Ministerium des Innern Verfassungsschutzbericht 1990 Verfassungsschutzbericht 1990 Mainz, April 1991 Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers Ministerium des Innern Rheinland-Pfalz Satz und Druck: Druckbetrieb Lindner, Mainz ISSN 0937-0366 - 3 - Vorwort Am 3. Oktober 1990 wurde endlich nach über 40 Jahren der Teilung die Wiedervereinigung Deutschlands durch den Beitritt der ehemaligen DDR vollzogen. Seitdem gilt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung und seiner wehrhaften Demokratie für Gesamtdeutschland. Die Bürger Ostdeutschlands, die seit dem Jahre 1933 in einer Diktatur gelebt haben, werden trotz ihrer negativen und leidvollen Erfahrungen mit der Staatsmacht, insbesondere mit der "Stasi", erkennen, daß sich auch der freiheitliche demokratische Rechtsstaat durch staatliche Institutionen gegen seine Feinde verteidigen muß. Eine schutzlose, d.h. absolut wertfreie Demokratie, die sich zur Disposition stellt, hat keine Überlebenschance, wie das Beispiel der Weimarer Republik zeigt. Zu den staatlichen Instrumenten der wehrhaften Demokratie zählt der im Grundgesetz verankerte Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem" gegenüber extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen. Während die "Stasi" verbrecherischen Amtsträgern eines totalitären Systems diente, um deren Macht durch eine totale Überwachung der Bürger zu sichern, und sogar der RAF "Hilfe" für deren terroristische Anschläge leistete, wirkt der Verfassungsschutz mit, den inneren Frieden unseres freiheitlichen Rechtsstaates zu wahren und das Entstehen einer Diktatur oder Anarchie zu verhindern. Der Verfassungsschutz hält bei der Erledigung seiner Aufgaben die Freiheit des einzelnen und den Schutz des Gemeinwesens in einem ausgewogenen Verhältnis. Er ist an Recht und Gesetz gebunden und unterliegt, wie kaum eine andere Behörde, einer strengen Kontrolle durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, Gremien und Personen. Trotz geänderter Aufgabenstellungen der Nachrichtendienste durch den Demokratisierungsprozeß in den Ländern Osteuropas kann es sich ein freiheitlicher Rechtsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland nicht leisten, auf den Verfassungsschutz zu - 4 - verzichten. Dieser ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Staates. Es gibt in der ganzen Welt keinen Staat von Belang, der nicht über vergleichbare Einrichtungen verfügt. Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1990 informiert auch dieses Mal wieder die Öffentlichkeit zusammenfassend über den politischen Extremismus und über Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste. Er ist nicht nur Ausfluß der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung. Die Regierung kommt mit dem Bericht zugleich einer Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1975 nach, auch den interessierten Bürger über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte in Kenntnis zu setzen. Damit soll gewährleistet werden, daß sich unsere Gesellschaft aktiv an der geistig-politischen Auseinandersetzung mit den Gegnern unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung beteiligen kann. Sachlich und frei von parteipolitischen Einflüssen zeigt der Verfassungsschutzbericht wichtige Tatsachen, Entwicklungen und relevante Zusammenhänge auf. Trotz der im Bericht beschriebenen verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen ist die sicherheitspolitische Lage in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Rheinland-Pfalz stabil geblieben. Extremisten von rechts und von links versuchen zwar immer wieder, diese Stabilität zu erschüttern, doch ist unser freiheitlicher Rechtsstaat ihnen überlegen. Er wird es auch in Zukunft sein, wenn der gemeinsame Konsens seiner Bürger, von dem unsere wehrhafte Demokratie ihre Geltung bezieht, erhalten bleibt. Auch in diesem Jahr geht der Verfassungsschutzbericht über den jährlichen Berichtszeitraum hinaus und schildert die Sicherheitslage bis Februar 1991, um die extremistischen Aktivitäten gerade im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt aktuell zu berücksichtigen. Rudi Geil Staatsminister - 5 - INHALTSVERZEICHNIS Seite Überblick 11 A. Linksextremismus 23 1. Orthodoxer Kommunismus 23 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 24 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 24 1.1.2 Situation der DKP 27 1.1.3 Situation der DKP in Rheinland-Pfalz 29 1.1.4 Beteiligung an der Bundestagswahl 30 1.1.5 Bündnispolitik 31 1.2 Nebenorganisationen der DKP 33 1.2.1 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) 34 1.2.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 35 1.2.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB) 36 1.3 DKP-beeinflußte Organisationen 37 1.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 38 1.3.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) 40 1.3.3 "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) 43 1.3.4 "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen e.V." (DFG-VK) - Bundesverband - 43 2. Linksextremistische Aktivitäten gegen die Wiedervereinigung und Einflußnahme auf die Kampagne gegen den Golfkrieg 45 3. Revolutionäre Marxisten 46 3.1 "Marxistische Gruppe" (MG) 47 3.2 "Radikale Linke" 48 - 6 - 3.3 "Kommunistischer Bund" (KB) 49 3.4 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 49 3.5 "Vereinigte Sozialistische Partei"(VSP) 50 4. Marxisten-Leninisten 51 4.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 51 4.2 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 52 4.3 Trotzkistische Gruppen 53 5. Anarchisten 53 5.1 Autonome 54 5.2 "Gewaltfreie Aktionsgruppen" 59 5.3 "Anarcho-syndikalistische" und "anarchokommunistische" Gruppen 61 5.4 Anarchistische "Theoriegruppen" 62 6. Linksextremistischer Terrorismus 62 6.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 63 6.1.1 Kommandobereich der RAF 63 6.1.2 "Militante der RAF" ("Kämpfende Einheiten") 69 6.1.3 Umfeld der RAF 70 6.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 73 6.3 Sonstige terroristische Aktivitäten 74 Rechtsextremismus 79 1. "Nationaldemokratische" Organisationen 84 1.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 84 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 84 1.1.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand 88 1.1.3 Finanzierung 90 1.1.4 Schulung 91 - 7 - 1.1.5 Pressearbeit 91 1.1.6 Wahlen 92 1.1.6.1 Bundestagswahl 93 1.1.6.2 Landtagswahlen 96 1.1.6.3 Kommunalwahlen 97 1.1.7 Parteitage 97 1.1.7.1 Bundesparteitag 97 1.1.7.2 "Vereinigungsparteitag" 99 1.1.7.3 Landesparteitag 99 1.1.8 Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung 100 1.1.9 Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt 101 1.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 102 2. "National-freiheitliche" Organisationen 105 2.1 Ideologisch-politischer Standort 105 2.2 Organisationen 108 2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften 108 2.2.2 "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) 109 2.2.2.1 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand 109 2.2.2.2 Wahlen 111 2.2.2.3 Großkundgebungen in Passau 111 2.3 Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung 113 2.4 Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt 114 3. Neonazistische Organisationen 116 3.1 Neonazistische Ideologie 116 3.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederzahlen 117 3.3 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 118 3.4 "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) 121 - 8 - 3.5 "Deutsche Alternative" (DA) 123 3.6 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 124 3.7 "Nationalistische Front (NF) 125 3.8 "Nationale Offensive" (NO) 126 3.9 "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP-AO) 127 3.10 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" 128 3.11 "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) 129 4. Sonstige Vereinigungen 130 4.1 "Stahlhelm e.V. Kampfbund für Europa Landesverband Pfalz-Saar" 130 4.2 Wählergemeinschaft "Deutsche Allianz - Heimatbündnis Rheinland-Pfalz" (DA) 130 5. Das rechtsextremistische Potential der Skinheads 131 6. Revisionismuskampagne 132 7. Computerspiele 134 C. Ausländerextremismus 137 1. Türken 138 1.1 Linksextremisten 138 1.1.1 Orthodoxe Kommunisten 139 1.1.2 "Neue Linke" 140 1.2 Extreme Nationalisten 144 1.3 Islamische Extremisten 145 2. Kurden 148 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 148 - 9 - 3. Iraner 156 3.1 Orthodoxe Kommunisten 156 3.2 "Neue Linke" 157 3.3 Monarchisten 158 3.4 Islamische Fundamentalisten 159 4. Araber 159 5. Iren 165 6. Sikhs 167 7. Tamilen 168 D. Spionageabwehr 171 1. Die geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht 171 2. Allgemeiner Überblick 173 3. Werbung von Agenten 177 4. Auftragsschwerpunkte 178 5. Führung von Agenten 179 6. Einzelfälle 181 Öffentlichkeitsarbeit 185 F. Anhang 187 Rechtliche Gründlagen 187 Abkürzungsverzeichnis 193 Die im Verfassungsschutzbericht 1990 aufgeführten Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die alten Bundesländer. - 11 - Überblick 1. Linksextremismus 1.1 Orthodoxer Kommunismus Der seit 1987 in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) herrschende Richtungsstreit zwischen dogmatischen "Traditionalisten" und reformwilligen "Erneuerern" endete Anfang 1990 mit der Trennung der "Erneuerer" von der DKP. Dies führte im Berichtszeitraum bei der DKP zu einem weiteren drastischen Mitgliederrückgang; die Partei hatte Ende 1990 bundesweit nur noch etwa 11.000 Mitglieder (1989 ca. 22.000), in Rheinland-Pfalz noch etwa 300 (1989 ca. 700). Der Zusammenbruch des "realen Sozialismus" in der DDR brachte nicht nur das Ende der finanziellen Unterstützung der DKP durch die frühere "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED), sondern nahm ihr gleichzeitig auch den ideologischen Rückhalt. Bis zum Jahr 1989 hatte die DKP jährlich bis zu 70 Millionen DM aus der DDR auf geheimem Wege erhalten. Das Ausbleiben dieser Gelder trifft inzwischen alle orthodox-kommunistischen Organisationen in den westlichen Bundesländern. Dennoch ist ihr Handeln nicht völlig zum Erliegen gekommen; fast alle Organisationen führen ihre Opposition gegen die "kapitalistische" Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung in verkleinertem Umfang fort. Insbesondere die "Deutsche Friedens-Union" (DFU) sowie die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) haben ihren Willen bekundet, in diesem Sinne politisch weiterzuarbeiten. - 12 - 1.2 Revolutionäre Marxisten, Marxisten-Leninisten, Anarchisten Die früher wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem orthodoxen Kommunismus als "Neue Linke" bezeichneten Gruppen gerieten 1990 in den Sog der "Partei des Demokratischen Sozialismus Linke Liste" (PDS Linke Liste) und des Bündnisses "Radikale Linke". Dadurch mußten sie teilweise größere Einbußen bei ihrem Mitgliederbestand hinnehmen. In Rheinland-Pfalz betätigen sich marxistische Gruppen vor allem in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Unter den anarchistisch ausgerichteten Gruppierungen stellen die "Autonomen" mit nahezu 2.300 Personen in den westlichen Bundesländern schon seit Jahren ein beachtliches Protestpotential dar. Hervorzuheben sind ihre militanten Aktionsformen, die im Jahre 1990 verstärkt im Rahmen des "AntifaschismusKampfes" und bei Hausbesetzungen ("Häuserkampf") zum Ausdruck kamen. 1.3 Linksextremistischer Terrorismus Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch terroristische Anschläge hält unvermindert an, auch wenn ihre Zahl im Berichtsjahr 1990 auf 77 gegenüber 105 im Jahre 1989 zurückgegangen ist. Der weiterhin 15 bis 20 Mitglieder zählende Kommandobereich der "Rote Armee Fraktion" (RAF) hat am 27. Juli 1990 mit dem Anschlag auf den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans Neusei, erneut seine Fähigkeit zu brutalen kriminellen Handlungen unter - 13 - Beweis gestellt. Darüber hinaus bekannte er sich Anfang März 1990 zu einer geplanten Aktion gegen den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ignaz Kiechle, die tatsächlich jedoch nicht durchgeführt worden ist. Die "Militanten der RAF", die sogenannte zweite kämpfende Ebene, haben im Jahre 1990 zwei Sprengstoff anschlage und einen Brandanschlag verübt und damit die Offensive des Kommandobereichs unterstützt. Angehörige des RAF-Umfeldes, von dem etwa 250 Personen dem engeren Umfeld zugerechnet werden, waren 1990 für einen Sprengstoff anschlag und fünf Brandanschläge verantwortlich. Besondere Aktivitäten entwickelte das RAF-Umfeld im Berichtsjahr im Rahmen einer Solidaritätskampagne für die seit dem 30. November 1989 im Hungerstreik befindlichen 52 Gefangenen der spanischen Terrorgruppe GRAPO ("Grupos de Resistencia Antifascista de Primero de Octubre") und der mit ihr in enger Verbindung stehenden politischen Organisation PCE(r) ("Partido Communista de Espana (reconstituido)"). In diesem Zusammenhang wurden von RAF-Unterstützern sowie von Personen aus dem autonomen bzw. anarchistischen Spektrum Demonstrationen, Besetzungsaktionen, zahlreiche Schmierund Plakataktionen durchgeführt. In Rheinland-Pfalz beteiligte sich das RAFUmfeld vorwiegend in den Großräumen Mainz und Kaiserslautern an solchen Aktivitäten, wie dem wöchentlichen "Solidaritätstrommeln" in Mainz. Von den "Revolutionären Zellen" (RZ) gingen auch 1990 nur geringe Aktivitäten (ein Sprengstoffanschlag und vier Brandanschläge) aus, die vermutlich - 14 - immer noch auf die im Dezember 1987 gegen sie durchgeführten umfangreichen Exekutivmaßnahmen zurückzuführen sind. Die Zahl der Brandund Sprengstoffanschlage aus dem Bereich des weiteren terroristischen Spektrums ist im Vergleich zum Vorjahr (59) auf 51 zurückgegangen. Ebenso haben sich gegenüber 1989 die von dem sogenannten weiteren terroristischen Umfeld verübten Eingriffe in den Eisenbahnverkehr und Anschläge auf Einrichtungen der Energiewirtschaft von 29 auf 11 reduziert. In Rheinland-Pfalz wurden 1990 von Angehörigen des terroristischen Umfeldes mehrere Schmieraktionen, die im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der in Spanien inhaftierten Angehörigen der GRAPO/ PCE(r) standen, begangen. 2. Rechtsextremismus Im Jahre 1990 verzeichneten die rechtsextremistischen Organisationen bundesweit erstmals seit dem Jahre 1982 eine Abnahme ihres Mitgliederbestandes. Gegenüber dem Vorjahr ging die Gesamtmitgliederzahl um ca. 3.600 von ca. 35.900 auf ca. 32.300 zurück. Diese Rechtsextremisten sind nunmehr in 69 Vereinigungen zusammengeschlossen. Daneben gibt es noch ca. 150 Neonazis, die nicht organisiert sind. Der beachtliche Rückgang geht vornehmlich auf die Entwicklung der im Jahre 1987 gegründeten "national-freiheitlichen" Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY zurück, die auch für das beträchtliche Ansteigen des Rechtsextremismus in den letzten beiden Jahren verantwortlich war. Etwa 160 Neonazis gelten als mili- - 15 - tant. Hinzu kommen mindestens 500 militante Skinheads, die entweder eindeutig neonazistisch sind oder zumindest Anhaltspunkte für eine neonazistische Gesinnung erkennen lassen. Entsprechend dem bundesweiten Trend nahm auch in Rheinland-Pfalz die Zahl der Rechtsextremisten ab. Sie beträgt nunmehr ca. 1.900. Durch die Gewaltbereitschaft aggressiver und zum Teil unberechenbarer Fanatiker bedroht der Rechtsextremismus die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wiewohl er angesichts der geringen Zahl seiner Anhängerschaft und der minimalen Zustimmung bei Wahlen nicht ernsthaft die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet. Die politischen Veränderungen in der ehemaligen DDR seit Oktober 1989 nahmen die rechtsextremistischen Organisationen zum Anlaß, im Rahmen ihrer Forderung nach einem neutralen wiedervereinigten Deutschland nationalistische Agitation sowie Wählerund Mitgliederwerbung insbesondere unter den Übersiedlern, deutschstämmigen Aussiedlern und Bewohnern der ehemaligen DDR zu betreiben. Auch bemühten sie sich, ihre Strukturen auf die fünf neuen Bundesländer auszudehnen. Im Golfkonflikt ergreifen die rechtsextremistischen Organisationen aufgrund ihres Antiamerikanismus, Antisemitismus und Antizionismus einseitig für den irakischen Staatschef Saddam HUSSEIN Partei und agitieren gegen die Vereinigten Staaten von Amerika sowie gegen Israel. 2.1 "Nationaldemokratische" Organisationen Entsprechend der Entwicklung des Gesamtmitgliederbestandes der rechtsextremistischen Organisationen ging im Jahre 1990 die Mitgliederzahl der "Nationaldemokratischen Partei" (NPD) und ihrer Jugendorgani- - 16 - sation, der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), erstmals seit dem Jahre 1982 zurück. Der Mitgliederbestand beider Organisationen verringerte sich bundesweit von ca. 7.000 auf ca. 6.500 bzw. von ca. 900 auf ca. 750. In Rheinland-Pfalz nahm die Mitgliederzahl von mehr als 400 auf ca. 350 bzw. von ca. 70 auf ca. 30 ab. Bei der Bundestagswahl 1990, zu der die NPD als einzige rechtsextremistische Partei kandidierte, mußte sie sowohl im Bundesgebiet als auch in Rheinland-Pfalz mit 0,3 % der Zweitstimmen erhebliche Einbußen gegenüber der Bundestagswahl 1987 hinnehmen (im Bundesgebiet 0,7 %, in Rheinland-Pfalz 0,6 % der Zweitstimmen). Wegen des schlechten Ergebnisses trat Rechtsanwalt Martin MUßGNUG aus Tuttlingen, der die NPD seit dem Jahre 1971 geführt hatte, von seinem Amt zurück. Die NPD konnte ihre Organisationsstruktur auf die ehemalige DDR ausdehnen und verfügt nunmehr über 16 Landesverbände. 2.2 "National-freiheitliche" Organisationen Die "national-freiheitlichen" Organisationen, die sich im wesentlichen aus der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) zusammensetzen, hatten von allen rechtsextremistischen Vereinigungen den größten Mitgliederrückgang zu verzeichnen (Durch Satzungsänderung wurde am 16. Februar 1991 die "Deutsche Volksunion - Liste D" in "Deutsche Volksunion" umbenannt.). Vorsitzender beider Organisationen ist der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY. Die "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) hat einen Mitgliederbestand von ca. 11.500. Das sind 1.000 Perso- - 17 - nen weniger als im Vorjahr. In Rheinland-Pfalz verringerte sich die Mitgliederzahl auf ca. 1.000 (1989: über 1.100). Die Mitgliederzahl der Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) ging gegenüber dem Jahre 1989 von ca. 25.000 auf ca. 22.000 zurück. In dieser Zahl sind die Mitglieder des Vereins DVU enthalten, die durch Satzungsänderung in die Partei DVU übernommen worden sind. Im Landesverband Rheinland-Pfalz verringerte sich die Mitgliederzahl auf ca. 1.400 Mitglieder (1989: ca. 1.500). Das relativ schlechte Abschneiden der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) bei der Europawahl am 18. Juni 1989 (im Bundesgebiet 1,6 % und in Rheinland-Pfalz 1,5 % der Stimmen) war für die Partei offensichtlich Veranlassung, ihre Aktivitäten einzuschränken. Sie nahm weder an der Bundestagswahl noch an den Landtagswahlen teil. Das Wahlbündnis mit der NPD fand mit der Bundestagswahl 1990 formell sein Ende. Die von Dr. FREY herausgegebenen Wochenzeitungen nutzten die Wiedervereinigung, ihre nationalistischen Thesen zu vertreten und dabei gleichzeitig für die "national-freiheitlichen" Organisationen zu werben. Im Golfkonflikt entfachten die Zeitungen eine Hetzkampagne gegen die Vereinigten Staaten von Amerika . 2.3 Neonazistische Organisationen Innere Zerstrittenheit und mangelnde Anziehungskraft kennzeichnen nach wie vor die Lage der neonazistischen Organisationen. Gegenüber dem Jahre 1989 verringerte sich die Gesamtzahl der Neonazis von ca. - 18 - 1.300 auf ca. 1.200. Davon sind etwa 1.050 Personen in 27 Gruppierungen zusammengeschlossen. Die Zahl der militanten Neonazis ging gegenüber dem Vorjahr um ca. 10 auf 160 zurück. In Rheinland-Pfalz sind weiterhin ca. 30 Neonazis bekannt. Bei ihren Bemühungen, in den neuen Bundesländern Mitglieder zu gewinnen und Organisationsstrukturen aufzubauen, hatten die neonazistischen Organisationen in begrenztem Umfang Erfolg. Die bekannteste neonazistische Organisation, die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), die seit dem Jahre 1988 von heftigen internen Zwistigkeiten erschüttert wird, verzeichnete gegenüber dem Vorjahr einen Mitgliederrückgang von ca. 330 auf ca. 200. Sofern sie sich überhaupt an Wahlen beteiligt, findet sie keine Zustimmung. Nach ihrem Rückzug aus der FAP im September 1989 sind die Anhänger des ehemaligen Leiters der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA), Michael KÜHNEN, in der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) organisiert. Daneben treten KÜHNEN und seine Gesinnungsgenossen u.a. mit der am 5. Mai 1989 gegründeten und als legaler Parteiarm dienenden "Deutschen Alternative" (DA) an die Öffentlichkeit. Mitglieder der "Gesinnungsgemeinschaft" erklärten sich in Rundfunkund Fernsehinterviews bereit, im Golfkrieg als Freiwillige für den irakischen Staatschef HUSSEIN zu kämpfen. Dem "Neonazikreis um Curt MÜLLER" in Mainz kommt durch seine überregionalen neonazistischen Veranstaltungen nach wie vor eine über Rheinland-Pfalz hinausgehende Bedeutung zu. Die von dem seit dem Jahre 1989 inhaftierten Neonazi Ernst TAG mitgegründete "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) entfaltet wenig Aktivitäten. - 19 - 2.4 Sonstige Vereinigungen Am 20. Dezember 1990 wurde in Kaiserslautern die "Deutsche Allianz - Heimatbündnis Rheinland-Pfalz" (DA) gegründet. Sie schloß ein Wahlbündnis mit dem NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz und beabsichtigt, an der Landtagswahl am 21. April 1991 teilzunehmen. 3. Ausländerextremismus Die weit überwiegende Mehrheit der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland widersteht extremistischen Bestrebungen und achtet die Rechtsordnung des Gastlandes. Die extremistischen Ausländer befassen sich vornehmlich mit vermeintlichen oder tatsächlichen Mißständen in ihren Ländern. Zur Durchsetzung ihrer Anliegen führen sie Informationsveranstaltungen durch, verteilen Flugblätter und initiieren Demonstrationen. Sie bedienen sich aber auch aggressiver Protestformen, wie Besetzungen, oder wenden sogar konspirative und terroristische Mittel an. Breiten thematischen Raum nahmen im Berichtszeitraum neben ihrer rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik Deutschland die politischen Veränderungen in Mittelund Osteuropa sowie die durch den Einmarsch irakischer Truppen am 2. August 1990 in Kuwait hervorgerufene Krise in der Golfregion ein. Durch die im Zusammenhang mit diesem Konflikt weltweit angekündigten und durchgeführten Anschläge hat sich die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland verschärft. Hierfür sind offizielle irakische Stellen, arabisch-palästinensische Terroror- - 20 - ganisationen, islamisch-fundamentalistische Vereinigungen und die der "Neuen Linken" zuzurechnende türkische, in der Bundesrepublik Deutschland verbotene "Devrimci Sol" (Dev Sol, Revolutionäre Linke) verantwortlich. Die größte Gefahr geht dabei von den beiden arabisch-palästinensischen Terrorgruppen, der "Palästinensischen Befreiungsfront" (PLF) und der "ABU NIDAL-Organisation" (ANO), sowie der Dev Sol aus, die im Januar und Februar 1991 eine Reihe von Anschlägen in der Türkei durchführte. Zur Bedrohung der inneren Sicherheit trägt die terroristische "Provisional Irish Republican Army" (PIRA) bei. Durch zwei Anschläge und einen Anschlagsversuch im Berichtszeitraum in der Bundesrepubik Deutschland kam ein britischer Offizier ums Leben und ein deutscher Polizeibeamter wurde verletzt. Mit Bombenanschlägen am 18. Februar 1991 in London, bei denen ein Mensch ums Leben kam, rückte die PIRA von ihrem bisherigen Vorgehen ab, Opfer unter der Bevölkerung zu vermeiden. Wie im Vorjahr war auch im Berichtszeitraum Rheinland-Pfalz in die Logistik der PIRA einbezogen. Zu den aktivsten extremistischen Gruppierungen zählt nach wie vor die konspirativ agierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), deren Aktionsschwerpunkte im Berichtszeitraum Solidaritätsveranstaltungen für Funktionäre waren, gegen die Prozesse in Düsseldorf und Celle u.a. wegen Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Mordes, Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung geführt werden. - 21 - Spionageabwehr Im Jahre 1990 wurden weit mehr Agenten der östlichen und der ehemaligen DDR-Geheimdienste enttarnt als in den Jahren zuvor. Besonders schwerwiegend waren u.a. die Spionagefälle im Bereich der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden. Dadurch wurde die Abwehrarbeit während der letzten Jahre erheblich beeinträchtigt. Die Nachrichtendienste der ehemaligen DDR wurden in der ersten Jahreshälfte 1990 aufgelöst. Auch während der Auflösungsphase gingen von ihnen nachrichtendienstliche Aktivitäten aus, die angeblich der Beendigung von Agentenverbindungen dienten. Es ist davon auszugehen, daß ehemalige Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit an sowjetische oder andere östliche Geheimdienste übergeben oder von diesen überworben sind. Auch im Berichtszeitraum setzten die sowjetischen Auslandsnachrichtendienste ihre geheimdienstlichen Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland fort. Damit ist nach gesicherten Erkenntnissen auch in Zukunft zu rechnen. - 23 - Linksextremismus Orthodoxer Kommunismus Der seit 1987 in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) herrschende Richtungsstreit zwischen dogmatischen "Traditionalisten" und reformwilligen "Erneuerern" endete Anfang 1990 mit der Trennung der "Erneuerer" von der DKP. Alle führenden "Erneuerer" traten aus der DKP aus und suchten neuen politischen 2 Zusammenhalt im "Sozialistischen Forum" , das sich als lockerer Zusammenschluß von reformfreudigen Linksextremisten aller Schattierungen auf sozialistischer Grundlage versteht. Der Zusammenbruch des "realen Sozialismus" in der DDR brachte nicht nur das Ende der finanziellen Unterstützung der DKP durch die frühere "Sozialistische Einheitspartei 3 Deutschlands" (SED) , sondern nahm ihr gleichzeitig auch den ideologischen Rückhalt. Darunter litt im Berichtszeitraum die politische Arbeit der DKP ebenso nachhaltig wie die der mit ihr verbundenen Nebenorganisationen - "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP), Die "Erneuerer" wollten das Organisationsprinzip des "demokratischen Sozialismus" zugunsten basisdemokratischer oder liberaler Strukturen überwinden und zielten auf eine radikale Veränderung und Erneuerung der DKP ab. Die "Traditionalisten" dagegen wollen mit gewissen Abstrichen die Strukturen der Partei aufrechterhalten. Sie halten auch an ihren verfassungsfeindlichen Zielen fest und treten im Gegensatz zum reformistischen Sozialismus der "Erneuerer" für einen revolutionären Sozialismus ein. Auf Betreiben ehemaliger DKP-Funktionäre im März/April 1990 als "Netzwerk" gebildet, um Personen und Projekte der "Linken" zu verknüpfen und "linke Alternativen" zur Deutschlandpolitik zu entwickeln. Seit dem 4. Februar 1990 nennt sie sich "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). - 24 - - "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), - "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB), sowie der von ihr beeinflußten Organisationen (sogenannte Vorfeldorganisationen), wie - "Deutsche Friedens-Union" (DFU), - "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) , - "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ), - "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen" (DFG-VK). Das Ausbleiben der bisherigen "SED-Millionen" trifft inzwischen alle orthodox-kommunistischen Organisationen in den westlichen Bundesländern. Dennoch ist ihr Handeln - selbst nach Kündigung aller hauptamtlichen DKP-Mitarbeiter und Aufgabe fast aller Parteibüros sowie der Schließung der zentralen Geschäftsstellen der DFU und der WN-BdA - nicht zum Erliegen gekommen, wie beispielsweise aus dem Aufruf der DKP zur Beteiligung am Aktionstag gegen die Abwendung eines Krieges in der Golfregion am 12. Januar 1991 hervorgeht ("Unsere Zeit" (UZ), Zentralorgan der DKP, vom 21. Dezember 1990). 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort Die nach dem Zerfall des "realen Sozialismus" in der früheren DDR stark geschwächte DKP betrachtet sich nach eigenen Angaben weiterhin als die "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" auf der von Marx, Engels und Lenin entwickelten "wissenschaftlichen - 25 - Grundlage". Sie hält somit im wesentlichen an ihrer bisherigen Programmatik fest. Gleichwohl hat sie die Absicht, ihr auf dem 5. Parteitag am 21. Oktober 1978 in Mannheim beschlossenes "Mannheimer Programm" zu modifizieren, das zusammen mit den auf dem 8. Parteitag 1986 in Hamburg beschlossenen Thesen "Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit - für eine demokratische Wende" die politischen Ziele der DKP enthält. Hiernach versteht sich die DKP - auch heute noch - als "die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse der Bundesrepublik Deutschland" (S. 5, 72, 83). Sie bekennt sich zu der "Lehre von Marx, Engels und Lenin" (S. 7, 84, 86, 89) und tritt für die "sozialistische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" ein, die sie mit den Synonymen "sozialistische Umwälzung" (S. 68) und "politische Macht der Arbeiterklasse" (S. 59, 63) umschreibt. Zwar geht das Parteiprogramm noch von der vorbehaltlosen Anerkennung der von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU), der "stärksten und erfahrensten Partei der kommunistischen Weltbewegung" (S. 88), und der ehemaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebenen ideologischen und politischen Linie (S. 88 f) aus. Diese Anerkennung wird jedoch nicht mehr als eine Unterordnung unter den Führungsanspruch der KPdSU verstanden. Nach dem noch gültigen Parteiprogramm ist weiterhin Ziel der DKP die Errichtung des "Sozialismus durch eine grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland" Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Programm der Deutschen Kommunistischen Partei", herausgegeben vom DKP-Parteivorstand, Neuss 1978. - 26 - (S. 59). Einer Entschließung der DKP-Parteikonferenz am 24. Mai 1990 zufolge darf das "grundlegende Ziel einer sozialistischen Umgestaltung der BRD und eines aus BRD und DDR vereinigten Staates nicht aufgegeben werden" (UZ vom 1. Juni 1990). Diese Zielsetzung bekräftigte auch Heinz STEHR, Mitglied des Sprecherrats der DKP, auf der 6. DKP-Parteivorstandstagung am 22./23. September 1990 in Essen mit der Feststellung: "Ziel unserer weiteren Erneuerung muß es sein, eine neue revolutionäre Partei der Arbeiterklasse in der neuen deutschen Bundesrepublik aufzubauen". Diesem Ziel dienen auch die Kontakte der DKP zur "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) der ehemaligen DDR und zu der "Kommunistischen Plattform" 2 der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Aus diesen Aussagen ergibt sich, daß die DKP nach 3 wie vor verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Demgegenüber behauptet die DKP stets, "sie wirke auf dem Boden des Grundgesetzes" (S. 6) und "bekenne sich zu seinen demokratischen Prinzipien" (S. 6). Sie bejaht die Grundrechte allerdings nur insoweit, als sie nicht dem Weg des "Sozialismus" zuwiderlauDie am 31. Januar 1990 in Berlin (Ost) gegründete KPD will die Linie der 1946 in der SED aufgegangenen KPD fortsetzen. Die "Kommunistische Plattform" in der PDS umfaßt etwa 25.000 Parteimitglieder und will kommunistisches Gedankengut in Programmatik und Politik der PDS einbringen. Sie orientiert sich - ebenso wie die DKP - ausschließlich am "Marxismus-Leninismus" und strebt die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland auf "revolutionär-demokratischem" Wege an. Vgl. zur verfassungsfeindlichen Zielsetzung der DKP grundlegend das Bundesverwaltungsgericht im sogenannten PeterUrteil, NJW 1982, 779 (781 ff) und im sogenannten MeisterUrteil, DVB1. 1984, 955 (956 ff). Danach sind die politischen Bestrebungen der früheren KPD und der DKP inhaltsgleich, "so daß die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in dem KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956 (BVerfGE 5, 85) weiterhin auch für die DKP zutreffen" [(BVerwG, NJW 1982, 779 (781); BVerwG, DVB1. 1984, 955 (956)]. - 27 - fen. "Der Sozialismus gibt dem Volk alle Freiheit, gibt jedoch keinen Raum ... für diejenigen, die die Errungenschaften des Volkes und seine verfassungsmäßige Ordnung beseitigen wollen" (S. 64 f). Im Verfassungsverständnis der DKP geht die Staatsgewalt nämlich nicht vom ganzen Volk, sondern nur von der "werktätigen Bevölkerung" aus. Auch andere tragende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition werden von der DKP abgelehnt. Damit macht sie sich eine totalitäre Staatsauffassung zu eigen, wonach allein der Staat alle Macht und Autorität innehat. 1.1.2 Situation der DKP Der Zerfall des "realen Sozialismus" in Mittelund Osteuropa, der Wegfall der finanziellen Mittel von der ehemaligen SED sowie die Austritte der "Erneuerer" waren entscheidende Ursachen für ein weiteres Abdriften der DKP in die - sich schon seit Jahren abzeichnende - ideologische und personelle Krise. Um diese krisenhafte Entwicklung aufzuhalten, verabschiedete die DKP auf ihrem 10. Parteitag am 24./25. März 1990 in Dortmund ein neues, auf ein Jahr befristetes Statut, das neue Parteistrukturen vorsieht. Dementsprechend wählte der Parteitag an Stelle eines Bundesvorsitzenden einen gleichberechtigten vierköp- 2 figen Sprecherrat (zwei Manner und zwei Frauen) , Vgl. zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung BVerfGE 2,1 (13). Heinz STEHR, Anne FROHNWEILER, Helga ROSENBERG, Rolf PRIEMER. - 28 - der den bisherigen Parteivorsitzenden Herbert MIES und seine Stellvertreterin Ellen WEBER ablöste. Mit dem neuen Statut, das auch der Parteibasis mehr Mitspracheund Entscheidungsrechte einräumt, soll nach den Worten des neuen Sprecherratsmitglieds Rolf PRIEMER mit "überlebten, erschöpften Formen der Partei" gebrochen und "die vollständige Demokratisierung" der Partei begonnen werden. Gleichwohl will die DKP eine "revolutionäre Organisation der Arbeiterklasse" bleiben, die sich dem "orthodoxen Marxismus-Leninismus" verpflichtet fühlt. Der Parteitag beschloß auch, den bisherigen Parteivorstand von 98 auf 50 Mitglieder zu verkleinern; zwei Vorstandsmit- 2 glieder kommen aus Rheinland-Pfalz . In Anwesenheit von Vertretern der KPdSU und der PDS wurde auf dem 10. Parteitag ein Grußwort des PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi verlesen, in dem sich dieser für das "Maß an Verantwortung der alten SED am jetzigen desolaten Zustand der DKP" entschuldigte (UZ vom 30. März 1990). Die von der DKP-Basis erhofften politischen und organisatorischen Impulse gingen von diesem Parteitag jedoch nicht aus. Der Rechenschaftsbericht legt nämlich einen vollständigen Verlust der Handlungsfähigkeit, den Zerfall ganzer Parteiorganisationen, eine Identitätsund Existenzkrise sowie einen Tiefpunkt in der Entwicklung der DKP offen. Bundesweit hatte die DKP Ende 1990 nur noch etwa 11.000 Mitglieder (1989 ca. 22.000). Die Partei beschäftigte sich im Jahre 1990 hauptsächlich mit der Überwindung ihrer eigenen Krise hat für den neuen Parteivorstand nicht mehr kandi- . WEBER ist weiterhin Mitglied des Parteivorstandes. HILLESHEIM, Kettig und Silvia SCHALL, Worms. - 29 - sowie der Unterstützung der Kandidatur des Wahlbündnisses "Partei des Demokratischen Sozialismus Linke Liste" (PDS Linke Liste) zur Wahl des zwölften Deutschen Bundestages am 2. Dezember 1990. Die Parteierneuerung will die DKP bis zum 11. Parteitag im Mai 1991 abgeschlossen haben. 1.1.3 Situation der DKP in Rheinland-Pfalz Der bundesweite desolate Zustand der DKP wurde gleichermaßen auch in Rheinland-Pfalz deutlich. Der langjährige rheinland-pfälzische Bezirksvorsitzende Dieter DÖRFLINGER war in der "Erneuerungsbewegung" maßgeblich engagiert. Nachdem sich die "Erneuerer" jedoch mit ihren Ansichten in der DKP bundesweit nicht durchsetzen konnten, ist DÖRFLINGER am 15. Februar 1990 zusammen mit 15 weiteren führenden rheinland-pfälzischen Funktionären aus der DKP ausgetreten. Auf einer Bezirksdelegiertenkonferenz am 17. Februar 1990 in Kaiserslautern wählten die verbliebenen "Traditionalisten" deshalb zunächst einen "Arbeitsausschuß" aus Vertretern aller elf Kreisorganisationen, um die DKP in Rheinland-Pfalz bis zu Neuwahlen handlungsfähig zu erhalten. Die Wahl neuer Führungsgremien erfolgte auf der Bezirksmitgliederversammlung am 21. April 1990 in Koblenz. Die 54 stimmberechtigten Teilnehmer wählten, entsprechend der Neuordnung auf Bundesebene, einen Sprecherrat, dem sechs Personen angehören. Die bisherigen festen Organisationsstrukturen der DKP Rheinland-Pfalz, gegliedert in Bezirks-, KreisSchreibweise entsprechend der Veröffentlichung des Landeswahlleiters des Landes Rheinland-Pfalz über die zugelassenen Landeslisten für die Wahl zum zwölften Deutschen Bundestag am 2. Dezember 1990 ("Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz" Nr. 42 vom 12. November 1990). - 30 - und Ortsebene, wie sie sich noch bis Ende 1988 darstellten , sind weitgehend aufgelöst. Die in den größeren Städten vorhandenen Parteibüros wurden bis auf das in Worms geschlossen; den hauptamtlichen Mitarbeitern wurde gekündigt. Die ca. 300 verbliebenen DKP-Mitglieder (1989 noch ca. 700) zeigen kaum noch Aktivitäten. Die politische Arbeit auf Ortsebene ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Auch die früheren DKP-Betriebsgruppen in Rheinland-Pfalz haben ihre Tätigkeit eingestellt. Die internen Richtungskämpfe und die ausgebliebenen SED-Gelder wirkten sich auch auf die bislang übliche Pressearbeit der Partei in Rheinland-Pfalz nachteilig aus. Gab die DKP Ende 1989 noch fünf Betriebszeitungen (1988: 11) und 16 Ortsund Stadtteilzeitungen (1988: 28) heraus, erschienen bis Ende 1990 lediglich zwei Zeitungen in Bad Kreuznach ("Der Funke") und Worms ("Wormser DKP-Stadtnachrichten") mit geringer Auflage. Selbst das Parteiorgan der DKP "Unsere Zeit" (UZ) mußte wegen des Konkurses der UZ-Verlags-GmbH im Juni 1990 vorübergehend eingestellt werden. Seit August 1990 erscheint die UZ wieder regelmäßig alle 14 Tage in einer Auflage von 20.000 (vorher etwa 22.000) Exemplaren. Gedruckt wird sie von der Drukkerei COPE in Luxemburg, einem Unternehmen der "Kommunistischen Partei Luxemburgs". 1.1.4 Beteiligung an der Bundestagswahl Die DKP hat zugunsten des Wahlbündnisses PDS Linke Liste auf eine Kandidatur zur Bundestagswahl am Vgl. Verfassungsschutzbericht 1988, Seite 24 f. - 31 - 2. Dezember 1990 verzichtet . Sie legte auf der 5. DKP-Parteivorstandstagung am 25. August 1990 in Essen fest, dieses Bündnis zu unterstützen. Sechs DKP-Mitglieder kandidierten daraufhin in den westlichen Bundesländern für die PDS Linke Liste. Allerdings warf die DKP den anderen am Wahlbündnis mitwirkenden Personen und Gruppen, insbesondere den "Erneuerern" vor, eine Ausgrenzungspolitik ihr gegenüber zu betreiben, da diese eine Dominanz der DKP fürchteten. Deutlich wurde dies u.a. darin, daß die sechs kandidierenden DKP-Mitglieder, darunter aus Rheinland-Pfalz Beata HILLESHEIM, Mitglied des DKPParteivorstands und Mitglied des rheinland-pfälzischen DKP-Sprecherrates, auf aussichtslosen Plätzen einzelner Landeslisten der PDS Linke Liste nominiert wurden. Die Wahlkampfaktivitäten der DKP in Rheinland-Pfalz beschränkten sich in der Regel auf das Organisieren einiger Wahlveranstaltungen und Plakatieren für die PDS Linke Liste. Die PDS Linke Liste erreichte in Rheinland-Pfalz 0,2 % = 4.263 Stimmen . 1.1.5 Bündnispolitik Auch im Jahre 1990 setzte die DKP - entsprechend der marxistisch-leninistischen Strategie - ihre Bemühungen fort, mit nichtkommunistischen Kräften Bündnisse einzugehen. So konzentrierten sich die Bündnisbemühungen der DKP vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden WiederZur Bundestagswahl am 25. Januar 1987 hatte die DKP zugunsten der "Friedensliste" ebenfalls nicht kandidiert. Nach dem amtlichen Wahlergebnis zur Bundestagswahl 1990 erreichte die PDS Linke Liste insgesamt 1.129.578 = 2,4 % der Zweitstimmen. - 32 - Vereinigung in Deutschland insbesondere auf die Frage der künftigen Zusammenarbeit linker Kräfte in Deutschland und auf den Versuch, ein breites Wahlbündnis für die ersten gesamtdeutschen Wahlen zu schaffen. Hierzu führte die DKP gemeinsame Gespräche mit dem "Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD" (AB), dem "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK), dem "Kommunistischen Bund" (KB), der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) und der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP); aus der damaligen DDR beteiligten sich die PDS und die KPD. Diese Gespräche liefen im Ergebnis auf eine Unterstützung der PDS bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 hinaus. Ihre bündnispolitischen Bemühungen hat die DKP auch im Rahmen ihrer Forderung nach einer neuen Verfassung für das vereinigte Deutschland verstärkt. Der ehemalige DKP-Vorsitzende Kurt BACHMANN rief in der UZ vom 1. Juni 1990 zu einer "Verfassungskampagne" auf. Ebenso hat sich die WN-BdA dieses Themas angenommen. Gefordert wird, das Grundgesetz um die "Errungenschaften" der ehemaligen DDR zu bereichern. Nach Angaben des DKP-Parteivorstandsmitglieds Dirk KRÜGER Ende 1990 werden Unterschriften für einen entsprechenden Aufruf gesammelt, der von einem breiten Bündnis, dem auch die DKP angehöre, getragen werde (UZ vom 9. November 1990). Auch die Krise am Golf bot der DKP Ende 1990 Gelegenheit, weiter verstärkt bündnispolitisch aktiv zu sein. Aus diesem Anlaß rief der DKP-Parteivorstand auf seiner Tagung am 8./9. Dezember 1990 alle Mitglieder und Sympathisanten der Partei auf, Bündnisaktivitäten gegen einen Krieg am Golf zu initiieren oder zu unterstützen. Gleichzeitig beschloß er, am 1 Parteivorsitzender von 1969 bis 1973. - 33 - 12. Januar 1991 einen Aktionstag der DKP zu veranstalten (UZ vom 21. Dezember 1990). So rief die DKP Bad Kreuznach zu einer von mehreren regionalen Gruppen getragenen Demonstration "Kein Blut für Öl" am 12. Januar 1991 in Bad Kreuznach auf ("Der Funke", Extraausgabe Januar 1991). Besonderes Gewicht für den Kampf der Arbeiterklasse mißt die DKP auch weiterhin den Gewerkschaften zu. Angesichts der organisatorischen Krise der DKP wurde dieses traditionelle Arbeitsfeld der Partei im Jahre 1990 zunächst vernachlässigt. Am 6. Oktober 1990 veranstaltete die DKP in Essen ein "Gewerkschaftspolitisches Forum". Dabei betonte Dr. Werner PETSCHICK (DKP, Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien) die Erfolge der bisherigen Gewerkschaftsarbeit der DKP, die sich in der Vergangenheit insbesondere in dem relativ hohen Anteil von DKP-Mitgliedern in Betriebsund Personalräten sowie in Gewerkschaftsfunktionen darstellten. Das gewerkschaftliche Engagement der DKP-Mitglieder wird deutlich in entsprechenden Angaben anläßlich des 10. Parteitages am 24./25. März 1990. Hiernach waren ca. 92 % der 311 Delegierten in DGB-Gewerkschaften organisiert, mehr als 20 % waren gewählte Vertrauensleute und 22 % hatten gewerkschaftliche Funktionen auf Orts-, Bezirksoder Landesebene inne. Etwa 15 % waren Betriebsoder Personalräte bzw. Jugendvertreter . 1.2 Nebenorganisationen der DKP Bei den Nebenorganisationen der DKP handelt es sich um organisatorisch selbständige, orthodox-kommuniBericht der Mandatsprüfungskommission zum 10. DKP-Parteitag. - 34 - stische Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Leitungsgremien, deren maßgebende Funktionäre nach wie vor der DKP angehören. Hinsichtlich des bislang respektierten Führungsanspruchs der DKP wurden bei den Nebenorganisationen jedoch teilweise starke Vorbehalte deutlich. Zu den bekanntesten Nebenorganisationen zählen - "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP), - "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und - "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB) 1 . 1.2.1 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Mit den im Jahre 1974 gegründeten JP versucht die DKP, Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren ideologisch zu beeinflussen und frühzeitig Vorurteile gegenüber der Partei und ihrer Weltanschauuung abzubauen. Die durch den Niedergang der DKP verursachte existenzbedrohende organisatorische Krise der JP dauert an. Anläßlich des JP-Bundeskongresses am 3./4. März 1990 in Essen lehnten die Delegierten jedoch eine Auflösung des Verbandes ab und beschlossen mit den "Thesen zur Identität, zum Erhalt und zur Erneuerung der Jungen Pioniere" die Weiterarbeit als "selbständiger, souveräner Bestandteil der marxistischen Bewegung". Derzeit treten die JP in der Öffentlichkeit allerdings kaum noch in Erscheinung. In RheinlandPfalz sind 1990 keine JP-Aktivitäten bekannt geworden. Am 23. Juni 1990 aufgelöst. - 35 - 1.2.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die auf dem 10. SDAJ-Bundeskongreß am 17./18. Juni 1989 vollzogene Spaltung der SDAJ führte 1990 zu einer weiteren strukturellen Schwächung der 1968 gegründeten SDAJ. Ein Signal für einen Neuaufbau sollte der am 20./21. Januar 1990 in Essen durchgeführte außerordentliche Bundeskongreß sein, an dem ca. 200 Delegierte teilnahmen. Diese wählten einen 34 Personen umfassenden Bundesvorstand und beschlossen eine politische Erklärung als Basis für die weitere politisch-ideologische Arbeit. Die SDAJ bezeichnet sich darin weiterhin als "revolutionäre sozialistische ArbeiterJugendorganisation, die auf der Grundlage der Ideen von Marx, Engels und Lenin wirkt, eng verbunden mit der revolutionären Partei der Arbeiterklasse, der DKP". Der Bundeskongreß wurde am 24. April 1990 in Frankfurt am Main fortgesetzt. Die Delegierten verabschiedeten eine "Handlungsorientierung" für die SDAJ. Damit werden die Mitglieder und Gruppen aufgefordert, sich die Ideen von Marx, Engels und Lenin anzueignen und schöpferisch anzuwenden. Aufgabe der SDAJ sei es, sozialistisches Bewußtsein unter den Jugendlichen zu verbreiten. Nach eigenen Angaben hat die SDAJ bundesweit noch 40 Gruppen mit etwa 250 bis 300 aktiven Mitgliedern (UZ vom 28. September 1990). Ziel der SDAJ ist es, in Gesamtdeutschland das Fortbestehen einer sozialistischen Jugendarbeit zu sichern. Um die Möglichkeiten gemeinsamen Handelns und künftiger Organisationsformen zu diskutieren, fanden unter der Bezeichnung "Roter Tisch der Jugend" mehrere Treffen mit sozialistischen Jugendorganisationen aus der ehemaligen DDR statt, u.a. mit der "Arbeitsgemeinschaft Junger Genossinnen" in der PDS und der "freien deutschen jugend" (fdj). - 36 - Der SDAJ-Landesverband Rheinland-Pfalz, der früher mehrheitlich der "Erneuerer"-Strömung in der SDAJ angehörte, trat nach der Spaltung der SDAJ und den nachfolgenden Auflösungserscheinungen nach außen kaum noch in Erscheinung. Er wurde im Berichtszeitraum nur noch von einem dreiköpfigen Landesarbeitsausschuß verkörpert, der sich ausschließlich aus "DKP-treuen" Traditionalisten zusammensetzt. Eine Organisationsstruktur auf Ortsund Kreisebene besteht nicht mehr. 1.2.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB) Der MSB war von 1971 bis 1990 mit zeitweilig über 6.000 Mitgliedern die stärkste linksextremistische Studentenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland gewesen und in bedeutendem Umfang an der Willensbildung der "Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS) sowie zahlreicher studentischer Selbstverwaltungsgremien beteiligt. Am 23. Juni 1990 fand in Münster ein außerordentlicher Bundeskongreß des MSB statt. Die etwa 40 Delegierten aus 16 MSB-Gruppen zogen Konsequenzen aus dem ideologischen, organisatorischen und finanziellen Niedergang ihrer Studentenorganisation und faßten - bei nur drei Gegenstimmen - den Beschluß, den im Jahre 1971 gegründeten MSB aufzulösen. Im Auflösungsantrag wurde u.a. auf die Überalterung und den Mitgliederschwund hingewiesen. Der MSB sei nicht mehr ausstrahlungsfähig gewesen und in einen eklatanten Widerspruch zu den Bedürfnissen der Studentenschaft geraten. Als wichtiger Grund für das Scheitern des MSB wurde auch dessen Ausrichtung als marxistisch--leninistisehe Weltanschauungsorganisa-tion angegeben. - 37 - An den Hochschulen in Rheinland-Pfalz trat der MSB im Jahr 1990 nicht mehr in Erscheinung. 1.3 DKP-beeinflußte Organisationen Von dem aufgezeigten Niedergang der DKP waren die orthodox-kommunistisch beeinflußten Organisationen ebenfalls betroffen. Zu den bedeutendsten DKP-beeinflußten Organisationen, die auch in Rheinland-Pfalz aktiv tätig sind, gehören: - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU) und - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) . Beide Organisationen vertraten jahrzehntelang kritiklos von der DKP vorgegebene Positionen. Als Instrumente kommunistischer Bündnispolitik hatten sie die Aufgabe, Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit Kommunisten abzubauen und kommunistische Nahziele zu fördern. Die Einstellung der konspirativen Finanzierung der DKP durch die SED - jetzt PDS - stellte die orthodoxkommunistisch beeinflußten Organisationen im Jahre 1990 vor die Existenzfrage. Einschneidende Maßnahmen waren die Folge. So mußte die DFU ihren umfangreichen Apparat weitgehend auflösen, den hauptamtlichen Mitarbeitern kündigen und die meisten ihrer Büros schließen. Auch die WN-BdA sah sich gezwungen, ihre hauptamtlichen Funktionäre und Mitarbeiter auf Bundesebene zu entlassen; die Bundesgeschäftsstelle in Frankfurt am Main mußte ihr Büro schließen und zog in die hessische Landesgeschäftsstelle Frankfurt am Main, Bockenheimer Landstraße 79. - 38 - Die starke Abhängigkeit der DFU und der WN-BdA von den Geldern aus der ehemaligen DDR führte im Jahre 1990 zu erheblichen Einschränkungen ihrer Aktivitäten. Die weitere Entwicklung der kommunistischen Bündnisorganisationen ist offen. Ein großer Teil der ehemals hauptamtlichen Funktionäre hat seine grundsätzliche Opposition gegen die "kapitalistische" Bundesrepublik Deutschland und ihre politische Ordnung nicht aufgegeben. Sowohl die DFU als auch die W N - BdA haben ihren Willen bekundet, in diesem Sinne politisch weiterzuarbeiten. 1.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die im Jahre 1960 auf kommunistisches Betreiben gegründete DFU blieb von dem Richtungsstreit in der DKP weitgehend unberührt. Nennenswerte Mitgliederverluste hatte sie demzufolge nicht zu verzeichnen. Mit bundesweit unter 1.000 Mitgliedern - in Rheinland-Pfalz zählt sie derzeit etwa 60 Mitglieder - versuchte die DFU im Jahre 1990 einen "politischen Neuanfang". Von besonderer Bedeutung für ihre weitere Entwicklung war dabei der "Unionstag" am 9. Juni 1990 in Wiesbaden. Dieser Bundeskongreß beschloß auf Vorschlag des Bundesvorstandes, die Organisation als bundesweiten Verband aufzulösen. Auf Regional-, Landesund Bezirksebene sollten die Mitglieder über eine geeignete Form der Weiterarbeit selbst entscheiden. Um kommunistische Bündnispolitik weiterhin zu betreiben, sind immer noch viele DFU-Mitglieder zur Mitarbeit bereit. Bis auf den im Januar 1990 aufgelösten Landesverband Bremen existieren noch alle Landesverbände der DFU. Viele der ehemals Hauptamtlichen hof- - 39 - fen auf neue Chancen, wenn die PDS sich auf das Bundesgebiet ausdehnt. Alte Kontakte zu ehemaligen Kadern der früheren SED und der heutigen PDS sowie zu ehemaligen Funktionären der aufgelösten "Nationalen Front" in der ehemaligen DDR wurden wiederbelebt. Der rheinland-pfälzische Landesverband der DFU konstituierte sich am 30. Juni 1990 in Frankfurt am Main - zusammen mit dem Landesverband Hessen - als "DFU-Rhein/Main". Sitz dieses neuen Verbandes ist Mainz, Bilhildisstraße 15. Von hier aus will die DFU ihre Reorganisationsbemühungen vorantreiben und das Mainzer Büro zu einem bundesweit tätigen Zentrum entwickeln. Auf einem ersten von der DFU-Rhein/Main organisierten bundesweiten Treffen von DFU-Mitgliedern am 6. Oktober 1990 in Wiesbaden befaßte sich die DFU schwerpunktmäßig mit ihrer zukünftigen bündnispolitischen Orientierung, vor allem im Hinblick auf die PDS. Die DFU vertritt im Grundsatz die Auffassung, daß sie wegen ihrer Erfahrung als kommunistische Bündnisorganisation weiterhin einen Beitrag zur Neuorientierung der Linken leisten müsse, schon im Hinblick "auf neue Gefährdungen, die die künftige Allemherrschaf t des Kapitalismus provozieren" 2 werde. Um die Kommunikation unter den DFU-Mitgliedern aufrechtzuerhalten, erscheint seit Dezember 1990 bundesweit die Zeitschrift "PODIUM". Die Redaktion hat ihren Sitz im Mainzer Büro der DFU-Rhein/Main. In dieser Zeitschrift äußerte sich Pfarrer Horst STUCK1949 in der ehemaligen DDR unter Führung der ehemaligen SED gegründeter Zusammenschluß aller politischen Parteien und Massenorganisationen. Referat des DFU-Funktionärs Horst STUCKMANN "Die gegenwärtige Lage und die DFU", gehalten auf der Mitgliederversammlung am 17. Febuar 1990 in Gießen. - 40 - MANN, Mitglied des Arbeitsausschusses der DFU-Rhein/ Main, zum Thema der deutschen Vereinigung wie folgt: "Die Einheit ist exekutiert-administrativ und eiskalt." ... "Chancen zu einer nachgeholten Gründung einer demokratischen Republik sind vertan und auch nur von einer Minderheit ernsthaft gewollt worden." Kontaktadressen für die DFU-Rhein/Main in Rheinland-Pfalz bestehen u.a. in Neustadt a.d. Weinstr., Kaiserslautern, Speyer und Ludwigshafen am Rhein. 1.3.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) Die WN-BdA wurde im März 1947 als "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) in Frankfurt am Main gegründet. Als wichtigste Vorfeldorganisation der orthodoxen Kommunisten für die von ihnen betriebene "Antifaschismus-Kampagne" war die WN-BdA insbesondere vom ideologischen Streit innerhalb der orthodoxen Kommunisten betroffen. Wie die DKP stellte die W N - BdA die DDR vor dem Umbruch als Vorbild heraus. Dort sei eine antifaschistisch-demokratische Ordnung verwirklicht, in der Bundesrepublik Deutschland seien dagegen die alten Machtund Besitzverhältnisse wiederhergestellt worden. Daneben belastete sie ein interner Streit über die Taktik des "antifaschistischen Kampfes". Eine Mehrheit der Mitglieder und Funktionäre will die WN-BdA als eine Organisation Mit der seit Beginn der 70er Jahre verstärkt einsetzenden "Antifaschismus-Kampagne" wollen die orthodoxen Kommunisten als Nahziel das Demokratieverständnis des Grundgesetzes auf dessen "antifaschistischen Gehalt" reduzieren, den Kommunismus "hoffähig" machen und somit die Verfassung im marxistisch-leninistischen Sinne umwerten ("semantischer Klassenkampf"). - 41 - des "linken Antifaschismus" erhalten, die ihre Ausrichtung weiterhin im "Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus" sieht. Eine Minderheit dagegen befürwortet das Prinzip, den "streitbaren Humanismus" zur Grundlage antifaschistischer Arbeit zu machen. Dies führte zu Mitgliederverlusten und beeinträchtigte die Aktionsfähigkeit der WN-BdA im Jahre 1990 spürbar. Trotz der bestehenden Schwierigkeiten beschlossen die Delegierten des Bundeskongresses der WN-BdA am 9./10. Juni 1990 in Düsseldorf, ihren Verband auch auf Bundesebene zu erhalten. Sie verabschiedeten eine neue Satzung, die u.a. veränderte Leitungsstrukturen vorsieht. In den neugebildeten Bundesgremien sowie in den meisten Landesvereinigungen sind Kommunisten wieder in führenden Positionen vertreten. Die Organisation hatte Ende 1990 noch etwa 11.000 Mitglieder (1989: etwa 14.000). Einer der neugewählten Bundessprecher der WN-BdA, der nicht den orthodoxen Kommunisten zuzurechnen ist, kritisierte in einem Schreiben an die Mitglieder der Vereinigung Verlauf und Ergebnisse des Bundeskongresses: Das Bestreben der Kommunisten, bisherige "Erbhöfe" und Einflußsphären für sich zu erhalten bzw. neu zu schaffen, sei ganz offensichtlich. Insbesondere die Personalentscheidungen des Bundeskongresses hätten gezeigt, daß die Mehrheit an der antikapitalistischen Ausrichtung der WN-BdA festhalte und nicht einen "streitbaren Humanismus" zur Grundlage antifaschistischer Arbeit machen wolle. Im Zusammenhang mit der Vereinigung Deutschlands, die von der WN-BdA als "überstürzt" und als "Haus ohne Fundament" bezeichnet wird, unterstützt sie eine breite Kampagne für den "Kampf um eine vom Volk legitimierte Verfassung", in die sie ihre "antifaschistischen Grundsätze" miteinbringen will. - 42 - Aus Anlaß der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Golfregion unterstellt die WN-BdA der Führung der USA, sie wolle "ihre globalstrategischen und ihre Öl-Interessen durch militärische Gewaltanwendung realisieren". Dazu fehle ihr "jede moralische und politische Legitimation". In Flugblättern und Aufrufen wendet sie sich an "alle Soldaten und jungen Männer" mit der Forderung: "Verweigert den Kriegsdienst! - Unterstützt Fahnenflüchtige und Deserteure". Die rheinland-pfälzische Landesvereinigung der W N - BdA mußte im Jahre 1990 erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen. Sie verfügt derzeit über etwa 150 Mitglieder (Ende 1989: etwa 500). Aufgrund der finanziellen Krise der Organisation mußte das Landesbüro in Mainz Mitte April 1990 geschlossen werden. Als Kontaktadresse der Landesvereinigung fungiert derzeit das Büro der WN-BdA-Kreisvereinigung in Kaiserslautern, Ottostraße 8 ("Willi-Bleicher-Zentrum" ) . Die starke Abhängigkeit der rheinland-pfälzischen WN-BdA von der DKP - sowohl finanziell als auch personell - führte im Jahre 1990 wegen des Niedergangs der DKP dazu, daß etwa die Hälfte der Landesvorstandsmitglieder aus der Organisation und aus der DKP austrat. Die für den Herbst 1990 angekündigte Landesmitgliederversammlung, auf der endgültig über den Fortbestand der Organisation entschieden werden sollte, hat bisher nicht stattgefunden. Aufgrund dieser desolaten Situation der rheinland-pfälzischen WN-BdA entwickelten die Kreisvereinigungen im Jahre 1990 keine nennenswerten Aktivitäten. Bekannt wurden lediglich Flugblätter und Rundbriefe der Kreisvereinigung Kaiserslautern zu den Themen "Antifaschismus" und "Golfkrieg". - 43 - 3 "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) Dem im Jahre 1974 als Instrument des kommunistischen "Friedenskampfes" gegründeten "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) wurde im Jahre 1990 aufgrund der Veränderungen in der nationalen und internationalen Politik weitgehend die Agitationsbasis entzogen. Die Organisation hat sich deshalb zum Jahresende 1990 aufgelöst. In Rheinland-Pfalz beteiligte sich die Kaiserslauterer KFAZ-Gruppe noch an der Vorbereitung und Durchführung der rheinland-pfälzischen "Ostermarsch-Aktionen 1990" in Clausen und Ramstein. 4 "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen e.V." (DFG-VK) - Bundesverband - Die im Jahre 1974 durch den Zusammenschluß der "Deutschen Friedensgesellschaft - Internationale der Kriegsdienstgegner" (DFG-IdK) mit dem "Verband der Kriegsdienstverweigerer" (VK) entstandene DFG-VK blieb vom politischen und organisatorischen Niedergang der DKP ebenfalls nicht verschont. Die seit langem vermutete finanzielle Unterstützung der DFG-VK durch die DKP bestätigte sich etwa Mitte 1990. Führende Funktionäre gaben zu, daß die Organisation von der DKP beträchtliche Geldund Sachleistungen erhalten hatte. Aufgrund heftiger innerverbandlicher Auseinandersetzungen über den Einfluß der DKP trat Gregor WITT, Mitglied der DKP, auf einer Sitzung des DFG-VK-Bundesausschusses am 16./17. Juni 1990 in Bonn als Bundessprecher zurück. Anfang Juli legten die noch verbliebenen Mitglieder des Bundes- - 44 - sprecherkreises - darunter der Bundesgeschäftsführer Walter BISCHOFF-STAUB, ebenfalls Mitglied der DKP, und Heinrich HÄBERLEIN, Mitglied der WN-BdA - ihre Mandate nieder. Der Bundesausschuß der DFG-VK beschloß, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um die Finanzierungspraxis und die Einflußnahme der DKP auf die DFG-VK aufzuklären. Auf einem außerordentlichen Bundeskongreß der DFG-VK am 17. November 1990 in Frankfurt am Main legte die Untersuchungskommission einen Bericht vor, der die jahrelange verdeckte Finanzierung durch die DKP offenlegte. Die anhaltende verbandsinterne Diskussion um die kommunistische Beeinflussung lähmte weitgehend die politische Aktionsfähigkeit der DFG-VK im Jahre 1990. Erst zum Jahresende unterstützte sie wieder öffentlichkeitswirksame Aktivitäten aus Anlaß des Golfkonflikts. Unter dem Motto "Kein Blut für Öl!" beteiligte sich die DFG-VK bundesweit an von Linksextremisten initiierten Kundgebungen und Demonstrationen. Dabei fordert sie alle Wehrpflichtigen, Soldaten und Reservisten auf, zu desertieren. Nach einem auf dem Bundeskongreß abgegebenen Rechenschaftsbericht hatte die DFG-VK im September 1990 noch etwa 10.000 Mitglieder, die in 143 Ortsgruppen organisiert sind. Die Austritte haben bis Ende 1990 weiter zugenommen. Bei der Neuwahl des Bundessprecherkreises am 17. November 1990 in Frankfurt am Main zeigte sich, daß der kommunistische Einfluß im Bundesverband der DFGVK zurückgegangen ist. Kommunisten haben ihre Funk- - 45 - tionen in der DFG-VK weitestgehend verloren, wenn auch noch DKP-Mitglieder in der Organisation aktiv sind. Linksextremistische Aktivitäten gegen die Wiedervereinigung und Einflußnahme auf die Kampagne gegen den Golfkrieg Linksextremisten sahen im Berichtsjahr ihr Hauptagitationsfeld in einer Kampagne gegen die Wiedervereinigung. Zwar begrüßten außer den orthodoxen Kommunisten fast alle übrigen Gruppen des linksextremistischen Spektrums den Machtverlust der SED und den Zusammenbruch des "realen Sozialismus", wandten sich aber gleichzeitig vehement gegen die Wiedervereinigung, die "imperialistischen" Charakter habe. Einen Höhepunkt dieser Kampagne stellte die Großdemonstration am 12. Mai 1990 in Frankfurt am Main mit ca. 7.000 Teilnehmern unter dem Motto "Nie wieder Deutschland" mit einer starken linksextremistischen Beteiligung dar. Neben autonomen und militanten Gruppierungen beteiligten sich auch Mitglieder des KB, der MLPD, der VSP, der DKP, türkischer linksextremistischer Organisationen sowie aus der DDR PDS-Mitglieder und Anhänger der "Vereinigten Linken". An einer weiteren Demonstration am 3. November 1990 in Berlin unter der Parole "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" beteiligten sich ca. 5.000 Teilnehmer . Zum Jahresende 1990 riefen die linksextremistischen Gruppen zu einer Unterstützung der Kampagne gegen den Golfkrieg auf. Sie kritisieren den Aufmarsch der multinationalen Streitkräfte am Golf. Die Vorgehensweise der hierbei beteiligten Staaten wird von dem linksextremistischen Spektrum als typische "imperialistische" Vorgehensweise zur Sicherung der wirt- - 46 - schaftlichen Interessen bezeichnet und mit dem Schlagwort "Kein Blut für Öl" angeprangert. Gleichzeitig wird ein möglicher Einsatz der Bundeswehr befürchtet und deshalb zur Fahnenflucht aufgerufen. Revolutionäre Marxisten Die Umbruchsituation im Bereich des kommunistischen Lagers in der Bundesrepublik Deutschland hat auch zu wesentlichen organisatorischen Veränderungen bei den "Revolutionären Marxisten" geführt. So wurde in den einzelnen Gruppen heftig über die Frage der Unterstützung der PDS Linke Liste gestritten. Beim "Kommunistischen Bund" (KB) führte diese Frage sogar zur Spaltung. Alle diese Organisationen verfolgen trotz unterschiedlicher Ideologien das Ziel, durch "Klassenkampf" und "proletarische Revolution" den "bürgerlich-demokratischen Staat" zu zerschlagen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten der "Revolutionären Marxisten" standen im Berichtsjahr der Kampf gegen die Wiedervereinigung und die Schaffung eines einheitlichen linken Wahlbündnisses zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990. Das Bündnis kam nicht zustande, weil der überwiegende Teil der "Revolutionären Marxisten" sich für die Unterstützung der PDS Linke Liste aussprach, während andere einen Wahlboykott befürworteten. Ab Herbst 1990 nahmen in den linksextremistischen Publikationen der Konflikt am Golf und die drohende Kriegsgefahr einen immer größeren Raum ein. In Appellen wurde zur Unterstützung der Kampagne gegen den Golfkrieg sowie zur Desertion der Soldaten aufgerufen. - 47 - 3.1 "Marxistische Gruppe" (MG) Die größte Gruppe der "Revolutionären Marxisten" stellt nach wie vor die zu Beginn der 70er Jahre in Bayern aus den "Roten Zellen" entstandene MG dar. Sie verfügt bundesweit über mehr als 10.000 fest in die Organisation eingebundene Anhänger; hinzu kommen mehrere tausend Personen, die regelmäßig an Schulungen, Teach-In's und Arbeitskreisen teilnehmen. Ihre Ausnahmestellung untermauert die MG auch durch ihre strikte Abkapselung von anderen Organisationen. Sie arbeitet wie ein politischer Geheimbund und zeigt Merkmale einer Sekte auf. Revolutionäre Disziplin, Opferbereitschaft und Konspiration werden bei ihren Anhängern, überwiegend Akademikern und Studenten, vorausgesetzt. Unter erheblichem finanziellen und personellen Aufwand versuchte die MG im Jahre 1990 in der ehemaligen DDR Fuß zu fassen, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Unruhe bei der MG lösten Enthüllungen des Bayerischen Rundfunks im Dezember 1989 über die Unterwanderung der Berufsfortbildungszentren in Bayern durch die MG aus. Die damit verbundene Verunsicherung der MG-Mitglieder legte sich nach ausgiebiger interner Diskussion erst nach einigen Monaten. Zur Verbreitung ihrer Theorien dienen der MG vor allem ihre Publikationen, wie z.B. die "MSZ - Marxistische-Streitund Zeitschrift - gegen die Kosten der Freiheit", die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ), die "Marxistische Hochschulzeitung" und die "Marxistische Schulzeitung". Anfang Februar 1991 stellte die MG ohne ersichtlichen Grund ihre öffentlichen Veranstaltungen ein. Ebenso verzichtet sie seitdem auf die Verteilung ihrer vielfältigen Publikationen. - 48 - Für Rheinland-Pfalz ist das MG-Zentrum Frankfurt am Main organisatorisch und schulungsmäßig zuständig. Insbesondere an der Universität in Mainz bemüht sich die MG, Anhänger unter den Studenten und dem wissenschaftlichen Lehrpersonal zu gewinnen. Durch entsprechende Flugblattund Zeitschriftenverteilungen konnte sie bisher mehrere Interessenten werben. Auch aus anderen Orten in Rheinland-Pfalz nehmen Personen an MG-Veranstaltungen in Frankfurt am Main teil. 3.2 "Radikale Linke" Die Sammlungsbewegung "Radikale Linke" wird fast ausschließlich von Kommunisten, Autonomen und Anarchisten getragen. Sie will alle antinationalistischen und antiimperialistischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland zur Herstellung einer breiten linken Opposition gegen den Staat sammeln. Die "Radikale Linke" vertritt dabei antiparlamentarische Standpunkte und befürwortet partiell die Anwendung von Gewalt bei der Durchsetzung ihrer Ziele. Das beherrschende Thema im Berichtszeitraum war der Kampf gegen "die Annexion der DDR". Die "Radikale Linke" trat als Hauptinitiator der bundesweiten Großdemonstrationen am 12. Mai 1990 in Frankfurt am Main "Nie wieder Deutschland" und am 3. November 1990 in Berlin "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" auf. Sie zeichnete auch mitverantwortlich für eine Konferenz vom 30. November bis 2. Dezember 1990 in Hamburg unter dem Motto "Außerparlamentarische Opposition in Deutschland". In Rheinland-Pfalz führte die "Radikale Linke" mit anderen Gruppen mehrfach in Trier Veranstaltungen durch; hierbei wandte sie sich insbesondere gegen ein "drohendes Viertes Reich". - 49 - 3.3 "Kommunistischer Bund" (KB) Der KB orientiert sich an den Lehren von Marx und Engels. Trotz seiner vergleichsweise geringen Stärke gelang es dem KB immer wieder, bei anderen Organisationen erheblichen Einfluß zu gewinnen. Abwanderungen zahlreicher KB-Mitglieder zur PDS Linke Liste sowie enge Bindungen einer KB-Minderheit an die "Radikale Linke" führten im November 1990 zu einer Spaltung des KB. Die KB-Mehrheit, die auch wesentlich am Aufbau der PDS Linke Liste in den westlichen Bundesländern beteiligt war, beschloß, sich von dem Rest des KB (Minderheit) zu trennen. Die KB-Minderheit beteiligt sich weiterhin stark an der Sammlungsbewegung "Radikale Linke" und initiierte die Konferenz "Außerparlamentarische Opposition in Deutschland" Ende 1990 in Hamburg mit. Trotz der internen Auseinandersetzungen befaßt sich der KB in den Ausgaben seines Organs "ak - Arbeiterkampf", dessen weitere Zukunft ungewiß ist, intensiv mit der Golfkrise und ruft zu weiteren Protesten der linksextremen Szene auf. In Rheinland-Pfalz waren die Aktionen des KB rückläufig . 3.4 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der marxistisch-leninistisch ausgerichtete BWK umfaßt etwa 350 Mitglieder, die sich ideologisch zur "proletarischen Revolution" bekennen. Einige Mitglieder des BWK sind maßgebend im Vorstand der 1979 gegründeten "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) vertreten. In der BWK-eigenen "Gesellschaft für Nachrichtenerfassung - 50 - und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft politischer Berichte mbH" (GNN) werden auch zahlreiche extremistische Schriften gedruckt und verlegt. Sowohl der BWK als auch die VOLKSFRONT traten in Rheinland-Pfalz durch Verteilung von Flugblättern in Erscheinung, insbesondere waren Aktivitäten in Speyer festzustellen. Zur Verbreitung ihrer Ideologien bedient sich das linksextremistische Spektrum in Speyer der "linksalternativen Stadtzeitung Spey'rer Mitteilungen". 3.5 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die im Jahre 1986 durch Zusammenschluß der ehemaligen trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) und der "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" (KPD) enstandene VSP engagierte sich im Berichtsjahr überwiegend in der Sammlungsbewegung "Radikale Linke". Sie unterstützte aber auch den Aufbau der PDS Linke Liste. Interne Richtungskämpfe über die internationale Zusammenarbeit behinderten 1990 die Parteiarbeit. Sprachrohr der VSP ist ihr Organ "Sozialistische Zeitung" (SoZ). In Rheinland-Pfalz bestehen Ortsgruppen in Mainz und Ludwigshafen am Rhein, die auch in Wiesbaden bzw. Mannheim aktiv sind. Mitglieder der Ortsgruppe Ludwigshafen am Rhein geben mit anderen revolutionären Jugendgruppen die Zeitschrift "BARRIKADE" heraus. Ihre Schulungen führt die VSP zentral in Thalhausen (Kreis Neuwied) durch. Funktionäre und Mitglieder aus den Bundesländern erhalten hier ihre ideologische Ausrichtung. - 51 - Den Schwerpunkt ihrer Arbeit sah die VSP im Berichtszeitraum in der "Bekämpfung der Wiedervereinigung" und in der Stärkung der Kampagne gegen den Golfkrieg. 4. Marxisten-Leninisten Die klassischen "Marxisten-Leninisten" orientieren sich außer an Marx, Engels und Lenin zum Teil auch an Trotzki, Mao Tse Tung und Stalin. Auch die Gruppen der "Marxisten-Leninisten" lehnten in ihrer Mehrzahl die Wiedervereinigung ab. Bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 warben sie für die PDS Linke Liste oder kandidierten teilweise selbst. Nach der Bundestagswahl unterstützten sie die Kampagne gegen den Golfkrieg. 4.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die ideologisch überwiegend an Mao Tse Tung und auch an Stalin orientierte MLPD war im Berichtszeitraum bemüht, ihre organisatorische und ideologische Selbständigkeit gegen Versuche anderer linker Gruppen zu wahren. Sie wandte sich deshalb vehement gegen aufkommende Bestrebungen einer allgemeinen Umgruppierung der unorthodoxen linken Szene in die "Radikale Linke" oder in die PDS Linke Liste. Gleichwohl unterstützte sie deren Aktionen gegen die Wiedervereinigung . Wie auch das übrige linksextremistische Spektrum schloß sich die MLPD der Kampagne gegen den Golfkrieg an. - 52 - Die von den Gewerkschaften bislang vollzogenen Ausschlüsse von MLPD-Mitgliedern wurden mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. Oktober 1990 bezüglich des MLPD-Vorsitzenden Stefan ENGEL bestätigt. Die MLPD kritisierte in ihren Publikationen diese Vorgehensweise der Gewerkschaftsführungen. In Mainz und in Ludwigshafen am Rhein verteilte die MLPD Flugblätter. 4.2 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der mit Schwerpunkt in Bayern agierende, stalinistisch ausgerichtete AB konnte im Jahre 1990 neben kleineren Aktionen gegen die Vereinigung der beiden deutschen Staaten einen großen bundesweiten kommunistischen Propagandazug starten. Zur ersten gemeinsamen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 initiierte er den vom 18. November bis 2. Dezember 1990 durchgeführten "Anachronistischen Zug 1990" nach einem Gedicht von Bertolt Brecht. Ähnliche Züge hatte der AB bereits in den Jahren 1979 und 1980 durchgeführt. Mit dem Zug 1990 wollte er insinuieren, daß nunmehr auch in der ehemaligen DDR Militarismus und Faschismus Einzug hielten. An den Kosten dieses Agit-PropUnternehmens beteiligte sich die PDS aus eigennützigen Zwecken zur Hälfte mit DM 250.000, um auf diese Weise zusätzliche Propaganda für die Bundestagswahl zu betreiben. Deshalb riefen auch namhafte PDSPolitiker wie Gregor Gysi und Hans Modrow sowie Markus Wolf zur Unterstützung des Unternehmens auf. Der "Anachronistische Zug" führte u.a. durch Rheinland-Pfalz; er fand bei der Bevölkerung allerdings Urteil des BGH vom 15. Oktober 1990, Aktenzeichen: II ZR 255/89, NJW 1991, 485. - 53 - wenig Resonanz. In Mainz verfügt der AB über eine kleine Ortsgruppe, die im Berichtszeitraum vorwiegend mit Flugblattaktionen auf sich aufmerksam machte. 4.3 Trotzkistische Gruppen Die trotzkistischen Gruppen fordern in ihrer Ideologie eine "sozialistische Weltrepublik", gelenkt durch ein Rätesystem. In der Bundesrepublik sind ca. 15 konkurrierende Gruppen und Zirkel vorhanden. Der "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA), die "Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) und die "Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation" (ISA) beteiligten sich ohne nennenswertes Ergebnis an der Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990. Die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) ist in Rheinland-Pfalz fast ausschließlich in Ludwigshafen am Rhein vornehmlich als Ideologiezirkel aktiv. Ihre Ideologie verbreitet die SAG in dem monatlich erscheinenden "Klassenkampf". 5. Anarchisten Die Anarchisten bilden einen nicht unwesentlichen, jedoch in sich mitunter diffus wirkenden Teil des linksextremistischen Spektrums. Ihr Ziel ist die revolutionäre Abschaffung unseres demokratischen Rechtsstaates. An dessen Stelle soll eine herrschaftsfreie Gesellschaft treten, die sich ohne staatliche Funktionen "selbstorganisiert". Sie lehnen daher größere organisatorische Zusammenhänge und feste, gruppenübergreifende Strukturen ab. Während in dieser Zielsetzung unter den Anarchisten weitgehend Einigkeit besteht, gibt es bei der Gestaltung des revolutionären Weges dorthin allerdings Unterschiede. Einige orientieren sich dabei an den Model- - 54 - len des traditionellen Anarchismus, andere wiederum versuchen, völlig neue Formen des Anarchismus zu praktizieren. Vereinzelt ist auch ein Hang zum Nihilismus erkennbar, der sich in einer Haltung extremer AntiStaatlichkeit ohne erkennbares ideologisches Konzept widerspiegelt. Charakteristisch für den deutschen Anarchismus sind im wesentlichen drei Strömungen: - Autonome, - "gewaltfreie Aktionsgruppen", - "Anarcho-syndikalistische" und "anarcho-kommunistische" Gruppen. Daneben gibt es eine Anzahl kleinerer Zusammenschlüsse, die im Sinne ihres Eigenverständnisses oftmals unorganisiert sind und nach außen hin kaum in Erscheinung treten. Man kann sie umfassend als "Theoriegruppen" bezeichnen. 5.1 Autonome Anfang der achtziger Jahre ist eine militante Protestbewegung entstanden, die inzwischen nahezu 2.300 Personen in den westlichen Bundesländern umfaßt. Die Angehörigen dieser Bewegung bezeichnen sich selbst als "Autonome" (sinngemäß "nach eigenen Gesetzen lebend"). Im Mittelpunkt ihres Handelns stehen die eigene Person und deren uneingeschränkte Selbstverwirklichung. Autonome wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung "zerschlagen". Aus diesem Verständnis heraus lehnen sie auch jegliche Führungsstrukturen ab. Sie orientieren sich vorwiegend an aktuellen Themen. Zumeist leben sie auf der Basis persönlichen Kennens und Vertrauens in cliquenähnlichen Gruppierungen zusammen. Autonome Gruppierungen findet man insbesondere in Großstädten. - 55 - In Rheinland-Pfalz bestehen solche autonomen Zusammenschlüsse u.a. in Mainz, Speyer und Worms. Eine große Bedeutung für die Kommunikation Autonomer untereinander haben die sogenannten Infoläden, die es inzwischen in mehr als 50 Städten gibt. So auch in Wiesbaden, wo sich neben der örtlichen Szene auch Mainzer Autonome und Antiimperialisten treffen. Infoläden werden in erster Linie als Treffpunkt und Informationszentrum genutzt. Darüber hinaus dienen sie auch als Anlaufadressen für Linksextremisten aus anderen Städten und dem Ausland. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept. Sie orientieren sich überwiegend an verschwommenen anarchistischen, bisweilen auch nihilistischen Vorstellungen und Zielen. Ein wesentliches Merkmal autonomen Handelns sind militante Kampfformen: Gewalt gegen Sachen und gegen Personen. Dieses militante Verhalten, das alle Lebensbereiche bestimmt, soll den Autonomen helfen, eine "revolutionäre Gegenmacht" zur Bekämpfung des "staatlichen Gewaltmonopols" aufzubauen. Auf dem Weg dorthin ist es für sie von besonderer Bedeutung, "Freiräume" zu schaffen, die sie möglichst unter Ausschluß staatlicher Zugriffsmöglichkeiten zu Aktivitäten in ihrem Sinne nutzen wollen. Die Hausbesetzungen der letzten Jahre - insbesondere die seit 19Ö0 anhaltenden Aktionen in der Hamburger Hafenstraße - verdeutlichen dies in besonderer Weise. Seit einiger Zeit ist festzustellen, daß Autonome im Rahmen ihres "Häuserkampfes" - d.h. bei der Besetzung bzw. Verteidigung einzelner Häuser - ihre Militanz verstärkt haben. Ein besonders herausragendes Beispiel dafür waren die Auseinandersetzungen Mitte - 56 - November 1990 in der Mainzer Straße im östlichen Teil Berlins, die eine bislang nicht gekannte Brutalität und teilweise sogar bürgerkriegsähnliche Züge zeigten: Mehrere hundert Gewalttäter, die sich hinter meterhohen Barrikaden aus Müllcontainern, Gerüsten und Autos sowie ausgehobenen Gräben verschanzt hatten, griffen die Einsatzkräfte der Polizei massiv an. Sie bewarfen diese - vornehmlich von den Dächern der Häuser - u.a. mit Pflastersteinen, Gehwegplatten, Dachziegeln und Brandsätzen; sie setzten Kraftfahrzeuge sowie einen Straßenbahnwagen in Brand, schlugen Schaufenster ein und plünderten die Auslagen von Geschäften. Es entstand Sachschaden in noch unbekannter Höhe. Über 500 Personen wurden vorläufig festgenommen, mehr als 2.000 Polizeibeamte wurden verletzt. Darüber hinaus kam es in über 25 weiteren Städten zu Solidaritätsaktionen. Linksextremisten, zumeist aus dem autonomen Spektrum zeigten Transparente mit Aufschriften wie "Räumt die Knaste und nicht die Häuser" und riefen Parolen wie "Bullenstaat - wir haben dich zum Kotzen satt". Das autonome Berliner Blatt "INTERIM" (Ausgabe Nr. 124 vom 22. November 1990) fordert in einer Stellungnahme zur Räumung der besetzten Häuser in Berlin ein gezieltes militantes Vorgehen sowie eine revolutionäre Ausweitung des "Häuserkampfes". Nicht die Rückeroberung der geräumten Häuser oder der Abschluß von Mietverträgen müsse als vordringlichste Zielsetzung gelten, sondern die weltweite Abschaffung des Kapitalismus . Mit der Ausrichtung nationaler bzw. internationaler "Häusertage", wie zuletzt in Hamburg vom 25. bis 30. Dezember 1990, versucht das "autonome/antiimperialistische" Spektrum, eine gemeinsame Handlungsbasis zu - 57 - finden. Nach eigener Darstellung stehe dabei die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven gegen die anhaltenden "Repressionen" europäischer und nationaler Sicherheitsund Polizeibehörden, insbesondere im Hinblick auf die bis 1992 geplanten Räumungen aller in Europa besetzten Häuser, im Vordergrund. Zu den bestimmenden Themen der Autonomen zählt nach wie vor der Kampf gegen "Faschismus", der nach ihrem Verständnis eng mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und seine Herrschaftsapparate ("Staat, Polizei und Gesetz") verbunden ist. Für Autonome gilt, "Faschisten" unter Anwendung von Gewalt und Militanz zu "bekämpfen" und zu "zerstören". In den fortwährenden, teilweise gewalttätig verlaufenen Auseinandersetzungen mit rechtsextremistischen bzw. rechtsradikalen Gruppierungen, wie z.B. der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU), den Republikanern und auch den Skinheads, wurde dieser Grundsatz tatkräftig umgesetzt. Insbesondere Göttingen (Niedersachsen) ist inzwischen zu einem regionalen Schwerpunkt solcher Auseinandersetzungen geworden. Auch im Raum Mainz/Wiesbaden haben Autonome ihre Aktivitäten gegen "faschistische" Gruppierungen und Einzelpersonen verstärkt. Im Januar 1991 haben sie mit der Eröffnung eines "Antifa-Cafe" im "Haus Mainusch" auf dem Mainzer Universitätsgelände zusätzlich ein neues Kornmunikationszentrum zur weiteren Ausbreitung ihres "Antifaschistischen Kampfes" geschaffen. Im Hinblick auf die Wiedervereinigung Deutschlands haben große Teile des autonomen Spektrums bundesweit antinationale Aktionen unterstützt und mitgetragen; am 3. Oktober 1990 initiierten sie in Berlin eine - 58 - Großdemonstration gegen die Vereinigungsfeierlichkeiten. Dabei hatte die Diskussion um ein gewalttätiges Vorgehen für die Autonomen Priorität. Weniger Interesse zeigten sie an einer theoretischen Auseinandersetzung mit der Wiedervereinigungspolitik. In dem von Autonomen verbreiteten Szenenblatt "radikal" (Nr. 140, Juni 1990) wird in einem Beitrag mit der Überschrift "Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!" u.a. gefordert, daß als erste "Antwort" auf die laufende Wiedervereinigung Deutschlands den "Faschos" eine "militante Gegenwehr" in den Weg gestellt werden müsse. Dazu seien auch illegale Strukturen erforderlich, um gleichzeitig dem "hochgezogenen Sicherheitsund Bullenapparat" zu widerstehen. Autonome beteiligten sich auch an der im Berichtszeitraum stattgefundenen "Anti-Shell-Kampagne". So wurden u.a. im Rahmen eines Aufrufs zu einem "internationalen Aktionstag" gegen Shell-Tankstellen am 28. April 1990 zahlreiche Aktionen (Demonstrationen, Farbschmierereien und Sachbeschädigungen) durchgeführt . Zu einer kontinuierlichen, perspektivisch ausgerichteten "revolutionären und linksradikalen" Politik war das "autonome/antiimperialistische Spektrum" auch im Jahre 1990 nicht in der Lage. Die seit Jahren anhaltenden Diskussionen über gemeinsame Strukturen und Strategien blieben ohne konkrete Ergebnisse. Beispielhaft dafür steht u.a. der für Anfang 1990 in Mainz unter maßgeblicher Mitwirkung von Angehörigen der Mainzer autonomen Szene geplante, später mehrmals verschobene und letztlich im August 1990 gescheiterte Kongreß zu "Perspektiven antiimperialistischer Politik". Ziel dieses Kongresses war, eine Veränderung der bisherigen Praxis "revolutio- - 59 - närer und linksradikaler Politik", auch unter Einbeziehung der RAF-Gefangenen in den Diskussionsprozeß, herbeizuführen. Das Scheitern führten die Verantwortlichen im wesentlichen auf folgende Mängel zurück: - Unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Durchführung eines solchen Kongresses, - mangelnde Diskussionsbereitschaft, - ungenügende Vorbereitung und fehlende Organisationsfähigkeit, - Nichterledigung der politisch gesetzten Ziele, wie z.B. die freie Diskussion mit den RAF-Gefangenen. Auch an den vielfältigen Demonstrationen und Veranstaltungen gegen den Golfkrieg beteiligten sich Autonome zahlreich. 5.2 "Gewaltfreie Aktionsgruppen" Unter der Bezeichnung "Graswurzelbewegung" firmieren seit Beginn der siebziger Jahre bundesweit sogenannte gewaltfreie Aktionsgruppen und Trainingskollektive. Sie setzen sich für eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung" ein, in der durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen" ("Graswurzelrevolution"). Um ihr gestecktes Ziel zu erreichen, bedienen sie sich "direkter gewaltfreier Aktionen". Diese umfassen neben "massenhaftem zivilen Ungehorsam", wie Mißachtung von Gesetzen und Verweigerungshandlungen, nach ihrem Verständnis auch Sabotagehandlungen. Zu der "Graswurzelbewegung" ist insbesondere auch die 1980 gegründete "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) zu zählen, in der etwa 80 Aktionsgruppen und Kollektive mitarbeiten. Als Infor- - 60 - mationsund Koordinierungsstelle betreibt sie eine "Graswurzelwerkstatt" mit Sitz in Köln. Als Sprachrohr dient ihr die monatlich erscheinende Zeitschrift "graswurzelrevolution". Im Rahmen ihrer "Antimilitarismus"-Arbeit beteiligte sich die FöGA an der vom "Bund für Soziale Verteidigung" (BSV) bundesweit initiierten Kampagne "BRD ohne Armee" (BoA) . Das Ziel ist die Abschaffung der Bundeswehr. Als erster Schritt dahin wird der Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht gefordert. In einem Sonderheft der Zeitschrift "graswurzelrevolution" vom Oktober 1990 zieht die FöGA in Erwägung, zusammen mit anderen anarchistischen Gruppierungen bundesweit eine "Antiparlamentarische Kampagne" zu betreiben. Nach Ansicht der FöGA sei gerade im wiedervereinigten Deutschland eine "anarchistische Parlamentarismuskritik" dringend erforderlich. Als Alternative zur parlamentarischen Demokratie fordert sie die direkte Demokratie, in der die Menschen herrschaftsfrei und selbstbestimmend leben können. Diese Gesellschaftsform soll insbesondere mit "direkten gewaltfreien Aktionen" und "zivilem Ungehorsam" bis hin zum Massenstreik gegen parlamentarische Entscheidungen erreicht werden. Die Dezember-Ausgabe 1990 sowie eine Anfang Januar 1991 erschienene Sonderausgabe (Massenzeitung) der Zeitschrift "graswurzelrevolution" beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem Golfkonflikt. U.a. wurde bundesweit zu "direkten Aktionen gegen den Krieg" aufgerufen. Mitglieder der "graswurzelrevolution" gehörten zu den Initiatoren der am 13. Januar 1991 vor den Toren der US-Air-Base in Frankfurt am Main durchgeführten Großdemonstration "mit behinderndem Charakter". - 61 - Im Kontaktadressenteil der Zeitschrift "graswurzelrevolution" wird seit nunmehr drei Jahren die Mainzer Gruppe "Anarchistische Assoziation Rhizom" (AAR) genannt. Nach ihrem Selbstverständnis setzt sie sich mit Ideen des Anarchismus auseinander, ohne sich dabei auf eine bestimmte Richtung festzulegen. Im Jahre 1990 veröffentlichte die AAR diverse Flugschriften und organisierte mehrere Veranstaltungen zum Themenbereich Anarchismus, die größtenteils im Szenecafe "Nixda" in Mainz stattfanden. Die Besetzung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990 setzte innerhalb der AAR eine intensive Diskussion in Gang. So beteiligte man sich u.a. auch an Demonstrationen, die sich gegen einen Krieg am Golf richteten. Darüber hinaus hält die AAR bundesweit Kontakt zu anderen anarchistischen Gruppen und Organisationen. 5.3 "Anarcho-syndikalistische" und "anarcho-kommunistische" Gruppen "Anarcho-Syndikalisten" wollen eine "herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft". Dieses Ziel soll durch eine Revolution erreicht werden, wobei eine intensive Betriebsarbeit und der Aufbau einer parteiunabhängigen basisdemokratischen Gewerkschaft als die wichtigsten Schritte dorthin gesehen werden. Als Kampfmittel werden "direkte Aktionen" (Fabrikbesetzungen, Streiks, Boykotts oder Sabotage) propagiert. Indirekte Mittel wie z.B. parlamentarische Tätigkeit werden strikt abgelehnt. Mit bundesweit etwa 20 Ortsgruppen bzw. Stützpunkten ist die "Freie Arbeiterinnen-Union" (FAU) die bedeutendste Organisation im Bereich der "Anarcho-Syndikalisten" . - 62 - Auch in Mainz existiert eine Ortsgruppe der FAU, die sich an Veranstaltungen anderer anarchistisch ausgerichteter Gruppen beteiligt. "Anarcho-kommunistische" Gruppen, die in RheinlandPfalz bislang nicht aktiv geworden sind, wollen durch eine sozialistische Revolution unter Führung des Proletariats die klassenlose, freie Gesellschaft erreichen. 5.4 Anarchistische "Theoriegruppen" Das "Forum für Libertäre Information" (FLI) mit Kontaktadressen in mehreren Bundesländern zählt zu den wichtigsten anarchistischen "Theoriegruppen". Das FLI will langfristig eine "politisch arbeitende Föderation", basierend auf unterschiedlichen anarchistischen Strömungen, schaffen. In Rheinland-Pfalz gibt es eine Kontaktadresse des FLI in Morbach-Merscheid. 6. Linksextremistischer Terrorismus Der linksextremistische Terrorismus stellt für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Die nunmehr seit etwa 20 Jahren aktive "Rote Armee Fraktion" (RAF) ist nach wie vor als die gefährlichste deutsche linksextremistische terroristische Vereinigung anzusehen. So hat die RAF auch im Jahre 1990 mit dem Anschlag gegen den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans Neusei, am 27. Juli 1990 ihre 1988 begonnene Offensive gegen den "politisch-ökonomischen Bereich" fortgesetzt. Am 13. Februar 1991 verübte sie einen Schußwaffenanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Bonn-Bad Godesberg, der u.a. mit dem Golfkrieg begründet wurde. Die neben dem - 63 - "Kommandobereich" agierenden "Militanten der RAF" haben diese Offensive im Berichtszeitraum mit drei versuchten bzw. durchgeführten Sprengstoffund Brandanschlägen unterstützt. Von den "Revolutionären Zellen" (RZ) gingen 1990 - wie auch in den Vorjahren - nur geringe Aktivitäten aus. Die Anzahl der Brandund Sprengstoffanschlage sowie Sachbeschädigungen militanter linksextremistischer Kleingruppen und Einzeltäter aus dem weiteren terroristischen Spektrum sind im Jahre 1990 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. 6.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 6.1.1 Kommandobereich der RAF Der im Untergrund lebende Kommandobereich der "Roten Armee Fraktion" (RAF) dürfte weiterhin aus ca. 15 bis 20 Mitgliedern bestehen. Nach dem Mord an dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herrhausen, am 30. November 1989, hat die RAF auch im Jahre 1990 erneut deutlich gemacht, daß sie am Konzept des "bewaffneten Kampfes" unbeirrt festhält. In einer Erklärung vom 2. März 1990 bekannte sich das RAF-Kommando "Juliane PLAMBECK" zu einer Aktion auf den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ignaz Kiechle, die tatsächlich jedoch nicht durchgeführt worden ist. Begründet wurde die vorgesehene Tat im wesentlichen mit der Funktion von Minister Kiechle innerhalb der "westeuropäischen Formierung". Außerdem wird in dem Selbstbezichtigungsschreiben der gesamte Widerstand aufgerufen, "zu einem forcierten Aktionismus gegen das Sy- 1 Juliane PLAMBECK kam im Juli 1980 zusammen mit dem RAFTerroristen Wolfgang BEER bei einem Verkehrsunfall ums Leben. - 64 - stem überzugehen", das nur durch eine "einheitliche Orientierung" und den "gemeinsamen Kampf" gegen die westeuropäischen Formierungsprozesse, aktuell gegen den Binnenmarkt als Etappe eines "Europa des Kapitals", entlarvt und zu Fall gebracht werden könne. In einem weiteren Schreiben vom 3. März 1990 erklärte die RAF, sie habe die Aktion auf Minister Kiechle abgebrochen, da es durch ein "nicht kalkulierbares Ereignis bei der geplanten Durchführung zu einer Gefährdung Unbeteiligter" gekommen wäre. Durch einen Abstimmungsfehler sei die erste Erklärung der RAF bereits vor der Aktion abgesandt worden. Am 27. April 1990 wurde hierzu eine dritte Erklärung der RAF bekannt. Darin wird ausgeführt, bei dem angeblich geplanten Anschlag auf Minister Kiechle handele es sich nicht um eine Planung der RAF, sondern um eine u.a. der "Desorientierung" dienende "Geheimdienstaktion" des Verfassungsschutzes ("VS-Kiste") . Mit diesem verspäteten und unglaubhaften Dementi war die RAF offenbar bestrebt, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die geplante Aktion im RAF-Unterstützerbereich Irritation und Unsicherheit ausgelöst hat. Am 27. Juli 1990 verübte das RAF-Kommando "Jose Manuel SEVILLANO" in Bonn einen Sprengstoffanschlag auf den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans Neusei. Wie bei dem Mord an Dr. Herrhausen sollte das Dienstfahrzeug von Staatssekretär Neusei beim Durchfahren einer Lichtschranke in die Luft gesprengt werden. Der Explosionsdruck wurde jedoch durch die Leitplanke, an der der Sprengsatz befe- 1 Jose Manuel SEVILLANO, Mitglied der spanischen Terrorgruppe GRAPO, ist am 25. Mai 1990 an den Folgen seines 177 Tage andauernden Hungerstreiks verstorben. - 65 - stigt war, gemindert. In einer ersten kurzen Erklärung wurde die Tat damit begründet, Staatssekretär Neusei habe "den Angriff der faschistischen Bestie Westeuropa auf das Gefangenenkollektiv von PCE(r) und GRAPO" durch seine Mitarbeit in den Gremien von TREVI und NATO mitorganisiert. Dieser "Angriff" auf das in Spanien inhaftierte "Gefangenenkollektiv" müsse gemeinsam "zurückgeschlagen" und dessen Wiederzusammenlegung nunmehr durchgesetzt werden. Als Ziel künftiger revolutionärer Initiativen wird darüber hinaus die "Zusammenlegung aller revolutionären Gefangenen und damit die Perspektive ihrer Freiheit" propagiert. Am 31. Juli 1990 gingen bei mehreren Presseagenturen textidentische Selbstbezichtigungsschreiben zum Anschlag auf Staatssekretär Neusei ein, die mit "Rote Armee Fraktion 29.07.90" unterzeichnet waren. Die Erklärung behandelt zunächst den unmittelbaren Anlaß für die Tat (Tod des spanischen GRAPO-Häftlings SEVILLANO), sodann die Begründung für das - aus der Sicht der RAF - Mißlingen des Anschlags sowie für die Wahl von Staatssekretär Neusei als Anschlagsziel. Ferner beschreiben die Täter in allgemeiner Form ihre Zielsetzung. Sie analysieren aus ihrer Sicht die gegenwärtige politische Entwicklung in Europa und ziehen daraus Schlüsse für eine "revolutionäre Bewegung". Insbesondere befassen sie sich mit der Entwicklung in den osteuropäischen Staaten sowie der Vereinigung Deutschlands, in der sie die Gefahr eines "faschistischen 4. Reiches" ("großdeutsche Weltmacht") sehen. Abschließend wird darauf hingewiesen, daß der "Angriff" auf Staatssekretär Neusei der Beginn einer "langen Kampfphase gegen die neuentstandene großdeutsche/westeuropäische Weltmacht" sei. -aunqaaa yors -yueIg UT OFejs3Jey sabugI SurTs 4787 nz "OIOsITP uoTzoYW. SddnboizeL usyPsTsgZue137 Asp ur IFeyosporTäItw usben "en 10p '"esurfT ewfid, Sddn50119L ueyostusrtfejt Aep uehrnyoß -uy uS5TTeusye usurs un YDTs Se JTepuey ONWAS OZzuaoutA Tog -ungaßzne J109eL we weufe UI "usyupesinssea uepeyos -ydes usburzeb Inu Yoopef "rp 'Jzenszjeßge ossnung aysrstyez sne syTosureyg uepusßorTieqnusßeb Ip uoA uopnm apneqeg sep Jny "Breqsepog peg-uuog ur AJey9sIog-sn "Tp Jne Berydsuy usure jrONvas ozuoo -UTA. OPUeWWOy-AVd UFO SIqNOA T66T Zenaqag "ET WV "usqeßre JyoTu yDopof Ir9ZXoutas ypTs usy2ey Awa 10p Sunstttegeg auto Any ogyundsgreyuv "uopunzaßrzegs yorTyogsyeg uebunr33Twag usyoTITeztTod yoeu ey Sangstna ur 0661 Tunp *g we Jyrew-essew uep ne ITe3 -2qN oJ1oTweryer Terdsreg sTe ayr uoa Bungtyaa-ava 10p ur aeg uspygJoß nz Jyoru 'usros ueuuoyoßzne aaa usbrtTewaeys I9p ur ISPeTTbITW-AWA 2e1eynz ueuyeu -3594 up Tu oTp 'awa oTp uebob "Berspug. won uob -unT[s3s0A STp un "usbotmyosiea USUOTIYV-AVN Iunmeq 0qe uspnm sTOsazepuy "ueßuel1ls nz "sungisusger 1ouurIseqysqtes. pun "sopue3szoptM. Sep Bunors -TIeUTUTIN nz oqeypueH "I07T0M sure pun usuugy nz uostomsoa "bTozJzeshunpuyeg 'nzep mu uspgyoqssrey -18yDTS UeP usJusTp "usbntzynypssyeeIg, asortq "us -105 sugTdsbetyosuy uSheTLsJun ouspunzeßzne Yx0p pun 1ToS uepurjeq "AWd Ip SsTeyuezopueuuoy, sure Bnq -ueH UT SgexysusjeH 19P UT YDTS ypeuom "usßunpfaues -so1d "usqtsayossßungselJug. usyorTuygmeßun ays ars n3 wep ur 513704 Ava OT J1oTzuewep os '2230s10p -ueutssne "pue3soptM. pun gva UsyDstmz JTeqzeusunes -nZ Anz "ueuorJynzYsuoyzInyoss3eeIg. usJ1oToueI IToy -yOTTJUSFFQ oTp ur uepgyeqsITeyrsyots uep uoA uayo -TIqdBue Tu YoTs STp "uro Bungyag sJouyprezegun "O6ET'60degPZ UOTIyeLg SoWY 904. ITW sure uuog ur d4w nyusßeusjyorypen 9p teq Burb O66T TInf 'Lz un -99 - - 67 - denen vierseitigen Bekennerschreiben wird die Aktion in erster Linie mit der Rolle der USA im Golfkrieg begründet: "Versuch der USA, eine neue imperialistische Weltordnung zu erreichen", "Versuch, sich die Macht über das Öl dieser Region zu sichern". Ferner ergeht ein Aufruf zur internationalen Solidarität und zum antiimperialistischen Kampf in jedem einzelnen Land, um die imperialistischen Zerstörungsprojekte zu verhindern. An die Protestbewegungen richtet sich der Appell, "mit den revolutionären Gruppen für ein Zusammenwirken in verschiedenen Initiativen gegen diesen Völkermord zu kämpfen". Dieses Zusammenwirken soll sich nach außen hin manifestieren in - "den angriffen von revolutionären gruppen überall auf der weit gegen die politische und militärische macht von usa und nato", - "den blockaden gegen die kriegskonzerne, gegen die börsen, gegen natomilitärstützpunkte ...", - "in allen initiativen, demos, mahnwachen, kriegsdienstverweigerungen, sabotage-aktionen ...". Am 27. Februar 1991 ging bei den Nachrichtenagenturen AFP und ANSA in Bonn ein Ergänzungsschreiben der RAF zu ihrem Tatbekenntnis ein. Hierin wurde festgestellt, daß bei der Wahl der Kommandobezeichnung eine Verwechslung vorgekommen sei, so habe man die Aktion eigentlich "Ciro RIZATTO" widmen wollen. Mit diesem Kommando-Namen solle eine Verbindung zu den gefangenen Freundinnen und Freunden von "Action diBei Ciro RIZATTO handelt es sich um ein ehemaliges Mitglied der italienischen terroristischen Vereinigung C.O.L.P. ("Comunisti Organizzati per la Liberazione Proletaria" = "Organisierte Kommunisten für die Befreiung des Proletariats"), der 1983 bei einem Banküberfall - zusammen mit Mitgliedern der "Action directe" - in Frankreich von der Polizei erschossen wurde. - 68 - recte" hergestellt und ihnen geholfen werden, die Nachrichtensperre über ihren Hungerstreik zu durchbrechen. Im Juni 1990 sind zehn ehemalige Mitglieder des "Kommandobereichs der RAF" auf dem Gebiet der DDR festgenommen worden: - Susanne ALBRECHT am 6. Juni 1990 in Berlin (Ost), - Inge VIETT am 12. Juni 1990 in Magdeburg, - Eckehard FREIHERR VON SECKENDORFF-GUDENT und - Monika HELSING am 14. Juni 1990 in Frankfurt/Oder, - Werner Bernhard LOTZE und - Christine DÜMLEIN am 14. Juni 1990 in Senftenberg, - Sigrid STERNEBECK und - Ralf Baptist FRIEDRICH am 15. Juni 1990 in Schwedt/Oder, - Silke MAIER-WITT und - Henning BEER am 18. Juni 1990 in Neubrandenburg. Christine DÜMLEIN und Ralf Baptist FRIEDRICH wurden wegen Strafverfolgungsverjährung nach Identitätsfeststellung wieder freigelassen; aus dem gleichen Grund wurde am 27. Juli 1990 Eckehard FREIHERR VON SECKENDORFF-GUDENT aus der Untersuchungshaft entlassen. Die übrigen festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder wurden in die Bundesrepublik Deutschland überstellt und befinden sich seither in Untersuchungshaft . Alle vorgenannten mutmaßlichen RAF-Mitglieder haben sich nach eigenen glaubhaften Bekundungen vor ihrer Übersiedlung in die frühere DDR in den Jahren 1980 bzw. 1982 von der RAF gelöst. - 69 - 6.1.2 "Militante der RAF" ("Kämpfende Einheiten") Die "Militanten", die dem engeren RAF-Umfeld angehören und als zweite kämpfende Ebene in der RAF fungieren, leben im Gegensatz zum Kommandobereich überwiegend nicht im Untergrund. Sie beschränkten ihre Anschläge bislang vorrangig auf Sachwerte. Nach zweijähriger Ruhepause haben sich die "Militanten" erstmals am 12. Dezember 1989 mit einem Anschlag auf das Pflanzenschutzzentrum der Firma Bayer AG in Monheim bei Düsseldorf wieder in die Offensive des Kommandobereichs eingeschaltet. Im Jahre 1990 setzten sie ihre Aktivitäten fort : - am 4. Februar 1990 gegen die Hauptverwaltung der "Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke" (RWE) in Essen, - am 25. Februar 1990 gegen das Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank in Eschborn, - am 27. Februar 1990 gegen die Schule für Kommunikationsund Datentechnik der Firma Siemens in Bonn. Am 27. März 1990 wurden anläßlich einer polizeilichen Durchsuchung in Frankfurt am Main mehrere Exemplare der vermutlich von "Militanten" erstellten und illegal vertriebenen Publikation "Zusammen Kämpfen" (März 1990) sichergestellt. Dieses Sprachrohr des RAF-Spektrums, das seit zwei Jahren erstmals wieder auftauchte, enthält eine Sammlung von Taterklärungen zum Mord an Dr. Herrhausen sowie zu den Anschlägen "Kämpfender Einheiten". 1 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im Verfassungsschutzbericht 1989, Seite 59 f. - 70 - Am 18. August 1990 wurde eine Ausgabe Nr. 12 von "Zusammen Kämpfen" (August 1990) festgestellt. Die fast 50 Seiten umfassende Schrift enthält eine Reihe von bereits veröffentlichten Erklärungen, z.B. der RAF-Kommandoebene zum Anschlag auf Staatssekretär Neusei, von Inhaftierten der RAF und ausländischen Terrorgruppen sowie vor allem auch Erklärungen aus dem sogenannten Widerstand. Bemerkenswert sind jedoch mehrere Beiträge von unbekannten Mitgliedern "Kämpfender Einheiten" sowie von Personen aus dem terroristischen Umfeld, die einen breiten Diskussionsprozeß mit Initiativen und Gruppen aus anderen "politischen Zusammenhängen" stimulieren sollen. Am 20. Dezember 1990 wurde in der Kölner autonomen Alternativzeitschrift "agitare bene" Nr. 34, unter der Überschrift "Wieso, weshalb, warum?", ein neues Positionspapier einer "Kämpfenden Einheit" veröffentlicht. Zentrales Anliegen der Verfasser, die - eigenen Angaben zufolge - in den letzten Jahren verschiedene koordinierte Aktionen" durchgeführt haben, ist es, aus der Phase der eigenen Schwäche herauszukommen, eine neue stärkere Beziehung zu den "Basisgruppen" zu erlangen und darüber hinaus mit der "Guerilla" zu einer Kraft zu werden. In der Zuspitzung der Golfkrise sehen sie aktuell die herausragende Möglichkeit, andere Widerstandsspektren für ihr Frontkonzept zu gewinnen. Das Papier schließt mit der Forderung "Schafft viele kämpfende Einheiten" . 6.1.3 Umfeld der RAF Die das Gewaltkonzept der RAF bejahenden Unterstützergruppen werden aufgrund ihrer jeweiligen Nähe zum Kommandobereich in ein engeres und weiteres Umfeld unterteilt. Dem engeren RAF-Umfeld sind etwa 250 Personen zuzurechnen. - 71 - Zu den wichtigsten Aufgaben des RAF-Umfeldes zählt die Betreuung von inhaftierten terroristischen Gewalttätern und Unterstützern sowie die Öffentlichkeitsarbeit für die RAF. Eine wesentliche Funktion der Häftlingsbetreuung liegt in der Gewährleistung des Informationsaustausches zwischen den Häftlingen und dem im Untergrund lebenden Kommandobereich der RAF. Außerdem leisten Angehörige des RAF-Umfeldes logistische Unterstützungsarbeit, etwa durch Ausspähen von Angriffszielen, und werden so in die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Aktionen eingebunden. Die RAF-Unterstützerszene verübte im Jahre 1990 insgesamt fünf Brandanschläge und einen Sprengstoffanschlag. Aktionsschwerpunkt des RAF-Umfeldes war im Jahre 1990 die "Solidaritätskampagne" für die seit 30. November 1989 hungerstreikenden 52 Gefangenen der spanischen Terrorgruppe GRAPO ("Grupos de Resistencia Antifascista de Primero de Octubre") und der mit ihr in enger Verbindung stehenden politischen Organisation PCE(r) ("Partido Communista de Espana (reconstituido)"). Ausgangspunkt für die Kampagne war der am 16. Januar 1990 begonnene und regelmäßig auf eine Woche befristete Solidaritäts-Hungerstreik der Inhaftierten der "RAF und aus dem Widerstand", den einige Häftlinge mehrfach wiederholten. Die Angehörigen des RAF-Umfeldes dokumentierten ihre Solidarität bundesweit u.a. mit folgenden Demonstrationen und Protestaktionen: - Am 7. Februar 1990 drangen in das Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Bonn mehrere Personen ein, die sich als "Angehörige der politischen Gefangenen" ausgaben und erklärten, eine Pressekonferenz abhalten zu wollen. - 72 - - Am 8. Februar 1990 besetzten etwa 20 bis 25 Personen kurzfristig das spanische Generalkonsulat in Hamburg. - Am 12. März 1990 drangen 12 Personen in das Europabüro der SPD in Frankfurt am Main ein. - Am 21. März 1990 kam es in Konstanz anläßlich von Gesprächen zwischen Bundeskanzler Dr. Kohl und dem spanischen Ministerpräsidenten Gonzales zu einer gewalttätigen Demonstration von etwa 50 Personen. Bei der Räumung durch Polizeikräfte gab es erhebliche Widerstandshandlungen. - Am 26. April 1990 fand ein bundesweiter Aktionstag für die "Wiederzusammenlegung der spanischen Gefangenen" statt. Ein weiteres zentrales Thema für das RAF-Umfeld ist seit Anfang 1991 der Golfkonflikt. Besonders seit Ausbruch des Golfkrieges beteiligen sich Angehörige der RAF-Unterstützerszene an Protestaktionen (Demonstrationen, Blockaden). Neben propagandistischen Aktivitäten führte das RAFUmfeld auch militante Aktionen durch. So wurden im Rahmen der "Solidaritätskampagne" für die GRAPO/ PCE(r)-Häftlinge von Angehörigen des RAF-Umfeldes sowie Personen aus dem autonomen bzw. anarchistischen Bereich, die die Kampagne ebenfalls unterstützten, insgesamt zwölf Brandund vier Sprengstoffanschlage sowie zahlreiche Sachbeschädigungen verübt. In Rheinland-Pfalz sind Angehörige des Umfeldes der RAF vorwiegend in den Großräumen Mainz und Kaiserslautern aktiv. Im Rahmen der "Solidaritätskampagne" - 73 - für die hungerstreikenden Angehörigen der GRAPO/ PCE(r) und der Protestaktionen gegen den Golfkrieg traten Angehörige dieses Umfeldes sowie Personen aus dem autonomen bzw. anarchistischen Spektrum in Rheinland-Pfalz wie folgt in Erscheinung: - In der Nacht zum 9. April 1990 beschädigten unbekannte Täter auf dem Firmengelände einer VW-Autovertretung in Mainz insgesamt 14 Fahrzeuge mit Farbe . - Im Stadtgebiet von Mainz wurden mehrere Schmieraktionen mit der Forderung nach "Wiederzusammenlegung der spanischen Gefangenen" festgestellt. - Zusammen mit Personen aus dem autonomen Bereich führten Angehörige des RAF-Umfeldes u.a. in Mainz und Kaiserslautern anläßlich des Hungerstreiks der GRAPO/PCE(r)-Häftlinge zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen und -demonstrationen durch. Im Sommer 1990 fand aus dem gleichen Anlaß in Mainz über einen längeren Zeitraum regelmäßig samstags vor dem Staatstheater ein "Solidaritätstrommeln" statt. Anläßlich des Golfkrieges beteiligten sich Angehörige des RAF-Umfeldes an mehreren Protestaktionen (Demonstrationen, Blockadeaktionen), insbesondere in Kaiserslautern und Mainz. 6.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihre autonome Frauengruppe "Rote Zora" - einschließlich "Nachahmer"oder Resonanz-RZ - haben 1990 einen Sprengstoff anschlag versucht und vier Brandanschläge durch- 1 Vgl. die ausführliche Darstellung im Verfassungsschutzbericht 1989, Seite 62. - 74 - geführt. Die Flüchtlingsund Asylantenproblematik bildet für die RZ nach wie vor einen Schwerpunkt ihrer Anschlagsaktivitäten. So begründeten RZ die versuchten Sprengstoffanschlage auf das Amt für öffentliche Ordnung in Köln in der Nacht zum 6. Mai 1990 sowie auf die Staatskanzlei und das Arbeitsund Sozialministerium in Düsseldorf am 8. Januar 1991 u.a. mit angeblich repressiven Maßnahmen gegen die in Nordrhein-Westfalen aufenthältlichen Sinti und Roma. Von sogenannten Nachahmeroder Resonanz-RZ wurden im Jahre 1990 vier Brandanschläge in Berlin und Bielefeld begangen, die alle im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands standen. Bei den Gruppenmitgliedern handelt es sich überwiegend um Personen aus dem autonomen Bereich. Sie bejahen das militante Konzept der RZ. In ihren Taterklärungen wird das Bemühen deutlich, sich an die Argumentation der RZ anzulehnen. Für die RZ war auch der Golfkonflikt Anlaß zu Aktivitäten. So verübten RZ in der Nacht zum 16. Januar 1991 einen Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule in Berlin. In einer hierzu verbreiteten Erklärung begründeten die Täter ihre Aktion damit, daß am Vorabend eines möglichen Krieges in der arabischen Region Widerstand geleistet werden müsse. Die RZ sind weiterhin eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. 6.3 Sonstige terroristische Aktivitäten Das terroristische Täterspektrum aus dem militanten autonomen und anarchistischen Bereich ist von seiner personellen Zusammensetzung, seiner Gruppenstruktur und der ideologischen Zielsetzung her nicht mit den - 75 - terroristischen Kerngruppen "Rote Armee Fraktion" und "Revolutionäre Zellen" vergleichbar. Im Gegensatz zu RAF und RZ entstehen diese Gruppierungen häufig aus zeitlich und lokal begrenzten Anlässen, das heißt aufgrund bestimmter aktueller Reizthemen. Sie zerfallen aber ebenso wieder, wenn der Anlaß nicht mehr besteht. Ihre Aktionen richten sich in erster Linie gegen gesellschaftlich und politisch umstrittene oder breit diskutierte Themenbereiche. Im Jahre 1990 waren es u.a. "Hausbesetzungen", insbesondere in Hamburg, die Häuserräumungen in Berlin und Köln, die deutsche Wiedervereinigung sowie die Solidaritätskampagne im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der inhaftierten Mitglieder der GRAPO/PCE(r) in Spanien. Wie in den Vorjahren richteten sich die Straftaten auch gegen Industrieund Wirtschaftsunternehmen sowie öffentliche Einrichtungen und Versorgungsbetriebe. Seit Anfang 1991 steht der Golfkonflikt im Vordergrund der Aktivitäten dieser Szene. Aus Anlaß des Golfkrieges wurden in mehreren Städten in Deutschland Brandanschläge, u.a. gegen Banken, Tankstellen, Kfz-Niederlassungen und Kreiswehrersatzämter durchgeführt . Während Rheinland-Pfalz im Jahre 1990 von Anschlägen nicht betroffen war, verübte in der Nacht vom 13./ 14. Januar 1991 eine Gruppe "Eine revolutionäre Flamme" einen Brandanschlag auf eine VAG-Vertretung in Koblenz-Horchheim. Dabei wurden mehrere Fahrzeuge beschädigt. In einem Selbstbezichtigungsschrei- 1 Unter der Bezeichnung "Revolutionäre Flammen" wurden im Oktober 1990 in Berlin Brandanschläge gegen eine Bank und einen Supermarkt verübt. - 76 - ben wurde die Aktion von den unbekannten Tätern u.a. mit dem Hungerstreik der in Spanien inhaftierten GRAPO/PCE(r)-Mitglieder, der "Vereinigung Deutschlands" sowie der "Aggression am Golf" begründet. Abschließend wurde in der Erklärung ausgeführt "Wir wollen eine starke Bewegung gegen kriegerische, imperialistische Politik, eine starke Bewegung gegen die Weltmacht BRD/Westeuropa. Deswegen kämpfen wir für die Front, für eine Organisierung unter den Kämpfenden. Wir brauchen organisierte, kämpferische Strukturen im Widerstand". Die Bekennung zu dem Brandanschlag ist am 24. Januar 1991 in der Ausgabe Nr. 131 der von Angehörigen des autonomen/antiimperialistischen Spektrums in Berlin herausgegebenen Zeitung "Interim" abgedruckt. Insgesamt ging 1990 die Zahl der Brandund Sprengstoff anschlage durch den vorgenannten Täterkreis im Vergleich zum Jahr 1989 (59) auf 51 zurück. Die sonstigen Straftaten - Eingriffe in den Bahnverkehr und Anschläge auf Einrichtungen der Energiewirtschaft - reduzierten sich im Vergleich zum Vorjahr (29) auf insgesamt 11. Allerdings wurden von der genannten Szene zahlreiche Sachbeschädigungen begangen. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahre 1990 mehrere Schmieraktionen registriert , die im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der in Spanien inhaftierten Angehörigen der GRAPO/ PCE(r) standen. In der Nacht vom 6./7. Februar 1991 kam es in Mainz ana ü v j-\ 4- ^ *-. 4- ~^^<^" #3^** /-"~ n 471rv iiMK^lpiMnl-^ "pSJ ter an drei Banken zu Sachbeschädigungen. An den Gebäuden wurden außerdem die Parolen "Deutsches Geld Vgl. hierzu im einzelnen Seite 73 des Berichts. - 77 - mordet mit in aller Welt" sowie "Kein Geld für Völkermord" gesprüht. Am 8. Februar 1991 gingen bei zwei Frankfurter Zeitungen textidentische Selbstbezichtigungsschreiben ein, in denen als Begründung für die Anschläge, die zeitgleich auch in anderen Städten des Rhein-Main-Gebietes erfolgten, neben dem Golfkrieg u.a. auch die Solidarität mit den kurdischen und palästinensischen Befreiungsbewegungen genannt wird. Unter wörtlicher Bezugnahme auf ein Zitat von Ulrike MEINHOF wird allgemein zum Widerstand aufgefordert. In einem weiteren Bekennerschreiben, das in Form eines Flugblattes zur Verteilung gelangte, werden neben einer ausführlichen Anschlagsbegründung mögliche Angriffsziele genannt, so u.a. Presse und Medien, Rüstungskonzerne und Zulieferbetriebe, Bundeswehreinrichtungen und öffentliche Behörden. Außerdem werden "Tips zur täglichen Sabotage" gegeben, z.B. Besetzungen von Parteiund Pressebüros sowie Blockieren von Verkehrskreuzungen. Ulrike MEINHOF gehörte der ersten Generation der RAF an und beging am 9. Mai 1976 in der JVA Stuttgart-Stammheim Selbstmord. - 79 - B. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum Linksextremismus, insbesondere zum dogmatischen Marxismus-Leninismus, über kein geschlossenes theoretisches System. Er wird durch drei Grundelemente, - den Totalitarismus, - den Nationalismus und - den völkischen Kollektivismus, geprägt. Totalitarismus umfaßt die Ersetzung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch eine Staatsform, in der der Staat alle Macht und Autorität für sich beansprucht. Damit wird die Gewaltenteilung aufgehoben und die Freiheitsrechte des Individuums werden erheblich eingeschränkt. Der Staat wird meist durch einen Führer, gelegentlich durch eine sogenannte Elite geleitet (Führer-Gefolgschafts-Prinzip) . Ein Rechtsextremist ist autoritätsgläubig und vom Obrigkeitsstaat überzeugt. Die Demokratie hält er für eine artfremde, korrupte und dekadente Regierungsform. Er wünscht sich die Wiederherstellung einfacher, überschaubarer hierarchischer Verhältnisse. Auf Kosten der Freiheit wird die Ordnung unangemessen überbewertet. Der soldatischen Erziehung und Tradition mißt ein Rechtsextremist einen unverhältnismäßig hohen Stellenwert bei. Er neigt dazu, das militärische Prinzip vom Befehl und Gehorsam auf den zivilen Bereich zu übertragen. - 80 - Nationalismus beinhaltet die den Gedanken der Völkerverständigung mißachtende Überbewertung der eigenen nationalen Interessen zu Lasten anderer Na- 2 tionen. Er ist oft mit volkischem , also rassi- 3 . . . . stischem und insbesondere antisemitischem Gedankengut durchsetzt. "Schicksalsgemeinschaft" sowie "Blut und Boden" sind bezeichnende Schlagworte. Im Sozialdarwinismus sucht der Nationalismus seine Rechtfertigung. Nach dem Prinzip "Das Recht des Stärkeren geht vor" darf die höherwertige und stärkere Nation die anderen beherrschen. Wertigkeit und Stärke einer Nation bestimmen sich nach dem Durchsetzungsvermögen. Aus dem Nationalismus folgt eine betont feindselige Haltung gegenüber dem Ausland und den Ausländern. Die Abneigung richtet sich vor allem gegen die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges bzw. die NATO und den Warschauer Pakt, die Deutschlands Souveränität einschränken, sowie gegen die ausländischen Arbeitnehmer und Asylbewerber, in denen eine Gefahr für die eigene nationale Identität gesehen wird (rassistisch motivierte Ausländerfeindlichkeit) . Das Feindbild des Rechtsextremisten erstreckt sich auch auf "Fremde" (Andersdenkende/-lebende), wie etwa Freimaurer und Homosexuelle (Fremdenfeindlichkeit) . 4 Ihre antiamerikanische Einstellung ist so sehr ausgeprägt, daß sie massiv die Aggressionspolitik des irakischen Staatschefs Saddam HUSSEIN unterstützen. 1 Nationalistisch: mit übersteigertem Nationalgefühl; national: a) die Nation (Gemeinschaft nach Abstammung, Sprache, Kultur und Geschichte) betreffend, b) vaterländisch, patriotisch. 2 Die Volksgemeinschaft überbetonend. Biologische bzw. blutmäßige Übereinstimmung überbetonend. 4 Anstelle des einstigen nachhaltigen Antikommunismus folgte ein zunehmend stärker werdender Antiamerikanismus. - 81 - Völkischer Kollektivismus bedeutet die Überbewertung der Belange einer rassistisch verstandenen "Volksgemeinschaft" zum Nachteil der Rechte und Interessen des Individuums und von Gruppen (pluralistische Strukturen). Die Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft sollen durch die uneingeschränkte Einbindung in die "Volksgemeinschaft" aufgehoben werden. "Der Einzelne ist nichts, die Gemeinschaft (das Volk) ist alles" lautet der Leitspruch. Ferner ist der Rechtsextremismus gekennzeichnet durch - Diffamierung der demokratischen Staatsform der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Repräsentanten sowie - mangelnde Distanz zum "Dritten Reich", die sich durch Verschweigen, Verharmlosen und Leugnen der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen ausdrückt. Die für Rechtsextremisten typischen Merkmale sind nicht bei allen Organisationen in gleichem Maße erkennbar. Während sich die neonazistischen Vereinigungen offen zur Beseitigung der wesentlichen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, lassen sich bei den "nationaldemokratischen" und "national-freiheitlichen" Organisationen nur einzelne verfassungsfeindliche Positionen nachweisen. Im Jahre 1990 verzeichneten die rechtsextremistischen Organisationen bundesweit erstmals seit dem - 82 - Jahre 1982 eine Abnahme ihres Mitgliederbestandes . Gegenüber dem Vorjahr ging die Gesamtmitgliederzahl um ca. 3.600 von ca. 35.900 auf ca. 32.300 zurück. Diese Rechtsextremisten sind nunmehr 2 in 69 Vereinigungen zusammengeschlossen . Daneben gibt es noch ca. 150 Neonazis, die nicht organisiert 3 sind . Der beachtliche Ruckgang geht vornehmlich auf die Entwicklung der im Jahre 1987 gegründeten "national-freiheitlichen" Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY zurück, die auch für das beträchtliche Ansteigen des Rechtsextremismus in den letzten beiden Jahren verantwortlich war. Etwa 160 Neonazis 4 gelten als militant . Hinzu kommen mindestens 500 militante Skinheads, die entweder eindeutig neonazistisch sind oder zumindest Anhaltspunkte für eine 1 1982: Rückgang der Mitgliederzahl um ca. 1.300 auf ca. 19.000. 1983: Mitgliederzuwachs um ca. 1.300 auf ca. 20.300. 1984: Mitgliederzuwachs um ca. 1.800 auf ca. 22.100. 1985 und 1986: Stagnation der Mitgliederzahl. 1987 und 1988: Mitgliederzuwachs jeweils um ca. 3.100 auf ca. 25.200 bzw. ca. 28.300. 1989: Mitgliederzuwachs um ca. 7.600 auf ca. 35.900. 2 1989: 70 Organisationen. Die Partei "Die Republikaner" ist hierbei nicht berücksichtigt. Der Bund und die weit überwiegende Mehrheit der Länder (in Rheinland-Pfalz seit März 1989) prüfen anhand allgemein zugänglicher Informationen und Unterlagen, ob die "Republikaner" verfassungsfeindliche Ziele verfolgen (sogenannter Prüffall). 3 1989: ca. 200 unorganisierte Neonazis. Als militant werden die Aktivisten bezeichnet, die in den letzten Jahren Gewalttaten durchführten, an Gewalttaten oder deren Planung mitwirkten, illegal Waffen, Munition oder Sprengstoff im Besitz hatten oder wegen ihrer Gewaltbereitschaft bekannt sind. - 83 - neonazistische Gesinnung erkennen lassen. Entsprechend des bundesweiten Trends nahm auch in Rheinland-Pfalz die Zahl der Rechtsextremisten ab. Sie beträgt nunmehr ca. 1.900 . Gewaltorientierte Straftaten von Rechtsextremisten bzw. mit rechtsextremistischem Bezug beschäftigten im Berichtsjahr erneut die Öffentlichkeit. Dazu zählten Anschläge auf Ausländer, insbesondere Asylbewerber, und Aussiedler sowie deren Unterkünfte, Schändungen jüdischer Friedhöfe und Ausschreitungen gegenüber politisch Andersdenkenden. Die Militanz in den neuen Bundesländern scheint hierbei besonders ausgeprägt zu sein. Rechtsextremistische Terroranschläge im Sinne des SS 129a StGB wurden bundesweit nicht verübt. Die Gefahr der Bildung terroristischer Vereinigungen im Bereich des Neonazismus besteht jedoch fort. Durch diese Gewaltbereitschaft aggressiver und zum Teil unberechenbarer Fanatiker bedroht der Rechtsextremismus die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wiewohl er angesichts der geringen Zahl seiner Anhängerschaft und der minimalen Zustimmung bei Wahlen nicht ernsthaft die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet. Die politischen Veränderungen in der ehemaligen DDR seit Oktober 1989 nahmen die rechtsextremistischen Organisationen zum Anlaß, im Rahmen ihrer Forderung nach einem neutralen wiedervereinigten Deutschland nationalistische Agitation sowie Wählerund Mitgliederwerbung insbesondere unter den Übersiedlern, 1 1989: ca. 2.100 Rechtsextremisten. - 84 - deutschstämmigen Aussiedlern und Bewohnern der ehemaligen DDR zu betreiben. Auch bemühten sie sich, ihre Strukturen auf die fünf neuen Bundesländer auszudehnen. Allerdings mußten sie erkennen, daß ihre Zustimmung bei den Bürgern in den alten Bundesländern abnahm, seitdem sich auch die demokratischen Parteien und die sonstigen gesellschaftlichen Gruppen durch den Wiedervereinigungsprozeß verstärkt mit den nationalen Fragen auseinandersetzten. Daraufhin stellten rechtsextremistische Vereinigungen die Ablehnung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze und die Forderung nach einem Anschluß Österreichs an Deutschland in den Mittelpunkt ihrer nationalistischen Agitationen. Im Golfkonflikt ergreifen die rechtsextremistischen Organisationen aufgrund ihres Antiamerikanismus, Antisemitismus und Antizionismus einseitig für den irakischen Staatschef Saddam HUSSEIN Partei und agitieren gegen die Vereinigten Staaten von Amerika sowie gegen Israel. "Nationaldemokratische" Organisationen "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Ideologisch-politischer Standort Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD ergibt sich nicht unmittelbar aus der Satzung und dem zum Teil allgemein und mehrdeutig formulierten Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine - 85 - lebenswerte Zukunft" vom Jahre 1987, sondern vielmehr aus Äußerungen von Funktionären, Beiträgen in der offiziellen Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DSt) und Propagandaschriften, die der NPD zuzurechnen sind. Die von der NPD angestrebte "Nationaldemokratie" ist gekennzeichnet durch einen der nationalsozialistischen Weltanschauung entnommenen völkischen Kollektivismus, der biologisch begründet wird und rassistische Merkmale erkennen läßt. Der personalen Autonomie des einzelnen ist die "Volksgemeinschaft" 2 (Kollektiv; vgl. S. 18 des Parteiprogramms : "...in nationaler Solidarität...") übergeordnet. Seine eigentliche Daseinsberechtigung bezieht der Mensch als Individuum aus dem gesellschaftlichen Ganzen; der Wert der einzelnen Person ergibt sich aus ihrer Stellung und Funktion in der "Volksgemeinschaft". Für jedermann muß das Wohl des eigenen Volkes oberstes Gesetz sein. Das Volk, das nach Auffassung der NPD zerrissen ist und in eine Vielzahl von eigensüchtigen Interessengruppen und Parteien zerfällt, soll zur Einheit der Nation fortentwickelt werden. Die Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft, auch das natürliche Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, werden durch Das Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft", das am 13. November 1987 im Rahmen des 21. Bundesparteitages auf dem sogenannten Programmparteitag in Uehlfeld (Kreis Neustadt an der Aisch) mit großer Mehrheit beschlossen wurde, löste das "Düsseldorf Programm" vom Jahre 1973 ab. Nach der Präambel gibt die NPD vor, sich für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzusetzen. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft - NPD-Parteiprogramm", herausgegeben vom NPD-Parteivorstand, Stuttgart. - 86 - die uneingeschränkte Einbindung der Individualinteressen in die "Volksgemeinschaft" aufgehoben. Oberster Grundsatz jeglichen Handelns ist die Einheit von Mensch, Volk und Nation ("Nationale Solidarität"). Diese pauschale Überbetonung der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" gegenüber den Individualrechten ist nicht mit den tragenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, insbesondere nicht mit der Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, der Volkssouveränität und dem Mehrparteiensystem. Die nationalistische Einstellung der NPD zeigt sich durch Aussagen wie "Wir wollen Herr im eigenen Haus sein! Für Deutschlands Freiheit und Souveränität!" (DSt, Nr. 8, August 1990) und "Verzicht bleibt Verrat!.... Deutschlands historische Ostgrenze liegt an der Memel; Breslau, Stettin, Danzig und Königsberg liegen innerhalb dieser Grenzen." (DSt, Nr. 12, De- 2 zember 1990) . Als rechtsextremistische Organisation erkennt sie der Nation den höchsten Stellenwert zu. Sie mißbilligt daher die Mitgliedschaft in der EG und der NATO, da der Beitritt zu supranationalen Zusammenschlüssen unumgänglich den Verlust von Souveränitätsrechten zur Folge hat. Oberstes "nationaldemokratisches" Ziel ist ein einiges Deutschland als "blockfreier Mittler zwischen Ost und West" (Präambel des Parteiprogramms, S. 3 ) . Vgl. zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung BVerfGE 2, 1 (13). Vgl. S. 6 des Parteiprogramms: "Da Unrecht nicht dem Frieden dient, wird die völkerrechtswidrige Abtrennung deutscher Gebiete nicht anerkannt."und S. 7: "Die Vormundschaft durch die UdSSR und die USA muß überwunden werden." - 87 - Ihre ausländerfeindliche Haltung offenbart sie durch Äußerungen wie "Stoppt den Asylantenbetrug! Unsere Heimat muß deutsch bleiben!" (DSt, Nr. 5, Mai 1990) und "Wohnungskündigung für Deutsche - damit Asylanten einziehen können." (DSt, Nr. 8, August 1990). Die rassistische Denkweise der NPD deutet sich in Ausführungen wie "....die durch gemeinsame Herkunft, Geschichte, Tradition und Sprache gewachsenen Gemeinschaften der Völker werden stärker sein als die wider alle natürliche Vernunft konstruierte und uns aufgedrückte Vision einer 'multikulturellen Gesellschaft'...." (DSt, Nr. 7, Juli 1990), "Es geht um die Erhaltung der deutschen Nation auch in einem vereinten Europa" (DSt, Nr. 8, August 1990) und "Nationaldemokratische Frauen und Männer in allen Teilen Deutschlands kämpfen für die DEUTSCHE LEBENSFREIHEIT. Also für DEUTSCHE IDENTITÄT und gegen Ausländerüberflutung und multikulturelle Subkultur." (DSt, Nr. 12, Dezember 1990) an 1 . Der Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes versucht die NPD sich zu entziehen: "....Verwundern muß dies nicht, denn schließlich schwätzen unsere Vgl. S. 13 des Parteiprogramms: "Wir Nationaldemokraten bekennen uns zur Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen in Natur und Geschichte und deshalb zur Anerkennung und Achtung vor der natürlichen Ungleichheit der Menschen.", S. 16: "...menschenund völkerverachtende Integration...", S. 17: "...ausländerfeindliche Integrationspolitik - eine getarnte Zwangsgermanisierung - ..." bzw. "... kulturelle und nationale Identität..." und S. 19: "In der Verschiedenheit der Nationen und ihrer Kulturen und in der Unterschiedlichkeit der Menschen sehen wir den zu bewahrenden Reichtum unserer Erde." Früher sprach die NPD offen von der Gefahr der "Rassenvermischung" und des "Einheitsbreis" sowie von der Notwendigkeit der "Erhaltung der biologischen Existenz unseres Volkes". - 88 - eigenen Volksvertreter in Permanenz von der unendlichen Schuld, die wir (Deutschen) gegenüber Polen abzutragen hätten...." (DSt, Nr. 4, April 1990) und "....Mit unnachahmlicher Betroffenheitsmimik stehen sie seit Jahren unerschrocken an der Front der Vergangenheitsbewältigung und schürfen immer Abenteuerlicheres aus den Tiefen der 'jüngsten(?) deutschen Geschichte", die sie längst erfolgreich zu einem Kriminalmuseum entstellt haben." (DSt, Nr. 6, Juni 1990). Das Bundesverwaltungsgericht hat die verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD in mehreren Entscheidungen bejaht. Von den vom Gericht herangezogenen Aussagen hat sich die Partei nicht distanziert. Soweit sie sich später vorsichtiger äußerte, erfolgte dies erkennbar aus taktischen Erwägungen. 1.1.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand Die am 28. November 1964 in Hannover gegründete NPD, die ihren Sitz in Stuttgart hat, verfügt über eine im Bundesgebiet gut ausgebaute Infrastruktur. Nach 2 dem Beitritt der fünf sogenannten mitteldeutschen Landesverbände Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 7. Oktober 1990 besteht sie aus 16 Landesverbänden, 23 Bezirksverbänden und rund 250 Kreisverbänden. Im Jahre 1990 ging die Mitgliederzahl der NPD entsprechend der BVerwG, NJW 1981, 1390 (1391); BVerwG, NJW 1981, 1392 (1393); BVerwG, NJW 1984, 813 f; BVerwG, NJW 1986, 3096 (3097 ff); BVerwG, NJW 1988, 2907 (2908 f) . Die NPD beharrt auf der Bezeichnung "mitteldeutsch", da sie den deutsch-polnischen Grenzvertrag ablehnt (vgl. DSt, Nr. 12, Dezember 1990). - 89 - Entwicklung des Gesamtmitgliederbestandes der rechtsextremistischen Organisationen erstmals seit dem Jahre 1982 zurück 2 . Gegenüber dem Vorjahr verringerte sie sich von ca. 7.000 auf ca. 6.500. Wegen des schlechten Ergebnisses von 0,3 % der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 erklärte Rechtsanwalt Martin MUßGNUG aus Tuttlingen, der die Partei seit dem Jahre 1971 geführt hatte, auf der Parteivorstandssitzung am 16. Dezember 1990 seinen Rücktritt; er wolle den Weg zu einer Erneuerung der "Demokratischen Rechten" freimachen. Seine Funktion übernahm kommissarisch einer seiner Stellvertreter, der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, Walter BACHMANN aus Regensburg. Er wird von Jürgen SCHÜTZINGER, hauptamtlichem Bundesgeschäftsführer sowie Vorsitzendem des Landesverbandes Baden-Württemberg, Ulrich EIGENFELD, Generalse.3 kretar der Partei , und Dr. Rainer PRIGGE, früherem Vorsitzendem der NPD in der ehemaligen DDR, vertreten. Sie stellen mit den vom Parteivorstand aus seiner Mitte gewählten Leitern der Ämter das Präsidium (den geschäftsführenden Vorstand) dar. Der Parteivorstand, dem die Vorsitzenden der Landesverbände angehören, setzt sich aus mindestens 30 Personen zusammen. Seit dem 1. Juni 1990 ist der NPD, die in Berlin ab Oktober 1969 keine Parteitage durchführen, ab Mai 1974 keine öffentlichen Kundgebungen veranstalten und seit 1975 nicht an der Wahl zum Abgeord- 1 Vgl. Seite 82. 2 1982: Rückgang der Mitgliederzahl um ca. 600 auf ca. 5.900. 1983: Ca. 6.000 Mitglieder. 1984, 1985 und 1986: ca. 6.100 Mitglieder. 1987: Ca. 6.200 Mitglieder. 1988: Ca. 6.400 Mitglieder. 3 EIGENFELD löste Walter SEETZEN auf dem Bundesparteitag am 19./20. Mai 1990 als stellvertretender Vorsitzender und am 16. Juni 1990 als Generalsekretär ab. - 90 - netenhaus teilnehmen durfte, erlaubt, sich in Berlin öffentlich zu betätigen. Die Alliierte Kommandatura hat ihr bis zum 31. Mai 1990 befristetes Verbot vom 27. Oktober 1989 nicht verlängert. Der Landesverband Rheinland-Pfalz nahm im Berichtsjahr am bundesweiten Abwärtstrend der NPD teil. Sein Mitgliederbestand sank von mehr als 400 auf ca. 350. Auch die Aktivitäten der nunmehr 18 Kreisverbände"1" ließen nach. Landesvorsitzender ist seit Februar 1989 der 35jährige Kellerund Weinküfermeister Joa(jiij.ni n ü n n u D JLII aus luiutniycn ^AICIO bliuiiuic ncmstraße). Im Kreistag Südliche Weinstraße ist die NPD mit zwei Sitzen vertreten. 1.1.3 Finanzierung Infolge des schlechten Ergebnisses bei der Bundestagswahl 1990 mit 0,3 % der Zweitstimmen hat die NPD die bereits erhaltene Wahlkampfkostenvorauszahlung von ca. 820.000,DM nach SS 20 Abs. 4 des Parteiengesetzes zurückzuerstatten 2 . Dies verschlechtert die ohnehin angespannte finanzielle Lage beträchtlich und führt die NPD in existenzielle Schwierigkeiten. Die Aufrechterhaltung ihres Parteiapparates im bisherigen Umfang ist ernsthaft gefährdet. Ein Ausbau der Organisationsstruktur in den neuen Bundesländern läßt sich kaum noch verwirklichen. Der Ende 1990 nach SS 23 Parteiengesetz vorgelegte Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 1989 weist 1 1989: 20 Kreisverbände. 2 Erst bei mindestens 0,5 % der Zweitstimmen werden nach SS 18 des Parteiengesetzes Wahlkampfkosten erstattet. - 91 - als Einnahmen 1.004.340,47 DM und als Ausgaben 1.884.376,55 DM aus; in den Einnahmen sind 307.185,34 DM Mitgliedsbeiträge und 235.146,81 DM Spenden enthalten. In Rheinland-Pfalz hat die NPD nach ihren Angaben Einnahmen von 43.102,02 DM und Ausgaben von 46.818,67 DM; als Mitgliedsbeiträge werden 16.851,30 DM und als Spenden 23.654,48 DM angeführt. 1.1.4 Schulung Für die Schulung der Parteimitglieder im Sinne "nationaldemokratischer" Politik ist die Hauptabteilung Bildung verantwortlich. Die Anleitung erfolgt im "nationaldemokratischen Bildungszentrum" am Iseo-See in Oberitalien und im Inlandsbildungszentrum in Bromskirchen (Kreis Waldeck-Frankenberg). Die Bildungszentren dienen dem Aufbau einer Parteielite. Beide Häuser wurden von einer Funktionärin unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Das Bildungsprogramm umfaßt Grundlehrgänge, Aufbaufachlehrgange und Nachwuchsführungsseminare bis zu einer Woche. Vom 9. bis 16. Juni 1990 besuchten erstmals Mitglieder der Partei der "Mitteldeutschen Nationaldemokraten", die sich im August 1990 der NPD anschloß , das Bildungszentrum am Iseo-See. 1.1.5 Pressearbeit Als Parteiorgan der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart monatlich die "Deutsche Stimme" (DSt) in einer Auflage von ca. 200.000 Exempla- 2 . . . . ren . Ihr Hauptschriftleiter gehört dem Parteivor- 1 Vgl. Seite 99. 2 1989: ca. 200.000 Exemplare. - 92 - stand an. Darüber hinaus gibt die Pressestelle des NPD-Parteivorstandes monatlich die Presseinformation "Neuer politischer Dienst" heraus. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitete wegen des Artikels "An die Polen in Westdeutschland" in der Januarausgabe 1990 der "Deutschen Stimme" gegen den Chefredakteur Karl-Heinz VORSATZ und den Chef vom Dienst, Udo HOLTMANN, ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung nach SS 130 StGB ein. Aufgrund eines Beschlusses des Landgerichts Stuttgart durchsuchte die Polizei uie Geschäftsräume ucr NPD--Parteizei-tung und beschlagnahmte 50 Exemplare der Zeitung. In einer Pressemitteilung wertete die NPD die Maßnahmen als einen Angriff auf die Meinungsund Pressefreiheit. Als Berufungsinstanz verurteilte das Landgericht Stuttgart am 24. Oktober 1990 VORSATZ wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und einer Geldbuße von 5.000,DM. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dagegen hatte das Amtsgericht Stuttgart lediglich eine Geldstrafe von 7.000,DM festgesetzt. Das Ermittlungsverfahren gegen HOLTMANN wurde eingestellt. 1.1.6 Wahlen Die NPD beteiligte sich an der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990, an den Landtagswahlen im Saarland am 28. Januar 1990, in Nordrhein-Westfalen und Niedersächsen am 13. Mai 1990 sowie in den fünf neuen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen - nicht jedoch i Das Amtsgericht Stuttgart hatte den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses abgelehnt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Stuttgart diesen Beschluß auf. - 93 - in Bayern - am 14. Oktober 1990 und an den Kommunalwahlen am 18. März 1990 in Bayern sowie in Schleswig-Holstein am 25. März 1990. 1.1.6.1 Bundestagswahl An der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 nahm die NPD mit Landeslisten in allen 16 Bundesländern teil. Sie kandidierte als einzige rechtsextremistische Partei. Vor dem Bundesverfassungsgericht setzte sie mittels einer Verfassungsbeschwerde gegen das Bundeswahlgesetz die Befreiung von der Pflicht zur Beibringung von Unterstützungsunterschriften durch. Im Wege einer einstweiligen Anordnung entschied das Gericht mit Beschluß vom 17. Oktober 1990, daß bei der Bundestagswahl 1990 Parteien, ihnen gleichgestellte politische Vereinigungen und Listenvereinigungen in den fünf neuen Bundesländern für die Einreichung von Kreiswahlvorschlägen und von Landeslisten keine Unterstützungsunterschriften beizubringen haben. Dies gilt auch für Parteien in den übrigen Bundesländern, soweit sie bei der letzten Bundestagswahl mindestens 75.000 Zweitstimmen erhalten haben. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem Umstand, daß die Zeit für das Sammeln der Unterschriften nicht ausgereicht habe und die Kreiswahlleiter in der ehemaligen DDR nicht rechtzeitig bekannt gewesen seien. Die einstweilige Anordnung erbrachte der NPD, die bei der vorangegangenen Bundestagswahl 227.054 Zweitstimmen erzielt hatte, eine erhebliche Erleichterung. Vornehmlich Neben einer anderen Partei. - 94 - in den neuen Bundesländern schien trotz der dort bestehenden Landesverbände die Beibringung der zur Aufstellung von Landeslisten erforderlichen je 2.000 Unterstützungsunterschriften schwer möglich. Ziel der NPD war es, mindestens 0,5 % der Zweitstimmen auf sich zu vereinigen, um eine Rückerstattung der bereits erhaltenen Wahlkampfkostenvorauszahlung von ca. 820.000,DM zu verhindern. Sie war jedoch sehr skeptisch, ob ihr dies gelingen würde. Angesichts des engen finanziellen Spielraumes konnte sie lediglich einen Schwerpunktwahlkampf führen. Ihren Wahlkampf betrieb sie mit Zeitungsanzeigen, Plakaten, Flugschriften, einigen TVund Hörfunkspots sowie mit wenigen Veranstaltungen und Kundgebungen. Mit der Ablehnung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze, der Verurteilung des unbegrenzten Ausländerund Asylantenzuzugs sowie der daraus folgenden multikulturellen Gesellschaft, dem Eintreten für ein neutrales und souveränes Deutschland sowie der Hinwendung zu sozialen und ökologischen Fragen bemühte sie sich um Stimmen bei den Bürgern. In den Unzufriedenen, Benachteiligten und Sozialschwachen sah sie ihre wichtigsten Zielgruppen. Ihre zentralen Wahlaussagen waren "Deutschland uns Deutschen", "Schluß mit dem Asylmißbrauch", "Das ganze Deutschland soll es sein" (an die Vertriebenen gerichtet), "Die SED-Bonzen müssen weg" (an die Bürger in den fünf neuen Bundesländern gerichtet), "Endlich soziale Gerechtigkeit" und "Umweltschutz". Das Hauptgewicht lag jedoch in der nationalen Frage und der Ausländerproblematik. - 95 - Die "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) kam ihrer in dem Wahlbündnis mit der NPD eingegangenen Verpflichtung zur Unterstützung der NPD bei der Bundestagswahl trotz mehrfacher Erinnerung durch den Parteivorsitzenden MUßGNUG nur zum Teil nach. Ihre Wahlkampfhilfe beschränkte sich im wesentlichen auf den Abdruck von NPD-Anzeigen in den Wochenzeitungen ihres Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY. Ein Aufruf zur Wahl der NPD unterblieb. Die NPD mußte sowohl im Bundesgebiet mit 0,3 % (= 145.895) als auch in Rheinland-Pfalz mit 0,3 % der Zweitstimmen (= 7.973) erhebliche Einbußen gegenüber der Bundestagswahl 1987 hinnehmen. Damals hatte sie im Bundesgebiet 0,6 % (= 227.054), in Rheinland-Pfalz 0,7 % der Zweitstimmen (= 18.131) erhalten . Die Präsidien der NPD und der DVU hatten bereits im Frühjahr 1987 verabredet, sich bei den damals anstehenden Landtagswahlen unter Wahrung ihrer organisatorischen und politischen Eigenständigkeit gegenseitig zu unterstützen. Im Januar 1988 wurde diese Absprache für die Wahl zum Europäischen Parlament 1989 und zur Bundestagswahl 1990 erweitert. Vereinbart wurden die alleinige Teilnahme der "Deutschen Volksunion - Liste D" an der Europawahl, die Besetzung der Plätze 3, 6, 9 und 12 der Kandidatenliste mit Vertretern der NPD, die Zahlung einer Million DM an die NPD als Ersatz für die zu erstattende Wahlkampfkostenvorauszahlung aufgrund der Nichtbeteiligung an der Europawahl (Aufgrund des bei der Europawahl am 17. Januar 1984 erzielten Ergebnisses von 0,8 % der Stimmen hatte die NPD einen Anspruch auf Wahlkampf kostenvorauszahlung von etwa einer Million DM.) und die ausschließliche Kandidatur der NPD bei der Bundestagswahl. Sie konnte damit im Jahre 1987 ihr Ergebnis der Bundestagswahl 1983 - im Bundesgebiet 0,2 % (= 91.095) und in Rheinland-Pfalz 0,3 % der Zweitstimmen (= 6.626) - mehr als verdoppeln. - 96 - 1.1.6.2 Landtagswahlen Im Saarland errang die NPD bei der Landtagswahl am 28. Januar 1990 0,2 % der Stimmen (= 1.628). Sie war als einzige rechtsextremistische Partei zur Wahl angetreten. Auf ihrer Liste kandidierten drei Mitglieder der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU). Unterstützt wurde die NPD von der DVU jedoch nicht. Bei der Landtagswahl 1985 waren noch 0,7 % der Stimmen (= 4.659) auf sie entfallen. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen am 13. Mai 1990 erzielte die NPD ohne Unterstützung durch die "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) 0,0 % (= 3.382) bzw. 0,2 % der Stimmen (= 8.219). In Nordrhein-Westfalen hatte sie in 28 von 151 Wahlkreisen, in Niedersachsen in 26 von 100 Wahlkreisen kandidiert. Die Wahlergebnisse sind erheblich schlechter als bei den letzten Landtagswahlen, an denen sie teilgenommen hat. In NordrheinWestfalen erreichte sie im Jahre 1975 0,4 % (= 36.265), in Niedersachsen im Jahre 1978 ebenfalls 0,4 % der Stimmen (= 17.593). Zur Landtagswahl in den neuen fünf Bundesländern am 14. Oktober 1990 stellte sich die NPD ebenfalls zur Wahl. Sie erhielt in Sachsen 0,7 % (= 17.795), in Mecklenburg-Vorpommern 0,2 % (= 1.542), in SachsenAnhalt 0,2 % (= 2.086), in Thüringen 0,2 % (= 3.194) und in Brandenburg 0,1 % der Stimmen (= 1.666). Die Wahlergebnisse, insbesondere in Sachsen, blieben weit hinter den Erwartungen der NPD zurück. An der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahl in Bayern hatte sich die NPD nicht beteiligt. - 97 - 1.1.6.3 Kommunalwahlen In Bayern erreichte die NPD bei den Kommunalwahlen am 18. März 1990 0,1 % (= 3.687) und über Listenverbindungen ebenfalls 0,1 % der Stimmen (= 3.339). Den höchsten Stimmenanteil mit 2,0 % der Stimmen (= 1.299) erzielte sie bei den Landratswahlen im Landkreis Erlangen-Hoechstadt (Mittelfranken). Im Kreistag Neumarkt (Oberpfalz) gewann die Listenverbindung "NPD/freie Wähler/Bürgerinitiative Ausländerstopp" mit 1,7 % der Stimmen (= 1.124) einen Sitz. Bei früheren Wahlen hatte die NPD deutlich bessere Ergebnisse verzeichnet. So erhielt sie bei der Bundestagswahl 1987 0,6 % der Zweitstimmen und bei der Landtagswahl 1986 0,5 % der Stimmen. Bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein am 25. März 1990 erzielte die NPD 0,0 % der Stimmen (= 469). Sie kandidierte lediglich für den Gemeinderat Neumünster sowie für den Kreistag Herzogtum Lauenburg und erreichte dort 0,4 % (= 356) bzw. 0,3 % der Stimmen (= 113). Hierbei wurde sie von der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) unterstützt. Bei der Landtagswahl 1988 hatte sie 1,2 % der Stimmen und bei der Bundestagswahl 1987 0,5 % der Zweitstimmen erhalten. 1.1.7 Parteitage 1.1.7.1 Bundesparteitag Ihren mehrmals verschobenen 23. ordentlichen Bundesparteitag führte die NPD am 19./20. Mai 1990 in Helmstedt durch. Er stand unter dem Motto "Deutschland auf dem Weg zur Freiheit". An der Veranstaltung nahmen ca. 700 Personen teil, davon 250 Delegierte. Unter den Gästen war eine Delegation der "Mittel- - 98 - deutschen Nationaldemokraten" (MND) mit ihrem Vorsitzenden Dr. Rainer PRIGGE. Im Mittelpunkt des Bundesparteitages stand die Neuwahl des Parteivorstandes. Der bisherige Parteivorsitzende Martin MUßGNUG wurde mit etwa zwei Drittel der Stimmen wiedergewählt. Einziger Gegenkandidat war der Vorsitzende des Landesverbandes Hessen, Hans SCHMIDT, ein Vertreter der innerparteilichen Opposition gegen die Bündnispolitik mit der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU). Nachfolger von Generalsekretär Walter SEETZEN, der aus Altersgründen nicht mehr für das Amt eines der stellvertretenden Vorsitzenden kandidierte, wurde der bisherige Bundesschatzmeister 2 Ulrich EIGENFELD aus Oldenburg . In seiner Rede erwähnte MUßGNUG ohne Beschönigung die Niederlage der NPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen am 13. Mai 1990, deutete jedoch gleichzeitig auf die Möglichkeit hin, mit zeitgemäßeren politischen Zielsetzungen in der Deutschlandpolitik wieder verlorenen Boden gutzumachen. In der drohenden multikulturellen Gesellschaft sah er einen weiteren Schwerpunkt der NPD-Propaganda. Eine Erneuerung des Wahlbündnisses mit der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) nach der Bundestagswahl 1990, das nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte, schloß er aus. Dr. PRIGGE bekräftigte in seiner Ansprache die Forderung nach Schaffung eines "blockfreien Deutschlands". Einstimmig wurde eine "Resolution zur polnischen Westgrenze" beschlossen, in der die "Verzichtspolitik auf Ostdeutschland" entschieDie Partei der "Mitteldeutschen Nationaldemokraten" war am 8. Januar 1990 in Leipzig mit der Hilfe von NPD-Mitgliedern gegründet worden. Sie erhielt von Anfang an finanzielle, sachliche und personelle Unterstützung von der NPD (u.a. einen Kleinbus, Bürogeräte, Werbematerial, Redner für Parteiveranstaltungen und Schulung von Parteifunktionären) . EIGENFELD übernahm von SEETZEN am 16. Juni 1990 auch das Amt des Generalsekretärs. - 99 - den abgelehnt wird. Polen bekomme erst dann eine gesicherte Westgrenze, wenn es die von ihm besetzten deutschen Gebiete seinem rechtmäßigen Besitzer, dem deutschen Volk, zurückgebe. 1.1.7.2 "Vereinigungsparteitag" Am 7. Oktober 1990 fand in Erfurt ein außerordentlicher Bundesparteitag der NPD statt, auf dem die fünf sogenannten mitteldeutschen Landesverbände ihren Beitritt zur Bundespartei erklärten. Nach vorheriger Satzungsänderung wählten die Delegierten den bisherigen Vorsitzenden der ehemaligen DDR-NPD, Dr. Rainer PRIGGE, mit überwältigender Mehrheit zum 4. stellvertretenden Vorsitzenden und den früheren Generalsekretär Walter SEETZEN zum Ehrenvorsitzenden. Redner äußerten ihre Sorge vor einer Überflutung der fünf neuen Bundesländer mit dem "Dreck der westlichen Wertegemeinschaft" und vor Überfremdung. Der Parteitag verabschiedete ferner eine sogenannte Erfurter Erklärung, in der sich die NPD als "Freiheitspartei" darstellt, die für die "historischen Grenzen" eintritt. 1.1.7.3 Landesparteitag Am 27. Mai 1990 hielt in Bad Kreuznach-Bosenheim der Landesverband Rheinland-Pfalz seinen 24. ordentlichen Parteitag ab. Vornehmlich wurden die Vorbereitungen zur Bundestagswahl 1990 behandelt. Der ParDie "Mitteldeutschen Nationaldemokraten" (MND) hatten unter Führung ihres Vorsitzenden Dr. Rainer PRIGGE am 19. August 1990 in Barleben bei Magdeburg beschlossen, sich mit sofortiger Wirkung in "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) umzubenennen. Die Gründung von fünf sogenannten mitteldeutschen NPD-Landesverbänden war die Folge. - 100 - teitag stellte eine 13 Kandidaten umfassende Landesliste auf, die von dem Landesvorsitzenden Joachim HEHRLEIN angeführt wurde. 1.1.8 Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Neben der finanziellen und ideologischen Unterstützung der "Mitteldeutschen Nationaldemokraten" (MND) bis zu deren Umbenennung und Vereinigung entfaltete die NPD im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung eine ganze Reihe von Aktivitäten. Zu erwähnen sind vor allem - die Kampagne "Volksabstimmung - Wiedervereinigung" : Mit dieser Aktion forderte die NPD die "Regierenden in beiden Teilen Deutschlands" auf, sofort eine "Volksabstimmung über die Wiedervereinigung" durchzuführen. Mit Flugblattaktionen und Demonstrationen - insbesondere an der ehemaligen innerdeutschen Grenze und auf dem Gebiet der früheren DDR - sowie mit Anzeigen ihres Parteiorgans "Deutsche Stimme" (DSt) warb sie mit großem Aufwand für die Volksabstimmung, - die Teilnahme an den sogenannten Montagsdemonstrationen in Leipzig, - der Aufruf an die Leser der "Deutschen Stimme" , Patenschaftsabonnements zugunsten der Bürger der ehemaligen DDR zu erwerben, - die Demonstration "Wiedervereinigung jetzt!" mit anschließender Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1990 in Villingen-Schwenningen, - die Gemeinschaftsdemonstration mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und dem "Nationaldemokra- - 101 - tischen Hochschulbund" (NHB) am 13. Februar 1990 in Bonn anläßlich des Besuches des damaligen DDRMinisterpräsidenten Modrow: Redner der Abschlußkundgebung forderten eine schnelle und bedingungslose Wiedervereinigung sowie ein souveränes und neutrales Deutschland, - die Benennung von Patenschaftslandesverbänden für die ehemalige DDR im Frühjahr 1990, - das Eintreten für den schnellsten Weg zur Einheit Deutschlands, d.h. nach Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) , in der Juniausgabe der "Deutschen Stimme" (DSt) und - der Versuch, am 17. Juni 1990 in Eisenach ein "Deutschlandtreffen" mit den "Mitteldeutschen Nationaldemokraten" (MND) durchzuführen: Der Bürgermeister der Stadt hatte die Veranstaltung nicht genehmigt; die Absicht, auf die Wartburg auszuweichen, wurde von der Polizei vereitelt. 1.1.9 Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt Die NPD nimmt den Golfkonflikt zum Anlaß für eine antiamerikanische Agitationskampagne, die sie vornehmlich in ihrem Parteiorgan "Deutsche Stimme" (DSt) betreibt. In der Dezemberausgabe 1990 warf sie der USA in dem Artikel "Der Krieg des Präsidenten" vor, immer mehr Truppen am Golf zusammenzuziehen, um einen Krieg zu provozieren. Sie empfahl, sich über die Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen US-Präsidenten und der Hochfinanz zu informieren. Ein Standardwerk hierzu In der Aprilausgabe hatte sich die NPD noch für eine Vereinigung nach Art. 146 GG ausgesprochen. - 102 - sei das Buch "Roosevelt und die internationale Hochfinanz" von Professor Anthony C. Sutton. Danach habe der ehemalige Präsident F.D. Roosevelt vor allem durch seine enge Verflechtung mit den Hochfinanzkreisen der Wallstreet wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Zweiten Weltkrieges. Im Anschluß an den Beitrag "Spaziergang am Golf?" in der Januarausgabe 1991, in der die NPD wiederum die USA beschuldigt, planmäßig dem Krieg entgegenzusteuern, stellt sie die polemische Frage "Muß deutsches Soldatenblut im Wüstensand versickern, damit das Öl für die USA wieder sprudelt?". Die NPD-Fraktion im Frankfurter Stadtrat forderte sogar mit Dringlichkeitsantrag vom 18. Januar 1991 eine Städtepartnerschaft mit Bagdad. Vor allem wegen der "leidvollen Erfahrungen Frankfurts mit dem alliierten Luftterror" im Zweiten Weltkrieg sei ein Akt der Solidarität geboten. Der Antrag wurde abgelehnt. 1.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Die JN, die im Jahr 1969 gegründete Jugendorganisation der NPD, billigen nur bedingt die politische Richtung ihrer "Mutterpartei". Sie kritisieren die mangelhafte Aussagekraft ihrer programmatischen Äußerungen, ihre fehlende Aggressivität und das Wahlbündnis mit der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU). Einzelne Mitglieder zeigen neonazistische Neigungen. Der "Nationaldemokratische Hochschulbund" (NHB), der sich als "Studentenverband der NPD" bezeichnet und ca. 50 Mitglieder umfaßt, trat im Berichtsjahr an den rheinlandpfälzischen Hochschulen nicht in Erscheinung. - 103 - Erstmals seit dem Jahre 1982 ist die Mitgliederzahl der JN rückläufig . Sie nahm bundesweit gegenüber dem Vorjahr von ca. 900 auf ca. 750 ab. Bundesvorsitzender ist seit dem Bundeskongreß am 29./30. September 1990 in Leipzig Frank HOLENDER aus Leipzig, der auch den JN-Landesverband Sachsen leitet. Er hat Thilo KABUS aus Berlin abgelöst, der nunmehr als Stellvertreter fungiert. In unregelmäßigen Abständen gibt der Bundesvorstand das Mitteilungsblatt "Einheit und Kampf" heraus, das bis Juni 1990 die Bezeichnung "Junge Stimme" trug. Die Namensänderung soll nach Aussage der JN verdeutlichen, daß sie "die politische und geistige Vorhut, die junge Elite der Nation" werden wollen. Daneben erscheint als sogenannte Verlagsbeilage zum NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" (DSt) die "Junge deutsche Stimme". Trotz ihres Anspruches, eine "Kampfgemeinschaft" zu sein, entfalteten die JN im Jahre 1990 insgesamt wenig Aktivitäten. Ihre Hauptaufgabe sahen sie in der Unterstützung der JN in den fünf neuen Bundesländern. Im Rahmen einer von den JN initiierten "Bundesaktion" beteiligten sich am 18. August 1990 in Görlitz (Sachsen) ca. 70 Angehörige der JN und der NPD an einer Kundgebung auf dem Marktplatz der Stadt. Das Mitglied des NPD-Parteivorstandes, Peter MARX aus 1982: Rückgang der Mitgliederzahl um ca. 250 auf ca. 500. 1983: ca. 500 Mitglieder. 1984 und 1985: ca. 550 Mitglieder. 1986: ca. 600 Mitglieder. 1987: ca. 750 Mitglieder. 1988: ca. 800 Mitglieder. - 104 - Schafbrücke (Saarland), referierte über das ehemals deutsche und nunmehr polnische Schlesien und beschuldigte die Politiker in Bonn, auf deutsche Gebiete im Osten zu verzichten und die Oder-NeißeGrenze anzuerkennen. An einem Informationstisch wurden Propagandamaterialien und Flugblätter wie "Bundesland Schlesien" und "Marxismus stoppen" verteilt. Nach der Veranstaltung überschritten ca. 50 Personen ohne Kontrolle durch die Grenzbeamten die über die Neiße-Brücke verlaufende Grenze nach Polen. In der am anderen Ufer gelegenen polnischen Stadt Zgorzelec sangen sie das "Schlesier-Lied" und riefen "Schlesien bleibt deutsch". Unter dem Motto "Einheit und Kampf" hielten die JN am 29./30. September in Leipzig ihren Bundeskongreß, den sogenannten Vereinigungskongreß, ab, an dem etwa 50 Personen teilnahmen. In einem einstimmig angenommenen "Vertrag über die Vereinigung der 'Jungen Nationaldemokraten'" schlössen sie sich zu einem "Bundesverband der Jungen Nationaldemokraten" zusammen. Neuerdings wirken die JN an der antiamerikanischen Agitationskampagne ihrer "Mutterpartei" im Zusammenhang mit dem Golfkonflikt mit. Der Landesverband Bayern rügte in einer Pressemitteilung vom 18. Januar 1991 das amerikanische Vorgehen als Massenbombardement "ä la Dresden" und schloß sich der Forderung der Friedensbewegung "Don't mix blood with oil" an. Er rief seine Mitglieder auf, an Mahnwachen und Demonstrationen vor Einrichtungen der US-Army teilzunehmen, um zu verdeutlichen, wer der tatsächliche Aggressor am Golf sei. - 105 - Der Landesverband Rheinland-Pfalz der JN, der seit dem 10. März 1990 von Frank JOISTGEN aus Grafschaft (Kreis Ahrweiler) geführt wird, mußte im Berichtszeitraum einen erheblichen Mitgliederrückgang hinnehmen. Die Mitgliederzahl verringerte sich um ca. 40 auf ca. 30. Gegenwärtig bestehen nur noch die Kreisverbände Koblenz und Vorderpfalz. Der Kreisverband Vorderpfalz, der bis Mitte 1990 Kreisverband Ludwigshafen/Frankenthal (Pfalz) hieß, gibt ein eigenes Mitteilungsblatt "Deutscher Michel" heraus, das bisher dreimal erschien. 2. "National-freiheitliche" Organisationen 2.1 Ideologisch-politischer Standort Das Fehlen eines ideologisch geschlossenen Systems ist bei den sich als "National-Freiheitliche" bezeichnenden Organisationen, die im wesentlichen durch die "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und die "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU) verkörpert werden, noch offenkundiger als bei der NPD. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der "national-freiheitlichen" Organisationen läßt sich nur ansatzweise aus den Programmen herleiten. Als Nachweise dienen in erster Linie Äußerungen ihrer Funktionäre und Beiträge in den von dem Vorsitzenden der "Deutschen Volksunion - Liste D", dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY, herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutscher An- 2 zeiger" (DA) , "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ). 1 Beide Organisationen verwenden die Abkürzung "DVU". 2 Mit Ablauf des Jahres 1990 stellte der "Deutsche Anzeiger" (DA) sein Erscheinen ein. Seitdem führt die "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) den Untertitel "Deutscher Anzeiger". - 106 - Das politische Gedankengut der "national-freiheitlichen" Organisationen wird getragen von - Ausländerfeindlichkeit ("Überfremdung in Deutschland" - DNZ vom 2. Februar 1990, "Steuergelder für Asylschwindler" und "Wie die Deutschen benachteiligt werden" - DNZ vom 9. Februar 1990, "Kann Deutschland deutsch bleiben?" - DA vom 23. Februar 1990, "Deutsche raus, Asylbewerber rein!" - DNZ vom 25. Mai 1990, "Droht Überfremdungs-Gefahr" - DNZ vom 8. Juni 1990, "Erobern Ausländer Deutschland? Der geheime Überfremdungsplan" - DNZ vorn 20. Juli 1990 und "Wie Ausländer Deutschland überschwemmen" - DNZ vom 21. September 1990) , - latentem Antisemitismus ("Israelischer Besatzungsterror: Das wahre Ausmaß" - DNZ vom 20. April 1990, "Kniefall vor Jüdischem Weltkongreß" - DNZ vom 22. Juni 1990 und "Beim Israel-Besuch der deutschen Parlaments-Präsidentinnen Bergmann-Pohl (Volkskammer der DDR) und Süßmuth (Bundestag) wurde an antideutschen Schuldund Sühnepredigten alles bisher Dagewesene über (besser: unter-) troffen." - DNZ vom 29. Juni 1990) und - Nationalismus ("Landraub bleibt Landraub" - DNZ vom 22. Juni 1990 und "Polen hat kein Recht auf 1 Vgl. Punkt 1 Abs. 2 des Programms der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU): "...Begrenzung des Ausländeranteils, Stopp dem zunehmenden Ausländerzustrom, Beschleunigung der Asylverfahren, Ausweisung von kriminellen Ausländern. Alle gesetzgeberischen und rechtlichen Möglichkeiten unserer freiheitlichen Rechtsordnung müssen ausgeschöpft werden, um unzweifelhafte Scheinasylanten rascher abzuschieben..." - 107 - deutsches Land. Warum lassen wir uns von Warschau erpressen?" - DNZ vom 29. Juni 1990) . Die "national-freiheitlichen" Organisationen verharmlosen die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes und bestreiten die Verantwortung der Deutschen für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ("Im Mittelpunkt steht die Absurdität deutscher Alleinund Totalschuld." - DNZ Nr. 19 vom 4. Mai 1990) 2 . Darüber hinaus führen sie Hetzkampagnen gegen Repräsentanten des öffentlichen Lebens ("Verdient von Weizsäcker nur Jubel? Tatsachen, die vertuscht werden sollen." - DNZ vom 13. April 1990 und "Wie Weizsäcker Deutschland belastet" - DWZ vom 11. Mai 1990) . Der Antikommunismus ist für die "national-freiheit- 3 liehen" Organisationen kein Programmpunkt mehr . Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der NPD haben sie ihren Standpunkt vom Verbleiben der Bundesrepublik Deutschland in der NATO aufgegeben und treten nunmehr für ein neutrales Deutschland ein. Vgl. Punkt 1 Abs. 1 des Programms der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) : "Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben Dies schließt das Recht auf das angestammte Land, die nationale Identität und Selbstbestimmung ein." Vgl. Punkt 3 Abs. 1 des Programms der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU): "Die sich steigernde höchst einseitige Vergangenheitsbewältigung allein zu Lasten der Besiegten des Zweiten Weltkrieges mit der Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektivverantwortung an die Deutschen beeinträchtigt unsere Gleichberechtigung in der Völkerund Staatenfamilie. Wir wenden uns entschieden dagegen, daß unser Volk der Sündenbock der Welt bleibt." Während der Antikommunismus im Programm der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) keine Aufnahme fand, war in Nr. 6 des im Jahre 1987 noch geltenden Programmes der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU) als Ziel aufgeführt, "den vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Kommunismus in allen unmenschlichen Erscheinungsformen, soweit sie unser Volk bedrohen, zu bekämpfen". - 108 - Ihr Feindbild wird nunmehr vom Antiamerikanismus bestimmt . 2.2 Organisationen Die "national-freiheitlichen" Organisationen, die sich im wesentlichen aus der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU) zusammensetzen, hatten von allen rechtsextremistischen Vereinigungen den größten Mitgliederrückgang . 2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften Die von Dr. Gerhard FREY im Jahre 1971 gegründete und geleitete DVU weist mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften - "Aktion Oder-Neiße" (AKON) 2 , - "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA), - "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.), - "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), - "Ehrenbund RUDEL - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" und - "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur", -*- B e i d e Oi.gdiii &ryer mr uegyerorzaL uaryr IM "puerzrpzon pun usruuegTzggoaN UF SJejusggw aenyeryads yanp urystam yoopel wald a1p (r)I610os ustrazbeiyog na "O66T syep ur Jergebsapung wr erT1essberyuosun syr 9718 syJepusaq 'puegsjus Wepeyosypeg AJeyoTrT -qaya wap Teq "066T Tunp 'st we utawen ur 43824 -313138 ueyosriraq a0p zyerdsbungnusddnsL usp yne BeiyasuejJogsbussdg weurs JIW "us3eptos syosryrq tanz (ustuuegriggorg) PISTJUOTT UT WAId STp voyos -8 bei ueypreIb wy "apnma J2J2[10A 19JwWeegTszTIod Jayosynap ufs s1p yonp 'qe sssnyog ssyau Anazyey -1321104 UT(r) Jne J848L WepusIyontIF ap uegeb yyeJ -sbunbtoJsen Asu13 JneteA WI "egerIs 19uU2JJo Jne - 99T - - 167 - spirative Wohnungen (z.B. in Hannover) sowie Erddepots mit Sprengstoff, Waffen und Munition aufzufinden. Am 16. August 1990 begann vor dem OLG Düsseldorf ein Strafverfahren gegen die mutmaßlichen PIRATerroristen Terence MC GEOUGH und Thomas HANRATTY . Sie sind wegen versuchten Mordes, Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion angeklagt. Ihnen wird die Beteiligung an verschiedenen Anschlägen gegen die britische Rheinarmee vorgeworfen. Wie in der Vergangenheit konnten auch im Berichtszeitraum logistische Bezüge der PIRA in RheinlandPfalz festgestellt werden. Sikhs Ziel der extremistischen Organisationen der Reli- 2 gionsgemeinschaft der Sikhs , die auch über Anhanger in der Bundesrepublik Deutschland verfügen, ist die Errichtung eines unabhängigen Staates Khalistan in Indien. Vornehmlich in ihrem Heimatland, dem indischen Bundesstaat Punjab, führen sie einen Kampf gegen die offiziellen indischen Stellen, der gewaltbetont ist und bisweilen bürgerkriegsähnliche Züge annimmt. Die beiden wurden am 30. August 1988 in Nordrhein-Westfalen an der Grenze zu den Niederlanden in einem in Mainz angemieteten Kraftfahrzeug festgenommen. Im Kraftfahrzeug befanden sich Waffen und Munition. Die Religion der Sikhs steht zwischen dem Hinduismus und dem Islam. Ihr Ziel ist die Gleichheit der Gläubigen und damit die Beseitigung des Kastenwesens. - 168 - Die mitgliederstärkste extremistische Sikh-Organisation ist die extrem nationalistische "International Sikh Youth Federation" (ISYF), die in mehreren Städten im Bundesgebiet, u.a. im Rhein-Main-Gebiet, vertreten ist. Ihre Dachorganisation ist die "All India Sikh Student Federation" (AISSF). In Opposition zur AISSF steht die militante Sikh-Organisation "Babbar Khalsa" (BK). Im Berichtszeitraum hielten innerhalb der ISYF Flügelkämpfe an, die auch in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen führten. Militante SikhOrganisationen schrecken auch vor der Ermordung politischer Gegner nicht zurück . Tamilen Die hinduistische Bevölkerungsgruppe der Tamilen strebt im Norden der Insel Sri Lanka die Bildung eines unabhängigen Tamilenstaates an. Straff organisierte militante "Befreiungsorganisationen" führen mit Waffengewalt einen Kampf gegen die buddhistische singalesische Bevölkerungsmehrheit und die Regierung in Colombo. In der Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor die linksgerichtete "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) die aktivste und mitgliederstärkste extremistische Tamilenorganisation. Sie will in ihrem Heimatland einen unabhängigen sozialistisch und antiimperialistisch geprägten Staat "Tamil Am 28. September 1990 wurde in der Schweiz ein von der ISYF zur BK übergewechselter Sikh Opfer eines vermutlich politisch motivierten Mordanschlags. Im Jahre 1989 waren im Bundesgebiet zwei Sikhs vermutlich aus politischen Motiven ermordet worden. - 169 - Eelam" gründen und ist in Sri Lanka wegen ihres gewalttätigen Unabhängigkeitskampfes verboten. Im Berichtszeitraum verstärkte die LTTE im Bundesgebiet ihre propagandistischen Aktivitäten, aber auch ihre Bemühungen, bei Landsleuten "Spenden" einzutreiben. Hierbei drohte sie Spendenunwilligen physische Gewalt an. Mit dem Spendenaufkommen finanziert die LTTE ihren "Befreiungskampf" auf Sri Lanka. - 171 - ,3" Spionageabwehr Eine der Aufgaben des Verfassungsschutzes ist die Spionageabwehr. Die geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht Geheimdienstliche Tätigkeiten sind Aktivitäten eines Geheimdienstes sowie für einen Geheimdienst mit Mitteln der geheimen Nachrichtenbeschaffung (nachrichtendienstlichen Mitteln). Sie umfassen die Spionage, die Sabotage und Subversion . Der allgemein übliche Begriff der Spionageabwehr ist daher zu eng. Sabotage und Subversion fallen unter den Oberbegriff "aktive Maßnahmen". Neben Sabotage und Subversion rechnen zu den "aktiven Maßnahmen" auch die Gewalt gegen Menschen, insbesondere Mord und Entführung. Die Grenzen zum 2 Staatsterrorismus sind fließend. Unter Spionage wird die Nachrichtenbeschaffung für einen ausländischen Geheimdienst verstanden. Als strafrechtliche Tatbestände kommen vor allem eine landesverräterische Agententätigkeit nach SS 98 StGB 3 (Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen) oder eine geheimdienstliche Agententätigkeit nach Auch Zersetzung oder Beeinflussung genannt. Staatsterrorismus umfaßt staatlich gesteuerte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder fremdes Eigentum in fremden Ländern. Den Begriff des Staatsgeheimnisses definiert SS 93 StGB. Danach fallen darunter Tatsachen, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. - 172 - SS 99 StGB (geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland) in Betracht. Jegliche Tätigkeit fremder Geheimdienste im Bundesgebiet verstößt gegen wesentliche Belange des Staates, wenn sie nicht fremden Staaten vertraglich zugestanden , 1. wurde Sabotage ist die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen mit dem Ziel, die Funktionsfähigkeit eines Staates zu beeinträchtigen. Das Strafrecht unterscheidet zwischen Agententätigkeit zu Sabotagezwecken nach SS 87 StGB und der verfassungsfeindlichen Sabotage nach SS 88 StGB. Während SS 87 StGB die Vorbereitung von Sabotagehandlungen unter Strafe stellt, die im Auftrag von ausländischen Regierungen, Vereinigungen oder Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland begangen werden sollen, hebt SS 88 StGB nicht auf die Täterschaft für eine fremde Macht ab. Subversion bedeutet die Einwirkung auf die Meinungsund Willensbildung von Staatsorganen, Medien und der Öffentlichkeit durch Verbreiten von Haibund Unwahrheiten mit dem vornehmlichen Ziel, Mißtrauen zu schüren und günstige Bedingungen für einen Umsturz zu schaffen. Zu den bekanntesten Mitteln der Subversion zählen die Desinformation und der Einsatz von Einflußagenten. Unter Desinformation wird das Zuspielen von falschen, unvollständigen, entstellten oder überholten Informationen verstanden, um die öffentliche Meinung irrezuführen und die internationalen politischen Be- 1 Vgl. schriftlichen Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 15. Juni 1972 im Rahmen der Gesetzesnovelle vom 7.8.1972, BT-Drucks. VI/3533, S. 4. - 173 - Ziehungen zu stören. Im Gegensatz zur konventionellen Propaganda verschleiert die Desinformation ihre Herkunft und ist grundsätzlich mit geheimdienstlichen Aktionen verbunden. Einflußagenten haben den Auftrag, unter Ausnutzung ihrer politischen, beruflichen und gesellschaftlichen Stellung die Meinungsund Entscheidungsprozesse in ihrem Einsatzgebiet im Sinne der auftraggebenden Geheimdienste zu beeinflussen. Da sie keine Dokumente entwenden und sich nicht regelmäßig mit ihrem Führungsoffizier treffen, sind sie sehr schwer zu enttarnen. 2. Allgemeiner Überblick Im Jahre 1990 wurden weit mehr Agenten der östlichen und der ehemaligen DDR-Geheimdienste enttarnt, als in den Jahren zuvor. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen insbesondere die vom Generalbundesanwalt eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Agenten der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bzw. Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) und der "Verwaltung Aufklärung" (VA) des Ministeriums für Nationale Verteidigung der ehemaligen DDR, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung und den damit verbundenen Zugängen über Jahre hinweg wichtige Informationen aus den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung an ihre Auftraggeber lieferten. Besonders schwerwiegend waren die Spionagefälle im Bereich der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden. 1 U.a. 122 vorläufige Festnahmen. - 174 - Am 10. April 1990 wurde ein bei der Bundesgrenzschutzdirektion in Koblenz tätiger Regierungsdirektor wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit vorläufig festgenommen. Er wurde am 5. Februar 1991 zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Anfang Oktober offenbarte ein für die Abwehr der ehemaligen DDR-Nachrichtendienste zuständiger Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, sich im September 1981 selbst der HVA als Agent angeboten und seit Mitte 1982 Informationen aus seinem Arbeitsbereich geliefert zu haben. Dadurch wurde die Abwehrarbeit der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden während der letzten Jahre in schwerem Maße beeinträchtigt . Die Nachrichtendienste der ehemaligen DDR wurden in der 1. Jahreshälfte 1990 aufgelöst. Hierdurch wurde erst das wahre Ausmaß der Bespitzelung und Unterdrückung, insbesondere durch das MfS bekannt. Dieses hatte ca. 100.000 hauptamtliche Mitarbeiter, die im Ministerium selbst sowie in 15 Bezirksverwaltungen und 216 Kreisdienststellen tätig waren. Von diesem "gigantischen" Apparat wurden mindestens 109.000 sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) geführt, die zumeist als "Spitzel" in allen Bereichen der ehemaligen. DDR eingesetzt waren. Die tatsächliche Anzahl der IM dürfte nach realistischer Schätzung das Fünffache betragen haben. Infolge deren Tätigkeit, aber auch aufgrund der flächendeckenden Fernmeldeüberwachung der ehemaligen 1 Bericht des stellvertretenden Leiters des Sekretariats des Ministerrats der ehemaligen DDR vom 15. Januar 1990 über den Stand der Auflösung des AfNS. - 175 - DDR und der alten Bundesländer durch die Hauptabteilung III (Elektronische Aufklärung) , der Briefund Paketkontrolle etc. entstanden ca. 8 Millionen Dossiers, davon mehr als 2 Millionen über Bürger der alten Bundesländer, ferner eine Unzahl von Berichten, Stellungnahmen, Ausarbeitungen und Analysen, insbesondere für das Politbüro der SED. Die Gefährlichkeit des MfS wird auch durch die materielle Ausstattung deutlich. Es verfugte u.a. 2 über 124.593 Pistolen und Revolver, 76.592 Maschinenpistolen, 3.611 Gewehre, 1215 Maschinengewehre, 3.537 Panzerbüchsen, 342 Fla-Maschinengewehre vom Kaliber 14,5 mm und sogar über Abschußgeräte für "spezielle Munition" 3 . Daneben unterhielt das MfS über 2.000 Objekte und einen umfangreichen Fahrzeugpark. Der jährliche Etat belief sich zuletzt auf etwa 4 Milliarden DDR-Mark und entsprach damit etwa 1,3% des Staatshaushaltes der ehemaligen DDR. Das MfS, das der lückenlosen Aufsicht der SED unterlag, betrachtete sich nicht nur als "Schild und Schwert" der Partei, sondern wurde auch von dieser als Instrument zur Aufrechterhaltung ihrer Macht benutzt. Der ehemalige Minister für Staatssicherheit Erich MIELKE, der das MfS von 1956 bis November 1989 leitete, war zudem Mitglied des SED-Politbüros. Die Spionageabwehrbehörden registrierten auch während der Auflösungsphase nachrichtendienstliche 1989 ca. 4.500 Mitarbeiter. Bericht des stellevertretenden Leiters des Sekretariats des Ministerrats der ehemaligen DDR vom 15. Januar 1990 über den Stand der Auflösung des AfNS. Unter spezieller Munition wurde auch der Einsatz von chemischen Waffen verstanden. - 176 - Aktivitäten der ehemaligen DDR-Geheimdienste, die angeblich der Beendigung von Agentenverbindungen dienten. Gegen Ende des Jahres fielen Erkenntnisse an, die darauf hindeuten, daß ehemalige MfS-Angehörige im Untergrund weiter tätig sind. Es ist zu befürchten, daß ein Teil der ehemaligen Agenten der HVA und der VA von sowjetischen oder anderen östlichen Geheimdiensten angeworben worden sind oder auf "eigene Rechnung" weiterarbeiten. In diesem Zusammenhang sind auch die sogenannten Offiziere im besonderen Einsatz zu nennen, die vom MfS seit den 60er Jahren in besonders wichtige Positionen des Staatsapparates, der Volkswirtschaft oder anderer Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der ehemaligen DDR eingeschleust worden sind und die teilweise noch ihre alten Positionen innehaben. Die sowjetischen Auslandsnachrichtendienste "Komitee für Staatssicherheit" (KGB) und "Hauptverwaltung für Erkundung" (GRU) setzten ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten auch 1990 fort. Nach Aussagen aus den eigenen Reihen ist, unabhängig von Reformen in der Sowjetunion, auch in Zukunft mit solchen Bemühungen in der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen. Hierfür spricht auch, daß ein großes Informationsdefizit infolge der Auflösung der DDR-Nachrichtendienste und des noch nicht abgeschlossenen Veränderungsprozesses in den übrigen Nachrichtendiensten Osteuropas für die sowjetischen Geheimdienste zu erwarten ist. Ihre Aufklärungsschwerpunkte dürften zukünftig deshalb nahezu unverändert den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gelten. - 177 - Werbung von Agenten Der Mensch ist trotz der modernen technischen Aufklärungsmöglichkeiten in der Nachrichtenbeschaffung als Quelle unverzichtbar. Es kommen nicht nur Personen mit Zugang zu geschützten Informationen jedweder Art als IM in Betracht, sondern jeder, der für eine nachrichtendienstliche Mitarbeit geeignet erscheint. Nicht immer steht deshalb die Überlegung im Vordergrund, einen Mitarbeiter einer Behörde, eines Institutes oder eines Unternehmens zu werben, um wichtige Erkenntnisse zu erhalten. Es wurden auch Werbungsversuche unternommen, um an scheinbar unwesentliche Informationen zu gelangen, die aber Einblicke in die allgemeine Lebensund Handlungsweise der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland geben. Häufig werden Beziehungen zu Personen geknüpft, die lediglich eine interessante berufliche Perspektive haben, deren mögliche nachrichtendienstliche Verwendung aber noch gar nicht feststeht (Perspektivagenten), und zu solchen, von denen man sich erhofft, daß sie auf Ansätze für die nachrichtendienstliche Werbung anderer (Tips) hinweisen können (Tipgeber). Auch sind Personen gefragt, die in einer bestehenden Agentenverbindung als Kuriere oder Instrukteure Anweisungen der Führungsstelle an Agenten weitergeben sollen. Die gegnerischen Nachrichtendienste nutzten alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu den Zielpersonen. Werbungsversuchen waren insbesondere die Bundesbürger ausgesetzt, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen in Osteuropa aufhielten. Die Bürger der osteuropäischen Staaten - 178 - waren oft dann Zielpersonen, wenn sie eine private Westreise oder die Aussiedlung beabsichtigten, aber auch schon bei bestehenden verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Bindungen in den Westen. Zur Beschaffung von Informationen wurden häufig auch sogenannte Offizielle Reisekader, d.h. Personen, die aus wissenschaftlichem oder sonstigem beruflichen Anlaß in den Westen reisten, eingesetzt. Dieser Personenkreis ist aufgrund der bereits bestehenden guten Zugangsmöglichkeiten aus gegnerischer Sicht besonders für deren Zwecke geeignet. Im Jahre 1990 konnten wiederum sogenannte Illegale enttarnt werden. Zwei Personen waren in RheinlandPfalz in Bad Neuenahr und in Koblenz wohnhaft. Bei "Illegalen" handelt es sich um Agenten, die unter einer falschen Identität und mit entsprechend gefälschten Ausweisdokumenten in das Operationsgebiet eingeschleust werden. Die Nutzung der biographischen Daten anderer, tatsächlich existierender Personen dient dazu, den Agenten mit einer möglichst unverfänglichen Legende zu tarnen. AuftragsSchwerpunkte In Rheinland-Pfalz wurden den Sicherheitsbehörden im Berichtszeitraum mehrere der geheimdienstlichen Agententätigkeit verdächtige Personen bekannt. Besonders schwerwiegend waren die Spionagefälle in der Bundesgrenzschutzdirektion in Koblenz und im militärischen Bereich. Die meisten der bekanntgewordenen nachrichtendienstlichen Aufträge richteten sich wiederum gegen die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland. - 179 - Die bei dem Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte akkreditierte sowjetische Militärmission (SMM) in Baden-Baden wurde, wie in den Zweiplus-Vier-Gesprächen vor Inkrafttreten der deutschen Souveränität am 3. Oktober 1990 vereinbart, aufgelöst. Sie war bis zum Ende ihrer Akkreditierung aufklärend tätig. Erhebliche Aufmerksamkeit erregte das Urteil des Koblenzer Oberlandesgerichts vom 6. Juni 1990 gegen den früheren Feldwebel der US-Armee in Bad Kreuznach Clyde Lee CONRAD. Er wurde u.a. wegen Landesverrats in einem besonders schweren Fall zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zu den möglichen Folgen des Falles führte das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus, bei Ausbruch eines Krieges wäre die Verteidigung der NATO bereits zusammengebrochen, ehe sie sich überhaupt hätte formieren können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Führung von Agenten Die Aktivitäten der gegnerischen Nachrichtendienste erfordern ein funktionierendes Kommunikationssystem zwischen Führungsstelle und Agenten. Die Verbindungssysteme der einzelnen Dienste unterscheiden sich nur wenig. Eine wichtige Rolle spielen der Treff zwischen Agent und Führungsoffizier und der Nachrichtentransport durch die Post an Deckadressen oder mit Hilfe von Kurieren, die "Tote Briefkästen" aufsuchen, entleeren und mit für den Agenten bestimmten Informationen belegen. Aus Sicherheitsgründen wurden viele Treffs insbesondere von Konspirative Zusammenkunft in Hotels, Lokalen oder dafür eigens angemieteten konspirativen Wohnungen. Verstecke für nachrichtendienstliches Material. - 180 - den sowjetischen Nachrichtendiensten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR durchgeführt. Diese bisher sichere operative Basis entwickelt sich jetzt aus deren Sicht zu einem gegnerischen Operationsgebiet, in dem die Führungsoffiziere genauso vorsichtig und mit ähnlichen Schwierigkeiten arbeiten müssen wie schon bisher in den alten Bundesländern und in den anderen westlichen Staaten. Es ist daher zu erwarten, daß Treffs in der Zukunft zumeist in den osteuropäischen Staaten oder im neutralen Ausland durchgeführt werden. Um ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten durchführen zu können, werden sich die gegnerischen Nachrichtendienste zudem vermehrt auf ihre offiziellen Einrichtungen wie Botschaften, Konsulate, Handelsvertretungen, Luftverkehrsgesellschaften, Reisebüros und Staatshandelsunternehmen stützen. Angehörige der "Legalen Residenturen" in diesen amtlichen und halbamtlichen Vertretungen und Einrichtungen wurden 2 als Fuhrungsofflziere und "Operative Reisekader" eingesetzt. Die sogenannten klassischen nachrichtendienstlichen Hilfsmittel wie etwa das Geheimschriftverfahren durch Kontaktpapier und die Mikratfotografie kommen nach wie vor zum Einsatz. Zum Transport der konspirativ beschafften Informationen, Kameras, Falschausweise, Geldscheine, Chiffrierunterlagen und Mikrofilme werden Container eingesetzt. In einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand, beispielsweise Spraydose, Aktenkoffer, Briefmappe oder Feuerzeug, wird In offiziellen Institutionen getarnte nachrichtendienstliehe Stützpunkte. Instrukteure oder Kuriere. - 181 - ein versteckter Hohlraum zur Aufnahme der Materialien geschaffen, der ohne Sachkenntnis nicht feststellbar ist. Neben dem Telefon und dem Agentenfunk finden neuere technische Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung wie Taschenrechner und Heimcomputer immer mehr Verwendung. Die Nachrichtenübermittlung wird durch sie immer risikoloser und effektiver . Nach wie vor unverzichtbar ist die Schulung des Agenten insbesondere im konspirativen Verhalten, Erkennen von Observationen, Funkverkehr sowie Geheimschriftverfahren und in der Nutzung neuer Techniken. Einzelfälle Fall 1: Werbungsbemühungen eines polnischen Nachrichtendienstes Im Jahre 1988 bemühte sich Z. in Polen um eine Zulassung als selbständiger Taxifahrer. Ein Fahrgast (K.), der Z. als Mitarbeiter eines polnischen Nachrichtendienstes bekannt war, forderte ihn zur Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst auf. Z. weigerte sich zunächst. Nachdem er mehrere Strafmandate wegen verkehrswidrigen Verhaltens erhalten hatte, die einen Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge gehabt hätten, bot K. für den Fall einer Zusammenarbeit an, sämtliche Strafen zu annullieren. Aus Angst vor einem finanziellen Ruin infolge des Führerscheinentzugs unterschrieb Z. eine Verpflichtungserklärung. Da er sich auf Dauer außerstande fühlte, für den polnischen Geheimdienst tätig zu sein, nutzte er eine Urlaubsreise in den Westen, um sich der Mitarbeit zu entziehen. - 182 - Fall 2: Nachrichtendienstlicher Werbungsversuch eines sowjetischen Nachrichtendienstes mit Unterstützung eines ehemaligen DDR-Nachrichtendienstes P., der Anfang 1990 aus der ehemaligen DDR nach Rheinland-Pfalz übersiedelte, teilte mit, daß er 1987 von einem Mitarbeiter des MfS aufgesucht worden sei, der ihn zwei Angehörigen eines sowjetischen Nachrichtendienstes zugeführt habe. Diese hätten bei mehreren Treffs Informationen über den in RheinlandPfalz, in der Nähe von militärichen Einrichtungen wohnhaften Cousin T. gewünscht. Um sich dem auf ihn ausgeübten Druck zu entziehen, habe er schließlich T. eingeladen und ihn gebeten, sich mit den Angehörigen des sowjetischen Nachrichtendienstes zu treffen, damit er endlich Ruhe vor deren Nachstellungen habe. T. sei zwar einverstanden gewesen, habe aber gleichzeitig erklärt, diesen Sachverhalt einer deutschen Sicherheitsbehörde melden zu wollen. Bei dem Treffen habe man T. über seine persönlichen Verhältnisse ausgefragt und um eine erneute Zusammenkunft gebeten. Da er befürchtete, nachrichtendienstlich verpflichtet zu werden, reiste T. nicht mehr in die ehemalige DDR. Fall 3: Nachrichtendienstliche Aktivitäten eines DDR-Nachrichtendienstes nach der "Wende" H. wurde anläßlich von Besuchsreisen nach Eisenach Mitte der 80er Jahre von Angehörigen eines Nachrichtendienstes der ehemaligen DDR für eine Mitarbeit geworben. Er erhielt den Auftrag, seinen Sohn M., - 183 - der in einer militärischen Einrichtung in RheinlandPfalz beschäftigt war, dem Geheimdienst zuzuführen. Zu diesem Zweck reiste H. Mitte Dezember 1989 mit seinem Sohn nach Ost-Berlin und brachte ihn mit seinen Führungsoffizieren zusammen. Diese versuchten, M. zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, und teilten ihm mit, daß neben militärischen Informationen auch Erkenntnisse über die Bereiche Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik für sie interessant seien. M. gab vor, zu einer Mitarbeit bereit zu sein, um sich der nachrichtendienstlichen Ansprache zu entziehen. Er erhielt einen Decknamen und Reisekosten. Der nächste Treff sollte im Februar 1990 stattfinden. M. offenbarte nach seiner Rückkehr die nachrichtendienstliche Ansprache. Gegen seinen Vater wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Fall 4: Aufforderung zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit durch das KGB Der Wissenschaftler P., der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet war, hatte gute Kontakte zu Deutschen in Moskau. Nach seiner Aussiedlung im Rahmen der Familienzusammenführung teilte er den Sicherheitsbehörden mit, daß er wegen seines Freundeskreises im Interesse des KGB gestanden hätte und über vier Jahre hinweg dessen Werbungsversuchen ausgesetzt gewesen sei. Nachdem sein Ausreiseantrag zur Ehefrau abschlägig beschieden worden sei, habe er wenige Wochen später dem Drängen der KGB-Mitarbeiter nachgegeben und sich zu einer Mitarbeit verpflichtet. Er habe einen Decknamen erhalten. Seine Ausreise sei daraufhin genehmigt worden. - 185 - E. Öffentlichkeitsarbeit Über Parteigrenzen hinweg ist sich die Innenministerkonferenz seit Jahren einig, daß der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes, dem sogenannten Verfassungsschutz durch Aufklärung, eine besondere Bedeutung zukommt. Der wirksamste Verfassungsschutz ist unbestreitbar dann gegeben, wenn der Bürger sich mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung identifiziert und bereit ist, für sie aktiv einzutreten. Dazu gehört neben der Distanzierung von Verfassungsfeinden vornehmlich die geistig-politische Auseinandersetzung mit ihnen, die nicht allein Sache der Politiker sein darf. Dies setzt voraus, daß der Bürger in der Lage ist, Verfassungsfeinde und ihre extremistischen Zielsetzungen zu erkennen. Extremisten treten nicht immer offen in Erscheinung. Sie versuchen vielmehr, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und unter Verschleierung ihrer wahren Absichten Anhänger zu gewinnen. Der Bürger kann nur dann wirksam Extremisten entgegentreten, wenn er über die hierzu notwendigen Informationen verfügt. Diese soll der Verfassungsschutz mit seiner Öffentlichkeitsarbeit liefern, indem er durch Informationsbroschüren, insbesondere durch den jährlichen Verfassungsschutzbericht, detailliert über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Bestrebungen informiert und somit die Voraussetzungen schafft, die für eine objektive Urteilstindung und eine geistig-politische Auseinandersetzung unabdingbar sind. Ferner stehen Mitarbeiter für Vortragsveranstaltungen und Seminare zur Verfügung. - 186 - Ein weiterer Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit ist die umfassende Information über Aufgaben, Arbeitsweisen, Befugnisse und Grenzen des Verfassungsschutzes. Als geheimer Nachrichtendienst steht der Verfassungsschutz naturgemäß seit jeher besonders im öffentlichen Interesse. Sein Tätigwerden wird gerade von den Medien oftmals kritisch beurteilt. Eine Diskussion über den Verfassungsschutz ist legitim und sogar wünschenswert. Von ihr gehen Impulse aus, die es den verantwortlichen Politikern und Beamten ermöglichen, Verbesserungen vorzunehmen. Diese Diskussion setzt BLICI voraus, uaß sie sachlich unu unpole-misch bleibt. Agitation und Polemik führen lediglich zu Vorurteilen und undifferenziertem Mißtrauen beim Bürger. Um das Verstehen und Vertrauen zwischen Bürger und Verfassungsschutz zu fördern, wird der Öffentlichkeit ein größtmöglicher Einblick in Funktion und Arbeit des Verfassungsschutzes gewährt. Diese Transparenz stößt nur dann an Grenzen, wenn Sicherheitsinteressen berührt werden. - 187 - F. Anhang Rechtliche Grundlagen Landesverfassungsschutzgesetz vom 26. März 1986 (GVB1 . S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVB1 . S. 80), BS 12-2 SS 1 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt ferner mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Ratimen von SS 7 Abs. 3. SS2 Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. - 188 - SS 3 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS 4 Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS 5 Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder - 189 - 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS6 Informationsübermi ttlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von Unterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu verni chten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. (6) Gesetzliche Übermittlungsverbote bleiben unberührt. SS 7 Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), - 190 - 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS 8 Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. - 191 - SS9 Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. SS 11 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVB1. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert er seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. SS 13 Befugnisse der Parlamentarisehen Kontrollkommission (1) Der M i n i s t e r des I n n e r n und f ü r Sport u n t e r r i c h t e t d i e Parlamentarische K o n t r o l l k o m m i s s i o n mindestens zweimal j ä h r l i c h umfassend über d i e allgemeine T ä t i g k e i t des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. - 192 - (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommi ssion verlangen. SS 14 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVBl. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVBl. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. - 193 - ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Seite AAR - Anarchistische Assoziation Rhizom 61 AB - Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD 32, 52 f, 149 ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. 144 f AfNS - Amt für Nationale Sicherheit 173 AISSF - All India Sikh Student Federation 168 AKON - Aktion Oder-Neiße 108 AMGT - Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. 145, 147 f ANO - FATAH-Generalkommando der ASSIFAStreitkräfte - Revolutionsrat 161 ANS/NA - Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten 118, 121 ARF - Aktion deutsches Radio und Fernsehen 108 ARGK - Volksbefreiungsarmee Kurdistans 149, 154 f ASD - Aktion Sauberes Deutschland 129 ATIF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. 140 f ATIK - Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa 140 f BK - Babbar Khalsa 168 BoA - BRD ohne Armee 60 BP - Bolsevik Partizan 140 BSA - Bund Sozialistischer Arbeiter 53 BSV - Bund für soziale Verteidigung 60 BWK - Bund Westdeutscher Kommunisten 32, 49 f, 149, 154 C.O.L.P. - Communisti Organizzati per la Liberazione Proletaria 67 - 194 - DA - Deutsche Allianz Heimatbündnis Rheinland-Pfalz 130 f DA Deutsche Alternative 123 f DA Deutscher Anzeiger (ehemaliges Presseorgan der DVU) 105 DB Deutscher Beobachter 127 Dev Genc Avrupa'da Dev Gene (Revolutionäre Jugend in Europa) 142 Dev Isci - Devrimci Isci (Revolutionärer Arbeiter) 143 f Dev Sol - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) 141 f, 154 DFF - Deutsche Frauenfront 129 DFG--IdK - Deutsche Friedensgesellschaft-Internationale der Kriegsdienstverweigerer 43 DFG--VK - Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen - Bundesverband - 24, 43 ff DFLP - Demokratische Front für die Befreiung Palästinas 160 DFU - Deutsche Friedens-Union 24, 37, 38 ff DIBAF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie 139 DKP - Deutsche Kommunistische Partei 23 , 24 ff 45 DNZ - Deutsche National-Zeitung (Herausgeber Dr. FREY) 105 DSt - Deutsche Stimme (Presseorgan der NPD) 85 , 91 DVU - Deutsche Volksunion e.V. und 57, 108 f Deutsche Volksunion-Liste D 109 f DWZ - Deutsche Wochen-Zeitung (Herausgeber Dr. FREY) 105 ERNK - Nationale Befreiungsfront Kurdistans 150 f FAP - Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei 57, 118 ff FAU - Freie Arbeiterinnen-Union 61 f - 195 - fdj freie deutsche jugend 35 FEYKA- - Föderation der patriotischen Arbeiter - Kurdistan und Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V. 150 FIDEF - Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 139 FLI - Forum für Libertäre Information 62 FöGA - Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen 59 f GDF - Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei 139 GdNF - Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front 121 ff GIM - Gruppe Internationale Marxisten 50 GNN - Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft politischer Berichte mbH 50 GRAPO - Grupos de Resistencia Antifascista de Primero de Octubre 71 GRU - Militärischer Nachrichtendienst der UDSSR 176 HIZB ALLAH - Partei Gottes 163 f HNG - Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. 124 f HRK - Befreiungseinheit Kurdistans 149, 155 HUNERKOM - Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 150 HVA - Hauptverwaltung Aufklärung 173 ICCB - Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. 145 f I.f.A. - Initiative für Ausländerbegrenzung 108 IM - Inoffizielle Mitarbeiter 174 IMP - Iranische Monarchistische Patrioten 156 IRA - Irish Republican Army 165 ISA - Internationale Sozialistische Arbeiterorganisation 53 - 196 - ISYF - International Sikh Youth Federation 168 JN - Junge Nationaldemokraten 102 ff JP - Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation 23, 34 KB - Kommunistischer Bund 49 KFAZ - Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit 24, 43 KGB - Ziviler sowjetischer Nachrichtendienst 176 KOMKAR - Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin e.V. 152 KPD - Kommunistische Partei Deutschlands 26, 32 KPD - Kommunistische Partei Deutschlands (im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt) 26 KPD - Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) 50 KPdSU - Kommunistische Partei der Sowjetunion 25, 28 LTTE - Liberation Tigers of Tamil Eelam 168 f MAZ Marxistische Arbeiterzeitung (Publikation der MG) 47 MB Muslim-Bruderschaft 163 MCP Nationalistische Arbeiterpartei 144 MfS Ministerium für Staatssicherheit 173 MG Marxistische Gruppe 47 f MHP Partei der Nationalistischen Bewegung 144 MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 51 f, 149, 154 MND Mitteldeutsche Nationaldemokraten 97 ff MSB - Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus 36 f MSP - Nationale Heilspartei 147 - 197 - MSV - Iranische-Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. 157 f MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit (Publikation der MG) 47 NA - Nationale Alternative 122 NF - Nationalistische Front 125 f NHB - Nationaldemokratischer Hochschulbund 102 NO - Nationale Offensive 126 f NPD - Nationaldemokratische Partei Deutschlands 5 7 , 84 ff N.S. - Nationale Sammlung 122 NSDAP - Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 117, 121 NSDAP-AO - Nationalistische Deutsche Arbeiterpartei - Auslandsund Aufbauorganisation 127 ff OIDA - Organisation Iranischer Demokraten im Ausland 158 PAV - Palästinensischer Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin 162 PCE(r) - Partido Communista de Espana (reconstituido) 71 PDS - Partei des Demokratischen Sozialismus 2 3 , 26 PDS Linke - Partei des Demokratischen Sozialismus Liste Linke Liste 30 PFLP - Volksfront für die Befreiung Palästinas 160 PFLP-GC - Volksfront für die Befreiung PalästinasGenera lkommando 161 PIRA - Provisional Irish Republican Army 165 f PKK - Arbeiterpartei Kurdistans 148 f PKK-AYB - Europa-Auslandorganisation der PKK 149 PKK-DB - Arbeiterpartei Kurdistans - Revolutionäre Einheit 152 - 198 - PLF - Palästinensische Befreiungsfront 161 PLO - Palästinensische Befreiungsorganisation 160, 163 PMOI - Organisation der Volksmojahedin Iran 157 RAF - Rote Armee Fraktion 63 ff R.K.M.I. - Rat der konstitutionellen Monarchie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin 158 RP - Wohlfahrtspartei 147 f RZ - Revolutionäre Zellen 73 f SA - Sturmabteilung 121 f SAG - Sozialistische Arbeitergruppe 53 SDAJ - Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend 35 E SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 175 SMM - Sowjetische Militärmission 179 SOZ - Sozialistische Zeitung 50 SpAD - Spartakist - Arbeiterpartei Deutschlands 53 TBKP - Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei 139 THKP/-C - Türkische Volksbefreiungspartei/-front - 142 TIKDB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V. 144 f TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee 137 TIP Arbeiterpartei der Türkei 139 TKP Kommunistische Partei der Türkei 139 TKP-B Kommunistische Partei der Türkei - Einheit 154 TKP/M-L Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten 140 TKP/M-L B Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten Bolsevik 140 - 199 - U.I.S.A. - Union Islamischer Studentenvereine in Europa 159 UZ - Unsere Zeit (Parteiorgan der DKP) 30 VA - Verwaltung Aufklärung 173 VDS - Vereinigte Deutsche Studentenschaften 36 VK - Verband der Kriegsdienstverweigerer 43 VOGA - Volksbewegung für Generalamnestie 108 VSP - Vereinigte Sozialistische Partei 50 f VSBD/PdA - Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit 119 VVN - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 40 WN-BdA - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten 40 ff YJWK - Union der Patriotischen Frauen Kurdistans 151 YKWK - Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans 151 YRWK - Union der patriotischen Intellektuellen Kurdistans 151 YXK - Union der revolutionaren-patriotischen Jugend Kurdistans 151 YXWK - Verband der patriotischen Studenten aus Kurdistan in der BRD - Vorbereitungskomitee 151 ZK-Europa - Zentralkomitee für Europa 149