NN FTIR ulüTe Meer halelann) und für Sport Verfassungsschutzbericht 1988 Mainz, Juli 1989 Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz Satz und Druck: Druckbetrieb Lindner, Mainz Verfassungsschutzbericht 1988 Vorwort Die Bundesrepublik Deutschland, die vor allem der Menschenwürde und der Freiheit des Bürgers verpflichtet ist, feiert dieses Jahr ihr 40jähriges Bestehen. Diese lange Dauer des inneren Friedens verdanken wir ganz wesentlich dem Parlamentarischen Rat, der sich bei der Annahme des Grundgesetzes am 8. Mai 1949 bewußt für eine wertorientierte und wehrhafte Demokratie entschieden hat. Die wertindifferente Toleranz der Weimarer Republik, die den "legalen" Übergang von einem freiheitlichen Rechtsstaat in eine Diktatur ermöglichte, wurde durch eine wertgebundene Toleranz ersetzt. Politik kann sich nur in dem Werterahmen bewegen, den die Verfassung unabdingbar vorgeschrieben hat. Damit Demokratie und Liberalität nicht wieder zur Zerstörung der Freiheit mißbraucht werden können, wurden in unserer Verfassung wirksame Vorkehrungen getroffen. Zu den Institutionen, mit denen die Bundesrepublik Deutschland Angriffe gegen ihre verfassungsmäßige Ordnung abwehrt, gehört der im Grundgesetz verankerte Verfassungsschutz. Entsprechend seiner präventiven Funktion sammelt er Nachrichten über extremistische sowie sicherheitsgefährdende Bestrebungen und wertet sie aus. Seine Erkenntnisse sind ein unverzichtbarer Bestandteil für eine umfassende Gefährdungsanalyse. Sie geben Entscheidungshilfen, um die notwendigen Konsequenzen für angemessene Abwehrmaßnahmen zu ziehen. 2 In der geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus ist es Aufgabe des Verfassungsschutzberichtes, den Bürger durch sachliche Informationen über Art und Umfang der Gefahren aufzuklären, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung von innen wie von außen drohen. Gerade die Unterrichtung über Hintergründe, Zielsetzung und Methoden des Extremismus ist heute notwendiger denn je. Verfassungsfeindliche Organisationen verschleiern ihre wahren Absichten und verunsichern durch Umwertung politischer und juristischer Begriffe den Bürger. Anstelle der maßgeblichen Polarität freiheitliche Demokratie - Diktatur stellen sie andere Gegensätze wie Faschismus - Antifaschismus als besonders vorrangig dar. Der Bericht soll auch die Bereitschaft des Bürgers fördern, sich mit den grundlegenden Prinzipien der Verfassung zu identifizieren und für sie entschlossen einzutreten. Gewisse Anzeichen in letzter Zeit geben Anlaß, an den unerläßlichen Konsens der Bürger zu appellieren, von dem die wehrhafte Demokratie ihre Geltung und Lebenskraft bezieht. Es wird darauf ankommen, nicht in das Irrationale abzugleiten, sich nicht von getarnten unausrottbaren extremistischen Visionen von rechts und von links beeinflussen zu lassen. Auch gute Beziehungen zu Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung dürfen nicht dazu führen, die Mittel der wehrhaften Demokratie zur Verteidigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vernachlässigen. Trotz Perestroika und Glasnost will die Sowjetunion keine freiheitliche Demokratie westlicher Prägung; wir andererseits wünschen keine Volksdemokratie nach östlichem Muster. Die Erfahrungen des deutschen Volkes mit unmenschlichen Praktiken totalitärer Herrschaft auf deutschem Boden mahnen uns, gegenüber Gegnern des freiheitlichen Rechtsstaates wachsam zu sein. Der Verfassungsschutz trägt mit dazu bei, die Freiheit des einzelnen zu schützen und zu erhalten. Die Verwirklichung der Grundrechte erfordert die Wahrung des inneren Friedens. Dieser bildet die Grundlage für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens. In dem natürlichen Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit des Bürgers und dem Schutz des Gemeinwesens führt der Verfassungsschutz seinen Beobachtungsauftrag mit rechtsstaatlicher Sorgfalt und mit dem erforderlichen Augenmaß durch. Dabei benötigt er das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger unseres Landes. ( tu of Rudi Geil Staatsminister 3 Seite C. Ausländerextremismus 99 E. Personeller und materieller Geheimschutz sowie personeller Sabotageschutz 129 F. Verfassungstreue im öffenuicl Inhaltsverzeichnis Seite Überblick n A. Linksextremismus 17 1. Orthodoxer Kommunismus 17 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 17 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 17 1.1.2 Innerparteiliche Krise 22 1.1.3 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand 23 1.1.4 Finanzierung 26 1.1.5 Schulung 26 1.1.6 Pressearbeit 27 1.1.7 Bündnispolitik 29 1.1.8 Kampagne gegen die "Berufsverbote" 30 1.1.9 Einflußnahme auf die "Friedensbewegung" 31 1.1.10 Betriebsarbeit 32 1.2 Nebenorganisationen der DKP 32 1.2.1 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" 0P) 34 1.2.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 35 1.2.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB) 37 1.3 DKP-beeinflußte Organisationen 39 1.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) 40 1.3.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) 42 1.3.3 "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) 43 1.3-4 "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) 45 1.3-5 "Die Friedensliste" 45 2. "Neue Linke" 46 2.1 Revolutionär-marxistische Gruppen 47 2.1.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 47 2.1.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) 47 2.1.3 "Kommunistischer Bund" (KB) 48 2.1.4 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) 48 2.1.5 "Vereinigte Sozialistische Partei"(VSP) 48 2.1.6 Trotzkistische Gruppen 50 2.1.7 "Marxistische Gruppe" (MG) 50 2.2 Anarchisten 51 7 2.2.1 "Autonome" 51 2.2.2 "Gewaltfreie Aktionsgruppen" 53 2.2.3 "AnarchoSyndikalisten/Anarcho-Kommunisten" 55 2.2.4 "Forum für Libertäre Information" (FLI) 55 3. Linksextremistischer Terrorismus 56 3-1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 56 3.1.1 Kommandobereich der RAF 56 3.1.2 "Militante der RAF" ("Kämpfende Einheiten") 57 3.1.3 Umfeld der RAF 59 3.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) 60 3.3 Sonstige terroristische Aktivitäten 60 B. Rechtsextremismus 62 1. "Nationaldemokratische" Organisationen 64 1.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 64 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort 64 1.1.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand 69 1.1.3 Finanzierung 71 1.1.4 Schulung 71 1.1.5 Pressearbeit 72 1.1.6 Wahlen 72 1.1.6.1 Wahlbündnis 72 1.1.6.2 Wahlen in Baden-Württemberg und SchleswigHolstein 75 1.1.7 Parteitage 75 1.1.7.1 Bundesparteitage 75 1.1.7.2 Landesparteitage 76 1.2 "Junge Nationaldemokraten" (JN) 76 2. "National-freiheitliche" Organisationen 78 2.1 Ideologisch-politischer Standort 78 2.2 Organisationen 81 2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften 81 2.2.2 "Deutsche Volksunion-Liste D" (DVU-Liste'D) 82 2.2.2.1 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand 82 2.2.2.2 Vorbereitungen auf die Europawahl 1989 82 3. Neonazistische Organisationen 86 3-1 Neonazistische Ideologie 86 3.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederzahlen 87 3-3 "Die Bewegung" 87 3-4 "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) 89 3.5 "Nationale Sammlung" (N.S.) 90 3.6 "Deutsche Frauenfront" (DFF) 91 3.7 "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) 91 3-8 "Nationalistische Front" (NF) 93 3-9 "Neonazikreis um Curt MÜLLER" 93 3.10 "Neonazizentrum Ludwigshafen am Rhein/Weidenthal (Pfalz) - Ernst TAG" 93 4. Sonstige rechtsextremistische Vereinigungen 96 4.1 "Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes e.V." (DKEG) 96 4.2 "Stahlhelm e.V. Kampfbund für Europa Landesverband-Pfalz" 96 5. Antisemitische Aktivitäten 96 6. Rechtsextremistischer Terrorismus 97 7. Das rechtsextremistische Potential der Skinheads 98 C. Ausländerextremismus 99 1. Türken 99 1.1 Linksextremisten 100 1.1.1 Orthodoxe Kommunisten 100 1.1.2 "Neue Linke" 102 1.2 Rechtsextremisten 103 1.2.1 Extreme Nationalisten 103 1.2.2 Islamische Extremisten 104 2. Kurden 106 2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 106 2.2 "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V." (KOMKAR) 110 3. Iraner 111 3.1 Orthodoxe Kommunisten 111 3.2 "Neue Linke" 112 3-3 Islamische Fundamentalisten 114 4. Araber 114 5. Iren 115 6. Jugoslawen 116 7. Sikhs 116 8. Tamilen 117 9 D. Spionageabwehr 118 1. Die geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht 118 2. Die gegnerischen Nachrichtendienste 120 3. Allgemeiner Überblick 123 4. Werbung von Agenten 123 5. Auftragsschwerpunkte 125 6. Führung von Agenten 125 7. Einzelfälle 127 E. Personeller und materieller Geheimschutz sowie personeller Sabotageschutz 129 F. Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 131 1. Verfassungstreue der Bewerber für den öffentlichen Dienst 131 2. Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst 132 3. Verfassungstreue der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst 133 G. Anhang 136 Rechtliche Grundlagen 136 Abkürzungsund Stichwortverzeichnis 146 10 Überblick 1. Linksextremismus 1.1 Orthodoxer Kommunismus Die bereits im Jahre 1987 sichtbar gewordenen Spannungen in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) haben sich im Jahre 1988 weiter verschärft. Auffälligster Ausdruck dieser Krise ist der sich fortsetzende Mitgliederrückgang. Inzwischen hat die DKP bundesweit nur noch etwa 35.000, in Rheinland-Pfalz etwa 1.000 Mitglieder. Die DKP blieb trotzdem die zahlenmäßig stärkste Organisation im gesamten linksextremistischen Spektrum. Die tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung und Einordnung sowjetischer Reformpolitik in das Gesamtkonzept der DKP schränkten jedoch im Berichtszeitraum nachhaltig die Handlungsfähigkeit der DKP ein. Bei Aktionen und Agitationen wurde die DKP auch imjahre 1988 wiederum von ihren kommunistischen Nebenorganisationen und von etwa 50 beeinflußten Vereinigungen, bei denen die kommunistische Steuerung zum Teil bewußt verschleiert wird, unterstützt. Als finanzielle Zuwendung erhielt die DKP aus der DDR auf geheimem Wege erneut mehr als 65 Millionen DM. 1.2 "Neue Linke" Die "Neue Linke", die nicht dem moskauorientierten Kommunismus zugerechnet wird, gliedert sich in revolutionär-marxistische und anarchistische Gruppen. Mit Ausnahme der "Marxistischen Gruppe" (MG), die an den Hochschulen weitere Anhänger fand, stagnierten die Mitgliederzahlen der revolutionär-marxistischen Gruppen oder gingen zurück. In Rheinland-Pfalz waren Aktivitäten vornehmlich in Mainz und Ludwigshafen am Rhein festzustellen. Unter den anarchistischen Zusammenschlüssen stellen die "Autonomen" mit mehr als 2.000 Personen nach wie vor ein beachtenswertes extremistisches Potential dar. Nach den Schüssen an der Startbahn-West des Frankfurter Flughafens (2. November 1987) machte sich in dieser Szene zunächst eine tiefgehende und andauernde Verunsicherung breit, die im Laufe des Jahres 1988 jedoch durch vielfältigen militanten Aktionismus, insbesondere gegen die IWF/Weltbank-Tagung in Berlin (September 1988), teilweise wieder beseitigt worden ist. 1.3 Linksextremistischer Terrorismus Die Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland hält unvermindert an, auch wenn die Zahl der terroristischen Anschläge im Berichtsjahr von 326 (1987) auf 203 zurückgegangen ist. 11 So hat der 15 bis 20 Mitglieder zählende Kommandobereich der RAF am 20. September 1988 mit dem versuchten Mordanschlag auf den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Dr. Hans Tietmeyer, seine Fähigkeit zum Handeln erneut unter Beweis gestellt. Die "Militanten der RAF", die sogenannte Zweite kämpfende Ebene, haben im Berichtsjahr keine terroristischen Gewalttaten verübt. Das etwa 250 Personen umfassende engere RAF-Umfeld war dagegen für sechs Brandanschläge und einen Sprengstoffanschlag verantwortlich. Aus einem dem Selbstbezichtigungsschreiben zum Anschlag auf Dr. Tietmeyer beigefügten gemeinsamen Kommuniqe der RAF und der italienischen Terrorgruppe "Brigate Rosse-Partito Combattente Communista" (BRPCC) ergibt sich, daß es der RAF offensichtlich gelungen ist, nach dem Verlust des französischen Partners "Action Directe" (AD), in Italien einen neuen Bundesgenossen für die angestrebte "gemeinsame antiimperialistische Front in Westeuropa" zu gewinnen. Aufgrund der erkennbaren Parallelen zur "gemeinsamen Offensive" von RAF und AD könnte das Bündnis von RAF und BR-PCC Ausgangspunkt für weitere schwere Straftaten sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Italien sein. Herausragende Aktionsbereiche des RAF-Umfeldes waren die Beteiligung an der linksextremistischen Kampagne gegen die Jahresversammlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) vom 27. bis 29. September 1988 in Berlin, die Fortführung der "ZusammenlegungsKampagne" im Rahmen der Betreuung von RAF-Häftlingen sowie die "Palästina-Solidaritätskampagne". In Rheinland-Pfalz waren vorwiegend in den Großräumen Mainz und Kaiserslautern Aktivitäten des RAF-Umfeldes festzustellen. Die "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihre autonome Frauengruppe "Rote Zora" waren im Berichtszeitraum weitgehend inaktiv. Die Ursache hierfür dürfte in den polizeilichen Maßnahmen zu sehen sein, die im Dezember 1987 in mehreren Städten im Ruhrgebiet, in Hamburg und Hannover durchgeführt wurden. Gegen sechs mutmaßliche "RZ/Rote Zora"-Mitglieder wurden damals Haftbefehle erlassen; vier Personen konnten sich der Festnahme durch Flucht entziehen. Die Zahl der Brandund Sprengstoffanschläge aus dem Bereich des weiteren terroristischen Spektrums ist im Vergleich zum Vorjahr (155) auf 125 zurückgegangen. Ebenso haben sich gegenüber 1987 die vom weiteren terroristischen Umfeld verübten Eingriffe in den Bahnverkehr von 60 auf 31 und Anschläge auf Einrichtungen der Energiewirtschaft von 89 auf 27 verringert. In RheinlandPfalz wurden im Berichtszeitraum von Angehörigen des weiteren terroristischen Umfeldes zwei Sachbeschädigungen in Mainz und Speyer verübt. 12 2. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus ist eine ständige Herausforderung unserer demokratischen Gesellschaft und wegen seiner vielfachen Anknüpfung an den Nationalsozialismus geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu schädigen. Zwar stellt er nach wie vor keine ernstliche Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Rechtsstaat dar, er gefährdet jedoch durch seine militanten Anhänger, deren Verhalten von Fanatismus, Unberechenbarkeit und Irrationalität bestimmt wird, die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Im Jahre 1988 nahm die rechtsextremistische Anhängerschaft, die sich bereits im Jahre 1987 gegenüber den vergangenen drei Jahren von ca. 22.100 auf ca. 25.200 Gesinnungsgenossen vergrößert hatte, bundesweit erneut um ca. 3-100 auf ca. 28.300 Anhänger zu. Die Zahl ihrer Organisationen erhöhte sich um 2 auf 71 Organisationen. Der beachtliche Mitgliederzuwachs geht hauptsächlich auf die erst im Jahre 1987 gegründete "national-freiheitliche" Partei "Deutsche Volksunion-Liste D" (DVU-Liste D) des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY zurück. In Rheinland-Pfalz erhöhte sich der Mitgliederbestand der rechtsextremistischen Organisationen gegenüber dem Jahre 1987 um ca. 200 auf etwa 2.000. 2.1 "Nationaldemokratische" Organisationen Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und ihre Jugendorganisation, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), blieben imjahre 1988 im leichten Aufwärtstrend der beiden Vorjahre. Sie hatten bundesweit einen Mitgliederzuwachs von ca. 6.200 auf ca. 6.400 bzw. von ca. 750 auf ca. 800. In Rheinland-Pfalz stieg die Mitgliederzahl der NPD von ca. 350 auf über 400; hingegen stagniert der Mitgliederstand der JN bei ca. 60. Das Wahlbündnis der NPD mit der DVU-Liste D, demzufolge die DVU-Liste D bei der Wahl zum Europäischen Parlament 1989 und die NPD zur Bundestagswahl 1990 kandidiert, führte zu heftigen Auseinandersetzungen in der NPD. Ein außerordentlicher Bundesparteitag am 26. Juni 1988 bestätigte schließlich die Absprache mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Wahl des 33jährigen Kellerund Weinküfermeisters Joachim HEHRLEIN zum neuen Vorsitzenden des Landesverbandes Rheinland-Pfalz am 19Februar 1989 ist eine Folge der innerparteilichen Streitigkeiten um das Wahlbündnis und die Zusammenarbeit mit der DVU-Liste D. Die Aufwärtsentwicklung der NPD bei Wahlen hielt auch bei den Landtagswahlen 1988 in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein an. In beiden Ländern konnte sie ihr Bundestagswahlergebnis vom Vorjahr mehr als verdoppeln. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 erhielt die NPD 2,1% der Stimmen (Bundestagswahlergebnis: 1 % der Zweitstimmen), bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai 19881,2 % der Stimmen (Bundestagswahlergebnis: 0,5 % der Zweitstimmen). 13 2.2 "National-freiheitliche" Organisationen Die "national-freiheitlichen" Organisationen, die im wesentlichen aus der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und der "Deutschen Volksunion-Liste D" (DVU-Liste D) bestehen, hatten insgesamt den größten Mitgliederzuwachs. Die DVU unter ihrem Vorsitzenden Dr. FREY ist mit ca. 12.500 Mitgliedern weiterhin die größte rechtsextremistische Organisation. Gegenüber dem Vorjahr hat der Mitgliederbestand nicht entscheidend zugenommen. Auch in Rheinland-Pfalz blieb die Mitgliederzahl, die über 1.100 liegt, nahezu unverändert. Die ebenfalls von Dr. FREY geleitete Partei DVU-Liste D konnte ihren Mitgliederbestand gegenüber dem Jahre 1987 von über 2.500 auf über 6.000 Angehörige ausdehnen. Sie verfügt nunmehr in jedem Bundesland über einen Landesverband. Der Landesverband Rheinland-Pfalz unter seinem Vorsitzenden Gerhard KROMANN hat mehrere hundert Mitglieder. Im Mittelpunkt der Aktivitäten der DVU-Liste D standen neben dem bundesweiten organisatorischen Ausbau die Vorbereitungen auf die Europawahl 1989. Auf dem Bundesparteitag am 26. November 1988 nominierte die DVU-Liste D die Kandidaten für die Europawahl 1989 und verabschiedete das Wahlprogramm. Die Plätze 3, 6, 9 und 12 der Kandidatenliste wurden entsprechend der Wahlabsprache an Mitglieder der NPD vergeben. 2.3 Neonazistische Organisationen Die neonazistischen Organisationen vermochten weder ihre innere Zerstrittenheit zu überwinden noch neue Anhänger zu gewinnen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Gesamtzahl der erkannten Neonazis in der Bundesrepublik Deutschland von ca. 1.520 auf ca. 1.480 verringert. Davon sind etwa 1.320 Personen (1987: ca. 1.380) in 23 Gruppierungen (1987:20) zusammengeschlossen. Etwa 200 Neonazis gelten nach wie vor als militant. In Rheinland-Pfalz beträgt die Zahl der Neonazis unverändert etwa 30 Personen, die zu einem großen Teil dem "Neonazikreis u m Curt MULLER" und dem "Neonazizentrum Ludwigshafen am Rhein/Weidenthal (Pfalz) - Ernst TAG" zuzurechnen sind. Die neonazistische Szene im Jahre 1988 war maßgeblich bestimmt durch die Spaltung der "Bewegung", einer "Gesinnungsgemeinschaft" ohne feste Führungsund Organisationsstrukturen, in einen Flügel um den ehemaligen Führer der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA), Michael KÜHNEN, und in einen Flügel um Jürgen MOSLER. Diese internen Auseinandersetzungen übertrugen sich auch auf andere Organisationen, wie etwa der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) und der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und 14 deren Angehörige e.V." (HNG). Trotz Mitgliederrückgang blieb die von ehemaligen ANS/NA-Anhängern unterwanderte und gesteuerte FAP die führende neonazistische Organisation. Sie ist weiterhin Gegenstand von Verbotsüberlegungen. Gegen Angehörige der beiden verfeindeten Lager (KÜHNENund MOSLER-Gruppe) führen die Sicherheitsbehörden nach SS 85 StGB wegen des Verdachts, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen ANS/NA aufrechterhalten zu haben, Ermittlungsverfahren durch. Die aus KÜHNENAnhängern bestehende "Nationale Sammlung" (N.S.) wurde vom Bundesminister des Innern am 9- Februar 1989 nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 des Vereinsgesetzes verboten, da sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtete. Dem "Neonazikreis u m Curt MÜLLER" kommt nach wie vor überregionale Bedeutung zu. Das Anwesen der Eheleute Curt und Ursula MÜLLER in MainzGonsenheim dient Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet - teilweise auch aus dem benachbarten Ausland - als Treffpunkt. Die Eheleute MÜLLER, die für den MOSLER-Flügel Partei ergriffen haben, üben bei diesen Zusammenkünften in großem Maße ihren persönlichen Einfluß auf die meist jugendlichen Teilnehmer aus. Ernst TAG bemühte sich auch im Jahre 1988 von seinem als "NS-Zentrum" ausgebauten Anwesen in Weidenthal aus ohne Erfolg um einen größeren Einfluß in der Neonaziszene der Bundesrepublik Deutschland. Dabei kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit KÜHNEN. Am 15. März 1988 verurteilte ihn das Landgericht Gießen wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, Hehlerei und Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren ohne Bewährung. Das Gericht ging davon aus, daß er sein Haus in Weidenthal zum größten Teil mit Geldern aus zwei Banküberfällen seines Anhängers MÖSSLE finanziert und diesem für einen weiteren Banküberfall eine Maschinenpistole zur Verfügung gestellt hatte. Auf die Revision von TAG verurteilte ihn das Landgericht Gießen am 31. März 1989 nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. 3. Ausländerextremismus Auch im Jahre 1988 verhielten sich die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer in ihrer weit überwiegenden Mehrheit gesetzestreu, achteten die demokratische Ordnung des Gastlandes und bemühten sich um ein gutes Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung. Extremistische Ausländer beschäftigten sich vorrangig mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ihrer Heimatländer, griffen bei ihren Agitationen aber zunehmend Themen der Innen-, Außenund Ausländerpolitik der Bundesrepublik Deutschland auf. Eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes war mit ihren Aktivitäten jedoch nicht verbunden. Die gewaltsamen Aktionen arabischer und kurdi15 scher Extremisten sowie neuerdings auch irischer Terroristen geben den Sicherheitsbehörden allerdings Anlaß zur besonderen Sorge. Hierbei steht die orthodox-kommunistische, straff organisierte und überwiegend konspirativ agierende "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) mit ihren zahlreichen Nebenorganisationen und Aktivitäten im Brennpunkt. Sie strebt die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft an und befürwortet den "bewaffneten, revolutionären Kampf" in der Türkei. Gegen abtrünnige Parteimitglieder geht sie mit Strafmaßnahmen vor, die von Körperverletzung über Erpressung bis hin zum Mord reichen. Aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruchs für die kurdischen Interessen kommt es auch in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen extremistischen Organisationen. Die Festnahme von 14 hochrangigen Funktionären im Frühjahr 1988 und die Anklage des Generalbundesanwaltes gegen 16 Funktionäre am 8. November 1988 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Unterstützung dieser Vereinigung (drei Morde, ein versuchter Mord, fünf Freiheitsberaubungen und zwei Urkundenfälschungen) lösten viele gewaltsame Protestmaßnahmen im Inund Ausland aus. In Rheinland-Pfalz wurden Aktivitäten kurdischer Extremisten in den Großräumen Mainz und Ludwigshafen am Rhein sowie in der Westpfalz festgestellt. 4. Spionageabwehr Im Jahre 1988 konnten weit mehr Personen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für ein Ostblockland festgenommen werden, als in den Jahren zuvor. Dies zeigt, daß die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor in unvermindert starkem Maße Spionageaktivitälen der im Warschauer Pakt zusammengeschlossenen kommunistischen Staaten ausgesetzt war. Neben den Nachrichtendiensten der DDR waren 1988 trotz Glasnost und Perestroika die sowjetischen Nachrichtendienste besonders aktiv. In Rheinland-Pfalz standen 1988 wiederum die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, ihre militärischen Einrichtungen und Ausrüstungen sowie die von ihnen durchgeführten Manöver im Mittelpunkt der Spionageaktivitäten der östlichen Nachrichtendienste. Aber auch Industriebetriebe und die Hochschulen waren Ausspähungsbemühungen ausgesetzt. Neben der Beschaffung wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Informationen dienten die Aufträge der Vorbereitung von Werbungsversuchen dort beschäftigter Personen. 16 A. Linksextremismus 1. Orthodoxer Kommunismus Die orthodoxen Kommunisten blieben auch im Jahre 1988 aufgrund ihrer personellen Stärke, ihrer finanziellen Möglichkeiten und ihres dichten Organisationsgeflechts unangefochten die führende Kraft im linksextremistischen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind überwiegend in der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) - als der kommunistischen Kernorganisation in der Bundesrepublik Deutschland - zusammengeschlossen1, die sich bei ihrer politischen Arbeit auf ihre Nebenorganisationen - "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) - "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) - "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB) sowie auf die von ihr beeinflußten Organisationen (sogenannte Vorfeldorganisationen) - "Deutsche Friedens-Union" (DFU) - "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) - "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) - "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) - "Die Friedensliste" stützt. 1.1 "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort Richtschnur für die politische Zielsetzung der DKP sind nach wie vor das auf dem 5- Parteitag am 21. Oktober 1978 in Mannheim beschlossene "Mannheimer Programm"2 sowie die auf dem 8. Parteitag 1986 in Hamburg beschlossenen und das "Mannheimer Programm" ergänzenden Thesen "Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit - für eine demokratische Wende". Hiernach versteht sich die DKP als "die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse der Bundesrepublik Deutschland" (S. 5, 72, 83). Sie bekennt sich ebenso wie die frühere KPD, deren Wiederzulassung sie fordert (S. 52), zu der "Lehre von Marx, Engels und Lenin" (S. 7, 84, 86, 89), dem "wissenschaftlichen Sozialismus" (S. 7, 72, 84, 86) als "ihrem politischen Kompaß und wissenschaftlichen Fundament ihrer Politik" (S. 7). Mit dem Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus tritt 1 Die DKP wurde am 26. September 1968 anstelle der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) gegründet (Vgl. BVerfGE 5, 85 ff). 2 Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Programm der Deutschen Kommunistischen Partei", herausgegeben vom DKP-Parteivorstand, Neuss 1978. IT" die DKP für die "sozialistische Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" ein, die sie nunmehr mit den Synonymen "sozialistische Umwälzung" (S. 68) und "politische Macht der Arbeiterklasse" (S. 59, 63) umschreibt. Sie verpflichtet sich, "stets im Geist des proletarischen Internationalismus zu handeln" (S. 7, 88) und "für die Stärkung der Einheit der kommunistischen Weltbewegung zu wirken" (S. 7). Dazu gehört die vorbehaltlose Anerkennung der von der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU), der "stärksten und erfahrensten Partei der kommunistischen Weltbewegung" (S. 88), und der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorgegebenen ideologischen und politischen Linie (S. 88 0. Die Sowjetunion und die DDR verkörpern für die DKP das Modell des "realen Sozialismus" (S. 10 f, 89). So hat nach Auffassung der DKP das Sowjetvolk "erfolgreich den Sozialismus aufgebaut und vollzieht den Übergang zum Kommunismus" (S. 11). Ebenso habe in der DDR "mit dem Sozialismus eine Gesellschaftsordnung gesiegt", in der "die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft ist" (Thesen "Neue Fragen des Kampfes für Frieden und Arbeit - für eine demokratische Wende", Broschüre des DKPParteivorstandes, 1986, S. 21). Ergänzend spricht der in der Partei umstrittene Beschluß der 13. Vorstandstagung vom September 1988 "Zur Lage und künftigen Entwicklung der DKP" von der "prinzipiell solidarischen Haltung" und von der Vorrangigkeit in den Beziehungen zur KPdSU und SED. Die DKP geht davon aus, ihre "eigene Identität zu verlieren", wenn sie ihre "prinzipielle kommunistische Solidarität mit der SED" aufgibt ("DKP-Informationen" Nr. 13, September 1988). "Unverrückbares" Ziel der DKP ist die Errichtung des "Sozialismus durch eine grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland" 3 (S. 59)"Diese grundlegende neue Gesellschaftsordnung, die auf der revolutionären Überwindung der kapitalistischen Machtund Besitzverhältnisse aufbaut" (S. 65), wird als eine "Etappe auf dem Weg zum Kommunismus" angesehen, "jener Gesellschaft, in der es keine Klassen mehr gibt" (S. 59). Das "sozialistische" Ziel will die DKP nicht in "einem einzigen revolutionären Akt", sondern über die Zwischenstufen der "Wende zu demokratischem und sozialistischem Fortschritt" (S. 33 ff) und der "antimonopolistischen Demokratie" (S. 66 ff) erreichen. Gerade die jetzige Etappe, die der Durchsetzung einer "friedensorientierten und demokratischen Reformalternative" dient, bedeute "keinen Verzicht auf den Sozialismus", sondern sei der Weg dorthin, erklärte das DKP-Präsidiumsmitglied ANGENFORT im Zentralorgan der DKP "Unsere Zeit" (UZ) vom 29. 3 Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Programm der Deutschen Kommunistischen Partei", herausgegeben vom DKP-Parteivorstand, Neuss 1978. 18 Dezember 1988. ANGENFORT wiederholte: "Das Fernziel der DKP ist und bleibt eine sozialistische Bundesrepublik". Aus der Sicht der DKP "führt" die in das Parteiprogramm von 1978 neu aufgenommene "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" zu einer "Schwächung des Monopolkapitals" (S. 58); sie "festigt die Aktionseinheit der Arbeiterklasse" (S. 58) und "läßt breite demokratische Bündnisse entstehen" (S. 58). Unter der "antimonopolistischen Demokratie" versteht die DKP "eine Periode grundlegender Umgestaltungen, in der die Arbeiterklasse und die anderen demokratischen Kräfte über so viel politische Kraft und parlamentarischen Einfluß verfügen, daß sie eine ihre gemeinsamen Interessen vertretende Koalitionsregierung bilden können" 4 (S. 66). Sie betrachtet "die antimonopolistische und die sozialistische Umwälzung als miteinander verbundene Entwicklungsstadien in dem einheitlichen revolutionären Prozeß des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus" (S. 68). Zur Tarnung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele5 gibt die DKP stets vor, sie "wirke auf dem Boden des Grundgesetzes" (S. 6), sie "bekenne sich zu seinen demokratischen Prinzipien" (S. 6) und "gehe von den Realitäten des eigenen Landes aus" (S. 7)6. Hierbei bedient sie sich der bereits von der früheren KPD angewandten "Umwertungstaktik"7, indem sie elementare Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (S. 52) und die Volkssouveränität (S. 52), in ihrem Sinne verfälscht, um behaupten zu können, sie trete für deren Verteidigung ein8. So bejaht sie die Grundrechte nur insoweit, als von ihnen nicht in einer Weise Gebrauch gemacht wird, die dem Weg des "Sozialismus" oder dem Weg dahin zuwiderläuft. "Der Sozialismus gibt dem Volk alle Freiheit, gibt jedoch keinen Raum ... für diejenigen, die die Errungenschaften des Volkes und seine verfassungsmäßige Ordnung beseitigen wollen" (S. 64 0- Für das Verfassungsverständnis der DKP geht die Staatsgewalt nicht vom ganzen Volk, sondern nur von der "werktätigen Bevölkerung" aus. Nach dieser Deutung der VolkssouveDie "antimonopolistische Demokratie" entspricht der Leninschen "revolutionär-demokratischen Diktatur" und stellt sich als Vorstufe der "Diktatur des Proletariats" ("Macht der Arbeiterklasse") dar. s Vgl. zur verfassungsfeindlichen Zielsetzung der DKP grundlegend das Bundesverwaltungsgericht im sogenannten Peter-Urteil, NJW 1982, 779 (781 ff) und im sogenannten Meister-Urteil, DVB1. 1984, 955 (956 ff). 6 Die DKP vermeidet es aber, eindeutig die freiheitliche demokratische Grundordnung zu bejahen. 7 Vgl. BVerfGE 5, 85 (323). 8 Auch andere Begriffe 'wie Frieden, Freiheit und Faschismus werden von der DKP in ihrem Sinne umgedeutet. 19 I. Unsere Epoche ist die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab III. Für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt - Für Frieden und Völkerfreundschaft Für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und ein breites Bündnis der demokratischen Kräfte VI. Die Rolle der revolutionären Partei der Arbeiterklasse - Für die Stärkung der DKP und die Erweiterung ihres Masseneinflusses These 5 Neue Fragen Die DDR - der erste sozialistische ui Friedensstaat der deutschen Geschichte des Kampfes - Die Deutsche Demokratische Republik ist eine "labile I **non des frieden 1 - und des Sozialismus in Europa [ für Frieden G r ü n d u n g dieses ersien Arbeiter-und-Bauern-Staates ; deutschem Boden war ein Wendepunkt in der europäisch Geschichte. Die DDR verkörpert alle humanistischen u und Arbeit - These 12 für eine Neue Entwicklungstendenzen des staatsmonopolistischen Kapitalismus Beschlossen vom demokratische 8. Parteitag der DKP Wende ?(>er Jahre hat sich die krisenhafte Kntnickionopolisi.sch.cn Syriens der Bundesrepuuch in unserem I_jndc wird immer dcutli*r Kapitalismus historisch überlebt hat. bestätigt sich die fcslsteflung des PraThese 41 lle inneren futstcn/hedmgungen des Die weltanschauliche und ideologische erden in zunehmendem Maße durch Arbeit der DKP ische Krisenerscheinungen beeinflußt haben [cne bewunderen Faktoren aufdie langanhaliende. ritte Gebrechen dnun" überdeckende Nachkrieg.skon- ränität strebt die DKP "für das arbeitende Volk ein Höchstmaß an realer Einflußnahme auf das politische und gesellschaftliche Leben" an (S. 52). Mit dem arbeitenden Volk ist lediglich die Arbeiterklasse gemeint, deren Organisation nach marxistisch-leninistischer Lehre die kommunistische Partei ist (S. 7, 83). Auch weitere tragende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition9 werden von der DKP abgelehnt. Damit vertritt die DKP eine totalitäre Staatsauffassung, nach der allein der Staat alle Macht und Autorität innehat 10 . Sie verwirft die Gewaltenteilung, da "in einer sozialistischen Bundesrepublik die gewählten Volksvertretungen die höchsten staatlichen Machtorgane" (S. 64) sein sollen. Bereits aus der Ablehnung der Gewaltenteilung ergibt sich die Absage der DKP an die Unabhängigkeit der Gerichte. Ihre Einstellung zur Justiz wird noch deutlicher durch die Aussage, "diese Regierung11 würde ... die Armee, die Polizei, die Justiz und den Verwaltungsapparat sowie die Massenmedien vom Einfluß neonazistischer und militaristischer Kräfte befreien und den Mißbrauch der staatlichen Machtorgane gegen das Volk und die verfassungsmäßige Regierung unterbinden" (S. 66 f, vgl. auch S. 18 f, 28 0. Die DKP strebt zwar ein "Bündnis der verschiedenen Parteien an, um den Übergang zum Sozialismus und seinen Aufbau gemeinsam mit ihnen zu vollziehen" (S. 64). Nach Errichtung des "Sozialismus" läßt sie jedoch für das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition keinen Raum. Diese Grundhaltung zeigt sich z.B. an der Verfassung der DDR, die für die DKP Vorbildcharakter hat. Nach Art. 1 Abs.l Satz 2 der DDRVerfassung ist die DDR die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei12. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind die politischen Bestrebungen der früheren KPD und der DKP inhaltsgleich, "so daß die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in dem KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956 (BVerfGE 5, 85) weiterhin auch für die DKP zutreffen"13. ' Vgl. zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung BVerfGE 2, 1 (13). 10 Vgl. Abschnitt B. "Rechtsextremismus", S. 79. " Als Koalitionsregierung in einer "antimonopolistischen Demokratie". 12 Die Identifizierung mit der Staatsund Gesellschaftsform der DDR belegt deutlich die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DKP. 13 BVerwG, NJW 1982, 779 (781); BVerwG, DVB1. 1984, 955 (956). 21 1.1.2 Innerparteiliche Krise Mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen in der Sowjetunion, gekennzeichnet durch die Begriffe "Glasnost" (Offenheit) und "Perestroika" (Umgestaltung), die auf den KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow zurückgehen, hatte die DKP besonders im Jahre 1988 unverkennbare Probleme. Die Vorgänge in der Sowjetunion sind letztlich auch die Ursache für einen inzwischen auf allen Parteiebenen offen ausgebrochenen Linienstreit zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" in der DKP. Besonders deutlich wurde der Meinungsstreit im Parteivorstand durch die Diskussion über den Entwurf eines neuen programmatischen Dokuments "Bundesrepublik Deutschland 2000". Dieser von den sogenannten Traditionalisten erstellte Entwurf enthielt insbesondere nicht die Gorbatschow-Formel einer "Demokratisierung" und setzte den Gedanken der "Perestroika" nur unzureichend um. Wegen hieraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten konnte der Ursprungsentwurf nicht vom Parteivorstand wie vorgesehen verabschiedet werden. Das Dokument mußte daraufhin unter Mitwirkung von Parteivorstandsmitgliedern, die dem Gorbatschow-Kurs aufgeschlossen gegenüberstehen ("Erneuerer"), neu bearbeitet werden. Die Neufassung, endgültig vom Parteivorstand auf seiner 12. Tagung im Juni 1988 verabschiedet, geht nunmehr ausführlicher auf den "revolutionären Umgestaltungsprozeß in der Sowjetunion" ein, wenn auch mit den üblichen Akzentverlagerungen. Der Parteivorsitzende MIES räumte zudem beschwichtigend ein, daß auch die DKP Fragen nach innerparteilicher Entwicklung und Demokratie nicht ausweichen dürfe und Korrekturen vornehmen müsse. MIES schwebt vor, die durch den Gorbatschow-Reformkurs entstandene "Sympathie und Identifikationswelle für und mit Perestroika" für ein verbessertes Bild der Kommunisten in der Öffentlichkeit zu nutzen (UZ-Eigenbeilage vom 22. Juni 1988). Gleichwohl konnte der Einlenkungsversuch des Parteivorsitzenden nicht verhindern, daß der Parteienstreit zwischen "Traditionalisten" und "Erneuerern" weiter eskalierte und auf der 13Parteivorstandstagung im September 1988 zu einer Zerreißprobe führte. Auf dieser Vorstandstagung gab der Parteivorsitzende die Existenz zweier Linien in der DKP zu und zeichnete erstmals ein dramatisches und realistisches Bild seiner Partei: Es gebe keine Einheit in der Partei mehr. In Diskussionen des Präsidiums und des Sekretariats sowie in verschiedenen Papieren werde der demokratische Zentralismus zugunsten basisdemokratischer Auffassungen in Frage gestellt. Unter der Flagge des Kampfes gegen den Stalinismus werde versucht, jene Einheitlichkeit und Disziplin aufzugeben, ohne die eine kommunistische Partei nicht auskommen könne. Der wünschenswerte Meinungspluralismus in der Partei werde mißverstanden im Sinne der Verwandlung der DKP in eine pluralistische Partei. Es gebe Kräfte, die auf radikale Veränderung der Partei, ihres Programmes und ihrer zentralen Führung zielten. Am Ende stünde keine erneuerte, sondern eine 22 zerfallende DKP. Es dürfe kein Zurück geben hinter jene Organisationsprinzipien, die im Programm und Statut niedergelegt seien; auf Dauer könne keine kommunistische Partei mit zwei Linien nebeneinander leben (UZ-Eigenbeilage vom 7. September 1988). Auf dieser kontrovers geführten Tagung verabschiedete der Parteivorstand ein Dokument über seine Vorstellungen von der "Demokratisierung des Parteilebens" als Diskussionsgrundlage zur Vorbereitung des 9- Parteitages im Januar 198914. Diesem Papier versagten etwa 20 % der Parteivorstandsmitglieder ihre Zustimmung, ein Novum in der Geschichte der DKP. Die Gegner argumentierten, die Erneuerung der DKP erfordere einen Bruch mit bisherigen organisatorischen, programmatischen und strategischen Vorstellungen (UZ vom 6. September 1988). Gleichzeitig wurde auf der Parteivorstandstagung ein Minderheitenvotum vorgelegt, nach dem Dogmatismus, bürokratischer Zentralismus sowie mangelnde Kompetenz der Führung für die Krise der Partei verantwortlich sind. Darüber hinaus befindet sich die DKP, trotz ihrer "traditionellen brüderlichen Verbundenheit" zur SED (UZ vom 22. Oktober 1988), in einer schwierigen Loyalitätskrise zur DDR. Einerseits versucht die DKP, in neuen programmatischen Dokumenten zur Strategie Anschluß an die neue sowjetische Linie unter Gorbatschow zu finden, andererseits darf sie aber auch ihre große Schwesterpartei, die "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED), nicht verärgern, von der sie ideell und materiell abhängig und die zum Gorbatschow-Reformkurs auf Distanz gegangen ist. 1.1.3 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand Wie schon im Jahre 1987 ist auch im Berichtszeitraum die Mitgliederzahl der DKP weiter gesunken. Hatte die DKP Ende 1987 noch etwa 38.000 Mitglieder, dürfte diese Zahl inzwischen auf unter 35.000 zurückgegangen sein. Einer der Gründe dafür liegt im Dissens über das Einbinden sowjetischer Reformbestrebungen in die Parteiarbeit der DKP. Willi GERNS, Mitglied des Präsidiums und des Sekretariats der DKP, sieht bei manchen Mitgliedern "Probleme ihrer Identität als Kommunisten" aufkommen, weil vieles von dem, was früher alleine die Kommunisten vertreten hätten, inzwischen Bestandteil der Politik von Parlamentsparteien geworden sei; das Monopol der DKP sei damit gebrochen (Marxistische Blätter Nr. 1/1988). 14 Auch dieser Parteitag (6. bis 8. Januar 1989 in Frankfurt am Main), der wegen zeitraubender Streitereien über Personalfragen auf den 18. Februar 1989 vertagt worden ist, einte die DKP nicht. Im Februar 1990 soll ein weiterer außerordentlicher Parteitag zur Klärung innerparteilicher Probleme beitragen. Herbert MIES wurde zum Parteivorsitzenden wiedergewählt, wenn auch mit einer noch nie dagewesenen Zahl von Gegenstimmen; gleiches gilt für die stellvertretende Parteivorsitzende Ellen WEBER. 23 Entwicklung der Mitgliederzahlen der DKP Bundesrepublik Deutschland i 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 Rheinland-Pfalz 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 Die DKP zählt in Rheinland-Pfalz etwa 1.000 Mitglieder. Dem Rechenschaftsbericht des Bezirksvorstandes der DKP Rheinland-Pfalz für die Bezirksdelegiertenkonferenz am 12./13November 1988 war zu entnehmen, daß sich der Mitgliederbestand in Rheinland-Pfalz in den letzten 2 1/2 Jahren um fast 9 % verringert hat, insbesondere der Anteil Jugendlicher unter 25 Jahren. Die Bezirksorganisation Rheinland-Pfalz, eine der insgesamt 12 Bezirksorganisationen15, gliedert sich in 10 Kreisorganisationen mit insgesamt etwa 40 OrtsIn Nordrhein-Westfalen und in Bayern gibt es jeweils zwei, in den übrigen Bundesländern je eine Bezirksorganisation. In Berlin (West) treten die orthodoxen Kommunisten als "Sozialistische Einheitspartei Westberlins" (SEW) auf; damit soll die von der Sowjetunion und der DDR in bezug auf Deutschland als Ganzes vertretene "Drei-Staaten-Theorie" unterstrichen werden. 24 und Stadtteilgruppen. An der Spitze mehrerer Kreisorganisationen stehen hauptamtliche Vorsitzende, die durch Funktionäre der Bezirksorganisation in Mainz politisch angeleitet werden. Diese wiederum erhalten ihre Instruktionen von der Parteizentrale in Düsseldorf. Der Organisationsaufbau der DKP PARTEIVORSTAND Präsidium L 1 J Sekretarial PARTEITAG RevisionsGESAMTPARTEI der Wahl von kommission DKP Schiedskommission BEZIRKSVORSTAND L Sekretariat BEZIRKSBEZIRKSDelegierten DELEGIERTENWahl von 1 zum Farte(tag ORGANISATION KONFERENZ Revisions1_ kommission J Schiedskommission KRF1S VORSTAND 1 Sekretarial KREISKONFERENZ Delegierten Wahl von 1 zur BezirksdelegiertenORGANISATION KREIS-MITGLIEDER- [ konferenz .1 Revisionskommission | Schiedskommission JAHRES- L GRUNDWahl von HAUPTVERSAMMLUNG GRUPPEN VORSTAND ORGANISATION der PARTEIGRUPPEN J 1 Delegierten zur Kre isd e 1 eg ierte n- konferenz,Kreismiigliedcr- 1 WOHNGEBIETS 1 versammlung GHUPPE GRUPPE jRUPPE Auf der erwähnten Bezirksdelegiertenkonferenz wurde deutlich, daß die Bezirksorganisation Rheinland-Pfalz von Funktionären des sogenannten Erneuerungsflügels geführt wird, die auf einen kritischen Kurs gegen die Parteiführung eingeschwenkt sind. Das kommt u.a. in einem Antrag an den Parteitag im Januar 1989 zum Ausdruck, in dem die Delegierten eine Änderung des Parteienstatuts mit dem Ziel forderten, das Wahlrecht der Parteitagsdelegierten von der Ebene der Bezirkskonferenz auf die Ebene der Kreiskonferenzen als ein "wesentliches Mittel zur Demokratisierung unseres Parteilebens" zu verlagern. Auf der Bezirksdelegiertenkonferenz wählten die Delegierten im Zuge der Quotenregelung (50 %) in den 42köpfigen Vorstand 21 Frauen. Der bisherige Bezirksvorsitzende Dieter DÖRFLINGER, Mainz, und sein Stellvertreter Erich SCHACH, Haßloch, wurden wiedergewählt (UZ vom 15. November 1988). 25 1.1.4 Finanzierung Der Ende 1988 nach SS 23 Parteiengesetz vorgelegte Rechenschaftsbericht der DKP für das Jahr 1987 beziffert die Einnahmen mit 23.151.400,07 DM (1986: 22.859.972,04 DM)und die Ausgaben mit21.850.257,98 DMÜ986:22.266.362,47 DM). Bei den Einnahmen werden 11.052.315,00 DM als Mitgliedsbeiträge (1986: 10.886.269,34 DM) und 9.685.888,73 DM als Spenden ausgewiesen (1986: 9.032.159,78 DM). Dem Rechenschaftsbericht zufolge hatte die DKP Rheinland-Pfalz Einnahmen inHöhe von 858.236,89 DM(1986:817.562,42 DM) und Ausgaben inHöhe von 834.579,91 DM (1986: 815.582,27 DM) zu verzeichnen; an Mitgliedsbeiträgen erzielte sie 424.330,00 DM (1986: 306.419,54 DM) und an Spenden 391.824,74 DM (1986: 420.655,83 DM). Die tatsächlichen Gesamtausgaben der DKP dürften jedoch nach Schätzungen der Sicherheitsbehörden erheblich höher gelegen haben. Allein die Aufwendungen für die mehreren hundert hauptamtlichen Funktionäre und Hilfskräfte erfordern ein Mehrfaches der auf der Ausgabenseite bezifferten Personalkosten16. Hinzu kommen die Sachausgaben für den kostspieligen Parteiapparat, Aufwendungen für die Unterhaltung der Nebenorganisationen sowie die finanzielle Unterstützung der von der DKP beeinflußten Organisationen. Für alle diese Aufwendungen sind der DKP auch im Jahre 1988 wieder mehr als 65 Millionen DM aus der DDR auf geheimem Wege zugeflossen'". 1.1.5 Schulung Angesichts der "Verschärfung des ideologischen Kampfes" wächst nach Auffassung der DKP die "Bedeutung der weltanschaulichen und ideologischen Arbeit". Die Lehre von Marx, Engels und Lenin bewahre davor, "auf die antikommunistischen und antisowjetischen Lügen des Klassengegners hereinzufallen" . Nach kommunistischem Verständnis schafft die marxistische Weltanschauung "eine feste Grundlage ... für die Zuversicht, daß der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei auch in der Bundesrepublik die Zukunft gehört". Jedes Parteimitglied müsse sich daher "bemühen, die Thesen von Marx, Engels und Lenin zu studieren" (Thesen S. 104). Um den ideologischen Anforderungen gerecht zu werden, betreibt die DKP auch in Rheinland-Pfalz eine "Marxistische Betriebsarbeiterschule" in Mainz sowie eine "Marxistische Abendschule" (MASCH) in Ludwigshafen am Rhein. "Zum Studium und zur Verbreitung des Marxismus" hat sie im Mai 1987 in Trier '" Angegebene Personalausgaben der DKP Rheinland-Pfalz im Jahre 1987: 338.023,69 DM. 17 Die DKP wird von der SED nicht nur großzügig unterstützt, sondern auch angeleitet und kontrolliert. 26 die "Karl-Marx-Gesellschaft" gegründet (UZ vom 11. Mai 1987). Wie bisher haben auch im Jahre 1988 zahlreiche Parteimitglieder aus Rheinland-Pfalz an einoder zweiwöchigen Grundund Speziallehrgängen der parteieigenen "Karl-Liebknecht-Schule" in Leverkusen teilgenommen. Parteimitglieder, die für Führungsaufgaben vorgesehen sind, besuchten Monats-, Dreimonatsund Jahreslehrgänge an der "SED-Parteischule Franz Mehring" in Berlin (Ost) und am "Institut für Gesellschaftswissenschaften" beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau. 1.1.6 Pressearbeit Dem Parteidokument "Zur Lage und künftigen Entwicklung der DKP" (DKPInformationen Nr. 13, September 1988) zufolge spielt das Parteiorgan der DKP "Unsere Zeit" (UZ) eine "besondere Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch für die Entwicklung und Kampffähigkeit" der DKP. Den zunehmenden Unmut aus den eigenen Reihen über die einseitige Berichterstattung im Parteiorgan und die mangelnde Attraktivität begegnete die 13Parteivorstandstagung im September 1988 mit Verbesserungsvorschlägen. Danach soll den Diskussionen über neue politische Entwicklungen "mehr Aufmerksamkeit und Raum" gewidmet werden, selbst dann, wenn die DKP noch keine "abgeschlossenen Positionen" erarbeitet hat. Auch über die politische Entwicklung in sozialistischen Ländern soll "differenzierter, dialektischer und realistischer" berichtet werden, wobei auch "heikle Fragen" aufgegriffen werden können. Hierzu zählt der Parteivorstand auch die "Darstellung der Vielfalt und Unterschiedlichkeiten der Wege und des jeweils erreichten Entwicklungsstandes in den einzelnen sozialistischen Staaten" auf, einschließlich der dabei zutage tretenden "Probleme, Widersprüche, Schwierigkeiten und Fehlentwicklungen". Diese geplanten Neuerungen dienen letztlich dem Ziel, den ständigen Abonnentenrückgang aufzufangen. Die derzeitige Auflage der UZ-Tageszeitung beträgt ca. 21.000 Exemplare, die der Wochenendzeitung (Freitagsausgabe mit Wochenend-Magazin) ca. 39.000 Exemplare. Auf die im letzten Jahr angekündigte Herausgabe einer neuen kommunistischen Wochenzeitung wurde inzwischen verzichtet. Für die DKP-Bezirksorganisation Rheinland-Pfalz erschien im Dezember 1988 eine UZ-Sonderausgabe. Auch die Bezirks-, Kreisund Grundorganisationen der DKP gaben eine Vielzahl von Betriebsund Kleinzeitungen heraus. In Rheinland-Pfalz hat die Partei im Jahre 1988 11 Betriebszeitungen und 28 Ortsund Stadtteilzeitungen vertrieben. Die Einzelauflagen beliefen sich oftmals auf mehrere 1.000 Exemplare. 27 IN Hl i DE "gUp seiav229Zguwenorgpan |Dd122.oe9nze8mrns3btae/gr, u oe ER! PS " Bad Kreuznach Ba vi5.4r. VE Vintorasnde 10.A 655Bad Kreusnach | | 2 SEEN STADTZEITUNG DER NIA04_4VNHQSLAIMa NEUJAHRSGÜSE ZEITUNG DER DEUTSCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI FÜR MAINZ gar r-r 19. Jahrgang September 1988 KAISERSLAUTERE STADTANZEIGE ZEITUNG DER DEUTSCHEN KOMMUNISTISCHEN PINRENE ZUNESIRTE Wichtigstes "Bündnisorgan" der DKP blieb die "Volkszeitung"18 mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 26.000 Exemplaren. Chefredakteur Franz SOMMERFELD und seine Stellvertreterin Ruth KELLNER19 gehören beide der DKP an. Weiterhin sind mindestens drei Viertel der Redaktionsmitglieder und der "ständigen Mitarbeiter" orthodoxe Kommunisten. 1.1.7 Bündnispolitik Die Politik der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse und des demokratischen Bündnisses", die sogenannte Bündnispolitik20, nimmt in der praktischen Arbeit der DKP unverändert eine herausragende Stellung ein. Unter dem Begriff der Arbeiterklasse versteht die DKP neben den Arbeitern die überwiegende Mehrheit der Angestellten und einen Teil der Beamten sowie eine große Zahl ausländischer Arbeiter (S. 73). Im "Ringen um die Aktionseinheit" mißt sie dem "gemeinsamen Handeln von Kommunisten und Sozialdemokraten entscheidende Bedeutung" bei (S. 73). Sie will "selbst die geringste Übereinstimmung zum Ausgangspunkt des gemeinsamen Wirkens für gemeinsame Anliegen" machen (S. 74, sogenannter Minimalkonsens). Der "beste Weg für die Entwicklung der Aktionseinheit" sei das "Zusammenwirken von Kommunisten und Sozialdemokraten am Arbeitsplatz, im Betrieb und in den Gewerkschaften" (S. 74). Überhaupt erkennt die DKP den Gewerkschaften "ein besonderes Gewicht für den Kampf der Arbeiterklasse" zu (S. 74). Deshalb habe jeder Kommunist die "selbstverständliche Pflicht, ein aktiver Gewerkschafter zu sein" (S. 75). Die DKP setzt sich für "starke und aktive Betriebsund Personalräte, Jugendvertretungen und gewerkschaftliche Vertrauensleutekörper" ein (S. 76). Für sie hat die Zusammenarbeit mit den Christen ebenfalls "großes Gewicht" (S. 80). Sie "achtet das aus ihrem Glauben motivierte Eintreten christlicher Bürger, darunter auch vieler Geistlicher, für die Sache des gesellschaftlichen Fortschritts" (S. 80). Nach dem 3- Abschnitt der Thesen, in dem die DKP "neue Fragen der Aktionsund Bündnispolitik" behandelt, hat der sogenannte außerparlamentarische Kampf in der ersten Hälfte der 80er Jahre eine "neue Qualität" erhalten (S. 64). Der "Aufschwung der Friedensbewegung und der Arbeiterkämpfe, die positiven Veränderungen in den Gewerkschaften und in der SPD, die Entwicklung der grün-alternativen Strömung, die zunehmenden Aktivitäten der demokrati18 Erschien bis September 1987 unter dem Titel "Deutsche Volkszeitung/die tat" (DVZ/die tat). 19 Ehefrau von Herbert KELLNER, dem langjährigen Vorsitzenden der DKP-Bezirksorganisation Rheinland-Pfalz, 2 " Die "Bündnispolitik" ist im "Mannheimer Programm" (S. 71-81) für die DKP festgeschrieben. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Programm der Deutschen Kommunistischen Partei", herausgegeben vom DKP-Parteivorstand, Neuss 1978. 29 sehen Frauenbewegung, die Entfaltung einer breiten antifaschistischen Bewegung" haben "für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und für demokratische Bündnisse" angeblich "neue Möglichkeiten" geschaffen, die "ausgeschöpft werden" sollen (S. 66). Wenn die DKP aus taktischen Erwägungen in solchen Bündnissen teilweise ausdrücklich auch keinen Führungsanspruch erhebt, so fordert sie dennoch ihre Mitglieder und Anhänger nachdrücklich dazu auf, sich stets dessen bewußt zu sein, "daß die Kommunistische Partei ihre organisatorische, politische und ideologische Selbständigkeit unter allen Umständen bewahren muß" (S. 81). Mit dem für sie wichtigen Instrument der Bündnispolitik bemühte sich die DKP auch im Jahre 1988, ihre relativ geringe Mitgliederzahl und ihr schwaches Wählerpotential auszugleichen und eine Massenwirkung im "außerparlamentarischen Kampf" zu erreichen. Im DKP-Programmentwurf "Bundesrepublik 2000" wird erneut betont, daß die von der DKP erstrebte "grundlegende Änderung der sozialen und politischen Kräfteverhältnisse" nur durch "den Klassenkampf von unten, durch die Aktivitäten breiter demokratischer und sozialer Bewegungen und durch neue Reformbündnisse" möglich sei. Als Motor der Veränderungen wird der Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Gewerkschaften hervorgehoben: "Wir Kommunistinnen und Kommunisten werden den uns möglichen Beitrag leisten, um klassenautonom handelnde Gewerkschaften und ihre gesellschaftliche Rolle zu stärken". Hierbei mißt die DKP "dem gemeinsamen Handeln von Kommunisten und Sozialdemokraten überragende Bedeutung zu". In dieser Aktionseinheit sieht die DKP die Voraussetzung dafür, "daß die Arbeiterklasse zum Kern und Motor von Reformbündnissen werden kann" (UZ-Eigenbeilage vom 10. Juni 1988). Anläßlich der DGB-Aktionswoche vom 15. bis 22. Oktober 1988 rief die DKP ihre Mitglieder zu deren Unterstützung auf und erklärte, die Aktionstage müßten zu "einem Höhepunkt des solidarischen Widerstandes gegen die Wendepolitik von Kapital und Kabinett" gestaltet werden (UZ vom 6. Oktober 1988). 1.1.8 Kampagne gegen die "Berufsverbote" Auch im Jahre 1988 steuerte die bundesweite Initiative "Weg mit den Berufsverboten" (Sitz Hamburg) wie in den Vorjahren Proteste gegen staatliche Maßnahmen zur Fernhaltung orthodoxer Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst. Die Initiative wird entscheidend von der DFU getragen. Ihr Sprecher ist Horst BETHGE, Mitglied des Bundesvorstandes der DFU; im "Arbeitsausschuß" stellen Mitglieder der DKP und ihrer Vorfeldorganisationen eine deutliche Mehrheit. Die Initiative arbeitet mit rund 300 örtlichen Initiativen und mit ausländischen "Komitees gegen die Berufsverbote in der BRD" zusammen. Anlaß für besonders heftige Proteste der orthodoxen Kommunisten in Rheinland-Pfalz war imjahre 1988 der "Berufsverbote"-Fall des bereits imjahre 1987 30 aus dem Landesdienst entlassenen stellvertretenden Landesvorsitzenden der DFU Rheinland-Pfalz. Um seine Wiedereinstellung in den Landesdienst zu erreichen, betrieben die DFU und die DKP - in Zusammenarbeit mit den maßgeblich von orthodoxen Kommunisten mitgetragenen "Bürgerkomitees zur Verteidigung der Grundrechte - gegen Berufsverbote" in Mainz und Kaiserslautern - eine starke "Solidaritätskampagne". Teil dieser Kampagne ist u.a. die Veröffentlichung von "Offenen Briefen" und Solidaritätsaufrufen, für die auch namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als "Erstunterzeichner" gewonnen wurden. Mit diesen Maßnahmen versuchen die orthodoxe Kommunisten, "politische Erfolge" im Kampf gegen die sogenannten Berufsverbote zu erringen. 1.1.9 Einflußnahme auf die "Friedensbewegung" Orthodoxe Kommunisten haben auch 1988 maßgeblich bei Beratungen und Aktionen der "Friedensbewegung" mitgewirkt. Obgleich sie eine Minderheit innerhalb dieser überwiegend aus demokratischen, friedensengagierten Bürgern bestehenden Bewegung darstellen, gelang es ihnen erneut, in den Entscheidungsgremien durch ständige Anwesenheit und geschicktes Taktieren viele ihrer eigenen, "an den sowjetischen Abrüstungsvorschlägen orientierten" Vorstellungen durchzusetzen. Nach wie vor sind orthodoxe Kommunisten über die SDAJ, das KFAZ, die DFGVK und die WN-BdA im bundesweiten "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA), der sich aus etwa 30 Mitgliedsorganisationen zusammensetzt, vertreten. Die am 7./8. Mai 1988 in Tübingen vom KA initiierte "Aktionskonferenz der Friedensbewegung" war im wesentlichen geprägt von einem aus dem sehr zahlreich vertretenen "DKP Spektrum" stammenden Aufruf zu einer neuen, langfristig angelegten "Friedenskampagne". Auftakt bzw. Höhepunkte dieser Kampagne waren am 1. Oktober 1988 in Böblingen eine Demonstration gegen die Gründung der ersten deutsch-französischen Brigade, am 15. Oktober 1988 eine überregionale Demonstration und Blockadeaktionen am Bauplatz einer NATO-Befehlszentrale in Linnich-Glimbach (Nordrhein-Westfalen) und vom 13bis 18. November 1988 Aktionen gegen die Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung in Hamburg. Orthodoxe Kommunisten wirkten jeweils entscheidend an den Aktionsvorbereitungen mit bzw. gehörten zu den Aktionsteilnehmern. In der UZ vom 22. Oktober 1988 äußerte sich die stellvertretende DKPVorsitzende Ellen WEBER kritisch zu den von der "Friedensbewegung" durchgeführten "Herbstaktionen". Zwar sei es der "Friedensbewegung" erneut gelungen, ihre Aktionsbereitschaft unter Beweis zu stellen, aber eine Massenmobilisierung wie Anfang der 80er Jahre könne in der heutigen Situtation nicht 31 mehr realisiert werden. Ellen WEBER verwies deshalb auf die besondere Bedeutung der die "Herbstaktionen" begleitenden, mit Unterschriftensammlungen verbundenen "Friedens"-Initiativen zu den Themen "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz", "Jäger 90" und "Bonner Friedensappell '88". Insbesondere der Aufruf gegen den "Jäger 90" gewinne mehr und mehr an Dynamik und müsse deshalb vielfältig unterstützt werden. Wie schon in den Vorjahren konnte auch 1988 die DKP mit ihren Vorfeldorganisationen - allen voran die DFU - auf die Vorbereitung der von der "Friedensbewegung" initiierten "Ostermärsche" maßgeblichen Einfluß ausüben. In Rheinland-Pfalz fungierte wiederum der "Ostermarschkreis Rheinland-Pfalz" als Koordinationsstelle und Kontaktadresse für die "Ostermärsche". Seine Anschrift ist identisch mit dem Landesbüro der DFU in Mainz. Unter den 1988 bundesweit insgesamt 85.000 "Ostermarsch"-Teilnehmern - in Rheinland-Pfalz waren es schätzungsweise 3.000 - befanden sich zahlreiche Kommunisten. Auf den Kundgebungen sprachen neben Repräsentanten demokratischer Organisationen auch führende Funktionäre der DKP. 1.1.10 Betriebsarbeit Die auf dem 8. Parteitag der DKP im Mai 1986 getroffene Aussage, daß die Betriebsarbeit für die DKP das "entscheidende Kampffeld" sei (UZ vom 6. Mai 1986), galt im Berichtsjahr uneingeschränkt weiter. Diese Gewichtung versteht sich bereits aus der Tatsache, daß die Partei sich mit ihrer Politik in erster Linie an die "Arbeiterklasse im allgemeinen und die der Großbetriebe der materiellen Produktion im besonderen" (Thesen, S. 106) wendet. Schwerpunkt der kommunistischen Betriebsarbeit im Jahre 1988 war die ideelle und materielle Unterstützung der Belegschaft des KRUPP-Werkes in Duisburg-Rheinhausen im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Imjahre 1988 wurden im Bundesgebiet etwa 400, in Rheinland-Pfalz 5 Betriebsgruppen der DKP bekannt. 1.2 Nebenorganisationen der DKP Bei den Nebenorganisationen der DKP handelt es sich um organisatorisch selbständige orthodox-kommunistische Vereinigungen mit eigenen Satzungen und Leitungsgremien, die den Führungsanspruch der DKP anerkennen und deren maßgebende Funktionen überwiegend von Mitgliedern der DKP wahrgenommen werden. Zu den bekanntesten Nebenorganisationen zählen - "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP), - "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) und - "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" (MSB). 32 Organisationsübersicht orthodoxer Kommunismus DKP JP J--| DFU SDAJ |-~ WN-BdA MSB i -- KFAZ '-DFG-VK 1 "Die = Nebenorganisationen '-Friedensliste" = beeinflußte Oreanisationen Abkürzungen vgl. Abkürzungsverzeichnis Sie sind für die DKP, die sich als "Partei der Arbeiterklasse" zugleich als "Partei der Jugend" versteht (Parteiprogramm, S. 77), die "mit ihr solidarisch verbundenen Jugendorganisationen" (Thesen, S. 108). Da die "Einsicht in die Überlegenheit des Sozialismus und die Richtigkeit der Theorie von Marx, Engels und Lenin" vergleichsweise langsame Fortschritte mache, fordert die DKP eine Verbesserung der ideologischen Arbeit unter der Jugend (Thesen, S. 109). Die Partei müsse sich so darstellen, daß Jugendliche sie "in den Betrieben, Schulen und Universitäten als zuverlässigen Partner in der Aktion, als interessanten und streitbaren Diskussionspartner kennenlernen, der es versteht, ihnen seine politischen Ziele und seine Weltanschauung näherzubringen" (Thesen, S. 109). In einem Beschluß des Präsidiums des Parteivorstandes der DKP zur Jugendpolitik nach dem 8. Parteitag 1986 orientiert sich die Partei daher auf eine stärkere Profilierung als "Partei der Jugend" und auf eine intensivere Beschäftigung mit jugendspezifischen Themen. Zur Erreichung dieses Ziels fordert die DKP von allen Parteigliederungen einen Anteil zur Stärkung der kommunisti33 sehen Arbeiterjugendorganisationen. Von diesen erwartet die DKP eine "umfassende Interessenvertretung der arbeitenden, lernenden und studierenden Jugend, ihre revolutionäre Erziehung in allen Feldern des Klassenkampfes und das Heranführen der Jugendgenerationen an die Kämpfe der Arbeiterklasse und an die dauerhafte Organisierung in der Kommunistischen Partei" (UZ vom 10. September 1986). Eigenem Eingeständnis zufolge ist der DKP jedoch die Umsetzung dieses Beschlusses bisher nicht gelungen. Sie mußte feststellen: "Der derzeitige Rückgang unseres Einflusses in der Jugend ist unübersehbar und stellenweise dramatisch" (UZ-Eigenbeilage vom 8. September 1988). Neue Ansatzpunkte für ihre Jugendarbeit erhofft sich die DKP von ihrem Entwurf "Bundesrepublik 2000", mit dem sie die Chance verknüpft, "mit größeren Teilen der Jugend ins systematische Gespräch zu kommen und dazu beizutragen, daß mehr Jugendliche ein positives Verhältnis zu unserer Partei gewinnen" (UZ-Eigenbeilage vom 22. Juni 1988). 1.2.1 "Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation" (JP) Mit den im Jahre 1974 gegründeten JP versucht die DKP, Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren ideologisch zu beeinflussen. Sie mißt der "kommunistischen Kinderpolitik" große Bedeutung bei. Für die "Hauptaufgabe" der Partei, "Klassenbewußtsein massenhaft zu entwickeln", sei es wichtig, schon bei den Kindern durch "sehr frühe Anstöße" "Vorurteile gegenüber der DDR, unserer Partei und unserer Weltanschauung" abzubauen (UZ vom 11. Februar 1987). Mitglieder und Funktionsträger der DKP arbeiten mit dieser Zielsetzung bei den JP als Betreuer. Bundesweit haben die JP in zwölf Landesverbänden 21 knapp 3.000 Mitglieder. Die JP gehören der "Weltkinderorganisation CIMEA"22 an, einer Zweigorganisation des sowjetisch gesteuerten "Weltbundes der demokratischen Jugend" (WBDJ). In Rheinland-Pfalz sind etwa 150 Kinder in den JP organisiert; im Berichtszeitraum waren JP-Gruppen u.a. in Ludwigshafen am Rhein, Mainz und Worms feststellbar. Publikationsorgane der JP sind die Monatsschriften "Pionier" und "Pionierleiter-Info". Der Schwerpunkt der DKP/JP-Arbeit lag im Jahre 1988 in der Veranstaltung von JP-Pfingstlagern und insbesondere in der DKP/JP-Kinderferienaktion in die DDR. Unter dem Motto "Wir fahren in ein kinderfreundliches Land" bot die DKP In Nordrhein-Westfalen und in Bayern bestehen je zwei Landesverbände. Die zwölf Landesverbände derJP stimmen räumlich mit den zwölf Bezirksorganisationen der DKP überein. In Berlin (West) tritt als Kinderorganisation des "Sozialistischen Jugendverbandes Karl Liebknecht" , einer Nebenorganisation der SEW, die "Pionierorganisation Karl Liebknecht" auf. Comite International des Mouvements des Enfants et des Adolescents. 3-i erneut preisgünstige Kinderferienfahrten in die DDR an, an denen sich aus Rheinland-Pfalz ca. 100 Kinder beteiligten. Mit diesen Ferienaktionen strebt die DKP neben der JP-Mitgliederwerbung auch an, die Eltern der Kinder für ihre politischen Ziele zu gewinnen, die bisher keine Beziehungen zum Kommunismus hatten. Unter dem Motto "Atomwaffenfrei ins Jahr 2000 - den Kindern muß die Zukunft gehören" setzte die DKP darüber hinaus ihre Bemühungen fort, Kinder in die orthodox-kommunistische "Friedensarbeit" einzubinden. Dem vorerwähnten Motto war auch die 6. Bundeskonferenz der JP am 05./06. Dezember 1987 in Dortmund gewidmet, bei der 14 neue JP-"Grundsätze" beschlossen wurden. Die Bundeskonferenz wählte eine aus 55 Personen bestehende Bundesleitung. Als Bundesvorsitzender wurden Gerd HERTEL und als stellvertretende Bundesvorsitzende Birgit SZEZINOWSKI bestätigt. 1.2.2 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die im Jahre 1968 gegründete SDAJ ist mit ca. 6.500 Mitgliedern in zwölf Landesverbänden 23 die mitgliederstärkste kommunistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist die wichtigste Kaderreserve der DKP. Die SDAJ unterhält enge Kontakte zur "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) der DDR und ist Mitglied des sowjetisch gesteuerten WBDJ. Bundesweit gibt die SDAJ die Monatsschriften "elan" mit einer Auflage von ca. 14.000 Exemplaren und "Jugendpolitische Blätter" mit einer Auflage von ca. 2.000 Exemplaren heraus. Ihre Zielgruppen sind Schüler, Auszubildende und Soldaten. Die SDAJ feierte im Jahre 1988 ihr 20-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß hob die Bundesvorsitzende der SDAJ, Birgit RADOW, in der UZ vom 20.05.1988 erneut hervor, daß die SDAJ auf den Grundlagen der Ideen vom Marx, Engels und Lenin kämpfe. Sie betonte die Gemeinsamkeit mit der DKP und die enge Freundschaft mit den Jugendverbänden in den sozialistischen Ländern, insbesondere mit dem leninschen Komsomol der Sowjetunion und mit der FDJ der DDR. Die SDAJ befindet sich derzeit ebenso wie die DKP in einer Phase der Neuorientierung und Neubestimmung, ausgelöst durch die mit den Begriffen "Glasnost" und Perestroika" verbundene innerverbandliche Diskussion um die weitere politisch-ideologische Arbeit und die künftige Strategie zur Erreichung des Sozialismus in der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegensatz zur DKP wurden die mit der Umgestaltung in der Sowjetunion verbundenen Thesen und T n Nordrhein-Westfalen und Bayern gibt es jeweils zwei Landesverbände. Die zwölf Landes'inde der SDAJ stimmen räumlich mit den zwölf Bezirksorganisationen der DKP überein. 'ndorganisation der SEW in Berlin (West) nennt sich "Sozialistischer Jugendver- ^ ^ ^ ' Liebknecht" (SJV Karl Liebknecht). k ,"-) "USN ^ V1Q OS'6 D4 s9,DßOS*U cid M*** ^oiun4a\^degS ^nsi^" .,; Gedankenansätze von der SDAJ allerdings weitaus positiver aufgenommen. Als Forum für die Verbandsdiskussion gab der SDAJ-Bundesvorstand 1988 erstmals die Mitgliederzeitung "Offener Kanal" heraus. Die SDAJ hofft nach Abschluß des innerverbandlichen Richtungsstreites24, künftig für die Jugendlichen attraktiver zu werden und die derzeit vorhandenen Mitgliederverluste auffangen zu können. Höhepunkt der SDAJ-Arbeit war 1988 das zusammen mit dem MSB am 04./05. Juni 1988 in Herne veranstaltete "Festival der Jugend", bei dem die SDAJ sich als die "revolutionäre Kraft der Jugendbewegung" darstellte. Hauptansatzpunkte der SDAJ-Agitationen waren im Jahre 1988 insbesondere Aktionen zur "Solidarität mit dem kämpfenden Volk in Südafrika" und die "Antifaschismus-Arbeit" sowie der Kampf gegen Neonazismus. Neben diesen allgemeinpolitischen Themen setzte die SDAJ ihre zielgruppenorientierte Agitation im Rahmen der Schülerund Betriebsarbeit fort. Die themenorientierte Arbeit der SDAJ zeigt sich auch in der zunehmenden Bildung von SDAJUmweltund Solidaritätsgruppen. Der SDAJ-Landesverband Rheinland-Pfalz mußte 1988 wie auch die gesamte SDAJ erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen. Die derzeitige Mitgliederzahl der SDAJ Rheinland-Pfalz wird auf ca. 220 geschätzt25. Die Gesamtzahl der Orts-, Betriebsund Schülergruppen dürfte bei etwa 20 liegen. 1.2.3 "Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus" 26 (MSB) Der im Jahre 1971 gegründete MSB ist mit ca. 3-500 Mitgliedern weiterhin die stärkste linksextremistische Studentenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Er betrachtet sich als "revolutionäres Kraftzentrum" an den Hochschulen, das durch "gemeinsames Handeln mit der Arbeiterklasse" in "Verbundenheit mit ihrem revolutionären Flügel" auf eine "grundlegende Systemveränderung" hinarbeitet ("rote blätter", Juni 1986). Der MSB gibt die Monatsschrift "rote blätter" mit einer Auflage von ca. 9-000 Exemplaren heraus. Daneben erscheinen an zahlreichen Universitäten unregelmäßig Kleinzeitungen. Im Koordinationsausschuß der "Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS) sind der MSB und sein ständiger Bündnispartner, der "Sozialistische 24 Auf dem 10. Bundeskongreß der SDAJ im Juni 1989 soll der politische Standort der SDAJ auch gegenüber der DKP neu bestimmt werden. 25 1987 verfügte die SDAJ Rheinland-Pfalz noch über schätzungsweise 400 Mitglieder. '" Die Namensänderung (früher "Marxistischer Studentenbund Spartakus") wurde anläßlich des 10. Bundeskongresses am 3/4. Oktober 1987 beschlossen. l ~ Ideologie sowie Taktik und Strategie des SHB stimmen weitgehend mit orthodox-kommunistischen Vorstellungen überein. Der SHB ist seit Jahren ständiger Bündnispartner des MSB. Der SHB verfügt über ca. 2.000 Mitglieder. In Rheinland-Pfalz ist der SHB an der Universität Mainz aktiv. 37 Hochschulhund" (SHB)2-, weiterhin mit je einem Mitglied vertreten. Sie verfügen dort aber über einen Einfluß, der im Verhältnis weit über die bei studentischen Wahlen erzielten Stimmenanteile hinausgeht. Im Jahre 1988 stand auch der MSB ganz im Zeichen einer innerverbandlichen Diskussion um das "Neue Denken und Handeln" sowie dessen Auswirkung auf die künftige Politik und Strategie des MSB und seine Selbstdarstellung. Auf der 6. Bundesvorstandstagung des MSB am 09./10. Juli 1988 erklärte der MSB-Bundesvorsitzende RIECKE "Neues Denken und Handeln zur Leitlinie der Fachbereichspolitik" des MSB und erläuterte das Ziel: Mit einem Programmkongreß "Voraussetzungen für einen Umschwung in der MSB-Entwicklung schaffen". Dieser vom 7. bis 9- Oktober 1988 in Hamburg unter dem Motto "Aufbruch und Erneuerung" mit ca. 300 Delegierten durchgeführte Programmkongreß verabschiedete einen politischen Leitantrag zur Grundlage der künftigen Arbeit des MSB und beschloß die weitere Diskussion des MSB-Programms "Hochschule 2000". Auf diesem Kongreß beklagte lt. UZ vom 10. Oktober 1988 der MSB-Bundesvorsitzende RIECKE "Versäumnisse, Hinterherhinken, Dogmatisierung, Schematisierung und bürgerliche Tendenzen der marxistischen Organisation" und stellte einen deutlichen Mitgliederrückgang fest. Die Erneuerung des MSB in Programmatik und Arbeitsweise soll dem MSB nicht nur einen neuen Mitgliederzuwachs bringen, sondern auch neue Ansätze für Bündnis-und Aktionseinheitspolitik an den Hochschulen eröffnen. Bei der Diskussion um die Erneuerung wurden - ohne jedoch die Kampfgemeinschaft mit der DKP in Frage zu stellen - Differenzen zu politischen und ideologischen Wertungen der DKP offenbar. Insbesondere der von der DKP gegenüber dem MSB erhobene Vorwurf, dieser entwickele sich zu einer "reformistischen Organisation", führte zu einer Belastung des Verhältnisses beider Organisationen. Anläßlich der Bezirksdelegiertenkonferenz der DKP Rheinland-Westfalen wurden entgegen der bisherigen Praxis der MSB-Bundesvorsitzende Thomas RIECKE und seine Stellvertreterin Ulrike BILLINGER nicht zu ordentlichen Delegierten für den 38 9. Parteitag der DKP28 gewählt; dies führte zu dem Vorwurf des MSB, die DKP wolle ihn ausgrenzen. In Rheinland-Pfalz tritt der MSB nach wie vor an den Universitäten Mainz, Kaiserslautern und Trier in Erscheinung. Er hat jedoch - wie die Ergebnisse der Wahlen zu den Studentenvertretungen zeigen - im Jahre 1988 weiter an politischem Einfluß verloren und ist in den Studentenparlamenten der Universitäten Mainz und Kaiserslautern nicht mehr vertreten. Die Liste "SHB und Unorganisierte" errang erneut einen Sitz im Studentenparlament der Universität Mainz. An der Universität Trier konnte bei den Wahlen im Januar 1988 die MSBinitiierte "TU-WAS"Liste mit 10,13 % der Stimmen insgesamt 4 Sitze erringen29. 1.3 DKP-beeinflußte Organisationen Die DKP ist stets darum bemüht, möglichst viele Bürger im Zuge ihrer Bündnispolitik zur Unterstützung kommunistischer Nahziele zu gewinnen. Sie kann sich hierbei auf die Mithilfe etwa 50 überregional tätiger Organisationen und Initiativen stützen, die sich nach außen meist unabhängig und demokratisch darstellen, tatsächlich jedoch von der DKP gesteuert oder erheblich beeinflußt sind. Der Einfluß der DKP auf solche Organisationen zeigt sich u.a. darin, daß - sie von der DKP oder deren Initiativen gegründet wurden, - wesentliche Funktionen, vor allem im organisatorischen Bereich (Sekretariat) von orthodoxen Kommunisten wahrgenommen werden,, auch wenn oft die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder nicht der DKP angehört, - unter den Mitgliedern zahlreiche orthodoxe Kommunisten sind, auch 'wenn diese eine Minderheit repräsentieren, - sie von der DKP materiell unterstützt werden, - sie mit der DKP eng zusammenarbeiten und - sie Forderungen propagieren, die in Teilbereichen mit typisch kommunistischen Zielsetzungen übereinstimmen. Diese Merkmale müssen nicht notwendigerweise alle gleichzeitig vorliegen. Der Grad der Beeinflussung hängt in der Regel davon ab, wie viele der erwähnten Merkmale zutreffen. Je stärker der kommunistische Einfluß ist, desto geringer sind die Möglichkeiten der Demokraten, auf die interne Willensbildung einzuwirken oder gar der DKP entgegenzutreten. Es gibt Organisationen, in denen keine wichtige Entscheidung gegen den Willen der 28 Anläßlich des 9- Parteitages der DKP vom 6. bis 8. Januar 1989 in Frankfurt am Main wurden zwei MSB-Funktionäre in den Parteivorstand gewählt, darunter der MSB-Bundesvorsitzende Thomas RIECKE. "' Bei der Studentenparlamentswahl im Januar 1989 trat die Liste "TU-WAS" an der Universität Trier nicht an. 39 DKP getroffen werden kann; hierzu zählen die DFU, die WN-BdA und das KFAZ. Andere hingegen, wie etwa die DFG-VK, haben trotz kommunistischen Einflusses noch Raum für ein politisches Eigenleben. Es gehört zur Strategie der DKP, daß die von ihr beinflußten Organisationen nicht offen für "revolutionäre" Ziele eintreten. Vielmehr sollen sie Forderungen propagieren, die für sich gesehen nicht auf den ersten Blick als verfassungsfeindlich erscheinen und daher auch die Zustimmung von Demokraten finden können. Auf diesem Wege soll die Hemmschwelle gegenüber einer Zusammenarbeit mit Kommunisten abgebaut werden. Zu den wichtigsten DKP-beeinflußten Organisationen - die auch in RheinlandPfalz aktiv tätig sind - gehören: - die "Deutsche Friedens-Union" (DFU), - die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) und - das "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) Als weitere orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisationen sind noch zu nennen: - die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) und - "Die Friedensliste". Beide Organisationen verloren 1988 sowohl bundesweit als auch in RheinlandPfalz zunehmend an Bedeutung. 1.3.1 "Deutsche Friedens-Union" (DFU) Die DFU wurde im Jahre i960 auf kommunistisches Betreiben als "Volksfrontpartei" gegründet. Sie ist Mitglied des sowjetisch gesteuerten "Weltfriedensrates" (WFR). Nach der Neukonstituierung der DKP im Jahre 1969 verzichtete die DFU zu deren Gunsten zunehmend auf eine eigenständige Kandidatur bei Wahlen. Schließlich gab sie im Mai 1984 den Parteistatus auf und vollzog die Umwandlung in eine "politische Vereinigung". In den programmatischen Festlegungen der DFU zeigt sich eine enge Verbundenheit mit der DKP. So stellte auch das Oberverwaltungsgericht RheinlandPfalz 1987 in einem Rechtsstreit, in dem es die Entlassung des stellvertretenden Landesvorsitzenden der DFU Rheinland-Pfalz aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen berechtigter Zweifel an der Verfassungstreue bestätigte, ausdrücklich fest, daß die DFU dem Einfluß der DKP unterliege30. 30 Das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 1987 ist rechtskräftig. Mit Beschluß vom 17. März 1988 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. 40 In dem Urteil wird bestätigt, daß es sich bei der DFU um eine politische Gruppierung handelt, die programmatisch und "politisch-praktisch" in großer Nähe der DKP angesiedelt ist. Mit bundesweit etwa 1.000 Mitgliedern - in Rheinland-Pfalz zählt sie etwa 60 Mitglieder - stellt die DFU eine relativ kleine Organisation dar. Dennoch kam ihr auch im Jahre 1988 als "Funktionärsorganisation" mit einem aufwendigen hauptamtlichen "Apparat" wieder eine wichtige Rolle in der kommunistischen "Volksfronf'-Politik zu. Auf ihrem 12. ordentlichen Unionstag am 23-/24. April 1988 in Frankfurt am Main beschloß die DFU eine Satzungsänderung. Das bisher bestehende Direktorium wurde abgeschafft. Leitungsgremium ist künftig allein der Bundesvorstand, dem zahlreiche Kommunisten angehören. Der Bundesvorstand wählte aus seiner Mitte einen Arbeitsausschuß, der sich aus zehn Personen zusammensetzt, darunter der in der DDR geschulte Heinz DREIBRODT (ehemals Mitglied der im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten KPD). Als Vermittler kommunistischer Nahziele erstreckte sich der Wirkungsbereich der DFU insbesondere auf die "Friedensbewegung", auf Initiativen gegen die sogenannten Berufsverbote, die "Krefelder Initiative" und nicht zuletzt durch die Initiative "Christen für die Abrüstung" (CfA) auf christliche Kreise. Bei den Vorbereitungen zu den "Ostermarsch-Aktionen 1988" nutzte die DFU - wie schon in den Vorjahren - ihre erprobte bündnispolitische "Infrastruktur" und stellte für die Organisation Teile ihres "Apparates" mit hauptamtlichen Funktionären zur Verfügung. Um die sowjetischen Abrüstungsinitiativen zu unterstützen, betreibt die DFU z.Z. bundesweit eine Kampagne gegen den Bau des "Jägers 90". Der politische Arbeitsschwerpunkt der DFU Rheinland-Pfalz lag auch im Jahre 1988 wieder in der Unterstützung ihres stellvertretenden Landesvorsitzenden, der 1987 rechtskräftig aus dem Landesdienst als Beamter auf Probe (Lehrer) entlassen wurde. So initiierte sie eine weitreichende Solidaritätskampagne, um die Wiedereinstellung ihres Funktionärs in den Landesdienst zu erreichen. Die DFU - insbesondere der Landesverband Rheinland-Pfalz - unterhält gute Beziehungen zur französischen "Friedensbewegung". Am 16. und 17. Januar 1988 trafen sich in Mainz auf Einladung des "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" (KA) und des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der DFU über 100 Vertreter von "Friedensgruppen" aus der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zu einem "deutsch-französischen Seminar für den Frieden". Mit der Verabschiedung einer "Mainzer Erklärung" wurde von den Teilnehmern die inhaltliche Grundlage geschaffen für eine weitere intensive Zusammenarbeit der deutsch-französischen "Friedensbewegungen" gegen den Aufbau gemeinsamer europäischer Truppenkontingente. So fand u. a. vom 17. bis 19-Juni 1988 in Lutzelhouse/Frankreich ein "deutsch-französisches Se41 minar" unter Beteiligung rheinland-pfälzischer DFU-Funktionäre statt. Darüber hinaus wurde am Ol. Oktober 1988 als Auftakt der sogenannten Herbstaktionen der "Friedensbewegung" und gleichsam als erste gemeinsame deutschfranzösische Großaktion in Böblingen eine Demonstration gegen die Gründung der ersten deutsch-französischen Brigade durchgeführt. Die Mainzer DFU-Landesgeschäftsstelle nahm im Jahre 1988 wiederum erheblichen Einfluß auf die organisatorische Steuerung der zentralen rheinlandpfälzischen "Friedensaktionen". An erster Stelle sind hier die landesweiten "Ostermärsche" zu nennen. 1.3.2 "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (WN-BdA) Die WN-BdA, die der prosowjetischen "Federation Internationale des Resistants" (FIR) und dem sowjetisch gelenkten WFR angeschlossen ist, wurde im März 1947 als "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) in Frankfurt am Main gegründet. Imjahre 1971 gab sie sich den Zusatz "Bund der Antifaschisten" (BdA), um neben ehemaligen Verfolgten auch jüngere "Antifaschisten" zu integrieren. Die WN-BdA zählt heute etwa 14.000 Mitglieder. Die WN-BdA wird unverändert von Kommunisten beherrscht: etwa zwei Drittel der Mitglieder des Bundesvorstandes wie des Präsidiums sind Kommunisten. Der Generalsekretär Kurt ERLEBACH ist Mitglied des DKP-Parteivorstandes. Die WN-BdA ist die wichtigste Vorfeldorganisation der moskauorientierten Kommunisten für die von ihnen betriebene "Antifaschismus-Kampagne", mit der sie sich zum Nahziel gesetzt haben, das Demokratieverständnis des Grundgesetzes auf dessen "antifaschistischen Gehalt" zu reduzieren, den totalitären Kommunismus "hoffähig" zu machen und somit die Verfassung im marxistischleninistischen Sinne umzuwerten ("Semantischer Klassenkampf"). Der W N - BdA ist es in den vergangenen Jahren zunehmend gelungen, "breite Bündnisse" gegen Aktionen rechtsgerichteter Gruppierungen zu initiieren. Der Kampf gegen "Neofaschismus, Revanchismus und Ausländerfeindlichkeit" stand auch imjahre 1988 im Mittelpunkt der politischen Arbeit der W N - BdA. Auf einer "Strategiekonferenz" am 14. Mai 1988 in Frankfurt am Main zum gleichen Thema konstatierte der WN-BdA-Generalsekretär ERLEBACH eine gewachsene Bereitschaft zu "antifaschistischem" Engagement. In der Berichterstattung über die Konferenz hob das DKP-Zentralorgan "Unsere Zeit" vom 17. Mai 1988 hervor: "Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist es gelungen, daß im Eintreten gegen den Neofaschismus sogar solche unterschiedlichen politischen Kräfte wie SPD, Grüne, DKP, die im Wahlkampf konkurrieren, die übergreifende antifaschistische Gemeinsamkeit wahren". 42 Zur Darstellung ihrer "antifaschistischen" Bündnispolitik nutzte die WN-BdA den 55. Jahrestag der "Machtübertragung" (30. Januar 1933). An Kundgebungen, Mahnwachen und Versammlungen, die größtenteils von ihr initiiert worden waren, beteiligten sich bundesweit etwa 20.000 Menschen. Die rheinland-pfälzische Landesvereinigung der WN-BdA zählt etwa 500 Mitglieder. Der Landesvorstand setzt sich zu etwa zwei Dritteln aus Kommunisten zusammen. Auch in Rheinland-Pfalz betrieb die WN-BdA im Jahre 1988 schwerpunktmäßig "antifaschistische" Bündnispolitik. Erfolg hatte sie damit u.a. in Koblenz. So arbeitet dort "unsere Kreisvereinigung mit der Friedensinitiative, den Jusos, den Jungdemokraten, der DKP, den Grünen und mit Pax Christi zusammen"31. "Antifaschistische" Bündnispolitik stand auch im Mittelpunkt eines von der WN-BdA mitveranstalteten Symposiums zum "45. Jahrestag der Bewegung Freies Deutschland" am 15. Oktober 1988 in Mainz. Mit dem Symposium sollte an die 1943 in Paris erfolgte Gründung der kommunistisch gesteuerten "Bewegung Freies Deutschland" erinnert werden, durch deren Wirken-nachAuffassung der WN-BdA-die Basis für Gemeinsamkeiten geschaffen wurde, die heute als"antifaschistischer Grundkonsens" bezeichnet werden. 1.3-3 "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) Das KFAZ wurde im Jahre 1974 während der Vorbereitungsphase der "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) als nationales Friedenskomitee des sowjetisch gesteuerten WFR gegründet. Es blieb auch im Jahre 1988 eines der wichtigsten bündnispolitischen Instrumente des kommunistischen "Friedenskampfes". Das KFAZ verfügt weder über eine Satzung noch über feste organisatorische Strukturen. Sein zentrales Leitungsgremium, das "Büro" in Köln, ist mit führenden Funktionären der DKP und von ihr beeinflußter Organisationen besetzt. Etwa die Hälfte der "Büro"-Mitglieder gehört dem WFR an, darunter auch das DKPPräsidiumsmitglied Martha BUSCHMANN, Vizepräsidentin des WFR, und Achim MASKE, Präsidiumsmitglied des WFR. Mit zahlreichen Publikationen, wie dem "Friedensjournal", sowie mit bemerkenswertem organisatorischen, finanziellen und personellen Einsatz nahm das KFAZ erneut Einfluß auf die Positionen und Aktionsplanungen der "Friedensbewegung". Im Sprecherkreis des bundesweiten "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" (KA) ist das KFAZ durch sein "Büro"-Mitglied Mechthild JANSEN aktiv vertreten. In Rheinland-Pfalz trat im Jahre 1988 die Kaiserslauterer KFAZ-Gruppe durch eigene kleinere Veranstaltungen und anläßlich der Vorbereitung und Durchführung des "Ostermarsches" in Kaiserslautern in Erscheinung. Daneben erstellte sie zahlreiche Flugblätter zu aktuellen Themen, u.a. zum Flugzeugunglück in Ramstein. 31 "antifaschistische rundschau" Nr. 12/Dezember 1988. 43 00 M info demokrolie Argumente * Dokumente * Informationen isvereinisung Koblenz) Oktober 1988 (Für Bntifaschisnus * Für Denokratie * Für soziale ßerechtigkeitj antifaschistische Nr. 12/Dezember 1988 rundschau t.i^x^iÄ Abrüstunesr 3/1988 Mit umfangreichem Dokumentationsteil und Buchbesprechung DFU Deutsche Friedens-Union 1.3.4. "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) Die DFG-VK entstand im Jahre 1974 durch den Zusammenschluß der "Deutschen Friedensgesellschaft - Internationale der Kriegsdienstgegner" (DFGIdK) mit dem "Verband der Kriegsdienstverweigerer" (VK). In der DFG-VK waren auch 1988 entscheidende Positionen mit Kommunisten besetzt. So gehören zu den sieben Personen des Bundessprecherkreises die DKP-Mitglieder Michael GEMS (Bundesgeschäftsführer) und Gregor WITT sowie zwei Mitglieder anderer DKP-beeinflußter Organisationen. In den einzelnen Landesverbänden ist ein unterschiedlicher kommunistischer Einfluß festzustellen. Die DFG-VK hat bundesweit etwa 11.000 Mitglieder, die in 155 Ortsgruppen, neun Landesverbänden und dem Bundesverband organisiert sind. Dem DFGVK-Landesverband Rheinland-Pfalz gehören etwa 300 Personen an. Die Agitationsschwerpunkte der DFG-VK lagen 1988 wiederum in den Bereichen "Friedenspolitik" sowie "Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst". Auch ist sie nach wie vor im "Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung" (KA) vertreten. Vom DFG-VK-Landesverband Rheinland-Pfalz gingen im Jahre 1988 nur geringe Aktivitäten aus; sie beschränkten sich im wesentlichen auf die Beteiligung an den landesweiten "Ostermärschen" und auf die Arbeit im Bereich Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst. Die Mainzer DFG-VK-Gruppe gibt dazu in unregelmäßigen Abständen die Zeitschrift "friedlicht" heraus, mit der sie in ihrem Sinne gezielt und einseitig für den Gedanken der Kriegsdienstverweigerung wirbt. 1.3-5 "Die Friedensliste" "Die Friedensliste" wurde im Jahre 1984 unter maßgeblicher Beteiligung der DKP und der von ihr beeinflußten DFU als Personenund Wahlbündnis gegründet. Etwa die Hälfte der Mitglieder ihres Bundesvorstandes gehört der DKP oder ihren Vorfeldorganisationen an. Die "Friedensliste" befaßte sich 1988 schwerpunktmäßig mit der Frage einer Kandidatur bei der Europawahl (Juni 1989)Um diese Kandidatur unter den Mitgliedern abzusichern, beschloß der Bundesvorstand der "Friedensliste", im April 1988 eine Befragungsaktion an der Basis durchzuführen. Das Ergebnis war negativ. Die 9- Bundesversammlung der "Friedensliste" am 20. November 1988 in Bonn beschloß daraufhin den endgültigen Kandidaturverzicht. Dies bedeute jedoch "keine Aufgabe des Projektes Triedensliste'". Die rheinland-pfälzische "Friedensliste" entwickelte 1988 kaum noch Aktivitäten. Ihre im Jahre 1986 zahlreich entstandenen Unterstützerkreise traten nicht mehr in Erscheinung. 45 2. "Neue Linke" Neben den orthodoxen Kommunisten streben auch die Organisationen und Gruppen der "Neuen Linken" den Umsturz der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung an. Überwiegend gingen die "Neuen Linken" aus der Sozialrevolutionären Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre hervor. Sie lehnen orthodoxe Positionen als "revisionistisch", "bürokratisch" und "sozialimperialistisch" ab. Ihre ideologischen Wurzeln finden sie in den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Trotzki. In der Vergangenheit diente ihnen vor allem China unter Mao Tse Tung als Vorbild. Wie die orthodoxen Kommunisten streben die Marxisten-Leninisten und Trotzkisten über die "Diktatur des Proletariats" eine kommunistische Gesellschaft an. Ein Teil der "Neuen Linken" vertritt anarchistische Ideen. Fast ausnahmslos verzeichnen die Gruppen der "Neuen Linken" einen Rückgang. Einzelne Gruppen versuchen gleichwohl, durch Aktionsbündnisse Einfluß zu gewinnen und zu erhalten. Organisationsübersicht "Neue Linke" / Revolutionär-marxistische Anarchisten Gruppen MLPD "Autonome" BWK KB "Cjewaltfreie Aktionsgruppen" AB "Anarcho-Syndikalisten/ VSP Anarcho-Kommunisten" Trotzkistische Gruppen sonstige anarchistische MG Gruppen (z. B. FLI) Abkürzungen vgl. Abkürzungsverzeichnis 46 2.1 Revolutionär-marxistische Gruppen Zu den revolutionär-marxistischen Gruppen der "Neuen Linken" zählen die marxistisch-leninistischen Parteien und Bünde (K-Gruppen), die trotzkistischen Gruppen und einige andere Organisationen, die aufgrund der marxistischen Ideologie revolutionäre Umwälzungen anstreben. 2.1.1 "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die Mitgliederzahl der 1982 gegründeten MLPD stagniert mit ca. 1.300 Mitgliedern. Sie bekennt sich zu den Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin, insbesondere aber zu Mao Tse Tung, dessen "große proletarische Kulturrevolution" als Klassenkampf im Sozialismus gepriesen wird. Die gegenwärtigen ideologischen Ausrichtungen in China und in der Sowjetunion werden jedoch strikt abgelehnt. Ebenso greift die MLPD heftig die DKP an, der sie Verrat am Marxismus-Leninismus vorwirft. Zu den Höhepunkten des Jahres 1988 zählt die MLPD ihrPfingstjugendtreffen am 21./22. Mai 1988 in Stuttgart mit mehreren tausend Besuchern sowie ihren III. Parteitag vom 17. bis 19. Juni 1988 in Duisburg und die nachfolgende Abschlußveranstaltung am 16. Juli 1988 in Köln. Besonderen Wert legt die MLPD auf die Intensivierung ihrer Kinderund Jugendarbeit durch die "Rotfüchse", den "Arbeiterjugendverband (Marxisten-Leninisten)" (AJV/ML) sowie den "Marxistisch-Leninistischen Schülerund Studentenverband" (MLSV). Die MLPD unterhält Ortsgruppen in Mainz und Ludwigshafen am Rhein. Darüber hinaus trat sie im Jahre 1988 in Kaiserslautern mit Aktionen im Anschluß an die Flugzeugkatastrophe in Ramstein in Erscheinung. 2.1.2 "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) Der BWK, der im Jahre 1980 aus einer Abspaltung vom "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) hervorging, bekennt sich zur "proletarischen Revolution" und zur "Diktatur des Proletariats" im marxistisch-leninistischen 47 Sinne. Erfordert die "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates". Da der BWK selbst personell nicht in der Lage ist, eigene Aktionen durchzuführen, beteiligten sich seine Mitglieder vorwiegend an "antifaschistischen", "antimilitaristischen" und "antiimperialistischen'' Aktionen anderer Organisationen. Einzelne BWK-Mitglieder sind maßgebend im Vorstand der 1979 gegründeten "Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VOLKSFRONT) vertreten32. Im Jahre 1988 führte der BWK seine Vereinigungsgespräche mit der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP) fort. In Rheinland-Pfalz waren keine bedeutenden Aktivitäten des BWK festzustellen. 2.1.3 "Kommunistischer Bund" (KB) Der KB, der schwerpunktmäßig in Hamburg aktiv ist, strebt die "gewaltsame Zerschlagung des Staatsapparates" und seine "Ersetzung durch rätedemokratische Strukturen" an. Einzelne Mitglieder betätigten sich auch im Jahre 1988 wieder als Initiatoren und Organisatoren zahlreicher Aktionsbündnisse, u.a. der "Anti-AKW-Bewegung". Die in Rheinland-Pfalz bestehende Ortsgruppe Trier engagierte sich ebenfalls in diesem Bereich. 2.1.4 "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) Der AB bekämpft vor allem den "wiederbelebten Faschismus". Überwiegend ist der AB in Bayern aktiv. Eine im Jahr 1988 durchgeführte bundesweite Propagandaaktion erfüllte nicht die Erwartungen des AB, seine gesunkene Mitgliederzahl auszugleichen. In Rheinland-Pfalz besteht eine Ortsgruppe des AB in Mainz. Diese Gruppe versucht durch ihre Betriebszeitung "Der rote Niethammer", mit gewerkschaftlichen Themen Anhänger bei den Belegschaften der Metallbetriebe zu gewinnen. 2.1.5 "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) Die am 4./5. Oktober 1986 aus dem Zusammenschluß der "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Lenisten)" (KPD) und der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) entstandene VSP hat sich zur Aufgabe gesetzt, die "Arbeitervorhut für die sozialistische Umwälzung der Gesellschaft zu gewinnen" und einen Beitrag "zur Schaffung einer revolutionären, 32 Die Gründung der Volksfront geht auf die "Kommunistische Partei Deutschlands (MarxistenLeninisten)" (KPD) zurück, die sich 1986 selbst aufgelöst hat. 48 Angola: Ende des Krieges? ARBEITERKAMPF /ZEITUNG DES KOMMUNISTISCHEN BUNDES MApyiRTiSCHE GRUPPE (MG) WftfciC 1Ö.4.8K: M L ! 4 J 0 - 1 8 ^ 0 h, Sa. 11.00 -13.00 h Marxistische Arbeiter Zeitung SOZ Thema: Zu i Die ,.ZK-Thesen" vom 23. Mai sind in vollem UmSpalten der , lang über die deutsche Ausgabe der "Prawda" zuKPdSU-Pana gängiich, die es inzwischen für täglich 3,50 Mark viele, wie we gibt. Die "Perestroika" geht weiter, wird in den gleich mit d( as vom gime gep gegen die ten würde einei werkschaft! ichei gleichkommen. ren. Das Verbot litischer Außen bot, finanzielle aus dem Au st; men. das Vcrt sten au Zustelle! Sympathiestreik ren, das Vertwt eherboykous ai Hafibarmachunj sozialistischen Massenpartei" zu leisten. Auch im Jahre 1988 war die VSP überwiegend mit parteiinternen Themen beschäftigt. Die Frage der internationalen Anbindung an die IV. Internationale, analog der trotzkistischen Gründerorganisation GIM, wurde leidenschaftlich, jedoch ohne konkretes Ergebnis diskutiert. Durch Fusionsgespräche mit anderen Gruppierungen, zum Beispiel dem BWK, bemüht sich die VSP, einem Mitgliederrückgang entgegenzuwirken. 1988 zählte sie nur noch ca. 450 Mitglieder33. Die VSP ist in Mainz und Ludwigshafen am Rhein mit j e einer Ortsgruppe aktiv. In Ludwigshafen am Rhein verfügt sie für den Bezirk Rhein-Neckar über eine zusätzliche Anlaufstelle. Auch die ehemalige GIM-Schulungsstätte in Thalhausen (Kreis Neuwied) wird von der VSP weiterhin benutzt. 2.1.6 Trotzkistische Gruppen Die trotzkistischen Gruppen fordern im Gegensatz zu den K-Gruppen die "permanente Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" durch ein "Rätesystem". Sie sind bundesweit jedoch nahezu bedeutungslos. In Rheinland-Pfalz besteht eine Ortsgruppe der trotzkistischen "Sozialistischen Arbeitergruppe" (SAG) in Ludwigshafen am Rhein. Ihre Aktivitäten beschränken sich in erster Linie auf Schulungen der Mitglieder. 2.1.7 "Marxistische Gruppe" (MG) Die MG nimmt innerhalb des Linksextremismus mit ihrer Organisationsstruktur, der Zusammensetzung ihres Mitgliederbestandes und ihren rein nihilistischen politischen Aussagen eine Sonderstellung ein. Neben ihren ca. 3000 Mitgliedern kann sie sich auch auf einige tausend Teilnehmer an Schulungsveranstaltungen stützen. Die MG ist anarchistisch ausgerichtet, argumentiert marxistisch, organisiert sich nach leninistischem Prinzip, verhält sich wie ein politischer Geheimbund und weist Merkmals einer Sekte auf34. Auch im Jahre 1988 hat die MG nichts von ihrer Anziehungskraft auf junge Menschen verloren. Ihre Anhängerschaft setzt sich überwiegend aus Studenten, Akademikern und Schülern zusammen. Publikationen, wie beispielsweise die "MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit", die "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ), die "Marxistische Hochschulzeitung", die "Marxistische Schulzeitung", werden in großer Auflage hergestellt und vertrieben. 33 Im Jahre 1987 hatte die VSP ca. 500 Mitglieder. 34 Großes Interesse der Öffentlichkeit rief eine Reportage über die MG im Bayerischen Rundfunk, Fernsehen Bayern 3, am 22. Juni 1988 hervor. Das Thema wurde anschließend auch von der Presse aufgegriffen. =>() Rheinland-Pfalz liegt im Einflußbereich der MG-Zentren des Rhein-NeckarRaumes sowie des Rhein-Main-Gebietes. Durch Aktionen, wie Büchertische und Verteilen von Informationsmaterial an den Universitäten des Landes, versucht die MG, Anhänger zu gewinnen. 2.2 Anarchisten Die Anarchisten bilden innerhalb der "Neuen Linken" einen uneinheitlichen - mitunter diffus wirkenden - Teil des linksextremistischen Spektrums. Charakteristisch für den Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland sind seine drei wesentlichen Strömungen: - "Autonome" - "Gewaltfreie Aktionsgruppen" -"Anarcho-Syndikalisten/Anarcho-Kommunisten". Daneben besteht eine Anzahl kleinerer Gruppen und Zusammenschlüsse, die oftmals im Sinne ihres Eigenverständnisses unorganisiert sind und nach außen kaum in Erscheinung treten. Man kann sie grob umrissen unter der Bezeichnung "Theoriegruppen" zusammenfassen. Ziel der Anarchisten ist die revolutionäre Abschaffung jeglicher Form von Herrschaft. Dies bedeutet die Beseitigung von Staat, Parlamentarismus und aller dahin orientierter Institutionen. An deren Stelle soll eine "befreite Gesellschaft" treten, die sich ohne staatliche Funktionen "selbst organisiert". Während in der Zielsetzung weitgehend Einigkeit unter den Anarchisten herrscht, gibt es hinsichtlich der Gestaltung des revolutionären Weges dorthin und in der Frage, inwieweit es dazu einer Organisierung bedarf, teils erhebliche Unterschiede. Zum einen orientiert man sich an Modellen des traditionellen Anarchismus. Andererseits sind weite Teile bemüht, nach neuen Formen des Anarchismus zu suchen und diese zu formulieren und umzusetzen. Darüber hinaus ist aber auch bei vielen ein Hang zum Nihilismus erkennbar, wobei eine persönliche Haltung extremer AntiStaatlichkeit ohne erkennbares ideologisches Konzept zum Ausdruck kommt. 2.2.1 "Autonome" Zu Beginn der achtziger Jahre entstand eine militante Protestbewegung, die mittlerweile mehrere tausend Aktivisten und Sympathisanten umfaßt. Als Bezeichnung für diesen Personenkreis dient der Begriff "Autonome" (sinngemäß "nach eigenen Gesetzen lebend"). Die eigene Person und deren uneingeschränkte Selbstverwirklichung steht für die "Autonomen" im Mittelpunkt ihres Handelns. Da der Staat nach ihrer Ansicht dem im Wege steht, sollen er und seine Institutionen "zerschlagen" werden. Aus diesem Verständnis lehnen "Autonome" Führungsstrukturen ab und beschränken sich in ihrer Organisierung weitgehend auf eine interne Informationsvernetzung. Auch innerhalb der einzelnen Gruppen werden Struk51 turen vermieden. Es sind meist lose Zusammenschlüsse auf der Basis persönlichen Vertrauens. In Rheinland-Pfalz gibt es solche Gruppen in mehreren Städten, wie in Mainz, Trier und Worms. Der ideologische Hintergrund der "Autonomen" ist vielfältig und in weiten Teilen nur unklar definiert. So grenzen sie sich zwar von Ideologien wie dem Marxismus ab, weil dieser nicht zur sofortigen Abschaffung des Staates beiträgt. Andererseits scheuen sie sich aber vor Anleihen nicht zurück, beispielsweise in der Haltung der Marxisten gegenüber dem "kapitalistischen System". Auch der Anarchismus traditioneller Prägung findet bei den "Autonomen" wenig Beachtung. Sie orientieren sich vielmehr an dem Gebrauch teils vage formulierter anarchistischer Vorstellungen und Ziele. Letztlich gibt es auch "Autonome", die jeder theoretischen Diskussion aus dem Wege gehen und aus einem unbestimmten Gefühl ("feeling") heraus handeln. Ein wesentliches Kriterium "autonomer" Politik ist die umfassende Militanz. Der "militante Alltag", eine Militanz, die alle Lebensbereiche einschließt, sorgt für eine Abgrenzung zum "Reformerspektrum" der gemäßigten Kräfte und gewährleistet den Aufbau einer "Gegenmacht" zur Bekämpfung des staatlichen Gewaltmonopols. Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Personen, ist bei vielen "Autonomen" kein Tabu, sondern findet regelmäßig und teils massiv Anwendung: "Eine revolutionäre Perspektive schließt immer Gewalt mit ein ... Revolutionäre Moral heißt, daß in den gewählten Mitteln ... immer das Ziel der sozialen Befreiung sichtbar ist"35. Ihre Militanz orientieren die "Autonomen" an aktuellen Themenbereichen, wie der Diskussion um Hochtechnologien, an sozialen Mißständen hier und in der "Dritten Welt" und an Umweltproblemen. Um "Gegenmacht" und "Gegenkultur" zu verwirklichen, ist es für die "Autonomen" von besonderer Bedeutung, "Freiräume" zu schaffen. Diese "Freiräume" werden unter weitreichendem Ausschluß staatlicher Zugriffsmöglichkeit zu Aktivitäten in ihrem Sinne genutzt. Das Beispiel "Hafenstraße" in Hamburg verdeutlicht dies in besonderer Weise. Die Schüsse an der Startbahn-West am 2. November 1987 wirkten im Jahre 1988 in der "autonomen" Szene nach. Zuerst lösten sie eine starke Verunsicherung aus. Anfängliche Sprachlosigkeit und vorsichtige Distanzierungen von der Tat wichen aber bald Erklärungen, die zum Ausdruck brachten, daß ausschließlich der Zeitpunkt und die Durchführungsart der Tat aus rein taktischen Erwägungen nicht gebilligt werden. Andererseits wurde vielfach betont, daß es in einer "revolutionären Situation" durchaus zur Tötung von Menschen kommen könne: " . . . Das bedeutet gleichzeitig, zu sagen, daß es Tote geben wird und muß . . ., und daß es eine Frage von Situation und Zeitpunkt ist"36. 35 Flugblatt aus der "autonomen" Szene Berlin, 1988. 36 Flugblatt aus der "autonomen" Szene 1987/1988. 52 Neben der Tat selbst wurde besonders der innere Zustand der Szene diskutiert. Aussagen von Gesinnungsgenossen vor der Polizei legten Schwachstellen - insbesondere die Strukturlosigkeit - bloß und sorgten für interne Kontroversen und auch Anfeindungen. Eine "Verräterdiskussion" bestimmte lange Zeit das Bild der "Autonomen". Die "Autonomen" konnten ihre Situation durch die Planung und Durchführung von Aktionen gegen den Kongreß des IWF und der Weltbank in Berlin im September 1988 stabilisieren. Bereits lange im Vorfeld der eigentlichen "Aktionstage" gab es umfangreiche Vorbereitungen mit Planungstreffen, an denen sich auch "Autonome" aus Rheinland-Pfalz beteiligten. Diese Zusammenkünfte und die darauf folgenden Aktionen boten auch Möglichkeiten für eine erneute punktuelle Zusammenarbeit mit dem terroristischen Umfeld. Vom 26. bis 29. 9-1988 führten "Autonome" unter bundesweiter Beteiligung in Berlin "Aktionstage" gegen den IWF/WB-Kongreß durch, in deren Verlauf es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen kam. Parallel dazu wurden im gesamten Bundesgebiet Anti-IWF-Veranstaltungen und -Aktionen durchgeführt. In Mainz wurden in der Nacht zum 23. 9-1988 bei drei Banken die Türschlösser verklebt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben wird auf den Internationalen Währungsfond hingewiesen. In Neustadt an der Weinstraße wurde in der Nacht zum 26. September 1988 eine Schmieraktion mit IWF-Bezug durchgeführt. Die in Berlin von den "Autonomen" durchgeführten Aktionen werden von der Szene als Erfolg geweitet. Ihnen wird auch eine Bedeutung für künftiges Handeln beigemessen: "Die Vielfältigkeit dieser Aktionen setzte treffend die radikalen Inhalte gegen IWF und WB um, und sie machten Mut... .. .Wir haben das Gefühl, daß die Aktionstage... einen offensiven Schritt für eine gemeinsame antiimperialistische, antipatriarchale Perspektive und konkrete Angriffsziele bedeuten ,.."37. 2.2.2 "Gewaltfreie Aktionsgruppen" Bundesweit firmieren unter der Bezeichnung "Graswurzelbewegung" seit Beginn der siebziger Jahre sogenannte Gewaltfreie Aktionsgruppen. Sie setzen sich für eine "tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung" ein, in der durch "Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen" - der "Graswurzelrevolution". Um dieses Ziel zu erreichen, bedienen sich die Angehörigen der "Graswurzelbewegung" "direkter gewaltfreier Aktionen". Diese umfassen "massenhaften zivilen Ungehorsam", wie Mißachtung von Gesetzen und Verweigerunghandlungen, aber auch Sabotagehandlungen in Form von Gewalt gegen Sachen. Mehrheitlich sind die "Gewaltfreien Aktionsgruppen" bundesweit in der "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FöGA) organisiert, die als 37 Aus "radikal" Nr. 135, Oktober 1988. 53 ISOLATiONSHAFT LTER HiSTiSCHERl direkte aktion W A S W I L L D I E F A U - I A A ARBEITSGRUNDLAGE 1 gras Indische Frauen gegen Weltbank Kriegsdienstverweigerung transnational S. 18-19 revolDtioi Für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft Nr. 125 Juni 19S" Koordinationsgremium fungiert. Den in den vergangenen Jahren anhaltenden Strukturund Personalproblemen versuchte man im Jahre 1988 mit einem FöGA-Sonderbundestreffen (10./11. 9. in Köln) zu begegnen. So wurde bei dem Treffen eine Straffung der FöGA-Strukturen beschlossen, die die Stagnation in der Bewegung beseitigen soll. Aus Rheinland-Pfalz wurde im Jahre 1988 im Kontaktadressenteil der FöGA-Publikation "Graswurzelrevolution" eine Gruppe in Mainz genannt. 2.2.3 "Anarcho-Syndikalisten/Anarcho-Kommunisten" Als Sozialrevolutionäre Strömung der Arbeiter in den Betrieben bekämpfen "Anarcho-Syndikalisten" den "westlichen Kapitalismus" wie auch den "Staatskapitalismus" östlicher Prägung. Eine militante Gewerkschaftsbewegung soll dabei durch "direkte Aktionen", wie Fabrikbesetzungen, Streiks, Boykotts oder Sabotage, den Weg zu einer "herrschaftslosen, ausbeutungsfreien und auf Selbstverwaltung begründeten Gesellschaft" ebnen. AntiStaatlichkeit und Antiparlamentarismus gehören zu den Prinzipien der "Anarcho-Syndikalisten". Mit ca. 20 Ortsgruppen ist die "Freie Arbeiterinnen-Union" (FAU) führende Kraft unter den "Anarcho-Syndikalisten" in der Bundesrepublik. "Internationalistisch" ausgerichtet, fühlt sie sich den Statuten der anarcho-syndikalistischen "Internationalen Arbeiter Assoziation" (I.A.A.) verpflichtet. Die I.A.A. verlegte im Jahre 1988 den Sitz ihres Sekretariats, das die "I.A.A.-Sektionen" koordiniert, für vier Jahre nach Köln. Vom 21. bis 23. Mai 1988 führte die FAU in Rüsselsheim einen "Pfingstkongreß" durch. Hieran beteiligte sich auch die FAU-Ortsgruppe aus Mainz. "Anarcho-Kommunisten" stimmen mit den "Anarcho-Syndikalisten" in der Zielsetzung, nämlich der "Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates", überein. Dabei wenden sie sich aber gegen den Anspruch, daß die revolutionäre Umwälzung allein von den Betrieben ausgehen soll. Sie bedienen sich eines ideologischen Hintergrundes, in dem anarchistische Denker wie Bakunin 38 und kommunistische Theoretiker wie Marx zum Tragen kommen. Bei der Wahl ihrer Mittel gehen anarcho-kommunistische Gruppen bis zum Einsatz terroristischer Gewalt. So propagiert die "Proletarische Aktion" (PA) die "Strategie und Taktik des Guerillakampfes". Im Jahre 1988 sind in RheinlandPfalz keine Bestrebungen von "Anarcho-Kommunisten" bekanntgeworden. 2.2.4 "Forum für Libertäre Information" (FU) Bei dem FLI handelt es sich um eine rein anarchistische Theoriegruppe mit Kontaktadressen in mehreren Bundesländern. Sie tritt als Herausgeber der anarchistischen Vierteljahresschrift "Schwarzer Faden" auf. Das FLI will langfristig eine "politisch arbeitende Föderation" schaffen. Hierzu will man "Anarchisten aus unterschiedlichen Bereichen ..." zusammenbringen. Für Rheinland-Pfalz besteht eine Anschrift in Morbach-Merscheid als Kontaktadresse des FLI. Michail Bakunin (1814-1876), russischer Anarchist. 55 3. Linksextremistischer Terrorismus Die Bedrohung durch den linksextremistischen Terrorismus hält unvermindert an. Die "Rote Armee Fraktion" (RAF) hat im Jahre 1988 mit einem versuchten Mordanschlag eine fast zweijährige "Ruhepause" beendet. Die "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihre autonome Frauengruppe "Rote Zora" wurden offensichtlich durch die gegen sie durchgeführten polizeilichen Maßnahmen im Dezember 1987 stark geschwächt und blieben daher 1988 weitgehend inaktiv. Militante linksextremistische Kleingruppen und Einzeltäter aus dem weiteren terroristischen Spektrum haben durch eine Vielzahl von Brandund Sprengstoffanschlägen sowie Sachbeschädigungen erneut unterstrichen, daß sie nach wie vor eine ernste Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Organisationsübersicht linksextremistischer Terrorismus "Rote Armee Fraktion" (RAF) "Revolutionäre Zellen" Kommandobereich (RZ) sonstige "Militante" terroristische Gruppen Frauengruppe "Rote Zora" engeres weiteres Umfeld Umfeld 3.1 "Rote Armee Fraktion" (RAF) 3-1.1 Kommandobereich der RAF Der im Untergrund lebende Kommandobereich der "Roten Armee Fraktion" (RAF) besteht nach wie vor aus 15 bis 20 Mitgliedern. Am 20. September 1988 hat er mit dem versuchten Mordanschlag auf den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Dr. Hans Tietmeyer, seine seit dem 10. Oktober 1986 (Mord 56 an dem Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt, Dr. Gerold von Braunmühl) unterbrochenen kriminellen Aktivitäten fortgesetzt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben des RAF-Kommandos "Khaled-Aker" wurde die Aktion u.a. in einen Zusammenhang mit der vom 27. bis 29. September 1988 in Berlin stattfindenden Jahrestagung des "Internationalen Währungsfonds und der Weltbank" gebracht. Die Tat wurde u.a. mit der Funktion von Dr. Tietmeyer als "Delegierter bei IWF und Weltbank" und der "Mitverantwortung für Völkermord und Massenelend in der Dritten Welt" sowie für die "Ausbeutung, Verelendung und Unterdrückung in Westeuropa" begründet. Am 21. Septemer 1988 ließ die RAF in einer zweiten Erklärung verlauten, es sei beabsichtigt gewesen, Dr. Tietmeyer zu erschießen, was jedoch wegen eines Defekts der eingesetzten Maschinenpistole mißglückt sei. Dem Selbstbezichtigungsschreiben vom 20. September 1988 war ein gemeinsames Kommunique der RAF und der italienischen Terrorgruppe "Brigate Rosse-Partito Combattente Communista" (BR-PCC) beigefügt. In dem Papier werden die Funktionen und der Aufbau der "antiimperialistischen Front in Westeuropa" erläutert. Die Autoren betonen, daß es nicht um einen organisatorischen Zusammenschluß von RAF und BR-PCC gehe, sondern um den "Aufbau der Einheit der revolutionären Kräfte durch die Entwicklung einer gemeinsamen Angriffslinie". Als Ziel der Zusammenarbeit zwischen beiden Gruppierungen wird eine gemeinsame Offensive gegen "die Formierung der westeuropäischen Wirtschaftsund Geldpolitiken" sowie "die Politiken der westeuropäischen Formierung, die auf die Stärkung der imperialistischen Positionen zielen", angegeben. Die gemeinsame Erklärung von RAF und BR-PCC läßt erkennen, daß es der RAF offenbar gelungen ist, nach dem Verlust des französischen Partners "Action Directe" (AD), in Italien einen neuen Bündnispartner für die angestrebte "Front" zu gewinnen. Aufgrund der erkennbaren Parallelen zur "gemeinsamen Offensive" von RAF und AD könnte das Zusammengehen von RAF und BR-PCC den Beginn weiterer schwerer Straftaten sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Italien darstellen. 3.1.2 "Militante der RAF" ("Kämpfende Einheiten") Die "Militanten", die als "zweite kämpfende Ebene" in der RAF fungieren, haben sich der neuen Offensive des Kommandobereichs noch nicht angeschlossen, was nach den Erfahrungen der koordinierten Anschlagsaktionen 1986 hätte erwartet werden können. Im Jahre 1988 wurden in Düsseldorf Unterlagen von mutmaßlichen "Militanten" aufgefunden. Hieraus ergibt sich, daß die "Militanten" sich im Jahre 1987 zwar in einer "defensiven" Phase befunden haben, jedoch nach wie vor die eigenen Strukturen verbessern und 57 heute haben wir mit dem kommando khaled oker den Staatssekretär 1m f1nanzm1n1sterium, hans tietmeyer, angegriffen. tietmeyer I s t Stratege und einer der hauptakteure im internationalen krisenmanagement, der auf nationaler, europäischer und internationaler ebene die Ökonomische krlse des imperialistischen Systems beherrschbar machen und den Zusammenbruch des wlrtschaftsund finanzsystems verhindern will. er hat zentrale funktionen in der formulierung, koordinierung und durchsetzung imperialistischer Wirtschaftspolitik - es gab i n den letzten Jahren keine wichtigen wirtschafteoder währungspolitischen entscheidungen, an denen er nicht maßgeblich b e t e i l i g t war. er i s t verantwortlich für Völkermord und massenelend in der 3.weit. als delegierter bei iwf und Weltbank, g5~ und g 7 - t r e f f e n , weltwirtschafts- g i p f e l n (die er s e i t 1982 als beauftragter der regierung vorbereitet h a t } . . entwickelt und f o r c i e r t er die imperialistische p o l i t i k der Vernichtung durch hunger und counterinsurgency gegen die Völker in den abhängigen 1 ändern im sÜden - eine p o l i t i k , die für die mehrheit der menschen tod oder elend bedeutet, um dem internationalen kapital p r o f i t und macht zu sichern. er i s t verantwortlich für die Verschärfung von ausbeutung, Verelendung und Unterdrückung in Westeuropa. i n verschiedenen eg-gremien, auf b i l a t e r a l e r {wie im deutsch-französischen w l r t s c h a f t s - und finanzrat) und auf nationaler ebene hat er quer durch Westeuropa die bedingungen für die aggressive restrukturierung des kapitals und die expansion der transnationalen banken und konzerne, durchgesetzt - was verschärfte ausbeutung bzw. die Zerstörung der exisPS millionen menschen heißt - vor allem in den ärmerejj und in i r l a n d . imperialistisches krisenmana des elends und der verrr' 3.weit, es i st dePS. gleichgewich' gegen d r zu erschiessen nicht der zuerst gezielt den wagen zum stehn zu bringen, sich verklemmt hat. in diesem ment waren zwe i vom kommando schon aus i hrer deckung raus mussten deshalb versuchen den wagen doch noch mit nur einer ' puni zu stoppen - was aber gesche i tert ist. rote armee fraktion 21.9.1988 auf eine neue Offensive hinarbeiten wollen. Diese Aussagen sind ebenfalls enthalten in der von "Militanten" herausgegebenen Publikation "Zusammen Kämpfen", die mit der Ausgabe Nr. 10 im März 1988 erschienen ist. 3.1.3 Umfeld der RAF Die das Gewaltkonzept der RAF bejahenden Unterstützergruppen werden aufgrund der jeweiligen Nähe zum Kommandobereich in ein engeres und ein weiteres Umfeld unterteilt. Dem engeren RAF-Umfeld sind etwa 250 Personen zuzurechnen. Zu den wichtigsten Aufgaben des RAF-Umfeldes zählen die Betreuung von inhaftierten terroristischen Gewalttätern und Unterstützern sowie die Öffentlichkeitsarbeit für die RAF. Eine wesentliche Funktion der Häftlingsbetreuung liegt in der Gewährleistung des Informationsausstausches zwischen den Häftlingen und dem im Untergrund lebenden Kommandobereich. Außerdem leisten Angehörige des RAF-Umfeldes logistische Unterstützungsarbeit, etwa durch Ausspähen von Angriffszielen, und werden so in die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Aktionen eingebunden. Herausragende Aktionsbereiche des RAF-Umfeldes waren im Jahre 1988 die Beteiligung an der linksextremistischen Kampagne gegen die Jahresversammlungen des IWF und der Weltbank vom 27. bis 29September 1988 in Berlin, die Fortführung der "Zusammenlegungskampagne" und die "Palästina-Solidaritätskampagne". Das vom RAF-Umfeld angestrebte Ziel, alle "antiimperialistischen Kräfte" in einer "antiimperialistischen Front" zu sammeln, ist auch 1988 nicht erreicht worden. Durch gemeinsame Aktionen von Angehörigen des RAF-Umfeldes mit "militanten Autonomen" ist jedoch eine weitere Annäherung gelungen. Dies zeigte sich in mehreren Veranstaltungen, u.a. bei den "Hafenstraßen-Aktionstagen" vom 27. Dezember 1987 bis 2. Januar 1988 in Hamburg, bei zahlreichen Vorbereitungstreffen im Rahmen der "Anti-IWF-Kampagne" sowie bei "Palästina-Solidaritätsveranstaltungen" im gesamten Bundesgebiet. Im Jahre 1988 wurden vom RAF-Umfeld sechs Brandanschläge und ein Sprengstoffanschlag verübt. Im Vorjahr (1987) waren keine Straftaten festgestellt worden. In Rheinland-Pfalz sind Teile des Umfeldes der RAF vorwiegend in den Großräumen Mainz und Kaiserslautern aktiv. In Mainz wurden mehrere gemeinsame Veranstaltungen von Angehörigen des RAF-Umfeldes mit Personen aus dem "autonomen" Spektrum durchgeführt, so u.a. anläßlich der "Anti-IWFKampagne" sowie der "Palästina-Solidaritätskampagne" mit Schwerpunkt im Dezember 1988. 59 Flugschriften und Schmieraktionen, die eine allgemeine Solidarität mit der RAF bekundeten, wurden u.a. in Kaiserslautern und Mainz festgestellt. 3.2 "Revolutionäre Zellen" (RZ) Die "Revolutionären Zellen" (RZ) und ihre autonome Frauengruppe "Rote Zora" haben 1988 einen Sprengstoffanschlag und fünf Brandanschläge verübt; im Vorjahr dagegen waren sie für fünf Sprengstoffund siebzehn Brandanschläge sowie eine schwere Körperverletzung verantwortlich. Der im Jahre 1988 festzustellende Rückgang der Aktivitäten dürfte auf polizeiliche Maßnahmen, die im Dezember 1987 in mehreren Städten im Ruhrgebiet, in Hamburg und Hannover durchgeführt wurden, zurückzuführen sein. Im Rahmen der Polizeiaktionen wurde gegen sechs mutmaßliche RZ-Mitglieder Haftbefehl erlassen; vier Personen konnten sich der Festnahme durch Flucht entziehen. Bemerkenswert ist, daß am 24. Augustl988 eine 48seitige Broschüre "Praktische Tips-Rote Zora" auftauchte, die von Mainz aus verbreitet wurde. Diese Tatsache belegt die weitere Handlungsfähigkeit der "RZ/Rote Zora". Die Schrift enthält u.a. Anleitungen zum Bau von Zeitzündern und Brandsätzen, zum Zerstören von Schlössern und Alarmanlagen sowie allgemeine konspirative Verhaltensregel n. Angesichts der derzeit im linksextremistischen Spektrum diskutierten Themen, wie Flüchtlingsund Asylantenproblematik, Biound Gen-Technologie, Ausbeutung der Frauen in der "Dritten Welt", die auch nachhaltig von den RZ aufgegriffen werden, muß nach einer Konsolidierungsphase wieder verstärkt mit RZ-Anschlägen gerechnet werden. 3.3 Sonstige terroristische Aktivitäten Im Jahre 1988 ging die Zahl der Brandund Sprengstoffanschläge unbekannter Gruppen und Einzeltäter aus dem Bereich des weiteren terroristischen Spektrums im Vergleich zum Vorjahr (1987:155) auf 128 zurück. Sie standen in einem Motivzusammenhang u.a. mit der Kernenergie, den Hausbesetzungen in der Hamburger Hafenstraße, sowie der "Anti-IWF-Kampagne". Das weitere terroristische Umfeld war ferner für 33 Eingriffe in den Bahnverkehr und 28 Anschläge auf Einrichtungen der Energiewirtschaft verantwortlich. Außerdem wurden von der genannten Szene noch zahlreiche Sachbeschädigungen verübt. Rheinland-Pfalz war von zwei Sachbeschädigungen betroffen. Am 22./23. September 1988 wurden - wie bereits erwähnt - an Mainzer Bankfilialen Türschlösser verklebt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben, in dem die Aktion mit der "IWF-Tagung" in Verbindung gebracht wurde, übernahm ein "Kommando Uhu" die Verantwortung. Am 21. Dezember 1988 wurde in ein Fenster der Deutschen Bank in Speyer ein Pflasterstein geworfen. In einem hierzu ergangenen Selbstbezichtigungsschreiben vom 22. Dezember 1988, das mit "Re60 volutionäre Front RAF" unterzeichnet war, begründete ein "Kommando Norbert Kubat"39 die Tat u.a. mit den Geschäftsverbindungen der Deutschen Bank zu Südafrika und ihrer Rolle bei IWF/Weltbank. IN VPSVNP1THT ^UT= >PSN ^ R WU1?>E 6 . ^ FILIALEN >Eft u"> [ßrtMEKZKarX IM MAINZ i "j>ltlt "*.-.. rtc'llgi rollt b.i lit/i*llhaak 5H30T16-RT. 1 lit "cHlgtt b"t"4t"ll ttl In *tub.ntaBj >IE EXUMVe HIEWuR 5INt7 VötflOEM * trttiont durc* dl. tuplulutldi hamcHBft IM ?EN E-W&EN l/ETKTLECHTUNE, DIESER l^F"TITUTl[>WPSN Mir>PS^l l ^ f UNf> Jffc WEuTSflNK [JNP5EINE-X MENSrHEWfPS>REVOLUTIONÄRE M1NTE-RLÄ5ST. FR0NT R^L &MWfiN><> UHU * Bei Norbert Kubat handelt es sich um einen wegen Landfriedensbruch in der Justizvollzugsanstalt Berlin - Moabit inhaftierten Angehörigen der "autonomen" Szene, der am 26. Mai 1987 in seiner Zelle verstarb. 61 B. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus verfügt im Gegensatz zum Linksextremismus, insbesondere zum dogmatischen Marxismus-Leninismus, über kein geschlossenes theoretisches System. Seine Ideologie stützt sich auf eine Reihe geistiger und politischer Bewegungen unterschiedlicher Art, von denen nicht jede für sich bereits rechtsextremistische Züge tragen muß. Dazu gehören u.a. der Nationalismus, die absolute Staatstheorie, der Militarismus, der Sozialdarwinismus, die Mythen vom "universellen Reich" und von der "Volksgemeinschaft", die deutsche idealistische Philosophie sowie die Zivilisationskritik und der Kulturpessimismus. Der Rechtsextremismus wird durch drei Grundelemente, - den Totahtarismus, - den Nationalismus und - den völkischen Kollektivismus, bestimmt. Totalitarismus ist die Ersetzung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch eine totalitäre Staatsform. Der Staat beansprucht alle Macht und Autorität für sich. Die Gewaltenteilung wird aufgehoben. Die Freiheitsrechte des Individuums werden erheblich eingeschränkt. Der Staat wird meist durch einen Führer, gelegentlich durch eine sogenannte Elite geleitet (Führer-Gefolgschafts-Prinzip). Ein Rechtsextremist ist autoritätsgläubig und vom Obrigkeitsstaat überzeugt. Die Demokratie hält er für eine artfremde, korrupte und dekadente Regierungsform. Er wünscht sich die Wiederherstellung einfacher, überschaubarer hierarchischer Verhältnisse. Auf Kosten der Freiheit wird die Ordnung unangemessen überbewertet. Der soldatischen Erziehung und Tradition mißt ein Rechtsextremist einen unverhältnismäßig hohen Stellenwert bei. Er neigt dazu, das militärische Prinzip vom Befehl und Gehorsam auf den zivilen Bereich zu übertragen. Nationalismus 40 bedeutet die den Gedanken der Völkerverständigung mißachtende Überbewertung der eigenen nationalen Interessen zu Lasten anderer Nationen. Er ist oft mit völkischem41, also rassistischem42 und insbesondere antisemitischem Gedankengut durchsetzt. "Schicksalsgemeinschaft" sowie "Blut und Boden" sind bezeichnende Schlagworte. Im Sozialdarwinismus sucht der Nationalismus seine Rechtfertigung. Nach dem Prinzip "Das Recht des Stärke40 Nationalistisch; mit übersteigertem Nationalgefühl; national: a) die Nation (Gemeinschaft nach Abstammung, Sprache, Kultur und Geschichte) betreffend. b) vaterländisch, patriotisch. 41 Die Volksgemeinschaft überbetonend. 42 Biologische bzw. blutmäßige Übereinstimmung überbetonend. 62 ren geht vor" darf die höherwertige und stärkere Nation die anderen beherrschen. Wertigkeit und Stärke einer Nation bestimmen sich nach dem Durchsetzungsvermögen . Aus dem Nationalismus folgt eine betont feindselige Haltung gegenüber dem Ausland und den Ausländern. Die Abneigung richtet sich vor allem gegen die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die beschuldigt werden, Deutschland zu unterdrücken und auszubeuten, sowie gegen die ausländischen Arbeitnehmer, in denen eine Gefahr für die eigene nationale Identität gesehen wird. Völkischer Kollektivismus umfaßt die Überbewertung der Belange einer rassistisch verstandenen "Volksgemeinschaft" zum Nachteil der Rechte und Interessen des Individuums. Die Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft sollen durch die uneingeschränkte Einbindung in die "Volksgemeinschaft" aufgehoben werden. "Der Einzelne ist nichts, die Gemeinschaft (das Volk) ist alles" lautet der Leitspruch. Der Rechtsextremismus ist eine ständige Herausforderung unserer demokratischen Gesellschaft und wegen seiner vielfachen Anknüpfung an den Nationalsozialismus geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu schädigen. Zwar stellt er nach wie vor keine ernstliche Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Rechtsstaat dar, er gefährdet jedoch durch seine militanten Anhänger, deren Verhalten von Fanatismus, Unberechenbarkeit und Irrationalität bestimmt wird, die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Im Jahre 1988 nahm die rechtsextremistische Anhängerschaft, die sich bereits im Jahre 1987 gegenüber den vergangenen drei Jahren von ca. 22.100 auf ca. 25-200 Gesinnungsgenossen vergrößert hatte, bundesweit erneut um ca. 3-100 auf ca. 28.300 Anhänger zu. Diese sind in 71 Gruppierungen organisiert43. Der beachtliche Mitgliederzuwachs geht hauptsächlich auf die erst im Jahre 1987 gegründete "national-freiheitliche" Partei "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY zurück. In Rheinland-Pfalz erhöhte sich der Mitgliederbestand der rechtsextremistischen Organisationen gegenüber dem Jahre 1987 um ca. 200 auf etwa 2.000. Auch im Jahre 1988 kam es in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Rechtsund Linksextremisten zu Auseinandersetzungen, bei denen zum Teil auch Gewalt angewandt wurde. Überwiegend gingen sie von den Linksextremisten aus, die sie als ein Element ihres "Kampfes gegen den Faschismus" ("Antifaschismuskampagne") ansehen. Die Angriffe und Anschläge richteten sich nicht nur gegen die politischen Gegner, sondern auch gegen ihre Versammlungslokale, Verlage, Druckereien und Buchhandlungen. In RheinlandPfalz beschränkten sich die Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund 1987: 69 Organisationen. 63 Linksextremisten auf sporadische Flugblattaktionen, Demonstrationen und Schmierereien. Mit einer weiteren Polarisierung sowie mit verstärkten Gegenaktionen von Neonazis ist bundesweit zu rechnen. Organisationsübersicht Rechtsextremismus ^ ^ ^ ^ \ ^ ^ sonstige "Na tionaldemokratische" "National-freiheitliche* Neonazistische rechtsextremistische Organisationen Organisationen Organisationen "Die Bewegung" DVU 1 DKEG NPD 1 FAP AKON l i 1 1 N, S. "Stahlhelm e. V. ARF Kampfbund für Europa Landesverband-Pfalz" 1 1 "Ehrenbund Rudel - DFF JN Gemeinsch. zum Schutz der Frontsoldaten" l 1 HNG I.f.A. 1 1 "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" NF 1 1 "Neona ikreis um l "Neonazizentrum DVU * Liste D Ludwigshafen a. Rhein/ WeidenthaKPfalz) -Ernst Tag1 1. "Nationaldemokratische" Organisationen 1.1 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 1.1.1 Ideologisch-politischer Standort Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Satzung und des neuen Parteiprogramms vomjahre 1987, sondern vielmehr aus Äußerungen von Funktionären, Aufsätzen in der offiziel64 len Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DSt) und Propagandaschriften, die der NPD politisch zuzurechnen sind 4 '. Das neue Parteiprogramm "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft", das am 13. November 1987 im Rahmen des 21. Bundesparteitages auf dem sogenannten Programmparteitag in Uehlfeld (Kreis Neustadt an der Aisch) mit großer Mehrheit beschlossen wurde, löste das "Düsseldorfer Programm" vom Jahre 1973 ab. Es ist ein weiterer Versuch der NPD, durch allgemeine und mehrdeutige Formulierungen ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung zu verschleiern. Diesem Bemühen dient auch die Aufnahme von Zielen, die ebenfalls demokratische Parteien verfolgen, wie etwa der Schutz von Leben, Familie und Umwelt sowie die Kontrolle neuer Technologien. In einer Präambel und zehn Thesen erläutert die Partei ihre Ziele. Es handelt sich u.a. um folgende Thesen: "I. Die Kriegsgefahr liegt in der Teilung Deutschlands Erst die deutsche Einheit ermöglicht eine dauerhafte Friedensordnung. II. Ohne Selbstbestimmung und Souveränität gibt es keine Freiheit Die nationale Unabhängigkeit in Freiheit ermöglicht den demokratischen deutschen Rechtsstaat. V. Die gegenwärtige Bildungskatastrophe raubt uns die Zukunft Ein von der Unterschiedlichkeit der Menschen ausgehendes Bildungswesen schafft wichtige Voraussetzungen zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben. VIII. Der innere Friede wird durch den Massenzustrom von Ausländern gefährdet IX. Gruppenegoismen verhindern soziale Sicherheit und Gerechtigkeit Soziale Sicherheit und Gerechtigkeit können nur in nationaler Solidarität gewährleistet werden. X. Der Imperialismus bedroht die Freiheit der Völker Das Selbstbestimmungsrecht der Völker läßt sich auf der Grundlage unabhängiger Nationalstaaten verwirklichen." Die von der NPD angestrebte "Nationaldemokratie" ist gekennzeichnet durch einen der nationalsozialistischen Weltanschauung entnommenen völkischen Kollektivismus, der biologisch begründet wird und rassistische Merkmale erkennen läßt. Die "Volksgemeinschaft" (Kollektiv; vgl. S. 18 des Parteiprogramms45: "...in nationaler Solidarität...") ist der personalen Autonomie Nach der Präambel des Parteiprogramms gibt die NPD vor, sich für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzusetzen. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Broschüre "Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft - NPD-Parteiprogramm", herausgegeben vom NPD-Parteivorstand, Stuttgart. 65 II. Ohne Selbstbestimmung und Souveränität kann es keine Freiheit geben ! In der Oundesrepublik Deutschland droht die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch Manipulation der öffentlichen Meinung, insbesondere durch wesentliche Teile der Massenmedien, in der alltäglichen Praxis außer Kraft gesetzt zu werden. Korruption und Bestechlichkeit sind Zeichen des inneren Verfalls und erschüttern das Rechtsempfinden. Die Spaltung Deutschlands und die Stationierung fremder Truppen in Deutschland steht dem Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes entgegen. V- Die gegenwartige Bildungskatastrophe raubt uns die Zukunft ! Auf der Grundlage des langst überholten Dogmas der vorgeblichen "Gleichheit aller Menschen" Nationaldemokratische wurde durch unsinnige Reformen unser Schul-jnd Hochschulwesen in den heutigen oesolaten Zustand versetzt. Hinter diesen gesel1 schaftsGedanken verändernden Reformen steht die langst überholte Vorstellung, man könne durr.h gesel 1- für eine schaftspolitisch ausgeklügelte Reformprogramme lebensweite Zukunft Gruppenegoismen verhindern soziale Sicherheit und Gerechtigkeit 1 Die Einzelund Gruppenegoismen in der Bundesrepublik Deutschland haben zu einer weitgehenden Verkümmerung gesamtverantwortlichen Denkens und Handelns geführt. Durch den Mißbrauch des Begriffs der "pluralistischen Gesellschaft" sind an die Stelle der notwendigen Gemeinschaft Stundungen Auflösungserscheinungen getreten. Als Folge zeigen sich viele soziale Wir Nationaidemokra ten bekennen uns zur V elfalt des Lebens un( se ner Ersthei ungen in Natu und Geschichte und deshalb zur Anerkennung und Achtung vor der nat jrlichen Ungle chheit der Menschen. Gleich sind die :hen vor dem Gesetz und 1 n der -Unantastbarkeit ihrer Würde. Wir Nat onaldemokraten treten mit. Entschiedenine Welt der unabhängi qen Staaten und Völker e in. In der Verschiedenheit der NaNPD-Parteiprogramm und Ihrer Kulturen und inder Unterichkeit der.Menschen seher wir den I U bewahrenden telchtum unserer Erde VIII. Der innere Friede wird durch den Kassenzustrca von Ausländern. gefährdet ! Millionen von Ausländern wurden wie Skla.ven der Neuzeit nach Westdeutschland geholt,, im Zusammenspiel von I n d u s t r i e , Regierung und Gewerkschaften. Diese P o l i t i k wird heute durch eine menschenund völkerverachtende Integra- t i o n fortgesetzt. Die Ausländer werden ihrer Heimat entfremdet und entwurzelt, ihnen droht der Verlust ihrer I d e n t i t ä t , der bis zur Zerstörung der Familien f ü h r t . In zahlreichen Großstädten bilden sich Ausländerghettos in denen die deutsche ftestbevölkerung zur Minderheit w i r d . Das Leben in diesen Wohnvierteln ihre schulische Versorgung und das soziale Um- f e l d werden u n e r t r ä g l i c h . Deutsche und Angehörige fremder Völker stehen sich immer f e i n d - seliger gegenüber. Durch diese Entwicklung wird der innere Friede zunehmend gefährdet. des einzelnen übergeordnet. Der Wert der einzelnen Person ergibt sich aus ihrer Stellung und Funktion in der "Volksgemeinschaft". Der Mensch als Individuum bezieht seine eigentliche Daseinsberechtigung aus dem gesellschaftlichen Ganzen. Das Wohl des eigenen Volkes46 muß für jedermann oberstes Gesetz sein. Das Volk, das nach Auffassung der NPD zerrissen ist und in eine Vielzahl von eigensüchtigen Interessengruppen 47 und Parteien zerfällt, soll zur Einheit der Nation fortentwickelt werden. "Die Nationaldemokratie ist die Verwirklichung der Einheit von Volk und Staat...". "Oberste Richtschnur ist das Wohl der Volksgemeinschaft". Die Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft, auch das natürliche Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, werden durch die uneingeschränkte Einbindung der Individualinteressen in die "Volksgemeinschaft" aufgehoben. Die Einheit von Mensch, Volk und Nation ist oberster Grundsatz jeglichen Handelns ("Nationale Solidarität"). Diese pauschale Überbetonung der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" gegenüber den Individualrechten ist nicht mit der Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, der Volkssouveränität und dem Mehrparteiensystem, die zu den tragenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung 48 gehören, zu vereinbaren. Die NPD bezeichnet die demokratischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland als "Lizenz"-, "System"oder "Kartellparteien". Mit der Formulierung "Lizenzparteien" spricht sie den seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien in Erinnerung an die Zulassung durch die damaligen Besatzungsmächte die demokratische Legitimation ab. Indem sie das durch den Nationalsozialismus berüchtigte Wort "System" gebraucht, diffamiert sie die übrigen Parteien49 46 Vgl. S. 8 des Parteiprogramms: "Wir Nationaldemokraten treten für eine Demokratie ein, in der der Wille des Volkes sich frei entfalten kann....Die Möglichkeit zu Volksbegehren und Volksentscheiden muß gegeben sein". 47 Vgl. S. 17 des Parteiprogramms: "Die Einzelund Gruppenegoismen in der Bundesrepublik Deutschland haben zu einer weitgehenden Verkümmerung gesamtverantwortlichen Denkens und Handelns geführt. Durch den Mißbrauch des Begriffs der 'pluralistischen Gesellschaft' sind an die Stelle der notwendigen Gemeinschaftsbindungen Auflösungserscheinungen getreten." und S. 11: "Hemmungsloses Wirtschaftswachstum, radikale Landschaftsveränderung, ehrgeizig überzogene Industrieprojekte, Industrialisierung der Landwirtschaft, Verstädterung von Dörfern und die Vernichtung gewachsener Staatsstrukturen wurden und werden durch Parteien, Verbände und Interessengruppen verantwortungslos vorangetrieben". 48 Vgl. zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung BVerfGE 2, 1 (13). 49 Vgl. Einführung des Parteiprogramms, S. 3: "...aus lähmenden Ohnmachtsgefühlen ('die da oben machen doch was sie wollen')..." und S. 8 des Parteiprogramms: "In der Bundesrepublik Deutschland droht die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch Manipulation der öffentlichen Meinung, insbesondere durch wesentliche Teile der Massenmedien, in der alltäglichen Praxis außer Kraft gesetzt zu werden. Korruption und Bestechlichkeit sind Zeichen des inneren Verfalls und erschüttern das Rechtsempfinden." 67 Die nationalistische Einstellung der NPD zeigt sich durch Aussagen wie "Wer tatsächlich deutsche Politik frei von roten oder goldenen (US)-Fesseln betreibt, der hat sich gegen jede Art von Heckenschützen und deren Schüsse aus dem Hinterhalt zu wappnen!" (DSt, Nr. 10, Oktober 1988) und "Nach wie vor besteht das Deutsche Reich rechtmäßig in seinen Grenzen bis zur Memel, und das Ziel deutscher Politik muß es bleiben, es in diesen Grenzen friedlich wiederherzustellen" (DSt, Nr. 2, Februar 1988)S0. Ihre ausländerfeindliche Haltung kommt durch Äußerungen wie "AusländerStopp Deutschland den Deutschen" (DSt, Nr. 1, Januar 1988), "Deutsche Arbeitsplätze müssen vorrangig deutschen Arbeitern zur Verfügung stehen" (DSt, Nr. 2, Februar 1988) und "So werden Asylanten verwöhnt" (DSt, Nr. 9, September 1988) zum Ausdruck. Die rassistische Gesinnung der NPD wird in Erklärungen zur Gefahr der "Rassenvermischung" und des "Einheitsbreis" sowie zur Notwendigkeit der "Erhaltung der biologischen Existenz unseres Volkes" und neuerdings zum Recht eines jeden Volkes auf "die Bewahrung seiner unverwechselbaren Identität" (Beitrag des Parteivorsitzenden MUßGNUG in der DNZ vom 27. November 1987) deutlich51. Sie widersprechen der unantastbaren Menschenwürde und dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes trägt die NPD auf ihre Weise: "Die komplexbehaftete deutsche Vergangenheitsbewältigungssucht treibt immernoch die merkwürdigsten und lächerlichsten Blüten" (DSt, Nr. 10, Oktober 1988). Das Bundesverwaltungsgericht52 hat die verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD in mehreren Entscheidungen bestätigt. Von den vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Aussagen der NPD hat sich diese nicht distanziert. Soweit die Partei sie später abschwächte, erfolgte dies erkennbar aus taktischen Erwägungen. 50 Vgl. S. 6 des Parteiprogramms: "Da Unrecht nicht dem Frieden dient, wird die völkerrechtswidrige Abtrennung deutscher Gebiete nicht anerkannt.", S. 7: "Die Vormundschaft durch die UdSSR und die USA muß überwunden werden." und S. 8: "Die Spaltung Deutschlands und die Stationierung fremder Truppen in Deutschland stehen dem Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes entgegen." 51 Vgl. S. 13 des Parteiprogramms: "Wir Nationaldemokraten bekennen uns zur Vielfalt des Lebens und seiner Erscheinungen in Natur und Geschichte und deshalb zur Anerkennung und Achtung vor der natürlichen Ungleichheit der Menschen.", S. 16: ".. .menschenund völkerverachtende Integration...", S. 17: "...ausländerfeindliche Integrationspolitik - eine getarnte Zwangsgermanisierung - ..." bzw. "... kulturelle und nationale Identität..." und S, 19: "In der Verschiedenheit der Nationen und ihrer Kulturen und in der Unterschiedlichkeit der Menschen sehen wir den zu bewahrenden Reichtum unserer Erde. 52 BVerwG,NJW1981,1390(1391); BVerwG, NJW 1981,1392(1393); BVerwG. NJW 1984,813 f; BVerwG, NJW 1986, 3096 (3097 ff); BVerwG, NJW 1988, 2907 (2908 f). 68 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts53 beruhen die rechtlichen Wertungen des Bundesministers des Innern54 und des Bundesverwaltungsgerichts55, die NPD verfolge Ziele, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien, nicht auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen, sondern sind nachvollziehbar. Als nationalistische Partei mißt die NPD der Nation den höchsten Stellenwert bei. Sie lehnt daher die Mitgliedschaft in der EG und der NATO ab, da der Beitritt zu supranationalen Zusammenschlüssen zwangsläufig zum Verlust von Souveränitätsrechten führt. Oberstes nationaldemokratisches Ziel ist ein einiges Deutschland als blockfreier Mittler zwischen Ost und West (Präambel des Parteiprogramms, S. 3)Als Zwischenstufe eines neutralen wiedervereinigten Deutschlands strebt die NPD eine Deutsche Konföderation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik an ("Germersheimer Manifest" vom Jahre 1982). Sie begrüßt "den pragmatischen Kurs Gorbatschows und sieht darin langfristig neue Möglichkeiten, den deutschen und europäischen Status quo der Teilung und der Fremdbestimmung zu überwinden" (DSt, Nr. 6, Juni 1987). Obwohl Nationalisten von ihrem Selbstverständnis grundsätzlich Antikommunisten sind, sieht es die NPD nicht als ihre Aufgabe an, "Vorkämpfer eines militanten (und im übrigen ideenlosen) Antikommunismus zu sein" (DSt, Nr. 6, Juni 1987). Sie schlug im September 1987 anläßlich des Besuches des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker in der Bundesrepublik Deutschland vor, aus Bundestag und Volkskammer einen gemeinsamen Parlamentsausschuß zu bilden, der als "Gesamtdeutscher Rat" die innerdeutschen Verhältnisse weiterentwickeln soll ("Neuer politischer Dienst" Nr. 9/87). 1.1.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederstand Die am 28. November 1964 in Hannover gegründete NPD, die ihren Sitz in Stuttgart hat, befindet sich seit der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 in einem leichten Aufwärtstrend56. Sie konnte ihre Mitgliederzahl gegenüber dem Jahre 1987 von ca.6.200 auf ca. 6.400 erhöhen. Seit dem Jahre 1971 wird die Partei von Rechtsanwalt Martin MUßGNUG57 aus Tuttlingen geführt. Seine Stellvertreter 53 BVerfG (die Wertungen des Bundesministers des Innern betreffend), NJW 1981, 1359 0 3 6 O ) und BVerfG (die Wertungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffend), NJW 1981, 2683. 54 Beantwortung der Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der CDU/CSU zum Rechtsextremismus vom 9. November 1978 (BT-Drucksache 8/2268) durch den Bundesminister des Innern am 11. Januar 1979 (BT-Drucksache 8/2463). 55 BVerwG, NJW 1981, 1390 (1391) 56 Die NPD erhielt bundesweit 0,6 % (1983: 0,2 %) und in Rheinland-Pfalz 0,7 % (1983: 0,3 %) der Stimmen. ,_ MUßGNUG erhielt bei der Oberbürgermeisterwahl in Tuttlingen am 29. November 1987 15,05 % der Stimmen. 69 Entwicklung der Mitgliederzahlen der NPD Bundesrepublik Deutschland 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 Rheinland-Pfalz sind Jürgen SCHÜTZINGER58, hauptamtlicher Bundesgeschäftsführer und Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg, Walter BACHMANN, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern, und Walter SEETZEN, Generalsekretär der Partei. Sie bilden mit den vom Parteivorstand aus seiner Mitte gewählten Leitern der Ämter59 das Präsidium (den geschäftsführenden Vorstand). Der Parteivorstand besteht aus mindestens 30 Mitgliedern. SCHÜTZINGER erhielt bei der Oberbürgermeisterwahl in Villingen-Schwenningen am 4. Oktober 1987 6,6 % der Stimmen. Zur Durchführung der Beschlüsse des Parteivorstandes und zur Erledigung der laufenden politischen, organisatorischen und verwaltungsmäßigen Angelegenheiten der Partei werden im Vorstand je nach Bedarf Ämter eingerichtet 70 Der Landesverband Rheinland-Pfalz nimmt am Aufwärtstrend der Partei teil. Er verfügt nunmehr über mehr als 400 Mitglieder60. Landesvorsitzender war seit dem Jahre 1985 der Unternehmensberater Karl-Heinz PFIRRMANN aus Wörth am Rhein61. Von den ca. 20 Kreisverbänden sind überwiegend die im südlichen Landesteil gelegenen Organisationseinheiten aktiv. 1.1.3 Finanzierung Die NPD, der bereits anläßlich der Europawahl 1984 ca. 1,8 Millionen DM Wahlkampfkosten (0,8 % der Stimmen) erstattet worden waren, konnte aufgrund der Wahlkampfkostenzahlungen aus der Bundestagswahl 1987 in Höhe von mehr als 1,3 Millionen DM (0,6 % der Zweitstimmen)62 und aus der Landtagswahl 1988 in Baden-Württemberg in Höhe von ca. 750.000,DM (2,1 % der Stimmen)63 ihre Finanzlage weiter verbessern. Der Ende 1987 nach SS 23 Parteiengesetz vorgelegte Rechenschaftsbericht der NPD für das Jahr 1987 gibt die Einnahmen der NPD mit 2.147.627,16 DM und die Ausgaben mit 2.182.884,81 DM an. Bei den Einnahmen werden 316.403,20 DM als Mitgliedsbeiträge, 171.509,86 DM als Spenden und 1.367.790,68 DM als Wahlkampfkostenerstattung für die Bundestagswahl 1987 ausgewiesen. In Rheinland-Pfalz hat die NPD nach ihren Angaben Einnahmen von 123.538,02 DM und Ausgaben in Höhe von 123.699,96 DM; an Mitgliedsbeiträgen erhielt sie 19.472,50 DM und an Spenden 48.146,04 DM. 1.1.4 Schulung Für die Schulung der Parteimitglieder im Sinne "nationaldemokratischer Politik" ist die Hauptabteilung Bildung verantwortlich. Die Anleitung erfolgt seit dem Jahre 1985 hauptsächlich im "nationaldemokratischen Bildungszentrum" am Iseo-See in Oberitalien. Die Bildungsstätte beruht auf der Spende einer Anhängerin, die ihr Anwesen so lange der NPD zur Verfügung stellt, "wie sich diese für die deutsche Wiedervereinigung einsetzt". Das Bildungsprogramm umfaßt Grundlehrgänge, Aufbaufachlehrgänge und Nachwuchsführungsseminare bis zu einer Woche. Der Parteivorstand gibt als Schulungsblatt monatlich die Schrift "NPD-Forum" heraus. In ihr werden ausgewählte Themen für die Unterrichtung und Diskussion in den Kreisverbänden aufbereitet. 0 Im Jahre 1987 lag die Mitgliederzahl über 350. 1 PFIRRMANN wurde am 19. Februar 1989 auf dem Landesparteitag in Bad Kreuznach-Bosenheim von dem 33jährigen Kellerund Weinküfermeister Joachim HEHRLEIN aus Knöringen (Kreis Südliche Weinstraße) abgelöst. 2 Nach SS 18 des Parteiengesetzes; Erstattungsanspruch ab 0,5 %. 3 Nach SS 1 Abs. 1 des Wahlkampfkostenerstattungsgesetzes; Erstattungsanspruch ab 1 %. Bei der Landtagswahl 1988 in Schleswig-Holstein wurden der NPD keine Wahlkampfkosten erstattet, da sie mit 1,2 % der Stimmen unter der dort festgelegten 1,5 %-Quote blieb. 71 1.1.5 Pressearbeit Als Parteiorgan der NPD erscheint im parteieigenen Verlag in Stuttgart monatlich die "Deutsche Stimme" (DSt) in einer Auflage von über 180.000 Exemplaren. Ihr Hauptschriftleiter gehört dem Parteivorstand an. Darüber hinaus wird von der Pressestelle des NPD-Parteivorstandes unregelmäßig die Presseinformation "Neuer politischer Dienst" herausgegeben. Er bildet die Grundlage für die politische Arbeit in den Organisationseinheiten der Partei. Arbeitsplätze für Deutsche! NPD wählen! Deutschlands Einheit kommt bestimmt Lesen und weitergeben DEUTSCHE m STIMME 13. Jahrgang Hr. 2/Febniar 1S8I Einzelpreis 2 , - DM Nationaldemokratische Zeltung Auflage 272000 Ausgabe E 8027 E Wahlentscheidunaen 1988 NATIONAL DEMOKRATEN wählen! Das Sprachrohr des Landesverbandes Rheinland-Pfalz, der "Südwest-Kurier", ist im Berichtsjahr nicht erschienen. 1.1.6 Wahlen Die NPD schloß für die Wahl zum Europäischen Parlament am 18. Juni 1989 ein Wahlbündnis mit der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) und beteiligte sich an den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und SchleswigHolstein sowie schwerpunktmäßig an örtlichen Wahlen. 1.1.6.1 Wahlbündnis Die Präsidien der NPD und der DVU-Liste D (Vorsitzender: der Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY) hatten bereits im Frühjahr 1987 vereinbart, sich bei den damals anstehenden Landtagswahlen unter "Wahrung ihrer organisatorischen und politischen Eigenständigkeit gegenseitig zu unterstützen. Im Januar 1988 wurde diese Absprache für die Wahl zum Europäischen Parlament 1989 und zur Bundestagswahl 1990 erweitert. Danach wird die DVU-Liste D bei der Europawahl und die NPD bei der Bundestagswahl kandidieren. Bei der Aufstellung der Kandidatenliste der DVU-Liste D für die Europawahl werden 72 die Plätze 3, 6, 9 und 12 mit Vertretern der NPD besetzt. Als Entschädigung für die Nichtteilnahme an der Wahl erhält die NPD von der DVU-Liste D eine Million DM als Ersatz für die zurückzuzahlende Wahlkampfkostenvorauszahlung64. Die Zusammenarbeit schließt auch gemeinsame Präsidiumssitzungen und die Möglichkeit der Doppelmitgliedschaft durch Ausnahmegenehmigung des Präsidiums ein. Ziel des Wahlbündnisses ist es, das "unfruchtbare Gegeneinander" zu überwinden und der "gesamten deutschen Sache" wesentlich stärkere Durchschlagskraft zu verleihen. Nach Auffassung des Parteivorsitzenden MUßGNUG soll die Europawahl für die "vereint kämpfenden Nationalen" den Durchbruch, d.h. mehr als 5 % der Stimmen bringen, um dann im Jahre 1990 in den Deutschen Bundestag einziehen zu können. Die Wahlabsprache führte zu heftigen Auseinandersetzungen in der NPD, welche die internen Aktivitäten der Partei im Jahre 1988 weitgehend prägten. Die Gegner mißtrauten Dr. FREY und befürchteten die Auflösung, zumindest den Verlust der Unabhängigkeit der Partei durch die Zusammenarbeit mit der DVU-Liste D. Hingegen versprachen sich die Befürworter durch die Verbindung der Organisationsund Wahlkampferfahrung der NPD mit den finanziellen und publizistischen Möglichkeiten von Dr. FREY Wahlerfolge und damit Einfluß auf die Politik65. Im April 1988 genehmigte der Parteivorstand der NPD mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Wahlabsprache. Gleichwohl setzten insbesondere die Landesverbände Saarland, Hessen, Hamburg und Rheinland-Pfalz einen außerordentlichen Bundesparteitag mit dem Ziel durch, die getroffene Wahlverbindung aufzuheben. Der Sonderparteitag, der am 26. Juni 1988 in Feucht (Kreis Nürnberger Land) durchgeführt wurde, bestätigte jedoch das Bündnis mit Zwei-DrittelMehrheit; bemerkenswert war allerdings die hohe Zahl von Gegenstimmen. Nach der Entscheidung des Parteitages ging zwar die Kritik an der Wahlvereinbarung zurück, die innerparteilichen Auseinandersetzungen waren jedoch noch nicht beendet. Der Vorsitzende des Kreisverbandes Mannheim, Heinz HEINZINGER, erstattete mit Schreiben vom 26. August 1988 an die Staatsan1,4 Aufgrund des bei der letzten Europawahl am 17. Januar 1984 erzielten Ergebnisses von 0,8 % der Stimmen hat die NPD einen Anspruch auf Wahlkampfvorauszahlung von etwa einer Million DM. 65 Eine Zusammenarbeit zwischen der NPD und Dr. FREY war bereits in der Vergangenheit vorgesehen. Mit Unterstützung des NPD-Parteivorsitzenden Martin MUßGNUG sollte Dr. FREY im Jahre 1975, nachdem er der NPD beigetreten war, gegen den Widerstand maßgebender Parteikreise zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden. Dr. FREY wurde von den Delegierten des Bundesparteitages jedoch lediglich in den Vorstand gewählt. Die daraufhin von Dr. FREY betriebene Presseagitation gegen seine Gegner in der NPD erregte erhebliches Mißfallen in der Partei. Der Vorstand wählte ihn deshalb nicht in das Parteipräsidium und zog die Zusage zurück, ihm künftig die Herausgabe des Parteiorgans zu überlassen. Dr. FREY stellte sein Vorstandsamt im Sommer 1976 zur Verfügung und trat aus der NPD aus. 73 ZEIG AUCH DU ""iPD-Parteivorstand * Rötestr. 4 X 7 0 0 0 Stuttgart 1 * S (0711) 610605 ^ ( / T S ^ < s e r e n Reihen "|0^ ist ein Platz leer - 1 ,"""* DER DEINE . SubsW ^*:^^'^deg"iC Wir brauchen nicht jeden - aber vielleicht brauchen wir gerade Dich! *ess^'"d:'i?o** JLL ASYLANTEN-wah w s (r)SSmT ^deg "^che Liebe deutsche Mtbürge" wir ersparen uns^e-s--. --O* SdohneBaue, nenr eiiün9 - STOPP v5"oWSg| HPO La"desver*S*a **^X^ ~ NPO ^ne^ Nationaldemokraten waltschaft beim Landgericht Bonn Strafanzeige gegen das Präsidium wegen versuchten Betruges. Er beschuldigte das Präsidium, trotz der Beschlüsse des Parteivorstandes und des Bundesparteitages, sich nicht an der Europawahl 1989 zu beteiligen, eine weitere Rate des Vorschusses für die Wahlkampfkosten angefordert zu haben. Ferner unterrichtete HEINZINGER die Verwaltung des Deutschen Bundestages. Daraufhin leitete das Präsidium gegen ihn ein Parteiausschlußverfahren ein. Mit sofortiger Wirkung wurde HEINZINGER von der Ausübung seiner Mitgliedsrechte ausgeschlossen und seiner Parteiämter enthoben. 1.1.6.2 Wahlen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein Die Aufwärtsentwicklung der NPD bei Wahlen hielt auch bei den Landtagswahlen 1988 in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein an. In beiden Ländern konnte sie ihr Bundestagswahlergebnis vom Vorjahr mehr als verdoppeln. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 20. März 1988 erhielt die NPD 101.889 Stimmen (= 2,1 %; Bundestagswahlergebnis: 54.996 Zweitstimmen - 1 %), bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai 1988 19.154 Stimmen (= 1,2 %; Bundestagswahlergebnis: 8.196 Zweitstimmen = 0,5 %). Die NPD beteiligt sich offensichtlich an örtlichen Wahlen nur dann, wenn wenigstens ein Achtungserfolg zu erwarten ist. Bei der Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Konstanz am 12. Juni 1988 erhielt der NPD-Kandidat 4,7 %, bei der Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Engen (Kreis Konstanz) am 21. August 1988 8,7 % der Stimmen56. 1.1.7 Parteitage 1.1.7.1 Bundesparteitage Am 26. Juni 1988 fand in Feucht (Kreis Nürnberger Land) ein außerordentlicher Bundesparteitag statt, der sich mit der Wahlabsprache zwischen der NPD und der DVU-Liste D befaßte. In einer mehrstündigen, zum Teil leidenschaftlich geführten Diskussion wurden nochmals alle Argumente für und gegen die Kooperation ausgetauscht. Die Abstimmung, die der Parteivorsitzende MUßGNUG mit der Vertrauensfrage für sich und das Präsidium verband, ergab schließlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Vereinbarung mit der DVUListe D. Der im Jahre 1988 fällige und für den Herbst vorgesehene 22. ordentliche Bundesparteitag wurde auf Beschluß des Parteivorstandes in das Jahr 1989 verlegt, da keine geeignete Halle zur Verfügung stand. Am 11./12. Februar 1989 wurde in Rahden-Kleinendorf (Kreis Minden-Lübekke) unter dem Motto "Gegen Integrationsterror - Deutschland den Deutschen" 66 Vgl. MUßGNUG bei der Oberbürgermeisterwahl in Tuttlingen am 29. November 1987 mit 15,05 % und SCHÜTZINGER bei der Oberbürgermeisterwahl in Villingen-Schwenningen am 4. Oktober 1987 mit 6,6 % der Stimmen. -"=> der Bundesparteitag nachgeholt. Der Parteivorsitzende MUßGNUG unterstrich in seiner Rede die Bedeutung des Bündnisses mit der DVU-Liste D und forderte die Partei zur Geschlossenheit in den eigenen Reihen auf. Die Anträge der parteiinternen Opposition auf Abwahl des Parteivorstandes und auf erneute Erörterung einer eigenen Kandidatur der NPD bei der Europawahl 1989 wurden zurückgewiesen. Vielmehr beschlossen die Delegierten mit großer Mehrheit die gemeinsame Teilnahme an der Europawahl mit der DVUListe D unter deren Namen. Am 11. Februar 1989 war es vor dem Versammlungslokal zu Gegendemonstrationen mit Ausschreitungen gekommen. Das wegen zu erwartender gewalttätiger Ausschreitungen ergangene Verbot des Parteitages hatte das Verwaltungsgericht Minden aufgehoben. 1.1.7.2 Landesparteitage Der Landesverband Rheinland-Pfalz führte seinen 22. ordentlichen Landesparteitag am 19Juni 1988 in Landau in der Pfalz durch. In Anwesenheit des Parteivorsitzenden MUßGNUG verlief der Parteitag ohne besondere Vorkommnisse und Störungen. Als Folge der innerparteilichen Auseinandersetzungen um die Wahlabsprache mit der DVU-Liste D fand der 23. ordentliche Landesparteitag bereits am 19Februar 1989 in Bad Kreuznach-Bosenheim statt. Die unnachgiebige Haltung des Landesvorsitzenden PFIRRMANN, der zu den heftigsten Kritikern des Wahlbündnisses zählt, hatte führende Funktionäre sowohl der NPD als auch der JN in Rheinland-Pfalz veranlaßt, seinen Rücktritt zu fordern. Ihm wurde vorgeworfen, den Landesverband ins Abseits manövriert zu haben. Im Mittelpunkt des Landesparteitages, an dem auch Mitglieder des Bundesvorstandes teilnahmen, stand die Wahl eines neuen Landesvorstandes. Die Delegierten wählten den 33jährigen Kellerund Weinküfermeister Joachim HEHRLEIN aus Knöringen (Kreis Südliche Weinstraße) zum Landesvorsitzenden. Dem neuen Landesvorstand gehören überwiegend Befürworter der Zusammenarbeit mit der DVU-Liste D an. Die Veranstaltung verlief störungsfrei, weil die NPD den endgültigen Veranstaltungsort geheimhalten konnte. 1.2 "Junge IMationaldemokraten" (JN) Die JN, die seit dem Jahr 1969 bestehende Jugendorganisation der NPD, widersetzen sich dem Kurs ihrer "Mutterpartei". Sie kritisieren die mangelhafte Aussagekraft der programmatischen Äußerungen der NPD und die Zusammenarbeit mit der DVU-Liste D, durch die die Unterschiede zu den "NationalFreiheitlichen" "verwischt" würden. In Einzelfällen sind bei den JN neonazistische Neigungen erkennbar, denen die NPD mit einem "Unvereinbarkeitsbeschluß" entgegenzuwirken versucht. Im Berichtszeitraum hat sich die Aufwärtsentwicklung der JN fortgesetzt. Ihre Mitgliederzahl stieg bundesweit von ca. 750 auf ca. 800. Bundesvorsitzender ist 76 seit September 1987 Karl-Heinz SENDBÜHLER aus München, der auch den "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB) leitet. In unregelmäßigen Abständen gibt der Bundesvorstand die Mitteilungsblätter "Junge Stimme" und "Junge Deutsche Stimme" heraus. Die Erschießung von drei Mitgliedern der "Irish Republican Army" (IRA) durch die britische Spezialeinheit SAS in Gibraltar am 6. März 1988 nahm der Bundesvorstand zum Anlaß, in einem Leitartikel der "Jungen Stimme" vom Mai 1988 den irischen Widerstand in Nordirland als Vorbild für die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen, die auch unter "neuzeitlicher Fremdherrschaft" stünden. Kontakte der JN zur IRA sind bisher jedoch nicht bekanntgeworden. Am 24725. September 1988 fand unter dem Motto "Nation statt Resignation" der 17. ordentliche Bundeskongreß der JN statt. An der Veranstaltung nahmen etwa 100 Personen teil. Zu Beginn des Schuljahres 1988 starteten die JN eine sogenannte Schülerzeitungsoffensive mit dem Ziel, die "denkende deutsche Jugend für unser Vaterland zu begeistern". Jeder funktionsfähige JN-Kreisverband sei aufgerufen, eine eigene Schülerzeitung herauszugeben, um damit sowohl Grund-, Berufsund Realschüler als auch Gymnasiasten anzusprechen. Die Aktion hatte jedoch keinen erkennbaren Erfolg. Der Landesverband Rheinland-Pfalz, der von Christian RATHMANN aus Frankenthal (Pfalz) geleitet wird, konnte seine Mitgliederzahl nicht vergrößern. Er hat derzeit ca. 60 Mitglieder und unterhält Kreisverbände in Koblenz, Kaiserslautern, Neustadt an der Weinstraße, Ludwigshafen am Rhein/Frankenthal (Pfalz). In Rheinland-Pfalz entfalteten die JN im Berichtszeitraum wenig Aktivitäten. Sogenannte Landesaktionen am 26. März 1988 in Mainz, am 8. Mai 1988 in Neustadt an der Weinstraße und am 18. Juni 1988 in Worms-Pfeddersheim blieben weitgehend ohne Resonanz. Ende 1988 gab der Landesverband erstmals das Mitteilungsblatt "JN intern" heraus. 77 2."National-freiheitliche" Organisationen 2.1 Ideologisch-politischer Standort Das Fehlen eines ideologisch geschlossenen Systems ist bei den sich als "national-freiheitliche" Rechte bezeichnenden Organisationen, die im wesentlichen durch die "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und die "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVUListe D) verkörpert werden, noch offenkundiger als bei der NPD. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der "national-freiheitlichen" Organisationen läßt sich nur ansatzweise aus den Programmen herleiten. Als Nachweise dienen in erster Linie Äußerungen ihrer Funktionäre und Beiträge in den von dem Vorsitzenden der DVU und der DVUListe D, dem Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY, herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutscher Anzeiger" (DA),Presseorgan der DVU, "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochen-Zeitung'(DWZ). K a n n Deutschland deutsch bleiben?/DasAusiänderProbiem/s.4 Deutscher A n z e i g e r Die Chancen der deutschen Wiedervereinigung Wie die EG das deutsche Volk ruiniert s 4 Deutsche ^ ^ ^ R 2295 C National* Zeitung S S S ? Agypl 3,50 EG E / Ars. 1! * i."o"/i2.-03 freiheitlich"unabhängig* Überparteilich . / Gnrtch. 100 Dl. / Ho". S.60 M a(tm)ir''"(tm)S:".'.(tm) DO EM, ' Spin. 160 Pias / ^ ^ "IL/USAI.20t Wird Deutschland türkisch? Bonn will deutsche Bevölkerung ersetzen 10 Milliarden für Asylanten/Das Ausmaß des Skandals (Seite 8) DtutfdjetDotljenBettung; 30. Jahrgang, Nr. 27 DEUTSCH 1 Juli 1988 i Preis 2,~ DM; Österreich 15.- ö -11 ""3C T DR NATIONALE POLITIK * KULTUR UND WIRTSCHAFT Deutsche benachteiligt, Ausländer bevorzugt Das politische Gedankengut der "national-freiheitlichen" Organisationen wird getragen von - Ausländerfeindlichkeit ("Wird Deutschland türkisch? Bonn will deutsche Bevölkerung ersetzen" - DNZ vom 16. September 1988, "Noch mehr Rechte für noch mehr Ausländer"-DWZ vom 10. Juni 1988, "Kein Geld für deutsche Aussiedler? Doch Asylanten kassieren Milliarden" - DA vom 16. September 1988 und "Deutsche benachteiligt,Ausländer bevorzugt" - DWZ vom 1. Juli 1988)67, V Die Bundesrepublik Deutschland hat die Pflicht, deutschen Minderheiten, insbesondere auch im sowjetischen Machtbereich, Schutz und Fürsorge zu gewähren und alles zu unternehmen, um ihnen zu Menschenund Grundrechten zu verhelfen, einschließlich der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. 3. Gleichberechtigung für Deutschland Die sich steigernde höchst einseitige Vergangenheitsbewältigung allein zu Lasten der Besiegten des Zweiten Weltkriegs mit der Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektivverantwortung an die Deutschen beeinträchtigt unsere VOIKSUNION Gleichberechtigung in der Völkerund Staatenfamilie. Wir wenden uns entschieden dagegen, daß unser Volk der -Us*e~DSündenbock der Welt bleibt. Es widerspricht der Gleichheit aller vor dem Gesetz als PROGRAMM wichtigster Grundlage eines Rechtsstaats, wenn Kriegsverder brecherprozesse gegen die Besiegten des Zweiten Weltkriegs noch nach einem halben Jahrhundert geführt werDEUTSCHEN VOLKSUNION -- Liste D den, die Sieger aber ihre millionenfachen Morde am deut1. Deutschland soll deutsch bleiben schen Volk schon Mitte der vierziger Jahre allesamt straffrei Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben. Dem deutstellten und ungesühnt ließen. Wir fordern den Erlaß der schen Volk müssen die gleichen Rechte zustehen wie allen überfälligen Generalamnestie. anderen Völkern auch. Dies schließt das Recht auf das angeDas Ansehen und die Ehre des deutschen Soldaten sind stammte Land, die nationale Identität und Seiostbestimmung unter strafrechtlichen Schutz zu stellen. Wer Leistungen ein. und Leiden der Frontgeneration leugnet oder verächtlich macht, versündigt sich am Andenken der Gefallenen, beDaraus folgt: Begrenzung des Ausländeranteils, Stopp dem rührt die Menschenwürde der Überlebenden und nimmt zunehmenden Ausländerzustrom, Beschleunigung der Asyljungen Bundeswehrsoldaten die zur Erfüllung ihrer Aufgaverfahren, Ausweisung von kriminellen Ausländern. Alle geben unabdingbare Motivation. Anschläge auf Gefallenensetzgeberischen und rechtlichen Möglichkeiten unserer freiGräber und Soldaten-Ehrenmale sind nach einem neu zu heitlichen Rechtsordnung müssen ausgeschöpft werden, um schaffenden Gesetz hart zu bestrafen. Wir wenden uns unzweifelhafte Scheinasylanten rascher abzuschieben und die gegen jede Diskriminierung und Entrechtung der FrontsolBelastung für den deutschen Steuerzahler nachhaltig zu verdaten, insbesondere der Waffen-SS, und gegen jede ringern. Schmähung ihrer Gefallenen. Wir respektieren alle Völker, reichen Menschen jeden Volks- 4 . Für das Überleben des deutschen Volkes tums brüderlich die HandAlle Gutgesinnten werden unser Anliegen verstehen und gutheißen, den deutschen Charakter Weit über 200000 Kinder werden Jahr für Jahr in der BunDeutschlands zu erhalten. desrepublik Deutschland "legal" abgetrieben, die meisten aus "sozialen" Gründen und auf Krankenschein. Gleichzei2. Deutschland zuerst tig fehlen jährlich 200000 Geburten in der Bundesrepublik Deutschland zur Erhaltung des deutschen Volkes und zur Das Recht auf Selbstbestimmung in gerechten Grenzen ist für Sicherung der Renten. Der Grundgesetzauftrag zum Schutz das deutsche Volk ebenso unverzichtbar wie für jedes andere von Ehe und Familie muß verwirklicht werden. Volk der Welt. Wir wollen die Deutschlandvorstellungen des Wir treten ein für eine familienund kinderfreundliche Grundgesetzes und der deutschen höchstrichterlichen RechtSteuerund Sozialpolitik, für großzügige staatliche Hilfen sprechung in einem freiheitlichen und demokratischen, soziazugunsten deutscher Familien und Mütter. Das Sittengeset7 len und deutschen Rechtsstaat auf der Grundlage eines gleiund die Verfassung fordern den Schutz des ungeborenet chen Rechts für alle Menschen, Völker und Staaten sowie der Lebens. Die dazu legitimierten Organe haben die Pflicht, di* allgemeinen Regeln des Völkerrechts verwirklichen. Verfassungsmäßigkeit der derzeit gültigen AbtreibungsregtVgl. Punkt 1 Abs, 2 des Programms der DVU-Liste D: "... Begrenzung des Ausländeranteils, Stopp dem zunehmenden Ausländerzustrom, Beschleunigung der Asylverfahren, Ausweisung von kriminellen Ausländern. Alle gesetzgeberischen und rechtlichen Möglichkeiten unserer freiheitlichen Rechtsordnung müssen ausgeschöpft werden, um unzweifelhafte Scheinasylanten rascher abzuschieben....". 79 - latentem Antisemitismus ("Weinen, sühnen, nie vergessen!'" - DNZ vom 2. Dezember 1988, "Noch mehr Wiedergutmachung. Sollen die Deutschen ewig zahlen?" - DWZ vom 16. Dezember 1988 und "Fall Nachmann - die Spitze des Eisbergs?" - DNZ vom 8. Juli 1988) und - Nationalismus (Vgl. Punkt 1 Abs. 1 des Programms der DVU-Liste D: "Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben Dies schließt das Recht auf das angestammte Land, die nationale Identität und Selbstbestim - mung ein."). Die "national-freiheitlichen" Organisationen verharmlosen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und leugnen die Verantwortung der Deutschen für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ("War Deutschland allein schuld? Kohls neue Sühne-Übungen" - DA vom 5. Februar 1988 und "Die Schuld am Krieg und seinen Verbrechen" - DA vom 22. April 1988)68. Darüber hinaus führen sie Hetzkampagnen gegen Repräsentanten des öffentlichen Lebens ("Weizsäckers Kniefall vor Israel" - DA vom 9. Dezember 1988 und "So verrät die CDU Deutschland - Warum Kohl unwählbar ist" - DA vom 12. Februar 1988) und glorifizieren die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges ("Der deutsche Soldat tat seine Pflicht - Er kämpfte ritterlich und anständig" - DA vom 8. Januar 1988 und "Die Deutsche Kriegswochenschau Freund und Gegner wußten damals, daß der deutsche Soldat des letzten großen und unmenschlichen Völkerringens der beste der Weltgeschichte war " - DA vom 2. 69 Dezember 1988) . Der Antikommunismus ist für die "national-freiheitlichen" Organisationen kein Programmpunkt mehr70.Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der NPD sind sie von ihrer eindeutigen Aussage der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der NATO abgerückt und befürworten zunehmend ein neutrales Deutschland. 68 Vgl. Punkt 3 Abs. 1, 2 des Programms der DVU-Liste D: "Die sich steigernde höchst einseitige Vergangenheitsbewältigung allein zu Lasten der Besiegten des Zweiten Weltkrieges mit der Zuweisung von Kollektivschuld und Kollektiwerantwortung an die Deutschen beeinträchtigt unsere Gleichberechtigung in der Völkerund Staatenfamilie. Wir wenden uns entschieden dagegen, daß unser Volk der Sündenbock der Welt bleibt. F.s widerspricht der Gleichheit aller vor dem Gesetz als wichtigste Grundlage eines Rechtsstaates, wenn Kriegsverbrecherprozesse gegen die Besiegten des Zweiten Weltkrieges noch nach einem halben Jahrhundert geführt werden,die Sieger aber ihre millionenfachen Morde am deutschenVolk schon Mitte der vierziger Jahre allesamt straffrei stellten und ungesühnt ließen. Wir fordern den Erlaß der überfälligen Generalamnestie." 69 Vgl. Punkt 3 Abs. 3 des Programms der DVU-Liste D: "Das Ansehen und die Ehre des deutschen Soldaten sind unter strafrechtlichen Schutz zu stellen...Wir wenden uns gegen jede Diskriminierung und Entrechtung der Frontsoldaten, insbesondere der Waffen-SS, und gegen jede Schmähung ihrer Gefallenen". 70 Während der Antikommunismus im Programm der DVU-Liste D keine Aufnahme fand, war in Nr. 6 des im Jahre 1987 noch geltenden Programmes der DVU als Ziel aufgeführt, "den vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Kommunismus in allen unmenschlichen Erscheinungsformen, soweit sie unser Volk bedrohen, zu bekämpfen". 80 Im Vergleich zur NPD sind ihre Agitationen agressiver und beziehen sich mehr auf tagespolitische Themen.. 2.2 Organisationen Die "national-freiheitlichen" Organisationen, die im wesentlichen aus der "Deutschen Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften und der "Deutschen Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) bestehen, hatten insgesamt den größten Mitgliederzuwachs. 2.2.1 "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften Die von Dr. Gerhard FREY im Jahre 1971 gegründete und geleitete DVU ist zusammen mit ihren sechs Aktionsgemeinschaften - "Aktion deutsche Einheit" (AKON) - "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF) - "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" - "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.) - "Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur" und - "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA), deren Mitglieder kraft Satzung zugleich der DVU angehören, nach wie vor die mitgliederstärkste Organisation im rechtsextremistischen Bereich. Ihr gehören ca. 12.500 Personen an71. Gegenüber dem Vorjahr (über 12.000) hat der Mitgliederbestand nicht entscheidend zugenommen. Die politische Bedeutung der Dr. FREY gibt die Mitgliederzahl mit mehr als 16.000 an. 81 DVU steht nicht im Verhältnis zu ihrer personellen Stärke. Ihre Aktivitäten beschränken sich im wesentlichen auf publizistische Propagandatätigkeiten und Vortragsveranstaltungen, hauptsächlich mit dem britischen Schriftsteller und Historiker David Irving. Die alljährlich in Passau stattfindende Großkundgebung wurde im Jahre 1988 von der DVU-Liste D ausgerichtet. Auch in Rheinland-Pfalz blieb die Mitgliederzahl der DVU mit ihren Aktionsgemeinschaften, die über 1.100 liegt, nahezu unverändert. In der Öffentlichkeit ist die DVU hier im Jahre 1988 nicht in Erscheinung getreten. 2.2.2 "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) 2.2.2.1 Organisatorischer Aufbau u n d Mitgliederstand Die DVU-Liste D72, die am 5. März 1987 auf Initiative des Vorsitzenden der DVU, Dr. Gerhard FREY, in Verbindung mit maßgeblichen Funktionären der NPD als Partei gegründet wurde, versteht sich als "gemeinsamer Wahlverband" der "deutschen Rechten". Auch sie wird von Dr. FREY geleitet. Ihre Mitgliederzahl erhöhte sich gegenüber dem Jahre 1987 von über 2.500 auf überö.OOO73. Nach anfänglich zurückhaltender organisatorischer Verbreitung verfügt die DVUListe D nunmehr über 11 Landesverbände 74 sowie 6 Bezirksund 24 Kreisverbände. Der Landesverband Rheinland-Pfalz, der mehrere hundert Mitglieder hat und dem der Taxifahrer Gerhard KROMANN aus Mainz vorsteht, setzt sich aus den Kreisverbänden Mainz und Pfalz zusammen. An der Gründungsversammlung des Landesverbandes und des Kreisverbandes Mainz am 9- Juli 1988 in Bad Dürkheim nahm auch der Bundesvorsitzende Dr. FREY teil. 2.2.2.2 Vorbereitungen auf die Europawahl 1989 Im Mittelpunkt der Aktivitäten der DVU-Liste D standen neben dem bundesweiten organisatorischen Ausbau die Vorbereitungen auf die Europawahl 1989Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem Wahlbündnis mit der NPD zu, das im Gegensatz zum Vertragspartner in der DVU-Liste D aufgrund der dominierenden Stellung des Bundesvorsitzenden Dr. FREY zu keinen innerparteilichen Auseinandersetzungen führte. Nach der Wahlabsprache verzichtet die NPD gegen Zahlung von 1 Million DM und der Einräumung der Plätze 3, 6, 9 und 12 auf der Kandidatenliste für Vertreter der NPD auf eine Kandidatur75. "2 Ursprünglich im November 1986 als "Deutsche Liste" angekündigt und im Dezember 1986 in "Deutsche Volksliste" umbenannt. Der Buchstabe "D" steht für Deutschland. 73 Dr. FREY gibt die Mitgliederzahl mit über 7.000 an. "4 Der Landesverband Nordrhein-Westfalen wurde erst im Jahre 1989 gegründet. 75 Vgl. weitere Einzelheiten in Abschnitt 1.1.6.1. 82 Die Veranstaltungen der DVU-Liste D, wie etwa der erstmals in Straubing am 17. Februar 1988 durchgeführte "politische Aschermittwoch" mit ca. 1.100 Teilnehmern und die Großkundgebung am 18. September 1988 in Passau mit ca. 2.200 Teilnehmern, standen bereits ganz im Zeichen des Wahlkampfmottos für die Europawahl "Erst Deutschland, dann Europa". An der Großkundgebung in Passau, die in den vergangen Jahren von der DVU abgehalten wurde, beteiligten sich neben Repräsentanten der rechtsextremistischen niederländischen Zentrumsdemokraten, einer österreichischen Delegation und den "Kameraden aus Südtirol" eine Delegation der NPD unter der Leitung ihres Parteivorsitzenden MUßGNUG. Dr. FREY und MUßGNUG erklärten ihre Absicht, die politische Zusammenarbeit zwischen ihren Parteien weiter auszubauen. Für die bayerischen Kommunalwahlen 1990 kündigte Dr. FREY eine Listenverbindung76 an. In seinem einstündigen Referat mit dem Thema "Hat die deutsche Nation eine Zukunft" sprach er sich u.a.für Ausländerbegrenzung, Ausweisung der Scheinasylanten, die Einheit Deutschlands und gegen die Europäische Gemeinschaft aus. Der britische Schriftsteller und Historiker David Irving befaßte sich in seiner Rede zu dem Thema "Die Umerziehung der Deutschen und ihre Auswirkungen" im wesentlichen mit seinen Nachforschungen über die Kriegsschuldfrage. Der mit 20.000 DM dotierte "Andreas Hofer-Preis" wurde an die rechtsextremistische niederländische Zentrumsdemokratin Wilhelmina Schuurmann für "ihren engagierten Kampf in den Niederlanden gegen die Überfremdung durch Ausländer und ihre schwere Verletzung durch einen Anschlag politischer Gegner" verliehen. Anläßlich der Veranstaltung kam es zu Gegendemonstrationen. Die Stadt Passau hatte erst aufgrund gerichtlicher Entscheidung die Nibelungenhalle zur Verfügung gestellt. Auf dem Bundesparteitag am 26. November 1988 in Feucht (Kreis Nürnberger Land)77 nominierte die DVU-Liste D in Anwesenheit des Parteivorsitzenden MUßGNUG und weiterer Funktionäre der NPD die Kandidaten für die Europawahl 1989 und verabschiedete das Wahlprogramm. Die Plätze 3, 6, 9 und 12 der Kandidatenliste wurden entsprechend der Wahlabsprache an Mitglieder der NPD vergeben. Auf die ersten sechs Plätze kamen - Bundesvorsitzender Dr. Gerhard FREY, - Wilhelm CRINIUS, Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg und Eichenlaubträger, Vorstandsmitglied des Bezirksverbandes Weser-Ems der DVU-Liste D, 76 Das bayerische Kommunalrecht sieht gemeinsame Listen nicht vor. 77 Der 1. Bundesparteitag der DVU-Liste D, auf dem Satzungsänderungen vorgenommen wurden, fand am 17. Februar 1988 in Straubing statt. Am gleichen Tag führte die DVU-Liste D in Straubing erstmals ihren "politischen Aschermittwoch" durch. Die Veranstaltung stand bereits ganz im Zeichen der Europawahl 1989. 83 - Martin MUßGNUG, Parteivorsitzender der NPD, - Gerhard FREY jr., Sohn Dr. FREYS, Vorstandsmitglied des Landesverbandes Bayern der DVU-Liste D, - Bruno WETZEL, Redakteur der DNZ, Mitglied des Bundesvorstandes der DVU-Liste D und - Jürgen SCHÜTZINGER, stellvertretender Parteivorsitzender der NPD, hauptamtlicher Bundesgeschäftsführer und Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg. Der Vorsitzende des Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Gerhard KROMANN, wurde auf den 16. Listenplatz gewählt. Nach dem Wahlprogramm wird die DVU-Liste D "im neuen EG-Parlament die deutschen Interessen wahrnehmen Die DVU7K sagt Nein zu einer EG, in der die Deutschen die Zahlmeister ohne Gegenleistung sind und in der die etablierten Parteien Interesse und Rechte des deutschen Volkes opfern". Das Wahlprogramm enthält folgende "Forderungen": - Deutschland soll deutsch bleiben: Ausländerbegrenzung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen. Kein weiterer Massenzuzug von Ausländern in die Bundesrepublik. - Kein Ausländer-Wahlrecht: - Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche: Der Vorrang von Deutschen bei Arbeitsplätzen in Deutschland muß gesichert werden. - Deutsches Geld für deutsche Aufgaben: Deutsches Geld an die EG nur bei Gegenleistungen. Die dadurch frei werdenden Mittel sollen vor allem armen Deutschen zugute kommen (z.B. Kleinrentnern, Kinderreichen, in Not Geratenen) und den Aussiedlern helfen. - Deutschland zuerst: Die Anstrengungen zur Wiedervereinigung Deutschlands sollen Vorrang erhalten, wie es das Grundgesetz vorschreibt. Für ein wiedervereinigtes, unabhängiges und wirklich souveränes Gesamtdeutschland in Freiheit. - Deutsche Interessen wahren: Ablehnung aller EG-Anordnungen, die gegen deutsche Interessen gerichtet sind. - Sicherung der deutschen Industrie: Schluß mit Wettbewerbsnachteilen der deutschen Industrie durch die EG - Sicherung des deutschen Mittelstandes: Schutz des Mittelstandes vor der erdrückenden Konkurrenz von Großkonzernen und vor der EG-Bürokratie. Keine Niederlassungsfreiheit für Ausländer. Dies gilt insbesondere auch für Konkurrenten deutscher Mittelständler oder Freiberufler, z.B. Ärzte und Apotheker. Gemeint ist die DVU-Liste D. Dr. FREY verwendet die Abkürzung "DVU" auch für die "Deutsche Volksunion-Liste D". 84 Deutsche Volksunion D informiert 1. MüllgebührenerhöhjjngiJaafi VifU J V * ^ (tm)" V^UTSWBUaUiSUHmN^^X " _ . , i / d n Iß ^Verpackungen m "14 BLZTOO10OSO ürfte diese Masse iitiger, sind mit Verbeimlicb*(tm)**^ jsnHWENDETSO W m D DKTTTSC -jährlich fünf M^ Scheillasyl aJlte,1 * Ausländerwahlrecht - Afewz/ -Jährlich 20 Müh Ausländer für "I Sozialhilfe. Deutsche Interessen - / # / Das EuropäischfoHamentu hat beschlossen: Ausländer sollen das Wahl-Jährlich 20 Mül recht bekomme/ ~^wJJundesrepublik. Bundesrepublik. -Jährlich gehen durch Fehlplaa Meinungsumfrr 4 ^ ^ ^ ~~--"ßejy!ehrheit der Deutschen ist (Berechnung <* gegen ein WaK ^ ^ ^ iah -J^Mi] Vuu ^'If^i VOIKS UNION UsttsTL "^fl^ *" ^ ^ nvs&viS de"- U et>e - Sicherung des deutschen Bauernstandes: Schluß mit der EG-Politik der Vernichtung des deutschen Bauernstandes - Für Verbraucherund Lebensmittelschutz: Strenge Kontrollen eingeführter Lebensmittel und anderer Produkte; keine Einfuhr-Freiheit - Für Lebens-und Umweltschutz: Keine Verschlechterung des deutschen Umweltschutzes durch die EG. Verstärkter Schutz von Umwelt und Natur, notfalls im nationalen Alleingang, ohne die EG. Besserer Schutz der Ungeborenen. Schluß mit dem Abtreibungsmißbrauch - Mehr Sicherheit - Kriminalität stoppen: Beibehaltung der Grenzkontrollen zur Abwehr ausländischer Krimineller. Ausweisung und Einreisesperre für ausländische Gesetzesbrecher. Sofortige Ausweisung abgelehnter Asylbewerber (Scheinasylanten)." Zu den wichtigsten Zielgruppen für den Europawahlkampf zählt die DVU-Liste D Landwirte und Winzer, Aussiedler, "Leute mit niedrigem sozialen Status", wie etwa Kleinrentner, männliche Wahlberechtigte der Geburtenjahrgänge 1900 bis 193079 und junge Wähler80. Nach ihrer Meinung muß die Europawahl 1989 zu einer Volksabstimmung über die Politik der letzten Jahre, zum Protest gegen das "Bonner Parteienkartell der Sprüchemacher" werden. Für die Bestreitung des Wahlkampfes will sie bis zu 10 Millionen DM zur Verfügung stellen. Sie rechnet fest mit ihrem Einzug in das Europäische Parlament und bemüht sich bereits um die Bildung einer starken Fraktion mit anderen europäischen "Rechtsparteien". 3.Neonazistische Organisationen 3.1 Neonazistische Ideologie Die neonazistischen Organisationen streben die Errichtung eines dem nationalsozialistischen Staat vergleichbaren oder zumindest ähnlichen Systems an und bekennen sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus einschließlich des Antisemitismus. Als Hauptfeinde betrachten sie die Juden, die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländergruppen und die Alliierten, in denen sie nach wie vor Besatzungsmächte sehen. Die Institutionen sowie die Repräsentanten des NS-Regimes werden verherrlicht und die NS-Verbrechen verharmlost und sogar geleugnet. 79 Die DVU-Liste D forderte im Januar 1989 von ca. 8.000 Meldebehörden im Bundesgebiet, auch in Rheinland-Pfalz, die Anschriften aller männlichen Wähler der Geburtsjahrgänge 1900 bis 1930 an. Nach SS 22 Abs. 1 des Melderechtsrahmengesetzes und SS 35 Abs. 1 des Meldegesetzes können die Melderegisterauskünfte nicht verweigert werden; eine Differenzierung nach dem Geschlecht sieht allerdings das Melderecht nicht vor. 80 Die vom SPD-Landesvorstand Bremen nach der Bürgerschaftswahl eingesetzte Kommission "Kampf gegen rechts" stellte in ihrem Bericht vom 10. März 1988 fest, daß die Erstwähler in Bremen nach den Wahlberechtigten über 60 Jahre die zweitstärkste Wählergruppe der DVUListe D gewesen seien. 86 Seit dem Jahre 1982 werden zunehmend Neonazis bekannt, für die Adolf Hitler nicht mehr die beherrschende Leitfigur darstellt. Diese Nationalrevolutionäre81, die zwischenzeitlich in allen neonazistischen Organisationen vertreten sind, lehnen den verbürgerlichten Hitlerismus mit seinem Führerkult und Uniformfetischismus ab. Sie bekennen sich zur Lehre des "historischen Sozialrevolutionären Nationalsozialismus" der 20er Jahre, der mit den Namen Gregor und Dr. Otto Strasser sowie Ernst Röhm verbunden ist. 3.2 Organisatorischer Aufbau und Mitgliederzahlen Die neonazistischen Organisationen vermochten weder ihre innere Zerstrittenheit zu überwinden noch neue Anhänger zu gewinnen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Gesamtzahl der erkannten Neonazis in der Bundesrepublik Deutschland von ca. 1.520 auf ca. 1.480 verringert. Davon sind etwa 1.320 Personen 82 in 23 Gruppierungen 83 zusammengeschlossen. Etwa 200 Neonazis gelten nach wie vor als militant. In Rheinland-Pfalz beträgt die Zahl der Neonazis unverändert etwa 30 Personen, die zu einem großen Teil zwei Neonazizentren zuzurechnen sind. Bei den neonazistischen Organisationen handelt es sich überwiegend um "Männerbündnisse" mit niedrigem Organisationsgrad, die regelmäßig nach dem Führerprinzip aufgebaut sind. Ihnen gehören neben wenigen "alten Kämpfern" zum größten Teil Personen im jugendlichen Alter an, die für neonazistisches Gedankengut und einem damit teilweise verbundenen Imponiergehabe besonders empfänglich erscheinen. Innerhalb der Gruppen besteht eine permanente Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung ihrer Ziele. 3-3 "Die Bewegung" Bei der "Bewegung" handelt es sich um eine neonazistische "Gesinnungsgemeinschaft" ohne feste Führungsund Organisationsstmkturen, die die Ziele der am 7. Dezember 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) weiterzuverfolgen sucht. Sie sieht sich in der unmittelbaren Tradition der NSDAP als der Träger der NS-Ideologie und fühlt sich daher zur Führung der neonazistischen Szene berufen. Zu ihren Hauptforderungen gehört die Aufhebung des NSDAPVerbots. Der Personenkreis besteht aus ehemaligen ANS/NA-Mitgliedern, aber auch aus neuen Anhängern. "Die Bewegung" versteht sich als Teil einer größeren "Europäischen Bewegung". Im Interesse größerer Bewegungsund Gestaltungsfreiheit fungiert Die Nationalrevolutionäre sind die "Linksnationalisten" oder "Rechtsnationalisten" unter den Neonazis. 1987: ca. 1.380 Personen. 1987: 20 Gruppierungen. 87 - als Parteiarm die "FreiheitliTDibecftanb che Deutsche Arbeiterpartei" W (FAP) und - als Kaderzirkel das "Komitee zur Vorbereitung des 100. Geburtstags Adolf Hitlers" Die Tlcue front Sit. 57 6. Jahrgang Buouot 99J6J (KAH). Wegen der Frage der Wertigkeit der Homosexualität hatte GEGEN sich die "Bewegung" im Jahre / _\ KOMMUNISMUS 1 1987 in einen Flügel um den I und 'Zuwendung tut Hot * Wir helfen WIR HELFEN.HELFT nal;oprJlC" |,ol'iti sehen VC'U L 9tfn IHR UNS ?.Ü HELFEN. flMth..jl IUV tV.,P."li . M " t 6 Verde Mitßlied in 1HV e.V. fiTTSrtsk"f""-o'l" Hirsch" U'jrt> Mmerdecfiestel le unsere gas'." n , 6131 Wc^e"lhaL . Aulkleber * atton: Postchen dos JttV e.\ erscheinen Herichti pol i sehr Verfolgung von ( mcr.ldcn n ichj nehr n "Pf.K .sr(";t,l'\(;S|iKII.T". -.*hrore l.cscr deshalb nachgel ragt haben.hr ingen i !" 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(DKEG) Das im Jahre 1950 gegründete und in Pflegstätten untergliederte DKEG sieht sich "als eine Schicksalsgemeinschaft zur Selbsthilfe der Deutschen" mit dem Zweck der "Förderung und Erhaltung deutschen Geistesund Kulturlebens im Zusammenleben der europäischen Völker". Die Vereinigung ist durch Überalterung ihrer Anhänger, interne Machtkämpfe und Meinungsverschiedenheiten erheblich geschwächt und verliert immer mehr an Bedeutung. Die in Rheinland-Pfalz bestehende "Pflegstätte Pfalz" führte in Neustadt an der Weinstraße nahezu regelmäßig Veranstaltungen zu Themen durch, wie etwa "Bleiben oder gehen? - Lage der deutschen Minderheiten im Ostblock", "Wiedervereinigung Deutschland" und "Krieg im Osten - Deutscher Präventivschlag gegen die UdSSR 1941". Als Referenten traten u.a. bekannte Rechtsextremisten auf. Die Veranstaltungen finden auch bei Nichtmitgliedern Interesse. 4.2 "Stahlhelm e.V. Kampfbund für Europa Landesverband-Pfalz" Der "Stahlhelm Landesverband-Pfalz", der nur noch über einen kleinen Mitgliederbestand verfügt, entfaltete im Berichtszeitraum wenig Aktivitäten. Neben den üblichen sogenannten Appellen in den Ortsgruppen Bad Bergzabern und Kaiserslautern führte der "Stahlhelm Landesverband-Pfalz" am 12. Mai 1988 eine Fahrt zu den Schlachtfeldern im Elsaß durch. Am 9. Juli 1988 fand in einer Grillhütte bei Niederhorbach (Kreis Südliche Weinstraße) ein Sommerfest und am 10. Dezember 1988 in Böllenborn (Kreis Südliche Weinstraße) eine "Sonnwendfeier" statt, die als "Julfeier nach Deutscher Art" angekündigt war. Eine für den 16. November 1988 auf dem Friedhof in Gleiszellen-Gleishorbach (Kreis Südliche Weinstraße) vorgesehene Heldengedenkfeier wurde von der Verbandsgemeindeverwaltung Bad Bergzabern untersagt. 5. Antisemitische Aktivitäten In Rheinland-Pfalz kam es im Jahre 1988 zu NS-Schmierereien. Die jüdischen Friedhöfe in Hahnheim (Kreis Mainz-Bingen) und Obrigheim (Kreis Bad Dürkheim) waren das Ziel zum Teil größerer Beschädigungen. Umgestürzte Grabsteine wurden mit Hakenkreuzen beschmiert. Das Landgericht Gießen verurteilte TAG am 31März 1989 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Seit dem 23. Februar 1989 ist er in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) inhaftiert. 96 6. Rechtsextremistischer Terrorismus Der Leiter der neonazistischen "Arbeitsgemeinschaft Nationaler Verbände/ Völkischer Bund" (ANV/VB), Diplom-Ingenieur (FH) Peter NAUMANN aus Wiesbaden, wurde am 14. Oktober 1988 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen der Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, der vorsätzlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, des Versuchs der Gründung einer terroristischen Vereinigung und wegen des vorsätzlichen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen in Tateinheit mit vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Teile einer vollautomatischen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Gericht erkannte ihn für schuldig, - am 30. August 1978 auf die Gedenkstätte an den Fosse Ardeatine in Rom, die an die Erschießung italienischer Geiseln durch den SS-Offizier Herbert Kappler erinnert, einen Sprengstoffanschlag verübt und dabei einen Sachschaden von etwa 20.000 DM verursacht zu haben; - sich Ende 1978 gegenüber dem Rechtsextremisten Heinz LEMBKE92 aus Uelzen bereit erklärt zu haben, an Sprengstoffanschlägen auf Sendeanlagen anläßlich der für Anfang 1979 geplanten Ausstrahlung der Fernsehserie "Holocaust" mitzuwirken, zu diesem Zweck einen Sender ausgespäht und den Mitangeklagten BUSCH zur Beteiligung angestiftet zu haben (eine direkte Tatbeteiligung an den Anschlägen war NAUMANN nicht nachzuweisen); - ab Anfang 1982, zunächst im Zusammenwirken mit den rechtsextremistischen Terroristen Odfried HEPP93 und Walter KEXEL94, versucht zu haben, eine terroristische Vereinigung zu gründen. Der Mitangeklagte Jürgen BUSCH aus Rüsselsheim erhielt wegen der Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion eine Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Bewährung. Er wurde für schuldig befunden, sich Ende 1978 gegenüber NAUMANN bereit erklärt zu haben, an den geplanten Anschlägen auf die Sendeanlagen mitzuwirken. Das Urteil ist rechtskräftig. LEMBKE legte in der Lüneburger Heide Erddepots mit Sprengstoff, Waffen, Munition u.a. an. Nach Entdecken der Erddepots beging er am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft Selbstmord. HEPP, der mit seinem Gesinnungsgenossen KEXEL eine terroristische Gruppe führte, wurde am 15. Oktober 1987 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen versuchten Mordes, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Beteiligung an einem Sprengstoffverbrechen und vier Banküberfällen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und 6 Monaten verurteilt. KEXEL war bereits am 15. März 1987 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen desselben Tatkomplexes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden; zwei Tage später hatte er Selbstmord begangen. 97 7. Das rechtsextremistische Potential der Skinheads Die Skinheads, deren Gesamtzahl für das Jahr 1988 im Bundesgebiet auf etwa 2.500, in Rheinland-Pfalz auf etwa 80 bis 100 Personen geschätzt wird, treten vielfach aggressiv-gewalttätig auf, verfolgen aber zum größten Teil keine rechtsextremistischen Ziele. Sie sind überwiegend politisch desinteressiert, insbesondere zeigen sie keine Neigung zu kontinuierlicher politischer Betätigung, und wollen in erster Linie durch Verwendung von NS-Symbolen sowie NS-Parolen provozieren. Ihre Anfälligkeit gegenüber dem Neonazismus beruht u.a. auf ihrer Neigung zu eindeutigen Feindbildern und "Männlichkeitsidealen". Bevorzugtes Ziel gewaltsamer Ausschreitungen sind Ausländer; hierbei zählen zu den Motiven neben allgemeinen Vorbehalten gegenüber Ausländern auch Fremdenfeindlichkeit. Ein geringer Teil der Skinheads wird den Rechtsextremisten zugeordnet. Grundlage dieser Einschätzung sind Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen, Beteiligungen an Aktionen von Rechtsextremisten und Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die Sicherheitsbehörden registrieren selbstverständlich das teilweise neonazistisch geprägte Auftreten von Skinheads. Ferner beobachten sie mit größter Aufmerksamkeit die Versuche rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Organisationen, auf Skinheads Einfluß zu nehmen und sie für ihre politischen Ziele zu gewinnen. 98 C. Ausländerextremismus In der Bundesrepublik Deutschland lebten im Jahre 1988 ca. 4,878 Millionen, in Rheinland-Pfalz ca. 182.800 Ausländer. Die größten Personengruppen bilden türkische, italienische und jugoslawische Staatsangehörige. In ihrer weit überwiegenden Mehrheit verhalten sich die Ausländer gesetzestreu, achten die demokratische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und bemühen sich um ein gutes Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung. Mitgliedschaften in extremistischen Ausländerorganisationen 95 sind nicht immer gleichzusetzen mit aktiver Betätigung gegen rechtsstaatliche Normen des Gastlandes. Sie dienen zum Teil nur der Kontaktpflege sowie der gegenseitigen Hilfestellung und sind insoweit Ausdruck heimatlicher Verbundenheit. Extremistische Ausländer nehmen insbesondere die politische Entwicklung ihres Heimatlandes zum Anlaß, Informationsveranstaltungen, Flugblattaktionen und Demonstrationen durchzuführen, um von hier aus auf nach ihrer Ansicht bestehende Mißstände in ihren Ländern hinzuweisen. Massive Proteste, wie etwa Besetzungen von Botschaften, Konsulaten, Zeitungsredaktionen u.a., werden zunehmend als Druckmittel angewendet. Auch ihre soziale und wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland löste Aktionen extremistischer Ausländerorganisationen aus. Bevorzugte Themen waren dabei die "Ausländerfeindlichkeit", das "praktizierte Asylrecht", die "Verschärfung des Ausländerrechts", die "Wahrung der Interessen der Berufstätigen" und die "Verweigerung des kommunalen Wahlrechts". Eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes war mit ihren Aktivitäten bislang nicht verbunden. Die gewaltsamen Aktionen arabischer und kurdischer Extremisten sowie neuerdings auch irischer Terroristen geben den Sicherheitsbehörden allerdings Anlaß zur besonderen Sorge. 1. Türken Die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger ist mit 1,551 Millionen gegenüber dem Vorjahr um ca. 70.000 angestiegen. Nur eine geringe Anzahl dieser Personen entfaltet politische Aktivitäten in extremistischen Organisationen. Einzelne Gruppierungen der "Neuen Linken" neigen zur Gewalt. 95 Es handelt sich um Organisationen von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern, deren Bestrebungen sich nach SS 1 Abs. 1 des Landesverfassungsschutzgesetzes (LVerfSchG) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. 99 1.1 Linksextremisten Unter den türkischen Linksextremisten sind sowohl orthodox-kommunistische Organisationen als auch Gruppierungen der "Neuen Linken" vertreten. Anhänger beider linksextremistischer Richtungen organisierten im Berichtsjahr aus verschiedenen Anlässen gemeinsame Aktionen. Die seit dem 1. August 1988 vom türkischen Justizministerium verfügten Haftverschärfungen für politische Straftäter führten in der Bundesrepublik Deutschland zu einer bundesweiten Solidaritätsfront unter türkischen und kurdischen linksextremistischen Gruppierungen mit massiven, teilweise gewalttätigen Aktionen. Betroffen waren in erster Linie türkische Einrichtungen, wie diplomatische Vertretungen, Banken, Reisebüros und Zeitungsverlage. Zum "8. Jahrestag der Machtübernahme türkischer Militärs in der Türkei" (12. September 1980) kam es wie in den Vorjahren zu Demonstrationen türkischer Linksextremisten. An einer Großkundgebung in Frankfurt am Main am 10. September 1988 beteiligten sich mehr als 2.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter auch Vertreter der deutschen linksextremistischen Szene. Während des Besuches des türkischen Staatspräsidenten Kenan Evren vom 17. bis 21. Oktober 1988 fanden u.a. in Bonn, Berlin, Karlsruhe und Hamburg Kundgebungen und Demonstrationen statt; Plakataktionen wurden in Mainz durchgeführt. Die von deutschen Linksextremisten unterstützte Kampagne gegen Evren war von der Forderung in Flugschriften, den Besuch in eine "Festveranstaltung zur Entlarvung des westdeutschen Imperialismus und des türkischen Staates" umzugestalten, und von dem Aufruf der Organisation "Devrimci Isci" (Revolutionärer Arbeiter) an alle "linken Kräfte", beim Bundespräsidenten die Rücknahme der Einladung zu verlangen, vorbereitet worden. 1.1.1 Orthodoxe Kommunisten Die Aktivitäten orthodoxer Kommunisten waren im Berichtszeitraum von einer Phase der Konsolidierung und des organisatorischen Neuaufbaus geprägt. Im Mai 1988 schlössen sich auf einem zweitägigen Gründungskongreß in Duisburg, an dem auch Vertreter der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) teilnahmen, die "Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FIDEF)96 und die "Föderation der Arbeiter aus der Türkei i n Europa - Einigkeit für Demokratie" (DIBAF) zur "Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei" (GDF) zusammen. Vorsitzender wurde Hasan ÖZCAN. Zu den wichtigsten Zielen der neuen Organisation gehören die "Schaffung einer möglichst breiten Gemeinschaft der Die FIDEF war bis zu diesem Zeitpunkt die aktivste und zahlenmäßig am stärksten in der Bundesrepublik Deutschland vertretene orthodox-kommunistisch beeinflußte Organisation. 100 TÜRKJYE'DEKJ GENEL SECJMLERE KATILMAK VE BULUNDUGUMUZ ÜLKELERDE ISTIYORUZ imü Türkiye'den kaynaklaniyor. ilenrniz var. Bunlann cozüimesi > mü icin daha kararli davranmali zi hesaba katmiyorlar. Nasii m;s gibi durmadan söz veriboyie devam edemez. Binkmis 3 katilmamiz sarttir. hakkimizdir. Hepimiz yillardir Milyar Mark döviz gondedi. binkmis meselelenmizi me oianaklanna sahip olratilmasini istivoruz. . Si Izine bu ye'de lerine isteme degerlendirmefiyiz. olitika ile ugrasanlara ?rseyden önce Türkiiara, mesiek orgütze destek olmalanm [I 1988 mizin sirsek en konusun y kullanmak hepiaiismaiiyiz. BirieLamlmasi gerektigi bulundugumuz Ulf sehirlere Federai ärdimci dlmak, II 1 B, hakli istemle DEF, dy kullanma hakkini elde ampanya düzenlemeye karar vermistir. DIBAF ve almabilm? 1e gerekli dlan destegin saglanabilrri hakli istemi kisi ve kurulusla birlikte hareket ve biz, ancak he ildugumuzu özelliklp . Tstersek bu hakki elde icin daha iyi dianaklar elde etmek isteyen t kadmlan. aydinian herkesi. ertak mücade her yerde $u istemi yükseltmeliyiz 1988 Türkiye genel secimlenn Sdrun hepimizin irunlanni cözmek ^keifen, gencleri, .idi'hep birlikte ve Ff Immigranten" und "gemeinsames Handeln aller Immigrantenorganisationen gegen die Entwürfe zum neuen Ausländergesetz". Auf dem Gründungskongreß am 8. Oktober 1988 in Oberhausen fand die Fusion der in der Türkei verbotenen orthodox-kommunistischen Organisationen "Kommunistische Partei der Türkei" (TKP) und "Arbeiterpartei der Türkei" (TTP) zur "Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei" (TBKP) statt, die bereits am 7. Oktober 1987 in Brüssel angekündigt worden war97. Im Hinblick auf den im Juni 1988 in der Türkei durchgeführten Prozeß gegen die Generalsekretäre der TKP (Haydar KUTLU) und TIP (Nihat SARGIN), die am 16. November 1987 bei ihrer Einreise in die Türkei verhaftet worden waren, führte die DKP am 8. und 9- Juni 1988 in Mainz und Ludwigshafen am Rhein Mahnwachen durch und verteilte Flugblätter. Aktivitäten orthodoxer Kommunisten spielten in Rheinland-Pfalz eine untergeordnete Rolle. 1.1.2 "Neue Linke" Zu den maßgeblichen Gruppen der türkischen "Neuen Linken" gehört die gewaltorientierte "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/M-L)98, deren Anhänger in der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen in der Basisorganisation "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATTF) und der international aktiven "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) zusammenge- O N U N KIZIL Y O L U N D A ILEI TKP/M-L f O T i l i KC schlössen sind. Von der TKP/M-L hat sich bereits im Jahre 1981 die Gruppe "Bolsevik Partizan" (BP) abgespalten. In der Februar-Ausgabe ihres Organs "Kommunist" rief die TKP/M-L ihre Anhänger zum bewaffneten Kampf in der Türkei auf, da sich die "revolutionäre Situation" verbessert habe. Vier Monate später forderte sie dazu auf, mit der Versendung von Postkarten an den Bundesminister des Innern gegen den Entwurf des neuen Ausländergesetzes zu protestieren. Die ATIK versteht sich weder als eine Partei noch als eine 97 Der DKP-Vorsitzende Herbert MIES bezeichnete den "Vereinigungsparteitag" in einem Glückwunschschreiben als einen "historischen Schritt von großer politischer Bedeutung für die internationale kommunistische Bewegung". 98 Die im Jahre 1972 in der Türkei gegründete TKP/M-L führte ihre Gründungsversammlung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1974 durch. 102 Gewerkschaft, sondern als "demokratische Massenorganisation" mit antifaschistischer und antiimperialistischer Grundhaltung (Publikationsorgan "Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung" vom Juli 1988). In einer im Oktober 1988 verbreiteten Flugschrift nennt die BP den "westdeutschen Imperialismus" einen der "größten Blutsauger und Mörder der Völker der Welt". Die Anhänger der im Jahre 1983 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke), die in den letzten Jahren als "Avrupa'da Dev Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) in Erscheinung traten, warnten in Flugschriften, daß "alle gegen die revolutionäre Bewegung gerichteten Hände gebrochen werden". Bei der Organisation eines "internationalen Tribunals gegen das Regime in der Türkei" engagierte sich insbesondere die "Devrimci Isci" (Revolutionärer Arbeiter). An Bedeutung hat die aus der "Devrimci Isci" hervorgegangene Gruppe "Göemen" (Emigrant) verloren. Im Zusammenhang mit Solidaritätsaktionen türkischer und kurdischer Linksextremisten überfielen am 7. Dezember 1988 drei bewaffnete Anhänger der "Türkischen Volksbefreiungspartei/-front-" (THKP/-C) die Redaktion der türkischen Tageszeitung "Hürriyet" in Berlin und verletzten einen Mitarbeiter durch einen Kopfschuß schwer. Nach einem am Tatort zurückgelassenen Flugblatt der THKP/-C war die Zeitung zum Angriffsziel ausgewählt worden, da sie als Instrument der "faschistischen Türkei" versuche, die Leser "im Sinne der Junta" zu beeinflussen. Aktivitäten der "Neuen Linken" wurden in Bad Kreuznach, Koblenz, Ludwigshafen am Rhein und Mainz beobachtet. 1.2 Rechtsextremisten Zu den türkischen Rechtsextremisten werden sowohl extrem nationalistische als auch islamisch-extremistisch ausgerichtete Organisationen gerechnet. 1.2.1 Extreme Nationalisten Die bekannteste rechtsextremistische Organisation ist die extrem nationalistisch orientierte "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V." (ADÜTDF), auch "Türk-Föderation" genannt, mit Sitz in Frankfurt am Main. Ideologisch lehnt sie sich an das Gedankengut der in der Türkei verbotenen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)99 an. Durch die Gründung der "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V." (TIKDB) aus ehemaligen Mitgliedern am 17. Oktober 1987 in Nieder-Olm In Anlehnung an die u.a. auch von den Jugendorganisationen der MHP verwendete Symbolfigur "Grauer Wolf werden türkische Rechtsextremisten, insbesondere die Anhänger der "Idealistenvereine", von ihren politischen Gegnern als "Graue Wölfe" bezeichnet. Eine Organisation mit der Bezeichnung "Graue Wölfe" gibt es allerdings in der Bundesrepublik Deutschland nicht. 103 (Kreis Mainz-Bingen) ist die ADÜTDF in ihrer Verbandsarbeit nachhaltig geschwächt. Am 25. Juni 1988 veranstaltete die ADÜTDF in Iserlohn ihren 11. Jahreskongreß. Die Versammlung, an der sich ca. 2.200 Teilnehmer aus dem Inund Ausland beteiligten, wählte Türkmen ONUR, der seit Dezember 1987 die Föderation kommissarisch leitete, zum Vorsitzenden. Der angekündigte ehemalige MHP-Vorsitzende Alparslan Türkes war nicht erschienen. In der Innenstadt kam es zu Gegendemonstrationen. Die "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V." (TIKDB), die sich am 17. Oktober 1987 von der ADÜTDF abgespalten hatte, weist in ihren politischen Forderungen zunehmend gemäßigtere Tendenzen auf. Sie nimmt sich verstärkt sozialpolitischen Themen an und versucht, die Rückbesinnung auf islamische Traditionen voranzutreiben. Zu ihren maßgeblichen Forderungen gehören u.a. Mitsprache der Ausländer bei der Neuregelung des Ausländergesetzes, aktives und passives Wahlrecht, Abbau der Ausländerfeindlichkeit und finanzielle staatliche Unterstützung muslimischer Gemeinden. Am 21. Mai 1988 führte sie in Koblenz ihre 1. Jahreshauptversammlung durch. Unter den ca. 2.000 Teilnehmern befanden sich auch mehrere Personen aus dem Ausland, darunter ehemalige Funktionäre der MHP. Die Versammlung, die teilweise durch Zwischenrufe wie "Türkes ist unser Führer" gestört wurde, wählte den bisherigen kommissarischen Leiter Musa CELEBI zum Vorsitzenden. Im Verbandsorgan "Yeni Gün" (Der neue Tag) vom November 1988 bezeichnete sich die TIKDB als Stimme der in Europa lebenden Türken. Auch in Rheinland-Pfalz bestehen türkisch-islamische Kulturvereine, die der neuen Organisation zuzurechnen sind. 1.2.2 Islamische Extremisten Das Ziel der türkisch-islamischen Fundamentalisten ist die Beseitigung des laizistisch100 gestalteten türkischen Staates. An Stelle der jetzigen Staatsform soll ein Staatsgebilde nach iranischem Vorbild, ein theokratisches 101 System, treten. Die Aufforderung zum Sturz von "Willkürherrschaft" bezieht sich verstärkt auch auf die übrigen Staaten, die nach Auffassung islamischer Glaubenslehrer auf dem "Fundament des Unglaubens" basieren. Zu den islamisch-extremistischen Organisationen gehören vor allem der "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V." und die "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT). Der "Verband der islamischen Vereine u n d Gemeinden e.V.", der im November 1984 in Köln gegründet wurde und seitdem von Cemalettin KAPLAN geleitet wird, hält demokratische Staatsformen für die "Ideologie des Satans". deg Klare Trennung von Kirche und Staat. 1 Verbindung von geistlicher und weltlicher Herrschaft. 104 Richtschnur sind für ihn allein der Koran und die Scharia102. Zur Durchsetzung seiner politischen Ziele fordert er zum "Heiligen Krieg" (Djihad) gegen die "Ungläubigen" auf. Als Sprachrohr dient ihm seit Juni 1988 die Schrift "Ümmet" (Gemeinschaft der Gläubigen), die das bisherige Verbandsorgan "Teblig" (Die Verkündigung) ablöste. In seiner Ansprache zum islamischen Jahreswechsel am 14. August 1988 nahm KAPLAN zur Hidschra103 Stellung: "Die Hidschra bedeutet Abkehr von den Satanen, den Götzen, den Unrechtsherrschern. Die Hidschra ist Aufstand gegen Tyrannei. Die Hidschra ist Aufbruch auf dem Wege Allahs. Die Hidschra ist eine Nichtachtung des weltlichen Lebens. Hidschra ist der Weg, daß der Koran zur Staatsverfassung, das Scheriat zum Gesetzbuch, der Islam Staat werde." ("Ümmet" vom 15. August 1988). Mit Verfügung vom 15März 1988 verbot der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen nach SS 14 des Vereinsgesetzes das von KAPLAN in Köln unterhaltene "Islamische Internat für junge Muslimin". Anläßlich der Räumung am 11. Mai 1988 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Heimbewohnern und der Polizei. Bei einer am 30. Mai 1988 erneut notwendig gewordenen Räumung wurde wiederum gegen die Polizei Widerstand geleistet. Am 29. Juni 1988 lehnte das Verwaltungsgericht Köln den Antrag auf Aufhebung der Schließung ab104. Der Verband KAPLANS kann sich bei seinen bundesweit durchgeführten Veranstaltungen auf eine große Anhängerschaft stützen. Allerdings haben seine Aktionen in ihrer Aggressivität nicht den Stand des Vorjahres erreicht. Dazu dürften die gegen den Verband getroffenen staatlichen Maßnahmen beigetragen haben. Aus Solidarität mit dem palästinensischen Volk demonstrierten etwa 2.500 KAPLAN-Anhänger am 14. Mai 1988 in Frankfurt am Main. Durch Auseinandersetzungen mit Khomeini-Gegnern kam es zum Einsatz der Polizei und zur Festnahme mehrerer Personen. Etwa 1.000 Anhänger demonstrierten am 17. September 1988 in Köln gegen das Vorgehen der irakischen Regierung in den Kurdengebieten und gegen den "Kemalismus"105 in der Türkei. Auf mitgeführten Transparenten wurden der Untergang des "Kemalismus", der Sieg des Islam und die Vernichtung der Götzen angekündigt. 102 Aus dem Koran abgeleitetes islamisches Recht. 103 Die Hidschra ist die Übersiedlung Mohammeds im Jahre 622 von Mekka nach Medina; mit ihr beginnt die islamische Zeitrechnung, deren Recheneinheit das Mondjahr zu 354 Tagen (Sonnenjahr 365 Tage) ist. Am 14. August 1988 begann das Hidschra-Jahr 1409. 104 Am 24. Februar 1987 hatte die Stadt Köln nach SS 6 Abs. 2 des Ausländergesetzes die politische Betätigung von KAPLAN in der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt. Ihm ist verboten, öffentlich in Wort oder Schrift zur Gewaltanwendung aufzurufen oder solche Aufrufe zu billigen. 105 Kemalismus ist die von dem ehemaligen Präsidenten Kemal Atatürk begründete politische Richtung in der Türkei mit teilweise islamfeindlicher Tendenz und dem Ziel der Europäisierung von Wirtschaft und Technik. 105 Anläßlich des Besuches des türkischen Staatspräsidenten Evren vom 17. bis 21. Oktober 1988 wurden Flugblätter verteilt, in denen KAPLAN Evren als einen Vertreter des kemalistischen Regimes und Götzendiener bezeichnete, der nicht Staatsoberhaupt eines muslimischen Volkes sein könne. Evren wurde aufgefordert, reumütig zum Glauben zurückzukehren. Die "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT), die Mitte des Jahres 1985 entstand, rekrutiert sich aus Anhängern der in der Türkei verbotenen und zwischenzeitlich aufgelösten "Nationalen Heilspartei" (MSP) bzw. deren Nachfolgeorganisation "Wohlfahrtspartei" (RP). Nach ihrer Satzung hat sie sich die Verbreitung des Islam in der Europäischen Gemeinschaft unter Wahrung des Rechts der Glaubensfreiheit Andersdenkender zum Ziel gesetzt. Die AMGT gibt die in der Bundesrepublik Deutschland als türkische Tageszeitung erscheinende "Milli Gazete" heraus. Die Zeitung veröffentlichte wiederholt Artikel, die sich gegen den Staat Israel richteten. Vorsitzender der AMGT, die ihren Sitz ebenfalls in Köln hat, ist Osman YUMAKOGULLARI. In Rheinland-Pfalz sind islamische Extremisten in Mainz und Ludwigshafen am Rhein aktiv. 2. Kurden Die kurdischen extremistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland streben die Errichtung eines autonomen Staates Kurdistan an, der die von Kurden bewohnten Gebiete in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien umfassen soll. Sie sind entweder orthodox-kommunistisch oder gehören zum Bereich der "Neuen Linken". Ihr Hauptfeind ist der türkische Staat. 2.1 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die orthodox-kommunistische, straff organisierte und überwiegend konspirativ agierende PKK mit Sitz in Köln, die von Generalsekretär Abdullah ÖCALAN (Syrien) geleitet wird und in der Türkei verboten ist, zählt seit mehreren Jahren zu den mitgliederstärksten kurdischen Organisationen. Ihr Ziel ist die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates auf der Grundlage einer klassenlosen Gesellschaft. Hierbei befürwortet sie den "bewaffneten, revolutionären Kampf" in der Türkei. Die von ihr propagierte "Revolution Kurdistans" sieht sie als einen "Teil der mit der Oktoberrevolution begonnenen und mit den nationalen Befreiungsbewegungen ständig verstärkten Revolution des Weltproletariats." Gegen abtrünnige Parteimitglieder geht die PKK mit Strafmaßnahmen vor, die von Körperverletzung über Erpressung bis hin zum Mord reichen. Zu ihren bekanntesten Schriften, die in großer Auflage auch in der Bundesrepublik Deutschland erscheinen, gehören "Serxwebun" (Unabhängigkeit). "Berxwedan" (Widerstand) und der "Kurdistan Report". 106 FEYKA--INFO 1_i II ÜBER DIE ANGRIFFE GEGEN DEN NATIONALEN BEFREIUNGSKAMPF KURDISTANS 1 UND DIE BILANZ DER PROTESTE Föderation der patriotischen Arbeiter-und Kultu 1. April J988 j r\ ereine aus KunJistui BERXWEDAN ""*aJügrjIBO ENIYA RIZGARIYA NETEWA KURDISTAN --*--"aacj^ER. Sömürgecioper Mücadelemiz j gubai ayi Kä"aw"'** : 1 mörgeci opern*jQ**"m *mi liüiarak sßrdüefi, "*""* b KURDISTAN] J u l i 1986 Nr. 2 3 REPORT 1 Pre ' " ' 3.. DM "Mteleroiiia gelitmeain* sfl rerek sümflrgecflen yeni t " ter almak sorunda biraktij ay "tt*. Aratik ayt ortalsq ^ ^ f ^ O P . v " , , - "^""moM1EN ilre-- * , -- ' * " * - - t i i r <^ait *y" * deg & n [ ! ' " ^ . . o , n K , . . - SERXWEBÖN Jl SERXWEBÜN 0 AZADIYE Bl RUMETTIR M IN U N S E R VOLK U N D AN DIE ÖEF i i j m W Hfc BT B nl W " f c MI^WI iWnr MM nwinM ^ni Unser Volk Unser Volk und und seinsein KampfKampf wird wird jegliche imriwl" Komplotte * - - -- *-und Angi Auch die imperialuiUiche Hilfe wird den faschistischen türltisl Nieder mit dem faschistischen türkischen Kolonialiimns und 1 Es lebe der Unabhängigkeitsund Freiheitskampf Kurdistans!] AN UNSER PATRIOTISCHES VOLK UND DIE FORTSCHRITTLICHE ÖFFENTLICHKEIT! Es lebe die nationale und geseifschaf(liehe Realität unseres Voi 20 Kriegsgefangene der PKK z u m Tode verurteilt! 16. Februar 1SS8 liji führt, führt.betlndet befindet sich in einer sehr wichtigen EntEnt KR NK - Enropavertretnng isse von ernsthafter * -- " " uund n d tiefgehender tlefger Bedeuionale Befreiangafront Kurdistans) |aker gegen unser Volk und die KriegsgetanVolk für seine nationale und gesellschaftliche n des milrtäMaschistischen Regimes. iPartei im Kampf für seine Freiheit befindet, hat n betreten. Es gibt eine breite Kampflinie, die ins Ausland zieht. Der faschistische türkische lind, den unsere Partei und unser Volk erhebt, bereitet neueMassaker vor. Die 20 Todesurteile jel einem PKK-Prozeß vor dem Kriegsrechtsgeis Gericht in Divarbakir verhängte gegen foiln Kavak, Fevzi Yetktn, Cuma Kuyuhan, M. izzet bhset. Irtan Güter, Süleyman Günyeli, Ramazan M. Fahr! Crffkus, Yilmaz Uzun, Celal Baymis und Verband der Patriotischen Arbeiter Kurdistans (YXWrQ 11. Februar 19*8 15. April 1988 Europavertretung der PKK (Arbeiterpartei Kurdistan") Nach außen tritt die PKK im wesentlichen durch drei Unterorganisationen auf: - die Propagandaeinheit "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), - die Kampforganisation "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) sowie - die Basisund Dachorganisation "Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan i n der BRD e.V." (FEYKAKurdistan), in der die örtlichen PKK-Vereine zusammengeschlossen sind. Als weitere "Massenorganisation" zur Mobilisierung neuer Anhänger wurde neben den seit dem Jahre 1987 bestehenden Vereinigungen "Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans" (YKWK), "Union der Patriotischen Frauen Kurdistans" (YJWK) und "Revolutionärer Patriotischer Jugendverband" (YXK) im Januar 1988 der "Verband der Patriotischen Intellektuellen Kurdistans" (YRWK) gegründet. Die PKK nimmt für sich in Anspruch, die einzig legitime Vertreterin für die "kurdische Sache" zu sein. Dadurch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen extremistischen Organisationen. Im Jahre 1988 schloß sie allerdings mit der Sozialrevolutionären "Patriotischen Union Kurdistans" (PUK) ein Bündnis. Die Generalsekretäre beider Organisationen streben damit die Bildung einer "nationalen Front" aller kurdischen Organisationen an, um den "bewaffneten revolutionären Kampf" verstärken zu können. Auch im Jahre 1988 verfolgte die PKK abtrünnige Parteimitglieder. Im Februar 1988 entführte sie in Bielefeld und Braunschweig zwei ehemalige Aktivisten, um sie in Köln vor ein "Volksgericht" zu stellen. Beide konnten jedoch fliehen. Die Ermittlungen aufgrund dieser Ereignisse führten im Frühjahr 1988 zur Festnahme von 14 hochrangigen Parteifunktionären u.a. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Festnahme löste viele Protestmaßnahmen von PKK-Anhängern im Inund Ausland aus. Diese reichten von verbaler Kritik bis zu teilweise gewaltsamen Besetzungen zahlreicher deutscher Einrichtungen und zu Hungerstreikaktionen von Inhaftierten und Anhängern. Die PKK drohte mit der Entführung oder Erschießung eines hohen deutschen Richters oder Staatsanwaltes. PKK-Anhänger besetzten u.a. am 17. Februar 1988 in Düsseldorf das Gebäude des Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie am 18. Februar 1988 in Lyon das deutsche Generalkonsulat und das Büro der Lufthansa, in Köln die Aussichtsplattform des Domes und in Hannover die Rathausvorhalle. Hierbei verteilten sie auch Flugblätter, in denen sie die Bundesregierung beschuldigten, die Kurden zu schikanieren sowie Menschenrechtsverletzungen und Staatsterror zu begehen. "Der westdeutsche Imperialismus bedrohe die kurdischen Patrioten mit Strafverfolgungsmaßnahmen, erpresse diese und greife mit Hausdurchsuchungen, Überfällen und Verhaftungen offen zur Gewalt". Während einer Kundgebung im Zusammenhang mit dem Asylrecht am 27. Februar 1988 in Hannover protestierten ca. 300 Personen, unter ihnen auch ca. 30 Angehörige 108 der autonomen Szene und des terroristischen Umfeldes, gegen die Festnahme der PKK-Funktionäre. Der von der FEYKA-Kurdistan u.a. wegen der inhaftierten PKK-Funktionäre durchgeführte Demonstrationsmarsch mit Unterschriftensammlung von Karlsruhe nach Bonn in der Zeit vom 6. April bis 25. April 1988 führte die Teilnehmer durch Mainz, Bingen, Boppard und Koblenz. Ca. 4.000 Personen demonstrierten am 10. September 1988 in Karlsruhe vor dem Bundesgerichtshof und vor dem türkischen Generalkonsulat gegen die Machtergreifung in der Türkei durch das Militär am 12. September 1980 und gegen die Inhaftierung der PKK-Funktionäre in der Bundesrepublik Deutschland. Am 8. November 1988 erhob der Generalbundesanwalt gegen 16 Mitglieder der PKK, von denen sich 12 in Untersuchungshaft befinden, vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Unterstützung dieser Vereinigung. Den Angeschuldigten werden drei Morde106, ein versuchter Mord107, fünf Freiheitsberaubungen und zwei Urkundenfälschungen vorgeworfen. 106 Morde an dem PKK-Mitglied Murat BAYRAKLI in der Zeit zwischen dem 2. und 4. Juni 1984 in Berlin, an dem PKK-Mitglied Zülfü GÖK am 7. August 1984 in Rüsselsheim und an Ramazan ADIGÜZEL, Funktionär der "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (KOMKAR), am 3- Mai 1987 in Hannover. 107 Mordversuch an dem PKK-Mitglied Mehmet BINGÖL am 29. Mai 1984 im Kreis Bad Kreuznach. 109 Aus Anlaß der Feiern zum 4. Jahrestag des kurdischen bewaffneten Widerstandskampfes (15. August 1984) und des angeblichen Einsatzes von chemischen Waffen der türkischen und irakischen Regierung in Kurdistan war es zu weiteren Protestund Demonstrationsveranstaltungen gekommen. Am 20. September 1988 hatten PKK-Anhänger versucht, das "Irak-Airway-Büro" zu besetzen; hierbei waren 18 Personen vorübergehend festgenommen worden. Wie in jedem Jahr feierten mehrere tausend Parteianhänger den Gründungstag der PKK (27. November 1978) mit Veranstaltungen in Stuttgart und Fallingbostel. In Rheinland-Pfalz wurden im Berichtsjahr Aktivitäten kurdischer Extremisten in den Großräumen Mainz und Ludwigshafen am Rhein sowie in der Westpfalz festgestellt.. 2.2 "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V." (KOMKAR) Bei der im Jahre 1979 gegründeten KOMKAR handelt es sich ebenfalls um eine orthodox-kommunistische Organisation, allerdings mit nationalistischer Tendenz. Sie versteht sich als Dachorganisation kurdischer Arbeiter. Ihr Ziel ist die Errichtung eines föderativen türkisch-kurdischen Staates. In dem "Imperialismus" sieht die KOMKAR wegen seiner "aggressiven Haltung" eine Gefahr. Nach ihrer Einschätzung sind die "nationalen und sozialen Befreiungskämpfe" ein "Teil des Kampfes für den Weltfrieden". Alljährlich führt die KOMKAR bunNEWROZ desweit Veranstaltungen zum kurdischen Neujahrsfest (Newrozfest) DER NEUE TAG durch108. In ihrer Agitation, die sich in erster Linie gegen die politischen Das Newroz-Fest wird seit 2600 Jahren am 21. März als Symbol der Einheit und des Verhältnisse in der Türkei richtet, Widerstandes gefeiert. Es ist ein Fest der bezieht sie immer wieder die BundesBefreiung von fremden Joch. International gilt 21. März auch heute als lag des Antirasrepublik Deutschland mit ein. U.a. sismus und Antikolonialismus. Für uns rief sie dazu auf, das "menschenfeindKurden ist das Newroz-Fest mehr als eine liche Ausländergesetz" abzuschaffen. traditionelle Feier; denn am 21. März 1982 wurde im Militärgefängnis von Diyarbakir Heftige Proteste lösten bei ihr die der zwitgenössische KAWA (der mythische Giftgaseinsätze irakischer Truppen in Held der Kurden), Mazlum DOGAN von kurdischen Siedlungsgebieten aus. Am den Schergen des kolonial-faschistischen Regimes der TR ermordet. Er war und 29. März 1988 besetzte sie die Rathäubleibt Symbol des Widerstandes in den ser in Hagen und Duisburg. Mit andefaschistischen Kerkern und auch außerren linksextremistischen Organisatiohalb. FEYKA-KURDISTAN nen beteiligte sie sich am 25. August 108 Bei einer dieser Feiern wurde am 7. März 1987 in München der PKK-Angehörige Ahmet AYDIN erschossen. Das Mitglied des KOMKAR-Bundesvorstandes Ramazan ADIGÜZEL kam am 3. Mai 1987 in Hannover durch Schüsse ums Leben. 110 1988 an einer Kundgebung vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in BonnBad Godesberg und am 24. September 1988 in Köln an einer Demonstration mit ca. 3.000 Teilnehmern. Die KOMKARführte am 25726. Juni 1988 in Köln ihren 10. Jahreskongreß durch. Die mit ca. 1.000 Personen aus dem Inund Ausland besuchte Versammlung wählte Mehmet SAHIN aus Köln erneut zum Vorsitzenden. 3. Iraner Zur iranischen Oppositionsbewegung in der Bundesrepublik Deutschland gehören orthodox-kommunistische Organisationen, Gruppen der "Neuen Linken" und rechtsextremistische Vereinigungen. Anhänger der KhomeiniRegierung ist die islamisch-extremistische "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.). Zu den wichtigsten Aktionsthemen iranischer Oppositioneller zählten der iranisch-irakische Krieg bis zur Annahme der UNO-Friedensresolution am 18. Juli 1988, die Situation der politischen Gefangenen im Iran, Asylrechtsprobleme und die *wirtschaftliche Unterstützung Irans durch die Bundesrepublik Deutschland. Bei einer Spontandemonstration am 18. April 1988 vor dem Tor 1 der BASF in Ludwigshafen am Rhein forderten sie zur "Solidarität für das iranische Volk" auf und richteten ihren Protest gegen die "Waffenexporte in den Iran und Irak". Antiamerikanische Aktionen löste der Abschuß eines iranischen Flugzeuges durch die amerikanische Marine über der Straße von Hormus am 3-Juli 1988 in mehreren deutschen Städten aus. Diplomatische Vertretungen im Inund Ausland erhielten Drohanrufe und -briefe. In Rheinland-Pfalz wurden vielfach Flugblätter verschiedener, vorwiegend linksextremistischer Splittergruppen verteilt und Informationsstände errichtet. Mainz ist ein besonderer Schwerpunkt iranischer Oppositioneller. 3.1 Orthodoxe Kommunisten Die im Iran verbotene "Tudeh-Partei Iran" bekennt sich auch in ihrem im Jahre 1986 reformierten Programm zur "revolutionären Gewalt" und zum "Sturz des derzeitigen Regimes" im Iran. Sie betrachtet die "Vorbereitung der revolutionären Gewalt" als ihre Aufgabe und will die "Massen dafür vorbereiten". An der Strategie einer vereinigten Volksfront zum Sturz des Khomeini-Regimes hält sie fest (Beschluß der Vollversammlung vom Januar 1988, Zentralorgan "Namen Mardom" - Botschaft des Volkes). Ihre Aktivitäten hatten in der Bundesrepublik Deutschland keine große Wirkung. Ehemalige Mitglieder gründeten im Januar 1988 die "Demokratische Partei des iranischen Volkes", die ebenfalls eine breite Einheitsfront gegen die derzeitige iranische Regierung anstrebt. 111 3.2 "Neue Linke" Die islamisch-fundamentalistische "Iranische Moslemische StudentenVereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (MSV) mit marxistischer Prägung gehört zu den aktivsten iranischen Oppositionsgruppen. Sie wird von der "Organisation der Volksmojahedin Iran" (PMOI) beeinflußt. In ihrer Schrift "Freiheit für Iran" werden regelmäßig "Erfolgsmeldungen" zu Auseinandersetzungen der Volksmojahedin mit den "Unterdrückungsund Folteragenten des Khomeini-Regimes" veröffentlicht. Die MSV rief am 21. Juni 1988 zu einer Demonstration in Bonn auf, an der sich ca. 2.000 Personen beteiligten. In Flugschriften wandte sie sich gegen Waffenverkäufe an das "terroristische Khomeini-Regime" und bat um Unterstützung 112 für ihre "Nationale Befreiungsarmee des Iran". Anlaß war der "Tag der Märtyrer und politischen Gefangenen" (20. Juni)109. Am 2. September 1988 und 10. Dezember 1988 protestierte sie in Bonn gegen die "Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran". Auch in Mainz und Kaiserslautern verteilte sie Flugblätter und Informationsschriften, errichtete Informationsstände und führte Geldsammlungsaktionen durch. Bei der "Organisation Iranischer Demokraten im Ausland" (OIDA) handelt es sich um ein Sammelbecken linksextremistischer Gruppen mit Schwerpunkt im Bereich der "Neuen Linken". Ihr Ziel ist der Sturz der KhomeiniORGANIZATION OF IRANIAN DEMOCHATS ABROAD (OIDA) Organisation des democrates iraniens ä Vitranger Organisation der Iranischen Demokraten im Ausland Offener unet ORGANIZATION OF IRANIAN DEMOCRATS ABROAD (OIDA) Organisation des demoer atet träniert* a t'etranger Organisalton der Iranischen Demokralen im Ausland t Unbefristeter Hungerstreik. -(tm)~"r JsssrsM *-e"^ 'sszazsi;r;;,i s-,S ? " " ','"Zu " " zssessr."x:.:",:;: * PS:-5atz a:: ? ii 5000 Zivilist? Khomeini-Gardisten hatten am 20. Juni 1981 in Teheran eine friedliche Demonstration von mehr als 500.000 Personen gewaltsam aufgelöst. 113 Regierung und die Beseitigung der Einflüsse des Imperialismus im Iran und in der Welt. Sie unterhält bundesweit Sektionen u.a. in Gießen, Frankfurt am Main, Hamburg, München, Heidelberg und Mainz. Die Presseorgane "Iran Report" und "Peyman" erscheinen unregelmäßig. Ihre Bemühungen, durch Neuorientierung in der politischen Arbeit die zersplitterten linksextremistischen Organisationen zu einer starken Opposition zu vereinigen, hatten keinen Erfolg. Am 18. März 1988 übergaben Mitglieder der OIDA einem Vertreter des französischen Konsulats in Mainz einen "Offenen Brief" für den französischen Staatspräsidenten Mitterand mit der Bitte um Freilassung der in Paris inhaftierten iranischen Oppositionellen. In weiteren "Briefaktionen" forderte sie den Bundespräsidenten, den Bundestagspräsidenten und die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf, die Gewährung von Asyl für iranische Flüchtlinge zu erleichtern und sich für die Beendigung des iranisch-irakischen Krieges einzusetzen. Etwa 40 Mitglieder und Sympathisanten führten vom 13. bis. 27. April 1988 in Mainz einen Hungerstreik unter dem Motto "Einstellung jeglicher Lieferung von Waffen und Kriegsgütern an Iran und Irak" und "Nieder mit der iranischen Republik" durch. 3.3 Islamische Fundamentalisten Zu den Anhängern der iranischen Regierung gehört die islamisch-extremistische "Union Islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.)Sie organisierte vor allem Demonstrationen gegen den Giftgaseinsatz irakischer Truppen im iranisch-irakischen Krieg. Am 31 * März 1988 wirkte sie an einer Kundgebung in Bonn mit, bei der das Deutsche Rote Kreuz aufgefordert wurde, gegen die Verwendung chemischer Waffen zu intervenieren. Ferner beteiligte sie sich an einer Demonstration am 9- Juli 1988 in Bonn-Bad Godesberg gegen den Abschuß eines iranischen Airbusses durch die amerikanischen Streitkräfte am 3. Juli 1988 im Persischen Golf. Der alljährlich stattfindende Jerusalem-Tag (Ghods-Tag) am 23Mai 1988 bezeichnet die U.I.S.A. als "Tag des Aufstandes aller Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker". 4. Araber Die bedeutendsten arabischen extremistischen Organisationen sind die "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO), die Dachorganisation der palästinensischen Befreiungsbewegung, die größte PLO-Organisation "AL FATAH"110, die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und der AL FATAH - beeinflußte "Palästinensische Arbeiterverband i n der Bun110 Yassir ARAFAT ist Führer der "AL FATAH" und zugleich Vorsitzender des Exekutivkomitees der PLO. 114 desrepublik Deutschland und West-Berlin" (PAV), die größte palästinensische Organisation im Bundesgebiet. Ihre politischen Aktivitäten, u.a. in Darmstadt, Hamburg, Berlin und Bonn, richteten sich hauptsächlich gegen das Vorgehen israelischer Sicherheitskräfte im Gaza-Streifen und in der Westbank. Im Gedenken an den am 16. April 1988 in Tunis ermordeten Stellvertreter Yassir ARAFATS, den stellvertretenden Kommandierenden der Streitkräfte Khalil ALWAZIR (ABU JIHAD), kam es bundesweit zu mehreren Solidaritätsveranstaltungen. Aufsehen erregte die Sicherstellung von Sprengstoff, einer Panzerfaust, Mörser--, Gewehrund Handgranaten, Maschinenpistolen, Munition u.a. am 26. Oktober 1988 in einer Wohnung in Frankfurt am Main anläßlich eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder der "Volksfront für die Befreiung Palastinas - Generalkommando" (PFLP-GC)111. Mit der Entdeckung dieses Waffenlagers ist den Sicherheitsbehörden mit großer Wahrscheinlichkeit die Aufdekkung eines vorgesehenen schweren Gewaltverbrechens gelungen. Die Gefährdung der inneren Sicherheit durch proiranische, schiitische Terroristen dauern an. Der Strafprozeß gegen Mohammed Ali HAMADI vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist noch nicht abgeschlossen. Seinen Bruder Abbas Ali HAMADI hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf am 19. April 1988 wegen zweifacher Geiselnahme in Tateinheit mit Nötigung von Verfassungsorganen sowie gegen das Sprengstoffund Luftverkehrsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. 5. Iren Zu den aktivsten und gefährlichsten ausländischen Terrororganisationen gehört die im Jahre 1969 von der "Irish Repubücan Army" (IRA) abgespaltene "Provisional Irish Repubücan Army" (PIRA). Sie sieht im "bewaffneten Kampf den einzigen Weg für die "Befreiung" Nordirlands von Großbritannien. Seit Anfang der 70er Jahre führt sie Anschläge auch auf dem europäischen Festland durch. In der Bundesrepublik Deutschland sind militärische und zivile Einrichtungen Großbritanniens sowie Angehörige der britischen Rheinarmee durch die PIRA gefährdet. Im Berichtszeitraum bekannte sich die PIRA durch "Selbstbezichtigungsschreiben" zu vier Terrorakten. Am 30. April 1988 wurden zwei Soldaten der britischen Rheinarmee in Nieuw-Bergen (Niederlande) durch einen Sprengstoffanschlag auf ihr Kraftfahrzeug getötet. Ein Tag später wurden in Roermond (Niederlande) ein Angehöriger der britischen Rheinarmee erschossen und zwei weitere britische Soldaten schwer verletzt. Am 13Juli 1988 verletzte eine 111 Die Organisation trat in den 70er Jahren durch spektakuläre Terrorakte gegen den zivilen Luftverkehr hervor; in den letzten Jahren beschränkte sie sich im wesentlichen auf Operationen in Israel. 115 Sprengstoffexplosion auf dem Gelände der Glamorgan-Kaserne in DuisburgWanheim acht Soldaten der britischen Rheinarmee. Bei einem Sprengstoffanschlag am 5. August 1988 auf die Roy-Kaserne in Ratingen wurden schließlich drei britische Soldaten und eine deutsche Zivilangestellte von umherfliegenden Splittern verletzt. Die Sicherheitsbehörden nahmen am 30. August 1988 im Grenzbereich Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) zwei PIRA-Angehörige fest, die mit einem in Mainz zugelassenen Kraftfahrzeug aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollten. Im Kraftfahrzeug wurden Waffen und Munition sichergestellt. 6. Jugoslawen Zu den bekanntesten jugoslawischen Emigrantenvereinigungen gehören die "Kroatische Staatsbildende Bewegung" (HDP) und der "Kroatische Nationalrat" (HNV). Die HDP wurde im Juni 1981 in Schweden als Gegenpol zum HNV gegründet und versteht sich als Sammelbecken linksorientierter kroatischer Emigranten. Ziel der HDP ist die Errichtung eines unabhängigen Staates Kroatien in seinen ethnischen Grenzen. In der im Dezember 1986 modifizierten Vereinssatzung wird besonders der "kroatisch-nationale Befreiungskampf" herausgestellt: "Die Art des nationalen Befreiungskampfes bestimmen u.a. auch die Methoden, die der Feind anwendet, um dem Volk weiterhin die Freiheit vorzuenthalten". Auch die Jugendorganisation der HDP, die "Kroatische Staatsbildende Jugend", hat nach den Prinzipien der Bewegung zu handeln. Der HNV war bereits im Jahre 1974 in Toronto (Kanada) gegründet worden. Er ist der nationalistische Dachverband kroatischer Emigrantenvereinigungen mit Sitz in New York. Bei den Wahlen zum 7. Sabor112 des HNV im Dezember 1987 wurden sieben in der Bundesrepublik Deutschland lebende Exilkroaten in das 30 Mitglieder umfassende Gremium gewählt. Zentrale Gedenkveranstaltungen jugoslawischer Emigranten fanden aus Anlaß der Gründung des "unabhängigen Staates Kroatien" (10. April 1941) am 9. April 1988 in München und Frankfurt am Main statt. Am 10. Oktober 1988 wurde in Schottland der HDP-Vorsitzende Nikola STEDUL durch Schüsse schwer verletzt; es handelte sich vermutlich um einen Mordanschlag aus politischen Motiven. In Rheinland-Pfalz gingen von beiden Organisationen keine nennenswerten Aktivitäten aus. 7. Sikhs Die extremistischen Organisationen der Religionsgemeinschaft der Sikhs in der Bundesrepublik Deutschland, von denen einige gewaltbereit sind und terrori112 Parlament. 116 stisch operieren, streben die Errichtung eines unabhängigen Staates Khalistan an. Ihr Heimatland ist der indische Bundesstaat Punjab. Für ihre Autonomiebestrebungen werben sie auch in der Bundesrepublik Deutschland durch Flugblattaktionen und Demonstrationen. Die Aktivitäten ließen jedoch im Berichtsjahr erheblich nach. Beim Staatsbesuch des indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi in der Zeit vom 6. bis 8. Juni 1988 kam es vereinzelt zu Protesten. Am 7. Juni 1988 demonstrierten ca. 200 Sikhs in Bonn mit Transparenten "Die Sikhs wollen die Kette der Sklaverei durchbrechen" und "20 Millionen Sikhs fordern einen unabhängigen Staat Khalistan". Die Abschlußkundgebung fand vor der indischen Botschaft statt. 8. Tamilen Zu den Gruppen extremistischer Tamilen gehört die linksgerichtete "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE). Wegen ihres gewaltorientierten Kampfes für einen unabhängigen Staat Tamil Eelam ist sie in ihrem Heimatland Sri Lanka verboten. Anhänger der LTTE führten am 20. Februar 1988 und 6. Juni 1988 Kundgebungen in Bonn durch. Auf Transparenten wiesen sie auf die angebliche Vernichtung von Tamilen in Sri Lanka durch die indische Armee hin. Dem indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi machten sie den Vorwurf, terroristische Akzente gesetzt zu haben. Eine Demonstration am 30. Juli 1988 in Düsseldorf richtete sich gegen den Einsatz indischer Truppen in Sri Lanka. Mitte April 1988 begann vor dem 4. Strafsenat beim Oberlandesgericht Stuttgart der Prozeß gegen fünf LTTE-Mitglieder wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. In Rheinland-Pfalz wurden vereinzelt Flugblätter der LTTE verteilt. 117 D. Spionageabwehr Eines der zentralen Aufgabengebiete des Verfassungsschutzes ist die Spionageabwehr. 1. Die geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht Geheimdienstliche Tätigkeiten sind Aktivitäten eines Geheimdienstes sowie für einen Geheimdienst mit Mitteln der geheimen Nachrichtenbeschaffung (nachrichtendienstlichen Mitteln). Sie umfassen die Spionage, die Sabotage und Subversion113. Der allgemein übliche Begriff der Spionageabwehr ist daher zu eng. Sabotage und Subversion fallen unter den Oberbegriff "aktive Maßnahmen".Neben Sabotage und Subversion rechnen zu den "aktiven Maßnahmen" auch die Gewalt gegen Menschen, insbesondere Mord und Entführung. Die Grenzen zum Staatsterrorismus114 sind fließend. Unter Spionage wird die Nachrichtenbeschaffung für einen ausländischen Geheimdienst verstanden. Als strafrechtliche Tatbestände kommen vor allem eine landesverräterische Agententätigkeit nach SS 98 StGB (Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen)115 oder eine geheimdienstliche Agententätigkeitkeit nach SS 99 StGB (geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland) in Betracht. Jegliche Tätigkeit fremder Geheimdienste im Bundesgebiet verstößt gegen wesentliche Belange des Staates, wenn sie nicht fremden Staaten vertraglich zugestanden wurde 116 . Sabotage ist die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen mit dem Ziel, die Funktionsfähigkeit eines Staates zu beeinträchtigen. Das Strafrecht unterscheidet zwischen Agententätigkeit zu Sabotagezwecken nach SS 87 StGB und der verfassungsfeindlichen Sabotage nach SS 88 StGB. Während SS 87 StGB die Vorbereitung von Sabotagehandlungen unter Strafe stellt, die im Auftrag von ausländischen Regierungen, Vereinigungen oder Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland begangen werden sollen, hebt SS 88 StGB nicht auf die Täterschaft für eine fremde Macht ab. 113 Auch Zersetzung oder Beeinflussung genannt. 114 Staatsterrorismus umfaßt staatlich gesteuerte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder fremdes Eigentum in fremden Ländern. 115 Den Begriff des Staatsgeheimnisses definiert SS 93 StGB. Danach fallen darunter Tatsachen, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. 116 Vgl. schriftlichen Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 15.6.1972 im Rahmen der Gesetzesnovelle vom 7.8.1972, BT-Drucks. VI/3533, S. 4. 118 Subversion bedeutet die Einwirkung auf die Meinungsund Willensbildung von Staatsorganen, Medien und der Öffentlichkeit durch Verbreiten von Haibund Unwahrheiten mit dem vornehmlichen Ziel, Mißtrauen zu schüren und günstige Bedingungen für einen Umsturz zu schaffen. Sie wird nicht nur von den Nachrichtendiensten des Ostblocks, sondern auch von sowjetisch gesteuerten Tarnorganisationen, den sog. Frontorganisationen117, betrieben. Hierbei leisten in der Bundesrepublik Deutschland die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und ihr Umfeld beachtliche Unterstützungsarbeit. Grundsätzlich werden keine Mitglieder der DKP für eine Spionagetätigkeit angeworben. Eine Ausnahme bilden ehemalige Mitglieder, die möglicherweise gerade zum Zweck der Spionage aus der Partei ausgetreten sind bzw. "ausgeschlossen" wurden. Subversion und nachrichtendienstliche Aufklärung sind so eng miteinander verflochten, daß die Bereiche "Spionageabwehr" und "Linksextremismus" der Verfassungsschutzbehörden auf Koordination nicht verzichten können. Zu den bekanntesten Mitteln der Subversion zählen die Desinformation und der Einsatz von Einflußagenten. Desinformation ist die subtilste Destabilisierungsmaßnahme der Geheimdienste des Ostblocks gegenüber dem Westen. Es handelt sich um das Zuspielen von falschen, unvollständigen, entstellten oder überholten Informationen. Ihr Inhalt wird bestimmt von Lenins Ausspruch "Erzähl ihnen, was sie zu glauben wünschen." Im Gegensatz zur konventionellen Propaganda verschleiert die Desinformation ihre Herkunft und ist grundsätzlich mit geheimdienstlichen Aktionen verbunden. Beabsichtigt ist, die Empfänger zu einem von der politischen Führung des kommunistischen Staates gewünschten Verhalten zu veranlassen. Über eine sogenannte Rücklaufinformationsschiene erfahren die Geheimdienste die Reaktion des Betroffenen auf die entstellte Nachricht und ergänzen ggf. ihre Desinformationsoperation. Einflußagenten haben den Auftrag, unter Ausnutzung ihrer politischen, beruflichen und gesellschaftlichen Stellung die Meinungsund Entscheidungsprozesse der westlichen Demokratien im Sinne der kommunistischen Ideologie und Politik zu beeinflussen. Da sie keine Dokumente entwenden und sich nicht regelmäßig mit ihren Führungsoffizieren treffen, sind sie sehr schwer zu enttarnen. "Frontorganisationen" sind von der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der "Kommunistischen Partei der Sowjetunion" (KPdSU) gelenkte internationale Hilfsorganisationen 2ur Verwirklichung der Ziele des Kommunismus sowjetischer Prägung. Ihre wahren Anliegen verbergen sie hinter einer Fassade ("front") allgemeingültiger Wertvorstellungen, um von Demokraten anerkannt zu werden. 119 2. Die gegnerischen Nachrichtendienste Zu den gegnerischen Nachrichtendiensten 118 zählen insbesondere die Nachrichtendienste der Staaten des Warschauer Paktes. Die Sowjetunion betreibt zwei Auslandsnachrichtendienste: - das "Komitee für Staatssicherheit" (KGB), den bedeutendsten Auslandsnachrichtendienst der Warschauer-Pakt-Staaten, und - die "Hauptverwaltung für Erkundung" (GRU), den militärischen Auslandsnachrichtendienst . Das KGB untersteht unmittelbar dem Politbüro des Zentralkomitees der KPdSU und dem Ministerrat der Sowjetunion. Es beschäftigt etwa 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und dementsprechend eine Vielzahl von Spionen im Ausland. Für die Auslandsspionage ist die Erste Hauptverwaltung mit den Direktoraten S (Agentenausbildung und -führung), T (Technik und Wissenschaft) und I (Auswertung und Analyse) zuständig. In Berlin-Karlshorst verfügt das KGB über die stärkste Außenstelle außerhalb der Sowjetunion mit etwa 300 hauptamtlichen Mitarbeitern. Sie untersteht unmittelbar der Zentrale in Moskau und ist Hauptträger der sowjetischen Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die GRU, der ca. 15.000 hauptamtliche Mitarbeiter zugeordnet werden, ist dem Generalstab unterstellt. Ihre Außenstelle auf deutschem Boden, die dem in Wünsdorf gelegenen Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte in der DDR angeschlossen ist, verfügt auch über ca. 300 hauptamtliche Mitarbeiter. Eine maßgebliche Aufgabe bei der GRU-Aufklärung in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen die bei den Oberbefehlshabern der Stationierungsstreitkräfte der drei Mächte akkreditierten Sowjetischen Militärmissionen (SMM) in Baden-Baden, Bünde (Westfalen) und Frankfurt am Main. Der DDR stehen zwei Auslandsnachrichtendienste zur Verfügung: - die "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)119 in Berlin-Lichtenberg, Normannenstraße 22 unter Leitung von Generaloberst Werner Großmann als Nachfolger von Generaloberst Markus Johannes Wolf und " " I m Gegensatz zu den gegnerischen Nachrichtendiensten handelt es sich bei den befreundeten Diensten angesichts der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Bündnissystem um die Nachrichtendienste der NATO-Staaten. Ihnen steht nach Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3.8.1959 (BGBl. 1961IIS. 1183), geändert durch Abkommen vom 21.10.1971 (GBG1.1973 II S. 1021).) das Recht zu, zum Schutze ihrer im Bundesgebiet stationierten Truppen hier tätig zu sein. 119 Minister für Staatssicherheit ist Erich Mielke, der am 28. Dezember 1988 81 Jahre alt wurde. 120 DDR H a u p t v e r w a l t u n g Aufklärung (HVA) Parteileitung V e r b i n d u n g s s t a b KGB i m MfS Abteilung I Sektor Abteilung Referat C / D Abteilung VIII Ministerien, O b e r s t e Wissenschaft u n d Rückwärtige Dienste Chiffrierwesen O p e r a t i v e Technik Bundesbehörden Technik (SWT) (HD) C- Verfahren Abteilung II Abteilung IX Parteien, O r g a n i s a t i o n e n Abteilung V Referat G e g n e r i s c h e Dienste Büro d e r HVA Auswertung Kader Kirchen Gegenspionage Abteilung XIII Referat R Abteilung III Abteilung X Referat Physik. Biologie Registratur Westeuropa Aktive M a ß n a h m e n Finanzwesen Chemie Kartei. Archiv Abteilung IV Abteilung XIV Abteilung XI Referat Militärische Elektronik Nordamerika Grenzreferat Aufklärung Kraftfahrzeugwesen Wissenschaft!. Geräte Abteilung VI Abteilung XV. Abteilung XII Übersiedlungen Maschinen, Anlagen Dritte Welt Bauwesen Schule d e r HVA Dokumente r'ahr/eugbau Abteilung VII Auswertung - die "Verwaltung Aufklärung" (VA) des Ministeriums für Nationale Verteidigung in Berlin-Oberschöneweide (Tarnbezeichnung "MathematischPhysikalisches Institut der Nationalen Volksarmee"). Der Personalbestand beider Nachrichtendienste wird auf ca. 2000 bzw. ca. 800 hauptamtliche Beschäftigte geschätzt. Auch die anderen Warschauer-Pakt-Staaten Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verfügen über einen zivilen und einen militärischen Auslandsnachrichtendienst, mit denen sie die Bundesrepublik Deutschland ausspähen. Die Nachrichtendienste der anderen Warschauer-Pakt-Staaten ziviler Dienst militärischer Dienst Polen "Sicherheitsdienst" (SB) "II. Verwaltung des Generalstabes der Polnischen Volksarmee" (Z II) - Auslandsnachrichtendienst - Tschecho"Hauptverwaltung "Offensiver militärischer slowakei Staatssicherheit" (STB) Nachrichtendienst" (ZS) Ungarn "Staatssicherheits"2. Hauptamt im Generalstab" dienst" (ABSZ) (VK II) Rumänien "Sicherheitsdienst/ "Militärischer Nachrichtendienst" Securitate" (DSS) Bulgarien "Staatssicherheit" (KDS) "Militärischer Nachrichtendienst" (RUMNO) Daneben betätigen sich Jugoslawien (insbesondere gegen Exilkroaten) und weitere kommunistische Staaten in der Bundesrepublik Deutschland geheimdienstlich. 122 3- Allgemeiner Überblick Im Jahre 1988 konnten weit mehr Personen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für ein Ostblockland festgenommen werden, als in den Jahren zuvor.120 Im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen insbesondere die vom Generalbundesanwalt im März eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Agenten der sowjetischen Nachrichtendienste, darunter der Fall der Bürosachbearbeiterin im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit Elke FALK. Viele Bundesbürger, die sich beruflich oder privat in den Warschauer-PaktStaaten aufgehalten haben, offenbarten nach ihrer Rückkehr, nachrichtendienstlichen Werbungsbemühungen östlicher Nachrichtendienste ausgesetzt gewesen zu sein. Zahlreiche Übersiedler aus der DDR bzw. Aussiedler aus den Ostblockländern gaben bei ihrer Ankunft an, daß ihre Ausreise von einer nachrichtendienstlichen Verpflichtung abhängig gemacht wurde oder werden sollte. Alle diese Fälle belegen, daß die gegnerischen Nachrichtendienste ihre Aktivitäten im Jahre 1988 unverändert fortsetzten, trotz politischer Annäherung, militärischer Abrüstung, Perestroika und Glasnost. Ihre Bemühungen galten vor allem den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, der illegalen Beschaffung im besonderen Maße militärisch nutzbarer Technologie121, aber auch scheinbar unwesentlichen Informationen, die Einblick in die allgemeine Lebensund Handlungsweise der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland geben. Um die vielfältige geheimdienstliche Agententätigkeit aufrechterhalten zu können, war ein hoher materieller und personeller Aufwand der Nachrichtendienste des Ostblocks erforderlich. Die Hauptlast der Aufklärungsarbeit leisteten wiederum die Nachrichtendienste der DDR, die "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und die "Verwaltung Aufklärung" (VA) des Ministeriums für nationale Verteidigung. 4. Werbung von Agenten Trotz des Einsatzes modernster Technik zur Aufklärung des "Operationsgebietes Bundesrepublik Deutschland" ist in der Nachrichtenbeschaffung der Mensch als Quelle unverzichtbar. Es kommen nicht nur Personen mit Zugang zu geheimzuhaltenden Informationen jedweder Art als sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) in Betracht, sondern jeder, der, wenn auch nur im entfern120 1988: 60, 1987: 34, 1986: 43 und 1985: 18 Personen 121 Die NATO-Mitgliedstaaten, mit Ausnahme von Island und Spanien, sowie Japan sind im "Coordinating Committee for East-West-Trade-Policy" (COCOM) mit Sitz in Paris zusammengeschlossen. COCOM stellt auf Listen die Güter zusammen, die nicht in die RGW-Staaten - die Ostblockstaaten sind im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengeschlossen - ausgeführt werden dürfen. 123 testen, für eine nachrichtendienstliche Mitarbeit geeignet erscheint. Nicht immer steht deshalb die Überlegung im Vordergrund, einen Mitarbeiter einer Behörde, eines Institutes oder eines Unternehmens zu werben, um wichtige Erkenntnisse zu erhalten. Häufig werden Beziehungen zu Personen angebahnt, die lediglich eine interessante berufliche Perspektive haben, deren möglicher Einsatzort aber noch gar nicht feststeht (Perspektivagenten), und zu solchen, von denen man sich erhofft, daß sie auf Ansätze für die nachrichtendienstliche Werbung anderer (Tips) hinweisen können (Tipgeber). Auch sind Personen gefragt, die in einer bestehenden Agentenverbindung als Kuriere oder Instrukteure Anweisungen der Führungsstelle an Agenten weitergeben sollen. Die Nachrichtendienste der DDR haben den größten Anteil am Werbungsaufkommen. Dies hängt mit den für sie günstigen Operationsbedingungen, wie etwa der gleichen Sprache und Kultur, ähnlichen Lebensgewohnheiten sowie verwandtschaftlichen Bindungen, zusammen. Die östlichen Nachrichtendienste nutzen alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu den Zielpersonen. Werbungsversuchen waren insbesondere die Bundesbürger ausgesetzt, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen im Ostblock aufhielten. Die gegnerischen Nachrichtendienste sprechen selbst im Bundesgebiet oder im westlichen Ausland Personen an, um sie für nachrichtendienstliche Zwecke zu gewinnen. Auch die Bürger der Warschauer-Pakt-Staaten blieben von Anbahnungsversuchen nicht verschont. Häufig sollten sie am Arbeitsplatz, im Verein oder in der kirchlichen Gemeinde Spitzeldienste leisten, aber auch Spionageaufträge bei Besuchsreisen im Westen ausführen. Dabei überrascht die angesprochenen Personen immer wieder die bis ins Detail gehende Kenntnis der Werber über deren Lebensumstände. Dieses Wissen gewinnen die Nachrichtendienste der Warschauer-Pakt-Staaten auf unterschiedliche Art. Sie werten die Antragsunterlagen von Bundesbürgern für Ostreisen sowie Adreßund Telefonbücher aus, befragen Verwandte oder Bekannte im Ostblock oder setzen sogar "Offizielle Reisekader"122 und eigene Agenten ein, Zielpersonen im Bundesgebiet abzuklären. Die Werbungsmethoden der gegnerischen Nachrichtendienste sind vielfältig und häufig auf den Einzelfall abgestellt. Die Angst der Betroffenen vor Bestrafung wegen einer Gesetzesübertretung bei Verkehrsverstößen, Devisenund Zollvergehen wird ebenso als Druckmittel eingesetzt wie deren Befürchtung, die begehrte Einreiseerlaubnis oder Besuchsbzw. Aussiedlungsgenehmigung im Ablehnungsfalle nicht zu erhalten. Verwandtschaftliche oder andere enge menschliche Beziehungen, wie beabsichtigte Eheschließungen, werden ohne Hemmungen ausgenutzt. 122 In der Mehrzahl Anhänger der kommunistischen Ideologie, teilweise auch Personen, die bei Ablehnung des nachrichtendienstlichen Auftrages die Verweigerung der begehrten Westreisen befürchten. 124 Es wird Geld geboten, falls finanzielle Schwierigkeiten bestehen, oder es werden andere Vorteile versprochen. In einigen Fällen wird der nachrichtendienstliche Hintergrund zunächst verschleiert und eine andere Motivation, etwa ein Bezug zum Beruf oder Hobby, als Gesprächsanlaß vorgegeben. Diese Legende soll zunächst den näheren Kontakt zur Zielperson ermöglichen. Die eigentliche Verstrickung erfolgt erst anläßlich weiterer Treffen, zu denen die Angesprochenen möglichst in den Ostblock eingeladen werden. 5. Auftragsschwerpunkte Im Mittelpunkt der Spionageaktivitäten der östlichen Nachrichtendienste standen 1988 in Rheinland-Pfalz wiederum die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland, ihre militärischen Einrichtungen und Ausrüstungen sowie die von ihnen durchgeführten Manöver. Die gegnerischen Nachrichtendienste versuchten, insbesondere Personen als Agenten zu werben, die aufgrund ihres Berufes oder Wohnortes Zugang zu militärischen Einrichtungen hatten. Aber auch Besuchsreisende aus dem Ostblock sollten Informationen beschaffen. Dem gleichen Zweck dienten in Rheinland-Pfalz wieder die Aufklärungsfahrten der bei dem Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte akkreditierten sowjetischen Militärmission (SMM) in Baden-Baden. Besonders zu Zeiten der Manöver wurden Missionsmitglieder, die Angehörige des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes "Hauptverwaltung für Erkundung" (GRU) sind, immer wieder in den für sie gesperrten Gebieten festgestellt. Aber auch Industriebetriebe und die Hochschulen waren Ausspähungsbemühungen ausgesetzt. Dabei stand nicht nur die Beschaffung wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Informationen im Vordergrund. Teilweise dienten die Aufträge der Vorbereitung von Werbungsversuchen dort beschäftigter Personen. Erhebliche Beachtung fand in der Öffentlichkeit die Festnahme des ehemaligen US-Feldwebels Clyde Lee CONRAD im August 1988, der dem ungarischen Nachrichtendienst jahrelang geheime Dokumente aus einem Archiv der amerikanischen Streitkräfte in Bad Kreuznach zugespielt haben soll. Die Ermittlungen dauern noch an. 6. Führung von Agenten Die Aktivitäten der Nachrichtendienste der Warschauer-Pakt-Staaten erfordern ein funktionierendes Kommunikationssystem zwischen Führungsstelle und Agenten, dem nach DDR-Sprachgebrauch "heldenhaften Kämpfer an der unsichtbaren Front" oder "Kundschafter des Friedens". Die Verbindungssysteme der einzelnen Dienste unterscheiden sich nur wenig und änderten sich im wesentlichen nicht. Eine wichtige Rolle spielen der 125 Treff23 zwischen Agent und Führungsoffizier bzw. Instrukteur, der aus Sicherheitsgründen zumeist im Ostblock oder im neutralen Ausland stattfindet, und der Nachrichtentransport durch die Post an Deckadressen im kommunistischen Machtbereich oder mit Hilfe von Kurieren, die "Tote Briefkästen"12'1 aufsuchen, entleeren und mit für den Agenten bestimmten Informationen versehen. Die östlichen Nachrichtendienste stützen sich auch auf die offiziellen Einrichtungen wie Botschaften, Konsulate, Handelsvertretungen, Luftverkehrsgesellschaften, Reisebüros und Staatshandelsunternehmen.Angehörige der "Legalen Residenturen" 125 in diesen amtlichen und halbamtlichen Vertretungen und Einrichtungen der Staaten des Warschauer Paktes wurden als Führungsoffiziere und "Operative Reisekader" eingesetzt. Auffällig war, daß sich unter den erkannten Kurieren und Instrukteuren in der letzten Zeit häufiger Personen im Rentenalter oder Verwandte des Agenten befanden; der Besuchsreiseverkehr wurde vermehrt als Legende benutzt.Zum Transport der konspirativ beschafften Informationen, Kameras, Falschausweise, Geldscheine, Chiffrierunterlagen und Mikrofilme wurden Container eingesetzt. In einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand, beispielsweise Spraydose, Aktenkoffer, Briefmappe oder Feuerzeug, wird ein versteckter Hohlraum zur Aufnahme der Materialien geschaffen, der ohne Sachkenntnis nicht feststellbar ist. Die sogenannten klassischen nachrichtendienstlichen Hilfsmittel, wie etwa das Geheimschriftverfahren durch Kontaktpapier und die Mikratfotografie, kommen nach wie vor zum Einsatz. Neben dem Telefon und dem Agentenfunk finden neuere technische Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung wie Taschenrechner und Heimcomputer immer mehr Verwendung. Die Nachrichtenübermittlung wird durch sie immer risikoloser und effektiver. Nach wie vor unverzichtbar ist die Schulung des Agenten insbesondere im konspirativen Verhalten, Erkennen von Observationen, Funkverkehr sowie Geheimschriftverfahren und in der Nutzung neuer Techniken.Diese Lehrgänge dauern häufig mehrere Tage und erfordern eine Legende für die längere Abwesenheit des Agenten von seinem Wohnort. Zur Tarnung werden vor allem Urlaubsund Kuraufenthalte sowie Verwandtenbesuche im Ostblock angegeben. 123 Konspirative Zusammenkunft in Hotels, Lokalen oder dafür eigens angemieteten konspirativen Wohnungen. 124 Verstecke für nachrichtendienstliches Material. 125 In offiziellen Institutionen getarnte nachrichtendienstliche Stützpunkte. 126 Instrukteure oder Kuriere. 126 7. Einzelfälle Fall 1: Westauftrag nach vorhergegangener Spitzeltätigkeit L. wurde zur Klärung eines Sachverhaltes zum Volkspolizeikreisamt (VPKA) seines Wohnortes in der DDR vorgeladen, wo ihn zwei MfS-Angehörige erwarteten. Nach einem längeren Gespräch kamen diese auf ihr wirkliches Anliegen zu sprechen und forderten L. auf, Westkontakte von Kollegen festzustellen, deren Verhalten im Betrieb zu beobachten und Stimmungsberichte zu fertigen. L. erklärte sich nach der Drohung, im Weigerungsfalle seinen qualifizierten Arbeitsplatz zu verlieren, zu der Spitzeltätigkeit für das MfS bereit. Einige Zeit später wurde L. zu einer Familienfeier seiner Angehörigen ins Bundesgebiet eingeladen. Er beantragte eine Ausreisegenehmigung und unterrichtete seinen Führungsoffizier. Dieser beauftragte ihn, für das MfS in der Bundesrepublik Deutschland geheimdienstlich tätig zu werden. Er sollte u.a. Informationen über die Grenzabfertigung beschaffen. Um sich aus der MfS-Verpflichtung lösen zu können, beschloß L., nicht mehr in die DDR zurückzukehren. Nach seiner Ankunft im Bundesgebiet offenbarte er sich unverzüglich den Sicherheitsbehörden. Fall 2: Werbungsversuch mit d e m Angebot der Haftentlassung in die Bundesrepublik Deutschland Der Mechaniker E. war in der DDR wegen verschiedener Eigentumsdelikte in Haft. Kurze Zeit nach Haftantritt wurde er von einem MfS-Mitarbeiter aufgesucht,der ihn aufforderte, Mitgefangene zu bespitzeln und die gewonnenen Informationen an ihn weiterzuleiten. Sein besonderes Interesse galt Personen, die wegen versuchter Republikflucht inhaftiert waren. Als Gegenleistung stellte man E. Haftverkürzung in Aussicht. Daraufhin erklärte sich dieser einverstanden und fertigte verschiedene Berichte über Mithäftlinge an. Einige Zeit später bot der Führungsoffizier E. seine vorzeitige Haftentlassung mit gleichzeitiger Übersiedlung in die Bundesrepublik an, wenn E. bereit sei, auch dort weiterhin für das MfS zu arbeiten. Zu einer Verpflichtung kam es jedoch nicht, da dem Führungsoffizier bekannt wurde, daß E. von Mitgefangenen als Spitzel bezeichnet wurde. E. wurde daraufhin auf Bewährung in die DDR entlassen. An seinem Arbeitsplatz kam erneut ein MfS-Mitarbeiter auf ihn zu und verlangte von ihm Berichte über seine Kollegen. Da dieser mit dem Entzug der Bewährung drohte, wagte E. es nicht, den Auftrag abzulehnen. Er sah keine andere Möglichkeit, sich der MfS-Verpflichtung zu entziehen, als durch die Flucht in die Bundesrepublik. Hierbei wurde er gestellt und wegen versuchter Republikflucht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Gleichzeitig mußte er die gegen Bewährung ausgesetzte Reststrafe verbüßen. Nach Beendigung der Haftzeit wurde er ins Bundesgebiet entlassen. 127 Fall 3: ND-Aufträge während eines Besuchsaufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland Der polnische Schlosser K. wurde anläßlich der Beantragung eines Reisepasses für eine Besuchsreise in die Bundesrepublik Deutschland auf eine Zusammenarbeit mit dem zivilen polnischen Nachrichtendienst (SB) angesprochen. Um die Aushändigung des Passes nicht zu gefährden, stimmte er einer Mitarbeit zu. Er erhielt einen Decknamen. Sein Auftrag lautete, am Wohnort seiner Verwandten Kasernen und andere militärische Einrichtungen auszuspähen. Weiterhin sollte er Informationen über dort wohnende oppositionelle Polen sammeln. K. stellte nach seiner Einreise ins Bundesgebiet einen Asylantrag. Fall 4: Anbahnungsversuch eines rumänischen Nachrichtendienstes anläßlich der Antragstellung auf Ausreise Der Student R. wurde zur Polizeidienststelle seines Wohnortes in Rumänien vorgeladen. Dort warteten zwei Angehörige eines rumänischen Nachrichtendienstes und verlangten Auskünfte über seine Freundin S., die an der gleichen Universität wie er studierte und aus der Bundesrepublik Deutschland stammte. Sie gaben vor, S. betätige sich in einer antikommunistischen Studentenorganisation, und forderten R. zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit auf. Sie versprachen ihm Vorteile, falls er über Aktivitäten von S. und anderen ausländischen Studenten berichte. R. wies dieses Ansinnen zurück. Als R. die Genehmigung zur Eheschließung mit S. beantragte, wurde er erneut vorgeladen. Man drohte ihm, er dürfe sein Studium nicht fortsetzen, falls er S. heirate. Trotzdem nahm R. seinen Antrag nicht zurück und konnte einige Zeit später mit S. die Ehe schließen. Da man dieser nach Abschluß ihres Studiums versagte, R. in Rumänien zu besuchen, beantragte er die Ausreise. Um ausreisen zu können, erklärte er sich zum Schein auf Aufforderung zur nachrichtendienstlichen Mitarbeit bereit und unterzeichnete eine Verpflichtungserklärung. Er sollte sich nach seiner Ankunft im Bundesgebiet melden, um weitere Instruktionen zu erhalten. Nach seiner Ankunft im Bundesgebiet offenbarte R. seine nachrichtendienstlichen Kontakte. 128 E. Personeller und materieller Geheimschutz sowie personeller Sabotageschutz Die Darstellung der Aktivitäten östlicher Geheimdienste macht deutlich, daß die Ausspähungsbemühungen der gegnerischen Geheimdienste unvermindert fortbestehen. Es ist deshalb wichtig, nicht nur nachrichtendienstliche Angriffe zu erkennen und abzuwehren, sondern ebenso ihnen von vornherein durch präventive Maßnahmen wirksam zu begegnen. Ein wesentlicher Teil der Spionagebekämpfung besteht daher in der Absicherung der gefährdeten Bereiche durch den personellen und materiellen Geheimschutz. Geheimschutz ist vorbeugende Spionageabwehr. Die vorbeugende Abwehr gilt ebenfalls für den personellen Sabotageschutz. Der Verfassungsschutz wirkt bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen sowie bei technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen anderer Stellen mit. Je vorausschauender der vorbeugende Geheimschutz und der vorbeugende Sabotageschutz arbeiten, desto geringer sind die Gefahren der Ausspähung, des Geheimnisverrats und der Sabotage. Die Mitwirkungsbefugnis des Verfassungsschutzes ergibt sich beim personellen Geheimschutz aus SS 1 Abs. 2 Nr. 1 LVerfSchG und beim personellen Sabotageschutz aus SS 1 Abs. 2 Nr. 2 LVerfSchG. Der personelle Geheimschutz umfaßt die Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können. Hingegen besteht der personelle Sabotageschutz in der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen. Im Rahmen des materiellen Geheimschutzes berät der Verfassungsschutz nach SS 1 Abs. 2 Nr. 3 LVerfSchG Behörden beim Ergreifen technischer und organisatorischer Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. Die Aufbewahrung, Verwaltung und Beförderung dieser Verschlußsachen richtet sich in Rheinland-Pfalz im einzelnen nach der Verschlußsachenanweisung (VSA) vom 16. November 1982, die am 1. Dezember 1982 in Kraft getreten ist. Die VSA, die in den 'wesentlichen Teilen mit denen des Bundes und der übrigen Länder übereinstimmt, stellt eine entscheidende Verbesserung des Geheimschutzes dar. Durch Straffung und Präzisierung konnte der mit dem Schutz von Verschlußsachen verbundene Verwaltungsaufwand insgesamt reduziert werden. In enger Zusammenarbeit mit den Geheimschutzbeauftragten der Behörden -wurden im Jahre 1988 die zur Beschäftigung mit Verschluß129 Sachen ermächtigten Bediensteten durch Vorträge, Filme. Belehrungen, persönliche Gespräche und Broschüren in Fragen des materiellen Geheimschutzes unterwiesen. Dazu gehörte auch die Unterrichtung über die Arbeitsweise und Absichten der gegnerischen Nachrichtendienste. Die Mitwirkung des Verfassungsschutzes beim personellen und materiellen Geheimschutz erstreckt sich auch auf Firmen, die vom Bundesminister der Verteidigung zur Durchführung geheimhaltungsbedürftiger Entwicklungen und Fertigungen herangezogen werden und daher verstärkt der Ausforschung durch kommunistische Nachrichtendienste ausgesetzt sind. So wurden auch in Rheinland-Pfalz im Jahre 1988 diese geheimschutzverpflichteten Firmen in Verbindung mit dem Bundesminister für Wirtschaft vom Verfassungsschutz in Sicherheitsangelegenheiten beraten. 130 F. V e r f a s s u n g s t r e u e i m ö f f e n t l i c h e n D i e n s t 1. Verfassungstreue der Bewerber für den öffentlichen Dienst127 In Ausprägung des Artikels 33 Abs. 2, 4 und 5 des Grundgesciz.es (GG) darf gemäß SS 7 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes, SS 4 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und SS 9 Abs. 1 Nr. 2 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des An. 33 Abs. 5 GG, hat daher Verfassungsrang und gilt für jedes Beamtenverhältnis, auch für die Beamtenverhältnisse auf Zeit, auf Probe und auf Widerruf. Eine Unterscheidung nach der Art der vom Beamten wahrzunehmenden Funktionen ist hierbei nicht zulässig. Die politische Treuepflicht fordert die Bereitschaft, sich zum Staat und seiner freiheitlichen demokratischen, rechtsund sozialstaatlichen Ordnung zu bekennen. Dabei bleibt es dem Beamten nicht verwehrt, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse einzutreten. Unverzichtbar ist aber, daß der Beamte sich hierbei der verfassungsrechtlich zulässigen Mittel bedient, den Staat - ungeachtet seiner Mängel - und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht und aktiv für sie eintritt. Im einzelnen bedeutet dies, daß er sich insbesondere eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren muß, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen oder diffamieren. Auch wer sich aus Gleichgültigkeit, Leichtgläubigkeit, Unerfahrenheit oder Naivität für Zielsetzungen einsetzt oder hierzu mißbrauchen läßt, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren sind, wird der Pflicht zur Verfassungstreue nicht gerecht. Die Bürger müssen darauf vertrauen können, daß staatliche Funktionen nur Beamten anvertraut werden, die ihr Amt im Geist unserer Verfassung führen. Angestellte und Arbeiter sind gemäß SS 8 Abs. 1 Satz 2 des Bundesangestelltentarifvertrages und SS 9 Abs. 9 Satz 2 des ManteltarifVertrages des Bundes und der Länder ebenfalls zur Verfassungstreue verpflichtet. Die Anforderungen an ihre Treuepflicht ergeben sich aus den ihnen zu übertragenden Funktionen. In einzelnen Fällen oder bei bestimmten Fallgruppen kann sich aus Art und 27 Vgl. BVerfGE 39, 334 ff; BVerfGE 47, 330 ff; BVerwG, NJW 1981, 1386 ff; BVerwG, NJW 1981, 1390 ff; BVerwG, NJW 1981, 1392 ff; BAG, NJW 1976, 1708 ff; BAG, NJW 1978, 69 ff; BAG, NJW 1981, 71 ff; BAG, NJW 1981, 73 ff; BAG, NJW 1983, 779 ff; BAG NJW 1983, 1812 ff. 131 Umfang dieser Funktionen ergeben, daß an die Bewerber dieselben Anforderungen gestellt werden müssen wie an Beamte; das ist zum Beispiel bei einer Lehroder Erziehungstätigkeit der Fall. "Gewähr bieten" bedeutet, daß keine Umstände - feststellbare oder festgestellte äußere Verhaltensweisen des Bewerbers - vorliegen dürfen, die Zweifel an der künftigen Erfüllung der Pflicht zur Verfassungstreue rechtfertigen. Bestehen Zweifel daran, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt und können diese Zweifel nicht ausgeräumt werden, darf er nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Umstände, die Zweifel an der Verfassungstreue begründen können, sind u.a. 1. politische Aktivitäten in einer Partei oder anderen Organisationen, deren Ziele sich gegen die Verfassungsordnung richten, - hierzu gehören die Kandidatur zu Wahlen für eine solche Partei oder für deren Unterorganisationen sowie die Herausgabe und Verteilung von Flugblättern mit eindeutig der Verfassungsordnung widersprechendem Inhalt - 2. die Mitgliedschaft in einer Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung - auch wenn die Zugehörigkeit zu einer solchen Partei nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten ausschließt, so kann sie doch unter Berücksichtigung der Einzelumstände Schlüsse auf eine mangelnde Gewähr der Verfassungstreue rechtfertigen; Beurteilungskriterien sind neben politischen Aktivitäten u.a. der freiwillige Parteibeitritt, die mit der Parteizugehörigkeit verbundene Verpflichtung zu aktiver politischer Mitarbeit für die Ziele der Partei (Kaderpartei), die fehlende Distanzierung von den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei und die Fortsetzung der Mitgliedschaft. Hierbei ist nicht entscheidend, ob bei der Partei die Voraussetzungen für ein Verbot nach Art. 21 Abs. 2 GG vorliegen oder bereits die Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt ist. 2. Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst In Rheinland-Pfalz erteilt der Verfassungsschutz nach SSSS 1 Abs. 3, 7 Abs. 3 Satz 1 LVerfSchG auf schriftliche Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßem Ermessen Auskunft aus bereits vorhandenen Unterlagen. Die Anfragen der Einstellungsbehörden beziehen sich ausschließlich auf die Endbewerber. Der Verfassungsschutz sammelt Informationen aufgrund seines gesetzlichen Auftrages nach SS 1 Abs. 1 LVerfSchG zur Beobachtung extremistischer und sicherheitsgefährdender Bestrebungen.Gesonderte Ermittlungen wegen oder anläßlich einer Einstellung in den öffentlichen Dienst führt er nicht durch. Die Auskunft wird 132 nach SS 7 Abs. 3 Satz 2 LVerfSchG auf die gerichtsverwertbaren Tatsachen beschränkt, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Erkenntnisse, die mehrere Jahre zurückliegen oder sich auf Aktivitäten vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Bewerbers beziehen, werden nur mitgeteilt, wenn sie entweder als Teil einer fortgesetzten Entwicklung noch von Bedeutung sind oder wenn sie nach Art und Schwere nicht den "Jugendsünden" zugerechnet werden können. Der Verfassungsschutz gibt keine Empfehlung ab. Die Einstellungsbehörde entscheidet nach Anhörung des Bewerbers selbständig über das Einstellungsgesuch. Von der beabsichtigten Ablehnung eines Bewerbers wird der zuständige Minister oder sein Vertreter unterrichtet. Das Verfahren ist in der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst vom 12. Dezember 1985128 näher geregelt. Es garantiert ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit. 3- Verfassungstreue der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst 129 Gemäß SS 52 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes, SS 35 Abs. 1 Satz 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und SS 63 Abs. 1 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz ist der Beamte verpflichtet, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Aus dem Gesetzeswortlaut "gesamtes Verhalten" ergibt sich, daß es sich bei der politischen Treuepflicht um eine beamtenrechtliche Kernpflicht handelt. Beamtenrechtliche Kernpflichten können auch zeitlich und örtlich außerhalb des Dienstes verletzt werden. Es kommt auf den sachlichen Zusammenhang an. Während bei einem Bewerber Zweifel der Einstellungsbehörde an seiner Verfassungstreue zur Ablehnung der Einstellung genügen, bedarf es bei einem Beamten des Nachweises eines Dienstvergehens, einer schuldhaften Verletzung der politischen Treuepflicht nach SS 77, Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes, SS 45 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und SS 85 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz. Bei Lebenszeitbeamten sind in diesem Fall Maßnahmen nach der Bundesdisziplinarordnung bzw. nach dem Dienstordnungsgesetz Rheinland-Pfalz zu treffen; dies bedeutet regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst. Gegen Beamte auf Probe und auf Widerruf findet ein förmliches Dienstordnungsverfahren nicht statt; bei ihnen kommt anstelle einer Entfernung aus dem Dienst 128 Im Anhang abgedruckt. Sie hat das Rundschreiben der Landesregierung vom 5. Dezember 1972 in der Fassung vom 23. Oktober 1979 abgelöst. 129 Vgl. BVerwGE 39, 334 ff; BVerwG, NJW1982, 779 ffsogenanntes Peter-Urteil -; BVerwG, NJW 1984, 813 ff; BVerwG, DVB1. 1984, 955 ff - sogenanntes Meister-Urteil -; BVerwG, NJW 1986, 3096 ff; BAG, NJW 1976, 1708, ff; BAG, NJW 1987, 69 ff 133 eine Entlassung in Betracht. Dabei entlastet den Beamten sein Vorbringen nicht, er halte bis zu einem etwaigen Verbot der Partei seine aktive Mitgliedschaft in ihr für rechtmäßig. Zumindest seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975130, von dessen Inhalt eine breite Öffentlichkeit über die Publikationswege Kenntnis erhalten hat, fehlt einem Beamten, der einer nicht verbotenen Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung angehört, nicht das Unrechtsbewußtsein hinsichtlich der Aktivitäten für seine Organisation. Denn nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts schützt das sogenannte Parteienprivileg nach Art 21 GG ihn nicht vor Disziplinarmaßnahmen wegen seines Eintretens für eine Partei mit Zielen, die mit derfreiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Ein Beamter, der ungeachtet etwaiger Disziplinarmaßnahmen sein Wirken für die Partei fortsetzen will, verletzt beharrlich die politische Treuepflicht und ist daher für den Staat untragbar. Auch bei Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes kommt es nicht auf die Besorgnis an der künftigen Erfüllung der Verfassungstreuepflicht, sondern auf eine konkrete Arbeitsvertragsverletzung an. Erst diese berechtigt, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erwägen. Im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte Extremisten Stand: Dezember 1988 Rechtsextremisten Linksextremisten Bundesdienst 113 236 Landesdienst 73 1323 Kommunaldienst 39 536 insgesamt 225 2095 130 Vgl. BVerfGE 39, 334 (357 ff). 134 Im öffentlichen Dienst v o n Rheinland-Pfalz beschäftigte Linksextremisten Stand: Dezember 1988 Arbeiter Angestellte Beamte insgesamt unmittelbarer 3 8 11 22 Landesdienst Kommunaldienst 1 24 1 26 Dienst in sonstigen öffentlichen Ein- - - - - richtungen insgesamt 4 32 12 48 Im öffentlichen Dienst v o n Rheinland-Pfalz beschäftigte Rechtsextremisten Stand: Dezember 1988 Arbeiter Angestellte Beamte insgesamt unmittelbarer 2 2 Landesdienst Kommunaldienst - 1 1 Dienst in sonstigen öffentlichen Einrichtungen insgesamt - 1 2 3 135 G. A n h a n g Rechtliche Grundlagen 1. Grundgesetz Art. 73 Nr. 10 Buchst, b und c Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... 10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ... b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 CD... Durch Bundesgesetz können ... Zentralstellen ... zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden. 2. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBl. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1382) SS1 (1) Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angeigenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. (2) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung. SS2 (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern errichtet der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesbehörde. Es untersteht dem Bundesminister des Innern. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bestimmt jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. SS3 (1) Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über 136 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Ferner wirken das Bundesamt für Verfassungsschutz und die nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 1 und Absatz 2 ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. (4) Die Gerichte und Behörden und das Bundesamt für Verfassungsschutz leisten sich gegenseitig Rechtsund Amtshilfe (Artikel 35 GG). SS4 (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die in jedem Lande gemäß SS 2 Abs. 2 bestimmte Behörde über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. (2) Die in den Ländern bestimmten Behörden unterrichten das Bundesamt über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen sie Kenntnis erhalten und die für den Bund, die Länder oder eines von ihnen von Wichtigkeit sind. (3) Ist gemäß SS 2 Abs. 2 eine andere als die Oberste Landesbehörde bestimmt, so ist die Oberste Landesbehörde gleichzeitig zu benachrichtigen. SS5 (1) Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den Obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen. (2) Der Bundesminister des Innern kann im Rahmen des SS 3 den nach SS 2 Abs. 2 bestimmten Behörden Weisungen für die Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes erteilen. SS 4 Abs. 3 gilt sinngemäß. SS6 Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. 137 3. Landesverfassungsschutzgesetz vom 26. März 1986 (GVB1. S. 73), geändert durch Gesetz vom 4. April 1989 (GVB1. S. 80), BS 12-2 SS1 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die durch Anwendung von Gewalt oder daraufgerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. (2) Der Verfassungsschutz wirkt auf Antrag mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung beschäftigt werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (3) Der Verfassungsschutz wirkt femer mit bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst im Rahmen von SS 7 Abs. 3. SS2 Zuständige Behörde (1) Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes werden vom Ministerium des Innern und für Sport wahrgenommen. Einer polizeilichen Dienststelle darf der Verfassungsschutz nicht angegliedert werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport tätig werden. SS3 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat der Verfassungsschutz diejenige 138 zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. SS4 Allgemeine Befugnisse (1) Der Verfassungsschutz darf die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, insbesondere personenbezogene Informationen erheben und verarbeiten, namentlich speichern, übermitteln, verändern, löschen und abgleichen, 1. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 vorliegen oder 2. zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2, soweit nicht die SSSS 5 bis 8 die Befugnisse besonders regeln. (2) Informationen über Personen, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen nicht in Dateien gespeichert werden. (3) In die Überprüfung nach SS 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 können der Ehegatte, der Verlobte oder die Person, die mit dem zu Überprüfenden in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, einbezogen werden. Die Überprüfung ist nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (4) Der Minister des Innern und für Sport ist befugt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen nach SS 1 Abs. 1 zu unterrichten. Dabei dürfen auch personenbezogene Informationen bekanntgegeben werden, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht vorliegen oder die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. (5) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Verfassungsschutz nicht zu; er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist. SS5 Besondere Informationserhebungen (1) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der Einsatz zur verdeckten Informationserhebung bestimmter besonderer technischer Mittel oder Personen, ist zur Erhebung personenbezogener Informationen zulässig, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 1 Abs. 1 oder dafür vorliegen, daß die zur Erforschung solcher Erkenntnisse erforderlichen Nachrichtenzugänge gewonnen werden können oder 2. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 3. die Erfüllung der Aufgaben nach SS 1 Abs. 2 dies erfordert und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist, wesentlich erschwert oder gefährdet würde. 139 (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung in Fällen des SS 4 Abs. 3. SS6 Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz (1) Die Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gerichte des Landes haben von sich aus dem Verfassungsschutz Informationen zu übermitteln, soweit sie nach ihrer Beurteilung zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes nach SS 1 Abs. 1 erforderlich sind. (2) Der Verfassungsschutz kann über alle Angelegenheiten, deren Aufklärung zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, von den Behörden des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts Informationen und die Übermittlung von LInterlagen verlangen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (3) Bestehen erst allgemeine, nicht auf konkrete Fälle bezogene Anhaltspunkte nach SS 4 Abs. 1 Nr. 1, kann der Verfassungsschutz personenbezogene Informationen oder Informationsbestände von öffentlichen Stellen verlangen, soweit dies erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht oder von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind; der Verfassungsschutz kann auch Einsicht in die Dateien oder Informationsbestände nehmen. Die Übermittlung ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit sowie auf im Einzelfall festzulegende Merkmale zu beschränken. (4) Der Verfassungsschutz hat zu prüfen, ob die übermittelten Informationen nach den Absätzen 1 bis 3 für seine Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie zu vernichten. (5) Übermittlungen für Zwecke nach SS 1 Abs. 2 und 3 sind zulässig. (6) Gesetzliche Übermittlungsverbote bleiben unberührt. SS7 Informationsübermittlung des Verfassungsschutzes an andere Stellen (1) Der Verfassungsschutz darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, an andere Behörden und öffentliche Stellen personenbezogene Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 1 Abs. 1 und 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken darf der Verfassungsschutz, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, personenbezogene Informationen nur übermitteln an 1. den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, wenn die Informationen im Zusammenhang mit Hinweisen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen stehen, die deren Zuständigkeit berühren können, 2. Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183, 1218), 3. Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden zur Verfolgung von den in SS 100 a Strafprozeßordnung genannten Straftaten oder sonstiger Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität, 140 4. Polizeibehörden, soweit sie gefahrenabwehrend tätig sind, wenn dies zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Übermittlung der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden erheblichen Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung der in Nummer 3 genannten Straftaten sowie von Verbrechen, für deren Vorbereitung konkrete Hinweise vorliegen, dient, 5. andere Behörden und öffentliche Stellen, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle erforderlich ist und der Empfänger die Informationen für Zwecke benötigt, die dem Schutz wichtiger Rechtsgüter, insbesondere dem Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert dienen und mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes vereinbar sind. (2) Die Empfängerbehörde darf die personenbezogenen Informationen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihr übermittelt werden. (3) Der Verfassungsschutz erteilt auf Anfrage von Behörden, denen die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst obliegt, nach pflichtgemäßen Ermessen Auskunft aus vorhandenen Unterlagen gemäß Absatz 1. Die Auskunft ist auf solche gerichtsverwertbaren Tatsachen zu beschränken, die Zweifel daran begründen können, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. (4) Personenbezogene Informationen dürfen an private Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, daß dies zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Die Weitergabe bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern und für Sport oder des von ihm besonders bestellten Beauftragten. (5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Übermittlung durch Bereithaltung von Informationen zum Abruf oder im Wege des automatisierten Informationsabgleichs unzulässig. SS8 Bereinigung und Löschung personenbezogener Informationen (1) Dateien sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Die regelmäßigen Abstände werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt. (2) Personenbezogene Informationen sind zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung nicht rechtmäßig ist, 2. sich aufgrund einer Überprüfung nach Absatz 1 oder auf andere Weise ergeben hat, daß ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. (3) Personenbezogene Informationen über Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse im Sinne des SS 1 Abs. 1 angefallen sind. (4) Personenbezogene Informationen, die zu löschen sind, dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen verarbeitet werden. 141 SS9 Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien des Verfassungsschutzes Für jede automatisierte Datei beim Verfassungsschutz sind in einer Errichtungsanordnung festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. betroffener Personenkreis, 4. Arten der zu speichernden personenund sachbezogenen Informationen, 5. Anlieferung oder Eingabe, 6. Zugangsberechtigung, 7. Übermittlung, 8. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer. SS 10 Auskunft an den Betroffenen Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Informationen zu geben; eine Auskunftsverweigerung braucht nicht begründet zu werden. SS11 Einschränkung von Grundrechten Aufgrund dieses Gesetzes kann das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. SS 12 Parlamentarische Kontrolle (1) Zur Kontrolle des Ministers des Innern und für Sport hinsichtlich der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bildet der Landtag zu Beginn jeder Wahlperiode eine Parlamentarische Kontrollkommission. Die Rechte des Landtags, seiner Ausschüsse und der Kommission aufgrund des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 24. September 1979 (GVB1. S. 296, BS 12-1) bleiben unberührt. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus drei Mitgliedern, die vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Die Kontrollkommission wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (3) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim. Die Mitglieder der Kommission sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Kontrollkommission ausscheidet. 142 SS13 Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Der Minister des Innern und für Sport unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission mindestens zweimal jährlich umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzugangs durch die politische Verantwortung des Ministers des Innern und für Sport bestimmt. (3) Jedes Mitglied kann den Zusammentritt und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS14 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 23. Januar 1975 (GVB1. S. 33), geändert durch Landesgesetz vom 21. Dezember 1978 (GVB1. S. 769), BS 12-2, außer Kraft. 4. Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport v o m 12. Dezember 1985 (MinBl. 1986, S. 178) 1 Das Bundesverfassungsgericht hat in den Leitsätzen seiner Entscheidung vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - (BVerfGE 39, 334 f.grundlegendes über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst ausgesagt. Es hat unter anderem ausgeführt: "1. Es ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), daß den Beamten eine besondere politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung obliegt. 2. Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, daß der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, daß er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, daß der Beamte Partei für ihn ergreift. 3. Bei Beamten auf Probe und bei Beamten auf Widerruf rechtfertigt die Verletzung der Treuepflicht regelmäßig die Entlassung aus dem Amt. Bei Beamten auf Lebenszeit kann wegen dieser 143 Dienstpflichtverletzung im förmlichen Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden. 4. Es ist eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte und durch das einfache Gesetz konkretisierte rechtliche Voraussetzung für den Eintritt in das Beamtenverhältnis, daß der Bewerber die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. 5. Der Überzeugung, daß der Bewerber die geforderte Gewähr nicht bietet, liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Bewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält und sich jeweils auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Elementen und deren Bewertung - gründet. 6. Die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Rechtslage gilt für jedes Beamtenverhältnis, für das Beamtenverhältnis auf Zeit, für das Beamtenverhältnis auf Probe und für das Beamtenverhältnis auf Widerruf ebenso wie für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. 7. Wenn auch an die Angestellten im öffentlichen Dienst weniger hohe Anforderungen als an die Beamten zu stellen sind, schulden sie gleichwohl dem Dienstherrn Loyalität und die gewissenhafte Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten; auch sie dürfen nicht den Staat, in dessen Dienst sie stehen, und seine Verfassungsordnung angreifen; auch sie können wegen grober Verletzung dieser Dienstpflichten fristlos entlassen werden; und auch ihre Einstellung kann abgelehnt werden, wenn damit zu rechnen ist, daß sie ihre mit der Einstellung verbundenen Pflichten nicht werden erfüllen können oder wollen. 8. Ein Teil des Verhaltens, das für die Beurteilung der Persönlichkeit eines Beamtenanwärters erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt - unabhängig davon, ob ihre Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht. 9. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamtenund Disziplinarrechts sind allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. 10. Es steht nicht im Widerspruch zu Art. 12 GG, wenn der hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums im Beamtenrecht verwirklicht wird, vom Bewerber für ein Amt zu verlangen, daß er die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten." 2 Im Einvernehmen mit der Staatskanzlei und den übrigen Ministerien wird zur Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst und bezüglich der Pflicht zur Verfassungstreue von Angehörigen des öffentlichen Dienstes folgendes bestimmt: 2.1 Vor der Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst haben die Einstellungsbehörden zunächst beim Ministerium des Innern und für Sport unter Angabe der Wohnanschriften des Bewerbers mindestens aus den letzten fünf Jahren anzufragen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen (Anlagen 1 und 2). Es ist erst dann anzufragen, wenn der Bewerber für die Einstellung in die engere Wahl kommt. Bei Bewerbern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird von einer Anfrage abgesehen; soweit bei ihrer Einstellung nach besonderen Vorschriften eine Sicherheitsüberprüfung stattzufinden hat, bleiben diese Vorschriften unberührt. Die Anfrage erfolgt bei Bewerbern, die im öffentlichen Dienst ausgebildet worden sind und deren Weiterbeschäftigung im Landesdienst beabsichtigt ist, nach Abschluß der Ausbildung und bei Bewerbern, die keine Ausbildung ableisten, nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Das Ministerium des Innern und für Sport wird Anfragen dieser Art unverzüglich beantworten. Die Auskünfte werden auf Tatsachen beschränkt, die gerichtsverwertbar sind. 144 2.2 Beabsichtigt die Einstellungsbehörde, nach Eingang der Auskunft des Ministeriums des Innern und für Sport den Bewerber einzustellen, so ist der Bewerber vor der Entscheidung über die Einstellung zunächst schriftlich zu belehren (Anlage 3). Diese Belehrung kann dem Bewerber auch mit der Einstellungszusage übersandt werden. Der Bewerber hat vor seiner Einstellung die Belehrung zu bestätigen und dazu eine Erklärung zu unterschreiben (Anlage 3). Die Erklärung ist zu den Personalakten zu nehmen. 2.3 Bestehen aufgrund der vom Ministerium des Innern und für Sport mitgeteilten oder anderweitig bekanntgewordenen Tatsachen oder wegen der Weigerung des Bewerbers, die vorbezeichnete Erklärung zu unterschreiben, Zweifel daran, daß der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt und können diese Zweifel nicht ausgeräumt werden, darf er nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Der zuständige Minister oder sein Vertreter ist von der beabsichtigten Ablehnung eines Bewerbers zu unterrichten. Die Verfassungstreue ist auch bei Angestellten und Arbeitern Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst. Die Anforderungen an die Treuepflicht der Angestellten und Arbeiter ergeben sich aus den ihnen zu übertragenden Funktionen. In einzelnen Fällen oder bei Fallgruppen kann sich aus Art und Umfang der zu übertragenden Funktion ergeben, daß an die Bewerber dieselben Anforderungen gestellt werden müssen wie an Beamte; das ist z.B. bei einer Lehroder Erziehungstätigkeit der Fall. 2.4 Die Entscheidung, durch die eine Einstellung in den öffentlichen Dienst aus den unter 2.3 genannten Gründen abgelehnt wird, ist dem Bewerber schriftlich unter Darlegung der Gründe mitzuteilen. Betrifft sie die Übernahme in ein Beamtenoder Richterverhältnis, so muß sie außerdem eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. 2.5 Im öffentlichen Dienst Beschäftigte Besteht der Verdacht, daß ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstößt, unterrichtet seine Dienststelle das Ministerium des Innern und für Sport und prüft, ob ein Dienstordnungsverfahren bzw. ein außerordentliches Kündigungsverfahren einzuleiten ist. 3 Soweit nach besonderen Vorschriften eine Sicherheitsüberprüfung bei der Einstellung erfolgt, entfällt die Einstellungsüberprüfung nach 2.1. 4 Diese Verwaltungsvorschrift gilt für alle staatlichen Behörden des Landes. Den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, entsprechend zu verfahren. 5 Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Januar 1986 in Kraft. Das Rundschreiben des Ministeriums des Innern vom 5. Dezember 1972 (MinBl. 1973 Sp. 41), geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 23. Oktober 1979 (MinBl. S. 413), ist nicht mehr anzuwenden. Anlagen 145 ABKURZUNGSUND STICHWORTVERZEICHNIS Seite AB - Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD 48 AD - Action Directe 57 ADUTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. 103 AJV/ML - Arbeiterjugendverband (Marxisten-Leninisten) 47 AKON - Aktion deutsche Einheit 81 AMGT - Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. 104,106 ANS/NA - Aktionsfront Nationaler Sozialisten/ Nationale Aktivisten 87 f ANV/VB - Arbeitsgemeinschaft Nationaler Verbände/ Völkischer Bund 97 ARF - Aktion deutsches Radio und Fernsehen 81 ARGK - Volksbefreiungsarmee Kurdistans 108 ASD - Aktion Sauberes Deutschland 94 ATIF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. 102 ATIK - Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa 102 BP - Bolsevik Partizan 102 BR-PCC - Brigate Rosse-Partito Combattente Communista 57 BWK - Bund Westdeutscher Kommunisten 47f CIMEA - Comite International des Mouvements des Enfants et des Adolescents 34 DA - Deutscher Anzeiger (Presseorgan der DVU) 78 DFF - Deutsche Frauenfront 91 DFG-IdK - Deutsche Friedensgesellschaft-Internationale der Kriegsdienstverweigerer 45 DFG-VK - Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner 17, 45 DFU - Deutsche Friedens-Union 17,30,40 ff DIBAF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie 100 DKEG - Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes e. V. 96 DKP - Deutsche Kommunistische Partei 17 ff DNZ - Deutsche National-Zeitung (Herausgeber Dr. FREY) 78 DSt - Deutsche Stimme (Presseorgan der NPD) 72 DVU - Deutsche Volksunion e.V. 78,81 146 DVU-Liste D - Deutsche Volksunion - Liste D 78,82 DVZ/die tat - Deutsche Volkszeitung/die tat (Sprachrohr kommunistischer Bündnispolitik) 29 DWZ - Deutsche Wochen-Zeitung (Herausgeber Dr. FREY) 78 ERNK - Nationale Befreiungsfront Kurdistans 108 FAU - Freie Arbeiterinnen-Union 55 FAP - Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei 88,89 FEYKA- - Föderation der patriotischen ArbeiterKurdistan und Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der BRD e.V. 108 FDJ - Freie Deutsche Jugend 35 FIDEF - Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 100 FIR - Federation Internationale des Resistants 42 FU - Forum für Libertäre Information 55 FöGA - Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen 53 GAD - Grüne Aktion Deutschland - Landesverband Rheinland-Pfalz 94 GDF - Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei 100 GIM - Gruppe Internationale Marxisten 48 GRU - Militärischer Nachrichtendienst der UdSSR 120 HDP - Kroatische Staatsbildende Bewegung 116 HNG - Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. 91 f HNV - Kroatischer Nationalrat 116 HVA - Hauptverwaltung Aufklärung 120 I.A.A. - Internationale Arbeiter-Assoziation 55 I.f.A - Initiative für Ausländerbegrenzung 81 mv - Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. 94 IM - Inoffizielle Mitarbeiter 123 IRA - Irish Republican Army 77,115 JN - Junge Nationaldemokraten 76 ff JP - Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation 17, 32, 34 KAH - Komitee zur Vorbereitung des 100. Geburtstags Adolf Hitlers KB - Kommunistischer Bund 48 KBW - Kommunistischer Bund Westdeutschland 47 KFAZ - Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit 17,40, 43 147 KGB * Ziviler Nachrichtendienst der UdSSR 120 KOMKAR - Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BundesrepublikDeutschland und Westberlin e.V. 110 KPD * Kommunistische Partei Deutschlands (im Jahre 1956 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt) 17 KPD * Kommunistische Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) 48 KPdSU * Kommunistische Partei der Sowjetunion 18,22 LTTE * Liberation Tigers of Tamil Eelam 117 MASCH - Marxistische Abendschule 26 MAZ * Marxistische Arbeiterzeitung (Publikation der MG) 50 MfS * Ministerium für Staatssicherheit 120 MG * Marxistische Gruppe 50 f MHP - Partei der Nationalistischen Bewegung 103 MLPD * Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 47 MLSV * Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband 47 MSB - Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus 17, 32 37 ff MSP * Nationale Heilspartei 106 MSV - Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. 112 MSZ - Marxistische Streitund Zeitschrift - Gegen die Kosten der Freiheit (Publikation der MG) 50 NF - Die Neue Front (Zeitschrift der "Bewegung") 88 NF * Nationalistische Front 93 NHB * Nationaldemokratischer Hochschulbund 77 NPD - Nationaldemokratische Partei Deutschlands 64 ff N.S. - Nationale Sammlung 90 NSDAP * Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 87 OIDA - Organisation Iranischer Demokraten im Ausland 114 PA * Proletarische Aktion 55 PAV - Palästinensischer Arbeiterverband in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin 115 PFLP-GC - Volksfront für die Befreiung PalästinasGeneralkommando 115 PFLP - Volksfront für die Befreiung Palästinas 114 PIRA - Provisional Irish Republican Army 115 PKK - Arbeiterpartei Kurdistans 106 ff PLO - Palästinensische Befreiungsorganisation 114 148 PMOI - Organisation der Volksmojahedin Iran 112 PUK - Patriotische Union Kurdistans 108 RAF - Rote A r m e e Fraktion 56 ff RP - Wohlfahrtspartei 106 RZ - Revolutionäre Zellen 56, 60 f SAG - Sozialistische Arbeitergruppe 50 SB - Ziviler polnischer Nachrichtendienst 128 SDAJ - Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend 17, 32,35 f SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands 18 SEW - Sozialistische Einheitspartei Westberlins 24 SHB - Sozialistischer H o c h s c h u l b u n d 37 ff SJV Karl - Sozialistischer J u g e n d v e r b a n d Liebknecht Karl Liebknecht 34,35 SMM - Sowjetische Militärmission 120 TBKP - Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei 102 THKP/-C - Türkische Volksbefreiungspartei/-front - 103 TBXDB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e. V. 104 TB? - Arbeiterpartei d e r Türkei 102 TKP - Kommunistische Partei der Türkei 102 TKP/ML - Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten 102 U.I.S.A * Union Islamischer Studentenvereine in Europa 111, 114 UZ - Unsere Zeit (Zentralorgan der DKP) 18, 22 VA - Verwaltung Aufklärung 122 VOGA - V o l k s b e w e g u n g für Generalamnestie 81 VSP - Vereinigte Sozialistische Partei 48 f VSBD/PdA * Volkssozialistische B e w e g u n g Deutschlands/ Partei d e r Arbeit 89 WN-BdA - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - B u n d der Antifaschisten 17, 42 f WBDJ - W e l t b u n d der Demokratischen J u g e n d 34 WFR - Weltfriedensrat 43 YJWK - Union d e r Patriotischen Frauen Kurdistans 108 YKWK * Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans 108 YRWK - V e r b a n d der Patriotischen Intellektuellen Kurdistans 108 YXK - Revolutionärer Patriotischer J u g e n d v e r b a n d 108 149