VERFASSUNGSSCHUTZ Rheinland-Pfalz 1992 Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport 55116 Mainz, Schillerplatz 3-5 55022 Mainz, Postfach 3280 Tätigkeitsbericht 1992 des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes Vorwort Das Jahr 1992 brachte für den inneren Frieden unseres Landes und somit auch für die Sicherheitsbehörden, wie den Verfassungsschutz, besondere Herausforderungen mit sich. Rechtsextremistische Gewalttäter und deren oftmals diffuses Umfeld haben ernstzunehmende Gefahren für die innere Sicherheit heraufbeschworen und dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland geschadet. Mit Mord und Brandstiftung, mit Terror gegen Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit hetzerischen Parolen in Wort, Schrift und Bild haben sie versucht, die in mehr als 40 Jahren gewachsene Demokratie und das friedliche Zusammenleben mit unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, mit Behinderten und Obdachlosen und anderen sozial und wirtschaftlich Benachteiligten zu beeinträchtigen. Daß ihnen dies nicht gelungen ist, beweisen unter anderem die vielfältigen begrüßenswerten Aktionen der Bevölkerung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, gegen rechtsextremistischen Terror und Gewalt nachdrücklich. Das aktive Eintreten der Bevölkerung für Freiheit und Demokratie ist immer dann besonders wirksam, wenn es von ange- messenen Maßnahmen und Reaktionen des Staates begleitet wird. Den Auswüchsen der Gewalt begegnet der Staat regelmäßig mit repressiven Mitteln, zu denen beispielsweise die Verbote neonazistischer Organisationen zählen. Aber auch die geistig politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus stellt eine solche Maßnahme dar. Hierfür ist eine umfassende, objektive Hintergrundinformation Voraussetzung. Nur die langfristige, konseguente Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sowie das gezielte Sammeln und Auswerten von Informationen hierüber kann die politischen Entscheidungsträger in die Lage versetzen, Entwicklungen, die sich gegen unser freiheitliches Gemeinwesen richten, zeitund sachgerecht entgegenzutreten. Diese wichtige wie sensible Aufgabe nimmt in unserem Lande der Verfassungsschutz wahr. Gerade die entsprechenden Erkenntnisse des Verfassungsschutzes haben auch im Jahre 1992 mit dazu beigetragen, den vielfältigen Erscheinungsformen des Extremismus entschieden begegnen zu können. Hierfür gebührt seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank und Anerkennung. Einen wichtigen Aspekt der Tätigkeit des Verfassungsschutzes nimmt die regelmäßige Unterrichtung der Öffentlichkeit ein. Damit wird eine gute Informationsgrundlage für das Erkennen von Verfassungsfeinden geschaffen, die oftmals ihre wahren Ziele verleugnen oder verschleiern. In diesem Sinne gibt der vorliegende Tätigkeitsbericht des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes einen gestrafften Überblick über die wesentlichen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen, von. denen Gefahren für die innere Sicherheit unseres Staates ausgehen. Diese haben sich auch in den ersten Monaten des Jahres 1993 fortgesetzt. Walter Zuber Minister des Innern und für Sport - 4 - INHALTSVERZEICHNIS Seite A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz (Allgemeines/ Strukturdaten/Öffentlichkeitsarbeit) 5 1. Allgemeines 5 2. Strukturdaten 5 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) 6 B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 7 1. Rechtsextremismus 7 1.1 Neonazistische Organisationen 9 1.2 Das rechtsextremistische Potential der Skinheads 13 1.3 "National-freiheitliche" Organisationen 15 1.4 "Nationaldemokratische" Organisationen 16 1.5 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 17 1.6 "Die Republikaner" (REP) 17 2. Linksextremismus 18 2.1 Orthodoxer Kommunismus 18 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten ("Neue Linke") 20 2.3 Autonome 21 2.4 .Linksextremistischer Terrorismus 24 3. Ausländerextremismus 29 4. Spionageabwehr 32 C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen 37 D. Anhang 54 - 5- A. Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz (Allgemeines/ Strukturdaten/Öffentlichkeitsarbeit) 1. Allgemeines Der Verfassungsschutz ist von seinem Wesen her ein geheimer Nachrichtendienst ohne jegliche polizeiliche Befugnisse. Zur Polizei besteht darüber hinaus ein striktes, historisch begründetes Trennungsgebot. So ist gesetzlich geregelt, daß Verfassungsschutz und Polizei organisatorisch getrennt sein müssen und keinerlei gegenseitige Weisungsbefugnis haben. Der Verfassungsschutz kann somit die Polizei auch nicht zu Handlungen bewegen, die ihm selbst untersagt sind; er darf weder Personen kontrollieren noch festnehmen, Wohnungen durchsuchen oder Unterlagen beschlagnahmen. Er ist daher auch nicht zuständig für die Bekämpfung krimineller Straftaten. 2. Strukturdaten Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes beträgt 1 143. Die Gesamtsumme der dem Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz laut -Haushaltsplan zustehenden Mittel betrug im Jahre 1992 2.765.200,-DM (1993: 2.791.100,-DM) . Die Gesamtzahl der Speicherungen des Landesverfassungsschutzes im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) beträgt 13.081, wovon mehr 1 Stand: 30. April 1993. - 6- als die Hälfte auf Sicherheitsüberprüfungen der Landesund Kommunalbehörden für Personen mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Rahmen des Geheimschutzes entfällt. Bei NADIS handelt es sich um ein Informationssystem, das die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Erfüllung ihrer gesetzlich normierten Unterrichtungspflichten in Form von gemeinsamen Dateien betreiben, die sie im automatisierten Verfahren nutzen. Rechtsgrundlage hierfür bildet SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz. Diese Dateien enthalten nur die Daten, die zum Auffinden von Akten und zur notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind. Die der Speicherung zugrundeliegenden und sie rechtfertigenden materiellen Erkenntnisse sind aus dem System selbst nicht ersehbar; diese werden vielmehr erst auf entsprechendes Auskunftsersuchen der anfragenden Stelle durch die jeweils zuständige Verfassungsschutzbehörde übermittelt. 3. Öffentlichkeitsarbeit (Verfassungsschutz durch Aufklärung) Obwohl der Verfassungsschutz ein geheimer Nachrichtendienst ist, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum ein, um u.a. Informationen für die geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremisten jeglicher Couleur zur Verfügung zu stellen. So unterrichtet der Verfassungsschutz unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Transparenz die Öffentlichkeit 1 Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz -BVerfSchG-) - vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I, Seite 2954) . 7 - über aktuelle Ereignisse, von denen Gefahren für die innere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Daneben führt er regelmäßig Pressegespräche durch und gibt Tätigkeitsberichte heraus, die Politiker, Behörden und interessierte Einzelpersonen informieren sollen. Außerdem steht er den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien in Einzelfragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus bietet der Verfassungsschutz auch Referenten zu verfassungsschutzrelevanten Themen sowie zu Aufgaben und Arbeitsweise des Verfassungsschutzes an. Entsprechende Kontakte können über das Pressereferat des Ministeriums des Innern und für Sport (06131/163220) oder den Öffentlichkeitsreferenten des Verfassungsschutzes (06131/ 163773) aufgenommen werden. B. Verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen im Überblick 1. Rechtsextremismus Die Zahl der Rechtsextremisten hat im Jahre 1992 bundesweit von etwa 39.800 auf ca. 42.700 zugenommen; etwa 6.400 Personen davon werden als militant eingeschätzt. Der Zulauf zu rechtsextremistischen Organisationen hält auch in diesem Jahr an. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß 1992 eine Steigerung der Mitgliederzahlen überwiegend in den neuen Bundesländern zu verzeichnen war. 1 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Rechtsextremismus" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Juni 1993), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. - 8- In Rheinland-Pfalz erhöhte sich die Zahl der Rechtsextremisten gegenüber 1991 um ca. 50 auf etwa 2.000. In dieser Zahl sind die Mitglieder der Partei "Die Republikaner" (REP) , die seit Dezember 1992 durch den Verfassungsschutz gezielt beobachtet wird, nicht enthalten. Nach ihren eigenen Angaben gehören der Partei landesweit etwa 700 Mitglieder an, bundesweit ca. 23.000 Mitglieder. Die rechtsextremistische Szene war im Berichtszeitraum vor allem bemüht, die teilweise bestehende Unsicherheit der Bevölkerung zu Fragen der Asylund Ausländerpolitik, die zentrale Themen der politischen und öffentlichen Diskussion sind, agitatorisch weiterhin für sich zu nutzen. Das Jahr 1992 war von einer Welle besorgniserregender Ausschreitungen und Straftaten gegen Asylbewerber und ausländische Mitbürger geprägt. Im gesamten Bundesgebiet wurden 1992 nach Erkenntnissen der Ver- 2 fassungsschutzbehorden 2.506 (Ostdeutschland: 842, Westdeutschland: 1.664) Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation 2 registriert, in Rheinland-Pfalz waren es 56 . Im Jahre 1992 starben bundesweit 17 Personen an den Folgen solcher Gewalttaten. Dies ist die höchste Zahl seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Unter den Todesopfern waren sieben Ausländer, fünf Personen, .die mit. den Tätern über deren politischextremistische Ansichten gestritten hatten, drei Obdachlose sowie ein Arbeitsloser. Die verwerflichen Taten belegen auch, daß zunehmend sogenannte soziale 1 Siehe hierzu Seite 17. 2 Stand: März 1993. Von Januar bis April 1993 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 608 Gewalttaten (Ostdeutschland: 134, Westdeutschland: 474). - 9 - Randgruppen wie Behinderte und Obdachlose Ziele rechtsextremistischer Gewalt geworden sind. In Rheinland-Pfalz töteten zwei Skinheads am 31. Juli 1992 in Bad Breisig einen Obdachlosen durch zahlreiche Messerstiche . Anlaß zur Sorge gibt weiterhin der mit annähernd 70 % sehr hohe Anteil von Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von 16 bis 20 Jahren an den erfaßten Tatbeteiligten rechtsextremistisch motivierter Ausschreitungen. Im Jahre 1992 eskalierte auch die Gewalt zwischen 2 Rechtsund Linksextremisten: 93 vermutlich rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten richteten sich gegen den politischen Gegner; demgegenüber wurden 389 gewalttätige Aktionen mutmaßlicher Linksextremisten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten bekannt. 1.1 Neonazistische Organisationen Den neonazistischen Gruppen/Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland gehören derzeit ca. 1.200 Personen an, die in 33 Personenzusammenschlüssen organisiert sind. Hinzu kommen noch etwa 200 Unorganisierte und ca. 600 Personen, die den Ende 1992 ver- 3 botenen Neonazigruppen zuzurechnen sind. In Rheinland-Pfalz, sind dem Verfassungsschutz etwa 50 Neonazis bekannt (1990: 30), die überwiegend organisiert sind; hinzu kommen ca. 50 neonazistisch ausgerichtete Skinheads. 1 2 Siehe auch Seiten 14/15. Stand: März 1993. 3 Siehe hierzu Seite 11. - 10 - Im Jahre 1992 setzten innerhalb der neonazistischen Szene Bestrebungen ein, die auf eine stärkere kommunikative Vernetzung hinzielen. Dies könnte einen ersten ernstzunehmenden Schritt in Richtung umfassender organisatorischer Strukturen bedeuten. Die Neonazis orientieren sich dabei an der linksextremistischen Szene, vornehmlich an den militanten Autonomen, die durch kommunikative Netze (wie Info-Läden und Mailboxen) kurzfristig eine Vielzahl von Anhängern zu Aktionen mobilisieren können. Außerdem versuchen Neonazis inzwischen mit sogenannten Anti-Antifa-Aktionen auf die linksextremistische Antifaschismusbewegung zu reagieren. Als Ziele einer "Anti-Antifa-Kampagne" werden die "Fremdaufklärung" (Erfassung und Verbreitung aller erreichbaren Informationen über den "politischen Gegner") sowie die Schaffung einer "Einheitsfront" (Einrichtung organisationsübergreifender Aktionsgemeinschaften in einer "Volksfront von Rechts") propagiert. Hinsichtlich der ideologischen Prägung der Neonazis ist bemerkenswert, daß sich heute weite Teile der Szene von dem hitlerschen Verständnis des Nationalsozialismus distanzieren und Hitler's Politik gar als "Kniefall vor dem Kapital" bewerten. Sie orientieren sich eher an dem Sozialrevolutionären Flügel der ehemaligen "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" -(NSDAP), der maßgeblich von den Brüdern Gregor und Dr. Otto Strasser vertreten wurde. Insofern berufen sie sich gerne auf die Frühphase der NSDAP-Geschichte und deren Parteiprogramm vom 25. Februar 1920. Bislang haben neonazistische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland keinerlei politische Er- - 11 - folge erzielen können. Gleichwohl geht von ihnen eine Gefährdung für die innere Sicherheit aus, da weite Teile der Bewegung willens und in der Lage sind, durch militante Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. So kann gerade bei den Ausschreitungen gegen Asylbewerber immer wieder festgestellt werden, daß auch Neonazis hieran beteiligt sind. Aufgrund der jüngsten Entwicklung in der neonazistischen Szene verbot der Bundesminister des Innern am 26. November 1992 die "Nationalistische Front" (NF), am 8. Dezember 1992 die "Deutsche Alternative" (DA) und am 21. Dezember 1992 die "Nationale Offensive" (NO). Die NF und die DA hatten auch Mitglieder in Rheinland-Pfalz. Die Bundesregierung beantragte außerdem am 9. Dezember 1992 beim Bundesverfassungsgericht, dem Führer der Gruppe "Deutsches Hessen" (DH), Heinz REISZ aus Langen, und Thomas DIENEL aus Weimar, Führer der "Deutsch-Nationalen Partei", die für eine politische Betätigung maßgeblichen Grundrechte (Recht auf freie Meinungsäußerung, die Presse-, Vereinsund Versammlungsfreiheit und das passive Wahlrecht) gemäß Artikel 18 Grundgesetz (GG) zu entziehen. In Rheinland-Pfalz gehört die größte geschlossene Neonazigruppe der 1989 auf Initiative Michael KÜHNENs in Bremen gegründeten und inzwischen verbotenen Organisation "Deutsche Alternative" (DA) an, die zum Zeitpunkt des Verbots im Raum Mainz über etwa 25 Mitglieder verfügte (Ortsgruppe Mainz). Am 19. September 1992 führte die DA in Schifferstadt eine Saalveranstaltung mit ca. 60 Teilnehmern durch, an der auch - 12 - der zu den führenden Neonazis zählende Christian WORCH aus Hamburg teilnahm . Weiterhin ist der "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz durch seine regelmäßigen neonazistischen Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung. Seine 2 "Sonnwend"und "Hitler-Geburtstagsfeiern" zogen im Jahre 1992 jeweils bis zu 350 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland an. Im Jahre 1992 trat in Rheinland-Pfalz erstmals die "Aktionsfront Nationaler Kameraden" (ANK) in Erscheinung, die eigenen Angaben zufolge im April 1992 unter dem Namen "Nationale Kameradschaft -NKHeidelbergRhein/Neckar" gegründet wurde. Ziel der ANK ist es, das gegenwärtige System durch einen nationalen und sozialistischen Freiheitskampf zu überwinden, um stattdessen ein egalitäres, nationalistisch geprägtes 3 .. Staatssystem zu errichten. Initiator ist der zur rechtsextremistisch beeinflußten Skinheadszene zählende Manfred HUCK, Heidelberg. HUCK unterhält enge Kontakte zu Anhängern der verbotenen DA und zu dem vorgenannten "Neonazikreis um Curt MÜLLER". Ende Januar 1993 wurden in Frankenthal Flugblätter der ANK festgestellt. 1 Wegen des Verdachts des Fortbestehens eines verbotenen Vereins ist gegen die DA ein Ermittlungsverfahren nach SS 20 Vereinsgesetz anhängig. In diesem Zusammenhang wurden Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt, so auch im Anwesen von Curt MÜLLER in Mainz-Gonsenheim am 17. März 1993, wo sich DA-Mitglieder aus Mainz wiederholt auch nach dem Verbot getroffen hatten. 2 An der "Hitler-Geburtstagsfeier" am 17. April 1993 beteiligten sich wiederum etwa 400 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem westlichen europäischen Ausland. 3 Am 23. März 1993 haben die Mitglieder der ANK in einer Presseerklärung die geplante Umwandlung in eine Partei mit der Bezeichnung "Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden" (ANK) bekanntgegeben. - 13 - Die Neonaziszene in Rheinland-Pfalz machte im Jahre 1992 insbesondere durch ihre Protestaktionen in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Biebelsheim bei Bad Kreuznach auf sich aufmerksam. Am 18. April und 20. Juni 1992 fanden dort Demonstrationen mit überregionaler Beteiligung statt. Anlaß war der geplante Bau einer Mülldeponie auf einem Grundstück, das nach dem Zweiten Weltkrieg als amerikanisches Kriegsgefangenenlager deutscher Soldaten diente. Unter den jeweils bis zu 300 Teilnehmern an den Protestveranstaltungen konnten namhafte Vertreter überregional aktiver neonazistischer Gruppierungen ausgemacht werden, so der Führer der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), Friedhelm BUSSE, und der Gründer der Gruppe "Deutsches Hessen" (DH), Heinz REISZ. Daneben trat als Redner der bekannte Neonazi Christian WORCH von der "Nationalen Liste Hamburg" auf. Am 21. November 1992 beteiligten sich etwa 100 Neonazis an einer weiteren Demonstration in Biebelsheim, zu der die NPD aufgerufen hatte. 1.2 Das rechtsextremistische Potential der Skinheads Besonderen Anlaß zur Sorge gibt auch die Entwicklung in der Skinhead-Szene. Während in den vergangenen Jahren nur ca. 10 % der Skinheads neonazistische Züge aufwiesen, kann heute festgestellt werden, daß weite Teile der Skinheadbewegung diesem Gedankengut anhängen. Ihr Handeln.wird von antiliberalen und intoleranten Denkstrukturen sowie von anhaltend hoher Gewaltbereitschaft geprägt. 1 Vgl. im einzelnen auch Broschüre "Skinheads" des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes (Stand: Dezember 1992), die kostenlos beim Ministerium des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz (oder Postfach 3280, 55022 Mainz) angefordert werden kann. - 14 - In Liedertexten von Skinheadbands wird Gewaltbereitschaft, Ausländerhaß, Nationalismus und Rassismus in unverblümter Weise zum Ausdruck gebracht. Die Texte zeigen überdeutlich die gewalttätige und menschenverachtende Einstellung dieser Subkultur. Beispielhaft hierfür ist eine Strophe aus dem sogenannten Kanakensong der Skinheadband "Endsieg": "Steckt sie in den Kerker oder steckt sie in's KZ, von mir aus in die Wüste, aber schickt sie endlich weg. Tötet ihre Kinder, schändet ihre Frauen, vernichtet ihre Rasse, und so werdet ihr sie grauen". Am 3. Februar 1993 wurden bundesweit - auch in Rheinland-Pfalz - Exekutivmaßnahmen gegen mehrere Skinheadbands durchgeführt. Dabei wurden Platten, Kassetten und CD's sowie Munition und Sprengstoff sichergestellt. Die Gesamtzahl der neonazistischen Skinheads liegt bundesweit bei ca. 4.500, davon etwa 1.500 in den alten und ca. 3.000 in den neuen Bundesländern. Von den ca. 250 Skinheads in Rheinland-Pfalz können ca. 50 als neonazistisch ausgerichtet eingestuft werden. Es handelt,sich dabei um Angehörige loser Personenzusammenschlüsse ohne erkennbare Strukturen. Skinheadschwerpunkte sind in Kaiserslautern und im Großraum Koblenz feststellbar, aber auch Trier und Zweibrücken gewinnen derzeit in der Szene an Bedeutung. Seit Jahren begehen Skinheads zum Teil sehr schwere Straftaten. So töteten zwei Skinheads am 31. Juli - 15 - 1992 in Bad Breisig einen obdachlosen deutschen Staatsbürger. Dies war nach dem Anschlag am 28. Dezember 1990 in Hachenburg/Westerwald auf einen türkischen Staatsangehörigen die zweite Aktion von Skinheads in Rheinland-Pfalz mit Todesfolge. 1.3 "National-freiheitliche" Organisationen Die "national-freiheitlichen" Organisationen, die sich im wesentlichen aus dem Verein "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit seinen Aktionsgemeinschaften und der Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) zusammensetzen, befinden sich nach ihren Wahlerfolgen 1991 in Bremen (6,2 %) und 1992 in Schleswig-Holstein (6,3 %) wieder im Aufwind. Vorsitzender der beiden genannten Organisationen ist nach wie vor ihr Gründer, der Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY. Der Verein "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) verfügt mit seinen sechs Aktionsgemeinschaften zusammen über ca. 11.500 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz sind es etwa 1.000. Die Partei "Deutsche Volksunion" (DVU), im übrigen die größte rechtsextremistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, hat ihre Mitgliederzahl von etwa 25.000 auf rund 26.000 steigern können; in Rheinland-Pfalz stagnierte sie bei ca. 1.400 Mitgliedern. In. diesen Zahlen sind die aufgrund Satzungsänderung übernommenen Angehörigen des gleichnamigen Vereins, der als solcher aber weiterbesteht, enthalten. 1 Unter der Bezeichnung "National-Freiheitliche Rechte" traten die von FREY gegründeten Organisationen anfänglich selbst auf. Die Bezeichnung wird von den Verfassungsschutzbehörden als Arbeitsbegriff verwendet. - 16 - Die DVU begreift sich als "gemeinsamer Wahlverband" aller "national-bewußten" Deutschen. Sie verfügt inzwischen in allen Bundesländern über Landesverbände. Ein echtes Organisationsleben - wie in demokratischen Parteien - findet allerdings kaum statt. Auch in Rheinland-Pfalz konnten im Jahre 1992 öffentlichkeitswirksame Aktionen nicht beobachtet werden. 1.4 "Nationaldemokratische" Organisationen Die in den letzten Jahren rückläufige Mitgliederentwicklung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und ihrer Jugendorganisation, den "Jungen Nationaldemokraten" (JN), setzte sich auch 1992 weiter fort. Die Mitgliederzahlen beider Organisationen gingen bundesweit von ca. 6.100 (1991) auf etwa 5.000 bei der NPD bzw. von ca. 550 (1991) auf etwa 200 bei den JN zurück. In Rheinland-Pfalz nahm die Mitgliederzahl bei der NPD von ca. 320 auf etwa 250 ab; die JN existieren praktisch nicht mehr. Die NPD wird weiterhin von Günter DECKERT aus Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) geführt. Sie gliedert sich bundesweit in insgesamt 15 Landesverbände. Auf dem kleinen Parteitag am 21. März 1992 in Gorleben (Niedersachsen) wurde vom NPD-Parteivorstand ein "Nationaldemokratisches Manifest" angenommen, das der Partei angesichts der politischen Entwicklungen in der Welt notwendig erschien. Als - Begründung gibt sie an, daß die Konzepte und Positionen der Nachkriegszeit ausgedient hätten. Das geltende. Parteiprogramm sei überholt, weil "die Vereinigung der bisherigen Teilstaaten BRD und DDR, der Zusammenbruch des kommunistischen Systems, die Wanderungsbewegung nach und in Europa, die Wandlung von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft und die wachsenden Zweifel am - 17 - herrschenden Materialismus neue Fragestellungen hervorgerufen hätten, die neuer Antworten bedürften". Das "Nationaldemokratische Manifest" soll bis zum Inkrafttreten eines neuen Parteiprogramms Grundlage für die programmatischen Aussagen der Partei sein. Der rheinland-pfälzische Landesverband der NPD steht unter der Leitung von Ellen SCHERER aus Köllerbach (Saarland). Er organisierte als öffentlichkeitswirksame Aktion am 21. November 1992 eine sogenannte Gedenkkundgebung unter dem Motto "Keine Mülldeponie auf Gräbern deutscher Soldaten" in' Biebelsheim. Unter den rund 200 Teilnehmern befanden sich auch ca. 100 Neonazis, u.a. aus den Reihen der zwischenzeitlich verbotenen DA, und Mitglieder des Landesverbandes Pfalz des "Stahlhelm e.V. - Kampfbund für Europa". 1.5 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) Die 1991 in Villingen-Schwenningen gegründete Partei versteht sich als Sammelbecken aller "demokratischen Patrioten". Sie verfügt derzeit über sieben Landesverbände mit rund 800 Mitgliedern. In Rheinland-Pfalz kam es bisher nicht zu einer Gründung eines Landesverbandes. In Ludwigshafen am Rhein wurde im November 1992 ein Kreisverband gegründet, der durch die Verteilung von Flugschriften auf sich aufmerksam gemacht hat. 1.6 "Die Republikaner" (REP) Eine besondere Rolle innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums spielt aktuell die Partei "Die Republikaner" (REP), die im Jahre 1983 gegründet wurde. 1 Siehe hierzu Seite 13. - 18 - Nach eingehender Prüfung einigten sich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder am 15. Dezember 1992 einvernehmlich darauf, über diese Partei künftig gezielt Informationen zu beschaffen und auszuwerten. Es haben sich nämlich Anhaltspunkte für den Verdacht ergeben, daß die REP Bestrebungen im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Verfassungsschutzgesetze verfolgen, wie z.B. mangelnde Distanz einzelner Funktionäre zum nationalsozialistischen Unrechtsregime oder die Verächtlichmachung demokratischer Institutionen und Politiker, die offenbar zum Ziel haben, das Staatswertbewußtsein der Bürger zu untergraben. Nach dem Einzug in den Landtag von Baden-Württemberg im Jahre 1992 mit einem Wahlanteil von 10,9 % konnten die REP am 7. März 1993 bei der hessischen Kommunalwahl mit landesweit 8,3 % der Stimmen einen weiteren Erfolg verzeichnen. 2. Linksextremismus 2.1 Orthodoxer Kommunismus Der als Folge des Niedergangs der kommunistischen Parteien und ihres weitgehenden Machtverlustes vor allem in der ehemaligen Sowjetunion und der früheren DDR in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) ausgelöste tiefgreifende Prozeß ideologischer Desorientierung -.undHandlungsunfähigkeit setzte sich auch im Jahre 1992 fort. Ein weiterer Mitgliederrückgang (bundesweit unter 7.000) und die Fortsetzung der innerparteilichen, kontroversen Diskussionen um das künftige politische Erscheinungsbild sind sichtbarer Ausdruck hierfür. Demgegenüber hat die DKP ihre internationale Akzeptanz nicht eingebüßt, wie die Teilnahme von 27 "Bruderparteien" und "Befreiungsorganisationen" aus 23 Ländern am 12. Par- - 19 - teitag der DKP am 16./17. Januar 1993 in Mannheim verdeutlicht. Die über 200 Delegierten dieses Parteitages beschlossen u.a. die "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP" sowie ein neues Parteistatut. Die Thesen zeigen, daß die DKP "als Partei mit revolutionärer Zielsetzung" uneingeschränkt an ihrer marxistischen Weltsicht festhält. Ihre künftige Tätigkeit gründet sich weiter auf den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus. Erklärtes Hauptziel der Partei ist es - wie seit ihrer Gründung im Jahre 1968 -, an die Stelle der bürgerlichen Gesellschaft den Kommunismus zu setzen, eine Gesellschaftsordnung, "in der das Privateigentum an Produktionsmitteln durch gesellschaftliches Eigentum ersetzt ist, in der an die Stelle der Herrschaft des Kapitals die Macht der Arbeiterklasse tritt". Ansatzpunkte für ihre Arbeit sieht die DKP in der Gewerkschaftsarbeit, aber auch in ihrer Mitwirkung an der Seite der Friedens-, Umweltund Frauenbewegung sowie der Bewegung für demokratische Rechte und Antifaschismus (These: Aktionseinheitsund Bündnispolitjik). Neben der parteiinternen Konsolidierung gibt es in der DKP auch wieder Ansätze zu politischem Handeln, wie insbesondere die Teilnahme an Aktivitäten anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels in München (6.-8. Juli 1992) zeigt. Neuen Auftrieb erhofft sich die Partei aus den im Jahre 1993 anstehenden Ereignissen wie dem 175. Ge- 1 Synonym für Diktatur des Proletariats. - 20 - burtstag von Karl Marx (5. Mai), dem 75jährigen Bestehen der Kommunistischen Partei in Deutschland (30. Dezember) und dem 25. Jahrestag der DKP (September 1993) . In Rheinland-Pfalz war die noch etwa 150 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksorganisation in erster Linie damit beschäftigt, sich zu reorganisieren. Organisatorische, finanzielle und personelle Schwierigkeiten verhinderten jedoch weitgehend die politische Handlungsfähigkeit der Partei. Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), die bundesweit über 300 Mitglieder verfügt, steht als "revolutionäre Jugendorganisation" ideologisch weiterhin eng an der Seite der DKP. In RheinlandPfalz hat die SDAJ keine Organisationsstruktur mehr. Auch die ehemals wichtigsten orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen, die "Deutsche FriedensUnion" (DFU) und die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA), haben im Jahre 1992 weiter an politischer Bedeutung verloren. Beide Organisationen sind mangels finanzieller und personeller Möglichkeiten nicht mehr in der Lage, bündnispolitisch im Sinne der DKP zu wirken. Die WN-BdA erhofft jedoch aus einer stärkeren Beteiligung an Aktionen und Protesten gegen das Auftreten .rechtsextremistischer. Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland neue Impulse für ihre politische Arbeit. 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten ("Neue Linke") Seit Beginn des Jahres 1992 konnten nach einer Periode des Niedergangs erste Ansätze einer Konsolidie- - 21 - rung und Stabilisierung der Parteien und Organisationen dieses linksextremistischen Bereichs erkannt werden. Die Auseinandersetzungen mit dem rechtsextremistischen Spektrum im Kampf gegen "Antifaschismus und Antirassismus" sowie gegen Ausländerfeindlichkeit führten zu einer spürbaren Aktivierung des linksextremistischen Potentials, wobei den Ereignissen in Rostock im August 1992 eine gewisse Sogwirkung zukommt. So wurden in Rheinland-Pfalz kleinere eigenständige Demonstrationen linksextremistischer Gruppen in Mainz durchgeführt, während sich in anderen Städten, wie z.B. in Speyer und Ludwigshafen am Rhein, Linksextremisten an von demokratischen Organisationen durchgeführten Protestaktionen gegen rechtsextremistische Gewalttaten beteiligten. Außerdem nahmen linksextremistische Gruppen aus Rheinland-Pfalz an Demonstrationen teil, zu denen bundesweit aufgerufen wurde, so z.B. in München gegen den Weltwirtschaftsgipfel vom 6. bis 8. Juli 1992 oder am 14. November 1992 in Bonn unter der Parole "Grundrechte verteidigen - Flüchtlinge schützen - Rassismus bekämpfen". 2.3 Autonome Im Jahre 1992 ist die Zahl der gewaltbereiten/gewalttätigen .Autonomen.auf bundesweit annähernd 5.000 angestiegen (1991: 2.700 in den alten Bundesländern einschließlich Gesamt-Berlin). Autonome verfügen über kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie folgen verschwommenen anarchistischen und anarcho-kommunistischen Vorstellungen. Einig sind sie sich in ihrem Haß auf Staat und Gesellschaft und in der Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, weil das "Schweineund Verbrechersystem" einem - 22 - "freien, selbstbestimmten, kollektiven Leben" im Wege steht. Autonome streben daher die Zerschlagung der bürgerlichen Gesellschaft, des Staates und seiner Machtstrukturen an. Eigene konkrete Vorstellungen über dann folgende Gesellschaftsformen gibt es hingegen bei ihnen nicht. Autonome lehnen formelle Organisationen mit hierarchischen Strukturen ab. Sie schließen sich in lockeren Kleingruppen zusammen, weil sie darin eine Möglichkeit sehen, sich ohne Kontrolle zu organisieren. Um ihren strukturellen Schwächen entgegenzuwirken, führen Autonome eine intensive Kommunikation über - zum Teil konspirativ verbreitete - Szeneblätter und unterhalten bundesweit zahlreiche Anlaufund Kontaktstellen (Infoläden). Wichtig für den Informationsaustausch und die Mobilisierung ist inzwischen auch der Einsatz moderner Kommunikationsmittel (z.B. Mailboxen). Um dem ansteigenden Rechtsextremismus entgegenzuwirken, hat die autonome Szene darüber hinaus den Versuch unternommen, sich bundesweit zu vernetzen. So wurde am 25. Juli 1992 bei einem bundesweiten Treffen in Wuppertal eine "Antifaschistische Aktion" ausgerufen. In ihr haben sich autonome/antifaschistische Gruppierungen aus mehreren Städten, darunter auch aus Mainz, zusammengeschlossen. - Einen zentralen Ansatzpunkt für .militante Aktionen sehen Autonome - insbesondere seit den von Neonazis ausgehenden Angriffen auf Ausländer und Asylbewerber - im Thema "Antifaschismus". Unter dem Stichwort "antifaschistische Selbsthilfe" versteht die Szene gewaltsame Aktionen gegen Rechtsextremisten, aber auch gegen staatliche Einrichtungen und deren Repräsentanten. - 23 - Ein Beispiel für linksextremistische Massenmilitanz war die Großdemonstration "Die Würde des Menschen ist unantastbar" am 8. November 1992 in Berlin, an der sich auch Personen der autonomen Szene aus Rheinland-Pfalz beteiligt haben. Bei dieser Demonstration, die von militanten Linksextremisten, insbesondere Autonomen, empfindlich gestört wurde, wurden 17 Polizeibeamte verletzt. In Rheinland-Pfalz traten gewaltbereite Autonome anläßlich einer verbotenen Demonstration der "Deutschen Alternative" (DA) am 7. März 1992 in Mainz und am 21. November 1992 anläßlich einer Gegenkundgebung zu der Demonstration der NPD in Biebelsheim in Erscheinung. Am 6. Januar 1993 gab es in Mainz (Rheinufer) Auseinandersetzungen zwischen ca. 20 bis 30 vermummten, mit Schlagwerkzeugen bewaffneten Autonomen und etwa 8 Personen der rechtsextremistischen DA. Dabei kam es zu Sachschäden und Körperverletzungen. Im Rahmen polizeilicher Fahndungsmaßnahmen wurde ein Angehöriger der autonomen/antifaschistischen Szene Mainz/ Wiesbaden unter dem dringenden Tatverdacht des schweren Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen. Anläßlich einer ansonsten friedlichen Demonstration am 17. April 1993 gegen die "Hitler-Geburtstagsfeier" auf dem Anwesen von Curt MÜLLER in Mainz-Gon- 2 senheim , versuchten vermummte Autonome das Grundstück MÜLLERs zu stürmen; dabeikam es zu Sachbeschädigungen. In Rheinland-Pfalz ist das Potential gewaltbereiter autonomer Kräfte auf etwa 130 Personen angestiegen (1991: 100). 1 Siehe hierzu Seiten 13, 17. 2 Siehe hierzu Seite 12. - 24 - 2.4 Linksextremistischer Terrorismus Die Gefährdung unseres demokratischen Rechtsstaates durch den linksextremistischen Terrorismus hält weiter an. Aktuelles beeindruckendes Beispiel dafür war der am 27. März 1993 von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) durchgeführte Bombenanschlag auf den Gefängnisneubau im südhessischen Weiterstadt, bei dem Sachschaden von rund 13 0 Millionen DM entstand; Menschen wurden dabei nicht verletzt. In einem dazu verfaßten Bekennerschreiben, unterzeichnet mit "Kommando Katharina Hammerschmidt" , fordert die RAF u.a. die "Freiheit für alle politischen Gefangenen", eine "Gesellschaft ohne Knaste" und den Kampf gegen "Rassismus von Staat und Nazis". Weiterhin bekundet die RAF ihre "Solidarität mit den internationalen Gefangenenkämpfen" und spricht sich aus für eine "Basisbewegung von unten", bestimmt von "Solidarität und Gerechtigkeit, vom Kampf gegen soziale Kälte, Perspektivlosigkeit und Armut". Der Anschlag von Weiterstadt ist offensichtlich als Teil eines Veränderungsprozesses innerhalb der RAF zu sehen, der bereits 1992 seinen Anfang nahm. Drei vom Kommandobereich der RAF veröffentlichte Erklärungen vom 10. April, 29. Juni und vom August 1992 dokumentieren diese Entwicklung -sehr deutlich. Danach strebt die RAF unter Aufgabe ihres bisherigen Führungsanspruches nunmehr eine Neuorientierung zusammen mit anderen Teilen der extremistischen Linken, insbesondere mit autonomen Kräften und Gruppen 1 Katharina HAMMERSCHMIDT ("Cat") galt als enge Vertraute von Ulrike MEINHOF, gehörte aber nicht zum RAF-Kommandobereich; sie starb 1975 mit 31 Jahren in einem Berliner Krankenhaus. - 25 - der "Revolutionären Linken" an. Es geht ihr jetzt erklärtermaßen um den Aufbau einer "Gegenmacht von unten". Gleichzeitig will sie künftig auf den "bewaffneten Kampf" verzichten, verknüpft damit jedoch bestimmte Forderungen, an vorderster Stelle die "Freilassung aller politischen Gefangenen". Insbesondere die RAF-Erklärung vom "August 1992" ließ erkennen, daß die RAF als Guerilla bestehen und interventionsfähig bleiben will. Die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen sie den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen könnte, wurde nur vage beantwortet: Wenn der Staat keinen Raum zulasse, in dem sich "Gegenmacht" organisieren könne oder wenn er schon erkämpfte Räume "plattwaize", wäre "die notwendige und historisch logische Antwort, daß der bewaffnete Kampf zurückkommen wird". Ob der Staat einen "Entwicklungsraum" lasse oder an seinem bislang praktizierten "Ausmerzverhältnis" festhalte, würde sich vorrangig an seinem Verhalten gegenüber den Inhaftierten aus der RAF zeigen. Die Erklärungen der RAF haben in ihrem Umfeld und bei den RAF-Inhaftierten zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Im Verlauf des Jahres 1992 mehrten sich die kritischen Stimmen zu der neuen RAF-Strategie. Zu dem negativen Stimmungsbild - insbesondere bei den Inhaftierten - t r u g auch der schleppende Verlauf der sogenannten Kinkel-Initiative bei, die Ende 1991 von dem damaligen Bundesjustizminister Klaus Kinkel mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, bei allen RAF-Gefangenen mit lebenslangen Freiheitsstrafen nach mehr als 15 Jahren Haft im Wege eines gerichtlichen Verfahrens nach SS 57a StGB die Möglichkeit einer vorzeitigen Strafaussetzung zu überprüfen. - 26 - Die vorzeitige Freilassung von Günther SONNENBERG und die Strafaussetzung für Bernd RÖSSNER wurden dabei in der Szene als Selbstverständlichkeit und als Ergebnis der jahrelangen eigenen Bemühungen um deren Freilassung gewertet. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 9. Februar 1993, die lebenslangen Freiheitsstrafen der sogenannten Stockholm-Attentäter KarlHeinz DELLWO, Lutz TAUFER und Hanna KRABBE nicht zur Bewährung auszusetzen, nachdem alle drei Gefangenen die vom Gesetz geforderte Begutachtung durch einen sachverständigen Psychiater abgelehnt hatten, verfestigte die gegenwärtige Meinung im RAF-Umfeld , die "Kinkel-Initiative" sei von Anfang an nichts anderes gewesen als eine gezielte Maßnahme des Staates in seinem fortgesetzten Bemühen, die linksextremistische Szene, insbesondere aber die RAF, zu lähmen. Die RAF-Inhaftierten haben nach wie vor große Bedeutung als "politische" Impulsgeber. Anfang 1993 bekanntgewordene Positionspapiere einzelner Inhaftierter zeigen, daß innerhalb des "Häftlingskollektivs" zum Teil gravierende Meinungsverschiedenheiten in der Behandlung des weiteren Vorgehens bestehen. So befürwortet die Gruppe um die Inhaftierten MOHNHAUPT, HAULE und POHL im wesentlichen eine revolutionäre Politik auf breiter Grundlage und versucht, meist noch ohne konkrete Forderung, Vorstellungen für den Aufbau einer "Gegenmacht von unten" zu entwickeln. Die Frage einer Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes wird weitgehend im Sinne der RAF-Kommandoebene beantwortet. Eine andere Gruppe, der die in Celle und Lübeck einsitzenden Inhaftierten DELLWO, TAUFER, 1 Beschwerden der Häftlinge gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf wurden vom Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 15. April 1993 verworfen. - 27 - FOLKERTS, KRABBE, KUBY und MÖLLER zuzurechnen sind, will sich mit der bestehenden Gesellschaftsordnung zwar nicht versöhnen, sieht im "bewaffneten Kampf" aber keine Perspektive mehr und betreibt derzeit vorrangig die eigene Freilassung. Die Inhaftierten HEIßLER, der in der JVA Frankenthal einsitzt, und KLAR favorisieren offenbar die Fortsetzung der bisherigen bewaffneten Politik der RAF; sie drängen auf eine Beendigung der begonnenen "Deeskalation". Im RAF-Umfeld war 1992 die Forderung nach Freilassung der Gefangenen aus der RAF und dem Widerstand im Zuge einer "politischen Lösung" Aktionsund Diskussionsschwerpunkt . Hierzu gab es verschiedene Veranstaltungen und Kundgebungen, als Höhepunkt eine bundesweite Demonstration "Für das Leben und die Freiheit der politischen Gefangenen" am 20. Juni 1992 in Bonn mit etwa 2000 Teilnehmern. Bemerkenswert waren weiterhin Aktionen im Zusammenhang mit der Haftentlassung des ehemaligen Mitgliedes der RAF-Kommandoebene, Günter SONNENBERG. Am Tag seiner Entlassung aus der JVA Bruchsal am 15. Mai 1992 wurde er von zahlreichen Angehörigen des engeren RAF-Umfeldes in Empfang genommen. Anfang November 1992 wurde in Frankfurt am Main eine neue Informationsund Koordinationsstelle "Freiheit für alle politischen Gefangenen" eingerichtet. Betreiber dieser. Inf osteile sind im wesentlichen Personen des engeren RAF-Umfeldes Frankfurt, Wiesbaden und Mainz. Dieses "Gefangenenbüro" soll vor allem die Besuche von Personen aus der Unterstützerszene bei den Inhaftierten koordinieren, außerdem den Angehörigen und Rechtsanwälten der Inhaftierten als Anlaufstelle dienen. Personen des Frankfurter "Gefangenenbüros" waren maßgeblich an der Planung und Durchführung eines am - 28 - 20. März 1993 in der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in Mainz durchgeführten "Hearings" zur "Situation der Inhaftierten aus RAF und Widerstand nach einem Jahr 'Kinkel-Initiative'" beteiligt. Mit dem "Hearing", an dem in erster Linie Rechtsanwälte und Angehörige von RAF-Inhaftierten sowie eine Vielzahl von RAF-Unterstützern teilnahmen, wollten die Veranstalter nachdrücklich eine "politische Lösung der Gefangenenfrage" einfordern und außerdem das Thema "Politische Gefangene" wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Auch im RAF-Umfeld sind - ähnlich wie bei den RAFGefangenen - unterschiedliche Strömungen, zum Teil auch mit Bestrebungen zu militanten Aktionen, zu beobachten. Die Mehrzahl des RAF-Unterstützerpotentials dürfte derzeit allerdings mit der Haltung der RAF-Kommandoebene übereinstimmen. In Rheinland-Pfalz waren vorwiegend im Großraum Mainz Angehörige des RAF-Umfeldes aktiv. Weitere Ansätze gibt es in Kaiserslautern, Koblenz und Trier. Die "Revolutionären Zellen" (RZ) haben durch interne Richtungsstreitigkeiten und Spaltungsprozesse eine erhebliche Schwächung erfahren. Ebenso wie die RAF haben sie Mühe, ihr Konzept des bewaffneten Kampfes mit den politischen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen. ..Auch--sie .beklagen eine mangelnde Resonanz und sehen die Notwendigkeit einer Neuorientierung. Während einzelne RZ keinen Sinn mehr in einer Fortsetzung der bisherigen terroristischen Aktivitäten sehen und eine stärkere politische Diskussion suchen, propagieren andere weiterhin bewaffnete Aktionen. - 29 - 3. Ausländerextremismus Die übergroße Mehrzahl der ca. 6,5 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland verhält sich nach wie vor gesetzestreu und beachtet die demokratische Rechtsordnung des Gastlandes. Die im Bundesgebiet aktiven ausländischen extremistischen Organisationen haben ca. 39.800 Mitglieder. Von den ca. 259.000 Ausländern in Rheinland-Pfalz gehören nach Schätzung des Verfassungsschutzes etwa 1.000 solchen Gruppierungen an. Die ausländischen Extremisten befassen sich in erster Linie mit vermeintlichen oder tatsächlichen Mißständen in ihren Heimatländern, aber auch mit ihrer rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Breiten Raum bei Diskussionen und Aktivitäten nahm die Welle ausländerfeindlicher Ausschreitungen und entsprechender Straftaten in Deutschland ein. Im Jahre 1992 wurden deshalb bundesweit zahlreiche demonstrative Aktionen durchgeführt. Mehrfach kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten türkischen Gruppierungen und tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten. Neben friedlichen Informationsveranstaltungen, Flugblattaktionen und Demonstrationen wenden extremistische Ausländer teilweise auch Gewalt oder sogar konspirative -und. . terroristische. Mittel an.. Gegenüber dem Jahr 1991 ist ein deutlicher Anstieg bei versuchten bzw. vollendeten Terrorund sonstigen schweren Gewaltakten zu verzeichnen. Die Zahl der l Davon: 19.900 Mitglieder islamisch-extremistischer bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen, 11.450 Mitglieder linksextremistischer bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen, 8.450 Mitglieder extremistisch-nationalistischer bzw. von ihnen beeinflußter Gruppen. - 30 - schweren Gewalttaten hat sich gegenüber dem Vorjahr (1991: 29) mit 53 annähernd verdoppelt. Dabei wurden sieben Personen getötet (1991: vier). Die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch weiterhin durch international operierende Terroristen bedroht. Dazu zählen insbesondere nahund mittelöstliche, aber auch irische und baskische Terrororganisationen. Herausragendes terroristisches Einzelereignis war zweifellos die Ermordung von vier iranisch-kurdischen Oppositionellen am 17. September 1992 in Berlin. Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) war im Jahre 1992 wiederum die aktivste extremistische Gruppierung in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz. Ihre Anhänger führten neben Demonstrationen zahlreiche gewalttätige Aktionen gegen türkische Einrichtungen im Bundesgebiet während des gesamten Jahres durch. Diese Aktivitäten und Anschläge wurden durch die verstärkten Kampfhandlungen türkischer Sicherheitskräfte gegen Guerillaeinheiten der PKK in Südostanatolien (Türkei) Anfang März 1992 ausgelöst. Eine zweite Welle hatte ihren Ursprung in den aufstandsähnlichen Auseinandersetzungen anläßlich des kurdischen Newroz-Festes (21. März 1992) in der Türkei. Einen dritten Höhepunkt erreichten die Aktivitäten von PKK-Anhängern im Bundesgebiet anläßlich - der -militärischen Kampfhandlungen in der südosttürkischen Stadt Sirnak im August 1992. Aber auch der Beschluß der Bundesregierung im April 1992, das Waffenembargo gegen die Türkei aufzuheben, löste bundesweite Proteste der PKK aus. 1 Im August 1992 wurden die vier Rädelsführer bei der Besetzung des türkischen Generalkonsulats am 11. März 1992 in Mainz zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. - 31 - Mehrere im Jahre 1992 abgehaltene Großveranstaltungen, wie beispielsweise das "Internationale Kurdistanfestival" am 1. August 1992 im Bochumer Ruhrstadion, dienten einer breitangelegten PKK-Propaganda. Mitte Oktober 1992 begann die PKK europaweit mit den Vorbereitungen zur Wahl eines "Kurdischen Nationalparlaments". Die Delegierten versammelten sich am 19./20. Dezember 1992 in Gießen und wählten 15 Personen aus ihrem Kreis, die sie als ihre europäischen Abgeordneten im "Kurdischen Nationalparlament" bezeichneten. Mehr als 700 Kurden, darunter auch die 15 europäischen Abgeordneten, führten ab dem 24. Januar 1993 in Brüssel einen zweiwöchigen Hungerstreik durch, um auf die ungelösten Probleme in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Neben bundesweiten Solidaritätsaktionen u.a. in Hamburg, Bremen, Dortmund und Stuttgart demonstrierten am 13. Februar 1993 auch etwa 200 Sympathisanten vor dem Sendegebäude des ZDF in Mainz. Am 12. Februar 1993 führten ca. 25 Kurden in der Bonifazius-Kirche in Mainz einen dreitägigen Hungerstreik durch. Die Aktionen verliefen friedlich. Auch die Gewaltaktivitäten der türkischen Gruppen "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke) und "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/M-L) sind weiterhin beachtenswert. Wie bei der PKK gehörten Brandanschläge, Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung und Besetzungsaktionen zu ihrem."Aktionsspektrum. .Erstmals waren auch Niederlassungen deutscher Unternehmen in der Türkei Ziel von Anschlägen der Dev Sol, wie z.B. der Firmen Opel, BMW und Magirus-Deutz. Anhaltende Flügelkämpfe innerhalb der Dev Sol führen seit Anfang des Jahres 1993 zu scharfen Auseinandersetzungen unter den Mitgliedern. - 32 - Mit besonderer Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder eine Zunahme tätlicher Auseinandersetzungen zwischen in Deutschland lebenden Angehörigen der verschiedenen Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawien, denen 1992 nach vorliegenden Erkenntnissen bereits zwei Menschen zum Opfer fielen. Eine weitere Radikalisierung ist nicht auszuschließen, solange die Auseinandersetzungen und Greueltaten im ehemaligen Jugoslawien andauern. 4. Spionageabwehr 4.1 Im Osten Europas hat sich die politische Landschaft gravierend verändert. Der Nachlaß der kommunistischen Zentralherrschaft, der sich im Verfall der ehemaligen Sowjetunion überaus deutlich zeigt, lastet auf allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen und erschwert die Beziehungen aller postsozialistischen Staaten untereinander. Die Russische Föderation, aber auch die übrigen in der GUS zusammengeschlossenen früheren UdSSR-Republiken befinden sich in einer höchst schwierigen Phase innenund außenpolitischer Neuorientierung, ohne sich dabei auf gefestigte demokratische Strukturen abstützen zu können. Den Reformbemühungen blieb der erfolgreiche Durchbruch bisher versagt. Gegensätzliche Vorstellungen über - den richtigen Weg blockieren Politik und Wirtschaft. Der dringend notwendige Aufbau einer wettbewerbsfähigen Industrie sowie die Konversion des gewaltigen militärisch-industriellen Komplexes verzögert sich dadurch nachhaltig. Die unzureichende Versorgungslage hat zu einer Ernüchterung innerhalb der Bevölkerung geführt, eine - 33 - Schattenwirtschaft begünstigt und bei qualifizierten Berufsgruppen den Wunsch nach Auswanderung verstärkt. Die Suche nach neuen Märkten ist nicht zuletzt dadurch zu einer Überlebensfrage der meisten Staaten in Osteuropa geworden, wobei miteinander konkurrierende Handelsinteressen erschwerend wirken. Angesichts dieser in vielen Bereichen instabilen Lage, zum Teil verschärft durch das Aufbrechen ethnischer Konflikte und die Erkenntnis, daß sich alte Machtstrukturen reorganisieren, war die Einrichtung neuer Sicherheitsund Aufklärungsdienste in diesen Ländern eine logische Konsequenz. Einige werden auch unter "neuer Flagge" nahtlos fortgeführt. So ist der Auslandsaufklärungsdienst der Russischen Föderation (SWR) ohne nennenswerte Veränderungen aus der Abteilung 1 des ehemaligen KGB hervorgegangen. Auch der militärische Aufklärungsdienst der ehemaligen UdSSR (GRU) hat die Wende unberührt überstanden. Solange sich Streitkräfte der russischen Armee auf deutschem Boden befinden, wird dieser Dienst bemüht sein, (wieder) ein funktionierendes Agentennetz aufzubauen. Die strafgerichtliche Verurteilung eines ranghohen GRU-Offiziers im August 1992, der einen bundesdeutschen Polizeibeamten Ende 1991 anwerben wollte, unterstreicht diese Einschätzung. Mehr als vier Jahrzehnte enger Zusammenarbeit östlicher Nachrichtendienste haben . zu einem strategischen Wissen geführt, das auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts noch von erheblichem Nutzen sein kann. Über die Reaktivierung abgeschalteter Agenten eröffnet sich ein neuer Zugang in westliche Operationsgebiete. An Stelle des ideologischen Überbaus der kommunistischen Doktrin bestimmen nunmehr vorwiegend natio- - 34 - nale Interessen auch die Arbeit der östlichen Nachrichtendienste. Das Streben nach stärkerer politischer und wirtschaftlicher Annäherung an den Westen, insbesondere an die Bundesrepublik Deutschland, wie auch die Kontakte bundesdeutscher Sicherheitsbehörden mit einzelnen Staaten in Osteuropa über Möglichkeiten der bilateralen Zusammenarbeit werden die Schwerpunkte der Auslandsaufklärung dieser Dienste und deren methodische Vorgehensweise entscheidend beeinflussen. Verfeinerte Arbeitsmethoden machen es den deutschen Spionageabwehrdiensten in Zukunft sehr viel schwerer, nachrichtendienstliche Aktivitäten auf dem politischen, militärischen und wirtschaftlichen Sektor zu erkennen. Interessante Informationen werden zunehmend durch offene Gesprächsabschöpfung und allgemein zugängliches Material, aber auch über die Gründung von Wirtschaftsunternehmen, Handelsorganisationen und Kapitalbeteiligungen beschafft. Das allgemein verbesserte politische Klima und die Erleichterungen zur direkten wirtschaftlichen Kooperation insbesondere mit dem östlichen Ausland geben hierzu reichlich Gelegenheit. Die Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland wird in den nächsten Jahren aufgrund des technologischen Rückstandes der Staaten des früheren Ostblocks im Bereich der. Investitionsund Konsumgüterindustrie ihre Hauptzielrichtung in der Beschaffung von Informationen aus Wissenschaft und Technik haben; im besonderen Maße dürften Produkte und Entwicklungen auf dem Gebiet der Mikroelektronik und EDV-Software von Interesse sein. Erfahrungsgemäß entsteht dadurch für die Volkswirtschaft erheblicher finanzieller Schaden. - 35 - Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, daß auch Rheinland-Pfalz mit seinen verschiedenartigen Industrie-, Forschungsund Entwicklungszentren sowie den immer noch bedeutenden militärischen Anlagen der Bundeswehr und auch der US-Streitkräfte weiterhin Aufklärungsziel gegnerischer Nachrichtendienste bleiben wird. Im besonderen gilt es, den nachrichtendienstlich gesteuerten Export sogenannter sensitiver oder auch "dual-use" Güter - die sowohl zivilen wie militärischen Zwecken dienen können - zu verhindern. Erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen in diesem Zusammenhang auch die Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens, die nach wie vor an der illegalen Beschaffung von Waffen und Produkten der Hochtechnologie interessiert sind. Neben der klassischen Spionage rücken immer deutlicher die vielfältigen Spannungen und zum Teil offen ausgetragenen Konflikte fremder Staaten und ihrer Regimegegner, die in der Bundesrepublik Deutschland von fremden Nachrichtendiensten ausgespäht werden, ins Blickfeld der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden. 4.2 Im Jahre 1992 wurden in Rheinland-Pfalz eine Reihe von Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit - für eine fremde Macht durchgeführt bzw. Personen wegen dieser Straftaten verurteilt. Die Verfahren basieren zum Teil auf Aussagen ehemaliger hauptamtlicher MfS-Angehöriger und der Auswertung von Unterlagen des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik". - 36 - Bei den im Berichtszeitraum aufgedeckten Fällen konnte festgestellt werden, daß häufig Ehepaare gemeinsam MfS-Aufträge ausführten. Diese richteten sich u.a. gegen den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, gegen Einrichtungen der Bundeswehr und die amerikanischen Streitkräfte in Rheinland-Pfalz. Die Verratstätigkeit einzelner hier plazierter Agenten erstreckte sich mitunter auf einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren. In einem im November 1992 beim OLG Koblenz abgeurteilten Fall fand der letzte nachrichtendienstliche Treff mit dem ehemaligen militärischen Nachrichtendienst der DDR sogar noch im Mai 1990 statt. Wegen des Verdachts der Spionage in einem besonders schweren Fall muß sich ein ehemaliger Mitarbeiter des Rechenzentrums der Bundeswehr in Bad Neuenahr verantworten. Er wird beschuldigt, von 1966 bis zum Herbst 1989 als Top-Agent hochsensible Dateien - darunter die Depotbestände einschließlich der Vorräte für den Verteidigungsfall - kopiert und an seine damaligen Führungsstellen in Ost-Berlin und Moskau weitergeleitet zu haben. Seit dem Zusammenbruch der ehemaligen DDR verfolgten die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bislang ca. 2.200 Spuren, wovon bis heute über 900 zur weiteren exekutiven Bearbeitung an den Generalbundesanwalt abgegeben wurden. Auch in der kommenden Zeit wird mit der Enttarnung weiterer ehemaliger Agenten des MfS und der östlichen Nachrichtendienste zu rechnen sein. - 37 - C. Kurzdarstellungen von verfassungsfeindlichen Organisationen, die im Berichtszeitraum in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten sind oder überregionale Bedeutung haben 1. Rechtsextremismus 1.1 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die im März 1979 gegründete neonazistische Partei wurde nach dem 1983 erfolgten Verbot der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) von Anhängern dieser Organisation unterwandert. Interne Streitigkeiten lähmen weitgehend eine aktive Parteiarbeit der etwa 220 Mitglieder.. In Rheinland-Pfalz bestehen keine Organisationseinheiten der FAP. Publikationsorgan: "Neue Nation - Volkstreue Zeitung für Deutschland" 1.2 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) Von Anhängern des im April 1991 verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN nach ihrem Rückzug aus der FAP gebildeter Zusammenschluß, der derzeit nur noch als Autorenkollektiv der Zeitschrift "Neue Front" fortbesteht. Die Zahl ihrer Anhänger ist gering. 1.3 "Deutsche Alternative" (DA) Die 1989 auf Initiative des Neonazis Michael KÜHNEN in Bremen gegründete "Deutsche Alternative" (DA) hat sich die "Neuvereinigung aller in Mitteleuropa geschlossen siedelnden Deutschen" zum Ziel gesetzt. In Rheinland-Pfalz verfügte die DA Ende 1992 über eine - 38 - Gruppe von etwa 25 Mitgliedern. Am 10. Dezember 1992 hat der Bundesminister des Innern die DA auf der Grundlage des Vereinsgesetzes verboten und gleichzeitig den sofortigen Vollzug der Maßnahmen angeordnet. Mitglieder der verbotenen Ortsgruppe Mainz haben in der Folgezeit weitere Aktivitäten entfaltet (vgl. Seite 12, Fußnote ). 1.4 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 1979 gegründete Hilfsorganisation zur Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten und deren Familienangehörige im Inund Ausland mit bundesweit ca. 200 Mitgliedern. Im August 1991 wurde die bekannte NSAktivistin Ursula MÜLLER aus Mainz-Gonsenheim zur 1. Vorsitzenden gewählt; ihr Ehemann Curt MÜLLER ist ebenfalls Mitglied. Publikationsorgan: "Nachrichten der HNG" 1.5 "Nationalistische Front" (NF) 1985 gegründete Organisation, die sich ideologisch an die Sozialrevolutionären Vorstellungen der früheren Nationalsozialisten Gregor und Dr. Otto Strasser anlehnt. In Rheinland-Pfalz verfügte die NF Ende 1992 über einige wenige Mitglieder und Sympathisanten. Am 27. November 1992hat der. Bundesminister des Innern die NF auf der Grundlage des Vereinsgesetzes verboten und gleichzeitig den sofortigen Vollzug der Maßnahmen angeordnet. 1.6 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" Ein über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus bedeutsamer Kreis von Gesinnungsgenossen, der in re- ^ -39gelmäßigen Abständen Gedenkund Sonnwendfeiern durchführt. Das Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in Mainz-Gonsenheim dient dabei mehrmals im Jahr als überregionaler Treffpunkt. 1.7 "Aktionsfront Nationaler Kameraden" (ANK) Die ANK wurde im April 1992 in Baden-Württemberg gegründet und hat sich im März 1993 in "Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden" (ANK) umbenannt. Ihr gehören etwa 10 Personen an. Die ANK unterhält Kontakte zu Neonazis in Rheinland-Pfalz. Publikationsorgan: "Der Kampf". 1.8 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) Die 1986 unter maßgeblicher Beteiligung des Neonazis Ernst TAG aus Ludwigshafen am Rhein gegründete "nationale sozialistische Kampfgruppe" entwickelt derzeit keine nennenswerten Aktivitäten. 1992 kam erneut eine Ausgabe der Publikation "Der Schulungsbrief" zur Verteilung. 1.9 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die 1964 aus der "Deutschen Reichspartei" (DRP) hervorgegangene NPD umfaßte 1992 bundesweit 5.000 Mitglieder, der .NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz ca. 250. Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) verzeichnet etwa 200 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz ist sie praktisch nicht mehr existent. Publikationsorgan: "Deutsche Stimme", Auflage ca. 50.000 Exemplare. - 40 - 1.10 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) einschließlich ihrer Aktionsgemeinschaften: - "Aktion Oder-Neiße" (AKON), - "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), - "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur", - "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten", - "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.) und - "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). 1971 von dem Münchner Verleger Dr. Gerhard FREY als "überparteiliches" Sammelbecken der "Verfassungstreuen Rechten" gegründete Kernorganisation der "National-Freiheitlichen". In den von FREY herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutsche National-Zeitung" und "Deutsche Wochen-Zeitung" (Gesamtauflage etwa 85.000 Exemplare) wird im Sinne der Zielsetzung der Vereinigung agitiert. In Rheinland-Pfalz sind für den Verein DVU keine Aktivitäten zu verzeichnen. Die Mitglieder des Vereins sind automatisch Mitglieder der Partei DVU.1 1.11 "Deutsche Volksunion" (DVU) 1987 auf Initiative Dr. FREYs gegründete Partei. Sie ist mit rund 26.000 Mitgliedern die größte Organisation im .rechtsextremistischen -Spektrum. Der Landesverband der DVU stellt mit etwa 1.400 Mitgliedern die stärkste rechtsextremistische Personenvereinigung in Rheinland-Pfalz dar. 1 Weder der Verein noch die Partei DVU geben regelmäßige Publikationen heraus. - 41 - 1.12 "Stahlhelm e.V. Kampfbund für Europa - Landesverband Pfalz" Der im Jahre 1970 gegründete "Stahlhelm Landesverband Pfalz" entwickelte 1992 nur geringe Aktivitäten in seinen Ortsgruppen. Neben den sogenannten Appellen führte die Vereinigung "Sonnwendfeiern" durch. 1992 nahm sie wiederholt an Demonstrationen gegen die beabsichtigte Errichtung einer Mülldeponie auf dem Gelände eines früheren US-Kriegsgefangenenlagers in Biebelsheim (Landkreis Bad Kreuznach) teil. 1.13 "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (Deutsche Liga) 1991 in Villingen-Schwenningen gegründete Partei, deren Führungsfunktionäre zum überwiegenden Teil ehemals leitende Aktivisten der NPD und der REP sind. Sie verfügt über sieben Landesverbände mit rund 800 Mitgliedern, in Rheinland-Pfalz gibt es bisher nur den Kreisverband Ludwigshafen mit wenigen Anhängern. 2. Linksextremismus 2.1. Orthodoxe Kommunisten 2.1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1968 gegründet; größte orthodox-kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 7.000 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz noch ca. 100 bis 150, beruft sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zentralorgan: "Unsere Zeit" (UZ),, 14-tägig; Auflage ca. 14.000 Exemplare. - 42 - 2.1.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Eng an die DKP angelehnte kommunistische Jugendorganisation. Bundesweit über 300 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz derzeit keine Organisationsstrukturen. Publikationsorgan: "Position", 2-monatlich; Auflage ca. 500 Exemplare. 2.1.3 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) DKP-orientierte Organisation für den kommunistischen "Friedenskampf"; hat bundesweit noch etwa 500 Mitglieder, in Rheinland-Pfalz etwa 25. Publikationsorgan: "Podium", 2-monatlich; Auflage unter 1.000 Exemplare. 2.1.4 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) Mit bundesweit etwa 9.000 Mitgliedern nach wie vor wichtigste Organisation der orthodox-kommmunistischen "Antifaschismus-Kampagne". In Rheinland-Pfalz gehören der WN-BdA noch etwa 150 Mitglieder an. 2.2 Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten 2.2.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die 1982 in Bochum gegründete MLPD bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin in 1 Diese Gruppen sind in Rheinland-Pfalz wenig bedeutsam; die unter 2.2.1 bis 2.2.4 genannten haben zusammen schätzungsweise 80 Mitglieder. - 43 - ihrer Interpretation durch Mao Tse Tung; bundesweit ca. 1.700 Mitglieder. Zentralorgan: "Rote Fahne", Wochenzeitung; Auflage ca. 7.000 Exemplare. 2.2.2 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die 1986 aus der Fusion von "Kommunistischer Partei Deutschlands" (KPD) und der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) hervorgegangene VSP hat bundesweit etwa 300 Mitglieder. In RheinlandPfalz bestehen Ortsgruppen der VSP in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Publikationsorgan: "SoZ - Sozialistische Zeitung", 14-tägig; Auflage ca. 2.500 Exemplare. 2.2.3 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der 1973 gegründete, stalinistisch ausgerichtete AB hat bundesweit etwa 200 Mitglieder. In RheinlandPfalz besteht eine Ortsgruppe des AB in Mainz. Zentralorgan: "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ), Auflage ca. 1.500 Exemplare. 2.2.4 "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) Deutsche Sektion der internationalen trotzkistischen Strömung "Internationale Sozialisten", die den Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei und die Entwicklung eines Staates unter Führung von Arbeiterräten anstrebt. Bundesweit verfügt die SAG über 250 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz gibt es eine Ortsgruppe in Ludwigshafen am Rhein. - 44 - Publikationsorgan: "Klassenkampf", monatlich; Auflage ca. 3.400 Exemplare. 2.2.5 "Marxistische Gruppe" (MG) Die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG hat sich im Mai 1991 aufgelöst. Seit Mitte März 1992 geben ehemalige Funktionäre der MG das Theorieorgan "GEGENSTANDPUNKT" heraus. 2.3 Anarchisten 2.3.1 Autonome Örtliche, meist lose strukturierte Zusammenschlüsse mit diffusen anarchistischen, bisweilen auch revolutionär-marxistischen Zielen. Das autonome Aktionspotential beläuft sich derzeit bundesweit auf etwa 5.000 Personen (Rheinland-Pfalz: ca. 130). 2.3.2 "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) 1980 gegründeter Zusammenschluß anarchistischer Gruppen und Einzelpersonen aus der "Graswurzelbewegung", der die Arbeit der zahlreich existierenden "gewaltfreien Aktionsgruppen" und "Trainingskollektive" bundesweit koordinieren will. Die Anhängerschaft., der FöGA umfaßt bundesweit mehrere hundert Personen. Publikationsorgan: "graswurzelrevolution", monatlich; Auflage ca. 4.000 Exemplare. Im Kontaktadressenteil der "graswurzelrevolution" ist seit 1987 die Mainzer Gruppe "Anarchistische Assoziation Rhizom" (AAR) genannt. - 45 - 2.3.3 "Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU-IAA) Bedeutendste "anarcho-syndikalistische" Organisation mit bundesweit etwa 30 Ortsgruppen und Kontaktstellen, u.a. auch in Mainz; bundesweit unter 100 Mitglieder. Die FAU-IAA ist die deutsche Sektion der "Internationalen Arbeiter Assoziation" (IAA). Publikationsorgan: "direkte aktion", 2-monatlich; Auflage ca. 3.000 Exemplare. 2.3.4 "Forum für Libertäre Information" (FLI) Bedeutendste anarchistische "Theoriegruppe" zur Förderung und Verbreitung "Libertärer Tradition" mit Kontaktadressen in mehreren Bundesländern, so auch in Rheinland-Pfalz in Morbach-Merscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich). Publikationsorgan: "Schwarzer Faden". 2.4 Linksextremistischer Terrorismus 2.4.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) Terrorgruppe, deren Ziel die Zerschlagung des "Imperialismus", insbesondere die Beseitigung des angeblich faschistischen und imperialistischen Staatsund Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland ist. Ihr illegaler Kern (Kommandobereich) wird auf etwa 15 bis 20 Personen geschätzt. Wie die "bessere" Gesellschaftsordnung nach gewaltsamer Zerstörung der bestehenden Verhältnisse aussehen soll, vermag die RAF bislang nicht eindeutig zu definieren. Das bundesweit aus ca. 250 Personen bestehende "engere RAF-Umfeld" unterstützt den "bewaffneten Kampf" der RAF propagandistisch und übt als Sprachrohr der - 46 - RAF eine wichtige Vermittlerrolle aus. Zum weiteren RAF-Unterstützerpotential werden etwa 2.500 Personen gezählt. 2.4.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Kleingruppen ohne erkennbare Struktur, die mit zum Teil schweren Sprengstoffund Brandanschlägen, Sabotageakten und "Bestrafungsaktionen" (wie Knieschüssen) ein auf Breitenwirkung angelegtes - teilweise "sozialrevolutionäres" - Konzept verfolgen. Die RZ knüpfen hierbei in der Regel an aktuelle gesellschaftliche Probleme an. Innerhalb der RZ agiert die "Rote Zora" als selbständige, radikal feministische Frauengruppe mit überwiegend frauenspezifischen Themen, wie z.B. Ausbeutung der Frauen in der "Dritten Welt". 3. Ausländerextremismus 3.1 Türken 3.1.1 "Devrimci Sol" (Dev Sol - Revolutionäre Linke) Konspirative gewaltpraktizierende Organisation der "Neuen Linken"; im Mai/Juni 1978 aus der Sozialrevolutionären "Türkischen Volksbefreiungspartei Front" (THKP-C)-hervorgegangen. Am 9. Februar 1983 vom Bundesminister des Innern verboten. 3.1.2 "Avrupa'da Devrimci Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) Unter dieser Bezeichnung sind die Anhänger der Dev Sol in der Bundesrepublik aktiv. Sie traten auch als "Devrimci Sol Gücler" (Revolutionäre Linke Kräfte) auf. - 47 - 3.1.3 "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leni nisten (TKP/M-L) Als Abspaltung der maoistischen "Revolutionären Ar beiterund Bauernpartei der Türkei" (TIIKP) im April 1972 in der Türkei gegründet. Sie erklärt der Türkei den bewaffneten Kampf und zielt auf die Vernichtung des bestehenden türkischen Staatsgefüges ab. 3.1.4 "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF) Sie ist von der TKP/M-L beeinflußt und hatte sich 1976 gegründet; 1981 Spaltung in die Gruppen "Par tizan" (P) und "Partizan Bolsevik" (PB). Im Dezember 1986 wurde die "Konföderation der Ar beiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) als inter nationaler Zusammenschluß von ATIF-Föderationen ge bildet. 3.1.5 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten vereine in Europa e.V." (ADÜTDF) Vereinsgründung im Juni 1978 in Frankfurt am Main, gleichzeitig Vereinssitz. Extrem nationalistische Dachorganisation türkischer Kulturvereine in der Bundesrepublik. Sie vertritt das Gedankengut der "Nationalistischen Arbeiterpartei" (MCP), die in der Türkei von Alparslan TÜRKES geleitet wird. 3.1.6 "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V." (TIKDB) Im Oktober 1987 von der ADÜTDF abgespalten; ver folgt einen gemäßigten nationalistischen Kurs mit dem Ziel der Annäherung an islamische Traditionen. - 48 - 3.1.7 "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) Im November 1984 in Köln von Cemalettin KAPLAN gegründet und geleitet. Er strebt die Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei durch eine Revolution nach iranischem Vorbild an; bundesweit islamische Mitgliedsvereine. 3.1.8 "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) Im Jahre 1985 in Köln als Verein angemeldet. Ihre Anhänger vertreten nationalistische, islamisch-fundamentalistische Thesen der in der Türkei von Necmettin ERBAKAN geführten "Wohlstandspartei" (RP). Bundesweit sind Mitgliedsvereine organisiert. 3.2 Kurden "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende der siebziger Jahre bildete sich in der Türkei um Abdullah ÖCALAN die Untergrundorganisation "APOCULAR", die zur Parteigründung am 27. November 1978 führte. Die PKK strebt auf terroristischem Wege einen unabhängigen kurdischen Staat auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft marxistisch-leninistischer Prägung.. an. Die PKK. unterhält mehrere Nebenorganisationen, wie z.B. die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) oder die "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V." (FEYKA-Kurdistan). Die "Volksbefreiungsarmee Kurdistan" (ARGK) führt den bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei. In der Bundesrepublik Deutschland hat die PKK ca. 3.000 bis 4.000 Mitglieder; in Rheinland-Pfalz ca. 120. - 49 - 3.3 Araber 3.3.1 "FATAH-Generalkommando der ASSIFA-Streitkräfte - Revolutionsrat" ("ABU-NIDAL-Organisation"/ANO) Im Jahre 1972 löste sich die ANO um ihren Führer Hassan Sabri AL BANNA alias "ABU NIDAL" (Vater des Kampfes) im Irak von der "AL FATAH" des Yassir ARAFAT. Sie gehört seitdem zu den gefährlichsten und aktivsten palästinensischen Terrororganisationen. Eine Verhandlungslösung des Palästinakonfliktes lehnt sie strikt ab. Die ANO verfügt auch im außerarabischen Raum über konspirative Strukturen. 3.3.2 HIZB ALLAH ("Partei Gottes") Die Schiitenbewegung wurde im Jahre 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gebildet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen "Gottesstaates" im Libanon nach iranischem Vorbild. Sie lehnt die Existenz des Staates Israels strikt ab und entwickelt terroristische Aktivitäten gegen den jüdischen Staat. Im Bundesgebiet, so auch in Rheinland-Pfalz, sind Mitglieder/Anhänger der HIZB ALLAH festgestellt worden. 3.3.3 "Islamischer Bund Palästina" (IBP)/"Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) Die sunnitisch-extremistische Organisation, die im Jahre 1987 gegründet wurde, verfügt über eine starke Anhängerschaft in den von Israel besetzten Gebieten und operiert dort gegen israelische Interessen. Im Bundesgebiet halten sich einzelne Mitglieder der Organisation auf. - 50 - 3.3.4 "Muslimbruderschaft" (MB) Seit dem Jahre 1928 existiert in Form der MB ein Zusammenschluß sunnitisch-extremistischer Moslems. In Ägypten und Syrien entwickelt die MB seit längerer Zeit Bestrebungen zum Umsturz der dortigen Regierungen, was in der Vergangenheit immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen geführt hat. In der Bundesrepublik Deutschland halten sich mehrere hundert Mitglieder der MB auf. 3.3.5 "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete Teilorganisation der PLO wurde im Jahre 1967 gegründet. Ihr Ziel ist die Schaffung eines panarabischen Staates. In diesem Sinne verübte die Organisation in der Vergangenheit eine Vielzahl von Terroranschlägen vornehmlich gegen Israel und proisraelische europäische Staaten. Die PFLP verfügt im Bundesgebiet über konspirativ arbeitende Mitglieder. 3.3.6 "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) Im Jahre 1968 spaltete sich die PFLP-GC unter der Leitung von Ahmed JIBRIL von der PFLP ab. Von ihrem Sitz in Damaskus aus führte sie seitdem zahlreiche Terrorakte in Israel und in den von Israel besetzten Gebieten sowie in Westeuropa durch. In der Bundesrepublik Deutschland sind zwei Angehörige der Organisation inhaftiert. - 51 - 3.4 Iraner 3.4.1 "Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (MSV) Die islamisch-fundamentalistisch, marxistisch geprägte MSV unterstützt im Bundesgebiet die im Jahre 1965 gegründete "Volksmojahedin-Organisation Iran" (PMOI). Diese richtet sich gegen das "Mullah-Regime" im Iran und beabsichtigt dessen gewaltsamen Sturz. In der Bundesrepublik Deutschland halten sich mehrere hundert Mitglieder der MSV auf, die propagandistisch für die PMOI tätig sind und diese auch finanziell unterstützen. 3.4.2 "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.) Die U.I.S.A. wurde Anfang der 60er Jahre gegründet und vereinigt fanatische Anhänger des verstorbenen Ayatollahs KHOMEINI und des islamischen Regimes im Iran. Im Bundesgebiet halten sich mehrere hundert U.I.S.A.-Anhänger und Mitglieder auf. 3.5 Iren "Provisorische Irische Republikanische Armee" (PIRA) Im Jahre 1969 spaltete sich die "Irische Republikanische Armee" (IRA) in die "Offizielle Irische Republikanische Armee" (OIRA) und die PIRA auf. Die marxistisch-leninistisch geprägte OIRA verlor in der Folgezeit kontinuierlich an Bedeutung, während die nationalistisch orientierte PIRA sich seitdem zum maßgeblichen Faktor des terroristischen Kampfes gegen die britische Präsenz in Nordirland entwickelt - 52 - hat. In der Vergangenheit führte die PIRA auch mehrere schwere Anschläge gegen britische Militärangehörige und britische Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland durch. 3.6 Jugoslawen 3.6.1 "Kroatischer Nationalrat" (HNV) Der HNV versteht sich als nationalistischer Dachverband kroatischer Emigrantenvereinigungen. Er hat sich die Wiederherstellung eines "unabhängigen Staates Kroatien" zum Ziel gesetzt und befürwortet in diesem Sinne die Anwendung revolutionärer Gewalt im ehemaligen Jugoslawien. In HNV-Ortsgruppen sind mehrere hundert Mitglieder im Bundesgebiet organisiert. 3.6.2 "Nationaldemokratische Liga der albanischen Treue" (N.D.SH.) Die extrem nationalistische Organisation strebt einen Staat Albanien in seinen ethnischen Grenzen - also unter Einschluß des serbisch beherrschten Kosovo-Gebietes - an. Mehrere Zweiggruppen der Organisation befinden sich auch im Bundesgebiet. 3.7 Inder "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Die im Jahre 1984 in London gegründete ISYF fungiert als weltweite Auslandsorganisation der "All India Sikh Student Federation" (AISSF) und strebt einen selbständigen Staat in der indischen Provinz Punjab an. Die deutsche Sektion der ISYF wurde im - 53 - Jahre 1985 gegründet. Mehrere Hundert ihrer Mitglieder halten sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. 3.8 Tamilen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) Die LTTE strebt die Errichtung eines unabhängigen sozialistisch-antiimperialistisch geprägten Tamilenstaates im Norden ihres Heimatlandes Sri Lanka an. Ihren gewalttätigen "Befreiungskampf" finanziert diese mitgliederstarke linksgerichtete Organisation auch mit "Spenden", die Landsleuten in der Bundesrepublik Deutschland auch durch Gewaltandrohung abgepreßt werden. - 54 - D. Anhang Rechtliche Grundlagen Grundgesetz Artikel 73 (Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungeshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, Artikel 87 (Gegenstände bundeseigener Verwaltung) (1) ... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. LandesverfassungsSchutzgesetz vom 26. März 1986 (GVB1. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVB1. S. 80), BS 12-2 SS 1 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, - 55 - 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt ferner mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS 2 Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS 3 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. - 56 - (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS 5 Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS 6 Inf ormati onsübermi ttl ung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokrati- - 57 - sehe Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. (6) Gesetzliche Übermittlungsverbote bleiben unberührt. SS 7 Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. - 58 - (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS 8 Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. SS 9 Errichtungsanordnung f ü r automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung f e s t z u l e - gen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. - 59 - SS 11 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVB1. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 Befugnisse der Pariamentari sehen Kontrol 1kommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 14 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVB1. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVB1. S. 769), BS 12-2, außer Kraft.