der BRD" erklärt hatte, kamen die Aktivitäten der von ihm im Jahre 1986 gegründeten "nationalen sozialistischen Kampfgruppe" zunächst völlig zum Erliegen. Im 2. Halbjahr 1996 wurden jedoch erneut Broschüren der ASD unter der Anschrift "ASD 79514 Lörrach" bekannt, die von einem bekannten Neonazi aus Grenzach-Wyhlen (Baden-Württemberg) herausgegeben wurden. Die ASD war in der Vergangenheit in Ortsgruppen gegliedert; dazu gehörte u.a. die sogenannte ASD-Ortsgruppe Lörrach. "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das IHV wurde am 20. Juni 1987 von dem Neonazi Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein gegründet. Die im wesentlichen von TAG ausgehenden Aktivitäten des IHV beschränkten sich bislang auf die Herausgabe der monatlich erscheinenden Publikation "IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit". Nach dem Ausscheiden des TAG aus der Szene wurden die Aktivitäten des IHV vorübergehend eingestellt. Im 2. Halbjahr 1996 wurden neue Ausgaben der vorgenannten Broschüre bekannt. IHV-Vorsitzender ist nunmehr der Neonazi Markus WALTER aus Pirmasens ("IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit", Nr. 10/10/96 [107]). "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Das Bundesministerium des Innern verbot am 24. Februar 1995 die neonazistische FAP, da sich ihre Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. Das Verbot ist seit dem 21. Dezember 1995 unanfechtbar. Ehemalige FAP-Mitglieder suchen in verschiedenen anderen rechtsextremistischen Organisationen eine neue politische Heimat. Der ehemalige FAP-Vorsitzende BUSSE wurde u.a. ständiges Redaktionsmitglied der Publikation "Berlin Brandenburger - Zeitung der nationalen Erneuerung " (BBZ), die einer neonazistischen Organisation nahesteht. "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Der "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz-Gonsenheim war durch seine wiederkehrenden neonazistischen Veranstaltungen bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend"und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER keine derartigen NeonaziTreffen mehr stattgefunden. Es bestehen jedoch weiterhin Verbindungen zur rechtsextremistischen/neonazistischen Szene in der Bundesrepublik -67Deutschland. Gegen die Eheleute Curt und Ursula MÜLLER wird vor dem LG Koblenz wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung nach SS 20 Vereinsgesetz verhandelt (vgl. S. 64). "Nationale Volksfront" (N.V.F.) Die 1996 gegründete "N.V.F." wird von dem bekannten Neonazi Michael B. aus Neustadt/Weinstraße geleitet. Die nur wenige Mitglieder umfassende neonazistische Gruppe verteilt die Publikation "REICHSRUF". Weitere Aktivitäten der "N.V.F." wurden 1996 nicht bekannt. "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte 1996 nur nichtöffentliche Treffen, sogenannte Appelle, durch. Mit Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 1996 wurde der rheinland-pfälzische Landesführer des "Stahlhelm", Hans-Jürgen HERTLEIN aus Pleisweiler/Pfalz (Kreis Südliche Weinstraße), zum vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied (Notvorstand) der Organisation auf Bundesebene bestellt. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 gegründete NPD verfügte 1996 über ca. 3.500 Mitglieder; dem NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz gehörten etwa 160 Mitglieder an. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) verzeichnete 1996 bundesweit ca. 200 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz, wo bereits seit einigen Jahren keine JN-Organisationsstruktur mehr zu beobachten war, konnten 1996 Ansätze für eine Reorganisation festgestellt werden. Publikationsorgan der NPD: "Deutsche Stimme" Auflage ca. 35.000 Exemplare Publikationsorgan der JN: "Einheit und Kampf Auflage ca. 1.300 Exemplare "Deutsche Volksunion" (DVU) Die 1987 von dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY gegründete Partei DVU ist mit rund 15.000 Mitgliedern eine der größten Organisationen im rechtsextremitischen Spektrum. Der Landesverband Rheinland-Pfalz stellt weiterhin mit etwa 850 Mitgliedern die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung des Landes dar. -68Publikationsorgane: "Deutsche Wochen-Zeitung/Deutscher Anzeiger" (DWZ/DA) "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) Gesamtauflage ca. 56.000 Exemplare 1.11 Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die DLVH wurde im Oktober 1991 als Partei gegründet und anläßlich des Bundesparteitages im Oktober 1996 per Delegiertenbeschluß in den gleichnamigen Verein DLVH umgewandelt. Die DLVH verfügt derzeit bundesweit über ca. 800 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz gehören ihr etwa 15 Personen an. Sprachrohr: - "Nation & Europa - Deutsche Rundschau" Herausgeber Peter DEHOUST und Harald NEUBAUER Auflage ca. 15.000 Exemplare - "Europa Vorn" Herausgeber Manfred ROUHS Auflage ca. 5.000 Exemplare 1.12 Partei "Die Republikaner" (REP) Die im Jahre 1983 gegründeten REP treten in Rheinland-Pfalz seit 1987 in Erscheinung. Neben der organisationsschwachen "Republikanischen Jugend" (RJ) verfügt die Partei noch über die beiden Nebenorganisationen "Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten" (RepBB) und den "Republikanischen Bund der Frauen" (RBF). Bundesweit gehören den REP derzeit ca. 15.000 Mitglieder an; in Rheinland-Pfalz liegt die Mitgliederzahl inzwischen bei etwa 550 Personen39. Publikationsorgan: "DER REPUBLIKANER" Auflage ca. 22.000 Exemplare 2. LINKSEXTREMISMUS 2.1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 ..Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 6.200 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 150; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. 39 Nach eigenen Angaben (Stand: März 1997) verfügt die Partei landesweit aktuell über 500 Mitglieder. -69 Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), seit Juli 1996 wöchentliche Erscheinungsweise; Auflage ca. 10.000. 2.1.2 Sonstige40 2.1.2.1 "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.700 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz sind die Gruppen Mainz/Wiesbaden und Ludwigshafen/ Mannheim aktiv. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung Auflage ca. 7.500 Exemplare. 2.1.2.2 "Internationalistisch Sozialistische Organisation" (ISO)41 Im Juni 1994 vorwiegend von den aus der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) ausgetretenen Mitgliedern gebildete trotzkistische Organisation. In Rheinland-Pfalz gibt es die Ortsgruppe Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan: "Internationaler Sozialismus" (IS), 2-monatliche Erscheinungsweise; Auflage ca. 500 Exemplare 2.1.2.3 ,.Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der 1973 gegründete AB hat bundesweit etwa 200 Mitglieder. Zentralorgan: "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) Auflage ca. 3.500 Exemplare. 2.1.2.4 "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) Im Oktober 1994 überwiegend von trotzkistischen Mitgliedern der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) gegründete trotzkistische Organisation. In Rheinland-Pfalz bestehen Ortsgruppen in MainzAA/iesbaden und in Ludwigshafen am Rhein/Mannheim. Publikationsorgan: "avanti - die Internationale" Auflage ca. 500 Exemplare. 40 Die unter Nr. 2.1.2.1 bis 2.1.2.6 genannten Organisationen haben in Rheinland-Pfalz zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. 41 Zwischenzeitlich umbenannt in "Internationale Sozialistische Organisation". -702.1.2.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 selbst aufgelöst, ist jedoch weiterhin bei konspirativer Verhaltensweise aktiv (ca. 10.000 Mitglieder). Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber wiederholt Diskussionsveranstaltungen durch. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in Rheinland-PfaJz vertrieben. Publikationsorgan: "Gegenstandpunkt", 4mal jährlich; Auflage ca. 7.000 Exemplare. 2.1.2.6 "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" und der "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstanden. Nannte sich bis Juni 1995 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP). Zentralorgan: "Sozialistische Zeitung" (SOZ), 14-tägig; Auflage ca. 2.000 Exemplare 2.2 Terrorismus 2.2.1 ..Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, deren Ziel die Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere die Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland ist. 2.2.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Terroristische Gruppierung, die sich an militanten/bewaffneten Aktionen der RAF aus früheren Jahren orientiert und zur Erreichung ihrer politischen Ziele auch den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf genommen hat. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, daß nach der Festnahme von zwei mutmaßlichen AlZ-Angehörigen Anfang 1996 keine unmittelbare Gefährdung von der Gruppe mehr ausgeht. 2.2.3 "Jarama - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" Gruppierung des "Antiimperialistischen Widerstands", die mit den Gruppen "ILAVGütersloh und "R0JA7Marburg zu einem "revolutionären Kol- -71 - lektiv" zusammengewachsen ist; seit 1996 treten die Gruppen unter der gemeinsamen Bezeichnung "JARAMA" auf. Bei ihren extremistischen Bestrebungen orientiert sich die Gruppe an Grundsätzen früherer "RAF-Politik" und befürwortet eine militante Praxis. 2.3 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. 1996 ging der größte Anteil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf das Konto von Autonomen. Ansatzpunkte für ihre militanten Aktionen finden sich schwerpunktmäßig in den Themenbereichen "Antifaschismus/Antirassismus/Antiimperialismus". Das autonome Aktionspotential beläuft sich derzeit bundesweit auf mehr als 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 120. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS42 3.1 Türken 3.1.1 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige ..Revolutionäre Linke" ("Devrimci SoIVDev Sol) Konspirative, gewalttätige Organisation der "Neuen Linken", die im Mai/ Juni 1978 aus der Sozialrevolutionären "Türkischen Volksbefreiungspartei/-front" (THKP-C) hervorgegangen ist. Am 9. Februar 1983 wurde die Dev Sol vom Bundesminister des Innern verboten, besteht aber konspirativ fort. Sie spaltete sich im Frühjahr 1993 in den "KARATAS"und den "YAGAIST-Flügel, die sich - auch mit Waffengewalt - bekämpfen. Die KARATAS-Gruppe formierte sich Anfang Oktober 1994 zur "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-fronf (DHKP-C); die YAGAN-Gruppe hat sich in "Türkische Volkbefreiungspartei/-front Devrimci Sol" (THKP-C-Devrimci Sol) umbenannt. 3.1.2 ..Türkische Kommunistische Partei(Marxisten-Leninisten)" (TKPfMLI) Als Abspaltung der maoistischen "Revolutionären Arbeiterund Bauernpartei der Türkei" (TIKP) im April 1972 in der Türkei gegründet. Sie erklärte fortan der Türkei den bewaffneten Kampf und zielt auf die Vernichtung des bestehenden türkischen Staatsgefüges ab. Die TKP(ML) ist gekennzeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 42 Die Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz nur Ober einzelne Mitglieder/Anhänger. -721994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". 3.1.3 "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) Im Jahre 1994 durch den Zusammenschluß der "Türkischen Kommunistischen Partei(Marxisten-Leninisten)-Bewegung" (TKP[ML][HJ) und der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH) entstanden. Ziel der MLKP ist die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges und die Etablierung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei. 3.1.4 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) Im November 1984 in Köln von dem im Mai 1995 verstorbenen Cemalettin KAPLAN gegründet. Nachfolger ist sein Sohn Metin KAPLAN. Der ICCB strebt die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei an durch eine Revolution nach iranischem Vorbild; bundesweit gibt es islamische Mitgliedsvereine, so auch in Rheinland-Pfalz. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt auf terroristischem Wege einen unahängigen kurdischen Staat auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft marxistisch-leninistischer Prägung an. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei. Die PKK - einschließlich ihrer Teilorganisationen - wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 26. November 1993 durch das Bundesministerium des Innern verboten. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PKK etwa 10.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz verfügt sie über mehr als 300 Mitglieder. 3.3 Araber 3.3.1 ..Hizb Allah" (Partei Gottes) Die schiitisch-extremistische "Hizb Allah" wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines "islamischen Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie ist für zahlreiche Terrorakte im Libanon verantwortlich. In Rheinland-Pfalz verfügt die Hizb Allah über Einzelmitglieder. -733.3.2 "Islamischer Bund Palästina" (IBPV'lslamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den palästinensischen Autonomiegebieten und operiert von dort aus gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet wird die HAMAS vom IBP vertreten. Es halten sich hier einzelne Mitglieder des IBP auf. IBP und HAMAS lehnen das 1993-zustande gekommene "Gaza-Jericho-Abkommen" bislang immer noch ab. 3.4 Algerier "Islamische Heilsfront" (FIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im Jahre 1989 in Algerien gegründet. Sie propagiert den gewaltsamen Widerstand gegen die algerische Regierung und sucht ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen Staatswesens, gemeinsam mit ihrem militärischen Arm, der "Islamischen Heilsarmee" (AIS), mit Hilfe terroristischer Mittel durchzusetzen. Von den übrigen in Algerien tätigen bewaffneten islamistischen Untergrundgruppen ist besonders die "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA) zu nennen, die den Sturz der Regierung durch einen bedingungslosen bewaffneten Kampf erreichen will. 3.5 Iraner 3.5.1 "Nationaler Widerstandsrat Iran" (NWRI) Der NWRI ist ein Zusammenschluß von einigen iranischen Oppositionsgruppen. Er ist der politische Arm der "Volksmodjahedin Iran" (MEK). Der NWRI betrachtet sich als "Exilparlament" und gibt vor, die "einzige legitime demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Er fordert den gewaltsamen Sturz der iranischen Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland befassen sich die Anhänger hauptsächlich mit Agitationen gegen das herrschende Regime im Iran sowie der Beschaffung von Finanzmitteln und führen zu diesem Zweck Straßensammlungen durch. 3.5.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Als Propagandaträger des Iran im Ausland fungieren die in den regionalen Vereinen des islamistisch-extremistischen Dachverbandes U.I.S.A. organisierten iranischen Studenten. Zur Aufgabe der vom Iran finanziell unterstützten U.I.S.A. gehört auch die Bekämpfung von Oppositionellen. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger auf. -74D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1)... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. Landesverfassunqsschutzqesetz [vom 26. März 1986 (GVBI. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVBI. S. 80), BS 12-2] SS 1 - Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, -753. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhartungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt femer mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS 2 - Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS 3 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 - Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächücheAnhattspuxikte. f ü r t e n Verdacht.von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. -76(4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS 5 - Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS 6 - Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verfangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. -77(6) Gesetzliche Übermittlungsverbote bleiben unberührt. SS 7 - Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit.der Bundesrepublik .Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithartung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS 8 - Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn -781. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. SS 9 - Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen : 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 - Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. SS 11 - Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 - Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte .des Landtags, seiner Aosschüsse and der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Femmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVBI. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. -79(4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 - Befugnisse der Pariamentanschen Kontrollkommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 14 - Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVBI. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVBI. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. 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