Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tätigkeitsbericht 1993 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes Vorwort "Auch im Jahre 1993 keine Entwarnung!" - so lautet, auf den Punkt gebracht, die Einschätzung des Verfassungsschutzes über die vielfältigen Bestrebungen von rechts wie von links, die sich gegen unsere freiheitliche demokratische Staatsund Verfassungsordnung richten. Insbesondere die erheblichen Gefahren, die nach wie vor von rechten Mordbrennern, ihren .Hintermännern und Sympathisanten sowie der fremdenfeindlichen Agitation rechtsextremistischer Parteien ausgehen, sind weiterhin äußerst ernst zu nehmen. Hieran ändert auch nichts die Tatsache, daß die rechtsextremistische Gewalt im Jahre 1993 um etwa 15 % gegenüber 1992 zurückgegangen ist. Damit ist noch "nicht der Nährboden für dieses verabscheuungswürdige Treiben beseitigt. Auch künftig muß daher zuvorderst das Bestreben stehen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die vielfältigen Formen des Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft bereits im Keim zu ersticken. Alle staatlichen Einrichtungen und alle gesellschaftlichen Gruppen stehen dabei in einer besonderen Pflicht. - 3 - Im Jahre 1993 hat sich der Verfassungsschutz wiederum entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag intensiv mit der Beobachtung extremistischer Bestrebungen in unserem Lande befaßt. Seine Informationen haben die politisch Verantwortlichen in die Lage versetzt, insbesondere zur Eindämmung des Rechtsextxemismus, zeitund sachgerechte Maßnahmen zu ergreifen. Für die geleistete Arbeit, die oftmals ein hohes Maß an persönlichem Engagement erforderte, danke ich daher allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, insbesondere wenn ich an den verantwortungsvollen Einsatz im Vorfeld der Festnahmeaktion in Bad Kleinen im Juni 1993 denke. Der Tätigkeitsbericht 1993 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes dient der sachgerechten Information der Öffentlichkeit. Er gibt den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die wesentlichen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von denen Gefahren für die innere Sicherheit ausgehen. Ich hoffe, der Tätigkeitsbericht 1993 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes findet wieder Ihr reges Interesse. I Walter Zuber Minister des Innern und für Sport - 4 - INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 6 1. Allgemeines 6 2. Strukturdaten 6 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 7 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 9 1. Rechtsextremismus 9 1.1 Neonazistische Organisationen 11 1.2 Anti-Antifa 16 1.3 Das rechtsextremistische Potential der Skinheads 17 1.4 Auslandskontakte 19 1.5 "National-freiheitliche" Organisationen 20 1.6 "Nationaldemokratische" Organisationen 21 1.7 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 22 1.8 "Die Republikaner" (REP) 23 1.9 Revisionisten 25 2. Linksextremismus 25 2.1 Orthodoxer Kommunismus 25 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten ("Neue Linke") 28 2.3 Autonome 29 2.4 Linksextremistischer Terrorismus 33 3. Ausländerextremismus 40 3.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 40 3.2 Devrimci Sol 44 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) 44 3.4 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V.Köln" (ICCB) 45 3.5 "Islamische Heilsfront" (FIS) 45 3.6 Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien 46 4. Spionageabwehr 46 4.1 Allgemeine Lage 46 4.2 Nachrichtendienste der russischen Föderation 47 4.3 Nachrichtendienste der ehemaligen "Satellitenstaaten" 49 4.4 Nachrichtendienste der sogenannten Krisenund Schwellenländer 50 4.5 Spionagefälle 51 5. Geheimschutz 54 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 56 D. Anhang 74 - 6 - A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz ist von seinem Wesen her ein geheimer Nachrichtendienst ohne jegliche polizeilichen Befugnisse. Es ist gesetzlich geregelt, daß Verfassungsschutz und Polizei organisatorisch getrennt sein müssen und keinerlei gegenseitige Weisungsbefugnis (Trennungsgebot) haben. Der Verfassungsschutz kann somit die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen, die ihm selbst untersagt sind; er darf weder Personen kontrollieren noch festnehmen, Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 138.1 Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1993 2.791.100,-DM (1994: 2.890.000,-DM). Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 12.162, wovon etwa die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheits- 1 Stand: 1. April 1994. empfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. Bei NADIS handelt es sich um ein gemeinsames, automatisiertes Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihres gesetzlich normierten Auftrages. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Die Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. Die der Speicherung zugrundeliegenden und sie rechtfertigenden materiellen Erkenntnisse sind aus dem System selbst nicht erkennbar; vielmehr werden diese erst nach begründetem Auskunftsersuchen der anfragenden Stelle durch die jeweils zuständige Verfassungsschutzbehörde übermittelt. 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Obwohl der Verfassungsschutz ein geheimer Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein, um u.a. Informationen für die geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremisten jeglicher Couleur zur Verfügung zu stellen. So unterrichtet der Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Transparenz die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Daneben führt er anlaßbezogene Pressegespräche und gibt Tä- 1 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz {Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954). - 8 - tigkeitsberichte heraus, die Politiker, Behörden und interessierteEinzelpersonen informieren sollen. Außerdem steht er den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien in Einzelfragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus bietet der Verfassungsschutz auch Referenten zu verfassungsschutzrelevanten Themen sowie zu Aufgaben und Befugnissen des Verfassungsschutzes an. Diesbezügliche Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder das Öffentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes (06131/ 163773 und 163772) aufgenommen werden. - 9 - B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus1 Seit Ende 1992 wurden in der Bundesrepublik Deutschland sieben rechtsextremistische Vereinigungen verboten, um die provokanter werdenden Aktivitäten der Rechtsextremisten und die daraus resultierenden Gefahren einzudämmen und ein sichtbares Zeichen staatlicher Entschlossenheit im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu setzen. Darüber hinaus wurden bundesweit - so auch in Rheinland-Pfalz - zahlreiche Versammlungsverbote ausgesprochen und Hausdurchsuchungen durchgeführt. Derartige Maßnahmen haben einerseits zwar die rechte Szene verunsichert, ohne allerdings ihren Aktionismus dauerhaft schwächen zu können, andererseits hat der staatliche Druck indirekt bewirkt, daß das rechte Lager näher zusammenrückt. "Nationale Info-Telefone", Mailboxen, Autound Funktelefone ermöglichen inzwischen eine bundesweite Vernetzung von Gruppen und Einzelpersonen oder die Steuerung einer großen Anzahl von Personen z.B. zu einem Demonstrationsort. Im Jahre 1993 wurden bundesweit etwa 41.500 (1992: 4L. 9-0U.)-.Rechtsextremisten in, Organisationen wie Parteien, Vereinen und losen Personenzusammenschlüssen gezählt. Dazu kamen 950 (1992: 800) nichtorganisierte Neonazis und ca. 23.000 Mitglieder der Partei 1 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Januar 1994), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. - 10 - "Die Republikaner" (REP), die seit Ende 1992 von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachtet wird. In Rheinland-Pfalz ergab sich folgendes Bild: Angehörige rechtsextremistischer Organisationen ca. 2.000 (wie im Vorjahr), Mitglieder der REP ca. 700 (wie im Vorjahr). Von den erkannten Rechtsextremisten werden bundesweit etwa 5.600 (1992: 6.400) Personen als Militante eingestuft; in Rheinland-Pfalz etwa 100, dies sind insbesondere rechtsextremistische Skinheads. Bundesweit ist die Zahl der rechtsextremistisch mo- 2 tivierten Gewalttaten nach einem erneuten Höhepunkt nach dem Brandanschlag in Solingen im Mai 1993 von 2.639 im Jahre 1992 auf 2.232 im Jahre 1993 leicht zurückgegangen. Davon waren 1.609 fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten (1992: 2.277), darunter 284 Brandanschläge (1992: 656). Die rechtsextremistische Gewalt forderte aber auch 7 Menschenleben (1992: 18). Auch in Rheinland-Pfalz ist ein leichter Rückgang der fremdenfeindlichen/rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten zu verzeichnen, und zwar von 573 im Jähr 3 1992 -atrf 40 In 1993. Etwa 60 % der rechtsextremistisch motivierten Straftaten waren Sachbeschädigungen (Schmierund Klebeaktionen) und Bedrohungen. 1 Siehe im einzelnen unter Ziffer 1.8 (Seite 23). 2 Daneben sind weitere 8.329 Gesetzesverletzungen (z.B. Volksverhetzung, Propagandadelikte) mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation zu verzeichnen. 3 Zahlenangaben ohne Sachbeschädigungen (mit Sachbeschädigungen 1992: 139; 1993: 70). Die Zahlen, der Strafund Gewalttaten sind mit der Polizei abgestimmt. - 11 - Die Anzahl der Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund betrug in * Rheinland-Ffalz 36. Besonderes Aufsehen und Abscheu erregten die beiden Anschläge auf den jüdischen Friedhof in Worms - nach Prag der * älteste Judenfriedhof Europas - am 29. August und 18. Dezember 1993. Dabei ist ein in ethischer Hinsicht erheblicher Schaden für die Bundesrepublik Deutschland verursacht worden. Insgesamt wurden 1993 in Rheinland-Pfalz acht jüdische Friedhöfe durch Umwerfen von Grabsteinen und Besprühen mit Naziparolen geschändet. Allgemeingültige Aussagen über die Tätergruppen rechtsextremistischer Gewalt sind nur bedingt möglich, da es sich in einer Vielzahl von Fällen um sogenannte Ersttäter handelt, die bislang nicht als Rechtsextremisten in Erscheinung getreten waren. Fest steht, daß die Strafund Gewalttaten nach wie vor überwiegend von jungen bis sehr jungen Tätern begangen werden: 1993 1992 1991 unter 18 Jahre: 16 % 23,9 % 21,2 % 18 bis 20 Jahre: 40 % 43,3 % 47,8 % 21 bis 30 Jahre: 37 % 29,9 % 28,3 % 31 bis 40 Jahre: 5 % 2,5 % 2,2 % 41 Jahre u. älter: 2 % 0,4 % 0,5 % Auch 1993 hielten die Auseinandersetzungen zwischen "den -rechts--trnd irnksextxemistisehen Gegnern an. Bundesweit wurden 120 Straftaten bekannt, die von Rechtsextremisten an Linksextremisten begangen wurden, und 337 strafbare Handlungen, die von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten verübt worden sind. 1.1 Neonazistische Organisationen Der Neonaziszene in der* Bundesrepublik Deutschland konnten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehör- - 12 - den Ende 1993 ca. 2.450 Personen zugerechnet werden, davon waren etwa 1.500 in 27 Organisationen zusammengeschlossen. Rund 950 Neonazis waren nicht organisiert (1992: 800). In Rheinland-Pfalz gehörten der Szene ca. 50 überwiegend organisierte Neonazis an, die als gewalttätig eingestuft werden. Die rechtsextremistisch-neonazistische Szene in Rheinland-Pfalz wird weitgehend von den Aktivitäten der am 21. Juli 1993 gegründeten Neonazipartei "Deutsche Nationalisten" (DN) sowie der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) und des "Internationalen Hilfskomitees für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) geprägt. HNG und IHV, deren "Gefangenenhilfe" auf die möglichst nahtlose Wiedereingliederung aus der Haft entlassener Gesinnungsgenossen in die Neonaziszene abzielt, versandten 1993 verstärkt ihre Publikationsorgane an in Justizvollzugsanstalten der Bundesrepublik Deutschland einsitzende Neonazis. Nachdem Ende 1992 vier Vereinsverbote als Reaktion auf die sichtbar gewordenen Gefahren des militanten Rechtsextremismus ausgesprochen worden waren, darunter am 10. Dezember 1992 gegen die "Deutsche Alternative" (DA), die auch in Rheinland-Pfalz eine größere Anhängerschaft hatte, wurden im Jahre 1993 drei -weüere--neonazistische Vereinigungen verboten: - 7. Jvini 1993 "Nationaler Block" (NB) durch den Innenminister des Landes Bayern, 14. Juli 1993 "Heimattreue Vereinigung Deutschlands" (HVD) vom Innenminister des Landes BadenWürttemberg und 2. September 1993 "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) durch den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. - 13 - Darüber hinaus wurden bundesweit zahlreiche Versammlungsverbote ausgesprochen und Hausdurchsuchungen durchgeführt; in Rheinland-Pfalz waren beispielsweise mehrmals die bekannten Mainzer Neonazis Curt und Ursula MÜLLER von solchen Maßnahmen betroffen. Des weiteren wurde erstmals im September 1993 in Brandenburg das Zeigen und die Verwendung der Reichskriegsflagge aus der Zeit vor 1933 untersagt. Diese Anordnung erging, weil die Reichskriegsflagge mittlerweile weithin zu einem Symbol nationalsozialistischer Anschauung geworden ist und gleichzeitig als Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne dient. Besonders deutlich wurde dies bei dem Aufmarsch von Rechtsextremisten am 14. August 1993 in Fulda anläßlich der "Rudolf-Hess-Gedenkveranstaltung". Auch in Rheinland-Pfalz ist das Zeigen dieser Flagge seit September 1993 verboten. 1.1.2 Entwicklung in Rheinland-Pfalz nach den Verboten In Rheinland-Pfalz gründete der ehemalige Landesvorsitzende der verbotenen "Deutschen Alternative" (DA), Michael PETRI, am 21. Juli 1993 eine neue Partei unter der Bezeichnung "Deutsche Nationalisten" (DN) und forciert seitdem den Aufbau von DN-Landesverbänden. Inzwischen ist ein solcher in Hessen gegründet worden. Weitere Landesverbände befinden sich im Aufbau. 1.1.3 Ansätze einer organisatorischen/kommunikativen Vernetzung Die zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverbote veranlaßten die gesamte rechtsextremistische Szene, nach Ausweichmöglichkeiten zu suchen, um weiteren Repressionsmaßnahmen auszuweichen. Dies führte - 14 - im Ergebnis zu einem Zusammenrücken bislang konkurrierender Gruppen. Aufgrund dieser nahezu flächendeckenden Verbote öffentlicher Veranstaltungen und Parteitage konnten die Neonazis praktisch keine öffentlichen Aktivitäten mehr im Bundesgebiet mit herkömmlichen Mitteln durchführen. Sie reagierten mit dem Aufund Ausbau eines bundesweiten Nachrichtenund Informationsnetzes auf die inzwischen veränderten Bedingungen. Die Nutzung von Fax-Geräten zur schnellen Informationsübermittlung und das Betreiben sogenannter Nationaler Info-Telefone, der Gebrauch von derzeit relativ abhörsicheren Mobiltelefonen und die Installationeines bundesweiten Datenverbundsystems (Mailboxen) sind inzwischen Träger dieser kommunikativen Vernetzung. In Rheinland-Pfalz war im Berichtszeitraum das "Nationale Info-Telefon Mainz" Bestandteil dieses Vernetzungskonzeptes. Die Betreiber dieser "Info-Telefone" und maßgebliche Neonazis haben sich inzwischen darauf eingestellt, daß die Sicherheitsbehörden die Telefonansagen abhören, und setzen daher verstärkt Mobiltelefone ein. Deren Einsatz gewährleistet, daß übermittelte Informationen tatsächlich nur den hierzu bestimmten, ausgewählten Personenkreis erreichen. Die Nutzung der Mobil-Telefone ermöglicht, auf polizeiliche Maßnahmen oder-Gegenreaktionen des linkenSpektrums flexibel und kurzfristig zu reagieren. Herausragendes Beispiel hierfür ist der bereits erwähnte "RudolfHeß-Gedenkmarsch" am 14. August 1993. Einen weiteren Teil der kommunikativen Vernetzuhg stellen die überregional erreichbaren Mailboxen dar, deren Zahl sich unter Nutzung der neuesten Computertechnik ständig erweitert. Über Mailboxen können In- - 15 - forrnationen empfangen und von sogenannten Usern auch ve'rbreitet werden; als registrierter "User" gelangt man zudem an verschlüsselte Insider-Informationen. Neben Einzelpersonen können auch Zeitschriftenverlage und Parteien partizipieren. Rechtsextremistische Parteien und neonazistische Organisationen tauschen über sogenannte Bretter ihre Mitteilungen aus. 1.1.4 Bundesweite Treffen Der besonders spektakulär verlaufene "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Fulda ist ein augenfälliges Beispiel inzwischen vorhandener Flexibilität und Mobilität der Rechtsextremisten. Aufgrund der in den Vorjahren verbotenen Veranstaltungen hatten Führungspersonen der Neonaziszene den "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" 1993 sorgfältig geplant und vorbereitet, wobei Veranstaltungen an zahlreichen Orten gleichzeitg angemeldet worden waren, um die Behörden über den tatsächlichen Demonstrationsort im Unklaren zu lassen. Die Lenkung der Teilnehmer zum eigentlichen Demonstrationsort nach Fulda erfolgte letztendlich über "Info-Telefone" sowie mittels Funkund Mobiltelefone. Die Durchführung des "Rudolf-Heß-Gedenkmarsches" wurde von der rechten Szene als Erfolg gewertet, weil man Handlungsund Mobilisierungsfähigkeit zeigen konnte. Ein von den Neonazis für den "Heldengedenktag" am 14. November 1993 in Halbe/Brandenburg geplantes "zweites - Fulda" konnte durch ein Großaufgebot der Polizei verhindert werden. Ein weiteres bundesweites Treffen fand am 19. April 1993 im Anwesen der bekannten Neonazis Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim statt, die ihr Gelände - wie alljährlich - für eine sogenannte Hitler-Geburtstagsfeier zur Verfügung gestellt hatten. - 16 - Hieran beteiligten sich ca. 400 Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland und dem benachbarten Ausland. Die ebenfalls alljährlich dort stattfindenden "Sonnwendfeiern" im Juni und Dezember, die in der Vergangenheit stets von mehreren 100 Personen besucht worden waren, wurden 1993 durch die Stadt Mainz verboten, weil bei diesen Veranstaltungen in der Vergangenheit wiederholt Straftatbestände, u.a. der Tatbestand der Volksverhetzung, verwirklicht worden waren und der begründete Verdacht bestand, daß es bei diesen Treffen weiterhin zu Gesetzesverstößen kommen würde. 1.2 Anti-Antifa Die im wesentlichen auf eine Initiative des bundesweit bekannten Hamburger Neonazis Christian WORCH, zurückgehende "Anti-Antifa"-Kampagne kann als organisationsübergreifendes Bindeglied innerhalb der neonazistischen Szene bezeichnet werden. Sie ist darauf ausgerichtet, politische Gegner durch die Veröffentlichung von deren Personaldaten und genutzten Einrichtungen zumindest einzuschüchtern, an der Durchführung antifaschistischer Aktionen zu hindern bzw. entsprechende Aktivitäten durch vorbeugende Maßnahmen von vornherein unmöglich zu machen. In der NL-Publikation "Index" vom August 1992 waren unter dem Begriff "Anti-Antifa" erste Informationen zu diesem Projekt veröffentlicht worden, aber auch Adressen von Treffpunkten linker Organisationen und Personen, z.T. mit Fotos und entsprechenden Hintergrundinformationen. März 1989 in Hamburg bestehende Partei "Nationale (NL) des Neonazis Christian WORCH. - 17 - Ende 1993 tauchte bundesweit eine Schrift mit dem Titel "Der Einblick", auf. In ihr sind u.a. die Namen solcher Personen aufgeführt, die sich privat oder aufgrund ihres Amtes mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen. Gegen die (noch unbekannten) Verfasser der Publikation "Der Einblick" ermittelt der Generalbundesanwalt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB). In diesem Zusammenhang waren neben dem inzwischen inhaftierten Hauptverdächtigen aus Hessen auch zwei bekannte Mainzer Neonazis, von denen einer Betreiber des Mainzer "Nationalen Info-Telefons" war, unter dem Verdacht, an der Herstellung und der Verbreitung mitgewirkt zu haben, am 8. bzw. 9. Dezember 1993 vorübergehend festgenommen worden. Über die eigentliche Zielrichtung hinaus hat das "Anti-Antifa"-Projekt - ähnlich wie seit langem die Antifaschismusarbeit im Bereich des Linksextremismus - eine grundsätzliche, richtungsweisende Bedeutung für den Rechtsextremismus. Die "Anti-Antifa"-Arbeit betrifft alle Formen des Rechtsextremismus und kann deshalb zur Klammer gemeinsamer Interessen und Aktivitäten der unterschiedlichsten Gruppen werden. 1.3 Das rechtsextremistische Potential der Skinheads Ungeachtet vereinzelter Kontakte zu rechtsextremi! stischen Organisationen, wie z.B. zur DN, lassen sich Skinheads wegen der von ihnen bevorzugten Strukturlosigkeit im allgemeinen nur selten organisatorisch in solche Vereinigungen einbinden. 1 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: April 1994), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. - 18 - Von den ca. 250 Skinheads in Rheinland-Pfalz werden etwa 50 als neonazistisch und gewalttätig eingestuft. Es handelt sich dabei um Angehörige loser Personenzusammenschlüsse ohne erkennbare Strukturen. Skinheadschwerpunkte zeichnen sich in Kaiserslautern, im Großraum Koblenz, in Trier und in Zweibrücken ab. Für eine Vielzahl von schweren, rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten der letzten Jahre sind Skinheads verantwortlich. In Liedertexten von neonazistischen Skinhead-Bands (bundesweit ca. 20 Gruppen) wird Gewaltbereitschaft, Ausländerhaß, Nationalismus und Rassismus in unverblümter Weise zum Ausdruck gebracht. Auch die Schriften der Skinheadszene, sogenannte Fanzines (Fan-Magazine), sind geprägt durch nationalistische und rassistische Inhalte. Darüber hinaus werden in der Szene Computerspiele mit primitiv-rassistischen, fremdenfeindlichen und dem Führerkult huldigenden Inhalten verbreitet. In Rheinland-Pfalz waren im Berichtszeitraum die neonazistischen Skinhead-Bands "Wotan" und "Kahlkopf" aus Koblenz bekannt. Am 3. Februar 1993 wurden in einer gemeinsamen Aktion von Justiz-, Polizeiund Verfassungsschutzbehörden in sieben Ländern Exekutivmaßnahmen gegen die Hersteller und Verbreiter rechtsextremistischer Skin-Musik durchgeführt. Die Polizei durchsuchte u.a. wegen des Verdachts der Volksverhetzung> Gewaltdarstellung und Aufstachelung zum Rassenhaß Wohnungen sowie Übungsund Geschäftsräume von zehn Bands und zwei Musikverlagen, die Tonträger mit Skinheadmusik vertreiben. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, das die Einleitung von Gerichtsverfahren gegen mehrere Skinhead-Bands nach sich zog. - 19 - Einer der Schwerpunkte war die Durchsuchung von drei Objekten eines Plattenvertriebs in Köln und Brühl, der Tonträger von zahlreichen Skinhead-Bands im Inund Ausland vertreibt. Eine weitere überregionale Exekutivaktion gegen die rechtsextremistische Skinhead-Subkultur richtete sich am 15. Juli 1993 u.a. gegen 12 Hersteller von Skinhead-Fanzines. Es wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. 1.4 Auslandskontakte Kontakte deutscher Rechtsextremisten zu Gesinnungsgenossen im Ausland bestehen bereits seit vielen Jahren, insbesondere in die USA (Gary Rex LAUCK), nach Kanada (Ernst ZÜNDEL), Dänemark (Thies CHRISTOPHERSEN) , Österreich (Walter OCHENSBERGER, Gerd HONSIK, Gottfried KÜSSEL), Schweiz, Spanien (Cedade) und Rußland (Wladimir SCHIRINOWSKIJ) sowie in die Niederlande und neuerdings auch nach Polen. Im November 1993 nahmen deutsche Rechtsextremisten, u.a. auch der DN-Vorsitzende Michael PETRI aus Mainz, an einem der spanischen rechtsextremistischen Partei "Cedade" initiierten Gedenkmarsch zu Ehren des Generals Franco in Madrid teil. PETRI ist auch Mitorganisator einer bundesweiten Initiative, die die Freilassung des in Österreich abgeurteilten und inhaftierten Neonazis Gottfried KÜSSEL fordert. Im Ausland werden zudem verschiedene rechtsextremistische/neonazistische Schriften hergestellt und auf konspirativen Wegen in die Bundesrepublik Deutschland gebracht, wo sie dann in der Szene vertrieben werden. Hier sind insbesondere zu nennen: der "NSKampfruf" (aus den USA), der "Germania"-Rundbrief (aus Kanada), "Die Bauernschaft" (aus Dänemark), der "Eidgenoss" (aus der Schweiz) und "Halt" (aus Spa- - 20 - nien). Auch die bereits erwähnte Schrift "Der Einblick" , die über Dänemark vertrieben wird, ist hierunter zu fassen. 1.5 "National-freiheitliche" Organisationen Zu den "national-freiheitlichen" Organisationen zählen der Verein "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit seinen sechs Aktionsgemeinschaften und die Partei "Deutsche Volksunion" (DVU). Der Verein DVU verfügt mit seinen sechs Aktionsgemeinschaften zusammen über ca. 11.500 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz sind es etwa 1.000. Die Partei DVU, im übrigen die größte rechtsextremistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, hat bundesweit - wie im Vorjahr - etwa 26.000, in Rheinland-Pfalz ca. 1.400 Mitglieder. In diesen Zahlen sind auch die aufgrund Satzungsänderung übernommenen Angehörigen des gleichnamigen Vereins, der als solcher aber weiterbesteht, enthalten. Die Partei DVU verfügt bundesweit über insgesamt 15 Landesverbände. Bundesvorsitzender ist nach wie vor Dr. Gerhard FREY aus München. Der Bundesparteitag der DVU fand am 14. August 1993 in München statt. Dr. FREY wurde mit überwiegender Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Der Parteitag verabschiedete ein neues Parteiprogramm, in dem sich das Bemühen der Partei widerspiegelt, dem Staat möglichst keinerlei Angriffsfläche für entsprechende Maßnahmen zu bieten. Im Mittelpunkt steht unverändert die Durchsetzung "nationaler Interessen", die in Thesen wie "Bewahrung der deutschen Identität" und "kein Verzicht auf deutsche Interessen" zum Aus- 1 Unter der Bezeichnung "National-Freiheitliche Rechte" traten die von FREY, gegründeten Organisationen anfänglich selbst auf. Die Bezeichnung wird von den Verfassungsschutzbehörden als Arbeitsbegriff verwendet. - 21 - druck kommen. Die Ausländerfeindlichkeit kommt in Forderungen nach "Begrenzung des Ausländeranteils" und "Stopp dem zunehmenden Ausländerzüstrom" zum Ausdruck. Am 2. Oktober 1993 führte die DVU ihre jährliche Großveranstaltung in Passau durch, an der etwa 2.000 Personen teilnahmen. Bei dieser Gelegenheit wurde wie jedes Jahr der "Andreas-Hofer-Preis" verliehen. Er ging zum zweiten Mal an Gesinnungsgenossen aus dem früheren Schlesien. Neben Dr. FREY trat als Redner der Vorsitzende der "Liberaldemokratischen Partei Rußlands", Wladimir SCHIRINOWSKIJ, auf, der seit 1992 mit Dr. FREY in persönlichem Kontakt steht. Die Partei kandidierte am 19. September 1993 zur Hamburgischen Bürgerschaft und erzielte mit 2,8 % der Stimmen nicht den erhofften Erfolg. Am 27. Februar 1993 fand in Stettfeld/Baden-Württemberg der gemeinsame Parteitag der Landesverbände Saarland und Rheinland-Pfalz statt. Als Vorsitzender des DVU-Landesverbandes Rheinland-Pfalz wurde Franz LAUBERSHEIMER aus Gleisweiler (Kreis Südliche Weinstraße) gewählt. Bemerkenswerte Aktionen der DVU fanden im Berichtszeitraum in Rheinland-Pfalz nicht statt. 1.6 "Nationaldemokratische" Organisationen D'ie "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und ihre Jugendorganisation "Junge National- * demokratan" (JN) haben auch im Jahre 1993 weiter an Bedeutung verloren. Die bereits seit Jahren rückläufige Mitgliederzahl der NPD konnte sich jedoch 1993 stabilisieren und liegt bundesweit bei ca. 5.000 bzw. ca. 200 bei den JN. In Rheinland-Pfalz nahm die Mitgliederzahl bei der NPD weiter ab und liegt nunmehr unter 250; die JN sind nicht mehr existent. - 22 - Der Bundesparteitag der NPD, der zunächst im Juni 1993 in Pocking/Bayern stattfinden sollte, aber vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verboten wurde, konnte schließlich am 18. September 1993 im niedersächsischen Coppenbrügge durchgeführt werden. Günter DECKERT wurde als Vorsitzender in seinem Amt bestätigt. Die NPD beteiligte sich 1993 nur an den Kommunalwahlen am 7. März in Hessen. Das Wahlergebnis in Frankfurt am Main war für die Partei eine schwere Niederlage. Sie erhielt dort nur 0,9 % (1989: 6,6 %) und verlor ihre 7 Sitze im Stadtparlament. In Wölfersheim (Wetteraukreis) konnte sie mit 20,9 % ihr bestes Ergebnis erzielen. Der Landesparteitag der NPD in Rheinland-Pfalz fand am 21. November 1993 in Ilbesheim bei Landau i.d. Pfalz statt. Wilhelm HERBI aus Niederotterbach (Kreis Südliche Weinstraße) wurde zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. 1.7 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) Die DLVH wurde 1991 in Villingen-Schwenningen/BadenWürttemberg gegründet. Sie versteht sich als "Sammlungsvereinigung demokratischer Patrioten" und versucht - bisher mit wenig Erfolg -, die Zersplitte! rung der "rechten Kräfte" zu überwinden. Die Partei wird geführt von dem Europaabgeordneten und bekannten Rechtsextremisten Harald NEUBAUER (ehemals REP), Jürgen SCHÜTZINGER (ehemals NPD) sowie Ingo STAWITZ (ehemals DVU) als gleichberechtigte Bundesvorsitzende. Der Schwerpunkt der DLVH liegt in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die Mitgliederzahl hat sich 1993 um 100 auf 900 etwa erhöht. - 23 - Nach mehrfachem Anlauf konnte die DLVH nunmehr am 20. November 1993 in Ludwigshafen am Rhein einen Landesverband Rheinland-Pfalz gründen. An der Spitze dieses Verbandes steht ein dreiköpfiger Sprecherrat, . in den als gleichberechtigte Vorsitzende Josef DENSCHLAG, Worms (ehemals DVU), Jürgen REUTHER, Ludwigshafen am Rhein und Bernhard WEICHEL, Ludwigshafen am Rhein (ehemals DVU) gewählt wurden. Vorrangiges Ziel des Landesverbandes ist eine zügige Aufund Ausbauarbeit in ganz Rheinland-Pfalz. 1.8 "Die Republikaner" (REP) i Die REP wurden im Jahr 1983 gegründet. Das Organisationsnetz der REP ist flächendeckend ausgebaut. Bundesweit verfügt die Partei über etwa 23.000 Mitglieder.* In ihrem Grundsatzprogramm bekennen sich die REP zum Grundgesetz und verstehen sich als eine "unabhängige, konservativ-liberale Volkspartei". Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen und Hamburg waren im Dezember 1992 die Grundlage für den Beschluß der Leiter der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, die REP gezielt zu beobachten, um die vorliegenden Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu verifizieren oder auszuschließen. Gegen nachrichtendienstliche Maßnahmen einiger . Verfassungsschutzbehörden haben die REP inzwischen Klage wegen Unterlassung der nachrichtendienstlichen Beobachtung erhoben, so auch in Rheinland-Pfalz. So hat das Verwaltungsgericht Mainz im Dezember 1993 den Antrag des REP-Landesverbandes Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, dem Land im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Ohne konkret zu der - 24 - Frage Stellung zu nehmen, ob die Voraussetzungen für die Beobachtung des Landesverbandes gegeben sind, stellt das Gericht in seiner Begründung auf eine Abwägung der betroffenen Interessen und der Folgen ab, die im Falle der Stattgabe oder der Zurückweisung des Eilantrages eintreten würden. Gegen diese Entscheidung haben die REP Ende Dezember 1993 Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Koblenz eingereicht. Unterdessen haben die Oberverwaltungsgerichte in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen wegen der Unterlassung nachrichtendienstlicher Beobachtung im Wege einstweiliger Anordnungsverfahren entsprechende Anträge der REP abgewiesen. Sie begründen ihre Entscheidung weitgehend übereinstimmend damit, daß sich aus den vorgelegten Unterlagen über die REP tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen ergeben, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dagegen hat das Verwaltungsgericht Hannover im Hauptsacheverfahren der Klage der REP unter Hinweis auf die in Niedersachsen geltende besondere Gesetzeslage mit Urteil vom 29. November 1993 stattgegeben. Auch das auf dem Parteitag am 26./27. Juni 1993 in Augsburg verabschiedete neue Parteiprogramm enthält - wie die vier vorausgegangenen - nach wie vor starke völkische Elemente und eine ausländerfeindliche Grundhaltung. Zur REP-Ideologie gehört die Verharmlosung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. Die REP erreichten am 7. März 1993 bei der Kommunalwahl in Hessen 8,3 % sowie bei der Hamburgischen Bürgerschaftswahl am 19. September 1993 in Hamburg 1 Anders, das Verwaltungsgericht Düsseldorf, das in seiner Entscheidung vom 25. März 1994 die Klage der REP abgewiesen hat. - 25 - 4,8 %; sie verpaßte dort nur sehr knapp den Einzug in" die Bürgerschaft. In Rheinland-Pfalz sind etwa 700 REP-Mitglieder in 19 Kreisverbänden mit Schwerpunkten in Rheinhessen und der Pfalz organisiert. Geführt wird der Landesverband von dem Kriminalbeamten Jürgen SCHRÖDER aus Worms. Öffentlich trat die REP durch Info-Stände und Flugblattaktionen in Erscheinung. In den verteilten Flugblättern fanden sich immer wieder Aussagen, die eine extremistische Grundhaltung erkennen lassen. 1.9 Revisionisten Zum Spektrum sonstiger Rechtsextremisten zählen auch die sogenannten Revisionisten. Sie wollen die angeblich falsch dargestellte Geschichte des "Dritten Reiches" korrigieren, leugnen die Alleinschuld Hitlers am "Zweiten Weltkrieg" und die Ermordung von Millionen europäischer Juden. Dabei bedienen sie sich pseudo-wissenschaftlicher Gutachter. Namhafte Agitatoren, die auch international auftreten, wie der Brite David IRVING und der Deutsch-Kanadier Ernst ZÜNDEL, sind in einschlägigen Kreisen in Deutschland bei sogenannte Aufklärungsveranstaltungen gern gesehene Gäste. Einer der bekannten jüngeren Vertreter dieser Richtung ist der Münchner Neonazi Ewald ALTHANS, der als "Hauptdarsteller" in dem umstrittenen Film "Von Beruf Neonazi" auftrat. 2. Linksextremismus 2.1 Orthodoxer Kommunismus Nach der1. Zusammenbruch des Sozialismus und der nachfolgenden dramatischen Existenzund Identitätskrise - 26 - der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) zeichnete sich 1993. bei der auf ca. 6.000 Mitglieder geschrumpften DKP eine Stabilisierung der ideologischen wie auch organisatorischen Situation ab. Mitentscheidend hierfür waren neben der Verabschiedung eines neuen Statuts insbesondere die vom 12. Parteitag am 16./17. Januar 1993 in Mannheim als künftige Arbeitsgrundlage der Partei beschlossenen "Thesen zur programmatischen Erneuerung". Die Thesen bekräftigen die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele der DKP. Erklärtes Hauptziel der Partei bleibt, die bürgerliche Gesellschaft durch den Kommunismus zu ersetzen. Die vom 12. Parteitag und den nachfolgenden Parteivorstandstagungen formulierten Schwerpunkte und Aktionsfelder der DKP liegen insbesondere in der Antifaschismusund Gewerkschaftsarbeit. Ansatzpunkte für eine Mitarbeit sieht die Partei in der Friedens-, Frauenund Umweltbewegung (Aktionseinheitsund Bündnispolitik). Ein wichtiges Politikfeld der DKP liegt in der Weiterentwicklung internationaler Aktivitäten. In deren Mittelpunkt stehen - teilweise unter Verzicht auf frühere ideologische Abgrenzungen - die noch verbliebenen sozialistischen Staaten (Kuba, Nordkorea, Vietnam, China). Insbesondere den Solidaritätsund Spendenaktionen für Kuba mißt die DKP große Bedeutung -zu,-um ein "Symbol für die sozialistische Perspektive" zu erhalten. Im Blickpunkt der öffentlichen Aktivitäten der DKP stand 1993 das Pressefest des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit" (UZ) in Bottrop, an dem lt. UZ ca. 20.000 Personen teilnahmen. Darüber hinaus, konzentrierten sich die Aktivitäten der Partei auf eine mögliche Kandidatur zu den bevorstehenden Wahlen. Am 13. No- - 27 - vember 1993 setzte die DKP ihren Parteitag fort und beschloß, zur Europawahl mit einer eigenen offenen Kandidatenliste aufzutreten. Sie hielt sich jedoch die - Möglichkeit einer Kandidatur auf 'PDS-Listen offen. Zur Bundestagswahl 1994 favorisiert die DKP eine Kandidatur auf aussichtsreichen Plätzen der offenen PDS-Liste, behält sich jedoch eine eigene Kandidatur vor. In Rheinland-Pfalz konnte sich die Partei bei etwa 200 Mitgliedern stabiliseren. Organisatorische, finanzielle und personelle Schwierigkeiten beeinträchtigten jedoch weiterhin die politische Handlungsfähigkeit der Partei. Resonanz fand u.a. eine öffentliche Diskussionsveranstaltung am 19. Juni 1993 in Bad Kreuznach zum Thema: "Wie tot ist Marx?". Die 1968 gegründete "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) , die bundesweit über ca. 400 Mitglieder verfügt, steht als "revolutionäre Jugendorganisation" weiterhin eng an der Seite der DKP. Ihr Ziel ist die Errichtung einer sozialistischen Bundesrepublik auf revolutionärem Wege. Zwar konnte die SDAJ ihre Organisationskrise überwinden und den Mitgliederrückgang stoppen, ihre politische Handlungsfähigkeit ist jedoch weiterhin eingeschränkt. In Rheinland-Pfalz verfügt die SDAJ derzeit über keine Organisationsstruktur. Die der DKP nahestehende "Deutsche Friedens-Union" (DFU) und die orthodox-kommunistisch beeinflußte "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) haben seit dem Verfall des Sozialismus weiter an Bedeutung für das orthodox- - 28 - kommunistische Spektrum verloren. Gleichwohl versucht die WN-BdA, anknüpfend an ihre orthodox-kommunistisch verstandene "antifaschistische" Tradition, wieder Akzeptanz und Einfluß bei Aktionen und Bündnissen gegen das Auftreten rechtsextremistischer Organisationen zu gewinnen. Die Bündnisarbeit der WN-BdA schließt hierbei das Zusammenwirken mit "revolutionär-marxistischen" und "autonomen Kräften" nicht aus. 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten ("Neue Linke") Die Bewegungen und Strukturveränderungen im organisierten Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, die mit dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus" einsetzten, sind weitgehend zum Stillstand gekommen. Die revolutionär-marxistischen Organisationen haben wieder begonnen - allerdings auf niedrigerem Niveau - Tritt zu fassen. Die Welle der Mitgliederaustritte scheint überwunden. Im anhaltenden Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung versuchten die revolutionärmarxistischen Organisationen im Berichtszeitraum, Nutzen aus den derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Problemen sowie dem Erstarken des Rechtsextremismus zu ziehen, indem sie diese Entwicklung als zwangsläufige Folge des "kapitalistischen Gesellschaftssystems" herausstellten, die bekämpft werden müsse. Auffällig war ihre Bündnisbereitschaft auch mit Personen und Gruppierungen der "autonomen Szene" und dem RAF-Umfeld. In Rheinland-Pfalz sind die Gruppen der Marxisten/ Leninisten und der revolutionären Marxisten insbesondere in den Zentren Mainz, Ludwigshafen am Rhein, - 29 - Kaiserslautern und Trier aktiv. Sie führten mehrere kleinere Demonstrationen, z.B. in Mainz am 1. Oktober 1993 (Gegenveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit) durch; hierbei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Spektakulär war auch die Beschädigung eines Kriegerdenkmals am 14./15. Januar 1993 in Landstuhl/Pfalz durch eine bislang unbekannte anarchistische "Gewaltfreie Aktionsgruppe Clara WICHMANN". Angehörige der Marxisten-Leninisten beteiligten sich auch an Aktionen demokratischer Gruppen, so z.B. am 17. April und 18. Dezember 1993 in Mainz-Gonsenheim gegen die alljährlichen Treffen von Rechtsextremisten bei dem Ehepaar Curt und Ursula MÜLLER. 1 2.3 Autonome Autonome, deren Zahl inzwischen bundesweit über 5.000 angestiegen ist (Rheinland-Pfalz ca. 130), stellen nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Obgleich ihr Aktionismus - in Zahlen gefaßt - derzeit hinter den Taten "rechter" Gewalttäter zurücksteht, ist auch bei ihnen ein kontinuierliches Anwachsen des Gewaltpotentials festzustellen. Hemmschwellen sind gesunken; die Gewalt, auch gegen Menschen, entwickelt sich immer mehr zu einem Selbstverständnis in der Szene. Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie folgen zum Teil verschwommenen anarchistischen und anarchokommunistischen Vorstellungen. Einig sind sie sich in ihrem Haß auf Staat und Gesellschaft und in der Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, weil das "Schweineund Verbrechersystem" einem "freien, selbstbestimmten, kollektiven Leben" * im Wege steht. Sie streben die Zerschlagung unserer - 30 - bürgerlichen Gesellschaft, des Staates und seiner Mächtstrukturen an. Eigene Vorstellungen über neue Gesellschaftsformen sind allerdings nicht erkennbar. Die Autonomen lehnen hierarchische Strukturen ab. In der Regel schließen sie sich in lockeren Kleingruppen zusammen, weil sie darin eine Möglichkeit sehen, sich ohne Kontrolle zu entfalten. Die Zentren der Autonomen sind Berlin und Hamburg sowie im Rhein-Mainund im Ruhrgebiet; darüber hinaus in Göttingen und Freiburg. Auch in den neuen Bundesländern hat sich inzwischen - mit Schwerpunkt in Leipzig - eine autonome Szene herausgebildet. In Rheinland-Pfalz existieren autonome Gruppen vornehmlich in Kaiserslautern, Koblenz, Mainz, Speyer und Trier. Um ihren strukturellen Schwächen entgegenzuwirken, führen Autonome eine intensive Kommunikation über - zum Teil konspirativ verbreitete - Szeneblätter, wie z.B. die wöchentlich in Berlin erscheinende Schrift "INTERIM" sowie das unter wechselnden ausländischen Deckadressen vertriebene Untergrundblatt "radikal". Andere Publikationen sind überwiegend regional bedeutsam (z.B. "SWING - autonomes rhein-main-info"). In den Zeitschriften werden u.a. regelmäßig konspirative und subversive Erfahrungen ausgetauscht, SabotageaÄleitungen...gegeben und darüber hinaus Selbstbezichtigungen veröffentlicht, in denen militante Aktionen "begründet" werden. Weiterhin sehr wichtig für die Kommunikation in der Szene sind die annähernd 100 "Infoläden", die als Anlaufund Kontaktstellen dienen, auch zum Ausland. Über sie werden u.a. linksextremistische Schriften und Flugblätter vertrieben. - 31 - Zur Agitation und vor allem bei der Mobilisierung zu Demonstrationen setzt die Szene inzwischen zunehmend moderne Kommunikationsmittel (z.B. Mailboxen, alternative Radiöprojekte, Infotelefone) ein. Besondere Bedeutung hat das im Januar 1991 gegründete computergestützte Kommunikationssystem "Spinnen-Netz Mainz/Wiesbaden", welches als Schnittstelle dem europäischen Informationssystem "European Counter Network" (ECN) angeschlossen ist. Die von militanten Autonomen gezeichnete Spur der Gewalt hat sich in den letzten Jahren zu einem beachtlichen Sicherheitsproblem entwickelt. Dabei setzten Autonome Gewalt nicht im Rahmen einer revolutionären Gesamtkonzeption ein, sondern eher als Mittel zur Selbstverwirklichung und als Abreaktion von Wut und Haß auf bestehende gesellschaftliche Verhältnisse. Die Wahl der Mittel richtet sich dabei nach dem eigenen Legitimitätsund Zweckmäßigkeitsempfinden. Allein im Jahre 1993 summierten sich die durch Autonome angerichteten Sachschäden auf mehrere Millionen DM. Vor allem in Berlin werden von einer Gruppierung "Klasse gegen Klasse" fast täglich als "Volxsport" bezeichnete Zerstörungsaktionen gegen sogenannte Bonzenkarossen durchgeführt. Dabei werden regelrechte Rangtabellen über entstandene Schäden aufgestellt.. .Derartige-Anschläge finden mittlerweile auch in anderen Städten des Bundesgebietes, so u.a. in Frankfurt am Main, statt. Die Agitationsund Aktionsfelder der Autonomen haben sich seit Beginn der 80er Jahre häufig verändert. Aktuell sehen sie insbesondere in ihrem Kampf gegen den Faschismus eine Möglichkeit, ihre Strukturen zu - 32 - festigen und so ihren subversiven Zielen näher zu kommen. Unter dem Schlagwort "antifaschistische Selbsthilfe" versteht die Szene gewaltsame Aktionen gegen "Rechte", aber auch gegen staatliche Einrichtungen und deren Repräsentanten. So unternahmen Autonome gezielt militante Aktionen gegen Bundestagsabgeordnate, die dem "Asylkompromiß" zugestimmt haben. Um die Abgeordneten "öffentlich zu machen - sprich angreifbar", wurden ihre Namen u.a. auf dem Titelblatt der Ausgabe Juni 1993 des autonomen Szeneblattes für das Rhein-Main-Gebiet "SWING" veröffentlicht. Teile des autonomen Spektrums bemühen sich seit geraumer Zeit um festere Strukturen, um u.a. ihre-"antifaschistischen" Aktivitäten stärker zu intensivieren und gleichzeitig besser zu koordinieren. Der zu diesem Zweck bundesweit gegründeten Dachorganisation "Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) haben sich mehrere autonome/antifaschistische Gruppierungen aus verschiedenen deutschen Städten - darunter die "Autonome Antifa Mainz/Wiesbaden" - unter Beibehaltung ihrer Eigenverantwortlichkeit - angeschlossen. Ebenso wie auf Bundesebene trat das autonome Spektrum in Rheinland-Pfalz bei zahlreichen Anlässen, wie bei Demonstrationen und Aktionen im Rahmen der sogenannte antifaschistischen Selbsthilfe, zum Teil mit massiven Gewaltaktionen in Erscheinung. So kam es am 17. April 1993 anläßlich einer Demonstration gegen die "Hitler-Geburtstagsfeier" auf dem Anwesen der bekannten Neonazis Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim zu Auseinandersetzungen, weil vermummte Autonome versuchten, das Grundstück zu stürmen. Es entstand ein Gesamtschaden von über 20.000,DM. - 33 - Unter der Bezeichnung "Antirassistische Initiative Rhein-Main" wollten etwa 200 Aktivisten - darunter zahlreiche Autonome - e i n von Neonazis am 12. Juni 199-3 in Worms-Pfeddersheim überregional veranstaltetes "Nationales Grillfest" angreifen. Das Zusammentreffen der teils vermummten und bewaffneten Demonstranten mit den Neonazis konnte nur durch das Eingreifen der Polizei verhindert werden. Dennoch kam es zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. 2.4 Linksextremistischer Terrorismus Die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist auch weiterhin durch linksextremistische Terroristen, insbesondere die "Rote Armee Fraktion" (RAF), erheblich bedroht. 2.4.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Zu Beginn der 90er Jahre geriet die RAF offensichtlich in eine tiefe ideologische Krise. In mehreren Erklärungen seit 1992 reflektierte sie die Geschichte ihres bewaffneten Kampfes sehr selbstkritisch und stellte die Ziele und den Ablauf früherer Aktionen in Frage. Mit dem Eingeständnis des Scheiterns ihrer bisherigen bewaffneten Politik sah sie insbesondere die Notwendigkeit einer konzeptionellen Neuorientierung revolutionärer Politik. Zugleich unternahm sie -den .Vexsuch-, ...die ..Situation der Inhaftierten aus der RAF zu beeinflussen. Sie kündigte die Aussetzung gezielt tödlicher Anschläge an, verknüpft mit der Hoffnung auf eine politische Lösung der "Gefangenenfrage" . Im RAF-Umfeld und insbesondere bei den Inhaftierten aus der RAF fanden die Erklärungen der RAF-Kommando- - 34 - ebene zunächst überwiegend Zustimmung. Die damit verbundene Hoffnung, über politische Initiativen schnellstmöglich die Freilassung der inhaftierten Genossen zu erreichen, erfüllte sich jedoch nicht. Nach und nach mehrten sich unter den RAF-Anhängern kritische Stimmen, die .RAF habe mit der Aussetzung des bewaffneten Kampfes einen strategischen Fehler begangen; sie habe als bewaffnete revolutionäre Organisation an Glaubwürdigkeit verloren. Mit dem Sprengstoffanschlag am-27. März 1993 auf die JVA Weiterstadt (Sachschaden ca. 130 Millionen DM) wollte die RAF-Kommandoebene offensichtlich ihren Anhängern und dem Staat zeigen, daß sie weiterhin aktionsbereit und voll handlungsfähig ist und es wieder für notwendig hält, mit ihren "Mitteln" zu intervenieren. In ihrer Taterklärung zu dem Anschlag bekräftigte die RAF, sie habe 1992 die Eskalation zwar zurückgenommen, sie habe aber mit dem Anschlag den politischen Druck gegen den Staat erhöhen wollen, da er sich in der "Gefangenenfrage" wieder für die Eskalation entschieden habe. Der Anschlag fand im gesamten linksextremistischen Spektrum breite Zustimmung. Am 27. Juni 1993 wurde das mit Haftbefehl gesuchte mutmaßliche RAF-Kommandomitglied Birgit HOGEFELD in Bad Kleinen ^festgenommen. Der mutmaßliche RAF-Terrorist Wolfgang GRAMS tötete sich während des Schußwechsels im Verlauf des polizeilichen Zugriffs selbst. Beide Personen hatten Pistolen mitgeführt, die aus einem Raubüberfall der RAF auf ein Waffengeschäft in Maxdorf (Landkreis Ludwigshafen am Rhein) am 5. November 1984 stammten. Bei dem Schußwechsel 1 Siehe-Abschlußbericht der Bundesregierung zu der Polizeiaktion am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen/Mecklenburg-Vorpommern. - 35 - wurde auch ein' GSG 9-Polizeibeamter von Wolfgang GRAMS getötet'; ein .weiterer Beamter und eine Bahnbeamtin erlitten leichte Verletzungen. In' einer Erklärung zu den Ereignissen in Bad Kleinen vom 6. Juli 1993 unterstrich die RAF-Kommandoebene, daß sie an ihrem Willen zur politischen Neuorientierung, wie er in den Erklärungen seit 1992 zum Ausdruck komme, festhalten wolle. Allerdings sei für sie durch den Tod ihres Genossen Wolfgang GRAMS eine neue "Ausgangsbedingung" entstanden. Auch forderte die RAF andere linksextremistische Gruppierungen dazu auf, die Ereignisse nicht so hinzunehmen, womit sie um Zustimmung für eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf, zumindest aber um Verständnis für Vergeltungsmaßnahmen nach dem Tod von Wolfgang GRAMS warb. In der zweiten Jahreshälfte 1993 sind tiefgreifende Gegensätze im Gefüge der RAF, in dem sich bisher die Kommandoebene, das RAF-Umfeld und die Inhaftierten aus der RAF als politischen Zusammenhang sahen, offen ausgebrochen. In einem am 28. Oktober 1993 in der Frankfurter Rundschau veröffentlichten Brief von Brigitte MOHNHAUPT beschuldigte sie im Namen der sogenannten Hardliner die RAF-Kommandoebene, die Celler RAF-Inhaftierten (Karl Heinz DELLWO, Lutz TÄUFER und Knut FOLKERTS) sowie Birgit HOGEFELD, sie hätten einen "Deal" mit dem Staat schließen und eine "Schlußabwicklung" ihrer Geschichte betreiben wollen.. Nach Ansicht von MOHNHAUPT sei die angeblich 1992 vollzogene "Zäsur" für die RAF "nicht die Öffnung zur Neu- 1 Im Zusammenhang mit der Festnahmeaktion in Bad Kleinen ist auch ein V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes enttarnt worden. - 36 - bestimmung radikaler .und revolutionärer Politik", sondern vielmehr "Anpassung und blanke Entpolitisierung" gewesen. Hintergrund der massiven Vorwürfe der "HardlinerGefangenen war, daß die "Geller" im Einvernehmen mit der Kommandoebene und der in Bad Kleinen festgenommenen Birgit HOGEFELD über einen Rechtsanwalt Kontakte zu führenden Personen aus der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens aufgenommen hatten, um letztlich die angestrebte Lösung in der "Gefangenenfrage" zu erreichen. Die RAF-Kommandoebene wies mit einer siebenseitigen Erklärung vom 2. November 1993 in einer bislang noch nicht gekannten Schärfe die Vorwürfe der Gefangenen entschieden zurück. Vehement verteidigte sie ihre seit 1992 verkündeten politischen Positionen. Das habe auch "nichts mit der Aufgabe der Option auf bewaffneten Kampf" zu tun. Dabei bekräftigten sie, solange die Verantwortung zu tragen, bis "das Neue herausgefunden" sei. Ggf. will man auch dann mit bewaffneten Aktionen intervenieren, wenn eine strategische Vorstellung noch nicht erarbeitet sei. Mit einem Anfang Dezember 1993 veröffentlichten Brief, datiert auf den 16. November 1993, an Brigitte MOHNHAUPT .versuchte Birgit HOGEFELD, die "Hardliner"Gefangenen zu beschwichtigen und eine künftige gemeinsame Basis für alle RAF-Gefangenen zu erreichen. Sie bemühte sich in ihrem Brief um Schadensbegrenzung und versuchte, die Einheit des "Gefangenenkollektivs" wiederherzustellen. Zur Zeit spricht nichts dafür, daß die tiefgreifenden ideologischen Differenzen im RAF-Gefüge überwun- - 37 - den werden könnten. Der Bruch dürfte wohl endgültig sein. 2.4.2 RAF-Umfeld ' Der Bruch im RAF-Gefüge hat insbesondere auch im Umfeld einen Diskussionsprozeß ausgelöst, der vielerorts durch Unsicherheit und Dissenz geprägt war. Nachdem sich anfänglich ein Großteil für die Neuorientierung der RAF-Politik ausgesprochen hatte, gewannen danach die Kritiker der RAF-Illegalen und Befürworter der militanten Linie mehr und mehr an Bedeutung. Ende 1993 tendierte allerdings eine große Zahl von RAF-Unterstützern zu einer neutralen Haltung. Wie schon in den vergangenen Jahren war auch 1993 im RAF-Umfeld die Forderung nach Freilassung der Gefangenen aus der RAF und dem Widerstand im Zuge einer "politischen Lösung" Aktionsund Diskussionsschwerpunkt. Mit zahlreichen Veranstaltungen wurde immer wieder auf die Gefangenensituation aufmerksam gemacht; insbesondere wurde die Freilassung des am längsten einsitzenden RAF-Mitgliedes Irmgard MÖLLER gefordert. So wurde z.B. am 6. Mai 1993 in Göttingen eine Veranstaltung der örtlichen "Autonomen Antifa-M" mit Gisela DUTZI -und Matth-tas MEYERS *"(Mainz) als Vertreter und Redakteur der Zeitschrift "Clockwork 129a" zum Thema "Freiheit für alle Gefangenen aus RAF, Widerstand und Antifa!" durchgeführt. 1 . Dies wird auch durch einen 18-seitigen Brief der RAF-Kommandoebene vom 6. März 1994 an die Tageszeitung "Junge Welt" bestätigt. - 38 - Auch die im RAF-Umfeld kursierenden Publikationen, berichteten .kontinuierlich über die Situation der "politischen Gefangenen". Insbesondere Matthias MEYERS setzte sich in seiner Zeitschrift "Clockwork 129a" für die Freilassung der "Gefangenen aus RAF und Widerstand" ein. In Rheinland-Pfalz waren vorwiegend im Großraum Mainz Angehörige des RAF-Umfeldes aktiv. Darüber hinaus gibt es Ansätze in den Städten Kaiserslautern und Koblenz. 2.4.3 "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah" Die "Hardliner" unter den RAF-Inhaftierten, die den ideologischen Bruch im RAF-Gefüge vorangetrieben haben/ erklärten im Unterschied zur RAF-Kommandoebene wiederholt, der bewaffnete Kampf müsse als notwendiges Mittel revolutionärer Politik fortbestehen. Die "Kampfpause" der RAF habe lediglich dazu gedient, dem Staat weitere Handlungsspielräume für eine zunehmende "Faschiisierung der Gesellschaft" und für eine "Weltmachtpolitik" zu öffnen und sei insoweit kontraproduktiv gewesen. Offensichtlich gibt es eine nicht zu unterschätzende Anzahl militanter Kräfte im RAF-Umfeld, die sich den "Hardlinern" unter ~den Gefangenen ideologisch verbunden fühlen. Besonders motiviert zeigte sich in diesem Zusammenhang eine Gruppe mit dem Namen "Antiimperialistische Widerstandszelle Nadia Shehadah". Diese äußerte sich erstmals am 5. September 1993 in einem mehrseitigen Positionspapier zur grundsätzlichen Notwendigkeit militanter Politik. Gleichzeitig bekannte sie sich zu dem Brandanschlag auf die - 39 - juristische Fakultät der Universität Hamburg am 21. November 1992 sowie zu der gegen einen ehemaligen Angehörigen der GSG 9 "gerichteten Aktion am 18. August 1993 in Solingen. Am 1-4. Dezember 1993 wurde eine weitere Erklärung dieser Gruppe bekannt. Darin bezichtigte sie sich des Schußwaffenanschlages auf das Gebäude des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall in Köln am 17. November 1993 und kündigte gleichzeitig weitere "militante bewaffnete Aktionen" an. Sie schloß dabei auch Anschläge auf Personen als Mittel zur Durchführung ihrer politischen Ziele ("antiimperialistischer Kampf") ein. Die bisherigen Aktivitäten und die zuletzt ausgesprochenen massiven Drohungen der "Antiimperialistischen Widerstandszelle Nadia Shehadah" geben zu Befürchtungen Anlaß, daß neben der RAF eine weitere terroristische Organisation heranwachsen könnte. 2.4.4 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die RZ befinden sich - ähnlich wie die RAF - in einem Neuorientierungsprozeß. Offensichtlich gibt es mehrere Strömungen mit unterschiedlichen ideologischen Verstellungen. Eine davon bekräftigte in einem in der Zeitschrift "radikal" (Nr. 47 vom März 1993) veröffentlichten Interview das Fortbestehen der RZ und zeigte künftige Aktionsfelder auf. Dabei sah sie insbesondere eine vermittelbare "kontinuierliche militante Praxis" als Notwendigkeit an. Die "Rote Zora", die Frauengruppe in den RZ, meldete sich im Dezember 1993 nach über fünf Jahren erstmals wieder mit einer Broschüre "Mili's Tanz auf dem Eis" zu Wort. Im Hauptteil der Broschüre nehmen die Ver- - 40 - fasserinnen eine Aufarbeitung ihrer Geschichte vor, indem sie die Aktionen von 1978 bis 1987 selbst kritisch reflektieren. Sie erklären, daß das "Guerillakonzept" für die "Rote Zora" heute keine Orientierung mehr darstelle, da es darauf ausgerichtet sei, "mit militärischen Formationen die Macht zu erobern", die RZ aber wolle die "patriarchale Macht" nicht erobern, sondern zerstören. Für ihren Kampf sehen die Verfasserinnen eine "illegale militante Organisation" als notwendig an. Sie bringen dabei klar zum Ausdruck, daß sich militante Politik auch in der Praxis ausdrücken müsse. In diesem Zusammenhang bezeichnen sie den "Angriff auf die Zerstörung von Institutionen, die die Gewaltverhältnisse organisieren und reproduzieren, und die Bestrafung von Tätern ..." als unabdingbar. 3. Ausländerextremismus Ende 1993 gehörten nach Schätzungen der Verfassungsschutzbehörden bundesweit 38.950 (1992 ca. 39.800) und landesweit etwa 1.000 (1992: ca. 1.000) Ausländer extremistischen bzw. extremistisch-beeinflußten Organisationen an. Diese Zahlen belegen, daß die große Mehrheit der ca. 6,9 Millionen im Bundesgebiet (etwa 275.000 in Rheinland-Pfalz) lebenden Ausländer die demokratische Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland beachten. Allerdings war 1993 bundesweit ein weiterer Anstieg bei Gewalttaten zu verzeichnen. Diese haben sich ge- 1 Davon: 21.200 Mitglieder islamisch-extremistischer bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen, 13.550 Mitglieder linksextremistischer bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen, 4.200 Mitglieder extremistisch-nationalist'scher bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen. - 41 - genüber dem Vorjahr (1992: 141) auf 195 im Jahre 1993 erhöht. Dabei .wurden vier Personen (1992: 7) getötet. 3.1 . "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) hat im Jahre 1993 durch die in Europa eingesetzten illegalen Kader ihre Agitation erheblich verstärkt. Besonders im Juni und November 1993 kam es in der Bundesrepublik aus Anlaß türkischer Militäroperationen im kurdischen Siedlungsgebiet zu einer Vielzahl von z.T. mit erheblichen Gewalttaten begleiteten Protestaktionen. Die Geiselnahme anläßlich der Besetzung des türkischen Generalkonsulats am 24. Juni 1993 in München sowie eine zweite Gewaltwelle mit mehr als 50 Überfällen am 4. November 1993, bei denen u.a. in Wiesbaden ein Mensch zu Tode kam, waren Höhepunkte dieser Eskalation. Im März 1993 war zunächst eine Entspannung der Situation eingetreten, nachdem Abdullah ÖCALAN den vom 20. März bis 15. April 1993 befristeten einseitig erklärten Waffenstillstand sogar verlängert hatte. Die aus ÖCALANs Sicht unbefriedigende Bereitschaft des türkischen Staates zu Verhandlungen führte am 8. Juni 1993 allerdings zur Kündigung der Waffenruhe und zur Drohung, den "Krieg an allen Fronten" zu beginnen. Die daraufhin europaweit einsetzenden Proteste der PKK richteten sich in der Bundesrepublik u.a auch gegen Rundfunkund Fernsehanstalten sowie Pressehäuser. Am 22. Juni 1993 überfielen vier mutmaßliche PKK-Anhänger die Redaktionsräume des deutschen Nachrichtenmagazins "Focus" in München und zerstörten die Inneneinricntung. Der Redaktion wurde vorgeworfen, sie betreibe sensationslüsterne, un- - 42 - wahre Berichterstattung und eine bewußte Hetzkampagne gegen den Befreiungskampf Kurdistans und seiner Avantgarde, der PKK. In den Sommermonaten forderte die PKK einen Boykott touristischer Ziele in der Türkei; Ende Juni 1993 kam es zu mehreren Bombenanschlägen, u.a. in Antalya. Tatbekennungen hierfür liegen nicht vor; allerdings bekannte sich die PKK zu mehreren Entführungen von Touristen im Sommer 1993 in der Osttürkei, darunter waren auch zwei Deutsche. Hierzu erklärte ein Sprecher der PKK am 25. August 1993 in Bonn, die Touristen kämen erst frei, wenn die betroffenen Regierungen direkt mit der kurdischen Seite verhandelten. Die europäischen Staaten müßten nicht nur Druck auf die Türkei ausüben und ihre Unterstützung der Türkei im Kampf gegen die Kurden einstellen, sondern zudem für die Kurden einen "gerechten Lösungsvorschlag" unterbreiten. Wie alljährlich begann die PKK Mitte August 1993 ihre Spendenkampagne. Bundesweit häuften sich daraufhin massive Erpressungsversuche von Kurden gegen ihre Landsleute, so auch in Rheinland-Pfalz. Am 4. September 1993 führte die PKK aus Anlaß des 9. Jahrestages des Beginns ihres bewaffneten Kampfes in der Türkei eine Großveranstaltung in Frankfurt am Main durch, auf der sie sich als geschlossene und vor .allem handlungsstarke Organisation präsentierte. Am 4. November 1993 kam es in 31 Städten beinahe zeitgleich zu annähernd 60 versuchten bzw. vollendeten Überfällen und Brandanschlägen auf türkische diplomatische Vertretungen, türkische Einrichtungen, wie Banken und Reisebüros, sowie von Türken betriebene Gaststätten und türkische Vereinseinrichtungen, darunter auch in Mainz und Germersheim. Bei dem folgenschwersten Anschlag in Wiesbaden auf eine tür- - 43 - kische Gaststätte erlitt ein Türke tödliche Verletzungen . Am 22. November 1993 verbot das Bundesministerium des Innern die PKK. Der Verbotsverfügung zufolge verstößt die Tätigkeit der PKK einschließlich ihrer Teilorganisationen nicht nur gegen Strafgesetze, sondern gefährdet auch die innere Sicherheit und öffentliche Ordnung sowie außenpolitische Belange Deutschlands. Das Verbot richtet sich neben der PKK auch gegen die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), die Berxwedan-Verlags-GmbH, die "Kurdistan Haber AyansiNews Agency" (KURD-HA) sowie das "Kurdistan-Komitee e.V." Köln und die "Föderation der Patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan) einschließlich ihrer 29 örtlichen Mitgliedsvereine. Mehr als 100 Vereine und Privatobjekte wurden am 26. November 1993 durchsucht, wobei umfangreiches Propagandamaterial sichergestellt wurde. Von den Maßnahmen betroffen waren in Rheinland-Pfalz der "Kurdische Arbeiterund Kulturverein in Koblenz e.V.", dessen Vorstandsmitglieder sowie Einzelpersonen in Landau und Mainz. Aus Anlaß des Verbotes demonstrierten bundesweit Anhänger der PKK gemeinsam mit ins Leben gerufenen "Kurdistan-Solidaritätsgruppen". In dem vom verbotenen "Kurdistan-Komitee e.V." Köln und -von der FEYKA--Kurdistan -weiterhin herausgegebenen "Kurdistan-Rundbrief" war am 26. Januar 1994 ein Artikel des PKK-Führers Abdullah ÖCALAN veröffentlicht worden, worin er den Sieg der kurdischen Revolution beschwört. Die Revolution des kurdischen Volkes sei für die gesamte Menschheit von Bedeutung und müsse daher als die "Revolution der Menschheit" begriffen werden. - 44 - Eine Abkehr der terroristisch operierenden PKK von ihren revolutionären Kampfformen ist daher nicht zn erwarten. Das Verbot in der Bundesrepublik hat zu breiten Solidaritätsbündnissen geführt, u.a. mit deutschen Linksextremisten bis hin zum terroristischen Umfeld. Insgesamt ist ein Anwachsen des kurdischen Sympathisantenund Mitgliederpotentials festzustellen. In Rheinland-Pfalz kann derzeit von ca. 280 Personen in dieser Solidaritätsszene ausgegangen werden. 3.2 Devrimci Sol Eine neue Qualität erreichteninterne Auseinandersetzungen der in der Bundesrepublik Deutschland agierenden extremistischen Devrimci Sol ("Revolutionäre Linke"). Bereits am 1. Mai 1993 wurde in Berlin ein Dev Sol-Aktivist von Angehörigen der eigenen Organisation erschossen, weitere Morde bzw. Mordversuche in Niedersachsen im August 1993 und in Nordrhein-Westfalen im November 1993 folgten. Die rivalisierenden Flügel waren bemüht, die Angelegenheit unter sich zu regeln, wobei weniger die politische Überzeugungsarbeit, als vielmehr der Rachegedanke im Vordergrund stehen dürfte. Zwischenzeitlich haben führende Mitglieder beider Dev Sol-Fraktionen gegenüber Führungsfunktionären des jeweils anderen Flügels "Todesurteile" ausgesprochen, was befürchten läßt, -daß -4ie -gewaltsamen--Auseinandersetzungen auch in Zukunft andauern werden. 3.3 "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/M-L) Auch in der "Türkischen Kommunistischen Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L) ist die Gewaltbereitschtft gegenüber andersdenkenden Organisations- - 45 - mitgliedern gestiegen. Sie gipfelte darin, daß ein Aktivist am 13./14. Dezember 1993 von Angehörigen der eigenen Partei in Nordrhein-Westfaleri regelrecht hingerichtet wurde. Die TKP/M-L übernahm anschlie-' ßend die Verantwortung für diesen Mord gegenüber einer türkischen Zeitung und wies darauf hin, daß es sich hierbei um eine "Bestrafung" eines Verräters gehandelt habe. Wie bei der Dev Sol gehören Brandanschläge, Sachbeschädigungen und Besetzungsaktionen zum Aktionsspektrum der TKP/M-L. "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) Am 18. April 1993 fand eine Saalveranstaltung des islamisch-fundamentalistischen ICCB in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle statt, an der etwa 2.000 Anhänger des Verbandsvorsitzenden KAPLAN teilnahmen. Anlaß war der 1. Jahrestag der an gleicher Stelle gegründeten "Föderalistischen islamischen Republik" (F.I.D.). In seiner Rede bezeichnete KAPLAN den Sturz des laizistischen Systems in der Türkei als Ziel des F.I.D. und dessen Gründung als religiöse Pflicht der Muslime. Wegen seiner politischen Agitation wurden im Jahre 1993 gegen KAPLAN mehrere Ordnungsverfügungen der Stadt Köln gemäß SS 37 Ausländergesetz - Verbot und Beschränkung der politischen Betätigung ^.erlassen. "Islamische Heilsfront" (FIS) Zu einer weiteren Bedrohung deutscher Sicherheitsinteressen entwickeln sich mehr und mehr die Aktivitäten der algerischen "Islamischen Heilsfront" (FIS). Neben anderen Ausländern wurden bereits deutsche Staatsangehörige in Algerien Opfer von gewalttätigen - 46 - Übergriffen fanatischer FIS-Anhänger. So wurde am 12. Oktober 1993 ein Mitarbeiter einer deutschen Firmenniederlassung in Algerien überfallen und dessen gesamte Familie zum sofortigen Verlassen des Landes aufgefordert. Aber auch im Bundesgebiet erhielt ein deutscher Staatsangehöriger ein Drohschreiben der FIS, woraufhin er von seiner Absicht, im Rahmen eines Entwicklungshilfeprogrammes nach Algerien zu reisen, Abstand nahm. Insbesondere die Festnahme des Sohnes des in Algerien inhaftierten FIS-Führers, Oussama ABBASSI, im Bundesgebiet löste heftige Reaktionen und Drohungen der FIS aus und trug zu einer Lageverschärfung bei. 3.6 Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien Mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder mögliche Auseinandersetzungen zwischen den in Deutschland lebenden Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien. Eine Verschärfung der Sicherheitslage in Deutschland ist u.a. dann zu befürchten, wenn Ermittlungsverfahren gegen im Bundesgebiet aufenthältliche mutmaßliche Kriegsverbrecher eingeleitet werden sollten. 4. Spionageabwehr 4.1. Allgemeine Lage Die Bestrebungen im Osten Europas, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu reformieren, kamen 1993 nur schleppend voran und sind in vielen Bereichen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zum Teil kompromißlose Auseinandersetzungen ' - 47 - über den einzuschlagenden Kurs lähmen den Demokratisierungsprozeß und. fördern neues Konfliktpotential. Allen voran durchlebt die russische Föderation tiefgreifende gesellschaftspolitische Veränderungen. . Die Situation der Bevölkerung hat sich durch' unzureichende Versorgung, Arbeitslosigkeit, eine hohe Inflationsrate, Korruption und kriminelle Tendenzen bis in die Sicherheitsorgane hinein erheblich verschlechtert. Der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Industrie zeichnet sich auch in den nach dem politischen Umschwung unabhängig gewordenen Staaten der ehemaligen UdSSR bis heute noch nicht ab. Einige souveräne Staaten sehen sich mittlerweile dabei überfordert und suchen die (erneute) Kooperation mit Moskau, das damit seine frühere zentralistische Funktion wiedererlangen könnte. Politische Vorbehalte gegenüber einer Partnerschaft für den Frieden mit den NATO-Staaten, die enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und das technologische Gefälle zu den westlichen Industrienationen dürften ausschlaggebend dafür sein, daß auch in Zukunft nachrichtendienstliche Aufklärungsbemühungen gegen die Bundesrepublik Deutschland zu erwarten sind, selbst wenn die gebotene Rücksichtnahme eine aggressive Spionage behindert. Dies schließt jedoch verfeinerte Methoden der Informationsbeschaffung -keineswegs-.ims, dLie .andererseits die bundesdeutsche Spionageabwehr vor neue Herausforderungen stellen wi rd. 4.2 Nachrichtendienste der russischen Föderation r Der ehemals mächtige sowjetische Geheimdienst KGB (KOMITET GOSUDARSTVENNOY BEZOPASNOSTI) wurde durch - 48 - die Auflösung der UdSSR und der damit einhergehenden Fildung souveräner Staaten weitgehend aufgelöst. Die neuen Republiken gründeten auf ihren Territorien unter Verwendung der früher dort beschäftigten, erfahrenen KGB-Mitarbeiter eigene Dienste. Dabei wurden althergebrachten Strukturen des ehemaligen KGB größtenteils übernommen. Der zivile Auslandsaufklärungsdienst der russischen Föderation (SWR), der Ende 1992 aus der 1. Hauptverwaltung des früheren KGB hervorging, wurde gesetzlich legitimiert und formal der Kontrolle des Parlaments und der Staatsanwaltschaft unterstellt. Der militärische Aufklärungsdienst der ehemaligen UdSSR (GRU) hat die politischen Wirren der vergangenen Jahre fast unbeschadet überstanden und ist auch vier Jahre nach der Wiedervereinigung noch in den neuen Bundesländern, insbesondere gegen die Streitkräfte der Bundeswehr und der NATO, aktiv. Seine erweiterten Zuständigkeiten füllen die Lücken, die der Personalabbau beim Auslandsdienst SWR hinterlassen hat. Der anstehende vollständige Abzug der russischen Westtruppen (WGT) zum 31. August 1994 ließ verstärkte Aktivitäten des GRU erkennen, um Sympathisanten und abgeschaltete Agenten des ehemaligen MfS für eine zukünftige nachrichtendienstliche Zusammenarbeit -zu -gewinnen. Mit dem neu geschaffenen Dienst für Fernmeldeund elektronische Aufklärung (FAPSII), der dem Präsidenten der russischen Föderation unmittelbar unterstellt ist, soll auch die Sicherheit der nachrichtendienstlichen Verbindungen, insbesondere ins Ausland, gewährleistet werden. - 49 - Insgesamt ist davon auszugehen, daß die Aufklärungsbemühungen der neugegründeten Nachrichtendienste der ehemaligen Sowjetrepubliken auch heute noch alle Bereiche der Spionage abdecken. Angesichts der desolaten Wirtschaftslage besteht dabei vorrangiges Interesse an westlichem Know-how und Forschungssowie Produktionsergebnissen und nach Möglichkeit auch an einer Beeinflussung ökonomischer EntScheidungsprozesse. Das Gesetz der russischen Föderation über die Auslandsaufklärung vom Juli 1992 sieht ausdrücklich die Beteiligung der Nachrichtendienste durch Beschaffung einschlägiger Informationen als einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes vor. Eine besondere Aufgabe der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes wird es deshalb sein, den nachrichtendienstlich gesteuerten Export im Rahmen des illegalen Technologietransfers aufzuklären und möglichst zu verhindern. 4.3 Nachrichtendienste der ehemaligen "Satellitenstaaten" Aktive Aufklärungsarbeit der Nachrichtendienste der tschechischen und der slowakischen Republik sowie der ungarischen Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland konnten im vergangenen Jahr -nicht--"ehr -festgestellt werden. Die rumänischen Dienste wurden neu gegliedert, jedoch personell nur unwesentlich erneuert. Der zivile Auslandsinformationsdienst SIE und der rumänische militärische Nachrichtendienst DIA setzten auch 1993 ihre Aufklärungsbemühungen gegen die Bundesrepublik Deutsch-land fort. Die Intensität ist jedoch erkenn- - 50 - bar zurückgegangen. Rumänische Emigranten, insbeson-, dere solche mit fortdauernden Beziehungen zu ihrer alten Heimat, gehören allerdings unverändert zur Zielgruppe rumänischer Dienste. Das Informationsinteresse richtet sich maßgeblich auf die Bereiche Maschinenbau, Elektronik und Energietechnik. Der bulgarische Aufklärungsdienst NIS und der dem Verteidigungsministerium unterstehende Dienst RUMO haben die klassischen nachrichtendienstlichen Objekte ebenfalls zugunsten der Erkenntnisgewinnung aus den Bereichen Wissenschaft und Technik vernachlässigt. Die nachhaltigen Versuche, Anteile an bulgarischen Staatsbetrieben aus diesen Bereichen auch an deutsche Unternehmen zu veräußern, könnten darauf hindeuten, daß auf diesem Wege unmittelbarer Zugang zu westlicher Hochtechnologie angestrebt wird. Der nach der politischen Wende neu gegründete polnische Auslandsaufklärungsdienst "Amt für Staatsschutz" (UOP) betrieb auch 1993 aktive Aufklärung. Neben einer Abteilung "West-Europa" wurde 1993 für die Aufklärung der Bundesrepublik eigens eine Abteilung "Deutschland" eingerichtet. Dies läßt eindeutige Rückschlüsse auf den Stellenwert und den Umfang der Aufgabenstellung des polnischen Dienstes zu. 4.4 Nachrichtendienste der sogenannten Krisenund Schwellenlander Die Krisenund Schwellenländer, allen voran der Iran, aber auch Syrien, Irak, Libyen und Nord-Korea, stellen eine zunehmende Bedrohung dar. Alle betreiben klassische Spionage im politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bereich, vornehmlich zur illegalen Beschaffung von Informationen und Produkten, die für den Ausund Aufbau atomarer, - 51 - biologischer und chemischer Waffenpotentiale und entsprechender eigener Produktionsstätten Verwendung finden können. Den nachrichtendienstlichen Aktiväten dieser Staaten wird in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein. Erste Erkenntnisse liegen dazu dem rheinlandpfälzischen Verfassungsschutz vor. Rheinland-Pfalz mit seinen vielfältigen Forschungseinrichtungen und Ausbildungsstätten gerade für den wissenschaftlichen Führungsnachwuchs und nicht zuletzt wegen der breiten Palette leistungsfähiger und zukunftsträchtiger Unternehmen wird danach auch künftig im Blickfeld dieser Nachrichtendienste liegen. Unsere heutige Wettbewerbsgesellschaft bringt es mit sich, daß interessante Informationen auf praktisch allen Gebieten durch allgemein zugängliches Material, durch offene Gesprächsabschöpfung, aber auch durch Neugründungen von Firmen, finanzielle Beteiligungen an Unternehmen und Handelsorganisationen beschafft werden können. Der Nachweis nachrichtendienstlicher Beschaffungsbemühungen wird dadurch nicht gerade erleichtert. Darüber hinaus steuern diese Nachrichtendienste die Überwachung und Ausforschung hier lebender Regimegegner der genannten Länder bis hin zu terroristischen Aktionen gegen sie. 4.5 Spionagefälle 1993 wurden gegen in Rheinland-Pfalz wohnende Bürger 37 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht gemäß SS 99 StGB eingeleitet, die betreffenden Personen wegen dieser Straftaten angeklagt bzw. zu Haftoder/und Geldstrafen verurteilt. - 52 - Im Mai 1993 wucde ein heute bereits im Rentenalter befindlicher ehemaliger Mitarbeiter eines namhaften Chemieunternehmens vom Oberlandgericht Koblenz wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für die ehemalige DDR zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Der Betreffende war bereits 1958 anläßlich einer Gruppenreise in die damalige DDR von einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit geworben und beauftragt worden, Unterlagen aus der Produktion, Forschungsergebnisse seines Arbeitsbereiches und Charakteristiken von Kollegen an das MfS zu liefern. Das Verratsmaterial wurde in sogenannten toten Briefkästen hinterlegt und von Kurieren aus der DDR abgeholt. Ab Mitte der 80er Jahre stellte er auch seine Wohnung Agenten zur Verfügung. Die Zusammenarbeit dauerte bis zum Jahre 1989. Im Rahmen umfangreicher Ermittlungen verschiedener Behörden gelang es dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz letztlich, im Sommer 1993 einen bei einem Mainzer Technologieunternehmen beschäftigten Agenten des MfS zu enttarnen. Die Generalbundesanwaltschaft erließ Haftbefehl, der gegen Zahlung einer Kaution außer Vollzug gesetzt wurde. Den Ermittlungen zufolge hatte diese Person unter dem Vorwand, Verwandte in der damaligen DDR besuchen zu .wollen, -1985... Verbindung . zu einem Chemiekombinat in Dresden aufgenommen und Produkte seines Arbeitgebers angeboten. Dadurch entstand eine enge Zusammenarbeit mit dem MfS, in deren Verlauf der Agent bei zahlreichen Treffs bis zur Auflösung der DDR umfangreiches Material der Spitzentechnologie und vertrauliche Informationen aus seinem Arbeitsbereich lieferte, als Gegenleistung erhielt er ca. 200.000,-DM. Gegen seine Ehefrau, die als Kurier für den - 53 - Transport des Verratsmaterials eingesetzt war, wurde ebenfalls ermittelt. . In einem bereits abgeurteilten und jetzt durch zusätzliche Erkenntnisse erhärteten Fall wurde die freundschaftliche Beziehung zu einem Geistlichen genutzt, um den späteren Agenten im Zuge einer Reise 1967 in die DDR für nachrichtendienstliche Aufgaben zu werben, ohne daß dies zunächst in vollem Umfange erkannt wurde. Gleichwohl nutzte die betreffende Person ihre berufliche Tätigkeit als Journalist, um ihr bekanntgewordene Sachverhalte an das MfS weiterzuleiten. 1988 wurde sie mit der "Verdienstmedaille in Silber" vom MfS ausgezeichnet. Der Sachverhalt war bereits Gegenstand eines Strafverfahrens, das gegen Zahlung einer Geldbuße von 8.000,-DM eingestellt wurde. Eine heute 65 Jahre alte Frau aus dem Raum Baumholder war seit 1970 bei verschiedenen amerikanischen Firmen tätig und wechselte Mitte der 80er Jahre zu einer ausschließlich für amerikanisches Militärpersonal eingerichteten Bank. Ende 1982 lernte sie ihren heutigen Lebensgefährten kennen, der damals noch in der DDR wohnhaft war und zum Besuch seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland einreisen durfte. Aus.., di eser ~J3ekanntschax".t, erwuchs -eine engere persönliche Beziehung. Um diese aufrechterhalten bzw. vertiefen zu können, unternahm die Genannte ab Frühsommer 1984 mehrfach Reisen nach Ost-Berlin und Dresden. Während dieser Aufenthalte brachte der Lebensgefährte sie mit einem angeblichen Studenten zusammen, der sie aufforderte, ihren Beitrag zur "Friedenserhaltung" zu leisten und - 54 - Informationen über die amerikanischen Streitkräfte für das MfS zu beschaffen. Um ihrem Lebensgefährten weitere Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, lieferte sie in der Folgezeit kompromittierende Listen über Bankkunden. Neben den Namen waren auch Dienstgrad und Einheit dieser Personen zu erkennen. Das anschließende Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 8.000,-DM eingestellt. 5. Geheimschutz Das Lagebild der Spionageabwehr verdeutlicht, daß das vereinigte Deutschland trotz der geänderten weitund sicherheitspolitischen Lage auch künftig für zahlreiche fremde Nachrichtendienste als bevorzugtes Aufklärungsziel von Bedeutung sein wird. Des weiteren dürften extremistische und kriminelle Organisationen bestrebt sein, über sie gesammelte Informationen bei den staatlichen Stellen zu erfahren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für einen wirksamen Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen (staatliche Verschlußsachen). Die öffentlichen Stellen sind, soweit sie mit Verschlußsachen befaßt werden, zu entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet und haben den Schutz der Bürger sowie von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen zu gewährleisten. Die Aufgabe des Geheimschutzes besteht darin, nachrichtendienstlichen Angriffen durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen, d.h. gefährdete Bereiche durch personellen und materiellen Geheimschutz abzusichern. Behörden und Einrichtungen, die wegen der - 55 - Bearbeitung von Verschlußsachen generell gefährdet sind, werden durch vorbeugende Maßnahmen gegen eine mögliche Ausspähung geschützt. Dabei wirkt im Rahmen des personellen Geheimschutzes ebenso wie beim personellen Sabotageschutz der Verfassungsschutz bei Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen mit und fördert als Fachbehörde durch entsprechende Informationen das Sicherheitsbewußtsein der in diesen Bereichen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes übernimmt der Verfassungsschutz eine wichtige Beratungsfunktion gegenüber den öffentlichen Dienststellen in Rheinland-Pfalz bei der Durchführung technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen. Maßgebliche Ansprechpartner sind hierbei die jeweiligen Geheimschutzbeauftragten der betreffenden Dienststallen, die auch 1993 durch Fachvorträge, Broschüren und in persönlichen Gesprächen informiert wurden. Betriebe und Unternehmen in Rheinland-Pfalz, die vom Bundesminister für Wirtschaft in die Geheimschutzbetreuung übernommen worden sind, um geheimhaltungsbedürftige Aufträge des Bundes zu erfüllen, werden ebenfalls vomVerfassungsschutz des Landes in Ge*hei mschutzanggJ.egenheiJ:en-J3eratgn " Den zu beobachtenden Ausspähungsversuchen fremder Nachrichtendienste gegenüber zukunftsträchtigen Unternehmen der Hochtechnologie begegnet der Verfassungsschutz u.a. durch eine diesbezügliche Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit im Interesse eines umfassenden und wirksamen Wirtschaftsschutzes. Entsprechende Konzepte der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sind hierfür in Vorbereitung. - 56 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. Rechtsextremismus 1.1 "Deutsche Nationalisten" (DN) Am 21. Juli 1993 wurde die DN von dem bekannten Neonazi Michael PETRI aus Mainz gegründet. Die Organisation mit Sitz in Mainz strebt unter maßgeblicher Beteiligung von PETRI eine bundesweite Ausdehnung an. -Sie verfügt derzeit bundesweit über ca. 50Mitglieder. In Rheinland-Pfalz hat sie lediglich wenige Mitglieder. Die DN versteht sich als Partei und wurde bereits beim Bundeswahlleiter registriert. Eine Anerkennung als Partei ist damit allerdings noch nicht verbunden. 1.2 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) In der 1979 gegründeten und bundesweit agierenden neonazistischen HNG fungieren die bekannte NS-Aktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim als, 1. Vorsitzende und ihr Ehemann als Beisitzer im Vorstand. Die derzeit ca. 220 Mitglieder umfassende HNG versteht sich als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen und sieht sich als zentrale Kontaktstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem benachbarten Ausland. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" - 57 - 1.3 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Die 1986 unter maßgeblicher Beteiligung des Neonazis Ernst TAG aus Ludwigshafen gegründete "nationale sozialistische Kampfgruppe" entwickelt derzeit in Rheinland-Pfalz keine Aktivitäten. 1993 kamen einige Ausgaben der Publikation "Der Schulungsbrief" zur Verteilung. 1.4 "Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V." (IHV) Das im Jahre 1987 von dem in Ludwigshafen am Rhein wohnhaften Neonazi Ernst TAG gegründete IHV wirbt seit Dezember 1993 auch über ein neu eingerichtetes "IHV-Info-Telefon" für seine Ziele. Publikationsorgan: "IHV Mitteilungen - für Recht und Wahrheit". 1.5 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Von Anhängern des im April 1991 verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN nach ihrem Rückzug aus der FAP gebildeter Zusammenschluß, der derzeit nur noch als Autorenkollektiv der Zeitschrift "Neue Front" fortbesteht. Die Zahl ihrer Anhänger ist gering. Publikationsorgan: "Die Neue Front" 1.6 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) Die im März 1979 gegründete neonazistische Partei 1 Das Bundesministerium des Innern hat am 15. September 1993 Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Bundesrat hat einen eigenen Verbotsantrag gestellt. - 58 - FAP wurde nach dem 1983 erfolgten Verbot der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) von Anhängern dieser Organisation unterwandert. In Rheinland-Pfalz bestehen keine Orga.nisationsstrukturen der bundesweit über 400 Mitglieder zählenden Partei. Publikationsorgan: "Neue Nation - Volkstreue Zeitung für Deutschland". 1.7 "Nationale Liste" (NL) Die Partei wurde 1989 in Hamburg von Anhängern des verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN (ANS/NA) gegründet. Derzeitiger NL-Vorsitzender ist der bekannte Neonazi Christian WORCH, Hamburg. Verbindungen bestehen auch zu der in Rheinland-Pfalz ansässigen "Deutsche Nationalisten" (DN). Publikationsorgan: "Der Index". 1.8 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Im Anwesen der Neonazis Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim fanden in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen Gedenkund Sonnwendfeiern statt. In Folge der Veranstaltungsverbote am 19. Juni 1993 (".Sommer.sonnwendf eier " ),-..18....Dazieiabex .1993 ("Wintersonnwendfeier") und 19. Februar 1994 (FAP-Veranstaltung) hat der "Neonazikreis" an überregionaler Bedeutung verloren. Wie die DA führte auch die DN im Anwesen MÜLLER Treffen durch, an denen sich teilweise bis zu 25 Personen auch aus anderen Bundesländern beteiligten. - 59 - 1.9 "Stahlhelm e.V. - Landesverband Pfalz" Der 1970 gegründete "Stahlhelm e.V. - Landesverband Pfalz" entwickelte 1993 nur geringe Aktivitäten, die sich im wesentlichen auf das Abhalten nicht öffentlicher sogenannter Appelle beschränkten. 1.10 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervorgegangene NPD umfaßte 1993 bundesweit 5.000 Mitglieder, der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz ca. 250. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) verzeichnet etwa 200 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz ist sie nicht mehr existent. Publikationsorgan: "Deutsche Stimme", Auflage ca. 48.000 Exemplare. 1.11 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) einschließlich ihrer Aktionsgemeinschaften: - "Aktion Oder-Neiße" (AKON), - "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), - "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur", - "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten", - "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.) und - "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 vor dem Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". In den von FREY herausgege- 60 - benen Wochenzeitungen. "Deutsche National-Zeitung" und "Deutsche Wochen-Zeitung" (Gesamtauflage etwa 80.000 Exemplare) wird im Sinne der Zielsetzung der Vereinigung agitiert. In Rheinland-Pfalz sind für den Verein DVU keine Aktivitäten zu verzeichnen. Die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei DVU. 1.12 "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Sie ist mit rund 26.000 Mitgliedern die größte Organisation im rechtsextremistischen Spektrum. Der Landesverband der DVU stellt mit etwa 1.400 Mitgliedern die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung in Rheinland-Pfalz dar. 1.13 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) 1991 in Villingen-Schwenningen gegründete Partei, deren Führungsfunktionäre zum überwiegenden Teil ehemals leitende Funktionäre der NPD und der REP sind. Sie verfügt über etwa 900 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz gibt es neben dem 1993 neugegründeten Landesverband nur den Kreisverband Ludwigshafen mit wenigen Anhängern. Sprachrohr: "DEUTSCHE RUNDSCHAU" Auflage: c a .10.000Exemplare 1.14 Partei "Die Republikaner" (REP) Die REP wurden auf Bundesebene im Jahre 1983 gegründet und treten in Rheinland-Pfalz seit 1987 in Er- 1 Weder der Verein noch die Partei DVU geben regelmäßige Publikationen heraus. - 61 - scheinung. Sie verfügen insgesamt über etwa 23.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz sind es etwa 700. Publikationsbrgan: "DER REPUBLIKANER", Auflage ca. 135.000 Exemplare. 2. Linksextremismus 2.1. Orthodoxe Kommunisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 19 68 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 6.000 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz ca. 200, beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ), 14-tägig; Auflage ca. 14.000 Exemplare. 2.1.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Eng an die DKP angelehnte kommunistische Jugendorganisation. Bundesweit etwa 400 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz derzeit keine Organisationsstrukturen. Publikationsorgan: "Position", 2-monatlich; -- -.Auflage ca., 6-00 Exemplare. 2.1.3 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) DKP-orientierte Organisation für den kommunistischen "Friedenskampf"; hat bundesweit noch etwa 500 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz etwa 25. Publikationsorgan: "Podium", 2-monatlich; Auflage ca. 1.000 Exemplare. - 62 - 2.1.4 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) Mit bundesweit ca. 8.500 Mitgliedern nach wie vor wichtigste Organisation der orthodox-kommmunistischen "Antifaschismus-" Politik. In Rheinland-Pfalz gehören der WN-BdA etwa 200 Mitglieder an. 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 2.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin in ihrer Interpretation durch Mao Tse Tung; bundesweit ca. 1.700 Mitglieder. * Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung; Auflage ca. 7.000 Exemplare. 2.2.2 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands" (KPD) und der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP hat bundesweit etwa 300 Mitglieder. In RheinlandPfalz bestehen Ortsgruppen der VSP in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan: "SoZ - Sozialistische Zeitung", 14-tägig; Auflage ca. 2.500 Exemplare. 1 Diese Gruppen sind in Rheinland-Pfalz wenig bedeutsam; die unter 2.2.1 bis 2.2.4 genannten Organisationen haben zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. - 63 - 2.2.3 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der 1973 gegründete, stalinistisch ausgerichtete AB hatbundesweit etwa 200 Mitglieder. In' RheinlandPfalz besteht eine Ortsgruppe des AB in Mainz. Zentralorgan: "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ), Auflage ca. 1.500 Exemplare. 2.2.4 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Strömung "Internationale Sozialisten", die den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei und die Entwicklung eines Staates unter Führung von Arbeiterräten anstrebt. Bundesweit verfügt die SAG über 250 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz gibt es eine Ortsgruppe in Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan: "Klassenkampf", monatlich; Auflage ca. 3.400 Exemplare. 2.2.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 zwar aufgelöst. Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG. aber das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus und führen hierüber Diskussionsveranstaltungen durch. 2.3 Anarchisten 2.3.1 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse mit diffusen anarchistischen, bisweilen auch revo- - 64 - lutionär-marxisbischen Zielen. Das autonome Aktionspö"tential beläuft sich derzeit bundesweit auf über 5.000 Personen; in Rheinland-Pfalz ca. 130. 2.3.2 "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) 1980 gegründeter Zusammenschluß anarchistischer Gruppen und Einzelpersonen aus der "Graswurzelbewegung", der die Arbeit der zahlreich existierenden "gewaltfreien Aktionsgruppen" und "Trainingskollektive" bundesweit koordinieren will. Die Anhängerschaft der FöGA umfaßt bundesweit mehrere hundert Personen. Publikationsorgan: "graswurzelrevolution", monatlich; Auflage ca. 4.000 Exemplare. Im Kontaktadressenteil der "graswurzelrevolution" ist seit 1987 die Mainzer Gruppe "Anarchistische Assoziation Rhizom" (AAR) genannt. 2.3.3 "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU-IAA) Bedeutendste "anarcho-syndikalistische" Organisation mit bundesweit etwa 30 Ortsgruppen und Kontaktstellen, u.a. auch in Mainz; bundesweit unter 100 Mitglieder. Die FAU-IAA ist die deutsche Sektion der "Internationalen Arbeiter Assioziation"(IAA). Publikationsorgan: "direkte aktion", 2-monatlich; Auflage ca. 3.000 Exemplare. 2.3.4 "Forum für Libertäre Information" (FLI) Bedeutendste anarchistische "Theoriegruppe" zur Förderung und Verbreitung "Libertärer Tradition" mit - 65 - Kontaktadressen in mehreren Bundesländern, so auch in Rheir.land-Pfalz in Morbach-Merscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich). Publikationsorgan: "Schwarzer Faden". 2.4 LinksextremistischerTerrorismus 2.4.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, deren Ziel die Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere die Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland ist. Ihr illegaler Kern (Kommandobereich) wird auf etwa 10 bis 15 Personen geschätzt. Nach dem 1993 im RAF-Gefüge vollzogenen Bruch bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das bundesweit aus ca. 250 Personen bestehende "engere RAF-Umfeld" die von der RAF-Kommandoebene neu verfolgte revolutionäre Politik unterstützen wird oder ob es weiterhin die ehemals traditionellen RAF-Strategien - dazu zählt insbesondere der "bewaffnete Kampf" - für erstrebenswert hält. Zu den Vertretern der traditionellen RAF-Linie zählt u.a. die Mehrheit der RAF-Gefangenen. Zum weiteren terroristischen Unterstützerpotential sind etwa 2.500 Personen zu zählen. 2.4.2 "Antiimperialistische Widerstandzelle Nadia Shehadah" Militant autonome Gruppierung, die angedroht hat, künftig terroristische Anschläge zu verüben. Über die Struktur der Gruppe gibt es bislang keine Erkenntnisse. - 66 - 2.4.3 "Revolutionäre Zellen" .(RZ) Terroristische Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die ein auf Breitenwirkung angelegtes - teilweise "sozialrevolutionäres" - Konzept verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. Innerhalb der RZ agiert die "Rote Zora" als selbständige, radikal feministische Frauengruppe mit überwiegend frauenspezifischen Themen, wie z.B. Ausbeutung der Frauen in der "Dritten Welt". 3. Ausländerextremismus 3.1 Türken 3.1.1 "Devrimci Sol" (Dev Söl - Revolutionäre Linke) Konspirative gewaltpraktizierende Organisation der "Neuen Linken", die im Mai/Juni 1978 aus der sozialrevolutionären "Türkischen Volksbefreiungspartei Front" (THKP-C) hervorgegangen ist. Am 9. Februar 1983 wurde sie vom Bundesminister des Innern verboten; besteht aber konspirativ fort. Die Dev Sol spaltete sich im Frühjahr 1993 in zwei Flügel, die sich - euch mit Waffengewalt - bekämpfen. 3.1.2 "Avrupa'da-.Devrimci - Genc" (Revolutionäre Jugend in Europa) Unter dieser Bezeichnung sind die Anhänger der Dev Sol in der Bundesrepublik weiter aktiv. Sie traten 1 Die Organisationen/Gruppen, bei denen keine Mitgliederzahlen aufgeführt sind, verfügen in Rheinland-Pfalz über einzelne Mitglieder/Anhänger. 67 - auch als "Devriraci Sol Gücler" (Revolutionäre Linke Kräfte) auf. 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/M-L) Als Abspaltung der maoistischen "Revolutionären Arbeiterund Bauernpartei der Türkei" (TIKP) im April 1972 in der Türkei gegründet. Sie erklärte der Türkei den bewaffneten Kampf und zielt auf die Vernichtung des bestehenden türkischen Staatsgefüges ab. 3.1.4 "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) Sie ist von der TKP/M-L beeinflußt und hatte sich 1976 gegründet; 1981 Spaltung in die Gruppen "Partizan" (P) und "Partizan Bolsevik" (PB). Im Dezember 1986 wurde die "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) als internationaler Zusammenschluß von ATIF-Föderationen gebildet. 3.1.5 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF) Vereinsgründung im Juni 1978 in Frankfurt am Main, .wo "gleichzeitig ..der . Vexeinssitz .ist.-Die ADÜTDF ist die extrem nationalistische Dachorganisation türkischer Kulturvereine in der Bundesrepublik. Sie vertritt das Gedankengut der "Nationalistischen Arbeiterpartei" (MCP), die in der Türkei von Alparslan TÜRKES Geleitet wird. - 68 - 3.1.6 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) . Im November 1984 in Köln von Cemalettin KAPLAN gegründet und geleitet. Er strebt die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei durch eine Revolution nach iranischem Vorbild an; bundesweit islamische Mitgliedsvereine. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt auf terroristischem Wege einen unabhängigen kurdischen Staat auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft marxistisch-leninistischer Prägung an. Die PKK unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei. Die PKK in der Bundesrepublik Deutschland - einschließlich ihrer Teilorganisationen - wurde am 26. November .199,3. durch den Bundesminister des Innern verboten. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PKK 6.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz ca. 150. - 69 - 3.3 Araber * 3.3.1 "FATAH-Generalkommando der ASSIFA-Streitkräfte - Revolutionsrat" ("ABU-NIDAL-Organisation"/ANO) Im Jahre 1972 löste sich die ANO um ihren Führer Hassan Sabri AL BANNA alias "ABU NIDAL" (Vater des Kampfes) im Irak von der "AL FATAH" des Yassir ARAFAT. Sie gehört seitdem zu den gefährlichsten und aktivsten palästinensischen Terrororganisationen. Eine Vsrhandiungslösung des Palästinakonfliktes lehnt sie strikt ab. Die ANO verfügt auch im außerarabischen Raum über konspirative Strukturen. 3.3.2 HIZB ALLAH ("Partei Gottes") * Die Schiitenbewegung wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen "Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie lehnt die Existenz des Staates Israels strikt ab und entwickelt terroristische Aktivitäten gegen den jüdischen Staat. Im Bundesgebiet, so auch in Rheinland-Pfalz, sind Mitglieder/Anhänger der HIZB ALLAH festgestellt worden. 3.3.3 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation, die im Jahre 1387 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den von Israel besetzten Gebieten und operiert dort gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet halten sich einzelne Mitglieder der Organisation auf. IBP und HAMAS lehnen das erst 1993 zustande gekommene "Gaza-Jericho-Abkommen" kategorisch ab. - 70 - 3.3.4 "Muslimbruderschaft" (MB) Seit dem Jahre 1928 existiert in Form der MB ein Zusammenschluß sunnitisch-extremistischer Moslems. In Ägypten und Syrien entwickelt die MB seit längerer Zeit Bestrebungen zum Umsturz der dortigen Regierungen, was in der Vergangenheit immer wieder zu blutigen. Auseinandersetzungen geführt hat. In der Bundesrepublik Deutschland halten sich mehrere hundert Mitglieder der MB auf. 3.3.5 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete Teilorganisation der PLO wurde im Jahre 1967 gegründet. Ihr Ziel ist die Schaffung eines panarabischen Staates. In diesem Sinne verübte die Organisation in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen vornehmlich gegen Israel und proisraelische europäische Staaten. Die PFLP verfügt im Bundesgebiet über konspirativ arbeitende Mitglieder, in RheinlandPfalz jedoch lediglich über Einzelmitglieder. 3.3.6 "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) Im Jahre 1968 spaltete sich die PFLP-GC unter der Leitung von Ahmed JIBRIL von der PFLP ab. Von ihrem Sitz .in ..Damaskus aus führte sie seitdem zahlreiche Terrorakte in Israel und in den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa durch. - 71 - 3.4 Iraner 3.4.1 "Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) Die islamisch-fundamentalistisch, marxistisch geprägte IMSV unterstützt im Bundesgebiet die im Jahre 1965 gegründete "Volksmojahedin-Organisation Iran" (PMOI). Diese richtet sich gegen das "Mullah-Regime" im Iran und beabsichtigt dessen gewaltsamen Sturz. In der Bundesrepublik Deutschland halten sich mehrere hundert Mitglieder der IMSV auf, die propagandistisch für die PMOI tätig sind und diese auch finanziell unterstützen. 3.4.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Die U.I.S.A. wurde Anfang der 60er Jahre gegründet und vereinigt fanatische Anhänger des verstorbenen Ayatollahs KHOMEINI und des islamischen Regimes im Iran. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger und Mitglieder auf. 3.5 Algerier "Islamische Heilsfront" (FIS) Algerischer .. Teil . jäez .sunnitischen "Muslimbruderschaft" (MB). Die FIS strebt einen islamisch-fundamentalistischen Staat an und benutzt die Moscheen zur Verbreitung ihrer politischen Lehre. Ziel der FIS ist die Abschaffung des derzeitigen (demokratischen) Staatsgefüges, welches als "westlich verdorben" und "gottlos" bezeichnet wird. - 72 - 3.6 "Ehemalige" Jugoslawen. 3.6.1 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) Der HNV versteht sich als nationalistischer Dachverband kroatischer Emigrantenvereinigungen. Er hat sich die Wiederherstellung eines "unabhängigen Staates Kroatien" zum Ziel gesetzt und befürwortet in diesem Sinne die Anwendung revolutionärer Gewalt im ehemaligen Jugoslawien. In HNV-Ortsgruppen sind mehrere hundert Mitglieder im Bundesgebiet organisiert. 3.6.2 "Nationaldemokratische Liga der albanischen Treue" (N.D.SH.) Die extrem nationalistische Organisation strebt einen Staat Albanien in seinen ethnischen Grenzen - also unter Einschluß des serbisch beherrschten Kosovo-Gebietes - an. Mehrere Zweiggruppen der Organisation befinden sich auch im Bundesgebiet. 3.7 Inder "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Die im Jahre 1984 in London gegründete ISYF fungiert als weltweite Auslandsorganisation der "All India .Sikh .Student Federation" (AISSF) und strebt einen selbständigen Staat in der indischen Provinz Punjab an. Die deutsche Sektion der ISYF wurde im Jahre 1985 gegründet. Mehrere Hundert ihrer Mitglieder halten sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. - 73 - 3.8 Tamilen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Die LTTE strebt die Errichtung eines unabhängigen sozialistisch-antiimperialistisch geprägten Tamilenstaates im Norden ihres Heimatlandes Sri Lanka an. Ihren gewalttätigen "Befreiungskampf" finanziert diese mitgliederstarke linksgerichtete Organisation auch mit "Spenden", die u.a. Landsleuten in der Bundesrepublik Deutschland auch durch Gewaltandrohung abgepreßt werden. - 74 - D. * Anhang R e c h t l i c h e Grundlagen Grundgesetz A r t i k e l 73 (Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder b) zum Schutze der f r e i h e i t l i c h e n demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf ge- r i c h t e t e Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden., A r t i k e l 87 (Gegenstände bundeseigener Verwaltung) (1) . . . Durch Bundesgesetz können . . . Z e n t r a l s t e l l e n . . . zur Sammlung von Unterlagen f ü r Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. LandesverfassungsSchutzgesetz vom 26. März 1986 (GVB1. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVB1. S. 80), BS 12-2 SS1 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, - 75 - 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt ferner mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS 2 Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS 3 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 . Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2> Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. - 76 - (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. J und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen öder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf .die Polizei auch nicht im Wege dec Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. 5 SS Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS 6 Informati onsübermi ttlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben, erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unteri.agen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokrati- - 77 - sehe Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. (6) Gesetzliche übentiittlungsverbote bleiben unberührt. SS 7 Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt; nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. - 78 - (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS 8 Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. SS 9 Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. - 79 - SS 11 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVB1. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 14 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVB1. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVB1. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. 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