VERFASSUNGSSCHUTZ R H E I N L A N D - P F A L Z Tätigkeitsbericht 1995 Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tätigkeitsbericht 1995 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes ISSN 0948-8723 Vorwort Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland konnte im Jahre 1995 auf ein 45jähriges Bestehen zurückblicken. Er ist somit dauernder Wegbegleiter unserer freiheitlichen, demokratischen Staatsund Verfassungsordnung, für deren Schutz er mitverantwortlich eingerichtet wurde. Seine grundgesetzliche Legitimation dokumentiert die Bedeutung, die der Parlamentarische Rat 1949 bei der Schaffung des Grundgesetzes einer maßvollen, aber gleichwohl konsequenten Sicherung der herausragendsten Wesenselemente unserer Verfassung beigemessen hat. Diese Bedeutung steht, so denke ich, auch heute außer Frage. Nur so können nämlich die für eine freiheitliche Demokratie unabdingbaren Voraussetzungen der Dauerhaftigkeit und Stabilität gewährleistet werden. Aus guten Gründen obliegen die Aufgaben des administrativen Verfassungsschutzes einem geheimen Nachrichtendienst und nicht einer Polizeibehörde oder gar einem öffentlichen Dokumentationszentrum. Angesichts der historischen Beispiele der Verknüpfung von geheimdienstlichen und polizeilichen Tätigkeiten, so bei der Gestapo des "Dritten Reiches" bzw. der Stasi in der ehemaligen DDR, verbietet sich eine derartige Institution in einem demokratischen Rechtsstaat von selbst. Hierdurch würde eine Behörde entstehen, deren Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte des einzelnen das Maß des Zulässigen bei weitem überschritten. -2Demgegenüber wäre aber ein gänzlich ohne nachrichtendienstliche Mittel arbeitender - quasi "öffentlicher" - Verfassungsschutz in seiner Analysefahigkeit und damit in seiner Funktionsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Die Arbeit des Verfassungsschutzes dient nämlich nicht einem Selbstzweck, sondern bildet letzthin auch die Grundlage für Exekutivmaßnahmen und Gerichtsbeschlüsse zur Wahrung der inneren Sicherheit. Die Erfahrung lehrt aber, daß gerade die hierfür notwendigen und verwertbaren Erkenntnisse von den Verfassungsfeinden jedweder Coleur zumeist nicht auf dem offenen Markt gehandelt werden. Vielmehr werden verfassungsfeindliche Bestrebungen verschleiert oder gar geleugnet. Dem Verfassungsschutz die adäquaten, rechtlich zulässigen Gegenmittel vorzuenthalten hieße im Ergebnis, in verantwortungsloser Weise nicht zu rechtfertigende Einbußen bei der inneren Sicherheit hinzunehmen. Auch im Jahre 1995 hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz die vielfaltigen Entwicklungen in den unterschiedlichen extremistischen Bereichen sorgfältig ausgewertet. Seine Arbeitsergebnisse waren wiederum Grundlage für eine Reihe von Maßnahmen der offensiven Öffentlichkeitsarbeit, der unter dem Motto "Prävention durch Information" große Bedeutung beigemessen wird, so durch die Neuherausgabe oder Überarbeitung von Informationsbroschüren und durch Vortragstätigkeit. Hierzu zählt auch die jährliche Publikation "Tätigkeitsbericht", die einen komprimierten Überblick über alle bedeutsamen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen vermitteln soll. Ich hoffe, dieser Bericht findet das geschätzte Interesse seiner Leserinnen und Leser. V Walter Zuber Minister des Innern und für Sport -3INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines 7 2. Strukturdaten 7 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 8 4. Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" 9 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus 10 1.1 Rechtsextremistische Gewalt 12 1.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere 14 rechtsextremistische Skinheads) 1.3 Neonazistische Organisationen 15 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene 17 1.3.2 "Anti-Antifa" 18 1.4 Rechtsextremistische Parteien 19 1.4.1 "Deutsche Volksunion" (DVU) 19 1.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 20 (NPD) 1.4.3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 22 1.4.4 "Die Republikaner" (REP) 23 1.4.5 Vereinigungsbestrebungen rechtsextremistischer 24 Parteien -41.5 Sonstige rechtsextremistische Bestrebungen 1.5.1 Revisionisten 1.5.2 "Neue Rechte" 1.6 Auslandskontakte 2. Linksextremismus 2.1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 2.1.2 Sonstige 2.2 Linksextremistischer Terrorismus 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 2.2.1.1 RAF-Illegale 2.2.1.2 Befürworter der "neuen RAF-Politik" 2.2.1.3 Gegner der "neuen RAF-Politik" 2.2.2 Linksextremistisch-terroristisches Spektrum 2.2.3 RAF-Inhaftierte 2.2.4 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) 2.2.5 "Das K O M I T E E . " 2.2.6 "Revolutionäre Zellen" (RZ)/"Rote Zora" 2.3 Sonstige militante Linksextremisten (Autonome) 3. Ausländerextremismus 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 3.1.1 Staatliche Maßnahmen und Schaffung neuer Strukturen -53.1.2 Aktionismus 51 3.1.3 Spendenkampagne 54 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre 54 Linke" ("Devrimci Sol'TDev Sol) 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP [ML]) 55 4. Spionageabwehr 56 4.1 Allgemeine Lage 57 4.2 Ausspähungsschwerpunkte/-ziele 58 4.3 Ausgewählte östliche Nachrichtendienste 58 4.4 Nachrichtendienste der ehemaligen DDR 59 5. Geheimschutz 60 Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 61 Anhang 71 -6Anmerkung für die Leserinnen und Leser Der Tätigkeitsbericht 1995 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die bedeutendsten verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die innere Sicherheit ausgehen. Er kann demnach keine umfassende und abschließende Darstellung geben, sondern ist in erster Linie als Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung und nicht als eine erschöpfende juristische Würdigung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflußten Organisationen. Die Erwähnung einer Organisation im Tätigkeitsbericht läßt für sich genommen noch keine Rückschlüsse auf extremistische Bestrebungen der einzelnen Mitglieder solcher Vereinigungen zu, also auf politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Die im Tätigkeitsbericht aufgeführten Erkenntnisse und Zahlenangaben beruhen auf dem Stand: 3 1. Januar 1996. Eventuelle Änderungen können sich insbesondere bei den Zahlenangaben aufgrund von Nachmeldungen ergeben. Da die bundesweiten Zahlen über extremistische Straftaten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tätigkeitsberichtes vom Bundesinnenminister noch nicht zur .Veröffentlichung freigegeben wurden, können insoweit nur allgemeine Trendangaben erfolgen. -7A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der fundamentalen Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Als geheimer Nachrichtendienst vollzieht er die Aufgaben der Informationsbeschaffung und -auswertung über Bestrebungen, die auf eine Beeinträchtigung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Die von ihm gewonnenen Informationen sind eine wichtige Grundlage für die geistig-politische Auseinandersetzung mit den Verfassungsfeinden von rechts wie von links; sie können aber auch die Basis für exekutive Maßnahmen wie Vereinigungsverbote oder für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein. Derartige Entscheidungen sind allerdings stets anderen Stellen vorbehalten. Der Verfassungsschutz selbst darf bei seiner Aufgabenerfüllung keine Exekutivmaßnahmen ergreifen. Insbesondere stehen ihm keinerlei polizeiliche Befugnisse zu; er darf weder Personen kontrollieren noch festnehmen, Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Ein striktes Trennungsgebot sorgt dafür, daß der Verfassungsschutz die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen kann, die ihm selbst untersagt sind. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 142. Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1995: 3.500.000,-DM (1996: 2.851.600,--DM). 1 Stand: 31. Dezember 1995 -8Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 10.886, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. Bei NADIS handelt es sich um ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Obwohl der Verfassungsschutz ein Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein. So unterrichtet der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Darüber hinaus stellt der Verfassungsschutz auch Referenten für verfassungsschutzrelevante Themen sowie für die Tätigkeit (Aufgaben und Befugnisse) des Verfassungsschutzes. Diesbezügliche Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder das Öffentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes (06131/163772 und 163743) aufgenommen werden. Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten sind derzeit folgende Informationsbroschüren des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erhältlich: 2 Stand: 31. Dezember 1995 3 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). -9- " Verfassungsschutz transparent" "Rechtsextremismus" "Skinheads" "Autonome" "Extremismus und Gewalt - Keine Chance!" "Islamistische Extremisten" "Fairständnis - Menschenwürde achten - gegen Fremdenhaß" "Wirtschaftsspionage" "Arbeiterpartei Kurdistans". Aufklärungskampagne "FAIRSTÄNDNIS" Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beteiligte sich auch 1995 an der auf Initiative der Innenminister von Bund und Ländern im Jahre 1993 gestarteten Aufklärungskampagne gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit unter dem Motto " FAIRSTÄNDNIS - Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß". Neben der Verteilung von Broschüren, wie dem Heft für Jugendliche mit dem Titel "Basta" oder dem Computerspiel "Dunkle Schatten", wurden verschiedene themenbezogene Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz unterstützt. Zudem wurde eine Plakatreihe zusammen mit dem Künstlerbund Speyer herausgegeben. Interessierte Bürgerinnen und Bürger erhalten über die Kontakttelefonnummern 06131/163772 oder 163743 Informationen zum Fortgang der Kampagne "FAIRSTÄNDNIS" auch im Jahre 1996. -10B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. RECHTSEXTREMISMUS4 Seit Ende 1992 wurden in der Bundesrepublik Deutschland elf rechtsextremistische Vereinigungen verboten, um den menschenverachtenden Aktivitäten der Rechtsextremisten entgegenzutreten, die daraus resultierenden Gefahren einzudämmen und ein sichtbares Zeichen staatlicher Entschlossenheit im Kampf gegen den Rechtsextremismus insgesamt zu setzen. Im Jahre 1995 wurden folgende Organisationen verboten: "Nationale Liste" (NL) am 24. Februar 1995, "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) am 24. Februar 1995, "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" (JF) am 8. Mai 1995. Darüber hinaus wurden bundesweit zahlreiche Versammlungsverbote ausgesprochen, führende Neonazis vorläufig festgenommen bzw. verurteilt und Durchsuchungen durchgeführt. So wurden z.B. am 31. Januar 1995 die Geschäftsräume eines in der Nähe von Bingen ansässigen Verlages durchsucht. Dieser vertreibt die "Unabhängigen Nachrichten" (UN) des rechtsextremistischen "Freundeskreises Unabhängige Nachrichten" (UFK), der auch als "Unabhängige Freundeskreise" (UFK) auftritt. Bei dieser Publikation, die auch im Ausland vertrieben wird, handelt es sich um ein monatlich erscheinendes Druckwerk mit rechtsextremistischem und fremdenfeindlichem Inhalt. Derartige Maßnahmen haben die rechte Szene zwar verunsichert, ihren Aktionismus allerdings nicht dauerhaft unterbinden können. Angesichts des erhöhten 4 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Oktober 1995), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. 5 Die Verbotsverfügung wurde durch Einstellungsbeschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1995 nach Rücknahme der Klage seitens der FAP bestandskräftig. -11 - staatlichen Drucks verhalten sich viele Neonazis zunehmend konspirativer und bauen verstärkt autonome Strukturen, wie z.B. lose "Kameradschaften", auf, um eventuelle Organisationsverbote zu unterlaufen. Deutsche Rechtsextremisten treten auch im Ausland in Erscheinung. Sie nahmen an dort stattfindenden rechtsextremistischen Kundgebungen, wie z.B. am Falangistentreffen im November 1995 in Madrid/Spanien, teil und versuchten sogar, eigene Aktionen unter Zuhilfenahme von Auslandskontakten, wie z.B. im August 1995 in Roskilde/Dänemark artläßlich der "Rudolf-Heß-Gedenkwoche", durchzuführen. Vor allem werden im Ausland verschiedene rechtsextremistische/neonazistische Schriften hergestellt und auf konspirativen Wegen in die Bundesrepublik Deutschland gebracht, wo sie dann in der Szene verteilt werden. Hier sind insbesondere der "NS-Kampfruf (aus den USA), der "Germania-Rundbrief (aus Kanada), "Die Bauernschaft" (seit Anfang 1995 aus Belgien) und "Halt" (aus Spanien) zu nennen. Die Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland versuchen bereits seit Jahren, die aus dem Ausland kommende Flut von Propagandamaterial einzudämmen und ihre Verteiler in Deutschland zu identifizieren. So wurde unter Federführung der Staatsanwaltschaft Hamburg, die ein Sammelverfahren gegen den US-Amerikaner und führenden Neonazi Gary Rex LAUCK führt, eine bundesweite Durchsuchungsaktion am 23. März 1995 gegen Besteller und Verteiler von NSDAP-AO-Propagandamaterial ("Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation") durchgeführt. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus fordern in vielen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) Opfer und rufen bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen Besorgnis und Angst hervor. Bei der Verfolgung rechtsex- 6 LAUCK wurde am 20. März 1995 in Dänemark festgenommen und am 5. September 1995 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Am 25. Januar 1996 wurde er von der Staatsanwaltschaft Hamburg u.a. wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagt. -12tremistischer Straftaten stellt sich das unterschiedlich ausgestaltete Recht in den einzelnen Mitgliedsstaaten immer wieder als Hindernis dar. Besonders unbefriedigend ist der Umstand, daß rassistisches, antisemitisches und neonazistisches Propagandamaterial in anderen europäischen Staaten ohne Strafandrohung hergestellt und verbreitet werden kann. Es gilt deshalb, die in den europäischen Gremien begonnenen Bemühungen um Rechtsangleichung innerhalb der EU konsequent fortzuführen und zügig zum Abschluß zu bringen. Im Jahre 1995 wurden bundesweit insgesamt etwa 46.100 (1994: 56.600) Rechtsextremisten gezählt, davon sind ca. 1.980 Neonazis (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften: 2.480), von denen ca. 1.060 (1994: 1.150) keinen ZusammenSchlüssen angehören. Das Spektrum der militanten Rechtsextremisten umfaßt bundesweit etwa 6.200 Personen (1994: 5.400). Das bundesweite rechtsextremistische Gewaltpotential setzt sich insbesondere aus Angehörigen der Skinheadszene zusammen. Der genaue Anteil der rechtsextremistischen Skinheadszene ist allerdings angesichts der starken Fluktuation nicht bestimmbar. In Rheinland-Pfalz gehörten ca. 1.950 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum an, davon sind ca. 50 Neonazis und ca. 50 rechtsextremistische Skinheads. Die letzteren werden als gewalttätig eingeschätzt, d.h. in Rheinland-Pfalz gibt es etwa 100 Militante. 1.1 Rechtsextremistische Gewalt Der zwischen 1993 (2.232 Delikte) und 1994 (1.489 Delikte) festzustellende Rückgang rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten setzte sich auch 1995 weiter fort. Der Anteil der fremdenfeindlichen Gewalttaten ging 1995 sogar stark zu- 7 In diesem Zusammenhang ist die in der Abstimmung befindliche "Gemeinsame Maßnahme betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeir' zu nennen. 8 Stand: 31. Dezember 1995 -13rück (1994: 860). Hierzu dürften u.a. eine verbesserte Prävention und die konsequente Strafverfolgung dieser Delikte beigetragen haben. Das Straftatenbild zeigt 1995 in Rheinland-Pfalz mit 338 Straftaten insgesamt einen Rückgang gegenüber 1994 (366 Straftaten). Dieser Rückgang ist vor allem auf ein Absinken der fremdenfeindlichen Straftaten von 136 auf 113 und antisemitischer Straftaten mit 53 Delikten (1994: 60) zurückzuführen, dagegen war für den Bereich übriger rechtsextremistischer Taten (1995: 172; 1994: 170) ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Der Anteil der fremdenfeindlichen/rechtsextremistischen Gewalttaten (ohne Sachbeschädigungen) 1995 in Rheinland-Pfalz stieg von 23 Taten im Jahr 1994 auf 25 in 1995 leicht an. In Rheinland-Pfalz wurden 1995 wiederum fünf jüdische Friedhöfe durch Umwerfen von Grabsteinen und Besprühen mit Naziparolen geschändet (1994: 10). Zu den Tätergruppen rechtsextremistischer Gewalt sind allgemeingültige Aussagen nur bedingt möglich, da es sich in einer Vielzahl von Fällen um sogenannte Ersttäter handelt, die bislang nicht als Rechtsextremisten in Erscheinung getreten waren. Fest steht, daß die Strafund Gewalttaten nach wie vor überwiegend von jungen Tätern begangen werden . Insgesamt herrscht Strukturlosigkeit und Spontaneität bei den Tatbegehungen rechtsextremistischer Gewalttäter vor; feste Strukturen und Planungsvorläufe sind eher die Ausnahme. Auch 1995 hielten die Auseinandersetzungen zwischen rechts-und linksextremistischen Gruppierungen an. Bundesweit wurden allerdings weniger Gewalttaten (1994: 95) bekannt,-dievon Rechtsextremisten gegen politische Gegner begangen wurden. Die Gewalthandlungen, die von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten verübt worden sind, sind sogar erheblich zurückgegangen (1994: 199). 9 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus'' des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Oktober 1995), Ziffer 4.6.2. -14Derzeit ist den Sicherheitsbehörden keine Gruppe bekannt, die planmäßig und organisiert Terror anwendet. Gleichwohl sind seit dem Jahre 1993 erste rechtsterroristische Ansätze erkennbar, die nicht unterschätzt werden dürfen. Dies wird z.B. durch die verbesserte Planung und Tatausführung rechter Gewalttäter, durch ein in der Szene kursierendes "Handbuch" mit einer Anleitung zum Bau von Brandund Sprengstoffen sowie durch die intensive Ausforschung politischer Gegner deutlich. Hinzu kommen Waffenund Sprengstoffunde. So offenbarte am 17. August 1995 ein Neonazi den Sicherheitsbehörden sein Wissen über sechs Waffendepots, in denen neben Schußwaffen mehr als 50 kg Sprengstoff gefunden wurden. Darüber hinaus liegen seit Ende 1993 weitere Informationen vor, die belegen, daß einzelne Neonazis aus Deutschland an den Kampfhandlungen im ehemaligen Jugoslawien teilgenommen haben. 1.2 Militante Rechtsextremisten (insbesondere rechtsextremistische Skinheads ) Große Teile der Skinhead-Bewegung vertreten neonazistisches Gedankengut und können dem militanten, rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden. Für eine Vielzahl von schweren rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten der letzten Jahren zeichnen Skinheads verantwortlich. In Liedertexten von neonazistischen Skinhead-Bands (1995 bundesweit ca. 50 Gruppen) wird Gewaltbereitschaft, Ausländerhaß, Nationalismus und Rassismus in unverblümter Weise zum Ausdruck gebracht. Auch die Schriften der Skinheadszene, sog. Fanzines (Fan-Magazine, 1995 bundesweit ca. 25), sind geprägt durch nationalistische und rassistische Inhalte. Von den in Rheinland-Pfalz geschätzten 250 Skinheads können etwa 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden, vornehmlich wohnhaft in den Räumen Kaiserslautern, Koblenz, Trier und Zweibrücken. Im Bereich der Südpfalz entwickelte sich seit 1994 ein Schwerpunkt der rechtsextremistischen Skinheadszene 10 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: August 1995), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. -15mit Verbindungen zu losen Personenzusammenschlüssen nach Baden-Württemberg, in das Saarland und die neuen Bundesländer. Vorläufiger Höhepunkt ihrer Aktionen war der Angriff von Skinheads am 14. Januar 1995 auf vier Bürger in Landau. Dabei wurden insgesamt 16 Personen vorläufig festgenommen. Die im Jahre 1993 gegen mehrere Skinhead-Bands und gegen die Verbreiter von Skinhead-Fanzines durchgeführten Exekutivmaßnahmen haben die Handlungsfähigkeit der Skinhead-Musikszene eingeschränkt, nicht jedoch die schnellebige und sich ständig verändernde Szene völlig lahmlegen können. So veranstaltete ein bekannter Neonazi 1995 in Niedersachsen mehrere größere Skinheadkonzerte. Höhepunkt war ein Konzert am 21. Oktober 1995 in Northeim/Niedersachsen, an dem ca. 1000 Personen teilnahmen. Nachdem für diese Veranstaltung ein Verbot ausgesprochen wurde, verließ ein Großteil der Besucher die Veranstaltung. Zwischen ca. 150 verbliebenen Skinheads und der Polizei kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf 65 Personen vorläufig festgenommen wurden. Öffentlichkeitswirksame Auftritte von Skinhead-Bands fanden 1995 in Rheinland-Pfalz nicht statt. Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der Bundesrepublik Deutschland konnten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden Ende 1995 ca. 1.980 Personen (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften. 2.480) zugerechnet werden. Davon waren etwa 920 in 42 Organisationen (einschließlich Mehrfachmitgliedschaften: 1.420) zusammengeschlossen; rund 1.060 Neonazis waren nicht organisiert. In Rheinland-Pfalz gab es wie im Vorjahr ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis, die als gewalttätig eingestuft werden. In der neonazistischen Szene in Rheinland-Pfalz sind insbesondere die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." -16(HNG) 11 und die "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) des Ernst TAG12 aus Ludwigshafen am Rhein zu nennen. Die NS-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim nahm weiter ihr Amt als 1. Vorsitzende der HNG wahr und betreute inhaftierte Gesinnungsgenossen. Die ASD trat im 1. Halbjahr 1995 insbesondere mit Aktivitäten der Ortsgruppe Bad Durkheim in Erscheinung, die überregional Aufsehen erregten. Am 18. Januar 1995 führte sie in Weisenheim am Sand eine Flugblattaktion durch, darüber hinaus wurden dort am 30. Januar 1995 rechtsextremistische Parolen und Hakenkreuze geschmiert sowie Klebezettel verteilt. Weitere Flugblattverteilungen fanden im März und April 1995 in Weisenheim am Sand, Busenberg und Pirmasens statt. n Nachdem TAG mit seiner "Öffentlichen Erklärung" am 30. Mai 1995 "verbindlich und unwiderruflich" sein Ausscheiden "aus dem nationalpolitischen Widerstand in der BRD" erklärte, sind die Aktivitäten der ASD zum Erliegen gekommen. Zudem führte ein bekannter Rechtsextremist aus Worms-Pfeddersheim wieder sogenannte Sommerund Grillfeste durch, um Kontakte innerhalb der neonazistischen Szene aufzubauen und zu verbessern. An einer solchen Veranstaltung am 15. Juli 1995 in Worms haben mehr als 100 zum Teil der rechtsextremistischen Skinheadszene zuzurechnende Personen überwiegend aus den Räumen Ludwigshafen am Rhein, aus Baden-Württemberg und dem Saarland teilgenommen. Von nachrangiger Bedeutung waren dagegen die Aktivitäten des "Internationalen Hilfskomitees für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV)14, des "Neonazikreises um Curt MÜLLER" und der "Deutschen Nationalisten" (DN) . Diese in Rheinland-Pfalz von dem.ehemaligen Landesvorsitzen11 Vgl. Kurzdarstellung HNG (Seite 61) 12 Vgl. Kurzdarstellung ASD (Seite 61) 13 TAG wurde am 9. Juni 1995 vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) u.a. wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung verurteilt. 14 Vgl. Kurzdarstellung IHV (Seite 61) 15 Seit der Verbotsverfügung der Stadt Mainz vom 17. Juni 1993, die in letzter Instanz vom OVG Koblenz am 19. September 1995 bestätigt wurde, finden als private Feiern deklarierte Neonazi-Treffen auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER nicht mehr statt. 16 Vgl. Kurzdarstellung DN (Seite 61) -17den der verbotenen "Deutschen Alternative" (DA), Michael PETRI aus Hessen, am 21. Juli 1993 gegründete neue Partei hat seitdem DN-Landesverbände in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen aufgebaut. Weitere Landesverbände sollten folgen. Nach dem im Jahre 1994 erfolgten Weggang führender DN-Aktivisten in andere Bundesländer ließen die neonazistischen Aktivitäten im Raum Mainz merklich nach. Am 29. September 1995 wurde vor dem LG Koblenz gegen mehrere DN-Angehörige ein Verfahren wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung (DA) nach SS 20 Vereinsgesetz eröffnet. 1.3.1 Überregionale Vernetzung der Neonaziszene Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote veranlaßten die gesamte rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland, nach Möglichkeiten zu suchen, um weiteren staatlichen Maßnahmen auszuweichen. Dies führte im Ergebnis zu einem engeren Zusammenrücken bislang konkurrierender Gruppen. Seit 1993 entwickeln die Neonazis bundesweit kontinuierlich und zielstrebig Aktivitäten hin zu einer überregionalen Vernetzung. Insbesondere die planmäßige Vorbereitung von Aktionen deutet auf eine gestiegene Organisierung, Technisierung und informationelle Verflechtung der Szene hin. Die Übermittlung und breite Streuung rechtsextremistischen Gedankengutes durch moderne Kommunikationsmittel sind heute selbstverständlich. Bei überregionalen Aktionen wurden von maßgeblichen Neonazis zur Mobilisierung und Leitung CB-Funkgeräte und Mobiltelefone eingesetzt sowie Telefonket17 ten eingerichtet. Auch über "Info-Telefone" waren Informationen abrufbar. Insbesondere der Einsatz von Mobiltelefonen hat den Vorteil, daß übermittelte Informationen tatsächlich nur einen bestimmten, ausgewählten Personenkreis erreichen, und ermöglicht es, auf polizeiliche Maßnahmen oder Gegenreaktionen des 17 Der ehemalige Betreiber des bis Februar 1994 bestehenden "Nationalen Info-Telefon" in Mainz wurde am 06. November 1995 vom LG Mainz wegen Volksverhetzung u.a. zu einer Einheitsjugendstrafe von 12 Monaten auf Bewährung verurteilt. -18"linken" Spektrums kurzfristig und flexibel zu reagieren. Die Rechtsextremisten orientierten sich dabei an der linksextremistischen Szene, vornehmlich an den militanten Autonomen, wodurch sich die latente Gefahr eines nur schwer zu beobachtenden, konspirativen Kleingruppenaktionismus herausbildet. Dies belegen z.B. die - wenn auch letztlich erfolglosen - Auftritte der Neonaziszene am 19. August 1995 in der Bundesrepublik Deutschland und in Dänemark aus Anlaß des 8. Todestages des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß. Einen weiteren Teil der kommunikativen Vernetzung stellen die überregional 18 erreichbaren Mailboxen dar, deren Zahl sich unter Nutzung der neuesten Computertechnik ständig erweitert. Über Mailboxen können Informationen empfangen und von sogenannten Usern auch verbreitet werden; registrierte "User" gelangen zudem an verschlüsselte Insider-Informationen. Neben Einzelpersonen können auch rechtsextremistische Zeitschriftenverlage und Parteien partizipieren. Rechtsextremistische Parteien und neonazistische Organisationen tauschen ihre Mitteilungen über sogenannte Bretter aus. Inzwischen gehören 14 Mailboxen dem seit Anfang 1993 existierenden sogenannten Thule-Netz, einem organisationsübergreifenden Verbundsystem, an. Die internationale Ausrichtung ist zudem durch die Anbindung des "Thule-Netzes" an das derzeit größte Datennetz der Welt "Internet" weiter verbessert worden. In Rheinland-Pfalz betreiben das "IHV" des Ernst TAG und die Partei "Die Republikaner" Info-Telefone in Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Bad Durkheim. 1.3.2 "Anti-Antifa" Ein weiteres verbindendes Element innerhalb der Neonaziszene geht von der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit aus, die der bundesweit bekannte Neonazi Christian WORCH (Hamburg) 1992 initiiert hat. Kern der "Anti-Antifa-Arbeit" ist die "Entlarvung" politischer Gegner, um diese durch Veröffentlichung ihrer Perso18 Eine Mailbox ist ein an das Telefonnetz angeschlossener Computer, der als Datenbank dient. - 19naldaten und der von ihnen genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern und an der Durchführung "antifaschistischer Aktionen" zu hindern bzw. von entsprechenden Aktivitäten abzuhalten. Die "Anti-Antifa" erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt Ende 1993/Anfang 1994, als mehrere Druckschriften, so z.B. die Publikation "Der Einblick - die nationalistische Widerstandszeitschrift gegen den zunehmenden Rotfrontund Anarchoterror", "schwarze Listen" über politische Gegner veröffentlichten. In der Folge beschränkten sich die Aktivitäten überwiegend auf einen kleineren, regional begrenzten Umfang. Hierfür dürften die vielfältigen staatlichen Maßnahmen ursächlich sein. Über die eigentliche Zielrichtung hinaus hat das "Anti-Antifa"Projekt - ähnlich wie seit langem die "Antifaschismusarbeit" im Bereich des Linksextremismus -jedoch noch eine grundsätzliche Bedeutung für den Rechtsextremismus. So wurden Ende 1995 im "Thule-Netz" Gesinnungsgenossen aufgefordert, über den "Volksfeind" Informationen zu sammeln. Zu diesen Zielpersonen gehören u.a. "staatliche Justizorgane wie Richter, Staatsanwälte, die unter Beugung des Rechtes gegen Kameraden/innen vorgehen". In Rheinland-Pfalz waren u.a. Staatsanwälte von Aktionen der Neonazis betroffen. So wurden am 25. März 1995 gegen die Wohnung eines Staatsanwaltes Steine geworfen. Im "ThuleNetz" wurden Informationen über rheinland-pfälzische Staatsanwälte ausgetauscht. Darin hieß es u.a.: "Jude hin, Jude her, der Mann ist in seinem blinden Karriereeifer hochgefährlich und muß beobachtet werden. Allerdings besteht gute Hoffnung, daß er sich bald selbst aufs Kreuz legt. Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, fällt irgendwann heraus". Rechtsextremistische Parteien "Deutsche Volksunion" (DVU) - "national-freiheitliche" Organisationen Zu den "national-freiheitlichen" Organisationen zählen der Verein "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit seinen sechs Aktionsgemeinschaften und die Partei -20"Deutsche Volksunion" (DVU) mit zusammen 15.000 Mitgliedern, in RheinlandPfalz ca. 850 (1994: ca. 1.100). Am 15. Juli 1995 fand in München der DVU-Bundesparteitag statt. Wie üblich wurde - trotz erstmals erkennbarem Autoritätsverlust - Dr. FREY zum Bundesvorsitzenden wiedergewählt. Dr. FREY setzte seine Bemühungen um internationale Kontakte auch 1995 fort. Im Juli des Jahres 1995 fand in Moskau ein erneutes Treffen zwischen ihm und Wladimir SCHIRINOWSKI, Mitglied der russischen Staatsduma und Vorsitzender der "Liberal-Demokratischen Partei Rußlands" (LDPR) statt. Dieser wird in den Publikationen der DVU "Deutsche Wochen-Zeitung/ Deutscher Anzeiger" (DWZ) und "Deutsche-National-Zeitung" (DNZ) als "Garant des Friedens" und "als die Lösung aller Probleme" vorgestellt. Der DVU-Landesverband Rheinland-Pfalz trat 1995 öffentlich kaum in Erscheinung; auch eine effektive Parteiarbeit wurde kaum geleistet. Die Partei ist jedoch bestrebt, weitere Kreisverbände in Rheinland-Pfalz zu gründen. An den Landtagswahlen 1996 in Rheinland-Pfalz nimmt die DVU nicht teil. 1.4.2 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" fNPD) - ..nationaldemokratische" Organisationen Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) haben 1995 politisch weiter an Bedeutung verloren, wie die rückläufigen Mitgliederzahlen zeigen. Ende 1995 lag der Mitgliederbestand der NPD bundesweit nur noch bei ca. 4.000 (1994: ca. 4.500). Hieran konnte auch eine vorübergehende Zunahme an Mitgliedern in den fünf neuen Bundesländern nichts ändern. Der rheinland-pfälzische NPD-Landesverband verfügte Ende 1995 nur noch über ca. 170 Mitglieder (1994: ca. 200) mit weiter fallender Tendenz. Auch das Verbot der FAP und anderer rechtsextremisti- -21scher Organisationen führte nicht zu dem erhofften Mitgliederzuwachs. Die JN lag nach einem anfänglichen Rückgang ihrer Mitglieder zum Jahresende wieder bei ca. 150 und konnte damit den Bestand von Ende 1994 halten. In RheinlandPfalz ist die JN - abgesehen von wenigen Einzelmitgliedern - nicht mehr als Organisation vertreten; der Versuch einer Reorganisation blieb bisher ohne Erfolg. 1995 versuchten NPD und JN gemeinsam, sich bundesweit durch verschiedene öffentlichkeitswirksame Auftritte Geltung zu verschaffen. So meldete die Partei zum 50. Jahrestag der Bombardierung Dresdens für den 11. Februar 1995 eine gemeinsame Veranstaltung mit der JN in Dresden an, die jedoch vom Oberverwaltungsgericht Dresden verboten worden ist. Am 50. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht (8. Mai 1945) verteilten NPD und JN das Flugblatt "Wir feiern nicht! Schluß mit der Befreiungslüge!". Angekündigte Demonstrationen der JN im Rahmen der diesjährigen "Rudolf-Heß-Gedenkwoche" im August 1995 wurden verboten. Auf dem am 10/11. Juni 1995 in Bayern durchgeführten NPD-Bundesparteitag wurde Günter DECKERT mit 92,3 % in seinem Amt als Parteivorsitzender bestätigt, jedoch am 30. September 1995 wegen gravierender parteifinanzieller Unregelmäßigkeiten, seiner aggressiven Revisionismus-Kampagne und seines parteischädigenden Antisemitismus wieder seines Amtes enthoben. Die Absetzung DECKERTS vom Parteivorsitz führte zu Spaltungstendenzen in der Partei, insbesondere in den fünf neuen Bundesländern. Die Amtsenthebung DECKERTS ist durch einen Beschluß des satzungsgemäß zuständigen NPD-Landesschiedsgerichts Baden-Württemberg im November 1995 wieder aufgehoben worden; Parteivorstand und Bundespräsidium haben diese Entscheidung im Januar 1996 anerkannt. Am 8. November 1995 wurde DECKERT nach Rückkehr von einem Auslandsurlaub festgenommen und sitzt seitdem eine zweijährige Haftstrafe ab wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß anläßlich einer NPD-Veranstal- -22tung mit dem amerikanischen Revisionisten Fred LEUCHTER im November 1991, zu der er letztlich im April 1995 vom Landgericht Karlsruhe verurteilt worden war; das Urteil ist am 27. Oktober 1995 vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt worden. In Rheinland-Pfalz will sich die NPD - trotz der schlechten Wahlausgänge 1995 in verschiedenen Bundesländern - an den Landtagswahlen am 24. März 1996 beteiligen. Sie hofft insgeheim, im Wahlkampf ihren Bekanntheitsgrad zu steigern, um dadurch einen Mitgliederzuwachs erzielen zu können. In Rheinland-Pfalz ist die NPD besonders im südlichen Landesteil aktiv und beteiligte sich u.a. trotz gegenteiliger Anweisung des Parteivorstandes auch an den Vereinigungsbestrebungen der rechtsextremistischen Parteien . 1.4.3 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die 1991 aus dem rechtsextremistischen Verein "Deutsche Allianz - Vereinigte Rechte" hervorgegangene Partei "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) verfügt heute bundesweit über ca. 900 Mitglieder (1994: ca. 900), davon ca. 15 in Rheinland-Pfalz. Als Sprachrohr bedient sie sich der rechtsextremistischen Schriften "Nation und Europa - Deutsche Rundschau" des DLVH-Mitgliedes Peter DEHOUST sowie "Europa Vorn" von Manfred ROUHS. Die Partei versteht sich weiterhin als Initiator der angestrebten Vereinigung rechtsextremistischer Parteien und Organisationen; insbesondere nach den Wahlmißerfolgen 1994 und 1995 hat sie ihre Vereinigungsbemühungen verstärkt. Ob sie damit Erfolg hat, wird auch von dem Abschneiden rechtsextremistischer Parteien bei den Wahlen im Jahre 1996 abhängen. An der Landtagswahl am 24. März 1996 in Rheinland-Pfalz beteiligt sich die DLVH allerdings nicht. 19 Vgl. Nr. 1.4.5, Seite 24 -231.4.4 ..Die Republikaner" (REP) Die REP wurden im Jahre 1983 gegründet. Die Mitgliederzahl liegt derzeit bundesweit bei 16.000 (1994: ca. 20.000), in Rheinland-Pfalz ca. 600 (1994: 600). Seit dem Bundesparteitag im Dezember 1994 ist Dr. Rolf SCHLEERER neuer Parteivorsitzender. Die von ihm zumindest nach außen hin vertretene Abgrenzungspolitik gegenüber rechtsextremistischen Parteien und Organisationen wird von weiten Teilen der Partei nicht mitgetragen. Zahlreiche Parteiaustritte, so auch der von SCHÖNHUBER im November 1995, waren die Folge. Einige ehemalige REP-Mitglieder schlössen sich der am 27. Januar 1995 in Bayern gegründeten REP-Abspaltung "Die Freiheitlichen" an. In Rheinland-Pfalz sind bisher keine Hinweise auf das Entstehen dieser neuen Partei bekannt geworden. Viele REP-Mitglieder, darunter auch welche aus Rheinland-Pfalz, die in dem Festhalten am Abgrenzungsbeschluß gegenüber rechtsextremistischen Parteien und Organisationen den Niedergang der Partei sehen, suchten bewußt den Kontakt zu extremistischen Gruppen und beteiligten sich an "Runden Tischen" . Die wegen der Teilnahme an diesen Veranstaltungen vom REP-Bundesvorstand angekündigten Parteiordnungsverfahren wurden bisher allerdings nur halbherzig durchgesetzt. Jedoch führten Unstimmigkeiten zwischen den betroffenen Landesverbänden und dem Bundesvorstand hinsichtlich der Beteiligung von Republikanern an den "Runden Tischen" zu Amtsniederlegungen und Parteiaustritten führender Funktionäre, so von den REP-Landesvorsitzenden aus Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Anläßlich des rheinland-pfälzischen REP-Landesparteitages am 12. März 1995 in Koblenz wurde Gerhard MEYER zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Er scheint zwar den politischen Kurs des Bundesvorsitzenden Dr. SCFILIERER u.a. im Hinblick auf die Abgrenzung zu anderen rechtsextremistischen Organisationen 20 "Runder Tisch" ist der Sammelbegriff für die Treffen von bündniswilligen rechtsextremistischen Organisationen oder Einzelpersonen, vgl. Nr. 1.4.5, Seite 24. -24zu teilen, es gelang ihm allerdings bisher nicht, die Landespartei geschlossen auf der "SCHLEERER-Linie" zu halten. Deutlich wird dies u.a. durch das Einladungsschreiben zum "Runden Tisch der Demokratischen und Konservativen Rechten" am 2. September 1995 in Pulheim/Stommeln, wonach ein rheinlandpfälzischer Kreisfunktionär zu den Organisatoren dieser Veranstaltung gehörte. An der Versammlung nahm auch einer der stellvertretenden rheinland-pfälzischen REP-Landesvorsitzenden teil, gegen den der Bundesvorstand aus diesem Grunde die Einleitung von Parteiordnungsmaßnahmen gefordert hat. Im bisherigen Verlauf des Verwaltungsgerichtsverfahrens der REP gegen das Land Rheinland-Pfalz hatte das Verwaltungsgericht Mainz mit Beschluß vom 14. Dezember 1993 zunächst den Antrag des Landesverbandes der "Republikaner" auf einstweilige Anordnung wegen Einstellung der nachrichtendienstlichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz des Landes abgewiesen. Die hiergegen vom Antragssteller eingereichte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Koblenz wurde mit Beschluß vom 4. Juli 1995 als nicht begründet zurückgewiesen. Das beim Verwaltungsgericht Mainz anhängige Hauptsacheverfahren ist noch nicht entschieden. 1.4.5 Vereinigungsbestrebungen rechtsextremistischer Parteien Das Jahr 1995 war von vielfältigen Vereinigungsbemühungen innerhalb rechtsextremistischer Parteien geprägt. Ausgangspunkt war die Überlegung, den schlechten Wahlergebnissen und zum Teil starken Mitgliederverlusten mit einer rechten "Sammelpartei" unter dem Begriff "Vereinigte Rechte" entgegenzusteuern. Trotz mehrerer Appelle und Resolutionen, in denen manifestiert wurde, die Bemühungen um eine Vereinigung der rechten Parteien fortzuführen, gelang den Vertretern der DLVH, DVU, NPD und REP bislang kein erfolgversprechendes Ergebnis. Die Mißerfolge der REP bei den Landtagswahlen am 19. Februar 1995 in Hessen, am 14. Mai 1995 in Nordrhein-Westfalen und Bremen sowie die Unzufriedenheit 21 Vgl. Nr. 1.4.5 -25einiger REP-Landesverbände mit dem politischen Kurs des im Dezember 1994 gewählten SCHÖNHUBER-Nachfolgers Dr. Rolf SCHLIERER zum Parteivorsitzenden waren bei den REP ausschlaggebend für weitere Vereinigungsaktivitäten. So trafen sich auf Initiative des thüringischen REP-Landesverbandes am 1. Juni 1995 in Eisenach/Thüringen u.a. führende Funktionäre und Aktivisten der REP, DVU und DLVH zu einem ersten "Runden Tisch", um die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zu beraten. Das Ergebnis wurde in dem sogenannten Eisenacher Signal veröffentlicht. Darin heißt es: " ... daß nur eine in Zukunft einheitlich auftretende politische Rechte den zu erwartenden harten Kampf bestehen und Erfolge erringen kann. Um die Einheit aller Patrioten (rechtzeitig) vorzubereiten, sollen ab sofort nach dem Eisenacher Beispiel überall lokal, regional und letztlich bundesweit unter dem Motto 'gemeinsam für Deutschland' Runde Tische einberufen werden, mit dem Ziel, ungeachtet früherer Auseinandersetzungen jede Person und jede Strömung solidarisch zu unterstützen, die auf eine Sammlung der demokratischen Rechten hinwirkt. Schafft viele Runde Tische, damit das Jahr 1995/1996 für die deutsche Rechte ein Jahr der Versöhnung, Öffnung und Erneuerung wird! Nur gemeinsam läßt sich eine flächendeckende, schlagkräftige und glaubwürdige politische Alternative zum Bonner Parteienkartell aufbauen. Dieses Bündnis für Deutschland gilt es vorzubereiten - auf jeder Ebene und überall. Eisenach - ein Modell für alle Patrioten!". Dem Treffen in Eisenach folgte auf Initiative des DLVH-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 1995 in Bergisch-Gladbach ein "1. Runder Tisch der konservativen und demokratischen Rechten im Rheinland", der mit der Verabschiedung des "Rheinischen Appells" endete. Ein weiterer von der DLVH Nordrhein-Westfalen initiierter "Runder Tisch im Rheinland" fand am 2. September 1995 in Pulheim/Stommeln, Kreis Köln, statt, an dem auch ein rheinland-pfälzischer Kreisfunktionär der Partei "Die Republikaner" (REP) organisatorisch mitbeteiligt war und bei dem Referenten des rechtsex- -26tremistischen "Vlaams Block" aus Belgien auftraten. Die Veranstaltung endete mit der Verabschiedung einer "Pulheimer Erklärung", die anschließend in der rechtsextremistischen Publikation "Nation und Europa - Deutsche Rundschau" verbreitet worden ist. Der DLVH-Landesverband Rheinland-Pfalz richtete im Januar 1995 und Oktober 1995 "Runde Tisch-Gespräche" in Ludwigshafen am Rhein aus. Außer Mitgliedern und Funktionären der DVU, DLVH und NPD, so der NPD-Landesvorsitzende aus Rheinland-Pfalz, HERBI, waren hieran auch führende Funktionäre der REP aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg beteiligt. Das letzte Treffen in Ludwigshafen am Rhein endete mit der Verabschiedung eines "Pfalzer Aufrufs", in dem es, ähnlich wie in den bereits genannten Resolutionen, heißt: "Angesichts der zunehmend verantwortungslosen, gegen deutsche Interessen gerichteten Politik der etablierten Bonner Parteien gilt es umgehend zu klären, ob und mit welchen politikfähigen deutschen Patrioten ein gemeinsamer parteipolitischer Neubeginn zur Schaffung einer rechten Wahlplattform in Deutschland möglich ist ... . Die Bewältigung der zentralen Lebensfragen Deutschlands kann nur durch einen neuen politischen Weg erfolgen, der die Koppelung der ökologischen, sozialen und nationalen Fragen beinhaltet ... . Wir in Rheinland-Pfalz schließen uns mit dieser Erklärung dem Gedanken von 'Runden Tischen' an. Mit dieser Erklärung sollen endlich konkrete Ergebnisse angestrebt werden ... . Die Anwesenden verständigen sich ferner, den Meinungsaustausch auf weiteren Zusammenkünften fortzusetzen sowie den Kreis zu erweitern." Als eine Variantejier "Runden Tische"..sind die sogenannten Autorenlesungen mit dem ehemaligen REP-Parteivorsitzenden SCHÖNHUBER zu sehen, die auf Initiative der DLVH u.a. am 19. November 1995 in Nordrhein-Westfalen und auf Einladung der REP-Stadtratsfraktion am 2. Dezember 1995 in Germersheim stattgefunden haben. Neben den Vereinigungsbemühungen wird in verschiedenen rechtsextremistischen Parteien und Theoriegruppen auch verstärkt der Gedanke einer Loslösung -27von der Organisationsform Partei zugunsten einer nach außen lose strukturiert erscheinenden "Bewegung" diskutiert, mit der Absicht - neben verstärktem Zulauf - neue Einflußmöglichkeiten auf die Meinungsbildung, quasi über eine "zweite kulturelle Ebene", zu gewinnen. 1.5 Sonstige rechtsextremistische Organisationen/Strömungen 1.5.1 Revisionisten Zum Spektrum sonstiger Rechtsextremisten zählen vor allem die sog. Revisionisten. Sie verfolgen Bestrebungen, die angeblich falsch dargestellte Geschichte des "Dritten Reiches" zu korrigieren, indem sie die Alleinschuld Hitlers am "Zweiten Weltkrieg" und die Ermordung Millionen europäischer Juden in Konzentrationslagern (sog. Auschwitz-Lüge) leugnen und als Erfindung der sog. Siegermächte oder imaginärer jüdischer Verschwörerkreise darstellen. Dabei bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten und versuchen zumeist, sich nach außen seriös zu geben. Namhafte Agitatoren wie der Brite David IRVING, der DeutschKanadier Ernst ZUNDEL oder der NPD-Vorsitzende DECKERT sind in einschlägigen Kreisen in Deutschland bei sog. Aufklärungsveranstaltungen gern gesehene Gäste . Einer der bekanntesten jüngeren deutschen Vertreter dieser Richtung, der Münchner Neonazi Ewald ALTHANS, wurde am 29. August 1995 u.a. wegen Volksverhetzung zu einer 3 1/2jährigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. 1995 wurden insbesondere im Raum Mainz wohnhaften Bürgern in großer Anzahl revisionistische Schriften aus dem europäischen Ausland mit z.T. fingierten Absenderangaben zugesandt. Die Empfänger waren wahllos ausgewählt worden. 22 Auf Veranlassung von Bui.desbehörden besteht gegen David IRVING eine Zurückweisungsmaßnahnic und gegen Ernst ZÜNDEL eine Grenzfahndimgsmaßnahme. -281.5.2 "Neue Rechte" Bei der sogenannten Neuen Rechten handelt es sich weder um eine einheitliche Bewegung oder Organisation, noch liegt ihr eine in sich geschlossene Ideologie zugrunde. Vielmehr stellt die "Neue Rechte" eine Strömung dar, die nach ihrer ideologischen Ausprägung zumindest in Teilbereichen dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden kann. Die Vertreter dieser.Richtung lassen eine deutliche Distanz zu der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland erkennen und verschleiern ihre demokratiefeindlichen sowie rassistisch geprägten Thesen in so subtiler Weise, daß sie für den neutralen Betrachter häufig nur schwer erkennbar sind. Für viele haben die politischen Theorien der "Konservativen Revolution" der Weimarer Republik Vorbildcharakter. Deren antidemokratisches, autoritäres Ideenfundament sorgte nach Auffassung von Wissenschaftlern mit dafür, daß der geistige Nährboden für die nationalsozialistische Terrorherrschaft bereitet werden konnte. Aus der Vielzahl der ideologischen Grundzüge der "Neuen Rechten" sind vor allem die abstammungsorientierte, völkisch-nationalistische Haltung und die antipluralistischen/antidemokratischen Positionen bemerkenswert. Die Fürsprecher dieses Gedankengutes verbinden Vorstellungen von einem auf deutscher Volkseinheit begründeten Staat, der die Belange der Menschen anderer Abstammung mißachtet, mit den Ideen von einem streng hierarchisch und autoritär geprägten Staatswesen. Der demokratische Staat wird von ihnen als "liberalistisch" im Sinne einer "gleichmacherischen, dekadenten" Gesellschaftsform diffamiert. Die Vertreter der "Neuen Rechten", die das beschriebene Gedankengut verinnerlicht haben, sind überwiegend nicht an Wahlerfolgen oder dem Etablieren einer als Partei geformten politischen Kraft interessiert. Vielmehr zielen sie darauf ab, ihr Gedankengut langfristig in Teilen der Bevölkerung zu verankern, um so ggf. über das öffentliche Meinungsbild zu politischem Einfluß sowie zur Veränderung der von ihnen abgelehnten und bekämpften Normen bzw. Wertvorstellungen zu -29gelangen. Damit unterscheiden sie sich maßgeblich von bisher bekannten Formen des Rechtsextremismus vor allem in der Qualität und der Konturlosigkeit ihres Auftretens. Erste bemerkenswerte Ansätze der "Neuen Rechten" entstanden in der Bundesrepublik Deutschland Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre, die u.a. von dem Selbstverständnis geprägt waren, quasi einen Gegenpol zur sogenannten "linken" 68er-Bewegung zu bilden. Dabei hatte die in Frankreich um den Publizisten Alain de Benoist Ende der 60er Jahre entstandene Theoriebewegung der "Nouvelle Droite" für viele Vorbildfunktion. Zu den rechtsextremistisch geprägten Teilen der "Neuen Rechten" können u.a. verschiedene Diskussionsforen, sogenannte Leserkreise sowie einschlägige Verlage und Publikationen, z.B. die Theorieschriften "Nation und Europa - Deutsche Rundschau", "DESG-inform", "Europa Vorn", gezählt werden. Ein Redaktionsmitglied der Schrift "Nation und Europa - Deutsche Rundschau" ist in RheinlandPfalz wohnhaft und Kreisfunktionär der Partei "Die Republikaner" (REP). 1.6 Auslandskontakte Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen im Ausland bestehen bereits seit vielen Jahren, insbesondere in die USA (Gary Rex LAUCK), nach Kanada (Ernst ZÜNDEL), Österreich (Walter OCHENSBERGER, Gerd HONSIK, Gottfried KÜSSEL), in die Schweiz, nach Spanien (Cedade) und Rußland (Wladimir SCHIRINOWSKIJ) sowie in die Niederlande und neuerdings auch nach Polen. Im Rahmen der sogenannten Yser-Wallfahrt ("IJzerbedevaart") im belgischen Diksmuide (Provinz Westflamen) trafen sich am 26727. August 1995 erneut Rechtsextremisten flämischer Organisationen mit Gleichgesinnten aus dem Ausland am Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen flämischen Soldaten. Dabei versammelten sich ca. 500 Rechtsextremisten am 26. August 1995 zu ei23 Vgl. Seite 11, Fußnote 6 -30nem sogenannten internationalen Kameradschaftstreffen in Diksmuide; etwa 250 deutsche Teilnehmer bildeten dabei das größte Kontingent. Die belgische Polizei nahm ca. 150 deutsche Rechtsextremisten fest, die am 27. August 1995 nach Deutschland abgeschoben wurden. Die eigentliche Gedenkveranstaltung am 27. August 1995, an der etwa 15.000 Personen teilnahmen, verlief ohne Zwischenfälle. In der jüngeren Zeit mehren sich die Erkenntnisse, daß insbesondere die Neonaziszene die Bemühungen um internationale Verflechtungen kontinuierlich steigert. Die Grenzöffnungen im Rahmen der europäischen Union und vor allem nach Osteuropa werden von den Rechtsextremisten in Deutschland mit großem Interesse wahrgenommen. Offensichtlich versuchen sie, durch entsprechende Verbindungen auch dem Fahndungsdruck in ihrem Heimatland zu entgehen. Ob es mittelfristig zu einem europaweiten Zusammenschluß von Rechtsextremisten kommen wird, wie hin und wieder in den öffentlichen Medien behauptet, bleibt abzuwarten; erste Anzeichen sind jedenfalls erkennbar. LINKSEXTREMISMUS 1 Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die bundesweit noch etwa 6.000 Mitglieder umfassende DKP hat zwischenzeitlich ihre Existenz-und-Identitätskrise-weitgehend überwunden. Im Jahre 1995 setzte sich der schon im Vorjahr erkennbare Konsolidierungstrend in der Entwicklung der Partei fort Grundlage für die politische Arbeit der DKP bilden die vom 12. Parteitag am 16/17. Januar 1993 beschlossenen "Thesen zur programmatischen Orientierung". Diese bekräftigen die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele der DKP. Sie versteht sich als Weltanschauungspartei, welche zur Lösung aller politischen, wirtschaftlichen und ökologischen -31Probleme die Errichtung einer neuen sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung auch unter Einbeziehung revolutionärer Vorgehensweisen als notwendig propagiert. Erklärtes Hauptziel der DKP bleibt, die bürgerliche Gesellschaft durch den Kommunismus zu ersetzen. Die Schwerpunkte der DKP-Politik liegen in der Antifaschismus-, Gewerkschaftsund Internationalismusarbeit. In ihrem Aktionsaufruf 1995 forderte die DKP solidarisches Handeln "gegen Rechtsentwicklung und reaktionären Umbau der Gesellschaft". Künftig Avil! sich die Partei wieder verstärkt der Aktionseinheitsund Bündnispolitik widmen und neue Initiativen zu den Aktionsfeldern Antikapitalismus und Antiimperialismus entwickeln. Entsprechende Akzente setzte insbesondere der 13. Parteitag der DKP am 374. Februar 1996 in Dortmund, der u.a. ein LCUCS Aktionsprogramm unter dem Motto "Die Rechtsentwicklung stoppCü! \Y::!?rslanJ gegen Kriegspolit'k, Sozialurid Demolcratieabbau!" beschloß. Ihre Ziele will die Partei dr.rch außerparlamentarischen Druck und eine stärkere öffentliche Präsenz erreichen. Herausragendes Ereignis war für die Partei 1995 das 9. Pressefest der DKPZeitung "Unsere Zeit" (UZ) vom 1. bis 3. September 1995 in Dortmund, an dem ca. 30.000 Personen teilnahmen, darunter Vertreter von "Bruderparteien" aus Kuba, Vietnam und China. Das Dl'P-Zentraloigan UZ (Auflage ca. 10.000 Exemplare) soll ab Juli 1996 wöchentlich statt bi:her 14-tätig erscheinen. In Rheinland-Pfalz hat die DKP weiterhin etwa 200 Mitglieder, ihrem Aktionsrahmen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit sind jedoch personell und finanziell enge Grenzen gesetzt. Schwerpunkte der Parteiarbeit sind insbesondere in Bad Kreuznach und Idar-Oberstein erkennbar. Der DKP-Bezirksverband Rheinland-Pfalz befaßt sich derzeit mit einer Straffung der Organisationsstruktur und will 1996 wieder verstärkt in der Öffentlichkeit antreten. Zu der Landtagswahl im März 1996 wird die Partei j?doch nicht kandidieren. -322.1.2 Sonstige Die weniger bedeutsamen Gruppen der Marxisten-Leninisten und der sonstigen revolutionären Marxisten orientierten sich an der aktuellen Tagespolitik und nahmen an den sich hieraus ergebenden Protestaktionen teil. Im Jahre 1995 standen die Feiern anläßlich des 40jährigen Bestehens der Bundeswehr und des "Tages der Deutschen Einheit" im Mittelpunkt ihrer Gegenaktionen. .Insbesondere beteiligten sich die Linksextremisten aus Rheinland-Pfalz an den Protestaktionen gegen die Bundeswehr am 26. Oktober 1995 in Bonn und am 13. November 1995 in Wadern/Saarland. Ein weiterer Schwerpunkt stellt das Engagement für die Belange der verbotenen kurdischen PKK dar. So riefen auch rheinland-pfälzische linksextremistische Gruppen zu Solidaritätsaktionen für die Kurden auf, z.B. am 25. März 1995 in Mainz. Eine weitere geplante Großkundgebung am 18. November 1995 in Köln wurde verboten und mehrere hundert Personen dort wegen Teilnahme an der verbotenen Demonstration in Polizeigewahrsam genommen, darunter auch Personen aus Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz sind solche linksextremistische Gruppierungen und Parteien wie die "Marxistische Gruppe" (MG), der "Revolutionär Sozialistische Bund" (RSB) oder die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) insbesondere in den größeren Städten wie Mainz, Ludwigshafen am Rhein und Kaiserslautern vertreten. Die Gruppenstärken betragen zwischen einigen wenigen bis zu ca. 20 Personen je Gruppe. Durch Betreiben von Info-Tischen, durch Flugblattund Plakataktionen warben sie öffentlich für ihre Ideen. 2.2 Linksextremistischer Terrorismus Die Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch linksterroristische Gruppierungen hält weiterhin an. Die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), die sich selbst als Nachfolgeorganisation der "Roten Armee Fraktion" (RAF) sieht, setzte die Reihe ihrer terroristischen Anschläge fort. Die RAF selbst trat auch 1995 nicht in Erscheinung. -33Terroristische Aktivitäten entwickelten auch "Revolutionäre Zellen" (RZ) sowie die aus RZ-Zusammenhängen entstandene Frauengruppe "Rote Zora". 2.2.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Mit der von den RAF-Illegalen im April 1992 erklärten Kursänderung, den bewaffneten Kampf zugunsten eines politischen Prozesses, den Aufbau einer "sozialen Gegenmacht von unten", zurückzustellen, ging ein kontinuierlicher Zerfall des bis dahin gut funktionierenden RAF-Gefüges (Illegale, "Gefangenen-Kollektiv" und Unterstützerbereich) einher, der sich auch im Jahre 1995 weiter fortsetzte. Nach wie vor gibt es zwei voneinander getrennte Lager mit unterschiedlichen politischen Vorstellungen: das eine steht vorbehaltlos hinter der neuen "RAFPolitik" (Befürworterspektrum), das andere weist diese unnachgiebig als "reformistisch" zurück. Das einzige, was beide Lager noch verbindet, ist das Bemühen um die Freilassung ihrer inhaftierten politischen Genossen. Darüber hinaus gibt es Gruppen und Einzelpersonen des früheren "RAF-Umfeldes", die sich bislang für keine der beiden vorgenannten Linien entscheiden konnten. Vereinzelte Versuche, gemeinsam die Geschichte der RAF aufzuarbeiten, um darin eine neue Basis für das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Fraktionen zu erreichen und gleichzeitig die akute Krise innerhalb der "radikalen Linken" zu überwinden, sind mehr oder weniger fehlgeschlagen. 2.2.1.1 RAF-Illegale Die Illegalen der RAF haben seit dem 27. März 1993 keinen terroristischen Anschlag mehr verübt, letztmals haben sie sich im März 1994 mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Dennoch muß davon ausgegangen werden, daß die RAF als handlungsund aktionsfähige terroristische Vereinigung weiterhin existiert. -342.2.1.2 Befürworter der "neuen RAF-Politik" Zu den Befürwortern der "neuen RAF-Politik" gehören neben den im Verlaufe des Jahres 1995 vorzeitig aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Celle entlassenen ehemaligen RAF-Angehörigen Lutz TAUFER, Karl Heinz DELLWO und Knut FOLKERTS insbesondere das im Juni 1993 in Bad Kleinen festgenommene RAFMitglied Birgit HOGEFELD sowie ein kleiner Teil des früheren "RAF-Umfeldes". Dieses Spektrum, das eindeutig das "Politische" und nicht die bewaffnete Aktion in den Vordergrund stellt, ist darum bemüht, die von den RAF-Illegalen vorgegebene Strategie bzw. einzelne Elemente daraus weiterzuentwickeln. Unter der weitgefaßten Zielvorgabe Aufbau einer "sozialen Gegenmacht von unten" konzentriert sich die politische Arbeit u.a. auf Sozialrevolutionäre und "emanzipatorische" Inhalte (ökologische Probleme, Lebenssituation von Imigranten/Imigrantinnen, Wohnungsnot, etc.). Besondere Bedeutung ist einer im Juli 1995 von HOGEFELD abgegebenen Erklärung beizumessen, in der sie sich hauptsächlich mit der RAF-Geschichte auseinandersetzt; sie bestätigt dabei wiederholt "schlimmste Fehlentscheidungen", die mit revolutionärer Moral nicht vereinbar gewesen seien und letztlich zunehmend zur Isolation der RAF geführt hätten. Insbesondere wegen ihrer Strategie in den Jahren zwischen 1978 und 1992, die zunehmend auf Eskalation und das "militärische" Moment ausgerichtet war, habe die RAF neben den Kämpfen und Bewegungen der Linken gestanden. Aus diesen Erfahrungen heraus müsse die "radikale Linke" vor allem die Konsequenz ziehen, daß Militanz nie Kompensation für den Aufbau, die Verankerung und die Ausweitung .einer politischen Kraft sein könne. 2.2.1.3 Gegner der "neuen RAF-Politik" Der weitaus größte Teil des ehemaligen "RAF-Umfeldes" - einschließlich der sog. Hardliner unter den RAF-Inhaftierten (Helmut POHL, Brigitte MOHNHAUPT, Eva HAULE, Christian KLAR, Rolf HEIßLER und Adelheid SCHULZ) - konnte -35sich mit dem neuen, von den RAF-Illegalen vorgegebenen politischen Konzept nicht identifizieren und stellt sich seither als wenig homogenes Gebilde mit unterschiedlichen politischen Strömungen dar. Generell herrscht in diesem Spektrum, das man allgemein unter dem Begriff "Antiimperialistischer Widerstand" subsumieren kann, die Meinung vor, die Guerilla müsse sich und ihre Aktionen - unabhängig von der Notwendigkeit des neuen revolutionären Konzeptes - selbst bestimmen. Die neue Linie der RAF-Illegalen würde eine Verschiebung vom "Militärischen" zum "Politischen" hin bedeuten und die Gefahr des Abgleitens in den "Reformismus" in sich bergen. Vielerorts wurden Diskussionen um den Aufbau neuer militanter Strukturen geführt. Auf der Suche nach einer gemeinsamen revolutionären politischen Linie wurden neue modifizierte Legitimationsgrundlagen - zum Teil mit unterschiedlichen Schwerpunkten (antipatriarchal, kommunistisch, antiimperialistisch) - entwickelt. Mit entsprechenden Positionspapieren und Diskussionsangeboten wurde insbesondere auch im Bereich der autonomen/antifaschistischen Szene versucht, dafür Interesse zu wecken. So begann seit Ende 1994 auch die Mainzer Gruppierung "JARAMA - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus", sich verstärkt mit der Geschichte der RAF und des bewaffneten Kampfes auseinanderzusetzen; parallel baute sie Beziehungen zu der sogenannten Hardliner-Gruppe unter den RAF-Inhaftierten auf. Die Gruppe "JARAMA" gehörte in ihren Anfängen einem Zusammenschluß von mehreren Gruppierungen an, der im Rahmen der sogenannten F.e.l.S.-Initiative eine neue revolutionäre Organisation bundesweit anstrebte. Nach dem Scheitern dieser Initiative im Spätsommer 1994 haben sich daraus die Gruppen "JARAMA", "ROJA"/Marburg und "ILA'VGütersloh zu einer eigenständigen Struktur entwickelt, die sich - wie auch die "Hardliner" unter den RAF-Inhaftierten - an den Grundsätzen früherer "RAF-Politik" orientieren und demzufolge eine militante Praxis befürworten. In öffentlichen Verlautbarungen sowie bei durchgeführten Infobzw. Diskussionsveranstaltungen sprach sich "JARAMA" wiederholt für die 24 ,F.e.l.S." bedeutet "Für eine linke Strömung'*. -36Notwendigkeit des aktiven Kampfes gegen den Faschismus aus, den sie aus ihrer Sicht nicht allein als Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Tendenzen, sondern primär als Kampf gegen die "kapitalistisch/imperialistische Gesellschaft" versteht. Linksextremistisch-terroristisches Spektrum Auch 1995 setzte sich das linksextremistisch-terroristische Spektrum, unterstützt durch die Gruppe der "Angehörigen und Freundinnen der politischen Gefangenen", verstärkt mit Informationsund Solidaritätsveranstaltungen für die Belange der "politischen Gefangenen", insbesondere der RAF-Inhaftierten, ein. Am 14. Januar 1995 führten ca. 120 Personen vor der JVA Frankenthal - dort sitzt das RAF-Mitglied Rolf HEIßLER ein - eine "Knastkundgebung" mit anschließender Demonstration in der Frankenthaler Innenstadt durch. Am 28. April 1995 wurde in Mainz die von den "Angehörigen und Freundinnen der politischen Gefangenen", dieses Mal in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gruppe "JARAMA", im Jahre 1994 an gleicher Stelle ins Leben gerufene "Aktionskette" unter dem Motto "Die Befreiung der politischen Gefangenen ist ein Schritt auf dem Weg zur Freiheit" mit etwa 60 Personen letztmalig durchgeführt. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildete die internationalistische Solidaritätsarbeit, besonders im Zusammenhang mit der Kurdenproblematik. Dabei werden die Ziele und Aktivitäten der 1993 verbotenen marxistisch-leninistischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zunehmend unterstützt, z.B. durch Teilnahme an Solidaritätsaktionen und durch Anmeldung bzw. Mitorganisation entsprechender Kundgebungen. Daneben bildete die von der gesamten "linken Szene" seit mehreren Jahren auch in Deutschland initiierte und getragene Kampagne "Free Mumia Abu-Jamal" mit Veranstaltungen und demonstrativen Aktionen, insbeson- -37dere vor amerikanischen Einrichtungen, einen weiteren Aktionsschwerpunkt. In Rheinland-Pfalz engagierten sich im Rahmen dieser Kampagnen insbesondere Gruppierungen aus Kaiserslautern, Mainz und Trier. 2.2.3 RAF-Inhaftierte 1995 wurden mehrere ehemalige RAF-Angehörige aus der Haft entlassen: Christine KUBY, Manuela HAPPE, Lutz TAUFER, Karl-Heinz DELLWO und Knut FOLKERTS. Anläßlich einer Routinekontrolle während des Prozesses gegen HOGEFELD am 4. Mai 1995 vor dem OLG Frankfurt am Main wurde bei einer Besucherin ein von HAULE verfaßter Kassiber mit einem verschlüsselten Text entdeckt, der sich inhaltlich vor allem um die Klärung von Details einer konkret geplanten Aktion, bei der ein militanter Hintergrund (Anschlag/Befreiungsaktion) nicht ausgeschlossen werden kann, beschäftigte. Um in besonderer Weise ihre Solidarität mit Mumia Abu JAMAL zum Ausdruck zu bringen, waren die RAF-Inhaftierten - einschließlich der in der JVA Frankfurt am Main einsitzenden HOGEFELD - vom 1. bis 3. August 1995 in einen dreitägigen Hungerstreik getreten. Der in der JVA Bruchsal einsitzende Christian KLAR befand sich vom 1. September bis zum 4. Oktober 1995 wegen seiner Haftbedingungen im Hungerstreik. 2.2.4 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Die extrem gefährliche terroristische Gruppierung AIZ verübte 1995 entsprechend ihrem Grundbzw. Leitsatz, "potentiell tödliche aktionen dort durchzuführen, wo 25 Die für den 17. August 1995 festgesetzte Hinrichtung des Journalisten und ehemaligen Funktionärs der Black Panther Party Mumia Abu JAMAL, der 1982 in den USA wegen Mordes an einem Polizisten rechtskräftig zum Tode verurteilt worden war, wurde aufgrund weltweiter Proteste verschiedener gesellschaftlicher Gruppen im letzten Moment auf unbestimmte Zeit verschoben. -38die brd-eliten wohnen/arbeiten", Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser von drei CDU-Bundespolitikern und auf das peruanische Honorarkonsulat in Düsseldorf. Die AIZ begreift sich als "teil des Widerstandes in der brd" und beruft sich dabei auf den terroristischen Aktionismus der RAF aus früheren Jahren. Im Gegensatz zu den Anschlägen der RAF nimmt die AIZ eine hohe Gefährdung auch unbeteiligter Personen billigend in Kauf. Nur glücklichen Tatumständen ist es zu verdanken, daß bislang keine Personen zu Schaden gekommen sind. In ihren Positionsbzw. Bekennerschreiben bezieht sie sich fortgesetzt auf revolutionär-islamische Gruppierungen und greift in der Regel "exotische" Themen auf, die jenseits gängiger linksextremistischer Argumentation und Agitation liegen. Die AIZ stößt wegen dieser Strategie und Vorgehensweise in der linksextremistischen Szene größtenteils auf offene Ablehnung. Einige Kritiker bestreiten gar die Zugehörigkeit der AIZ zur linksextremistischen Szene. Sie werfen ihr u.a. "inhaltliche nähe zu nationalrevolutionären" sowie "völkisch gewendeten antiimperialismus" vor. Die AIZ wiederum zeigt sich von der ihr gegenüber geäußerten Kritik völlig unbeeindruckt und prangert ihrerseits offensiv Positionen und politische Praxis der deutschen linksextremistischen Szene an. AIZ-Anschläge Am 22. Januar 1995 explodierte in Wolfsburg an der Eingangstür des Wohnhauses des ehemaligen Bundestagsabgeordneten (MdB) der CDU Dr. K. eine abgelegte Rohrbombe. Es entstand Sachschaden; Personen wurden nicht verletzt. Am Tatort wurde eine 6-seitige Taterklärung ohne Gruppenbezeichnung aufgefunden. Darin wird ausführlich der berufliche und insbesondere politische Werdegang von Dr. K. beschrieben. Mit dem Hinweis auf seinen Vorsitz in der deutsch-marokkanischen Gesellschaft wird inhaltlich der Bogen geschlagen zu einer Darstellung der europäischen, insbesondere deutschen Wirtschaftspolitik gegenüber den Staaten des "mittelmeerraumes". In einem Mitte Februar 1995 bekanntgewordenen sechsseitigen Papier übernimmt die AIZ ausdrücklich die Verantwortung für den -39Sprengstoffanschlag vom 22. Januar 1995. Insbesondere bringt sie darin ihre Absicht zum Ausdruck, u.a. dazu beitragen zu wollen, daß "in der brd gelernt wird, den widerstand unserer Schwestern und brüder im maghreb/nahen osten zu verstehen und mit ihnen zusammen gegen den imperialismus zu kämpfen". Am 23. April 1995 detonierte in Erkrath bei Düsseldorf im Eingangsbereich des Wohnhauses des CDU-MdB Prof. Dr. B. ein vor der Haustür abgelegter Sprengsatz und verursachte Sachschaden in Höhe von ca. 60.000 DM. Einen Tag später, am 24. April 1995, bekannte sich die AIZ zu diesem Sprengstoffanschlag. In ihrer Taterklärung heißt es, Dr. B. gehöre "zum führungszirkel der cdu/csu-bundestagsfraktion", die das "operative machtzentrum der cdu/csu" darstelle. Die Auswirkungen der "brd-innenpolitik" auf den türkisch/kurdischen Konflikt sowie der Umbau der Bundeswehr, der insbesondere von Bundesminister Rühe forciert werde, um die Rolle Deutschlands auch militärisch absichern zu können, waren weitere Themen. Am 17. September 1995 verübte die AIZ einen Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des CDU-MdB B. in Siegen. Dabei entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 5.000 DM. In ihrer am darauffolgenden Tag bekanntgewordenen 16seitigen Taterklärung setzt sich die AIZ intensiv mit der Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland sowie erneut mit der Bundeswehr auseinander. Der bislang letzte Sprengstoffanschlag der AIZ vom 23. Dezember 1995 auf einen Gebäudekomplex in Düsseldorf galt dem dort untergebrachten peruanischen Honorarkonsulat sowie einem BaukonzerrL In einem 24-seitigen Selbstbezichtigungsschreiben prangert die AIZ weitschweifig die "unerträgliche" Situation der Menschen in Peru an, für die das von den imperialistischen Staaten - so auch von den "brd-eliten in Wirtschaft und politik" - unterstützte System des dortigen Präsidenten Fujimori die Verantwortung trage. Bemerkenswert ist, daß sie erstmals die Verantwortung für Mißstände in Politik und Wirtschaft nicht nur den "brd-eliten", sondern der "brd-Gesellschaft" insgesamt anlastet. Für 1996 kündigt die AIZ weitere "aktionen" an. -40Zeitlich zwischen dem zweiten und dritten Sprengstoffanschlag veröffentlichte die AIZ ein umfangreiches Positionspapier, in dem sie erklärte, ihr bisheriges Konzept konsequent weiter verfolgen zu wollen. Dieses Papier wurde am 15. Juli 1995 in Mainz aufgegeben. 5 "Das K.O.M.I.T.E.E." Die terroristische Gruppierung "Das K.O.M.I.T.E.E." trat erstmals im Oktober 1994 mit einem Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde/Brandenburg, bei dem Sachschaden von rund 200.000 DM entstand, in Erscheinung. Am 11. April 1995 scheiterte ein Bombenanschlag auf eine im Berliner Bezirk Grünau im Umbau befindliche Abschiebehaftanstalt. Eine Polizeistreife fand auf einem nahen Parkplatz in einem Fahrzeug Gasflaschen, Zeitzündvorrichtungen sowie zwei Brandflaschen, außerdem mehrere Zettel mit der Aufschrift "achtung - lebensgefahr, Sprengung des knastgebäudes - das k.o.m.i.t.e.e.". Die Berliner autonome Zeitschrift "INTERIM" (Ausgabe Nr. 344) veröffentlichte am 21. September 1995 unter dem Titel "Knapp daneben ist auch vorbei" eine Erklärung der Gruppierung, in der sie sich zu dem fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlag bekennt und erklärt, als Konsequenz aus den selbstgemachten "schwerwiegenden Fehlern" ihr "Projekt" zu beenden. Der Schluß der Erklärung vermittelt den Eindruck, daß einige Gruppenmitglieder trotzdem terroristische Anschläge verüben wollen und können: "Unsere Entscheidung ist kein Abgesang auf militante Politikformen im Allgemeinen ... Wir finden es nach wie vor wichtig und richtig, auch mit militanten Mitteln in die politischen und militärischen Pläne der Herrschenden einzugreifen und ihre Projekte, wo immer möglich zu benennen, anzugreifen und zu verhindern." 6 "Revolutionäre Zellen" (RZV'Rote Zora" Unverändertes Ziel der RZ ist, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung in Deutschland "Sozialrevolutionär" zu überwinden. Die Strategie der RZ aus frühe- -41ren Jahren, möglichst viele eigenständige Zellen zu schaffen, die selbst die Voraussetzungen für ihren "bewaffneten" Kampf entwickeln, hat nach wie vor Bestand. In der Ausgabe Nr. 337 vom 22. Juni 1995 veröffentlichte die Zeitschrift "INTERIM" eine Taterklärung mit der Überschrift "Revolutionäre Zellen - Tendenz für die internationale soziale Revolution hier: Abteilung Unternehmensberatung, betr. Magnetschwebebahn" zu einem - bisher offenbar nicht durchgeführten - Bombenanschlag auf die Trasse der Teststrecke des Transrapid im Emsland in der Nacht zum 12. Juni 1995. Die "Rote Zora", eine aus RZ-Zusammenhängen entstandene Frauengruppe, hat sich zum Ziel gesetzt, die patriarchale Macht zu zerstören. Dazu seien illegale militante Organisierung, die Bestrafung von Tätern und die Zerstörung von Institutionen, die die Gewaltverhältnisse organisierten und reproduzierten, unabdingbar. In einer Taterklärung, die am 27. Juli 1995 verschiedenen Presseredaktionen zuging, bezichtigt sich die "Rote Zora" eines Sprengstoffanschlages gegen die Lürssen-Werft GmbH & Co. in Lemwerder bei Bremen in der Nacht zum 24. Juli 1995. Die Täterinnen hatten mit einer "Rohrbombe" (mit Sprengstoff gefülltes Glasfiberrohr) ein Loch in die Außenwand einer Werkshalle gesprengt. .3 Sonstige militante Linksextremisten (Autonome) Das "gewaltbereite linksextremistische Potential" besteht zum größten Teil aus Autonomen, die auch 1995 wieder zahlreiche Körperverletzungen und Sachbeschädigungen verübten. Ziel der Autonomen ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft und auf dem Weg dahin die Zerschlagung des von ihnen als "Schweinesystem" bezeichneten Staates. Der Zulauf zu autonomen Gruppierungen/Zusammenhängen hält unvermindert an. Zum Jahresende 1995 betrug das Potential gewaltbereiter autonomer Kräfte bundesweit annähernd 6.000 Personen. In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 150 Autonome, vor allem in Mainz, Koblenz, Kaiserslautern, Ludwigshafen am Rhein, Speyer und Trier. -42Autonome schließen sich grundsätzlich in lockeren Gruppierungen zusammen und lehnen eine formelle Organisation und hierarchische Struktur ab. Die Verbindung der Gruppen untereinander erfolgt zumeist über "Freiräume", wie z.B. besetzte Häuser, Infoläden oder Jugendtreffs. Neben diesen Anlaufund Kontaktstellen - in Rheinland-Pfalz gibt es Infoläden in Trier und Speyer; in Mainz gilt das "Haus Mainusch" als Szene-Treffpunkt - haben sich in der autonomen Szene moderne Kommunikationssysteme (z.B. Mailboxen) gebildet, so das 1991 in Mainz gegründete "Spinnennetz", das als Schnittstelle dem europäischen Informationssystem "European Counter Network" (ECN) angeschlossen ist. Damit verfügt dieses linksextremistische Spektrum bundesweit über eine Kommunikationsstruktur, die die sofortige Übermittlung von Nachrichten - national wie international - ermöglicht. Eine nach wie vor große Bedeutung kommt den - zum Teil konspirativ verbreiteten - autonomen Szeneblättern zu, wie der wöchentlich in Berlin erscheinenden Schrift "INTERIM" oder der Untergrundzeitschrift "radikal". Wegen Herstellung und Verbreitung der "radikal" wurden am 13. Juni 1995 im gesamten Bundesgebiet in mehr als 50 Fällen Objekte durchsucht, aber auch wegen der laufenden Ermittlungen gegen die terroristischen Gruppierungen AIZ und "Das K.O.M.I.T.E.E.". Diese Exekutivmaßnahme löste vor allem im autonomen Bereich heftige Reaktionen aus. Sie wurde als "Kriminalisierung und Repression radikaler Politik" bzw. als "staatlicher Terror zur Unterdrückung fortschrittlicher Kräfte" bezeichnet. Es kam bundesweit zu Demonstrationen, wie beispielsweise am 16. Dezember 1995 in Hamburg mit annähernd 5.000 Beteiligten, darunter auch Autonome aus Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus wurden Informationsbzw. Protestveranstaltungen durchgeführt, u.a. auch in Mainz (Haus Mainusch) am 22. November und am 13. Dezember 1995. Aktionen autonomer Kräfte orientieren sich im wesentlichen an aktuellen und vermittelbaren Themen wie der "Ausländer-, Asyl-, Kurdenoder Wohnraumproblematik". Wie in den Vorjahren war auch 1995 der Themenbereich "Antifaschismus/Antirassismus" ein Aktionsschwerpunkt. Systematisch spähten Auto- -43nome sogenannte Faschos und deren Strukturen sowie Verantwortliche und "Profiteure" des angeblichen staatlichen Rassismus aus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in eigens dazu erstellen Broschüren sowie in einschlägigen Szeneblättern. Autonome Gewalt wird auf unterschiedliche Weise ausgeübt. Am häufigsten sind Sachbeschädigungen und Straßenkrawalle ("Massenmilitanz"), oftmals verbunden mit Angriffen auf die Polizei, wie z.B. am 26. Oktober 1995 beim "Großen Zapfenstreich" in Bonn anläßlich der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Bundeswehr sowie bei zahlreichen bundesweiten Solidaritätsaktionen für den "Kampf des kurdischen Volkes", insbesondere am 18. November 1995 in Köln. Dabei treten Autonome häufig in einheitlicher "Kampfausrüstung" auf, als "Schwarzer Block" und mit "Haßkappen" vermummt. Auch beteiligten sich Autonome an den von der Anti-AKW-Bewegung im Zusammenhang mit den sogenannten Castor-Transporten in erster Linie gegen die Bundesbahn bundesweit durchgeführten Demonstrationen und militanten Störaktionen. In Rheinland-Pfalz war davon die Bahnstrecke Worms/Ludwigshafen im April und Dezember 1995 betroffen; mittels Hakenkrallen wurden Oberleitungen und eine Lok beschädigt. Möglichkeiten zur Bestandsaufnahme und zur Verständigung über Perspektiven der Bewegung bot ein vom 14. bis 17. April 1995 in Berlin durchgeführter bundesweiter "Autonomie-Kongreß", der unter dem Motto stand: "Autonome auf dem Weg ins 21. Jahrhundert". Die hohe Teilnehmerzahl von 2.000 Personen, darunter auch rheinland-pfälzische Autonome, rief selbst bei der Szene Überraschung hervor, konnte jedoch letztlich nicht über die allgemein beklagte autonome Zersplitterung, Kontaktund Perspektivlosigkeit hinwegtäuschen. Auf dem Kongreß gelang es nicht, sich auf eine inhaltliche Neubestimmung innerhalb der Bewegung zu einigen. Der Berliner "Autonomie-Kongreß" hat gezeigt, daß das bundesweite autonome Spektrum wohl auch in naher Zukunft nicht in der Lage sein wird, sich zu einer zielgerichteten politischen Organisationseinheit zu formieren. Gleichwohl gibt es seit Anfang der 90er Jahre immer wieder Bestrebungen nach einer stärkeren Vernetzung und Organisierung des gewaltbereiten linksex- -44tremistischen (autonomen) Potentials, die zum Teil auch von Erfolg gekrönt waren. Dafür steht insbesondere die 1992 in Wuppertal gegründete militante "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO), die mehrere Mitgliedsorganisationen aus verschiedenen deutschen Städten/Regionen umfaßt, darunter neben der Berliner Gruppe "F.e.l.S." und der besonders militant ausgerichteten "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen auch die "Autonome Antifa MainzAViesbaden". Die AA/BO trat u.a. mit Parolen wie "Antifa heißt Angriff und "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System" auf; daneben propagiert sie militante Aktionsformen, insbesondere Angriffe auf "Faschos" sowie Anschläge gegen deren Eigentum und gegen "Faschistische Strukturen". Die "Autonome Antifa Mainz/Wiesbaden" führte am 27. Mai 1995 in Mainz unter dem Motto "Gegen den reaktionären Vormarsch den antifaschistischen Kampf um Befreiung führen!" eine Demonstration durch. Diese sollte der Organisierung antifaschistischer Theorie und Praxis dienen und verdeutlichen, daß der "antifaschistische Kampf der bestehenden Gesellschaftsordnung feindschaftlich gegenüberstehe. Im Juni 1995 gab die Gruppe eine Broschüre mit dem Titel "Die Neue Rechte" heraus. Darin wird ein Überblick über die Entstehung, Ideologie und Strategie der sogenannten Neuen Rechten vermittelt und insbesondere deren "personelle und organisatorische Verflechtungen in andere politische Lager" aufgezeigt. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS Ende 1995 gehörten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden bundesweit ca. 55.10026 (1994: 47.050) und landesweit etwa 1.250 (1994: 1.150) Auslän-der extremistischen bzw. extremistisch beeinflußten Organisationen an. Obwohl - wie bereit im Vorjahr - erneut ein Anstieg der Zahl ausländischer Extremisten zu verzeichnen war, ist ihr Anteil mit weniger als 1 % an der Gesamtzahl 26 Aus dem gemeinsamen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes "Deutschland im Blickpunkt extremistischer und terroristischer Ausländergruppierungen" (Stand: 25. November 1995). -45der ca. 7 Millionen im Bundesgebiet lebenden Ausländer (in Rheinland-Pfalz ca. 288.000, Stand: März 1995) nach wie vor gering. 1995 erhöhte sich die Zahl der bundesweit zu verzeichnenden Gewalttaten gegenüber 1994 (262) wieder leicht; ein erheblicher Anstieg war bei den Brandanschlägen (1994: 56) festzustellen. Dabei wurde eine Person getötet. 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die Mitglieder und Sympathisanten der am 22. November 1993 durch den Bundesminister des Innern verbotenen PKK haben auch im Jahre 1995 ihren Aktionismus unvermindert fortgeführt. Dabei setzt die PKK mehr und mehr auf eine Doppelstrategie: einerseits führt sie weitgehend gewaltfreie Aktionen zur Erreichung ihrer Ziele durch und versucht dabei, sich als Befreiungsbewegung eines unterdrückten Volkes darzustellen, andererseits stellt sie mit überregional gesteuerten, zumeist an mehreren Orten im Bundesgebiet zeitgleich durchgeführten Gewaltaktionen ihre Brutalität und Anschlagsfähigkeit deutlich unter Beweis. Bereits zu Beginn des Jahres 1995 veröffentlichte u.a. die in Folge des Verbots der PKK Nachrichtenagentur "Kurdistan Haber Ajansi/News Agency" (KURDHA) gegründete "Kurdisch-Deutsche Presseagentur" (KURD-A) die Neujahrsbotschaft des PKK-Generalsekretärs Abdullah ÖCALAN, der erklärte, daß das kurdische Volk in seinem Widerstandswillen gestärkt sei. Er kündigte auch die Bildung eines kurdischen Nationalkongresses unter Beteiligung aller anderen kurdischen Organisationen an. Des weiteren wolle er ein kurdisches Nationalparlament ins 28 Leben rufen sowie ein Exilparlament in Europa einrichten. Von grundlegender Bedeutung war die Erklärung des Zentralkomitees der PKK in der Ausgabe des "Kurdistan-Rundbriefes" vom 24. Februar 1995 zu ihrem 5. Par27 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Arbeiterpartei Kurdistans" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: September 1995), die beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3 - 5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) kostenlos angefordert werden kann. 28 "Täglicher Dienst für deutschsprachige Medien" vom 2. Januar 1995. -46teikongreß. Danach seien Parteiprogramm und Satzung überarbeitet und die wissenschaftliche und konstruktiv sozialistische Auffassung systematisiert worden. Die Praxis früherer sozialistischer Organisationen der Welt solle damit überwunden und jegliche Art kleinbürgerlicher Tendenzen isoliert werden. Der Kongreß habe außerdem die militärische Disziplin und die kriegerische Linie der PKK unterstrichen und zu diesem Zweck einen Kriegsplan ausgearbeitet. Es werde erwartet, daß nun die Phase eines intensiven Krieges beginne. .Deshalb solle eine "Nationale Armee" gegründet werden, weil das einzige Mittel zur Aufrechterhaltung der Existenz und des Lebens des kurdischen Volkes der revolutionäre Kampf sei. Die in Deutschland ebenfalls verbotene "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) führte in der Zeit zwischen dem 27. Februar und 6. März 1995 ihre (8.) Jahreskonferenz durch. Einer am 10. März 1995 von der KURD-A verbreiteten Erklärung des ERNK-Europavertreters Ali GARZAN zufolge zeige die Durchführung der Konferenz in Deutschland, daß sich die ERNK in ihrer Arbeit nicht durch irgendwelche Verbote und Repressalien deutscher Behörden behindern lasse. Der Krieg in Kurdistan habe die Phase der Machtübernahme erreicht. Kein imperialistisches Komplott könne den Kampf, der sich dem Sieg nähere, verhindern. In dem deutschen Wochenmagazin "STERN" vom 29. Juni 1995 erklärte ÖCALAN erneut, das PKK-Verbot habe die Gewaltbereitschaft seiner Anhänger in der Bundesrepublik noch erhöht. Es bestehe die Möglichkeit einer weiteren Eskalation, solange die Kurdenfrage in der Türkei nicht gelöst sei. Gerade die deutsche Regierung trage große Verantwortung und es werde nicht ohne Konsequenzen bleiben, wenn Deutschland an der Seite der Türkei Stellung gegen die Kurden beziehe. Insofern werde das Kurdenproblem noch eine dramatische Wende nehmen. Gleichzeitig warnte er zum wiederholten Male vor Reisen in die Türkei, da sich der Krieg im Sommer noch ausweiten und es zu Anschlägen kommen könnte. Ziel der PKK sei es, den Tourismus als Finanzierungsquelle des Kampfes gegen die Kurden zum Erliegen zu bringen. 29 Vermutlich vom 8. bis 27. Januar 1995 in Kurdistan. -47in In einem Live-Interview mit dem Fernsehsender "MED-TV" soll OCALAN im September 1995 einen erneuten Waffenstillstand (wie bereits im Jahre 1993) angekündigt haben. Er habe seinen Vorstoß u.a. mit dem Wechsel an der Spitze der türkischen "Republikanischen Volkspartei" (CHP) und verschiedenen Friedensinitiativen in der türkischen Gesellschaft begründet. Die EU solle bei ihrer EntScheidung , die sie hinsichtlich der Türkei in naher Zukunft treffen werde, berücksichtigen, daß die PKK nicht das Problem sei, weil auch sie eine politische Lösung suche. Wenn die Türkei aufsein Angebot jetzt nicht mit Gewalt reagiere, wolle die PKK der Ankündigung weitere Schritte folgen lassen. Nach dem Rücktritt der türkischen Regierung am 20. September 1995 hat ÖCALAN angeblich sein Waffenstillstandsangebot wieder zurückgezogen. Die laut "Kurdistan-Rundbrief vom 21. September 1995 neu gegründete kurdische Nachrichtenagentur DEM (kurdisch: Zeit) ließ verlauten, die angekündigte Waffenruhe sei auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und es müsse "auf der gegnerischen Seite wieder einen Gesprächspartner geben" bzw. "ein günstiges Klima eintreten". Auf die Situation in Deutschland bezogen äußerte sich ÖCALAN erneut, diesmal in dem deutschen Wochenmagazin "FOCUS" vom 22. Dezember 1995, kritisch, insbesondere wegen der Waffenlieferungen an die Türkei. Eine deutsche Regierung, die das türkische Militär und den Geheimdienst unterstütze, sei eine Gefahr. Deutschland sei mitverantwortlich für die Zerstörung von 3.000 kurdischen Dörfern. Diese Situation müsse genau analysiert und bewertet werden. ÖCALAN schloß in dem Interview nicht aus, daß Aktionen wiederum den Tourismus treffen könnten, aber auch andere politische Ziele seien nicht ausgenommen. Wenn man die gerechte Sache der Kurden nicht endlich ernst nehme, dann würde das zu Lasten Deutschlands gehen. Die Deutschen könnten froh sein, daß es bislang keine extremeren Reaktionen gegeben habe. Die Kurden hätten erwartet, daß es keine neuen Verbote von kurdischen Vereinen gäbe. Dennoch sei dies jetzt gleich mehrfach geschehen . Damit hätten die Deutschen ihre Versprechungen ihm gegenüber nicht eingehalten. 30 Bei "MED-TV" handelt es sich um einen PKK-beeinflußten kurdischen Fernsehsender. 31 Aufnahme in die Europäische Zollunion. 32 Vgl. Seite 49 -48Nach diesen Aussagen ist ÖCALAN zu einem Gewaltverzicht in Deutschland offenbar nicht bereit. Ende Januar 1996 sprach ÖCALAN in einem "MED-TV"Interview massive Drohungen gegen die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Staatsbürger aus. Er kündigte "unangenehme Aktionen" und "Ausschreitungen" für den Fall an, daß die "Unterdrückung der Kurden" weiter anhalten würde. Er drohte, daß die "kommenden Tage" gefährlich würden und kein Verantwortlicher überrascht sein dürfe, "wenn morgen 50 deutsche Touristenleichen in Deutschland ankommen". 3.1.1 Staatliche Maßnahmen und Schaffung neuer Strukturen Im Laufe des Jahres 1995 konnten mehrere mutmaßliche PKK-Funktionäre und Mitglieder festgenommen werden, so am 3. Januar 1995 am Grenzübergang Passau ein PKK-Kurier, der größere Mengen Propagandamaterial mit sich führte. Weitere vermutete PKK-Funktionäre wurden am 9. September 1995 in Frankfurt am Main und am 14. Oktober 1995 in Pohlheim (Hessen) sowie in München festgenommen. Auch Anfang 1996 hat es bereits weitere Festnahmen von PKKFunktionären gegeben, so in Hannover und in Heidelberg. Auf dem Gelände der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz fand am 14. Mai 1995 eine Gebietsversammlung von PKK-Angehörigen aus dem Rhein-Main-Gebiet statt. Die Polizei nahm wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz insgesamt 105 Personen vorläufig fest. Die bei den Personen-und Kraftfahrzeugdurchsuchungen beschlagnahmten Unterlagen erhärten den PKK-Verdacht. Außerdem wurde eine Person festgenommen, die verdächtigt wird, maßgeblich an der Planung und Steuerung von Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen mitgewirkt zu haben. Gegen sie wurde deshalb Haftbefehl vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erlassen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der Folgezeit kam es am 23. Mai 1995 zum Hungerstreik mehrerer Personen auf dem Gelände der Universität Mainz, zu dem der "Verband der Studentinnen aus Kurdistan" (YXK) aufgerufen hatte. Sie forderten u.a. die "Einstellung aller politischen Verfahren" und die "Freilassung der Kurdischen Gefangenen" sowie "Schluß mit der Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden in der BRD". -49Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren, ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz, durchsuchte die Polizei am 1. Juni 1995 den "AGRIVerlag" in Köln. Es wurden etwa 15 Tonnen PKK-Propagandamaterial wie Broschüren, Bücher, Zeitungen, Videokassetten, Fahnen und Poster sowie BlancoSpendenquittungen der verbotenen ERNK sichergestellt. In den folgenden Tagen kam es deshalb bundesweit zum Teil zu gewaltsamen demonstrativen Handlungen von PKK-Anhängern, so zum Beispiel in Köln, wo mehr als 400 Personen vorübergehend festgenommen wurden, von denen zuvor mehr als 300 Personen die versiegelten Räume des AGRI-Verlages stürmen wollten. Auch im europäischen Ausland, u.a. in Amsterdam, Brüssel, Wien und London, demonstrierten Kurden vor deutschen Auslandsvertretungen. Vermutlich als Folge der staatlichen Maßnahmen wurden bundesweit zeitgleich Brandanschläge auf Polizeidienststellen u.a. am 9. Juni 1995 in Ludwigshafen am Rhein, Stuttgart, Nürnberg und Kiel sowie am 26. Juni 1995 in Frankfurt am Main, wo durch eine Handgranate erheblicher Sachschaden an Polizeifahrzeugen entstand, verübt. Das Landgericht Mannheim verurteilte am 6. Juli 1995 vier Angehörige der PKK zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Gegenstand der Verurteilung waren gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei anläßlich eines von der "Freien Frauenbewegung aus Kurdistan" (TAJK) am 26. September 1994 initiierten verbotenen Solidaritätsmarsches in Mannheim. Dabei hatten zwei Personen auch Brandsätze gegen Polizeibeamte geschleudert. Durch den Bundesminister des Innern wurde im März 1995 das in Köln ansässige "Kurdistan-Informationsbüro in Deutschland" (KIB.) verboten. Nach den getroffenen Feststellungen gilt das KIB eine Ersatzorganisation des am 22. November 1993 als Nebenorganisation der PKK ebenfalls verbotenen "Kurdistan-Komitees e.V. Köln". Die ERNK erklärte hierzu im "Kurdistan-Rundbrief,, vom 9. März 1995, der neuerliche Angriff auf kurdische Institutionen sei eine Fortsetzung der gemeinsamen Kampagne der deutschen und türkischen Regierung gegen den "Nationalen Befreiungskampf Kurdistans" und eine logische Konsequenz der re- -50pressiven, verleumderischen und zerstörerischen Haltung des deutschen Staates. Zeitgleich wurden auch in Bayern fünf Verbote örtlicher PKK-Vereine in Nürnberg, Ingolstadt und München vollzogen. Der Bremer Senator für Inneres verbot am 14. November 1995 mit sofort vollziehbarer Wirkung den "HEVALTI-Kurdisch-Deutschen Verein für Völkerfreundschaft e.V.", da der Verein eine klassische Tarnorganisation der verbotenen PKK sei. Bei der Durchsuchung beschlagnahmte die Polizei erhebliches Beweismaterial. Weitere Vereinsverbote vollzog der Hessische Minister des Innern und für Europaangelegenheiten am 5. Dezember 1995. In Frankfurt am Main betraf es den "Kulturund Unterstützungsverein des Kurdischen Volkes e.V." und das "Kurdistan-Informationszentrum Frankfurt am Main e.V.". Auch diesen Vereinen wurde vorgeworfen, Schaltzentralen der PKK und ERNK zu sein. Am 27. März 1995 wurde die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM) mit Sitz in Bochum gegründet. Auch hier besteht der Verdacht, daß YEK-KOM die Arbeit der vom Verbot betroffenen PKK-Nebenorganisation "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan) fortführen soll. In einer im November 1995 bekanntgewordenen Publikation der YEK-KOM mit dem Titel "Kurdenverfolgung in Deutschland - der Preis der deutsch-türkischen Freundschaft" wird im Sinne der PKK-Propaganda u.a. ausgeführt, die PKK sei die einzig legitime Vertreterin des kurdischen Volkes. Das Verbot kurdischer Parteien in der Türkei setzt die Publikation mit dem Verbot von PKK und ERNK sowie diverser kurdischer Vereine in der Bundesrepublik Deutschland gleich und vertritt die Auffassung, dadurch sollen legale politische Gruppierungen, die die Rechte der Kurden vertreten, kriminalisiert und mundtot gemacht werden. Gleichzeitig wird der Leser der Broschüre aufgefordert, sich für die Aufhebung der Vereinsverbote einzusetzen. 33 Das Bundesverwaltungsgericht hat am 6. September 1995 den Antrag des KD3 auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Verbotsverfügung des BMI vom 2. März 1995 abgelehnt mit der Feststellung, die Bewertung des KJB als Ersatzorganisation eines verbotenen Ausländervereins halte der rechtlichen Prüfung stand u.a. auch deshalb, weil Beweise für eine Propagandatätigkeit zugunsten von PKK und ERNK gegeben seien. -51 - 3.1.2 Aktionismus Nach wie vor gelingt es den illegalen PKK-Kadern in der Bundesrepublik Deutschland, kurdische Landesleute zu Gewaltaktionen zu mobilisieren. Mehrere Anschlagswellen machten 1995 wiederum deutlich, daß die PKK über ein enormes terroristisches Potential verfügt. PKK-Führer Abdullah ÖCALAN räumte während einer Sendung von "MED-TV" am 27. November 1995 Anschläge von PKK-Anhängern auf türkische Einrichtungen in Deutschland ein. Von der ersten Anschlagswelle, die am 17. Februar 1995 ausgelöst wurde, waren über 30 Fälle zumeist türkische, aber vereinzelt auch deutsche Reisebüros, u.a. in Bremen, Berlin, Köln, Hannover, Frankfurt am Main, Stuttgart und München, betroffen. Durch den Einsatz von Molotowcocktails kam es zu schweren Sachbeschädigungen. In einer Erklärung der ERNK vom 2. März 1995 wurde zwar deren Urheberschaft dementiert; aufgefundene Taterklärungen, in denen u.a. zum Tourismusboykott der Türkei aufgerufen wurde, lassen aber eine Nähe zur PKK erkennen. Der Tourismusboykott ist eine zentrale Forderung der PKK. Die zweite Anschlagswelle in der Bundesrepublik Deutschland, bei der neben türkischen Reisebüros auch Moscheen und Begegnungsstätten vermuteter "staatstreuer" Türken betroffen waren, begann nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Aleviten und der Polizei in Istanbul am 13. März 1995. Allerdings waren daran auch andere linksextremistische türkische Gruppen, wie z.B. die aus der verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) hervorgegangenen Splittergruppen oder die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) beteiligt. In diesem Zusammenhang müssen auch die Brandanschläge auf türkische Reisebüros in Ludwigshafen am Rhein am 14. März 1995, am 17. März 1995 in Mainz und zwei weitere auf ein türkisches und ein deutsches 34 Vgl. Nr. 3.2, Seite 54 -52Reisebüro in Mainz am 29. März 1995 gesehen werden, wobei die Taten glücklicherweise nicht in allen Fällen vollendet werden konnten. In Rheinland-Pfalz wurde ein Kurde wegen Beteiligung an zwei Brandanschlägen verurteilt. Eine weitere schwere Brandanschlagswelle richtete sich im Juni 1995 (ca. 10 Fälle) und vor allem im Juli/August 1995 (etwa 60 Fälle) erneut gegen türkische Reisebüros, aber auch gegen Geschäfte, Gaststätten und Vereinsgebäude, u.a. in Hamburg, Bremen, Hannover, Osnabrück, Düsseldorf, Ludwigshafen am Rhein, Stuttgart und Baden-Baden. Ursächlich hierfür könnte die bekundete Solidarität mit in dieser Zeit hungerstreikenden inhaftierten Kurden in der Türkei gewesen sein, aber auch die Entscheidung eines Londoner Gerichts, den ERNK-Europasprecher, Kani YILMAZ, an die Bundesrepublik Deutschland auszuliefern. Auch in verschiedenen deutschen Städten, so in Berlin und Frankfurt am Main, führten mutmaßliche PKK-Sympathisanten im Juli Hungerstreiks durch. Wie in den vergangenen Jahren organisierte und beeinflußte die PKK bundesweit zahlreiche Demonstrationen anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes (Newroz, 21. März), die zumeist friedlich verliefen. Bei Polizeikontrollen wurden jedoch mit Benzin gefüllte Kanister, Schlagstöcke und Würgehölzer beschlagnahmt. Gewaltfreie Großdemonstrationen fanden statt am 1. April 1995 in Düsseldorf mit mehr als 18.000 Personen unter Beteiligung von Antifa-Angehörigen sowie weiteren Personen des deutschen linksextremistischen Spektrums und am 17. Juni 1995 mit mehr als 70.000 Menschen in Bonn. Teilnehmer zeigten verbotene PKKSymbole und skandierten u.a. die Parole "Wir sind-die PKK". Transparente trugen Aufschriften wie "Die Kurden werden mit Waffen aus der BRD ermordet" oder "Aufhebung des Verbotes der Kurdenorganisationen". Nach dem Tod einer Kurdin am 27. Juli 1995, die Teilnehmerin eines Hungerstreiks in Berlin war, wurde dort am 1. August 1995 ein Trauermarsch mit mehr -53als 8.000 Personen veranstaltet. Teilweise riefen die Teilnehmer "Kanther Terrorist", "Es lebe APO" 35 oder "Wir sind die PKK". Die Bundesrepublik Deutschland wurde von Rednern auf der Abschlußkundgebung scharf kritisiert. An einem weiteren Trauermarsch am 9. September 1995 für einen am 3. September 1995 in Neumünster getöteten Kurden beteiligten sich ca. 7.000 Demonstranten, von denen viele PKK-Symbole zeigten. Im Vorfeld der Veranstaltung hatte die Polizei Personen festgenommen sowie Hieb-, Schlagund Stichwaffen, 50 Schuß scharfe Munition und Mittel zur Herstellung von Brandsätzen sichergestellt. Die PKK-Jugendorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) demonstrierte mit ca. 7.000 Personen am 28. Oktober 1995 in Duisburg. Als nationalistisch eingestellte Türken die Kundgebungsteilnehmer provozierten, kam es zu Tumulten, die von der Polizei unterbunden wurden. Am 26. November 1995 war der 2. Jahrestag des PKK-Verbots und am 27. November 1995 der PKK-Gründungstag. Aus diesen Anlässen kam es in der Zeit vom 23. bis 26. November 1995 bundesweit zu einer Vielzahl von Protestaktionen. Während Anhänger u.a. in Hannover und Saarbrücken friedlich demonstrierten, gab es in Essen gewaltsame Ausschreitungen. In Ulm, Köln und Stuttgart konnte die Polizei durch präventive Maßnahmen und die Beschlagnahme von Hiebund Schlagwerkzeugen eine Eskalation vermeiden. Die noch immer auf hohem Niveau anhaltenden Gewaltakte kurdischer Extremisten gefährden nach wie vor die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Solange keine einvernehmliche Lösung des Konflikts in der Türkei erreicht wird und beiderseitiger Gewaltverzicht garantiert ist, bleibt auch die Bundesrepublik Deutschland Zielscheibe der terroristisch operierenden PKK. 35 Kosename des PKK-Führers Abdullah ÖZALAN (APO = Onkel). 36 In Presseerklärungen vom 4. und 5. September 1995 behauptete die YEK-KOM, der Kurde sei von Anhängern der faschistischen "Grauen Wölfe" ermordet worden. Tatsächlich sind Tathergang und Motiv bislang noch unklar. -543.1.3 Spendenkampagne Wie alljährlich begann die PKK im Oktober 1995 mit der üblichen Spendenkampagne. Schätzungen zufolge sollten in Europa 50 Millionen DM, davon 25 Millionen DM in Deutschland eingetrieben werden. Trotz anderslautender öffentlicher Beteuerungen von PKK-Verantwortlichen wurden wieder Personen mit Gewalt zu Geldleistungen gepresst. Bundesweit laufen Ermittlungsverfahren gegen kurdische Spendengelderpresser. 3.2 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" ("Devrimci Sol'VDev Sol) Angehörige der im Jahre 1983 wegen schwerer Gewalttaten vom Bundesinnenminister verbotenen Vereinigung "Devrimci Sol" waren auch im Jahre 1995 in der Bundesrepublik Deutschland weiter aktiv, so nach außen durch Anschläge und intern durch Vergeltungsmaßnahmen gegen Abweichler aus den eigenen Reihen. Damit gehören sie zu einer der gefährlichsten linksextremistischen Gruppierungen aus der Türkei. Im Oktober 1994 hatten sich die seit langem verfeindeten Dev Sol-Flügel ge37 trennt. Der KARATAS-Flügel gab seine Umwandlung in eine "Partei" mit dem Namen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) bekannt. Der YAGAN-Flügel wurde in "Türkische Volksbefreiungspartei/-front Devrimci Sol" (THKP-C Devrimci Sol) umbenannt. Zwar führte diese Spaltung zu eingeschränkten Aktionsmöglichkeiten, es gelang den Anhängern der beiden Gruppierungen aber immer wieder, Protestaktionen in der Bundesrepublik Deutschland wegen aktueller Vorfälle in der Türkei (z.B. Razzien und Festnahmen von Gesinnungsgenossen auf türkischem Gebiet) durchzuführen. Mitglieder der früheren "Devrimci Sol" dürften für zahlreiche Brand37 Der KARATAS-Flügel der Devrimci Sol, benannt nach seinem Vorsitzenden Dursun KARATAS, tritt im Bundesgebiet u.a. auch unter den Bezeichnungen DHKC, DHK-C und DHKC-DHG in Erscheinung. 38 Bei Bedri YAGAN handelt es sich um einen am 05. März 1993 von türkischen Sicherheitskräften getöteten DEV-SOL-Führungsfunktionär. -55anschläge gegen türkische Einrichtungen verantwortlich sein; außerdem führten sie Besetzungsaktionen in mehreren Städten Deutschlands durch. So besetzten neun Anhänger der DHKC (Revolutionäre Volksbefreiungsfront) am 26. September 1995 in Mainz die Geschäftsräume des türkischen Arbeitsattaches und forderten ein Gespräch mit Pressevertretern. Im Zusammenhang mit einer erneuten Anschlagswelle im Januar 1996 erfolgte eine weitere Besetzung derselben Geschäftsräume am 5. Januar 1996 durch 13 Aktivisten der DHKC. Auch mit dieser Aktion wollte die DHKC öffentlichkeitswirksam auf Häftlingsrevolten in der Türkei aufmerksam machen. Die Teilnehmer der Besetzung vom 5. Januar 1996 wurden vom Amtsgericht Mainz bereits am 12. Januar 1996 wegen Hausfriedensbruch zu Haftstrafen zwischen sechs und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Auch in Zukunft muß damit gerechnet werden, daß auf Vorfälle in der Türkei wieder spontan Anschläge in Deutschland durchgeführt werden. 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP(MLJ) Die im Jahre 1972 in der Türkei gegründete TKP(ML) ist gekennzeichnet durch Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Zuletzt spaltete sich die Partei Anfang 1994 in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". Die Finanzierung der Partei und ihres Guerilla-Kampfes in der Türkei erfolgt durch Mitgliedsbeiträge und Spenden oder auch durch Geldbeschaffungsaktionen. So überfielen vier Anhänger der Organisation am 31. Dezember 1994 in Germersheim/Pfalz eine türkische Gaststätte und versuchten, die anwesenden Gäste auszurauben. Bei einem Schußwechsel zwischen den Gästen und den Räubern wurden drei Angreifer getötet. Der vierte Tatbeteiligte konnte festgenommen werden. Er wurde im August 1995 wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Wenngleich die TKP(ML) 1995 weniger Aktionismus entwickelte, muß auch künftig mit Gewaltaktionen durch sie gerechnet werden. -56SPIONAGEABWEHR Die vielfältigen Aktivitäten der Aufklärungsdienste fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland haben auch 1995 unverändert fortbestanden. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, daß es für manche Staaten keinen Widerspruch darstellt, einerseits politische und wirtschaftliche Annäherung anzustreben und andererseits in der Bundesrepublik Deutschland Spionage zu betreiben. Die Arbeitsweisen insbesondere der östlichen Aufklärungsdienste haben aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Osteuropa wesentliche Teile ihrer aggressiven, ideologischen Komponenten verloren. Die Ausspähung konzentriert sich vorrangiger auf den wirtschaftlichen und technisch-wissenschaftlichen Bereich, ist aber erkennbar geprägt von der Notwendigkeit politischer Rücksichtnahme. Neben der diplomatischen Abdeckung in Auslandsvertretungen werden in zunehmendem Maße Tarndienstposten in neu gegründeten Firmen geschaffen, von denen aus eine viel unauffälligere, meist sogar offene Informationsbeschaffung möglich ist. Vor allem durch den illegalen Abfluß von Forschungsergebnissen, Herstellungsverfahren, Rezepturen und dergl. entstehen der deutschen Wirtschaft jährlich Milliardenschäden. Besonders gefährlich ist der Transfer solcher Produkte, die, militärisch nutzbar in die Hände verantwortungsloser Entscheidungsträger gegeben, erheblichen Schaden anrichten können. Die Spionageabwehr hat sich auf diese neue Entwicklung eingestellt. Es wurde ein Konzept erarbeitet, um im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft die von möglichen Aktivitäten betroffenen Industrieunternehmen entsprechend zu sensibilisieren. Zu diesem aktuellem Thema wird auf eine vom rheinland-pfälzischen -5739 Verfassungsschutz eigens herausgegebene Broschüre verwiesen. Über die Arbeit der Spionageabwehr erfährt die Öffentlichkeit allerdings nur dann Einzelheiten, wenn sichergestellt ist, daß dadurch keine wie auch immer gearteten Nachteile entstehen können. Denn die Verhinderung der Proliferation bzw. der Lieferung sogenannter dual-use-Güter im Rahmen der Bekämpfung der Wirtschaftsspionage muß eindeutig Priorität haben. 4.1 Allgemeine Lage Die russischen Nachrichtendienste haben seit Auflösung der früheren UdSSR ihre Position im staatlichen Gefüge kontinuierlich ausgebaut, gefestigt und sind inzwischen wieder zu Ansehen, Macht und Einfluß gelangt. Mit mindestens 7 Nachrichtenund Sicherheitsdiensten, die in unterschiedlicher Gewichtung fast alle im Inund Ausland operieren, besitzt Rußland wieder mächtige Geheimdienste. Vor allem die klassischen Auslandsaufklärungsdienste und hier insbesondere den 40 SWR hat Präsident Jelzin bereits 1994 anläßlich eines Besuches aufgefordert, die Nachrichtenbeschaffung im Ausland zu steigern und alle operativen Möglichkeiten zum Wohle Rußlands zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen zu nutzen. Die Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sehen in Deutschland als einem der führenden Wirtschaftsstandorte und als Zufluchtsort für Asylsuchende für deren Aufklärung, Ausforschung und Überwachung ein wichtiges Operationsgebiet. Aber auch die Aufklärungsdienste anderer osteuropäischer Staaten wie Rumänien, Polen und Bulgarien nutzen die durch die wirtschaftliche Annäherung vielfältig 39 Vgl. im einzelnen Broschüre "Wirtschaftsspionage" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: September 1995), die beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) kostenlos angefordert werden kann. 40 Vgl. Nr. 4.3, Seite 58 -58gewordenen Möglichkeiten zur Beschaffung wichtiger Informationen, um ökonomische Schwierigkeiten im eigenen Land zu beseitigen sowie das technologische Gefalle zu verringern und ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Die Nachrichtendienste des Irak, Syriens, Libyens, insbesondere aber des Iran verfolgen unverändert das Ziel, wissenschaftlich-technische Informationen sowie militärisch-nutzbare Güter illegal zu beschaffen. Sie sollen in erster Linie dem Aufbzw. Ausbau eigener Entwicklungskapazitäten zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen dienen. AusspähungsschwerpunkteAziele Hinsichtlich der Ausspähungsschwerpunkte hat sich die schon in den vergangenen Jahren erkennbare Verschiebung hin zum wirtschaftlich-wissenschaftlichen Bereich verdeutlicht; die Anforderung gilt in erster Linie der Beschaffung von Hochtechnologie, Rüstungsgütern, besonders dual-use-Gütern und der Proliferation. Hauptanliegen derartiger Aktivitäten ist es, günstigere Bedingungen/Voraussetzungen für die wirtschaftliche sowie wissenschaftlich technologische Entwicklung im eigenen Land zu schaffen. Interesse besteht aber auch an Informationen aus dem politischen Bereich und der Überwachung in der Bundesrepublik Deutschland lebender Oppositioneller des jeweiligen Landes. Ausgewählte östliche Nachrichtendienste Der russische zivile Auslandsaufklärungsdienst (SWR) betreibt in Deutschland in den traditionellen Bereichen Spionage, wobei aber auch hier eine Hinwendung bzw. Verstärkung der Aktivitäten im Bereich der Wirtschaft festzustellen ist. Eine enorme Kompetenzerweiterung hat der föderale Sicherheitsdienst der Russischen Föderation (FSB) 1995 erfahren, u.a. durch die Befugnis, im Ausland Aufklärung zu betreiben. -59Der militärische Nachrichtenund Abwehrdienst des Generalstabs des Verteidigungsministeriums Rußland (GRU) hatte ursprünglich bei der Auslandsaufklärung den militärischen Bereich abzudecken. Dieses Gebiet wird heute zugunsten der Aufklärung im technisch-industriellen Bereich teilweise vernachlässigt. Die vorrangige Aufgabe des föderalen technischen Aufklärungsund Sicherheitsdienstes (FAPSI) im Ausland ist, mit technischen Mitteln in nachrichtendienstlich interessante Objekte einzudringen. Wie die meisten GUS-Staaten konzentriert das Komitee für Nationale Sicherheit Kasachstans (KNB) seine Aufklärungstätigkeit im Ausland in erster Linie auf die Anwerbung deutschstämmiger Aussiedler, Touristen und Geschäftsreisender, um sie für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit zu gewinnen. Die rumänischen Auslandsaufklärungsdienste verstärken ihre Aktivitäten in erster Linie auf den Bereich der Wirtschaft, um durch auf diese Weise gewonnene Erkenntnisse der heimischen Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Von den Nachrichtendiensten der Krisenund Schwellenländer sind insbesondere die iranischen sehr variantenreich und subtil bemüht, durch offene Beschaffung oder in klassischer Manier - durch Agenten - an für die iranische Industrie bzw. das Militär wichtige Erkenntnisse von Forschungsund Verfahrensabläufen sowie an Produkte aus dem Bereich der Proliferation zu gelangen. Sogenannte dual-use Güter, die gleichsam zivil wie auch militärisch verwendbar sind, stehen oftmals im Spannungsverhältnis einer exportorientierten Wirtschaft und der Notwendigkeit, ausfuhrrechtliche Bestimmungen zu beachten. Der rheinland-pfälzischen Wirtschaft kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Nachrichtendienste der ehemaligen DDR Die Überwerbung ehemaliger hauptamtlicher MfS-Angehöriger bzw. die Reaktivierung noch nicht erkannter Agenten früherer DDR-Dienste durch östliche, insbesondere russische Nachrichtendienste ist bis heute nicht auszuschließen. -60Es müssen deshalb alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, diesen Personenkreis zu klären und enttarnte Agenten der Justiz zu überantworten. So wurden im Berichtszeitraum gegen 14 Personen aus Rheinland-Pfalz Ermittlungsverfahren eingeleitet bzw. mit Haftund/oder Geldstrafen bzw. Geldbußen abgeschlossen oder wegen VerfolgungsVerjährung eingestellt. GEHEIMSCHUTZ Geeignete präventive Maßnahmen führte der Verfassungsschutz im Berichtszeitraum auch im Rahmen des Geheimund Sabotageschutzes durch. Der Schutz des Staates vor Ausspähung und Geheimnisverrat fordert dauerhaft und wirksam eine sorgfältige Auswahl der Geheimnisträger sowie entsprechende technische und organisatorische Vorkehrungen. Der Verfassungsschutz wirkt legaliter nicht nur bei der Erfüllung dieser Aufgaben mit, sondern auch bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. Vor dem Hintergrund der Gefahren extremistischer und terroristischer Bestrebungen haben die Sicherheitsbehörden hierbei eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Die zu beachtenden Geheimschutzmaßnahmen sind durch die Mindestforderungen der Organisation des Nordatlantikvertrages (NATO) vorgegeben. Der für das Land Rheinland-Pfalz verbleibende Regelungsspielraum im Bereich des personellen und materiellen Geheimschutzes wurde durch die Neufassungen der Sicherheitsrichtlinien vom 24.08.1995 und der Verschlußsachenanweisung vom 23.01.1996 ausgeschöpft und auf die tatsächlichen Erfordernisse ausgerichtet. Gleichzeitig wurden hierbei die Erwartungen an einen geringeren Verwaltungsaufwand und einen verbesserten Datenschutz, auch im Interesse einer breiten Akzeptanz bei den Geheimnisträgern, erfüllt. Daneben hat der Verfassungsschutz im Berichtszeitraum die Geheimschutzbeauftragten der rheinland-pfälzischen Behörden bei deren vielfältigen Geheimschutztätigkeiten beraten, geschult sowie Sicherheitsinformationen herausgegeben, um einen einheitlichen Sicherheitsstandard zu erhalten. -61 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in Rheinland-Pfalz besonders in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Deutsche Nationalisten" (DN) Am 21. Juli 1993 wurde die DN von dem bekannten Neonazi Michael PETRI aus Hessen gegründet. Die Organisation mit Sitz in Mainz strebt unter maßgeblicher Beteiligung von PETRI eine bundesweite Ausdehnung an. Sie verfügt derzeit über Landesverbände in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. In Rheinland-Pfalz hat sie nur wenige Mitglieder. Die DN versteht sich als Partei und ist beim Bundeswahlleiter registriert. Eine Anerkennung als Partei ist damit allerdings noch nicht verbunden. 1.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungiert die bekannte NS-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim als 1. Vorsitzende. Die HNG - mit bundesweit ca 300 Mitgliedern - versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und dient im Rahmen ihrer Gefangenenbetreuung als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Ihre "Gefangenenhilfe" zielt auf die nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die neonazistische Szene ab. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.3 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Die 1986 unter maßgeblicher Beteiligung des Neonazis Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein gegründete "nationale sozialistische Kampfgruppe" trat im 1. Halbjahr 1995 insbesondere mit Aktivitäten der Ortsgruppe Bad Durkheim in Erscheinung, die überregional Aufsehen erregten. Nachdem TAG am 30. Mai 1995 sein Ausscheiden "aus dem nationalpolitischen Widerstand in der BRD" erklärte, sind die Aktivitäten der ASD zum Erliegen gekommen. 1.4 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das IHV wurde am 20. Juni 1987 von dem Neonazi Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein gegründet. Die im wesentlichen von TAG ausgehenden Aktivitäten -62des IHV beschränkten sich bislang auf die Versendung der monatlich erscheinenden Publikation "IHV e.V. - Für Recht und Wahrheit" an die in Justizvollzugsanstalten einsitzenden Angehörigen der neonazistischen Szene. Seit Dezember 1993 verfügt das IHV über ein eigenes "Info-Telefon". Die Aktivitäten des IHV stagnieren seit dem Ausscheiden des TAG aus der Szene. "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die im März 1979 gegründete neonazistische Partei FAP wurde nach dem 1983 erfolgten Verbot der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) von Anhängern dieser Organisation unterwandert. Am 26. November 1994 wurde von der Parteiführung festgelegt, die FAP-Bundesgeschäftsstelle zum 31. Dezember 1994 nach Berlin zu verlegen. In Rheinland-Pfalz gehörten der Partei wenige Mitglieder und Sympathisanten an; sie verfügte hier bislang nur über lose Organisationsstrukturen. Am 12. November 1994 fand in Friesenhagen/ Landkreis Altenkirchen ein Sonderparteitag des nordrhein-westfälischen FAPLandesverbandes statt. Nach dem FAP-Verbot am 24. Februar 1995 durch den Bundesminister des Innern wurden in Rheinland-Pfalz keinerlei Aktivitäten mehr bekannt. Publikationsorgan: "Aufbruch", Neue Nation", "Standarte". "Nationale Liste" (NL) Die Partei wurde 1989 in Hamburg von Anhängern des verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN (ANS/NA) gegründet. NL-Vorsitzender war der bekannte Neonazi Christian WORCH, Hamburg. Verbindungen bestanden auch zu der in Rheinland-Pfalz ansässigen Organisation "Deutsche Nationalisten" (DN). Die "Nationale Liste" (Hamburg) wurde am 24. Februar 1995 durch den Hamburger Innensenator verboten. Publikationsorgan: "Der Index". "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Der "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz-Gonsenheim war durch seine wiederkehrenden neonazistischen Veranstaltungen bis Mitte 1993 von überregionaler Bedeutung. An den "Sonnwend-" und "Hitlergeburtstagsfeiern" beteiligten sich in der Vergangenheit teilweise bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Seit dem Verbot der "Sommersonnwendfeier" vom 17. Juni 1993 haben auf dem Anwesen der Eheleute MÜLLER keine derartigen Neonazi-Treffen mehr stattgefunden. -631.8 "Der Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V." Der 1970 gegründete "Stahlhelm - Landesverband Pfalz e.V.", der sich auch als "Militärhistorischer Verein" bezeichnet, führte 1995 nur nichtöffentliche Treffen, sogenannte Appelle, durch. 1.9 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervorgegangene NPD umfaßte 1994 bundesweit ca. 4.000 Mitglieder, der NPD-Landesverband RheinlandPfalz ca. 170. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) verzeichnet bundesweit etwa 150 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz ist sie nicht mehr existent. Publikationsorgan. "Deutsche Stimme", Auflage ca. 49.000 Exemplare. 1.10 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) einschließlich ihrer Aktionsgemeinschaften: - "Aktion Oder-Neiße" (AKON), "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur", "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten", "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.) und "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 von dem Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". In den von FREY herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutsche National-Zeitung" und "Deutsche Wochen-Zeitung" (Gesamtauflage etwa 65.000 Exemplare) wird im Sinne der Zielsetzung der Vereinigung agitiert. In Rheinland-Pfalz sind für den Verein DVU keine erkennbaren Aktivitäten zu verzeichnen Die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei DVU 1.11 "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Sie ist mit rund 15.000 Mitgliedern eine der größten Organisationen im rechtsextremistischen Spektrum. Der Landesverband der DVU stellt mit etwa 850 Mitgliedern die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung in Rheinland-Pfalz dar. -641.12 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die im Oktober 1991 gegründete, aus der "Deutsche Allianz-Vereinigte Rechte" hervorgegangene Partei versteht sich als Wegbereiter der Vereinigung aller rechten Parteien. Die Führungsfunktionäre entstammen größtenteils der NPD und den REP. Die DLVH verfügt derzeit über 900 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz unterhält die Partei mit ca. 15 Mitgliedern neben dem 1993 gegründeten Landesverband einen Kreisverband Ludwigshafen am Rhein. Sprachrohr: "Nation und Europa - Deutsche Rundschau", Auflage ca. 15.000 Exemplare. 1.13 Partei "Die Republikaner" (REP) Die REP wurden im Jahre 1983 gegründet und treten in Rheinland-Pfalz seit 1987 in Erscheinung. Die REP verfügen bundesweit über etwa 16.000 Mitglieder (1994: 20.000), in Rheinland-Pfalz über ca. 600 (1994: 600). Publikationsorgan: "DER REPUBLIKANER", Auflage ca. 22.000 Exemplare. 2. LINKSEXTREMISMUS 2.1. Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 6.000 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 200; beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan. "Unsere Zeit" (UZ), 14-tägig (ab Mitte 1996 wöchentliche Ausgabe geplant); Auflage ca. 10.000. -652.1.2 Sonstige-2.1.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Lenin und in ihrer Interpretation durch Mao Tse Tung; bundesweit ca. 2.700 Mitglieder. Zentralorgan. "Rote Fahne", Wochenzeitung; Auflage ca. 7.500 Exemplare. 2.1.2.2 "Internationalistisch Sozialistische Organisation" (ISO) Im Juni 1994 vorwiegend von den aus der "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) ausgetretenen Mitgliedern gebildete trotzkistische Organisation mit ca. 70 Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz gibt es die Ortsgruppe Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan. "Internationaler Sozialismus" (IS), monatliche Erscheinungsweise. 2.1.2.3 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der 1973 gegründete AB hat bundesweit etwa 200 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz besteht eine Ortsgruppe des AB in Mainz. Zentralorgan. "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ), Auflage ca. 3.500 Exemplare. 2.1.2.4 "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) Im Oktober 1994 überwiegend von trotzkistischen Mitgliedern der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) gegründete trotzkistische Organisation mit ca. 100 Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz bestehen Ortsgruppen in Mainz/ Wiesbaden und in Ludwigshafen am Rhein/Mannheim. Publikationsorgan: "avanti - die Internationale"; Auflage ca. 1.000 Exemplare. 2.1.2.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 selbst aufgelöst. Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG aber das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber wiederholt Diskussionsveranstaltungen durch. Der "GEGENSTANDPUNKT" wird auch in Rheinland-Pfalz vertrieben. 41 Die unter Nr. 2.1.2.1 bis 2.1.2.4 genannten Organisationen haben in Rheinland-Pfalz zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. -66Publikationsorgan. "GegenStandpunkt", 4mal jährlich; Auflage ca. 7.000 Exemplare. 2.2 Anarchisten 2.2.1 "Wildcat" Sozialrevolutionäre Gruppen mit einer Ortsgruppe in Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan. "Wildcat" 2.2.2 "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (TAU-IAA) Bedeutendste "anarcho-syndikalistische" Organisation auch in Koblenz; bundesweit unter 100 Mitglieder. Die FAU-IAA ist die deutsche Sektion der "Internationalen Arbeiter Assoziation" (IAA). Publikationsorgan: "direkte aktion", 2-monatlich; Auflage ca. 3.000 Exemplare. 2.3 Terrorismus 2.3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, deren Ziel die Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere die Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland ist. 2.3.2 "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) Terroristische Gruppierung, die sich an militanten/bewaffneten Aktionen der RAF aus früheren Jahren orientiert und zur Erreichung ihrer politischen Ziele auch den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf nimmt. Über die Struktur der Gruppe gibt es bislang keine Erkenntnisse. 2.3.3 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Terroristische Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die ein auf Breitenwirkung angelegtes, teilweise "sozialrevolutionäres" Konzept verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. Innerhalb der RZ agiert die "Rote Zora" als selbständige, radikal feministische Frauengruppe mit überwiegend frauenspezifischen Themen, wie z.B. Ausbeutung der Frauen in der "Dritten Welt". -672.4 Linksextremistisch-terroristisches Spektrum . Jarama - Jugend gegen Imperialismus und Faschismus" Gruppierung mit "antiimperialistischer" Ausrichtung, die sich seit 1994 - im Verbund mit den Gruppen "ILA'VGütersloh und "ROJA"/Marburg - intensiv mit Entwicklung und Geschichte der RAF sowie deren aktueller Problematik auseinandersetzt; dabei hat sie eine besondere Beziehung zu den "Hardlinern" unter den RAF-Inhaftierten aufgebaut. Bei ihren revolutionären Bestrebungen orientiert sich die Gruppe an Grundsätzen früherer "RAF-Politik" und befürwortet eine militante Praxis. 2.5 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse ohne einheitliches ideologisches Konzept; zumeist folgen sie diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Vorstellungen. 1995 ging der größte Anteil der linksextremistisch motivierten Gewalttaten auf das Konto von Autonomen. Ansatzpunkte für ihre militanten Aktionen finden sich schwerpunktmäßig in den Themenbereichen "Antifaschismus/Antirassismus/Antiimperialismus". Das autonome Aktionspotential beläuft sich derzeit bundesweit auf annähernd 6.000 Personen, in Rheinland-Pfalz ca. 150. 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS 2 3.1 Türken 3.1.1 DHKP-C und THKP-C - Ehemalige "Revolutionäre Linke" LDevrimci Sol"/Dev Sol) Konspirative gewalttätige Organisation der "Neuen Linken", die im Mai/Juni 1978 aus der Sozialrevolutionären "Türkischen Volksbefreiungspartei - Front" (THKP-C) hervorgegangen ist. Am 9. Februar 1983 wurde sie vom Bundesminister des Innern verboten, besteht aber konspirativ fort. Die Dev Sol spaltete sich im Frühjahr 1993 in-zwei Flügel,-den "KARATAS"-und den "YAGAN"-Flügel, die sich - auch mit Waffengewalt - bekämpfen. Die KARATAS-Gruppe formierte sich Anfang Oktober 1994 zur "Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C); die YAGAN-Gruppe hat sich in "Türkische Volkbefreiungspartei/ -front Devrimci Sol" (THKP-C Devrimci Sol) umbenannt. 42 Die Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz nur über einzelne Mitglieder/Anhänger. -683.1.2 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKPrMLD Als Abspaltung der maoistischen "Revolutionären Arbeiterund Bauernpartei der Türkei" (TIKP) im April 1972 in der Türkei gegründet. Sie erklärte fortan der Türkei den bewaffneten Kampf und zielt auf die Vernichtung des bestehenden türkischen Staatsgefüges ab. Die TKP(ML) ist gekennzeichnet durch zahlreiche Fraktionsbildungen und Abspaltungen. Anfang 1994 spaltete sie sich in die Flügel "Ostanatolisches Gebietskomitee" (DABK) und "Partizan". 3.1.3 "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." fATIF) Von der TKP(ML) beeinflußte, 1976 gegründete Organisation. Im Dezember 1986 wurde die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATEK) als internationaler Zusammenschluß von ATIF-Föderationen gebildet. 3.1.4 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) Im November 1984 in Köln von dem im Mai 1995 verstorbenen Cemalettin KAPLAN gegründet. Nachfolger ist sein Sohn Metin KAPLAN. Der ICCB strebt die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei an durch eine Revolution nach iranischem Vorbild; bundesweit gibt es islamische Mitgliedsvereine, so auch in Rheinland-Pfalz. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt auf terroristischem Wege einen unahängigen kurdischen Staat auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft marxistischleninistischer Prägung an. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei. Die PKK - einschließlich ihrer Teilorganisationen - wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 26. November 1993 durch den Bundesminister des Innern verboten. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PKK etwa 8.900 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz verfügt sie über mehr als 300 Mitglieder. -693.3 Araber 33.1 "HIZB ALLAH" fPartei Gottes) Die Schiitenbewegung wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung einer Islamischen Republik Libanon. Sie ist für zahlreiche Terrorakte auch außerhalb des Libanon verantwortlich. In Rheinland-Pfalz verfügt die HLZB ALLAH über Einzelmitglieder. 3.3.2 "Islamischer Bund Palästina" CIBPV'Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation HAMAS, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den palästinensischen Autonomiegebieten und operiert von dort aus gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet wird die HAMAS vom IBP vertreten. Es halten sich hier einzelne Mitglieder des IBP auf. IBP und HAMAS lehnen das 1993 zustande gekommene "GazaJericho-Abkommen" bislang kategorisch ab. 3.4 Algerier "Islamische Heilsfront" (TIS) Die sunnitisch-extremistische FIS wurde im Jahre 1989 in Algerien gegründet. Sie propagiert den gewaltsamen Widerstand gegen die algerische Regierung und sucht ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen Staatswesens, gemeinsam mit ihrem militärischen Arm, der "Islamischen Heilsarmee" (AIS), mit Hilfe terroristischer Mittel durchzusetzen. Von den übrigen in Algerien tätigen bewaffneten islamistischen Untergrundgruppen ist besonders die "Bewaffnete islamische Gruppe" (GIA) zu nennen, die den Sturz der Regierung durch einen bedingungslosen bewaffneten Kampf erreichen will. 3.5 Iraner 3.5.1 "Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) Die islamisch-fundamentalistisch, marxistisch geprägte IMSV unterstützt im Bundesgebiet die im Jahre 1965 in Teheran gegründete "Organisation der Volksmojahedin" (MEK). Diese richtet sich gegen das "Mullah-Regime" im Iran und beabsichtigt dessen gewaltsamen Sturz. In der Bundesrepublik Deutschland halten sich mehrere hundert Mitglieder der IMSV auf, die propagandistisch für die MEK tätig sind und diese auch finanziell unterstützen. -703.5.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Die U.I.S.A. wurde Anfang der 60er Jahre gegründet und vereinigt fanatische Anhänger des verstorbenen Ayatollahs KHOMEINI und des Regimes im Iran. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger und Mitglieder auf. D. ANHANG Rechtliche Grundlagen Grundgesetz (Auszug) Artikel 73 - Umfang der ausschließlichen Gesetzgebung Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Artikel 87 - Bundeseigene Verwaltung: Sachgebiete (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. Landesverfassungsschutzgesetz [vom 26. März 1986 (GVB1. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVB1. S. 80), BS 12-2] SS 1 - Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Übeipriifung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt ferner mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS 2 - Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS 3 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 - Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen. 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach $ 1 Abs. 2. soweit nicht die SS'SS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS 5 - Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS 6 - Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen. Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. (6) Gesetzliche Übermittlungsverböte bleiben unberührt. SS 7 - Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (31 Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. $ 8 - Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. SS 9 - Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. B ezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 - Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. SS 11 - Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 - Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVB1. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 - Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. ^ (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 14 - Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVBl. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVBl. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. iinweis: Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums des Innern und für Sport herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bindestags-, Kommunaloder Europawahlen. Mißbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Veteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen oder Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.