Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2017 s su ng ex t f a b -T Vora www.im.nrw.de Impressum Herausgeber Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen Friedrichstraße 62-80 40217 Düsseldorf Telefon: 0211/871-01 Telefax: 0211/871-3355 poststelle@im.nrw.de www.im.nrw.de Redaktion Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen Telefon: 0211/871-2821 Telefax: 0211/871-2980 kontakt.verfassungsschutz@im1.nrw.de www.im.nrw.de/verfassungsschutz Bestellservice bestellung.verfassungsschutz@im1.nrw.de www.im.nrw.de/publikationen Stand: Juli 2018 Druck: Schnelldruck Diesfeld, Düsseldorf 1 2 Vorwort Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, den politischen Extremismus zu beobachten, zu analysieren und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Und die Analyse zeigt deutlich: Wir können keine Entwarnung geben. Auch wenn sich die Wachstumsdynamik der salafistischen Szene in 2017 abgeschwächt hat und die offene Missionierung nach dem Verbot der Lies-Kampagne weitgehend zum Erliegen gekommen ist, stehen die Sicherheitsbehörden weiterhin vor enormen Herausforderungen: Die Gefahr jihadistischer Anschläge durch Einzeltäter und Kleingruppen ist weiterhin hoch. Wir müssen davon ausgehen, dass vermehrt Jihadisten, ihre Ehefrauen und die oftmals traumatisierten und gewalterfahrenen Kinder zurückkehren. Zudem werden Frauen bei der Radikalisierung im Internet immer aktiver und die salafistischen Hilfsvereine stabilisieren die Szene. Dem begegnen wir konsequent mit repressiven und präventiven Maßnahmen, unsere Aussteigerprogramme ergänzen den sicherheitsbehördlichen Instrumentenkasten. Damit die vielfältigen Aufgaben bewältigt werden können, haben wir den Verfassungsschutz in 2017 mit 115 neuen Stellen ausgestattet. Der Rechtsextremismus versucht in die Mitte der Gesellschaft zu drängen. Organisationen wie die Identitäre Bewegung geben sich ein modernes und pseudointellektuelles Erscheinungsbild, um die Stigmatisierung des Rechtsextremismus zu überwinden. Dabei verschleiern sie ihr wahres Gesicht und propagieren die ethnisch homogene Gesellschaft. Andere Teile der Szene diskutieren Endzeitszenarien und folgern, dass sie sich auf einen Bürgerkrieg vorbereiten müssen. Das Spektrum der Feindbilder reicht von Migranten über vermeintlich linke Aktivisten bis hin zu Politikern. Es besteht die Gefahr, dass sich auf diesem Nährboden rechtsterroristische Strukturen oder Einzeltäter entwickeln könnten. Linksextremistisch motivierte Kriminalität steigt im Zehnjahresvergleich stetig an, auch wenn im Jahresvergleich in 2017 ein Rückgang zu verzeichnen ist. Der Anteil an Gewaltdelikten bei linksextremistisch motivierter Kriminalität ist überproportional hoch. Im Versammlungsgeschehen ist für die gewaltbereiten Autonomen die Polizei der Gegner und stellt für sie immer auch ein Angriffsziel dar. Gewalt wird legitimiert und als "ziviler Widerstand" verklärt. Leider ist diese Szene weiterhin anschlussfähig für Teile des nichtextremistischen Protestspektrums. Mir persönlich macht der Anstieg antisemitischer Straftaten besondere Sorge. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass Straftaten nur eine Seite der Medaille sind. Den alltäglichen Antisemitismus bildet die Statistik nicht ab. Antisemitismus ist nicht nur in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zu finden und kein ausschließliches Merkmal des Rechtsextremismus, sondern tritt in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zu Tage. Dagegen müssen wir uns gemeinsam entschieden wehren. Die Menschen in NRW können sich darauf verlassen, dass der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem seine Aufgaben erfüllt. Er sensibilisiert Öffentlichkeit und Politik. Und schafft damit die Grundlage für eine aufgeklärte und informierte Gesellschaft, die der beste Schutz gegen Extremismus jeder Couleur ist. Bei der Abwehr terroristischer Gefahren operiert er im Vorfeld polizeilicher Gefahrenabwehr und Strafverfolgung als unverzichtbarer Baustein im Gefüge der Sicherheitsbehörden. Herbert Reul Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 3 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ..............................................................................................................................................................6 Kompakt........................................................................................................................................................................9 Extremismus in Zahlen ...............................................................................................................................................11 Mitgliederzahlen und -potenziale in Nordrhein-Westfalen......................................................................................11 Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) .......................................................................................13 Rechtsextremismus ....................................................................................................................................................19 NPD ........................................................................................................................................................................21 Pro NRW.................................................................................................................................................................26 Pro Köln ..................................................................................................................................................................29 Pro Deutschland .....................................................................................................................................................31 Die Rechte ..............................................................................................................................................................33 Der III. Weg.............................................................................................................................................................39 Identitäre Bewegung Deutschland e.V. ..................................................................................................................42 Neonazis .................................................................................................................................................................46 Rechtsterrorismus...................................................................................................................................................50 Subkulturell geprägter Rechtsextremismus............................................................................................................52 Reichsbürger und Selbstverwalter (Reichsbürgerbewegung) ................................................................................56 Rechtsextremismus im Internet ..............................................................................................................................61 Rechtsextremistische Zeitschriften .........................................................................................................................63 Linksextremismus .......................................................................................................................................................66 Im Fokus: Hambacher Forst - gewalttätige Klimaproteste und deren Vernetzungen.............................................67 Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE.............................................................................................69 Deutsche Kommunistische Partei (DKP)................................................................................................................71 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) .........................................................................................74 Autonome Linksextremisten ...................................................................................................................................78 Auslandsbezogener Extremismus ..............................................................................................................................81 Im Fokus: Der Kampf um Afrin ..............................................................................................................................82 Ülkücü-Bewegung (Graue Wölfe) ...........................................................................................................................84 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi - DHKP-C)........................87 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL) ......................................................89 4 Islamismus ..................................................................................................................................................................93 Im Fokus: Flüchtlinge im extremistischen Salafismus ............................................................................................94 Im Fokus: Gefangenenhilfe im extremistischen Salafismus...................................................................................99 Extremistischer Salafismus...................................................................................................................................101 Hamas...................................................................................................................................................................107 Hizb Allah (Partei Gottes) .....................................................................................................................................109 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) .............................................................................................111 Kalifatsstaat (Hilafet Devleti).................................................................................................................................113 Muslimbruderschaft (unter anderem IGD) ............................................................................................................114 Milli Görüs-Bewegung...........................................................................................................................................116 Islamistische nordkaukasische Szene (INS) ........................................................................................................118 Türkische Hizbullah (TH) ......................................................................................................................................120 Furkan-Gemeinschaft ...........................................................................................................................................122 Scientology Organisation (SO) .................................................................................................................................124 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz ..................................................................................................................126 Spionage - Auftraggeber, Ziele und Methoden....................................................................................................127 Aufklärung und Abwehr von Proliferation .............................................................................................................131 Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung ...............................................................................................132 Präventionsarbeit und Aussteigerprogramme ..........................................................................................................135 Übergreifende Konzepte.......................................................................................................................................136 Präventionsprogramm Wegweiser........................................................................................................................138 Aussteigerprogramme des Verfassungsschutzes ................................................................................................140 Fachtagungen und Kongresse..............................................................................................................................143 VIR - Veränderungsimpulse setzen bei rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ..................146 Vorträge und Fortbildungen ..................................................................................................................................148 Veröffentlichungen................................................................................................................................................150 Über den Verfassungsschutz....................................................................................................................................152 Liste der Bestrebungen und Organisationen ............................................................................................................154 5 Vorbemerkung Der vorliegende Verfassungsschutzbericht bezieht sich auf Ereignisse und Beobachtungen im Jahr 2017. Zeitlich danach liegende Vorfälle und Entwicklungen werden punktuell angesprochen, wenn sie von größerer Bedeutung sind. Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Nordrhein-Westfalens sind aufgenommen, soweit sie für das Verständnis des Berichts erforderlich sind. Ergänzende Informationen finden Sie im Internet unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz. Grundlagen und Zielsetzung des Verfassungsschutzes Nach SS 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) hat der Verfassungsschutz die Aufgabe, bereits im Vorfeld von konkreten Gefährdungslagen Informationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten, die Bestrebungen oder Tätigkeiten betreffen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen, oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind oder die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht darstellen. Die Verfassungsschutzbehörde sammelt hierzu die für sie relevanten Informationen und wertet sie dahingehend aus, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gegeben sind oder zumindest gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und Tätigkeiten vorliegen. Weder eine konkrete Gefahr noch eine begangene Straftat sind notwendig, um ihr Tätigwerden zu legitimieren. Die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht ist bereits dann zulässig, wenn hinreichende Verdachtsmomente gegeben sind. Diese müssen sich nicht bis zur Bewertung einer Bestrebung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Der Verfassungsschutz arbeitet zum Schutz der Verfassung und des Gemeinwesens im Vorfeld konkreter Gefahren oder Straftaten. Er hat bei der Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags im Wesentlichen Organisationen und Strukturen im Blick. Kennzeichnung Die Namen und Bezeichnungen von Organisationen, Bestrebungen und Tätigkeiten, bei denen lediglich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht für die in SS 3 Abs. 1 VSG NRW beschriebenen Merkmale vorliegen, sind im Gegensatz zu den festgestellten Bestrebungen zwischen den Zeichen " und " eingefasst (sogenannte Chevrons). Beispiel: "Partei XY" Bei "Bestrebungen" handelt es sich nach SS 3 Abs. 3 VSG NRW um politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der gegen die in SS 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter gerichtet ist. Ein "Personenzusammenschluss" setzt mehrere Personen voraus, die gemeinsam handeln. Einzelpersonen stehen nicht unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, es sei denn, ihr Verhalten ist auf die Anwendung von Gewalt gerichtet oder von ihnen geht eine erhebliche Gefahr für eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzgesetzes aus. 6 Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Im Zentrum steht der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - also des nicht zur Disposition stehenden Kerns des Grundgesetzes (SS 3 Abs. 6 VSG NRW). Hierzu zählen: Das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und deren Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Auswärtige Belange der Bundesrepublik und Völkerverständigung Daneben beobachtet der Verfassungsschutz Bestrebungen, "die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden". Hier geht es beispielsweise um gewaltbereite extremistische Gruppen mit Auslandsbezug, die vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus Gewaltaktionen vorbereiten, um eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse im Ausland, insbesondere in ihren Heimatländern, herbeizuführen und die dadurch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten beeinträchtigen (SS 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG NRW). Auch Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, gehören zu den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes (SS 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW). Der Verfassungsschutz beobachtet international operierende Gruppierungen, die beispielsweise darauf abzielen, konfessionelle oder ethnische Gruppen im Ausland zu bekämpfen. In diesem Fall sind die Angriffe nicht auf die staatliche Ordnung oder die Grenzen eines einzelnen anderen Landes gerichtet, sondern gegen bestimmte (Volks-)Gruppen in den betreffenden Staaten. Gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind damit auch Gruppierungen, die die - notfalls gewaltsame - Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete propagieren. Arbeitsweise des Verfassungsschutzes Bei seiner Tätigkeit stützt sich der Verfassungsschutz in großem Umfang auf offenes Material wie Zeitungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Radiound Fernsehberichte, Interviews und Parteiprogramme. Sensible Informationen aus geschlossenen Zirkeln werden hingegen häufig mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen. Es werden nach Maßgabe konkreter gesetzlicher Vorgaben Vertrauenspersonen (V-Personen) eingesetzt und Zielpersonen observiert. In besonders gravierenden Einzelfällen erfolgt eine Überwachung des Postund Telekommunikationsverkehrs. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist zur Aufklärung konspirativ arbeitender verfassungsfeindlicher Organisationen notwendig. Die Beschaffung von Informationen durch den Verfassungsschutz unterliegt der Kontrolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Landtags NRW und bei bestimmten, die Kommunikation oder die Finanzierung von Bestrebungen betreffenden Maßnahmen der Kontrolle durch eine unabhängige Kommission (G 10-Kommission). Typischerweise geben sich extremistische Organisationen in ihren Programmen und öffentlichen Auftritten gemäßigt, um ihre Akzeptanz und ihre Wahlchancen nicht zu beeinträchtigen. Klartext wird häufig nur in den inneren Zirkeln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit geredet. Darüber muss der Verfassungsschutz verlässliche Informationen erlangen, wenn er sich ein realistisches Bild von den Zielen und den Methoden derartiger Organisationen verschaffen und seinen Auftrag zur Beratung der Politik und Aufklärung der Öffentlichkeit erfüllen will. 7 Weitere Informationen und Hintergrund Nutzen Sie unser Webangebot, um ergänzende Informationen und Dokumente zu erhalten. Rufen Sie einfach die Adresse www.im.nrw.de/verfassungsschutz in Ihrem Browser auf. 8 Kompakt Politisch motivierte Gewalt Rückgang der allgemeinen PMK-Zahlen im Vergleich zum Vorjahr. Die Gesamtzahlen verbleiben aber unvermindert auf einem hohen Niveau. Gerade im 10 Jahres-Vergleich lässt sich insgesamt eine Zunahme an PMK-Straftaten, insbesondere der Gewaltdelikte, feststellen. Mit dem Jahr 2017 wurden erstmals Straftaten durch Reichsbürger bzw. Selbstverwalter systematisch im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes der Politisch Motivierten Kriminalität erhoben. Die Zahl der registrierten Straftaten lag im Jahr 2017 bei 85 Straftaten. Rechtsextremismus Ein Teil der rechtsextremistischen Szene radikalisiert sich zunehmend. So werden in der Szene Endzeitund Bürgerkriegsszenarien diskutiert. Es ist nicht auszuschließen, dass sich auf diesem Nährboden rechtsterroristische Strukturen oder Einzeltäter entwickeln könnten. Die Neue Rechte, insbesondere die Identitäre Bewegung, versucht die Stigmatisierung des Rechtsextremismus aufzubrechen, den politischen Diskurs nach "Rechts" zu verschieben und anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft zu werden. Reichsbürger, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen, versuchen weiterhin die Handlungsfähigkeit des Staates zu lähmen. Bislang konnte der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen rund 2.750 Anhänger identifizieren (Stand April 2018). Linksextremismus Die autonome linksextremistische Szene zeichnet sich weiterhin durch eine hohe Gewaltbereitschaft gegen Personen und Sachen aus und verklärt diese Haltung als "zivilen Ungehorsam". Die gewalttätigen Proteste gegen den G20-Gipfel, an denen auch Linksextremisten aus NRW beteiligt waren, stellten in 2017 den Höhepunkt dar. In NRW fokussiert sich die Gewaltausübung durch linksextremistisch motiviertes Personenpotenzial auf die Auseinandersetzung um den Braukohletagebau Hambach und den Hambacher Forst. Die dort agierende gewaltorientierte linksextremistische Szene verfügt weiterhin über ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit an das demokratische ökologische Protestspektrum. Auslandsbezogener Extremismus Die Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern in der Türkei spiegeln sich unmittelbar auch in NRW wider. Es gelingt sowohl türkisch-nationalistischen und -rechtsextremistischen Organisationen wie auch linksextremistischen und PKK-nahen Organisationen immer wieder, für ihre jeweiligen Ziele ihre Anhängerschaft umfänglich zu mobilisieren. Es wird unversöhnlich agitiert, häufig wird Gewalt zum Mittel der Auseinandersetzung. Die Haftsituation und der Gesundheitszustand Abdullah Öcalans sind für PKK-nahe Kräfte und Organisationen immer wieder Anlass, ihre Forderungen öffentlich zu manifestieren. Die organisatorische Stärke und Vernetzung der kurdisch-extremistischen Szene macht diese europaweit kampagnenfähig. PKK-Kader sind grundsätzlich in der Lage, Umfang, Intensität und Militanz von Demonstrationen und Aktionen gezielt zu steuern. 9 Islamismus Jihadistischer Salafismus ist weiterhin eine Gefahr. Auch nach der militärischen Niederlage des sogenannten "Islamischen Staates" besteht weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland. Jihadistisch motivierte Einzeltäter oder Kleingruppen und Rückkehrer stellen ein Risikopotenzial dar. Politischer Salafismus reorganisiert sich. Vereinsverbote und strafrechtliche Maßnahmen haben die öffentliche Missionierung fast zum Erliegen gebracht. Die Wachstumsdynamik der salafistischen Szene hat sich abgeschwächt. Salafistische Hilfsorganisationen, Gefangenenhilfe und virtuelle Frauennetzwerke gewinnen als Aktionsformen an Bedeutung. Traditioneller Islamismus drängt in die Zivilgesellschaft. Islamistische Organisationen und Netzwerke - insbesondere aus dem Spektrum der Muslimbruderschaft - versuchen sich als vermeintlich unproblematische Alternative zum extremistischen Salafismus in der deutschen Öffentlichkeit zu platzieren und gesellschaftliche Anerkennung zu erwerben. Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz 2017 bewegten sich Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste auf weiterhin hohem Niveau. Der türkische Nachrichtendienst MIT verstärkte seine Aktivitäten zur Ausforschung von in Deutschland lebenden Oppositionellen. Bei der weiterhin hohen Zahl von Cyberangriffen auf deutsche Unternehmen wurde zunehmend die einen Angriff auf IT-Systeme vorbereitende Methode des sogenannten Computer-based Social Engineering festgestellt. Prävention und Aussteigerprogramme Vom Start des Wegweiser-Programms bis Ende 2017 wurden über 600 junge Menschen betreut. In 11.000 Fällen wurde das Umfeld beraten und Wegweiser hat insgesamt rund 1.800 Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt. Die Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten und Islamisten wurden in 2017 personell aufgestockt. Die Vorbereitungen zum Start eines weiteren Aussteigerprogramms für Szeneangehörige des Linksund auslandsbezogenen Extremismus haben begonnen. 10 Extremismus in Zahlen Mitgliederzahlen und -potenziale in Nordrhein-Westfalen Die Angaben zu den Parteien und Organisationen umfassen grundsätzlich alle Mitglieder. Die Angaben sind gerundet und zum Teil geschätzt. Rechtsextremismus 2016 2017 NPD 600 500 Pro NRW 450 400 Pro Köln e.V 250 200 Pro Deutschland 100 100 Die Rechte 300 270 Der III. Weg 30 30 IBD 50 60 ARMINIUS-Bund des deutschen Volkes 15 15 In parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen, insbesondere 800 850 Neonazistische Kameradschaften Unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial, insbesondere Skinheads 1350 1350 abzüglich Doppelmitgliedschaften* -475 -405 Gesamt 3470 3370 davon gewaltorientierte Rechtsextremisten 2000 2000 Reichsbürger und Selbstverwalter 2000 2600 * Einzelne Personen können gleichzeitig zwei Organisationen oder Gruppierungen zugerechnet werden. Die Mitglieder der Partei Die Rechte werden weiterhin als Neonazis gezählt. 11 Linksextremismus 2016 2017 Gewaltorientierte Linksextremisten, insbesondere Autonome 970 970 DKP 800 800 MLPD 650 650 Gesamt 2420 2420 Auslandsbezogener Extremismus 2016 2017 "ADÜTDF" 2000 2000 DHKP-C 200 200 KONGRA-GEL bzw. PKK 2200 2200 Gesamt 4700 4700 Islamismus 2016 2017 Extremistischer Salafismus 2900 3000 davon politisch 2200 2200 davon gewaltbereit 700 800 HAMAS 75 75 Hizb Allah 105 105 Hizb ut-Tahrir 35 35 Kalifatsstaat 220 220 Muslimbruderschaft 65 65 Milli Görüs-Bewegung (extremistischer Teil) 250 250 Nordkaukasische Separatisten-Bewegung 70 70 Türkische Hizbullah 100 100 Furkan-Gemeinschaft 15 40 Gesamt 3835 3960 12 Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) Betrachtung der Gesamtentwicklung In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2017 insgesamt 6.599 Politisch motivierte Straftaten bekannt (2016: 7.445). Damit ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 846 Delikte bzw. 11,4% zu verzeichnen. Betrachtet nach Deliktsgruppen sind unterschiedliche Entwicklungen festzustellen. So wurden beispielsweise mit 1.406 Sachbeschädigungen 440 Straftaten mehr gezählt als im Vorjahr. Dagegen waren bei den 322 Verstößen gegen das Versammlungsgesetz starke Rückgänge zu verzeichnen (2016: 861), ebenso bei den Körperverletzungsdelikten mit 395 Straftaten (2016: 626). Die Aufklärungsquote im Bereich der PMK für das Jahr 2017 beträgt 35,9% (2016: 39,9%). Es wurden mit 2.371 Straftaten im Vergleich zum Vorjahr 601 Delikte weniger aufgeklärt (2016: 2.972). Gewaltdelikte der Politisch motivierten Kriminalität (PMK-Gewalt) Die Zahl der bekannt gewordenen Gewaltdelikte mit politischer Motivation ist in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum Jahr 2016 gesunken. Es wurden insgesamt 577 Gewaltdelikte bekannt, das bedeutet einen Rückgang um 34,7% (2016: 883). 300 Gewaltdelikte konnten polizeilich geklärt werden (2016: 456). Die Aufklärungsquote liegt mit 52% nahezu gleich wie im Vorjahr (2016: 51,6%). Propagandadelikte Einen hohen Anteil der PMK macht jährlich wiederkehrend die Gruppe der Propagandadelikte, also Straftaten der SSSS 86 und 86a StGB, aus. Der Anteil der Propagandadelikte am Straftatenaufkommen der Politisch motivierten Kriminalität ist seit Jahren rückläufig, stieg jedoch 2017 in Vergleich zum Vorjahr mit 2.273 Straftaten bzw. 34,4% minimal an (2016: 2.385 Straftaten bzw. 32%). Bei den meisten Propagandadelikten handelt es sich um Hakenkreuz-schmierereien, die nur wenige Ermittlungsansätze bieten und daher schwer aufzuklären sind. Mit 33,6% liegt die Aufklärungsquote der Propagandadelikte leicht über dem Niveau des Vorjahres (2016: 32,5%). Extremistische Straftaten Von den 6.599 im Jahr 2017 bekannt gewordenen Delikten der PMK sind 6.321 (95,8%) als extremistische Straftaten im Sinne des SS 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen eingestuft, weil sie sich beispielsweise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten. Die Anzahl der als extremistisch einzustufenden Straftaten ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken, ebenso der Anteil am Gesamtaufkommen der PMK (2016: 7.192 Straftaten bzw. 96,6%). Entwicklung der Phänomen Bereiche der Politisch motivierten Kriminalität Betrachtet man die Entwicklung der PMK differenziert nach Phänomen Bereichen, so zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. In den Bereichen PMK-linksund PMK-rechtssind die Fallzahlen gesunken, im Phänomen Bereich PMK-nicht zuzuordnenist ein Anstieg festzustellen. Für die Bereiche PMK-ausländische Ideologieund PMK-religiöse Ideologiekann zum Vorjahr aufgrund der Neueinführung beider Phänomen Bereiche zum 01.01.2017 kein valider Vergleich gezogen werden. Betrachtet man die Summe der Delikte beider neuer Phänomen Bereiche und vergleicht diese mit den Straftaten der PMK-Ausländer aus dem Jahr 2016 so ist ein Rückgang der Fallzahlen festzustellen. Die einzelnen Deliktgruppen, bezogen auf die Phänomen Bereiche, werden durch die in der Anlage 1 befindlichen Tabelle abgebildet. 13 Politisch motivierte Kriminalität-rechtsDie Anzahl der Straftaten im Phänomen Bereich der PMK-rechtsist mit 3.764 Straftaten (2016: 4.700) im Vergleich zum Vorjahr um 936 Straftaten (19,9%) gesunken. Der Rückgang ist im Wesentlichen auf weniger Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (Rückgang von 172 auf 36 Straftaten), Beleidigungen (Rückgang von 438 auf 289 Straftaten), Volksverhetzungen (Rückgang von 894 auf 700 Straftaten) und Verstöße gegen SSSS 86, 86a StGB (Rückgang von 2.226 auf 2.062 Straftaten) zurückzuführen. Propagandadelikte und Volksverhetzungen machen mit 73,4% (2.762 von 3.764 Straftaten), wie in den Vorjahren, den überwiegenden Anteil der Straftaten der PMK-rechtsaus (2016: 66,4%). Es konnten 1.383 Straftaten bzw. 36,7% polizeilich geklärt werden. Da-mit liegt die Aufklärungsquote 0,7 Punkte unter dem Wert des Jahres 2016. Insgesamt wurden 1.532 Tatverdächtige ermittelt (2016: 1.970). Davon waren 1.357 Personen bzw. 88,6% männlich und 175 bzw. 11,4% weiblich. Die am höchsten belastete Altersgruppe war mit 316 Personen, wie im Vorjahr, die der 30 - 39-jährigen. Es folgte die Gruppe der 40 - 49-jährigen mit 243 Personen. 800 (52,2%) der Tatverdächtigen waren bereits zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten (2016: 1.155 bzw. 58,6%). Vorherrschende Themenfelder der PMK-rechtswaren "Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus" (Rückgang von 2.569 auf 2.430 Straftaten) und "Hasskriminalität" (Rückgang von 2.376 auf 1.563 Straftaten). Dahinter folgen die Themenfelder "Konfrontation/politische Einstellung" (Rückgang von 744 auf 529 Straftaten), "Ausländer-/ Asylthematik" (Rückgang von 1.105 auf 488 Straftaten) und "Innenund Sicherheitspolitik (Rückgang von 496 Straftaten auf 478 Straftaten). Gewaltkriminalität im Phänomen Bereich PMK-rechtsDie Anzahl der Gewaltdelikte durch rechtsmotivierte Tatverdächtige ist mit 206 Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 45,9% gesunken (2016: 381 Straftaten). Schwerpunktmäßig handelte es sich um Körperverletzungen (172 Straftaten bzw. 83,5%). Gewaltdelikte durch "Rechte" wurden nach wie vor mehrheitlich im öffentlichen Raum verübt und mit 97,1% zumeist unabhängig von Demonstrationen. Die Aufklärungsquote der Gewaltdelikte im Bereich der PMK-rechtsliegt mit 141 geklärten Taten bei 68,4% (2016: 181 Straftaten bzw. 47,5%). Hasskriminalität durch "Rechte" Der Hasskriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft oder aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind. Die "Hasskriminalität" im Phänomen Bereich PMK-rechtsist mit 1 563 Straftaten im Vergleich zum Vorjahr gesunken (2016: 2 376 Straftaten). Auch dem Unterthema "Fremdenfeindlichkeit" wurden weniger Delikte als im Vorjahreszeitraum zugeordnet (1.544 Straftaten, 2016: 2.143 Straftaten). Deliktisch gesehen liegen die Schwerpunkte bei Volksverhetzungen (679 Straftaten), Beleidigungen (244 Straftaten) und Straftaten gem. SSSS 86, 86a StGB (224 Straftaten). Auch die Anzahl der Gewaltdelikte im Themenfeld Hasskriminalität ist gesunken (154 Straftaten, 2016: 313 Straftaten), ebenso wie die Anzahl der fremdenfeindlich motivierten Gewaltdelikte (154 Straftaten, 2016: 311 Straftaten). 14 Antisemitische Straftaten Die Anzahl der antisemitischen Straftaten ist von 297 auf 324 Straftaten gestiegen (Anstieg um 9,1%). 294 Straftaten bzw. 90,7% der antisemitischen Straftaten wurden im Jahr 2017 der PMK-rechtszugeordnet. Bei den Deliktsgruppen machten, wie in den Vorjahren, Volksverhetzungen (200 Straftaten), Propagandadelikte (56 Straftaten) und Sachbeschädigungen (26 Straftaten) mit 87% den überwiegenden Anteil der Fallzahlen aus (2016: 91,2%). Auch die Anzahl der antisemitischen Gewaltdelikte ist gestiegen (6 Straftaten, 2016: 2 Straftaten). Reichsbürger/Selbstverwalter "Reichsbürger und Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutsch-land und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und bei denen deshalb die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Auch die Phänomen bezogenen Ereignisse des Jahres 2017 lassen den Schluss zu, dass der Anteil derer, die nicht mehr nachvollziehbare Ideologien bzw. Denkmuster ausleben und teils öffentlichkeitswirksam darstellen und/oder das deutsche Rechtssystem behindern, zunimmt. Bereits vor dem versuchten Tötungsdelikt am 25.08.2016 in Reuden (Sachsen-Anhalt) sowie dem Tötungsdelikt am 19.10.2016 in Georgensgmünd (Bayern) konnte ein Anstieg der Gewalt-delikte in der Szene verzeichnet werden. Somit kann konstatiert werden, dass ein nicht unerheblicher Personenkreis weiterhin den Standpunkt vertritt, die ideologischen Gedankenmuster im Sinne des Selbstschutzes unter Gewaltanwendung zu verteidigen bzw. zu untermauern. 2016 gipfelt die Gewalt in einigen Fällen zumeist im Rahmen von Exekutivmaßnahmen staatlicher Stellen in der billigenden Inkaufnahme tödlicher Verletzungen durch die gesteigerte Bereitschaft zum Einsatz von (Schuss-) Waffen. Vergleichbare Fälle sind für das Jahr 2017 nicht bekannt geworden. Jedoch wurden im Zusammenhang mit Durchsuchungen eine Vielzahl an (Schuss-) Waffen aufgefunden. Generell scheint die Hemmschwelle hinsichtlich des Einsatzes von Waffen jeglicher Art, gerade bei den sogenannten "Selbstverwaltern", weitaus niedriger als in den Kreisen der "Reichsbürger" zu sein. Aufgrund der vorgenannten Ausführungen können auch weiterhin gewalttätige Aktionen im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Des Weiteren sind im Nachgang derartiger hoheitlicher Maßnahmen grundsätzlich auch Aktivitäten mit Bezügen zu staatlichen Vertretern einzukalkulieren, die über das bisherige Maß an Störaktionen (z. B. vermeintlich juristischer Schriftverkehr, Amtsanmaßungen) hinausgehen könnten. Im Internet veröffentlichte Kommentare zum jeweiligen staatlichen Einsatz, aber auch losgelöst hiervon, so u. a. im "anonymen" Internet veröffentlichte Gewaltfantasien, dürften hingegen, vorbehaltlich einer Bewertung im konkreten Einzelfall, zum überwiegenden Teil als verbalradikale/emotionale Impulsabfuhr zu werten sein. Eine konkrete Personengefahr der an solchen Handlungen staat/behördlicherseits Involvierten oder aus Sicht des von der staatlichen Maßnahme Betroffenen vermeintlich Verantwortliche geht mit ihnen (zunächst) nicht einher. Seit dem Jahr 2017 wurde das Oberthema "Reichsbürger/Selbstverwalter" im KPMD-PMK eingeführt. Die Zahl der 2017 registrierten Straftaten im Themenfeld "Reichsbürger/Selbstverwalter" liegt bei 85 Straftaten. Davon entfallen 30 Straftaten auf den Phänomen Bereich PMK-rechtsund 55 Straftaten auf den Phänomen Bereich PMK-nicht zuzuordnen-. 74 der 85 Straftaten wurden geklärt (Aufklärungsquote: 87,1%) Von den 85 Straftaten sind zwölf Gewaltdelikte (drei im Phänomen Bereich PMK-rechtsund neun im Phänomen Bereich PMK-nicht zuzuordnen-). Hier wurden alle Gewaltdelikte aufgeklärt (Aufklärungsquote: 100%). 15 Politisch motivierte Kriminalität-linksDie Anzahl der Straftaten im Phänomen Bereich der PMK-linksist mit 1.374 Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 12,8% gesunken (2016: 1.576 Straftaten). In 2017 konnten mit 358 Straftaten weniger Straftaten geklärt werden als im Jahr zuvor (2016: 545 Straftaten). Die Aufklärungsquote sank auf 26,1% (2016: 34,6%). Insgesamt wurden 843 (2016: 1.149) Tatverdächtige ermittelt. Davon waren 581 (68,9%) männlich und 262 (31,1%) weiblich. Bei den Alters-gruppen haben sich leichte Verschiebungen ergeben. Der Schwerpunkt liegt nicht wie im Jahr 2016 mit 69,5% bei den 18bis 29-Jährigen, sondern mit 513 Personen bzw. 60,9% bei den 21bis 39Jährigen. 206 Tatverdächtige (24,4%) waren zuvor polizeilich in Erscheinung getreten. Vorherrschende Themenfelder waren wie in den Vorjahren "Konfrontation mit dem politischen Gegner" (Rückgang von 1.114 auf 983 Straftaten), "Innenund Sicherheitspolitik" (Anstieg von 784 auf 810 Straftaten) und - trotz deutlichen Rückgangs - "Antifaschismus" (Rückgang von 1.063 auf 411 Straftaten). Erneut gestiegen im Vergleich zum Vorjahr ist das Themenfeld "Ökologie/Industrie/Wirtschaft" (Anstieg von 175 auf 193 Straftaten). Die Straftaten im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Rodungen im "Hambacher Forst" zum Braunkohletagebau haben zugenommen. In diesem Kontext wurden im Berichtszeitraum 164 Straftaten verübt, die der PMK-linkszugerechnet werden (2016: 138 Straftaten). Der Anteil der Straftaten bei versammlungsrechtlichen Ereignissen am Gesamtaufkommen der PMK-linkslag mit 316 von 1.374 Straftaten bzw. 23% weit unter dem Niveau des Vorjahres (2016: 878 von 1.576 Straftaten bzw. 55,7%). Gewaltkriminalität im Phänomen Bereich PMK-linksDie Anzahl der Gewaltdelikte durch "Linke" ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30,8% gesunken (191 Straftaten, 2016: 276 Straftaten). 41,4% der Gewaltdelikte PMK-links(79 von 191 Straftaten) wurden bei demonstrativen Ereignissen verübt (2016: 170 Straftaten bzw. 61,6%); 29 Straftaten standen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den "rechten" Gegner. Dieses Thema begründete somit 15,2% aller Gewalt-delikte PMK-links-, ist aber im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen (2016: 152 bzw. 55,1%). 96 Gewaltdelikte (2016: 142 Straftaten) richteten sich gegen Polizeikräfte. 59 davon (61,5%) standen im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen (2016: 115 Straftaten). Im Jahr 2017 wurden 77 Gewaltdelikte aufgeklärt und somit 50 weniger als im Vorjahr (2016: 127 Straftaten). Auch die Aufklärungsquote sank auf 40,3% (2016: 46%). Politisch motivierte Kriminalität-ausländische IdeologieIm Jahr 2017 wurden 448 Straftaten im Bereich PMK-ausländische Ideologiefestgestellt. Die Entwicklung der Fallzahlen in diesem Bereich wird grundsätzlich von Ereignissen im Ausland geprägt. 196 Straftaten der PMK-ausländische Ideologiekonnten polizeilich geklärt werden. Die Aufklärungsquote lag bei 43,8%. Insgesamt wurden 220 Tatverdächtige ermittelt. Von diesen waren 198 Personen männlich (90%) und 22 weiblich (10%). 123 dieser Personen (56%) waren zur Tatzeit zwischen 25 und 49 Jahre alt. 86 Personen (39,1%) waren bereits zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Hauptsächliche Themenfelder waren "Befreiungsbewegungen/Internationale Solidarität" (301 Straftaten), "Innenund Sicherheitspolitik" (270 Straftaten) und "Konfrontation/politische Einstellung" (169 Straftaten). 16 Bei dem Themenfeld "Konfrontation/politische Einstellung" handelte es sich in den meisten Fällen (139 von 169 Straftaten) um Straftaten bei Auseinandersetzungen rivalisierender Ausländer. Phänomenologisch liegt der Schwerpunkt der Delikte im Bereich der PMK-ausländische Ideologiebei Körperverletzungsdelikten (106 Straf-taten), Verstößen gegen das Vereinsgesetz (89 Straftaten), Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (68 Straftaten), Beleidigungen (53 Straftaten) und Sachbeschädigungen (51 Straftaten). 255 Delikte bzw. 56,9% der Straftaten im Bereich der PMK-ausländische Ideologiewurden im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen begangen. 285 Straftaten bzw. 63,6% wurden mit dem Befreiungskampf der mit einem Betätigungsverbot belegten PKK begründet. Gewaltkriminalität im Phänomen Bereich PMK-ausländische IdeologieDie Anzahl der Gewaltdelikte der PMK-ausländische Ideologielag bei 121 Straftaten. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Körperverletzungen (106 Straftaten). 103 Gewaltstraftaten wurden dem Unterthema "PKK/Kurden" zugeordnet. Darunter sind 90 Körperverletzungsdelikte. Die Körperverletzungs-delikte stehen zum Großteil im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen, an denen sowohl türkische als auch kurdische Gruppen beteiligt waren. Allein 70 der 121 Gewaltstraftaten wurden am 04.11.2017 während einer Kurdendemonstration in Düsseldorf begangen. Die Aufklärungsquote bei den Gewaltdelikten der PMK-ausländische Ideologieliegt mit 50 geklärten Straftaten bei 41,3%. Politisch motivierte Kriminalität-religiöse Ideologie(vorher: "Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus") Im Bereich PMK-religiöse Ideologiewurden 82 der registrierten126 Straftaten aufgeklärt; das entspricht einer Aufklärungsquote von 65,1%. Die Anzahl der Gewaltdelikte im Bereich PMK-religiöse Ideologiebetrug 15, davon 13 im Themenfeld "Islamismus/Fundamentalismus". Neun dieser Straftaten, davon sieben im genannten Themenfeld, wurden aufgeklärt (Aufklärungsquote: 60,0 bzw. 53,8%). Die Zahl der 2017 registrierten Straftaten im Themenfeld "Islamismus/ Fundamentalismus" betrug 121 Straftaten. Insgesamt 88 Tatverdächtige wurden ermittelt: 81 Männer (92,0%) und 7 Frauen (8,0%). 55 Tatverdächtige waren zwischen 21 und 39 Jahre alt (62,5%). 12,5% hatten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet und 3,4% waren 60 Jah-re oder älter. Ein Tatverdächtiger war noch im Kindsalter (1,1%). Die 21 jihadistisch motivierten Anschläge in Europa des Jahres 2017 waren überwiegend durch ihre simple Tatbegehung unter Einsatz von Kraftfahrzeugen oder Messern als Tatmittel geprägt. Bei dem einzigen vollendeten Anschlag in Deutschland kam ein Passant durch eine Messerattacke am 28.07.2017 in einem Hamburger Super-markt ums Leben, sechs Personen wurden dabei verletzt. Die Entwicklung der jihadistischen Bedrohungslage in Deutschland im Berichtszeitraum war geprägt durch den weitest gehenden territorialen Verlust des Herrschaftsgebiets des IS im Herbst 2017 sowie die rückläufige Propagandaaktivität mit direktem Bezug zu Deutschland. Vor diesem Hintergrund besteht für Nordrhein-Westfalen und die gesamte Bundesrepublik Deutschland weiterhin eine von Einzeltätern und/oder Kleingruppen ausgehende, anhaltend hohe abstrakte Gefahr terroristischer Anschläge. Darüber hinaus stellen zurückkehrende Frauen und Kinder aus dem IS-Gebiet, die weiterhin der Ideologie verbunden sind, eine Herausforderung für Sicherheitsbehörden und die Gesellschaft dar. 17 PMK-ausländische PMK -religiöse PMK-nicht PMK-rechtsPMK-linksPMKAusländer IdeologieIdeologie zuzuordnenDeliktsgruppen 2017 2017 2017 2017 (2016) 2017 Tötungsdelikte 2 (1) 1 (1) 1 0 (2) 0 (0) Brandund Sprengstoffdelikte 14 (32) 21 (22) 0 1 (5) 7 (4) Landfriedensbruchdelikte 0 (6) 12 (43) 6 0 (22) 0 (1) Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, 1 (2) 28 (21) 1 0 (2) 5 (2) Schiffs-, Luftund Straßenverkehr Körperverletzungsdelikte 172 (312) 85 (150) 106 11 (151) 21 (13) Widerstandhandlungen 16 (19) 40 (34) 5 2 (19) 3 (0) Raub, Erpressung, 1 (9) 4 (5) 2 1 (4) 8 (1) Freiheitsberaubung Sexualdelikte 0 (0) 0 (0) 0 0 (0) 0 (0) Zwischensumme 206 (381) 191 (276) 121 15 (205) 44 (21) Bedrohungen, Nötigungen 47 (81) 30 (30) 19 25 (62) 29 (7) Sachbeschädigungen 313 (345) 619 (459) 51 11 (109) 412 (53) Propagandadelikte 2062 (2226) 29 (17) 13 4 (25) 165 (117) Volksverhetzungen 700 (894) 6 (2) 20 6 (31) 17 (7) Störungen des öffentlichen 16 (29) 5 (3) 5 16 (24) 8 (8) Friedens Beleidigungen 289 (438) 113 (116) 53 9 (100) 96 (56) Verstöße gegen das VereinsG 0 (1) 0 (1) 89 4 (116) 0 (0) Verstöße gegen das VersG 36 (172) 209 (589) 68 1 (90) 8 (10) Sonstige Straftaten 95 (133) 172 (83) 9 35 (99) 108 (29) 1374 Gesamt 3764 (4700) 448 126 (861) 887 (308) (1576) 18 Rechtsextremismus Eine seit 2015 bestehende Aufbruchsstimmung in der rechtsextremistischen Szene wird von der Hoffnung genährt, über die gesellschaftliche Diskussion zur Flüchtlingspolitik Menschen für rechtsextremistische Organisationen gewinnen zu können. Die Szene realisiert mittlerweile, dass fremdenund islamfeindliche Argumentationsmuster im breiten Umfang Fuß gefasst haben, sie selbst davon jedoch bislang nur in geringem Maße profitiert. Ein Teil der Szene reagiert darauf mit zunehmender Radikalisierung. Statt die Mitte der Gesellschaft für rechtsextremistische Positionen zu gewinnen, sollen vorrangig überzeugte Rechtsextremisten bestärkt und mobilisiert werden. Programmatisch zeigt sich dies bei der Partei Die Rechte beispielsweise durch eine Aufnahme nationalsozialistischen Vokabulars in ihr Grundsatzprogramm. Organisatorisch schlägt sich diese Entwicklung unter anderem bei der NPD nieder. Im Januar 2018 hat sich der radikalere Teil der Partei im "völkischen Flügel" organisiert. Eine verstärkte Zusammenarbeit von Die Rechte und dem III. Weg mit teilweise militanten rechtsextremistischen Organisationen im Ausland ist ein weiteres Indiz für eine Radikalisierung. Zudem weisen rechtsextremistische Diskurse, insbesondere über Flüchtlinge, in diese Richtung. Die Szene diskutiert Endzeitund Bürgerkriegsszenarien sowie mögliche Schritte einer Vorbereitung, beispielsweise mit Kampfsporttraining. Einige häufig virtuell entstehende Gruppierungen sehen eine vermeintliche Notwendigkeit, sich auf einen Bürgerkrieg vorzubereiten, als gemeinsame "Klammer" für ihre Aktivitäten. Es findet zunehmend eine Verlagerung in die reale Welt statt, gelegentlich mit der Aufforderung, sich zu bewaffnen. Das Spektrum der Feinbilder reicht von Migranten über vermeintlich linke Aktivisten bis zu Politikern. Es besteht die Gefahr, dass sich auf diesem Nährboden rechtsterroristische Strukturen oder Einzeltäter entwickeln. Ein anderer Teil der Szene, insbesondere die Neue Rechte, verfolgt das Ziel, die Stigmatisierung des Rechtsextremismus aufzubrechen und ihn zu entgrenzen. Es wird versucht, den politischen Diskurs nach "Rechts" zu verschieben und anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft zu werden. Die Rechtsextremisten nutzen dafür insbesondere Zeitschriften, Gruppen in sozialen Netzwerken sowie Online-Foren beispielsweise von Nachrichtenmagazinen. Die Identitäre Bewegung in Nordrhein-Westfalen versuchte verstärkt mit mediengerechten Inszenierungen geflüchtete Menschen pauschal als Bedrohung zu diskreditieren. Die Partei Pro Deutschland löste sich auf und rief ihre Mitglieder dazu auf, sich fortan in der AfD zu engagieren. Einige Akteure im rechtsextremistischen Spektrum hoffen, dass sich Erfolge der AfD positiv für den Rechtsextremismus auswirken. Im rechtsextremistischen Blog "Gegenstrom", in dem Strategieund Theoriedebatten geführt werden, schreibt ein Autor der AfD beispielsweise die Funktion eines "Türöffners" zu. Dies wird verbunden mit der Hoffnung, dass ihr Einzug in den Bundestag "zur Resonanzraumerweiterung der möglichen Meinungen, des Sagbaren führen kann. [...]". Weiter heißt es: "Wir sind also nicht mehr länger nur Getriebene, sondern treiben die anderen vor uns her. Letztlich führt die Resonanzraumerweiterung dazu, dass auch die extreme Rechte eine bessere Ausgangsposition hat als es noch vor dem Auftreten der AfD der Fall war. [...] Die konservativen Rechten öffnen die Türen, durch die die revolutionären Rechten nur noch durchgehen müssen." Eine "Erlebniswelt Rechtsextremismus" spricht gezielt Jugendliche und junge Erwachsene an. Sie zeichnet sich durch einen Mix aus Freizeitaktivitäten, politischer Agitation und unterhaltenden Mitteln aus. Rechtsextremistische Veranstaltungen mit Musik nahmen 2017 in Nordrhein-Westfalen zu. Deutschlandweit fanden mehrfach Großveranstaltungen der rechtsextremistischen Musikszene mit über tausend Teilnehmern statt. Daran nahmen rechtsextremistische Bands und Zuschauer aus Nordrhein-Westfalen teil. Reichsbürger erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Sie versuchen weiterhin, die Handlungsfähigkeit des Staates zu lähmen. Einige von ihnen besitzen ein erhebliches Gefährdungspotenzial. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen konnte bisher rund 2.750 Anhänger identifizieren (Stand: April 2018). Die Szene verbreitet ihre kruden Ansichten über das Internet und motiviert zu entsprechenden Aktivitäten. Repressive und präventive Maßnahmen des Staates zeigen erste Erfolge bei der Eindämmung dieses Phänomens. 19 Die Namen und Bezeichnungen von Organisationen, Bestrebungen und Tätigkeiten, bei denen zumindest gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht für die in SS 3 Abs. 1 VSG NRW beschriebenen Merkmale vorliegen, sind zwischen den Zeichen " und " eingefasst. 20 NPD Sitz / Verbreitung Bundesverband: Berlin; Landesverband: Essen Gründung / Bestehen seit 1964 (Bundesund Landesverband NRW) Struktur / Repräsentanz Bundesvorsitzender: Frank Franz (seit 2014); Landesvorsitzender: Claus Cremer (seit Juni 2008); einstellige Zahl handlungsfähiger Kreisverbände; insgesamt 17 Ratsund Bezirksvertretungsmandate in Nordrhein-Westfalen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: ca. 5.200 Land: ca. 500 Veröffentlichungen Publikationen: Zeitung des Bundesverbandes Deutsche Stimme (monatlich) als Printversion; Web-Angebote: mit den Seiten NPD.de oder NPD.nrw; fast alle Kreisverbände haben eigene Webseiten oder sind in den sozialen Netzwerken vertreten; BlickpunktTV auf einem Videoportal Kurzportrait / Ziele Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist die älteste aktive rechtsextremistische Partei. Die Partei will die Demokratie in Deutschland beseitigen und tritt für eine rassistische, antisemitische, revisionistische und fremdenfeindliche Ideologie ein. Vielfach bezieht sich die Partei dabei auf die Ideologie der NSDAP. Die Partei verfolgt ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch in einer aggressiv-kämpferischen Weise. Finanzierung Staatliche Parteienfinanzierung, Mitgliedsbeiträge und Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die NPD lehnt die freiheitliche Demokratie in Deutschland ab und will diese beseitigen. Dies betrifft wesentliche Prinzipien und Grundwerte unserer Verfassung. So negiert die Partei die tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere dass jeder Mensch als Individuum und ohne Vorbedingungen eine Würde besitzt. Vielmehr spricht die NPD Menschen lediglich eine Würde als Teil eines nationalen Kollektivs zu. Die von der NPD verfolgten politischen Ziele laufen auf einen autoritären Staat hinaus, in dem die Prinzipien der durch das Grundgesetz garantierten freiheitlichen demokratischen Grundordnung außer Kraft gesetzt werden sollen. Stattdessen verfolgt die NPD eine rechtsextremistische Ideologie, die auf das Prinzip der "Volksgemeinschaft" baut und sich vor allem durch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auszeichnet. Eine solche "Volksgemeinschaft" definiert die Partei ausschließlich nach ethnischen Kriterien. Alle Bürger, die diesen ethnischen Kriterien nicht genügen, will die Partei aus den demokratischen Prozessen ausschließen und damit entrechten. Das heißt, dass sie die Gleichheit aller Menschen als allgemeines Menschenrecht nach Art. 3 des Grundgesetzes ablehnt. Die Ablehnung von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund begründet die NPD "biologisch". Was darunter zu verstehen ist, wird in einem "Fragen und Antworten"-Bereich auf ihrer Webseite erläutert, wo es unter anderem zu den Fragen "Wer ist denn Deutscher? Was versteht die NPD unter 'Volk'?" heißt: "Längst ist erwiesen, dass das Erbliche bei Einzelnen wie bei Völkern und Rassen (als evolutionsbiologischen Lebensordnungen verwandter Menschen) gleichermaßen für die Ausbildung körperlicher wie nicht-körperlicher Merkmale 21 verantwortlich ist. Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich wie lange sie in Deutschland leben [...]." Auch 2017 setzt die Partei ihre Hetze gegen Migranten und insbesondere gegen Muslime sowie Flüchtlingen fort und schürte Ängste vor einer vermeintlichen Überfremdung. Indem die NPD den Islam mit Islamismus und Terrorismus gleichsetzt, zeichnet die Partei ein verzerrtes, negatives Bild der hier lebenden Muslime. Aber auch ihren "traditionellen" antisemitischen und revisionistischen Themen bleibt die NPD weiterhin treu. Dabei werden antisemitische Äußerungen verbreitet, der Holocaust oder die Zahl der Opfer in Frage gestellt und die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geleugnet. Die NPD glorifiziert in Beiträgen ihrer Parteizeitung "Deutsche Stimme" den historischen Nationalsozialismus und stellt sich selbst in die Nähe zu rechtskräftig verurteilten Verbrechern des NS-Regimes. Angesichts der vielfachen Bezüge auf die Ideologie der NSDAP gibt es eine inhaltliche Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus, die auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 feststellte. Die Partei verfolgt ihre verfassungsfeindlichen Ziele überdies in einer aggressiv-kämpferischen Weise. Dies zeigt nicht zuletzt ihre Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Neonazis und Hooligans. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Am 17. Januar 2017 fand die Urteilsverkündung im Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe statt. Das Gericht stellte die Verfassungsfeindlichkeit fest, weil die Partei nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebe und auch auf "eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen 'Volksgemeinschaft' ausgerichteten autoritären 'Nationalstaat'" aus sei. Laut Bundesverfassungsgericht missachte dieses politische Konzept die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören und sei deshalb mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar. Das Bundesverfassungsgericht wies den Antrag auf ein Verbot der NPD und ihrer Nebenorganisationen dennoch zurück. Es begründete die Entscheidung folgendermaßen: letztlich fehle es "jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt." Das bedeutet, dass die Partei wegen fehlender Relevanz für die Stabilität der Demokratie in Deutschland nicht verboten wurde. Die NPD feierte den Verfahrensausgang in den sozialen Netzwerken unter anderem als "Sieg für die Meinungsfreiheit" mit dem Hinweis, "zweifacher Verbotsverfahrenssieger" zu sein. Die Jubelmeldungen der Partei wurden mit dem Versprechen "Ab heute sind wir wieder voll da!" flankiert. Letztere Ankündigung konnte der Landesverband Nordrhein-Westfalen 2017 nicht einlösen. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Claus Cremer kommentierte das Urteil auf seinem Facebookprofil in völkischer Diktion: "Dieser Tag wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem sich die BRD nun auch öffentlich und höchstrichterlich zum volksfeindlichen Unrechtsstaat erklärt hat." Zudem verbreitete er ein Bildposting mit einer positiven Bezugnahme auf "die Volksgemeinschaft", der menschenverachtenden Gesellschaftsvorstellung der Nationalsozialisten: "Die Volksgemeinschaft und der Volksbegriff bleiben zentrale Säulen unserer Politik." Bei der Begründung des Urteils erwähnte das Bundesverfassungsgericht, dass der Bundestag ein Gesetz erlassen könnte, mit dem verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden können. Dies griff der Bundestag auf und änderte mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit im Juni 2017 die gesetzlichen Regelungen. Die NPD begriff sofort, dass sie in naher Zukunft von dieser Neuregelung betroffen sein könnte und sprach in einem Kommentar, den sie unter anderem auf dem Facebookprofil der nordrhein-westfälischen NPD veröffentlichte, von einer "Lex NPD". Der Bundesrat beschloss auf der Grundlage der neuen Regelungen am 2. Februar 2018, ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten, um die rechtsextremistische Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Bundesparteitag Im März 2017 fand der Bundesparteitag der NPD unter dem Motto "Ja zu Volk und Heimat!" statt. Auf diesem stellte sich der amtierende Bundesvorsitzende Frank Franz zur Wiederwahl, der bislang als Interimslösung für die Zeit des Verbotsverfahrens galt. In seiner Bewerbungsrede um den erneuten Parteivorsitz hob Franz hervor, die NPD sei niemals nur Wahlpartei, sondern stets auch "Sammlungsbewegung und Bewegung an sich" gewesen und 22 habe sich dabei als "Speerspitze des nationalistischen Kampfes für die Freiheit des deutschen Volkes" verstanden. Zentraler Gründungsgedanke sei die Idee, alle Kräfte zu sammeln, die für "ein freies und souveränes und völkisches Deutschland" stünden. Der zweite Bewerber war Thorsten Heise, in den der neonazistische Flügel der Partei große Hoffnungen setzte. Franz, der als führungsschwach gilt, konnte die Wahl mit lediglich 60 Prozent der Stimmen gewinnen, was seine Führungsprobleme vergrößern dürfte. Heise wurde zu seinem Stellvertreter gewählt. Er ist in der Neonaziszene national und international gut vernetzt. Dessen Wahl lässt erkennen, dass nach dem Abschluss des Verbotsverfahrens die radikaleren Kräfte in der Partei ihre zuletzt an den Tag gelegte Zurückhaltung aufgeben. Landtags-, Bundestagsund Duisburger Oberbürgermeisterwahl Für die NPD in Nordrhein-Westfalen begann unmittelbar nach der Urteilsverkündung die Vorbereitung auf den Landtagswahlkampf. Hierbei war das Sammeln von Unterstützungsunterschriften, um zur Teilnahme an der Wahl zugelassen zu werden, von immenser Bedeutung für die Partei. Der Landesverband hatte dabei erhebliche Schwierigkeiten. Offenbar verweigerten Teile der NPD dem Landesvorsitzenden die Gefolgschaft und beteiligten sich nicht an der Sammlung. Einige Male zeigte deshalb die NPD-"Parteiprominenz" aus Berlin Präsenz und Einsatz an der Basis und nahm an Aktionen teil, bei denen man um Unterschriften warb. Anfang Februar 2017 beteiligte sich unter anderem der Bundesvorsitzende der NPD in Duisburg an sogenannten "Bürgergesprächen". Dieser Umstand zeigt, dass der Landesverband trotz seiner internen Konflikte eine strategische Bedeutung für die Bundespartei besitzt. Im Landtagswahlkampf agitierte die Partei vor allen gegen Flüchtlinge und Muslime. Migranten stellt die NPD ausschließlich negativ dar. So versuchte der Landesvorsitzende im Wahlwerbespot, Migranten als Bedrohung zu charakterisieren: "Entweder eine multikriminelle Gesellschaft oder eine deutsche Zukunft für unsere Kinder." Mit einem LKW mit Lautsprecheranlage tourte der Landesverband durch verschiedene Städte, um für sich zu werben. In der Regel nahm von diesen Kundgebungen kaum jemand Notiz. Bei der Landtagswahl erzielte die NPD mit 0,3 Prozent ein sehr schwaches Ergebnis (2012 erzielte sie 0,5 Prozent, 2009 0,7 Prozent und 2005 0,9 Prozent). Um für ihre Wählerstimmen Mittel aus der Parteienfinanzierung zu erhalten, hätte sie bei der Landtagswahl mindestens 1,0 Prozent erreichen müssen, was die NPD deutlich verfehlte. Bei der Sammlung von Unterstützungsunterschriften für die Bundestagswahl war man auf die Hilfe des Dortmunder Kreisverbandes von Die Rechte angewiesen, der Unterschriften sammelte, obwohl NPD und Die Rechte als Konkurrenten anzusehen sind. Im Wahlkampf setzte die NPD vor allem auf flüchtlingsund islamfeindliche Propaganda. Beispielsweise verbreitete sie auf ihren Facebook-Profilen das Bild von einem Schlauchboot mit vermeintlichen Flüchtlingen und schrieb dazu den zynischen Spruch: "Wir lassen die Luft raus". In abgesetzter Schrift folgte der Zusatz "Aus der Asylpolitik". Die Spitzenkandidatin des Landesverbandes posierte auf einem Bild mit der Aussage "Nation oder Islam". Mit dieser plakativen Gegenüberstellung meint die NPD, dass Muslime keine Deutsche sein können, was auf deren Ausgrenzung und Entrechtung hinausläuft. Für den Bundesverband der NPD war der Antritt in Nordrhein-Westfalen wegen der hohen Einwohnerzahl für das Abschneiden der Partei im Bund enorm wichtig. Zwar gelang der bundesweite Wahlantritt, mit 0,4 Prozent der Wählerstimmen verfehlte sie jedoch ihr Wahlziel von mindestens 0,5 Prozent. Und damit den Stimmenanteil, der für Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung erforderlich gewesen wäre. Zeitgleich mit der Bundestagswahl fand am 24. September 2017 die Oberbürgermeisterwahl in Duisburg statt. Dazu trat die NPD-Ratsfrau im Duisburger Stadtrat als Kandidatin an. In einem Interview zur Vorstellung ihrer Positionen bewirbt sie die NPD als "einzige bekennende völkische Kraft im Duisburger Rathaus". Sie erreichte 3,35 Prozent der abgegebenen Stimmen. Seit dem Erstarken der AfD in der deutschen Parteienlandschaft behauptet die NPD, ihre langjährigen Themen würden ihr gestohlen. Damit versuchen die Parteistrategen, die schlechten Wahlergebnisse zu erklären. So schrieb der Bundesvorstand der NPD einen Tag nach der Bundestagswahl in seiner Wahlanalyse folgendes: "Die AfD hat alles aufgesogen, was möglich war, weil es momentan eben angesagt ist, bei dem vor allem auch von den Medien inszenierten 'Hype' dabei zu sein. [...] Die Hauptkonkurrenten der NPD im Kampf um Wählerstimmen sind die AfD und die Linke, was die gestrige Bundestagswahl deutlich vor Augen geführt hat." Allerdings ist die anhaltende Führungsschwäche und Spaltung der Partei insbesondere auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen ein weiterer wesentlicher Grund für ihre schlechten Resultate. 23 Kommunale Verankerung Die NPD verfügt über 17 Mandate in kommunalen Räten und Bezirksvertretungen. Ihre Aktivitäten beschränken sich dort auf den Versuch, öffentlichkeitswirksam Anträge und Anfragen zu stellen. Dies gilt insbesondere für die gemeinsame Ratsgruppe von NPD und Die Rechte im Dortmunder Stadtrat. Gelegentlich ergreifen die Mandatsträger in den Sitzungen auch das Wort. So nutzte die Duisburger Ratsfrau der NPD ihre Redezeit zur Haushaltsdebatte im November 2017, um Ressentiments über Migranten zu verbreiten und Sozialneid zu schüren: "Die Lebensqualität der einheimischen Bürgerinnen und Bürger wäre sicher steigerungsfähig, aber hier in der Multikultihauptstadt Duisburg liegt der Schwerpunkt auf der Unterstützung, der Förderung und auf von vorneherein zum Scheitern verurteiltenIntegrationsbemühungen für ungeladene Gäste." Letztlich machen nach Aussagen der NPD-Mitglieder Sitzungsgelder und Aufwandspauschalen die Teilnahme an den Kommunalräten für die NPD attraktiv. Öffentlich wahrnehmbar waren 2017 lediglich drei Kreisverbände: Duisburg, Bochum und Unna. Letzterer kooperierte eng mit den Kreisverbänden der Partei Die Rechte in Hamm und Dortmund. Aktivitäten anderer Kreisverbände steuert oftmals der Landesverband und verbreitet diese in den sozialen Netzwerken. Virtuelle Öffentlichkeitsarbeit Der NPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen hat 2017 seine virtuellen Aktivitäten verstärkt. Seit April betreibt er eine Webseite. Zudem veröffentlicht er seit 2017 auch Videos auf einem eigenen Youtube-Kanal. Das Facebookprofil der NPD Nordrhein-Westfalen weist rund 8.500 Abonnenten auf. Damit erreicht es ein Vielfaches ihrer Mitgliederzahl, die bei ca. 500 liegt. Einzelne Kreisverbände, die kaum öffentlich in der Realwelt in Erscheinung treten, sind virtuell hoch aktiv. Beispielsweise veröffentlicht der Oberhausener Kreisverband täglich mehrfach Kommentare zu verlinkten Nachrichten, die in die rechtsextremistische Weltsicht passen. Interne Veranstaltungen Mehrfach führte die NPD in Nordrhein-Westfalen Vortragsveranstaltungen zu politischen Themen durch. Beispielsweise fand in der Essener Landesgeschäftsstelle am 28. Oktober 2017 eine Veranstaltung zum Thema "Gendermainstreaming und Frühsexualisierung" statt. Dort referierte die stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) und sprach vom "lebensrichtigen Menschenbild des Nationalismus". Am 6. und 7. Oktober 2017 trat ein Mitglied des Bundesvorstandes in den Kreisverbänden Oberhausen und Unna/ Hamm auf, um über die Lage der Partei nach der Bundestagswahl zu sprechen. Der Kreisverband Unna/ Hamm führte die Veranstaltung gemeinsam mit dem Dortmunder Kreisverband von Die Rechte durch. Ferner führte der NPD-Landesverband am Volkstrauertag ein sogenanntes "Heldengedenken" in DortmundHohensyburg durch. In der Absicht Geschichte umzudeuten, steht statt Totengedenken die Heldenverehrung im Mittelpunkt. Damit knüpft die NPD an die Erinnerungspolitik der NSDAP an, die den Volkstrauertag der Weimarer Republik in einen "Heldengedenktag" umbenannte und für eine nationalistische und militaristische Propaganda zu instrumentalisieren. Demonstrationen und Kundgebungen Neben vereinzelten Infoständen ist die 1.-Mai-Demonstration ein Höhepunkt im NPD-Kalender. In ihrem Demonstrationsaufruf betont die Partei ihre Gegnerschaft zur freiheitlich demokratischen Grundordnung: "Auch am Arbeiterkampftag 2017 gilt es, zu unterstreichen, dass es Alternativen zur bestehenden politischen Ordnung gibt." Vor allem agitierte sie auf der Veranstaltung gegen Flüchtlinge. So skandierten die Teilnehmer mehrfach: "An Ruhr und Rhein kein Asylantenheim". In schriller Revolutionsrhetorik forderte auf der Kundgebung der "Bundesorganisationsleiter" der NPD, Sebastian Schmidtke, in seiner Rede zum Umsturz auf: "Das deutsche Volk hat einmal geschafft ein Unrechtssystem wegzujagen und das deutsche Volk wird es wieder schaffen, mit Demonstrationen die Verräter unseres Volkes davonzujagen, um endlich wieder Deutschland das Land der Deutschen werden zu lassen." Zum wiederholten Male benötigte die NPD den Schulterschluss mit der eigentlichen politischen Konkurrenz am rechten Rand, der Partei Die Rechte, um eine dreistellige Zahl von Demonstrationsteilnehmern zu erzielen. Für den Landesvorsitzenden war es eine Demütigung, dass der frisch gewählte stellvertretende Bundesvorsitzende Thorsten Heise an der durch Cremer organisierten Demonstration in 24 Essen fernblieb und am gleichen Tag an einer anderen Veranstaltung teilnahm, die die Partei Die Rechte in Dortmund durchführte. Nachdem Pegida-NRW mit einem neuen Organisationsteam am 6. November 2017 seine 82. Versammlung in Duisburg durchführte, zeigte man sich offen für die Teilnahme der NPD. Vertreter der Partei marschierten mit einem Banner mit. Da Pegida-NRW seine Aktivitäten wieder einstellte, war diese Kooperation indes nur von kurzer Dauer. Der Landesverband beteiligte sich mit einer Delegation an der Veranstaltung "Tag der deutschen Zukunft" (TddZ), die am 3. Juni 2017 in Karlsruhe stattfand. Dabei handelt es sich um eine jährlich in einer anderen deutschen Stadt stattfindende rechtsextremistische Demonstration, die von Neonazis geprägt wird. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der NPD begründete die Zusammenarbeit mit der neonazistischen Szene mit rechtsextremistischen Untergangsszenarien: "Gerade der planmäßige Austausch unseres Volkes und die planmäßige Überflutung unseres Landes mit fremdländischen Einflüssen macht es wichtig, ein organisationsund parteiübergreifendes Zeichen zu setzen." Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Der derzeitige Landesvorstand befindet sich in einer andauernden Führungskrise. Ein Neuanfang ist vorerst nicht wahrscheinlich, da sich keine innerparteiliche Konkurrenz aufdrängt. Im Bundesvorstand wurde durch die Wahl Heises der offen neonazistisch agierende Flügel gestärkt. Innerhalb des nordrhein-westfälischen Landesverbandes scheinen die radikaleren Kräfte nicht stark genug zu sein, um einen Wechsel in der Führung herbeizuführen. Ambivalent bleibt das Verhältnis zur Neonazi-Szene, welches zwischen Kooperation und Konflikt schwankt. Neben den hausgemachten Problemen sieht die NPD auch die AfD zunehmend als ernste Konkurrenz. So schreibt der Bundesvorstand in seiner Wahlanalyse zur Bundestagswahl: "[...] zuallererst bedanken wir uns allen Wählern, die trotz der medialen Allgegenwärtigkeit der AfD ihr Kreuz bei der NPD gesetzt und damit uns Nationaldemokraten ihr Vertrauen ausgesprochen haben.". Zudem folgt der Verunsicherung etlicher Parteimitglieder durch das abgeschlossene Verbotsverfahren nun die Verunsicherung wegen der möglichen Entziehung staatlicher Gelder. 25 Pro NRW Sitz / Verbreitung Düsseldorf (faktisch Leverkusen) Gründung / Bestehen seit 2007 Struktur / Repräsentanz Vorsitzender der Partei Pro NRW ist seit Gründung Markus Beisicht; Gliederung in acht Bezirksverbände mit vorgeblich 53 angeschlossenen Kreisverbänden; nur in drei Kommunen nennenswerte Aktivitäten; 23 Mandate in kommunalen Räten und Bezirksvertretungen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 circa 400 (Tendenz weiterhin rückläufig) Veröffentlichungen / Publikationen: Als Informationsund Werbemedium dient die im Flugblattformat vertriebene Publikation NRW UNZENSIERT - Zeitung der Bürgerbewegung Pro NRW. Anlassbezogen erscheinen darüber hinaus Flugund Faltblätter. Web-Angebote: eigene Webseiten sowie Profile in den sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Pro NRW ist der Versuch einer landesweiten Ausdehnung der zunächst lokalen Organisation von Pro Köln mit identischen inhaltlichen Ansätzen, gleichgelagerter Strategie und - bis zum Zeitpunkt des internen Zerwürfnisses im Jahr 2015 - auch teilweise gleichem Führungspersonal. Der Vorsitzende und ein Teil des Vorstandes von Pro NRW stammen aus rechtsextremistischen Parteien oder Organisationen. Die Partei versucht sich überwiegend bürgerlich zu inszenieren. Inhaltlich vertritt sie jedoch dezidiert fremdenfeindliche und islamfeindliche Positionen, diffamiert Migranten und schürt Ängste vor ihnen, insbesondere vor Muslimen und Flüchtlingen. Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Zuwendungen an Gruppen und Fraktionen in Kommunalvertretungen Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Partei Pro NRW missachtet mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. Sie vermittelt ein negatives Menschenbild über bestimmte Minderheiten, welches ausschließlich an deren Nationalität, Religions-, Staatsoder ethnischen Zugehörigkeit anknüpft. Insbesondere Muslime, Sinti und Roma sowie Flüchtlinge werden als unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse dargestellt. Dabei greifen sowohl Wortwahl als auch die Argumentationsmuster die Menschenwürde an und sind deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Flüchtlinge bezeichnet die Partei mitunter auch als "Invasoren". Eine derartige Kriegsrhetorik zielt darauf ab, Flüchtlinge zu diffamieren und Menschenrechte zu delegitimieren. Letztlich tragen derartige Freund-Feind-Bilder dazu bei, Übergriffe auf Flüchtlinge als vermeintliche Notwehr erscheinen zu lassen. Die Partei-Funktionäre unterscheiden bewusst nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als extremistischer Strömung, sondern stellen Musliminnen und Muslime pauschal als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft dar, um ihnen das Grundrecht auf Religionsfreiheit einzuschränken. 26 Gerichte bestätigten mehrfach, dass Pro NRW zu Recht in den Verfassungsschutzberichten als rechtsextremistische Partei aufgeführt wird. Zuletzt stellte das Verwaltungsgericht Berlin am 21. Januar 2016 fest, dass der Verfassungsschutzbericht des Bundes rechtmäßig Pro NRW als rechtsextremistische Bestrebung aufführt. Denn die Partei habe "im Berichtszeitraum Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betrieben" (VG 1 K 255.13). Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Im Jahr 2017 legte die Partei Pro NRW ihren Schwerpunkt wie in den vorangegangen Jahren vor allem auf eine flüchtlingsund islamfeindliche Agitation. Fortwährend diskreditierte sie Flüchtlinge mittels gezielter Kampagnen und entsprechender Slogans, indem sie sie pauschal negativ als Kriminelle, Gewalttäter und "Sozialschmarotzer" darstellte und damit Ressentiments gegen diese Bevölkerungsgruppe schürte. Die Partei ging auf eine öffentlich diskutierte Aussage des AfD-Politikers Alexander Gauland ein, der über die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özuguz, sagte: "...wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können". Nachdem der damalige AfD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen Marcus Pretzell diese Aussage kritisierte, kommentierte dies Pro NRW am 28. August 2017 auf ihrem Facebookprofil in völkisch-nationalistischer Diktion: "Wenn Pretzell sich gegen die Rückkehr der Frau Özoguz (und ihres familiären Umfeldes aus Salafisten) nach Anatolien ausspricht, weil der Dame irgendwann einmal ein Plastikkärtchen überreicht wurde, das sie zur BRDBürgerin befördert, negiert er zugleich die Illegitimität der zahllosen anderen Einbürgerungen von Herrschaften aus Anatolien, dem Kongo und Taka-Tuka-Land. Würde man diese als rechtmäßig und nicht als in toto nichtig betrachten, wäre es auch dann nicht mehr möglich, den Merkeldeutschen wieder den Laufpaß zu geben, wenn die Herrschaft der Deutschlandfeinde einmal beendet ist. Auch ein Herr Pretzell sollte wissen, daß man niemandem per Dekret oder Aushändigung eines Ausweises eine andere Identität bzw. Volkszugehörigkeit zuschanzen kann. Man ist, was man ist, egal ob man Meier, Müller, Schulze oder eben Özuguz heißt. Auch wenn man als Meier in Ankara oder Özuguz in Hamburg geboren ist." Die seit dem Spaltungsprozess innerhalb der Pro Bewegung 2015 zu beobachtende Zusammenarbeit von Pro NRW mit Personen aus der neonazistischen Szene sowie Aktivisten der NPD setzte sich auch im Jahr 2017 fort. So lud man zum Neujahrsempfang im Januar 2017 den in der Szene populären rechtsextremistischen Liedermacher Frank Rennicke ein. Die NPD stellte Rennicke in den Jahren 2009 und 2010 als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten auf. Trotz der Öffnung der Partei für die neonazistische und subkulturelle rechtsextremistische Szene verliert sie an Einfluss und Bedeutung ausgehend von einem ohnehin niedrigem Niveau. Zudem hat sie durch die Strategie der Öffnung das ursprünglich anvisierte bürgerliche Milieu verschreckt. In der Eigendarstellung versucht Pro NRW mitunter den Eindruck zu vermitteln, über regional flächendeckende Strukturen zu verfügen. Der fortschreitende Bedeutungsverlust der Organisation schlägt sich jedoch in der geringen kommunalen Präsenz vor Ort nieder, die ursprünglich das wesentliche Agitationsfeld von Pro NRW war. Im Januar 2017 legte auch der Bonner Kreisvorsitzende sein Ratsmandat nieder. Nach vielen Austritten verblieben der Partei noch 23 Mandate in kommunalen Räten und Bezirksvertretungen. Allerdings sind nur wenige Vertreter in den Räten tatsächlich aktiv und nutzen diese gelegentlich als Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda. Tatsächliche Sacharbeit vor Ort findet kaum statt. Pro NRW versuchte die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln für ihre fremdenfeindliche Propaganda zu instrumentalisieren. So führte die Partei am 07. Januar 2017 zusammen mit weiteren Akteuren eine Demonstration in Köln mit dem Motto "Kein Vergeben - kein Vergessen! Ein Jahr nach dem SexPogrom/Köln" durch. Es erfolgte ein Gang durch die Innenstadt mit mehreren Kundgebungen. Diese Veranstaltung stieß nur auf geringen Zuspruch und konnte erneut bei weitem nicht die Teilnehmerzahl mobilisieren, die Pro NRW im Vorfeld angekündigt hat. Im April 2017 kündigte Pro NRW an, an der Duisburger Oberbürgermeister-Wahl mit einem Kandidaten teilzunehmen und "einen provokanten kurzen Wahlkampf mit Schwerpunktkampagnen in den multikulturellen 27 Brennpunkten" zu führen. Es sollte unter anderem eine Kundgebung unter dem Motto "Keine rechtsfreien Räume in Duisburg-Marxloh - Migrantengewalt stoppen" stattfinden. Jedoch setzte die Partei diese Ankündigungen nicht um und stellte keinen Kandidaten auf. Mit Blick auf die Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen sprach Pro NRW noch im März 2016 davon, eine Kooperation unter anderem mit der AfD zu suchen. Sollte diese nicht zustande kommen, werde "es selbstverständlich eine eigenständige Pro NRW-Kandidatur zur Landtagswahl 2017 geben." Die AfD hingegen lehnte eine Zusammenarbeit ab. Im September 2016 erklärte dann der Pro NRW-Vorsitzende Markus Beisicht, "sich nun strategisch auf die Kommunalpolitik zu konzentrieren", da die AfD das anvisierte Wählerspektrum bei Bundesund Landtagswahlen bereits erfolgreich anspreche. Pro NRW trat nicht zur Landtagswahl 2017 an. Auf dem Parteitag am 27. Oktober 2017 wählten die Mitglieder erneut den Parteigründer Markus Beisicht zum Parteivorsitzenden. Für 2018 gab die Partei bekannt, dass sie eine islamfeindliche Veranstaltungsserie unter dem Titel "Freiheit statt Islam" durchführen will. Dabei setzt sie den Islam mit islamistischen Ausprägungen gleich. Denn sie erläutert, dass das Ziel der Kampagne sei, "gegen die islamistische Landnahme [zu] kämpfen". Zur Europawahl 2019 beabsichtigt Pro NRW, "gemeinsam mit anderen seriösen patriotischen und islamkritischen Plattformen mit einer Anti-Islam-Liste" und der Erwartungshaltung anzutreten, "mit einem sehr provokanten islamkritischen Profil hier mehr als ein Achtungserfolg erzielen zu können." Bislang ist nicht zu erkennen, welche Organisationen mit Pro NRW kooperieren könnten. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Partei Pro NRW setzt weiterhin ihren Schwerpunkt auf fremdenfeindliche, insbesondere flüchtlingsund islamfeindliche Kampagnen. Geprägt durch interne Auseinandersetzungen, persönliche Anfeindungen, Mitgliederschwund und strukturelle Erfolglosigkeit verfügt Pro NRW heute nur noch über eine geringe Aktionsfähigkeit. Die offen zutage tretende Konkurrenz zwischen Pro NRW, Pro Köln und Pro Deutschland (bis zu deren Auflösung am 11. November 2017) bei inhaltlich nahezu identischer Ausrichtung führt sowohl zu einer Zersplitterung der rechtsextremistischen Parteienlandschaft in Nordrhein-Westfalen als auch zur Irritation in der identischen Zielgruppe. Die Absage, an den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2017 teilzunehmen, war somit auch ein Ausdruck der fortschreitenden existenziellen Krise von Pro NRW. 28 Pro Köln Sitz / Verbreitung Köln Gründung / Bestehen seit 1996 Struktur / Repräsentanz Vorsitzender von Pro Köln ist seit 2014 Michael Gabel; der Verein ist nur in Köln aktiv; als Gruppe im Stadtrat mit zwei Mandaten und fünf Mandaten in Bezirksvertretungen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 circa 200 Mitglieder (Tendenz weiterhin rückläufig) Veröffentlichungen Publikationen: KÖLN UNZENSIERT - vormals "Fraktionszeitung KÖLN UNZENSIERT", Web-Angebote: eigene Webseiten sowie Profile in den sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Pro Köln entstand 1996 im Wesentlichen auf Betreiben von langjährig aktiven Rechtsextremisten. Im Stadtrat ist sie als Ratsgruppe mit zwei Mandatsträgern vertreten. Pro Köln versucht sich überwiegend bürgerlich zu inszenieren. Inhaltlich vertritt die Organisation dezidiert fremdenfeindliche und islamfeindliche Positionen, diffamiert Migranten, insbesondere Flüchtlinge, und schürt Ängste vor ihnen. Pro Köln versucht in der Gesellschaft diskutierte Themen zu nutzen, um eigene rechtsextremistische Sichtweisen und Forderungen in die Mitte der Gesellschaft zu verbreiten. Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Zuwendungen an die Gruppe im Kölner Stadtrat Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Pro Köln missachtet mit seinen Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. Der Verein vermittelt ein negatives Menschenbild über bestimmte Minderheiten, welches ausschließlich an deren Nationalität, Religions-, Staatsoder ethnischen Zugehörigkeit anknüpft. Eine differenzierte Betrachtung, die andere Aspekte einbezieht, blendet er dabei aus. Mit dieser Art der Darstellung schürt Pro Köln Ablehnung und versucht, Ängste in Teilen der Bevölkerung aufzugreifen und zu instrumentalisieren. Eine besondere Form der Fremdenfeindlichkeit stellt die Islamfeindlichkeit dar. So verbreitet Pro Köln seit Bestehen öffentlichkeitswirksam Vorurteile über Muslime, um Ängste zu wecken oder zu verstärken. Er unterscheidet dabei bewusst nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als extremistischer Strömung. Die diskreditierende Gleichsetzung zielt darauf ab, eine Glaubensgemeinschaft pauschal für eine Vielzahl gesellschaftlicher Missstände und Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen und sie als Bedrohung darzustellen. Beispielsweise postete der Verein am 18. August 2017 auf seinem Facebookprofil folgendes Statement: "Nachdem linke Multikultiphantasten den Islam in Europa ansiedeln wollen und es nun Anschläge am laufenden Band gibt (es gab gestern gleich noch einen zweiten Anschlag in Spanien), hilft vielleicht nur noch Schweineblut." 29 Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte mit einem Beschluss vom 21. Februar 2014 eine vorhergehende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf, wonach die Nennung von Pro Köln im Verfassungsschutzbericht rechtmäßig ist. "Es hat aus den im Urteil wiedergegebenen Verlautbarungen und Aktivitäten des Klägers bzw. seiner Funktionäre rechtsfehlerfrei auf den Verdacht einer gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte verstoßenden ausländerfeindlichen Ausrichtung und auch im Übrigen verfassungswidriger Bestrebungen des Klägers geschlossen." Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Auch im Jahr 2017 legte Pro Köln seinen Schwerpunkt auf eine flüchtlingsund islamfeindliche Politik. Der Verein instrumentalisierte wiederholt die Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 am Kölner Hauptbahnhof, um Flüchtlinge pauschal zu diskreditieren und sie als Feindbild darzustellen. Nach der Spaltung von Pro NRW im Jahr 2015 büßte der Verein zunehmend an Handlungsfähigkeit ein, weil Mitglieder die Organisation verließen oder demotiviert ihre Aktivitäten einstellten. Insofern gab es 2017 nur vereinzelte Aktivitäten im Stadtraum. Im Rat der Stadt Köln meldete sich die Ratsgruppe von Pro Köln kaum zu Wort. Die Ratsgruppe verwendet ihre Mittel, um unter anderem eine schmale Zeitschrift herauszubringen, in der sie ausgiebig über die Aktivitäten des Vereins, insbesondere die neue Webseite, berichtet. Des Weiteren führte sie einen Neujahrsempfang am 22. Januar 2017 durch. Als Hauptredner trat ein wegen Volksverhetzung verurteilter Publizist auf, der aus seinem Buch "Umvolkung. Wie die Deutschen still und leise ausgetauscht werden" vorlas. Der Begriff "Umvolkung" stammt aus dem Sprachgebrauch des Nationalsozialismus für bevölkerungspolitische Maßnahmen im Sinne der NS-Ideologie. Derzeit verwenden den Begriff Rechtsextremisten, um ihre fremdenfeindlichen Positionen zu verbreiten. Sie wollen den Eindruck erwecken, dass durch Einwanderung eine ethnisch homogene Bevölkerungsgruppe durch eine andere ethnisch homogene Bevölkerungsgruppe vertrieben würde. Der Verein konzentrierte 2017 seine Anstrengungen besonders auf die virtuelle Propaganda. Seit Mai 2017 erscheint die Webseite des Vereins in einem neuen Design unter dem Namen "Köln unzensiert". Auf den ersten Eindruck erweckt die Webseite nun den Eindruck eines Blogs zu kommunalen Themen. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass Pro Köln die Webseite betreibt. Dort hat Pro Köln im Jahr 2017 unter dem Titel "Überfremdungs-Olympiade" eine Serie von Beiträgen begonnen. Dabei vergibt sie "Plätze" für die einzelnen Stadtteile nach dem prozentualen Anteil von Migranten unter den dort lebenden Menschen. Dadurch will Pro Köln in rassistisch-verschwörungstheoretischer Manier einen "schleichenden Bevölkerungsaustausch" als bewiesen verstehen. Zudem suggeriert der Verein mit seiner "Überfremdungs-Olympiade", dass ein Mehr an Migranten pauschal ein Mehr an negativen Entwicklungen bedeutet. So baut Pro Köln ein Angst-Szenario auf. Der Verein behauptet, durch den vermeintlich hohen Anteil an Migranten werden "sich viele, auch ethnisch-religiös bedingte, Konflikte zwischen alteingesessener Bevölkerung und Neubewohnern entladen" und "... die Probleme bei der Integration von Zugewanderten und kulturelle bzw. religiöse Spannungen ... voraussichtlich weiter zunehmen." Bewertung, Tendenzen, Ausblick Pro Köln setzt weiterhin seinen Schwerpunkt auf fremdenfeindliche Kampagnen, die sich vor allem gegen Flüchtlinge und Muslime richten. Der Verlust des Fraktionsstatus von Pro Köln bei der Kommunalwahl 2014, die nachfolgenden Streitigkeiten innerhalb der Pro-Bewegung und der personelle Aderlass haben die Handlungsfähigkeit und Bedeutung des Vereins enorm eingeschränkt. Als Konsequenz daraus erhielt auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 15. April 2018 der Antrag des Vorstandes für die sofortige Vereinsauflösung 97,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die bisherigen Pro Köln-Ratsmitglieder und -Bezirksvertreter wollen ihre Mandate als Parteilose weiter ausüben. 30 Pro Deutschland Sitz / Verbreitung Landesverband NRW: Düsseldorf Gründung / Bestehen seit Bürgerbewegung Pro Deutschland: 2005; Pro Deutschland Landesverband NRW: 2016; Die Partei Pro Deutschland hat am 11.11.2017 auf ihrer Bundesversammlung ihre Auflösung beschlossen. Struktur / Repräsentanz Bundesvorsitzender der Partei Pro Deutschland war Manfred Rouhs; Vorsitzender des im Oktober 2015 gegründeten Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen war Dr. Christoph Heger; 23 Mandate in kommunalen Räten und Bezirksvertretungen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 circa 100 Mitglieder Veröffentlichungen Web-Angebote: eigene Webseiten sowie Profile in den sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Die unter der Bezeichnung Pro Deutschland auftretenden Gruppierungen entstanden im Wesentlichen auf Betreiben ehemaliger Funktionäre und Mitglieder der rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH)" sowie der Partei "Die Republikaner" (REP). Die Partei Pro Deutschland hat rechtsextremistische Positionen vertreten. Insbesondere diffamierte sie Migranten und schürte Ängste vor Muslimen und Flüchtlingen. Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Zuwendungen an Gruppen und Fraktionen in Kommunalparlamenten Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Partei Pro Deutschland missachtete mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. Migranten wurden wegen ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit pauschal herabgesetzt und diffamiert. Insbesondere stellte Pro Deutschland Migranten als Bedrohung für Wohlstand und Sicherheit dar. Beispielsweise bezeichnete im Juli 2017 das Mitglied von Pro Deutschland im Kreistag Oberberg Flüchtlinge als "Zivilinvasoren". Mit einer solchen Wortwahl versuchte Pro Deutschland, den verstärkten Zuzug von Flüchtlingen als militärischen Angriff darzustellen, und schürte so die Angst vor und Aggressionen gegen diese Bevölkerungsgruppe. Ebenso erweckt Pro Deutschland in Solingen den Eindruck, dass die Sicherheit im öffentlichen Raum ausschließlich durch Migranten gefährdet sei: "Welcher Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs kennt nicht die jugendlichen bzw. jungen erwachsenen 'Kulturbereicherer', die sich selbst als 'konkret krasse Gangster' wähnen und dementsprechend andere terrorisieren?" Die Partei verbreitete öffentlichkeitswirksam Vorurteile über Muslime, um Ängste zu wecken oder zu verstärken. Sie unterscheidet bewusst nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als extremistischer Strömung. So hieß es beispielsweise auf Aufklebern von Pro Deutschland: "Aktiv werden gegen Moscheebau und Islamismus!" Die diskreditierende Gleichsetzung zielte darauf ab, eine Glaubensgemeinschaft für eine Vielzahl gesellschaftlicher Missstände und Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen und sie als Bedrohung 31 darzustellen. Beispielsweise instrumentalisierte die Wuppertaler Ratsfrau von Pro Deutschland eine Schlägerei bei einem Fußballspiel im Amateurbereich, um Muslime in einer Stellungnahme im Juni 2017 als Feindbild zu skizzieren: "Wieso haben eigentlich einheimisch geprägte Mannschaften immer so viel zu befürchten, wenn sie gegen orientalische Mannschaften aus der Region spielen? Immer dieses Schema, dass mohammedanische Mannschaften es nicht ertragen können, gegen mehrheitlich nicht-islamische Vereine zu verlieren". Als Pro Deutschland gegen seine Nennung im Berliner Verfassungsschutzbericht klagte, urteilte das Verwaltungsgericht Berlin am 7. September 2016, dass die Partei zu Recht als rechtsextremistisch aufgeführt wird. Denn die Aktivitäten der Partei seien "darauf gerichtet, die Gewährleistung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG für bestimmte Personengruppen, namentlich Muslime und Migranten außer Geltung zu setzen." Da die Partei Pro Deutschland erst am 11. November 2017 ihre Auflösung beschloss, findet sie auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht Erwähnung. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Pro Deutschland verfügte in Nordrhein-Westfalen insgesamt über ein geringes Aktionspotenzial. Lediglich im Bergischen Städtedreieck sowie in Gelsenkirchen war man auf schwachem Niveau in den kommunalen Räten aktiv. Die Mandate in den jeweiligen Kommunalvertretungen verdankte der Landesverband dem Übertritt ehemaliger Aktivisten von Pro NRW. Darüber hinaus fanden fast ausschließlich auf den jeweiligen Internetpräsenzen öffentlichkeitswirksame Aktivitäten statt. Inhaltlich setzte Pro Deutschland im Jahr 2017 weiterhin den Schwerpunkt darauf, gegen Muslime und Flüchtlinge zu agitieren und diese als Sündenbock für sämtliche politischen Probleme darzustellen. Nachdem der Berliner Landesverband im September 2016 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin lediglich 0,4 Prozent der Stimmen erhielt, sprach man parteiintern schon vom bislang "größten Tiefpunkt". Im Jahr 2017 verzichtete Pro Deutschland darauf, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und der Bundestagswahl anzutreten. Am 11. November 2017 beschloss die Partei auf ihrer Bundesversammlung in Wuppertal ihre Auflösung. Als Grund für die Entscheidung gab Pro Deutschland vor allem den Einzug der AfD in den Bundestag an. Es gelte, "die AfD stark zu machen, statt sie durch Konkurrenzkandidaturen bei Wahlen zu schwächen". Pro Deutschland hat in diesem Zusammenhang alle bisherigen Mitglieder und kommunalen Mandatsträger dazu aufgefordert, sich der AfD anzuschließen. Man wolle die politischen Ziele der Partei künftig in der AfD verfolgen. Allerdings hat sich die AfD in Nordrhein-Westfalen gegen die Aufnahme von bisherigen Pro DeutschlandMitgliedern ausgesprochen. In Gelsenkirchen, Solingen, Remscheid, Wuppertal und dem Oberbergischen Kreis betreiben die bislang zu Pro Deutschland gehörenden Kreisverbände nach der Parteiauflösung ihre Webseiten weiter und nehmen weiter ihre Mandate in den Räten wahr. Zur weiteren Zukunft heißt es in einem Jahresrückblick auf den Webseiten der ProOrganisationen in Solingen und im Oberbergischen Kreis: "Momentan befinden sich die PRO-Strukturen des Bergischen Landes in einer organisatorischen Neuausrichtung, die noch eine Weile andauern kann." In seiner Auflösungserklärung verweist der Bundesverband darauf, dass er sein bisheriges Facebookprofil unter dem Namen www.nation24.de fortsetzt. Das Profil haben Ende 2017 immerhin 20.000 Personen abonniert. Der bisherige Parteivorsitzende von Pro Deutschland, Manfred Rouhs, gab jahrelang eine gleichnamige Zeitschrift heraus. Dies spricht dafür, dass Rouhs nach dem Scheitern seiner parteipolitischen Ambitionen sich nunmehr wieder auf die rechtsextremistische Publizistik konzentrieren möchte. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Angesichts der schwachen Personallage und einer durch die Parteispaltung demotivierten Anhängerschaft war die Partei in Nordrhein-Westfalen kaum handlungsfähig. Zudem sah sie in der AfD eine übermächtige Konkurrenz. Anscheinend erkannte sie die eigene Bedeutungslosigkeit und löste sich folglich auf. Allerdings scheint es, dass einige Aktivisten ihre rechtsextremistischen Positionen weiterhin in Kleinstorganisationen auf kommunaler Ebene vertreten oder publizistisch verbreiten werden. 32 Die Rechte Sitz / Verbreitung Bundesverband: Parchim (bis 31. Oktober 2017) seitdem Dortmund; Landesverband: Dortmund Gründung / Bestehen seit Bundesverband: 27.Mai 2012; Landesverband: 15. September 2012 Struktur / Repräsentanz Bundesvorsitzender: Christian Worch (bis 31. Oktober 2017) seitdem kommissarisch Christoph Drewer; Landesvorsitzender: Sascha Krolzig; insgesamt zwei Ratsmandate und vier Mandate in Bezirksvertretungen in Dortmund und Hamm; bundesweit zehn Landesverbände und ca. 25 Kreisverbände Mitglieder / Anhänger /Unterstützer 2017 Bund: circa 650; NRW: circa 270 Veröffentlichungen Webangebote: Veröffentlichungen der Partei auf Bundesund Landesebene überwiegend über soziale Netzwerke; Internetseite www.dortmundecho.org als Hauptsprachrohr des Landesverbandes beziehungsweise des Kreisverbandes Dortmund. Kurzportrait / Ziele Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei Die Rechte ist vor allem ein Sammelbecken von Neonazis, die aus den 2012 verbotenen Kameradschaften kommen. Die Führung des Landesverbandes sowie der aktivsten Kreisverbände wurde von langjährigen Aktivisten übernommen, die bereits Führungsaufgaben in den damaligen Kameradschaften innehatten. Ziel des Landesverbandes ist es, die bisherigen neonazistischen Aktivitäten nunmehr im Schutz des sogenannten Parteienprivilegs zu betreiben und neonazistische Propaganda zu verbreiten. Finanzierung Mitgliedsbeiträge der Parteimitglieder und Einnahmen aus Spenden sowie von der Partei durchgeführten Veranstaltungen wie Konzerten Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Partei Die Rechte ist in struktureller Hinsicht ein Sammelbecken für Neonazis, ideologisch wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus und tritt in aggressiv-kämpferischer Weise auf. Dies trifft insbesondere auf den Landesverband Nordrhein-Westfalen zu, der den Bundesverband dominiert. Die Gründung des Landesverbandes erfolgte im September 2012 als Reaktion auf das Verbot von neonazistischen Kameradschaften in Dortmund, Hamm und Aachen im August 2012. Die Führung des Landesverbandes setzt sich aus Hauptprotagonisten der verbotenen Kameradschaften Dortmund und Hamm zusammen. Ein politischer Schwerpunkt der Partei Die Rechte ist Fremdenfeindlichkeit. So zeichnet die Partei in ihrem Programm ein einseitiges negatives Bild von Migranten. In ihren Verlautbarungen stellt sie das Verhältnis zwischen einheimischer Bevölkerung und Migranten als Freund-Feind-Konstellation dar, in der die einheimische Bevölkerung bedrängt werde. Dabei ist vor allem eine pauschale Darstellung von Migranten als Kriminelle für die Partei Die 33 Rechte ein Vehikel, um fremdenfeindliche Vorurteile zu schüren. Auch im Jahr 2017 bezog die Partei ihre fremdenfeindliche Kampagne vor allem auf Flüchtlinge. Die Rechte propagiert wiederkehrend Antisemitismus. Der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen betreibt einen Onlineversandhandel, den er bis August 2017 unter der Domainadresse Antisem Versand betrieb und damit seine antisemitische Einstellung provokativ zum Ausdruck brachte. Die Adresse wurde mittlerweile gesperrt. Ferner führten Kreisverbände in Nordrhein-Westfalen auch 2017 Veranstaltungen mit einer szenebekannten Leugnerin des Holocaust durch. In Dortmund störten Anhänger der Partei am 9. November 2017 eine Gedenkveranstaltung zur "Reichsprogromnacht", in dem sie "Nie wieder Israel" skandierten. Neben sogenannten Reichskriegsflaggen zeigten sie außerdem ein Transparent mit der Aufschrift "Ein Volk, das seit zweitausend Jahren verfolgt wird muss doch irgendetwas falsch gemacht haben". Des Weiteren stellte sich die Partei Die Rechte offen in eine nationalsozialistische Tradition. So änderten sie beispielsweise das Parteiprogramm dahingehend, dass sich die Partei nunmehr zur "Volksgemeinschaft" bekennt, dem zentralen gesellschaftspolitischen Leitbild in der nationalsozialistischen Ideologie. Ferner riefen Teilnehmer auf Kundgebungen von Die Rechte regelmäßig die Parole "Nationaler Sozialismus Jetzt". Die Partei Die Rechte versucht die von ihnen ausgemachten Feinde der Partei einzuschüchtern. Zu diesen Gegnern zählen Politiker, Journalisten und Bürger, die sich kritisch mit der Partei Die Rechte beschäftigen, sowie Beamte, die im Sinne der wehrhaften Demokratie repressive Maßnahmen gegen Neonazis veranlassen. Meistens formulieren die Parteiaktivisten ihre Bedrohungen jedoch unterhalb der Grenze der Strafbarkeit. Zugleich sind die Einschüchterungsversuche eindeutig genug, dass die Adressierten wissen, wie es gemeint ist. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Bundesverband Der Bundesverband stagniert seit 2014. Die Partei weist eigenen Angaben auf ihrer Webseite zu Folge neun Landesverbände, 18 Kreisverbände und vier Stützpunkte auf, wobei einige Verbände nur nominell bestehen und keine Aktivitäten entfalten. Zwischen den Landesverbänden gibt es weiterhin gravierende strukturelle Unterschiede. So sind im Landesverband Nordrhein-Westfalen rund 270 Mitglieder organisiert, dagegen zählen mehrere andere Landesverbände kaum mehr als 30 Mitglieder. Der Zustand der Partei ist weiterhin fragil. Dauerhaft handlungsfähige Parteiverbände sind die Ausnahme. Am 28. Oktober 2017 fand der 8. Bundesparteitag in Dortmund statt. Im Verlauf der Veranstaltung wählten die Mitglieder zunächst den Bundesvorstand. Im weiteren Verlauf wurde auch die Abstimmung über eine Aufnahme des Bekenntnisses zur "Volksgemeinschaft" im Parteiprogramm beantragt, was der wiedergewählte Bundesvorsitzende Christian Worch ablehnte. Da die Mehrheit der Anwesenden jedoch für die Änderung war, trat Worch zum 31. Oktober 2017 von seinem Amt als Parteivorsitzender zurück. Bis zur Neuwahl eines Parteivorsitzenden wird das Amt kommissarisch vom Dortmunder Rechtsextremisten Christoph Drewer verwaltet. Von derzeit neun gewählten Mitgliedern des Bundesvorstandes kommen sechs aus Nordrhein-Westfalen sowie ein weiteres aus den Niederlanden, welches über sehr gute Beziehungen nach Nordrhein-Westfalen, insbesondere nach Dortmund, verfügt. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen und insbesondere der Dortmunder Kreisverband haben durch die Neubesetzung des Bundesvorstandes den ohnehin schon großen Einfluss auf den Bundesverband weiter gestärkt und ausgebaut. Bis dato achtete die Parteiführung darauf, dass die Organisation formell die Anforderungen an eine Partei erfüllt, insbesondere dass sie zu Wahlen antritt. Auch aus diesem Beweggrund trat der Landesverband NordrheinWestfalen bei der Landtagswahl am 14. Mai 2017 an. Darüber hinaus nahm die Partei auch an der Bundestagswahl teil, allerdings trat sie nur in Baden-Württemberg an. Dabei bekam sie lediglich 2.054 Zweitstimmen, was 0,0 Prozent aller gültigen Stimmen entsprach. Der Bundesverband lässt keine Zweifel daran, dass sich Die Rechte auch im Wahlkampf im Rechtsextremismus verortet. Sowohl bei der Landtagsals auch bei der Bundestagswahl setzte die Partei, wie bereits in mehreren Wahlkämpfen zuvor, auf ein 25-Punkte-Programm, mit dem sie auf das 25-Punkte-Programm der NSDAP anspielt. In diesen Programmen stellt die Partei Migranten pauschal negativ dar. Dies gilt insbesondere für Asylbewerber, die unter anderem als Asylbetrüger diskreditiert werden. 34 Landesverband Nordrhein-Westfalen Der Landesverband Nordrhein-Westfalen bildet eine Auffangstruktur für die 2012 verbotenen Kameradschaften. Auch wenn nicht alle Neonazis in die Partei eingetreten sind, organisiert die Partei in Nordrhein-Westfalen inzwischen nahezu alle neonazistischen Aktivitäten. Nachdem seit 2016 die Entwicklung der Parteistrukturen des Landesverbandes stagnierte, kündigte der Landesverband an, den Ausbau ihrer Strukturen zu forcieren. Im Oktober und Dezember 2017 wurden mit den Kreisverbänden Unna und Gelsenkirchen / Recklinghausen zwei neue Kreisverbände gegründet. Die Rechte verfügt damit in Nordrhein-Westfalen derzeit über acht Kreisverbände: Dortmund, Gelsenkirchen / Recklinghausen, Hamm, Heinsberg / Aachen, Ostwestfalen-Lippe, Rhein-Erft, Unna, Wuppertal. Der Landesverband besitzt für die Partei lediglich eine organisatorische Funktion, von ihm gehen kaum politische Initiativen aus. Gelegentlich wird im Namen des Landesverbandes eine Demonstration angemeldet. In der Regel handelt es sich aber tatsächlich um Demonstrationen des Dortmunder Kreisverbandes, die auch in Dortmund stattfinden. Da sich die verantwortlichen Mitglieder des Landesverbandes mit denen des Kreisverbandes Dortmund in Teilen überschneiden, ist eine genaue Unterscheidung der beiden Organisationseinheiten kaum zu treffen. Die Kreisverbände stellen die eigentlichen politischen Akteure dar, die autonom über inhaltliche Belange und Aktivitäten entscheiden. Diese Organisationsstruktur stellt den Versuch dar, dezentrale Strukturen der Neonaziszene in vormals lokalen Kameradschaften in eine Parteiorganisation zu überführen. Die meisten Mitglieder dürften ihre Organisation ebenfalls weiterhin nicht als Partei begreifen. Hauptsächlich geht es den Aktivisten darum ihre "Erlebniswelt Rechtsextremismus" vor staatlichen Repressionsmaßnahmen zu schützen. So werden Demonstrationen, Mahnwachen, Geburtstagspartys, Rechtsrockkonzerte und Sonnenwendfeiern nunmehr als Parteiveranstaltungen ausgewiesen. Im Jahr 2017 trat der Landesverband insbesondere bei der Landtagswahl in Erscheinung. Neben einer Landesliste versuchte er mit fünf Direktkandidaten in vier Dortmunder sowie in einem Bielefelder Wahlkreis auch Erststimmen zu gewinnen. Im Wahlkampfspot präsentierte Die Rechte nachdrücklich ihre rechtsextremistischen Ansichten. So zeigte sie eigene Demonstrationen, auf denen die Teilnehmer skandierten "Das System ist am Ende, wir sind die Wende" und "Alles für Volk, Rasse und Nation". Bei der Landtagswahl erzielte die Partei 1.990 Erstund 3.589 Zweitstimmen. Dies entsprach jeweils 0,0 Prozent der gültigen Stimmen. An der Bundestagswahl am 24. September 2017 nahm die Partei Die Rechte in Nordrhein-Westfalen nicht teil. Sie fungierte allerdings als Anmelderin einer Demonstration zum 1. Mai 2017 in Dortmund. Des Weiteren organisierte die Partei Die Rechte am 4. November 2017 einen internationalen Kongress unter dem Motto "Gemeinsam für Europa", an dem Rechtsextremisten aus verschiedenen europäischen Ländern teilnahmen. Der Kongress diente in erster Linie der Vernetzung untereinander. So hatten alle Organisationen die Möglichkeit, die politische Lage in ihrem Heimatland und die Aktivitäten der dortigen rechtsextremistischen Szene vorzustellen. In Fortführung dieser Aktivitäten zur internationalen Vernetzung meldete der Landesverband der Partei Die Rechte für den 14. April 2018 eine Demonstration mit dem Thema "Unser Europa ist nicht eure EU! Für Selbstbestimmung und souveräne Nationalstaaten!" an. Kreisverband Dortmund Der Kreisverband Dortmund hat seine maßgebliche Stellung innerhalb der Partei Die Rechte in NordrheinWestfalen auch im Jahr 2017 beibehalten. Dies wird unter anderem dadurch deutlich, dass der Landesvorsitzende der Partei im Verlauf des Jahres ebenfalls nach Dortmund verzogen ist und der Landesvorstand damit weitgehend mit Dortmunder Parteiaktivisten besetzt ist. Die Zahl der aktiven und mobilisierbaren Anhänger beträgt etwa 80 bis 100 Personen, die sich weiterhin überwiegend aus Mitgliedern und Sympathisanten der 2012 verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" zusammensetzen. Hinzu kommt, dass der Kreisverband sowohl national als auch international sehr gut vernetzt ist. Ein Beispiel ist die Teilnahme an einer Rudolf-Hess-Gedenkdemonstration am 19. August 2017 unter dem Motto "Gebt die Akten frei, Mord verjährt nicht - Recht statt Rache!", für die in Dortmund intensiv mobilisiert wurde. Auf der Anreise wurden etwa 120 Szeneangehörige aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch eine große Zahl Anhänger der Partei Die Rechte aus Dortmund, aufgrund eines Brandanschlages auf Bahnanlagen einer an der Weiterreise in Richtung Berlin-Spandau gehindert. Im brandenburgischen Falkensee schlossen sie sich mit einer weiteren Gruppe zusammen, die ebenfalls nicht nach Berlin weiterreisen konnte. Aufgrund der Umstände meldete der 35 stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD vor Ort einen Spontanaufzug an, der mit etwa 250 Personen quer durch den Ort Falkensee zog, und bei dem auch der Landesvorsitzende der Partei Die Rechte aus Dortmund einen Redebeitrag beisteuerte. Auch in Dortmund selbst führte der Kreisverband im Jahr 2017 wieder zahlreiche szeneinterne und auch öffentliche Aktionen durch. Zu den szeneinternen Veranstaltungen zählten diverse Liederabende und Vortragsveranstaltungen, an denen bis zu 80 Personen teilnahmen. Die öffentlichen Veranstaltungen machten, neben Informationsständen und Flugblattverteilungen, etwas mehr als 50 Versammlungen aus. Über die Hälfte davon entfiel auf den Zeitraum vor der Landtagswahl am 14. Mai 2017 und diente zum einen zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften für den Wahlantritt, zum anderen der Mobilisierung potenzieller Wähler. Der Kreisverband trat in Dortmund mit vier Direktkandidaten zur Landtagswahl an und erreichte dabei 0,4 Prozent der gültigen Zweitstimmen und 0,8 Prozent der gültigen Erststimmen. Trotz der Teilnahme an der Landtagswahl, die als klassische Parteiaktivität zur Festigung des Parteienstatus beiträgt, zeigt der Kreisverband weiterhin seine Verbundenheit mit der 2012 verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund". So stellte die Kundgebung am 23. August 2017, anlässlich des fünften Jahrestages des Verbotes, eines der Hauptereignisse des Kreisverbandes Dortmund im Jahr 2017 dar. An der Kundgebung, für die die Rechtsextremisten im Vorfeld intensiv, zum Beispiel mit eigenen T-Shirts, warben, nahmen etwa 70 Personen teil. Der Kreisverband bediente sich bei seinen Aktionen inhaltlich, neben explizit rechtsextremistischen Thematiken, auch Themenbereichen wie dem Protest gegen Kindesmissbrauch, die nicht auf den ersten Blick als extremistisch zu erkennen sind. Das gemeinsame Merkmal aller Aktionen ist es jedoch gewesen, gegenüber dem jeweils als politischen Gegner definierten Personenkreis, durch gezielte Provokation eine Bedrohungskulisse aufzubauen. Seit April 2016 bilden Die Rechte und die NPD eine gemeinsame Ratsgruppe im Dortmunder Stadtrat, der rund 40.000 Euro pro Jahr für die Ratsarbeit zur Verfügung gestellt werden. Die Sitzungen des Stadtrates nutzt die Ratsgruppe immer wieder für rechtsextremistisch motivierte Provokationen. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem nahm das Ratsmitglied der Partei Die Rechte zum Anlass, seinen antisemitischen Positionen Gehör zu verschaffen. Bei seinem offiziellen Redebeitrag zur Haushaltsdebatte am 14. Dezember 2017 zeigte er die Flagge Palästinas und begleitete dies mit den Worten "Freiheit für Palästina, nie wieder Israel". Das Ratsmitglied wurde im weiteren Verlauf der Debatte wegen ungebührlichen Verhaltens aus dem Ratssaal verwiesen Inhaltlich versucht die Ratsgruppe immer wieder, sämtliche Politikfelder für eine fremdenfeindliche Agitation zu nutzen. Beispielsweise forderte die rechtsextremistische Ratsgruppe im Juni 2017 im Zusammenhang mit einem Neubauprojekt für Sozialwohnungen, dass diese nicht an Asylbewerber vermietet werden dürften. Kreisverband Hamm Wie bereits im Vorjahr sanken die feststellbaren Aktivitäten des Kreisverbandes Hamm weiter. Das Stadtratsmitglied von Die Rechte stellte 2017 keine Anträge und Anfragen mehr im Rat der Stadt Hamm. Die Mitglieder führten 2017 auch keine öffentliche Versammlung in Hamm durch. Die Aktivitäten beschränkten sich vielmehr auf szeneinterne Veranstaltungen wie Vortragsveranstaltungen und Liederabende. Im Internet ist der Kreisverband Hamm ebenfalls kaum mehr verzeichnet. Das im Jahr 2016 unter dem Namen "Rechtes Forum Hamm" angelegte Facebook-Profil existiert nicht mehr und auch die eigene Webseite stellte der Kreisverband ein. Informationen zum Kreisverband sind nur noch über die Internetdomain des Bundesverbands abrufbar. Im Verlauf des Jahres fielen Anhänger des Kreisverbandes, gemeinsam mit Szeneangehörigen u.a. aus Dortmund, als Zuschauer der Fußball-Begegnungen zwischen der Hammer SpVg und dem SV Lippstadt auf. Hierbei wurden unter anderem Schmähgesänge angestimmt und eine Reichskriegsflagge entrollt. Dies zeigt, dass Rechtsextremisten, nicht nur aus Dortmund und Hamm, bei verschiedenen Anlässen versuchen, auch unpolitische Veranstaltungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und als Gruppe Präsenz zu zeigen. Kreisverband Ostwestfalen-Lippe Der inhaltliche Schwerpunkt von Die Rechte Ostwestfalen-Lippe (OWL) lag 2017 wie im vorangegangen Jahr auf der flüchtlingsfeindlichen Agitation. In diesem Zusammenhang machte der seit dem 16. Januar 2016 bestehende 36 Kreisverband OWL auch im ersten Halbjahr 2017 mit entsprechenden Flugblattverteilaktionen auf sich aufmerksam. Darüber hinaus fand am 22. April 2017 zum zweiten Mal die sogenannte "Mottofahrt gegen Masseneinwanderung" statt, eine Kundgebungstour durch vier ostwestfälische Ortschaften. In diesem Jahr veranstaltete man die Aktion gemeinsam mit den Freien Nationalisten Kreis Gütersloh. Nach Berichterstattung des Kreisverbandes im Internet standen die Versammlungen "ganz im Zeichen der NRW-Landtagswahl am 14. Mai". Demzufolge führte eine der Stationen die Teilnehmer auch nach Bielefeld-Schildesche, wo die Partei Die Rechte bei der Landtagswahl 2017 mit Michael Riedmaier als Direktkandidat antrat. Riedmaier konnte jedoch nur 54 (0,1%) Erstund 30 (0,0%) Zweitstimmen für seine Partei verbuchen. Größere Aufmerksamkeit zog der Kreisverband in 2017 mit einer am 6. Juni 2017 beim Amtsgericht Bielefeld gegen den Kreisvorsitzenden Sascha Krolzig erhobenen Anklage wegen Volksverhetzung auf sich. Krolzig bezeichnete den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Herford-Detmold als 'frecher Judenfunktionär'. Eine Formulierung, die an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch zur Abwertung von Juden anknüpft. Der Prozesstermin, für den der Parteiaktivist im Internet zu reger Teilnahme aufrief, wurde seit November 2017 mehrfach verschoben. Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte ihn am 22. Februar 2018 wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu 6 Monaten Haft ohne Bewährung. Krolzig kündigte an, in Berufung zu gehen. Mit dem Umzug des Kreisvorsitzenden nach Dortmund im August 2017 sind die Aktivitäten des Kreisverbandes Ostwestfalen-Lippe merklich zurückgegangen. Es bleibt abzuwarten, ob die verbliebenen Parteimitglieder ohne die prägende Führungsperson ihre rechtsextremistischen Aktivitäten weiterhin fortführen. Kreisverband Rhein-Erft Der Kreisverband legte wie in den vorangegangenen Jahren besonderen Wert auf eine ideologische Schulung der Anhängerschaft und führte eine Reihe von Vorträgen durch. Als Referentin wurde auch eine in der Szene bekannte Revisionistin, die wiederholt den Holocaust öffentlich leugnete, eingeladen. Inhaltlich ging es vor allem darum, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu negieren. Mit den Veranstaltungen erreichte der Kreisverband überregional Teilnehmer aus verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen. Darüber hinaus veranstaltete Die Rechte Rhein-Erft kleinere Partys für Szeneangehörige. Öffentlich nahmen Mitglieder des Kreisverbandes an verschiedenen rechtsextremistischen Versammlungen teil, zum Beispiel dem Gedenkmarsch in Remagen am 18. November 2017. Im Rhein-Erft-Kreis verteilten Aktivisten mehrfach Flyer, in denen man vor allem gegen Flüchtlinge agitierte. Ebenso zeigte sich Die Rechte Rhein-Erft im Internet sehr aktiv und publizierte zahlreiche rechtsextremistisch argumentierende Artikel auf ihrer Internetseite und verbreitete sie über Twitter und Facebook. Kreisverband Heinsberg / Aachen Die beiden Kreisverbände Aachen und Heinsberg wiesen ab Mitte 2017 nahezu identische Webseiten auf. Anfang September 2017 teilten die beiden Kreisverbände dann auf ihren Webseiten mit, dass der Landesverband die Zusammenlegung der Kreisverbände zum Kreisverband Heinsberg / Aachen beschlossen hätte. Seit Anfang 2017 nahmen die Aktivitäten der Gruppierung Syndikat 52 deutlich zu. Die Gruppierung ist laut Selbstdarstellung auf den Internetseiten ein Projekt der Partei Die Rechte Aachen und Heinsberg. Die Zahl 52 steht dabei für den Postleitzahlenbereich. Mitglieder und Sympathisanten der Partei traten mehrmals an größeren Versammlungen der Partei Die Rechte in Nordrhein-Westfalen sowie der Neonaziszene im Bundesgebiet als Gruppierung Syndikat 52 in Erscheinung. Beispielsweise nahm eine Gruppe am 3. Juni 2017 an der neonazistischen Demonstration "Tag der deutschen Zukunft" in Karlsruhe teil. Ebenfalls nahm Syndikat 52 am 19. August 2017 als Gruppe an einer Versammlung in Falkensee (Brandenburg) teil. Dies war eine kurzfristig angemeldete Demonstration für Neonazis, die ursprünglich zum "Rudolf Heß Gedenkmarsch" nach Berlin reisen wollten, diesen jedoch wegen eines Brandanschlages auf Bahnanlagen nicht erreichten. Das Facebook-Profil Syndikat 52 inszeniert das Projekt als erlebnisorientiert mit rebellischem und militantem Gestus. Politische Botschaften stehen dabei oftmals erst an zweiter Stelle. Aufkleber und Farbschmierereien mit Bezug zur Gruppierung tauchten seit Beginn des Jahres vermehrt im Stadtgebiet Aachen und Heinsberg auf. Darüber hinaus finden regelmäßig szeneinterne Veranstaltungen statt. Dazu gehörte es beispielsweise, den Volkstrauertag am 18. November 2017 in revisionistischer Absicht zu einem Heldengedenken zu verklären und durch eine entsprechende Veranstaltung mit Fackeln abends auf einem Friedhof in Heinsberg zu inszenieren. 37 Weiterhin führte die Gruppe unter anderem eine Computerschulung, Kampfsporttraining sowie den Besuch des rechtsextremistischen Kampfsportevents "Kampf der Nibelungen" durch. Kreisverband Gelsenkirchen / Recklinghausen Am 1. Dezember 2017 gründete die Partei Die Rechte den Kreisverband Gelsenkirchen / Recklinghausen. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter sind als langjährige Aktivisten des rechtextremistischen Spektrums bekannt und rühmen sich selbst mit mehrjährigen "politisch" bedingten Gefängnisaufhalten. Die erste öffentlichkeitswirksame Aktion des neuen Kreisverbands fand bereits wenige Tage nach dessen Gründung, am 4. Dezember 2017, in Gelsenkirchen statt. Dort verteilten Mitglieder und Unterstützer des Kreisverbands eigenen Angaben zufolge 500 Flugblätter der Partei Die Rechte. Zudem verfügt der Kreisverband über eine Webseite, auf der er überwiegend Berichte anderer Kreisverbände sowie wenige eigene Beiträge verbreitet. Kreisverband Wuppertal Der Kreisverband Wuppertal fiel im Jahr 2017 durch zwei Aktionen in der Öffentlichkeit auf: Zum einen eine fremdenfeindliche Demonstration in Wuppertal am 4. März 2017 unter dem Motto "Masseneinwanderung stoppen - Überfremdung ist keine Bereicherung", an der etwa 70 Personen teilnahmen. Zum anderen fanden am 28. Mai 2017 bundesweit Kundgebungen und Mahnwachen für den in Ungarn inhaftierten Rechtsextremisten Horst Mahler statt. Hierzu trafen sich ungefähr 50 Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen vor der ungarischen Botschaft in Düsseldorf, darunter auch Mitglieder des Wuppertaler Kreisverbandes. Auf der neu eingerichteten Internetseite veröffentlichte der Kreisverband regelmäßig Berichte, in denen man überwiegend gegen Migranten agitierte. Gelegentlich wurde über Flyerund Plakatierungsaktionen berichtet. Einige Aktivisten des Kreisverbandes nahmen auch an überregionalen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene teil, insbesondere beteiligen sie sich des Öftern an Aktivitäten des Dortmunder Kreisverbandes. Kreisverband Unna Im Oktober 2017 wurde zunächst der sogenannte "Stützpunkt" Unna gegründet, der seit dem 5. Januar 2018 als Kreisverband firmiert. Für das Jahr 2018 kündigte dieser neue Kreisverband umfassende lokale Aktivitäten an. Einerseits sollen regelmäßige interne Treffen stattfinden, andererseits möchte man auch Versammlungen sowie weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten durchführen. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Der nordrhein-westfälische Landesverband und die aktiven Kreisverbände stellen sowohl in ideologischer und personeller Hinsicht als auch bezüglich ihrer Aktivitäten im Wesentlichen eine Weiterführung der verbotenen Kameradschaften dar. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen dominiert innerhalb der Bundespartei inhaltlich, personell und durch die Vielzahl an Aktivitäten. Dies wird durch die Neuwahl des Bundesvorstandes weiter untermauert. Um das Parteienprivileg zu sichern, nimmt Die Rechte einige parteitypische Aktivitäten auf. Den Anhängern geht es aber vor allem darum, den neonazistisch geprägten Aktionismus fortzusetzen. Die Rechte kooperiert bei Demonstrationen und im Dortmunder Stadtrat mit der NPD, bei Vorträgen mit Revisionisten und bei Musikveranstaltungen mit der subkulturellen Szene. Insofern stellt die Partei gegenwärtig das Gravitationszentrum des Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen dar. 38 Der III. Weg Sitz / Verbreitung Bundesverband: Weidenthal (Rheinland-Pfalz); Verbreitung hauptsächlich in Südund in Ostdeutschland; zwei Gruppierungen in NRW (Ostwestfalen und Sauerland). Gründung / Bestehen seit 28. September 2013 in Heidelberg Struktur / Repräsentanz Vorsitzender Bundesverband: Klaus Armstroff; Vorsitzender "Gebietsverband West": Julian Bender Keine Landesverbände, bisher wurden drei der vier geplanten Gebietsverbände gegründet (Süd, West, und Mitte; die Gründung eines Gebietsverbands Nord steht noch aus). Die Gründung des Gebietsverbands West, dem auch die beiden nordrhein-westfälischen "Stützpunkte" angehören, erfolgte am 19. November 2016. Strukturierung der Partei durch 20, teilweise länderübergreifende sogenannte "Stützpunkte", sofern keine weitere Untergliederung erfolgt. Hiervon zwei in Nordrhein-Westfalen: "Stützpunkt Hermannsland", am 19. Oktober 2014 gegründet, umfasst den Raum Bielefeld, Paderborn und Teutoburger Wald; "Stützpunkt Sauerland-Süd", am 29. Dezember 2015 gegründet, umfasst insbesondere den Landkreis Olpe. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: rund 300 (steigend); NRW: rund 30 (gleichbleibend) Veröffentlichungen Web-Angebot: der-dritte-weg.info, Homepage der Partei Der III. Weg,; Profile in sozialen Netzwerken und auf Videoportalen Kurzportrait / Ziele Die Partei-Gründung erfolgte zunächst unter Beteiligung einzelner ehemaliger NPD-Mitglieder und Neonazis aus Rheinland-Pfalz und Hessen. Als sich 2014 in Bayern ein Verbot des Neonazi-Netzwerks Freies Netz Süd abzeichnete, trat ein Teil der betroffenen Neonazis in die Partei Der III. Weg ein und sah die Partei als Auffangstruktur, um staatlichen Exekutivund Verbotsmaßnahmen zu entgehen. Die Aktivisten nutzen somit den Schutzmantel des Parteienprivilegs, um ihre neonazistischen Aktivitäten fortzusetzen. Finanzierung Überwiegend durch Mitgliedsbeiträge und Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Partei Der III. Weg propagiert ein rechtsextremistisches Staatsund Gesellschaftsbild, insbesondere greift sie völkisch-nationalistische Elemente des historischen Nationalsozialismus auf. So lehnt sie sich mit ihrem 10-PunkteProgramm ideologisch an das Gedankengut der NSDAP an und fordert einen "deutschen Sozialismus" ein. Julian Bender, Gründer des "Stützpunkt Sauerland-Süd", machte in seiner Antrittsrede zum Leiter des "Gebietsverbandes West" im November 2016 deutlich, dass er ideologisch bruchlos in der Kontinuität des historischen Nationalsozialismus steht. So sprach er vom "Ziel einer völkischen Gemeinschaft", dem gesellschaftlichen Idealbild der NSDAP. Zudem beteiligt sich die Partei an revisionistischen Kampagnen, die darauf abzielen, nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren. 39 Das Parteiprogramm zeigt, dass die Rechtsextremisten eine ethnisch homogene Gesellschaft im Sinne des völkischen Nationalismus anstreben, die durch die rigide Ausgrenzung aller vermeintlich Fremden ohne Rücksicht auf die Menschenrechte verwirklicht werden soll. Diesem Verständnis folgend agitiert die Partei vor allem gegen Flüchtlinge. Gewalt lehnt die Partei Der III. Weg lediglich aus taktischen Erwägungen ab. Als im November 2017 ein Attentäter den Bürgermeister von Altena wegen dessen lokaler Flüchtlingspolitik mit einem Messer angriff, bekundete die Partei ihr Verständnis für die Motivation des Täters: "Auch wenn der wachsende Volkszorn in Anbetracht dieses volksfeindlichen Treibens absolut verständlich ist, sind tätliche Angriffe auf einzelne Politiker absolut kontraproduktiv für den nationalen Kampf. Die Partei 'Der III. Weg' spricht sich klar gegen diese Verzweiflungstaten aus, da es dem System nur zur ersehnten Kriminalisierung der volkstreuen Bewegung verhilft." Zahlreiche Mitglieder waren zuvor in anderen rechtsextremistischen Organisationen aktiv. Zudem pflegt die Partei Kontakte zu verschiedenen rechtsextremistischen Organisation in Europa, wie z.B. "Die Goldene Morgenröte" (Griechenland), dem "Bulgarischen Nationalbund" und "Nordische Widerstandsbewegung" (Schweden). Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Wie im vorangegangenen Jahr agitierte die Partei Der III. Weg auch 2017 in ihren Veröffentlichungen und Aktivitäten schwerpunktmäßig gegen Flüchtlinge. Darüber hinaus beteiligten sich die beiden in NordrheinWestfalen angesiedelten "Stützpunkte" im Juli am bundesweiten "Aktionstag gegen Homo-Propaganda" der Partei, mit dem sie gleichgeschlechtlich lebende Menschen diffamierte. Während sich die Aktivitäten in Ostwestfalen auf das Verteilen von Flugblättern beschränkten, brachten Parteianhänger in Siegen Transparente an Fußgängerbrücken an und ließen Schnipsel mit der Aufschrift "Homo-Propaganda stoppen! Gesunde Familien sind die Zukunft! " im Siegener Bahnhofsbereich fliegen, um gegen den zeitgleich stattfindenden Christopher-Street-Day zu protestieren. Um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, dokumentierte die Partei diese Aktion in Echtzeit im Internet. Die öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten des "Stützpunktes Hermannsland" beschränkten sich 2017 auf das gelegentliche Verteilen von flüchtlingsfeindlichen Flugblättern. Ansonsten ging die Gruppierung der rechtsextremistischen "Brauchtumspflege" nach und beging beispielsweise ein "Julfest" oder funktionierte Gedenktage für die Opfer der Weltkriege in sogenannte "Heldengedenken" um. Der erst Ende des Jahres 2016 gegründete "Stützpunkt Sauerland Süd" stellte sich wie im Vorjahr als der deutlich aktivere der beiden nordrhein-westfälischen Parteiorganisationen dar. Die lokale Parteigliederung nutzte vor allem das Facebookprofil "Olpe wehrt sich", um ihre Propaganda zu verbreiten, insbesondere um Migranten kontinuierlich pauschal negativ darzustellen. Die regionalen Aktivitäten sind maßgeblich vom Gründer des "Stützpunkt Sauerland-Süd" und Gebietsleiter West, Julian Bender, geprägt. Zu den Aktivitäten des Stützpunktes zählte mehrfach, Flugblätter auszuteilen und kleinere Versammlungen durchzuführen, an denen maximal eine geringe zweistellige Zahl von Personen teilnahm. Inhaltlich richteten sich die meisten Aktionen gegen die Einwanderungspolitik der Bundesregierung und die aus der fremdenfeindlichen Sicht der Aktivisten voranschreitende Überfremdung Deutschlands mit laut Bender "artund kulturfremden Menschen". Migranten werden in diesem Zusammenhang durchgehend negativ und pauschal als Gefahr dargestellt. Dazu kopierte man im Dezember 2017 von anderen "Stützpunkten" der Partei die "nationalen Streifengänge" als Propagandamittel. Dabei suggeriert die Gruppierung, dass sie im Stile einer Bürgerwehr für Sicherheit vor den vermeintlich gefährlichen Migranten sorge, da der Staat dabei angeblich versage. Tatsächlich posierte eine Handvoll von Aktivisten mit Partei-T-Shirts auf einer dunklen Straße und verbreitete das Foto im Internet, um öffentliche Reaktionen zu provozieren. Um Öffentlichkeit hervorzurufen, provozierte die Partei Der III. Weg auch demokratische Politiker persönlich. So suchten im Dezember 2017 zwei Parteimitglieder vom "Stützpunkt Sauerland-Süd" die private Wohnanschrift eines Stadtratsmitglieds aus Olpe auf, der in der Vergangenheit die Partei verklagt hatte. Vorgeblich überbrachten die Rechtsextremisten ein Geschenk, wie die Partei auf ihren Internetpräsenzen verkündete. Allerdings stellte diese Aktion den wenig subtilen Versuch dar, den Kommunalpolitiker wegen seines Engagements gegen Rechtsextremismus einzuschüchtern. 40 Ansonsten bemühte sich die Gruppierung, ihren Parteianhängern eine rechtsextremistische Erlebniswelt anzubieten. Ihr Programm zur Sommersonnenwende 2017 beschreibt sie folgendermaßen: "Am vergangenen Sonnabend verbrachten Aktivisten vom 'III Weg'-Stützpunkt Sauerland-Süd im engsten Kreis einen Tag in völkischer Gemeinschaft. In den Nachmittagsstunden wurde durch verschiedene Spiele der Sportsgeist aller gefordert und der Gemeinschaftsgeist gestärkt. Am frühen Abend wurde die traditionelle Sonnenwendfeier begangen." Bender trat auch in anderen Bundesländern als Redner auf, wobei er sich inhaltlich häufig auf Elemente des historischen Nationalsozialismus bezog, ohne dass seine Beiträge strafrechtlich angreifbar waren. In einem schriftlichen Interview unter der Überschrift "Widerstandsmöglichkeiten in Westdeutschland? ", das die Partei auf ihrer Homepage veröffentlichte, lehnte er die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Seinen Gegenentwurf stellte er wie folgt dar: "Nationalrevolutionäre wie wir hingegen wollen etwas völlig Neues schaffen, einen völkischen und sozialistischen Staat". Unterstützung scheint der "Gebietsleiter West" dabei für seine Partei auch bei ausländischen rechtsextremistischen Gruppierungen zu suchen. Ein Beispiel ist der Kontakt zur "Nordischen Widerstandsbewegung" aus Schweden. Ursprünglich wollte Bender bei einer Versammlung am 30. September 2017 in Göteborg als Redner auftreten. Allerdings verweigerten die schwedischen Behörden ihm die Einreise und belegten ihn mit einem dreijährigen Einreiseverbot. Ein weiteres Beispiel war die Teilnahme einer Gruppe von führenden Parteimitgliedern zusammen mit den Leitern der beiden "Stützpunkte" Nordrhein-Westfalens am nationalistischen "Marsch der Nation" in Kiew (Ukraine), den im September 2017 hauptsächlich rechtsextremistische Organisationen veranstalteten. Während des mehrtägigen Aufenthaltes besuchte die Parteidelegation unter anderem dort die Zentrale der rechtsextremistischen Partei "Nationales Korps". Gegen Ende des Jahres verteilten Anhänger der Partei mehrfach im Raum Düsseldorf vereinzelte Flugblätter, in denen man gegen Flüchtlinge agitierte. Außerdem führte man am Heiligen Abend in der Landeshauptstadt an verschiedenen Orten ein sogenanntes "Heldengedenken" durch. Am 6. Januar 2018 fand nahe Düsseldorf (in Mettmann) eine Veranstaltung statt, auf der sich die Partei Interessenten vorstellte. Dies sollte dem Ziel dienen, in Düsseldorf einen weiteren Stützpunkt zu gründen. Nach Angaben der Partei sollen ca. 30 Personen dabei gewesen sein. Ob es nach dem Niedergang der Kreisverbände von NPD und Die Rechte nun dem III. Weg gelingt, das rechtsextremistische Potenzial in der Landeshauptstadt zu einer handlungsfähigen Gruppierung zusammenzubringen, ist offen. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Partei Der III. Weg stellt auch weiterhin in erster Linie eine Auffangstruktur für Neonazis dar. Mit der Ausnutzung des Parteienstatus beabsichtigen sie, staatliche Sanktionsmaßnahmen zu erschweren. In NordrheinWestfalen schafft es bislang nur der "Stützpunkt Sauerland-Süd" kontinuierlich auf sich aufmerksam zu machen. Die Kontakte zu militanten rechtsextremistischen Gruppen im Ausland bergen das Potenzial, eine Radikalisierung von Parteimitgliedern zu fördern. Deshalb betrachtet der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen diese Zusammenarbeit sehr genau und räumt der Beobachtung dieser Aktivitäten eine hohe Priorität ein. 41 Identitäre Bewegung Deutschland e.V. Sitz / Verbreitung Ursprung in Frankreich; seit 2012 in Deutschland; Vereinssitz ist Paderborn Gründung / Bestehen seit Seit Mai 2014 ist die ursprünglich virtuelle Aktionsform als Identitäre Bewegung Deutschland e.V. (IBD) vereinsrechtlich registriert. Struktur / Repräsentanz Die IBD verfügt über zellenartige Strukturen auf lokaler Ebene. Im Zuge der organisatorischen Neuausrichtung 2014 wurden daraus formal bundesweit regionale Gruppen gebildet. In Nordrhein-Westfalen waren dies zunächst die Identitäre Bewegung Rheinland und die Identitäre Bewegung Westfalen; 2017 erfolgte die Zusammenlegung zur Identitären Bewegung Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus existieren Identitäre Bewegungen in anderen europäischen Staaten, wie in Italien, Frankreich und in Österreich. Zwischen den Gruppen in Deutschland und Österreich besteht eine engmaschige Vernetzung. Nach eigenen Angaben verfügt die IBD in Nordrhein-Westfalen über formelle Substrukturen - so genannte Ortsgruppen - in Aachen, Bielefeld, Bonn, im Bergischen Land, Bochum, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Hagen, Köln, Münster, Neuss und Paderborn. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bei der IBD handelt es sich im Wesentlichen um einen losen Verbund lokaler Aktivisten, die in Kleingruppen vor Ort agieren. Die organisatorische Struktur hat sich in den letzten Jahren verstetigt. Darüber hinaus hat sich ein mobiler Aktivistenstamm gebildet, der bundesweit in Erscheinung tritt. Obwohl Nordrhein-Westfalen weiterhin kein aktionsbezogener Schwerpunkt ist, ist die Gruppierung insbesondere im Raum Ostwestfalen sowie im Raum Aachen in das rechtsextremistischen Spektrum gut vernetzt. In einigen Fällen bestehen personelle Überschneidungen mit rechtsextremistischen Parteien und Gruppen. Die IBD verfügt in Nordrhein-Westfalen nur über einen kleinen Aktivistenkreis von bis zu 25 Personen. Hinzu tritt ein etwa 30 bis 40 Anhänger umfassender Personenkreis von aktionsorientierten Sympathisanten. Veröffentlichungen Die IBD verfügt über einen zentralen Internetauftritt und einen Onlineshop. Darüber hinaus sind die einzelnen Gliederungen in den gängigen sozialen Netzwerken vertreten. Zur direkten, zielgruppenorientierten Ansprache nutzt die IBD führende Videoplattformen. Kurzportrait / Ziele Ideologisch greift die IBD die von der "Neuen Rechten" entwickelte Idee des Ethnopluralismus auf. Dabei handelt es sich um eine modernisierte Variante völkischer Ideologie, die mit kulturellen Argumenten verbunden wird. Diese Idee behauptet, dass der Einzelne nur in einer ethnisch homogenen Umgebung seine kulturelle Identität finden und erhalten könne. Eine Vermischung von Ethnien wird abgelehnt, stattdessen werden ethnisch homogene Nationen gefordert. Eine Zuwanderung von nicht der eigenen Volksgruppe angehörenden "Fremden" - also von Menschen, die nicht als Teil dieser "Identität" angesehen werden - wird grundsätzlich abgelehnt. Diesem Verständnis folgend sind die Inhalte und Aktivitäten der IBD geprägt von fremdenfeindlichen und Minderheiten ausgrenzenden Positionen. Die IBD hat eine prägnante visuelle Symbolik entwickelt, die sich um einen avantgardistischen Habitus bemüht und sich von traditionellen rechtsextremistischen Mustern abheben soll. Insbesondere setzt sie darauf, mit mediengerecht inszenierten Aktionen an symbolischen Orten öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dabei adaptiert sie öffentliche Aktionsformen, wie sie aus dem Bereich des Umweltprotestes bekannt sind. Dazu gehört 42 beispielsweise das Entrollen großer Banner an gut sichtbaren Örtlichkeiten (Brücken, öffentliche Gebäude etc.). Es geht um ein "modernes" Erscheinungsbild, das junge Menschen mit gutem Bildungsniveau ansprechen soll. Finanzierung Mitgliedsbeiträge und Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Ideologie der IBD als Teil der "Neuen Rechten" fundiert auf einem Politikverständnis, das sich grundsätzlich gegen die Menschenrechte und eine pluralistische Demokratie richtet. Sowohl die letztlich rassistische Doktrin des Ethnopluralismus als auch der kollektivistische Grundsatz, das Individuum mit seinen Menschenrechten der Nation unterzuordnen, sind unvereinbar mit den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Mit ihren öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten versucht die IBD Einfluss auf die politische Öffentlichkeit zu nehmen und ihre rechtsextremistischen Positionen zu verbreiten. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum In Nordrhein-Westfalen war die IBD bislang vorwiegend in den sozialen Netzwerken aktiv. Sie profitiert dabei von einer sich viral ausdehnenden Breitenwirkung, die mehrheitlich von regionalen Gruppierungen außerhalb Nordrhein-Westfalens gesteuert wird. Vor allem verbreitet die IBD auf ihren Internetpräsenzen Bilder, Videos und Berichte über ihre meist von Kleingruppen durchgeführten Aktionen, denen sie damit bundesweite Resonanz und die Aufmerksamkeit der Medienöffentlichkeit verschafft. Der IBD gelingt es auf diese Weise immer wieder, sich medial bzw. virtuell in ihrer Bedeutung zu "vergrößern". Eine hohe mediale Präsenz erlangte beispielsweise die Kampagne "Defend Europe" im August 2017. Die mehrtägige "Mission" gegen angebliche "Schlepperaktivitäten von Nichtregierungsorganisationen (NGO)" im Mittelmeerraum umfasste die Anmietung eines Schiffes unter Teilnahme von bis zu acht Aktivisten. Obwohl die Aktion - mit der gezielt Stimmung gegen Flüchtlinge geschürt und Hilfsmaßnahmen diskreditiert werden sollten - insgesamt lediglich Symbolcharakter hatte, war sie für die IBD von zentraler Bedeutung, weil sie europaweit Aufmerksamkeit erregte und Spenden von über 230.000 US-Dollar einbrachte. In Nordrhein-Westfalen brachten am 16. Juli und am 27. August 2017 IBD-Aktivisten kurzzeitig Transparente an der Fassade der Stadthalle in Wuppertal und eines Kölner WDR-Gebäudes an. Auch diese Aktionen besaßen reinen Werbeund Präsenzcharakter und dienten der anschließenden medialen Vermarktung im Internet. Am 9. September 2017 versammelten sich Angehörige der IBD nach Bekanntwerden von Ermittlungen im Zusammenhang mit einem sexuellen Übergriff vor einer Flüchtlingsunterkunft in Haltern und entrollten ein Banner mit dem Logo "Kein 'Einzelfall' bleibt vergessen". Weiterhin wurden Schilder mit der Aufschrift " Achtung Vergewaltigungsgefahr" angebracht sowie korrespondierende Flyer in der Fußgängerzone verteilt. Dies geschah im Rahmen der bundesweiten fremdenund islamfeindlichen Kampagne der IBD "Kein Opfer ist vergessen". Dabei thematisiert die Organisation ausschließlich Gewalthandlungen durch Migranten, um Menschen dieser Gruppe generell als Gewalttäter und Vergewaltiger zu stigmatisieren. Die gleiche propagandistische Zielrichtung weist auch die Verteilung von Reizgassprays am 27. Februar 2017 in Bonn, am 16. März 2017 in Hagen und am 28. Juli in Münster 2017 sowie eine Banneraktion anlässlich des Weihnachtsmarktes in Wuppertal am 2. Dezember 2017 auf. Daneben organisierte die IBD mehrfach Stammtische der diversen Ortsgruppen. Mehrmals führten kleinere Gruppen Aktionen wie Flugblattverteilungen und Plakatierungen durch. Dies geschah vor allem in Ostwestfalen, im Ruhrgebiet und im Großraum Köln. Sowohl auf ihren virtuellen Präsenzen als auch bei ihren realen Aktionen beziehen sich die Gruppen der IBD aus Nordrhein-Westfalen immer wieder auf die 2015 von der Identitären Bewegung Österreich initiierten Kampagne "Der Große Austausch". Die IBD versteht darunter die Entwicklung "einer schrittweisen Verdrängung der einheimischen Bevölkerung zugunsten Fremder und zumeist muslimischer Einwanderer." Dies würde zum Verschwinden der "Deutschen" führen, wogegen sich die IBD als "Jugend ohne Migrationshintergrund" wehren würde. Verschwörungstheoretisch behauptet sie, dass die politischen Eliten diesen Austausch gezielt vorantreiben 43 würden. In der Kampagne zeigt sich die Ideologie des völkischen Nationalismus, nach der sich Einheimische und Migranten, insbesondere Muslime, gegenüberstünden. Deutschsein hängt in dieser Logik von der Abstammung ab, womit eine Integration nicht möglich sei und Migranten niemals Deutsche werden könnten. Mit der Kampagne will die IBD Einwanderung als etwas generell Negatives, vor allem als Bedrohung, diskreditieren und Fremdenfeindlichkeit legitimieren. Damit handelt es sich um eine sprachlich und symbolisch modernisierte Variante der von der neonazistischen Szene in den letzten Jahren betriebenen sogenannten "Volkstod-Kampagne". Beispielsweise teilte die IBD Nordrhein-Westfalen auf ihrem Facebookprofil im August 2017 mit: "Der große Austausch ist kein lokales Phänomen, sondern eine Entwicklung, die nahezu alle westeuropäischen Städte betrifft. Was die Multikultis euphemistisch als demografischen Wandel bezeichnen, ist die schrittweise Veränderung unserer Lebenswirklichkeit." In einem weiteren Statement schrieb sie: "Der große Austausch ist kein Hirngespinnst... Wir wollen nicht zur Minderheit in unserer Heimat werden!". Zur Festigung des Gruppenzusammenhalts und Förderung der Aktionsfähigkeit veranstaltete die IBD NordrheinWestfalen im Oktober 2017 einen Sportund Gemeinschaftstag. Inhalt der Veranstaltung waren vorwiegend Aktionsformen mit laut Eigendarstellung "teambildenden Maßnahmen", insbesondere der Selbstverteidigung. Hierzu heißt es auf dem Facebookprofil: "Wir... bieten jungen Patrioten eine gesunde Alternative zu Merkeljugend oder altrechten Kameradschaften und legen großen Wert darauf, sich geistig wie auch körperlich weiter zu entwickeln." Im Dezember 2017 gab die IBD Nordrhein-Westfalen zudem die Gründung eines "identitären Sportvereines" in Köln bekannt. Mit drohendem Unterton heißt es hierzu: "Heute ist es die blanke Notwendigkeit des immer brutaleren Multikulti-Alltags, die uns zwingt, unsere Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen. Längst hat die Polizei ganze Stadtteile überall in NRW aufgegeben. Verbrechen und Übergriffe von 'Südländern', aber auch politisch motivierte Angriffe werden immer häufiger... Hier trainieren unsere Aktivisten regelmäßig und unter professioneller Anleitung. Neben allgemeiner Fitness steht vor allem Selbstverteidigung und Deeskalationstraining auf dem Programm." Die IBD sucht insbesondere die Nähe zum Milieu der Burschenschaften und dem publizistischen Umfeld der Neuen Rechten. So trat der Leiter der Identitären Bewegung Österreich am 6. November 2016 bei der Bielefelder Burschenschaft Normannia-Nibelungen auf. Bereits 2014 war die IBD im Rahmen eines Vernetzungstreffens der Neuen Rechten, dem sogenannten "Zwischentag", bei der alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn vertreten. Am 14. Juli 2017 nahmen deutsche und österreichische Führungsaktivisten der Identitären Bewegung im Rahmen einer Lesung an einer Veranstaltung des ARCADI-Magazins - einer Onlineund Print-Publikation mit Bezügen zur Neuen Rechten, die sich nach Eigendarstellung als Bildungsprojekt an Schüler und Studenten richtet - in Leverkusen teil. Anlässlich des Bundestagswahlkampfs beschrieb im September 2017 der Co-Leiter der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, der auch großen Einfluss auf die IBD besitzt, auf seinem YouTube-Kanal, wie die IBD die AfD unterstützen solle. Laut dem rechtsextremistischen Aktivisten versuchten andere Politiker die AfD zur "Schmuddelpartei" zu machen, die "man öffentlich nicht wählen möchte". Dagegen sollen die Identitären vorgehen. "Das alles geht aber nur, und das ist die Kernbotschaft dieses Videos, wenn wir mehr machen als unsere Stimme abzugeben und wir erkennen dass wir alle Metapolitiker sind und in der Metapolitik aktiv werden". Mit Metapolitik meint Sellner die öffentlichen Debatten über Politik. Die IB solle demnach versuchen, auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen, um die AfD und ihre Anliegen positiv darzustellen. Die IBD distanziert sich weiterhin von der Identitären Aktion (IA). Die IBD begründet dies unter anderem damit, dass die IA "immer wieder die Nähe zu altrechten und rechtsextremen Projekten und Personen" suche. Stattdessen gelte es, "Brücken zwischen patriotischen Strömungen zu schlagen". Mit dieser Unterscheidung möchte die IBD verschleiern, dass zumindest ein Teil ihrer Aktivisten aus anderen rechtsextremistischen Spektren stammt und es mit dem völkischen Nationalismus sowie der Fremdenfeindlichkeit eine bedeutsame ideologische Schnittmenge mit dem klassischen Rechtsextremismus gibt. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die IBD erzeugt mit modernen Ausdrucksformen und dem Bemühen um einen intellektuellen Anspruch bei Bevölkerungsschichten eine Resonanz, die traditionelle Rechtsextremisten bislang nicht erreichen. Die Gruppierung knüpft dabei bewusst an die Lebenswelten von internetaffinen jungen Menschen an. Da die IBD sich nicht mit den üblichen rechtsextremistischen Slogans und Symbolen inszeniert, ist ihre ideologische Ausrichtung 44 nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Aufgrund der personellen Überschneidungen mit anderen rechtsextremistischen Gruppierungen ist auch ein gemeinsames Auftreten bei Kundgebungen oder öffentlichen Ereignissen zu beobachten. Einer dauerhaften strukturellen Kooperation mit rechtsextremistischen Gruppen und Parteien oder einer gegenseitigen Akzeptanz auf breiter Ebene steht jedoch der elitär-avantgardistische Anspruch der IBD weiterhin entgegen. 45 Neonazis Gründung / Bestehen seit 1970er Jahre Struktur / Repräsentanz Gruppierungen auf lokaler Ebene, die teilweise in vereinsähnlichen "Kameradschaften" oder in Kreisverbänden der Partei Die Rechte organisiert sind; überregionale Vernetzung der Szene zur Koordinierung und Durchführung gemeinsamer Aktivitäten; mit den Verboten der wichtigsten Kameradschaften hat in der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen ein Strukturwandel stattgefunden. Die Partei Die Rechte stellt in Nordrhein-Westfalen nunmehr das Gravitationszentrum des Neonazismus dar. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Circa 650 Veröffentlichungen Internetpräsenzen und Profile der Partei Die Rechte sowie einzelner Gruppen in den sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Der Neonazismus stellt sich in die ideologische Tradition des historischen Nationalsozialismus. Die Anhänger organisieren sich regional in Kleingruppen, sogenannten "Kameradschaften". Diese werden oftmals von einer Person nach dem "Führerprinzip" geleitet. Die Szene ist überregional vernetzt und findet sich bei Veranstaltungen wie Demonstrationen oder Rechtsrock-Konzerten zusammen. Seit Mitte der 2000er Jahre ist innerhalb der neonazistischen Szene das Phänomen der Autonomen Nationalisten zu beobachten. Diese orientieren sich bezüglich Habitus und Kleidung an der Autonomen linksextremistischen Antifa. Zudem versuchen die Autonomen Nationalisten Themenfelder des politischen Gegners wie Antikapitalismus oder Antiglobalisierung für die eigene Propaganda zu vereinnahmen. Diese Modernisierung fand jedoch unter Beibehaltung der neonazistischen Ideologie statt. Finanzierung Beiträge der Anhänger Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Neonazi-Szene ist durch ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus sowie durch ihre Gewaltbereitschaft gekennzeichnet. Neonazis verfolgen die Errichtung eines "Vierten Reiches", basierend auf den programmatischen Forderungen der NSDAP von 1920. Ideologische Grundlage ist ein rassenbiologisch geprägtes, völkisches Menschenbild und die Vorstellung einer antipluralistischen Gesellschaft sowie eines autoritären Staates. In diesem Sinne fordert ein führender Neonazi aus Nordrhein-Westfalen am 13. März 2017 auf seinem Blog "Auf dem Weg von einer Widerstandsbewegung, hin zu einer Bewegung, die eine Zukunft für das deutsche Volk als biologische Einheit formt, werden große Opfer gebracht werden müssen und ist Repression das deutlichste Zeichen für den Erfolg unserer Arbeit. Niemand bekämpft eine Idee, die er für ungefährlich hält. Packen wir es an! Werden wir gefährlich!" Vermeintlich Fremde und auch politische Gegner gelten als Feinde, denen ein geringeres beziehungsweise gar kein Existenzrecht zuerkannt wird. Damit wird Gewalt gegen "Fremde" beziehungsweise "Feinde" legitimiert. Schwerpunktmäßig agitierte die neonazistische Szene auch 2017 gegen Migranten, insbesondere gegen Flüchtlinge. So endet beispielsweise auf der neonazistischen Webseite "Harsewinkel Echo" ein hetzerischer 46 Beitrag über Asylbewerber am 29. Mai 2017 mit dem Statement: "Asylbetrug ist kein Menschenrecht - Sie (die Migranten, Anm. der Redaktion) sind Wirtschaftskriminelle - Sie sind Feinde Deutschlands". Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Nachdem im Jahr 2012 das Innenministerium Nordrhein-Westfalens die vier aktivsten Kameradschaften verboten hatte, folgte für den Großteil der organisierten Neonazi-Szene die 'Flucht in die Parteien'. Die Mehrzahl der Neonazis sind nun in der Partei Die Rechte organisiert, eine kleinere Zahl in der Partei Der III. Weg. Der Rest der Szene in Nordrhein-Westfalen besteht aus kleineren, nur lose organisierten Gruppierungen und Einzelpersonen, die sich gelegentlich an Veranstaltungen der Partei Die Rechte beteiligen. Ferner legen einige Neonazis ihren Schwerpunkt auf virtuelle Aktivitäten. Mit den Twitter-Accounts Freies Netz Stolberg und Freier Widerstand Oberhausen verbreiten die Betreiber nahezu täglich negative Nachrichten über Migranten, um fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren. Eine Handvoll langjähriger Neonazis bildet die Gruppierung Köln für deutschen Sozialismus, die sich unverhohlen zum Nationalsozialismus bekennt. Auf ihrer Internetpräsenz wirbt sie mit einem Bild von Köln, in das Angehörige der Hitler-Jugend einfügt sind. Dort rief sie im Vorfeld einer von ihr am 14. Januar 2017 veranstalteten Demonstration mit Bezug zu Übergriffen an Silvester zur Selbstjustiz auf: "Lasst uns zusammen zeigen, daß wir das alles nicht mehr hinnehmen wollen! Wir sehen uns auf der Straße, denn unsere Armlänge Abstand ist die deutsche Faust!" Der Veranstalter verbot ausdrücklich Fahnen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Nordrhein-Westfalen. Stattdessen solle man schwarz-weiß-rote und andere "stolze Fahnen" mitbringen. An der Demonstration nahmen rund 100 Personen teil. Davon stammte rund die Hälfte aus dem Umfeld des Dortmunder Kreisverbandes der Partei Die Rechte. Die andere Hälfte war dem rechtsgerichteten Hogesa-Spektrum zuzuordnen. Über das undisziplinierte Auftreten der letzteren Gruppe echauffierte sich der Versammlungsleiter während der Demonstration erkennbar. Eine weitere Demonstration führte die Gruppe am 15. April 2017 durch. Im Aufruf hieß es in nationalsozialistischer Diktion, dass Köln "wie alle deutschen Städte und Gaue, im Überfremdungswahn der Herrschenden zu versinken drohe". Es kamen lediglich elf Rechtsextremisten zu der Veranstaltung, was auf das geringe Ansehen der Kölner Gruppierung in der Neonazi-Szene in NordrheinWestfalen hinweist. Des Weiteren baute sie mehrfach in der Innenstadt und im Kölner Westen "Informationsstände" auf, die mit ihrer schwarz-weiß-roten Gestaltung und dem Gruppennamen in Frakturschrift auf öffentliche Resonanz durch Provokation abzielten. Zudem verteilten sie auch gelegentlich Flugblätter. Auf einem propagierten sie ihre Gegnerschaft zur freiheitlichen Demokratie und ihr Eintreten für die nationalsozialistische Idee der Volksgemeinschaft: "Wir von KÖLN FÜR DEUTSCHEN SOZIALISMUS haben es zu unserer Aufgabe gemacht, dem alles vernichtenden, antideutschen System hierzulande die deutsche Volksgemeinschaft entgegenzusetzen. Das deutsche Volk soll [...] nicht in einem antivölkischen Chaos untergehen." Im Umfeld des Dortmunder Kreisverband der Partei Die Rechte ist die Aktionsgruppe Dortmund-West aktiv. Die Kleinstgruppe versucht immer wieder durch "Informationsstände", das Verteilen von Flugblättern oder das Anbringen von Spruchbändern Aufmerksamkeit zu erhalten, um rechtsextremistische Propaganda zu verbreiten. Beispielsweise zeigte sie im September 2017 ein Plakat an einer vielbefahrenden Straße mit dem Spruch: "Die Demokraten bringen uns Terror, Armut & Volkstod". Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Gruppe, als sie am 21. September 2017 vor mehreren Schulen in Dortmund kleine Kundgebungen abhielt und Pamphlete an Schülerinnen und Schüler verteilte. Darüber hinaus beschmiert sie Brückenpfeiler und Mauern mit Graffitis, auf denen sie sich selbst als "Nazibande" bezeichnet. Die Neonazis gehören zur Sympathisantenszene von Die Rechte in Dortmund und beteiligen sich regelmäßig an Aktivitäten des Kreisverbandes. In Ostwestfalen existiert die neonazistische Gruppierung Nationalisten Kreis Gütersloh. Diese beteiligte sich 2017 noch an verschiedenen Aktivitäten des Kreisverbandes OWL der Partei Die Rechte. Nachdem die politischen Aktionen nach dem Wegzug des bisherigen Kreisvorsitzenden deutlich nachließen, gelang es den Gütersloher Neonazis nicht, mit selbständigen Aktionen ihre rechtsextremistischen Positionen wirksam in die Öffentlichkeit zu tragen. Auch auf der Webseite "Harsewinkel ECHO" verbreitete sie 2017 nur noch selten Kommentare. Diese waren aber weiterhin rechtsextremistisch geprägt. So heißt es in einem Beitrag: "Zuerst einmal haben hier Ausländer oder deren Integrationsräte gar nichts, aber absolut gar nicht zu fordern, zu empfehlen oder zu bekommenmit Ausnahme ihrer eigenen Abschiebung aus der BRD!" 47 Vor allem im Rhein-Sieg-Kreis agierte die Identitäre Aktion (IA). Diese rund zehn Personen umfassende Gruppe bildete zunächst die Identitäre Bewegung Bonn/Rheinland, spaltete sich aber 2014 nach Streitigkeiten mit der Bundesführung der Identitären Bewegung ab. Die Führungsaktivistin der IA, Melanie Dittmer, suchte die Zusammenarbeit mit verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen von der NPD, über die Partei Die Rechte bis hin zu anderen Neonazi-Gruppierungen, weswegen auf der Webseite der IA auch das Motto prangt: "Identitärer Widerstand ohne Spaltung und Abgrenzung". Diese Zusammenarbeit wurde auch international gesucht. So nahmen zwei Vertreter der IA am 18. Februar 2017 am rechtsextremistischen "Lukov-Marsch" in Bulgarien teil. Ein im Februar 2017 auf ihrer Webseite veröffentlichtes "Identitäres Manifest" nennt als ideologische Grundlage den "Ethnopluralismus". Dieser geht davon aus, dass das Zusammenleben unterschiedlicher ethnischer Gruppen abzulehnen ist. Menschen, die ethnisch keine Deutschen seien, werden unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft als Störfaktoren wahrgenommen, die die Bewahrung des eigenen Volkes bedrohen würden. Diese Ideologie schlägt sich in der Propaganda nieder. Das Amtsgericht Wetzlar verurteilte die Führungsaktivistin im November 2017 wegen Volksverhetzung zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe, nachdem sie auf eine Demonstration von NPD und Neonazis als Rednerin Flüchtlinge mit der Pest im Mittelalter verglichen hatte. Außerdem betonte die Gruppe in ihrem Manifest ihren aktionistischen Charakter und die Bedeutung von gemeinschaftsstiftenden Aktivitäten. Dazu zählen sowohl Wanderungen und ideologische "Folkloreveranstaltungen" wie "Sonnenwendfeiern" als auch das Verteilen von Flugblättern oder der rechtsextremistischen Zeitschrift Recht und Wahrheit. Die IA versuchte in der rechtsextremistischen Szene für sich zu werben und war am 29. Juli 2017 mit einem Stand auf dem rechtsextremistischen Rockfestival "Rock für Identität" in Themar (Thüringen) vertreten. Zu den Rednern zählte auch die Hauptprotagonistin. Im September verkündete die Gruppe, dass sie nun angeblich ebenfalls in Thüringen aktiv sei. Seit 2016 firmiert die Gruppe weitgehend personenidentisch auch unter dem Namen Freundeskreis Rhein Sieg. Diese beansprucht "Metapolitik zu betreiben." In einem Artikel der rechtsextremistischen Zeitschrift N.S. Heute beschreibt sie diesen Ansatz folgendermaßen: "Metapolitik bezeichnet den 'vorpolitischen Raum'. Also politische Agitation auf subversive Art und Weise ohne einen Parteibezug. Das heißt, man macht keine Infostände für eine Wahlpartei, sondern man trifft sich als Gruppe und geht beispielsweise im Wald Müll einsammeln. Die Menschen können solche Aktionen nicht schlechtreden. Auch andere Projekte sind denkbar: Kleidung verteilen an Obdachlose, Spenden sammeln für das Tierheim usw. [...] Die Straße ist durch gelebte Volksgemeinschaft zurückzuerobern." Dieser Strategie folgend reparierte die Gruppe beispielsweise eine Bank und ein Geländer an einem Aussichtspunkt in Windeck und brachte dort ihren Namen an. Ebenso greifen Neonazis mit dem Verein Volkshilfe e.V. diese metapolitische Strategie auf, um unter dem Deckmantel einer karitativen Organisation rechtsextremistische Propaganda zu verbreiten. Die Selbstdarstellung auf der Webseite des Vereins folgt der völkisch-nationalistischen Diktion, nach der die Mitglieder eine ethnischhomogene Gemeinschaft - anstelle einer freiheitlich pluralistischen Gesellschaft - anstreben. Der in NordrheinWestfalen und Niedersachsen tätige Verein verfügt inzwischen in Gütersloh über eine Art Vereinsheim. Im Februar 2017 verteilte der Verein Flugblätter in Briefkästen in Gütersloh, um unter anderem für Treffen in diesem Vereinsheim zu werben. Laut Eigendarstellung des Vereins gibt es in Nordrhein-Westfalen inzwischen Ortsgruppen in Gütersloh, Hagen und dem Ruhrgebiet. In einem offenen Brief an die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im August 2017 fragte der Verein nach einer vermeintlichen Deutschenfeindlichkeit an Schulen. Dem fremdenfeindlichen Argumentationsmuster folgend werden darin Deutsche ausschließlich als Opfer und Migranten ausschließlich als Täter dargestellt. Auswirkungen auf die Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen dürfte die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen das Aktionsbüro Mittelrhein (AB Mittelrhein) haben. Das AB Mittelrhein agierte bis 2012 als neonazistische Kameradschaft im Norden von Rheinland-Pfalz. Zugleich betrieb es gewissermaßen die Geschäftsführung der Aktionsgruppe Rheinland. Letzteres war die Vernetzungsstruktur von neonazistischen Gruppen und Szenen im Rheinland. Das ursprüngliche Verfahren begann im August 2012 vor dem Landgericht Koblenz und richtete sich gegen 26 Personen, denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Rund ein Drittel der Angeklagten stammte aus Nordrhein-Westfalen. Darunter befanden sich auch einige Führungspersonen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene. Das Landgericht Koblenz hatte den Prozess im Mai 2017 nach 337 Verhandlungstagen wegen der "überlangen Verfahrensdauer" eingestellt. Nachdem die Staatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde gegen die Einstellung einlegte, erfolgt nun eine Wiederaufnahme des Strafprozesses. Das bisherige Strafverfahren hat die Neonazi-Szene im Rheinland bislang durchaus beeinträchtigt und einige damalige Aktivisten zum Ausstieg veranlasst. 48 Für die Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen waren 2017 zwei überregionale Veranstaltungen relevant. Im Berliner Bezirk Spandau fand am 29. August 2017 eine neonazistische Demonstration zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess statt. Angemeldet hatte die Veranstaltung ein langjähriger Aktivist vom Niederrhein. Bundesweit hatte die Neonazi-Szene intensiv zu dieser Veranstaltung mobilisiert. Rund 750 Rechtextremisten nahmen daran teil. Die Demonstrationsteilnehmer in der ersten Reihe trugen ein Banner mit dem bezeichnenden Motto "Ich bereue nichts". Weitere 250 Rechtsextremisten, die zu einem großen Teil aus Nordrhein-Westfallen stammten, konnten wegen eines Brandanschlages auf Bahnanlagen den Veranstaltungsort nicht erreichen und führten in der Nachbargemeinde Falkensee (Brandenburg) eine Ersatzveranstaltung durch. Nachdem seit 2015 die Szene sich zumeist auf flüchtlingsfeindliche Agitation konzentriert hatte, zeigt diese Veranstaltung, dass die Verherrlichung des Nationalsozialismus wieder an Bedeutung gewinnt. Wie in den vorangegangenen Jahren prägten Neonazis aus Nordrhein-Westfalen den "Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern" in Remagen (Rheinland-Pfalz). Am 19. November 2017 beteiligten sich rund 250 Rechtsextremisten daran, wobei es sich um parteilose Neonazis, Mitglieder der NPD sowie der Partei Die Rechte handelte. Die Veranstaltung meldete der gleiche Rechtsextremist an, der auch für die Hess-Demonstration verantwortlich war. Die meisten Redner kamen aus Nordrhein-Westfalen. Mit der Veranstaltung instrumentalisiert die Neonazi-Szene vermeintliche Kriegsverbrechen der Alliierten im 2. Weltkrieg, um Deutschland als ein Opfer des Krieges darzustellen, die Verbrechen des NS-Regimes zu relativieren und letztlich die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede zu stellen. Ein Redner formulierte dies folgendermaßen: "Das, dass wir heute tun, kein Blick zurück ist, sondern ein Blick in die Zukunft. Ein Blick in die Zukunft, der dafür helfen wird, die Anklage zu formulieren, auf der wir diese Republik zu Fall bringen." Im Zuge der Bundestagswahl fand in der Neonazi-Szene eine Diskussion statt, ob und gegebenenfalls wen man wählen sollte. Bemerkenswert ist, dass die Diskutanten sich dabei offen auf Adolf Hitler bezogen. So heißt es in einem Beitrag eines führenden Neonazis aus Nordrhein-Westfalen: "Kreativere Köpfe haben sich für die Legitimation ihres Handelns einen mächtigen Beistand gesucht, schließlich hat der Führer nach 1923 auch stets darauf gepocht, dass man sich legal verhalten solle und natürlich an Wahlen teilnehmen muss. Gute und richtige These, sowohl inhaltlich als auch argumentativ, denn wer widerspricht schon gern dem Führer." Bewegung, Tendenzen, Ausblick Die neonazistische Szene in Nordrhein-Westfalen ist überwiegend in den Parteien Die Rechte und Der III. Weg organisiert. Darüber hinaus existieren einige kleinere Gruppierungen. Der Kreisverband Dortmund von Die Rechte ist weiterhin das Gravitationszentrum. Nachdem in den beiden vorangegangenen Jahren der Zuzug von Flüchtlingen das bestimmende Agitationsthema war, konzentrierte man sich 2017 wieder verstärkt auf das offensive Bekenntnis zum historischen Nationalsozialismus. 49 Rechtsterrorismus Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Nachdem im Herbst 2015 verstärkt Flüchtlinge nach Deutschland kamen, nahmen die Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte zunächst enorm zu. So wurden für das Jahr 2016 918 rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte gezählt, davon waren 157 Gewaltdelikte. Im Jahr 2017 ist ein deutlicher Rückgang zu konstatieren. Allerdings stellen 311 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, darunter 46 Gewaltdelikte, immer noch ein hohes Niveau krimineller Energie dar, die rechtsextremistisch motiviert ist. Bei der Mehrzahl dieser Straftaten handelt es sich um Delikte wie Sachbeschädigung, Propagandastraftaten oder Volksverhetzung. Jedoch gab es seit 2015 auch schwere Gewalttaten, wie z.B. den Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft in Altena am 3. Oktober 2016. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Tatverdächtigen, die mutmaßlich Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte begangen haben, bis zur Tat nicht durch rechtsextremistische Straftaten oder Aktivitäten aufgefallen war. Neben den Unterkünften richten sich rechtsextremistisch motivierte Straftaten ebenfalls gegen vermeintliche Asylbewerber bzw. Migranten im Allgemeinen. Die meisten dieser Straftaten begehen die Täter spontan. In einigen Fällen liegen aber auch Anhaltspunkte für ein planvolles Agieren und eine gezielte Vorbereitung vor, wie z.B. beim Attentat auf die damalige Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker im Oktober 2015. Gelegentlich treten auch rechtsextremistische Gruppierungen in Erscheinung, die z.B. in Nauen (Brandenburg) und Freital (Sachsen) mehrere Straftaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte sowie gegen den politischen Gegner begingen. Auch wenn solche Akteure nur in wenigen Fällen auftreten, sind sie ein Hinweis auf das terroristische Potenzial im Rechtsextremismus. Mordanschläge und schwere staatsgefährdende Gewalttaten 17 Jahre nach dem Sprengstoff-Anschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn hat am 25. Januar 2018 vor dem Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen den inzwischen 51-jährigen Rechtsextremisten begonnen. Bei dem Anschlag waren zehn ausländische Sprachschüler zum Teil schwer verletzt und das ungeborene Baby einer Schwangeren getötet worden. Der Angeklagte war schon unmittelbar nach der Tat verdächtigt worden, allerdings reichten die Beweise für eine Anklage damals nicht aus. Nach einer Selbstbezichtigung des Verdächtigen während eines Gefängnisaufenthaltes 2014 wegen einer anderen Tat sowie weiteren Zeugenaussagen konnte der Tatverdacht aus Sicht der Staatsanwaltschaft hinreichend erhärtet werden. Insbesondere konnte die Ermittlungskommission das angebliche Alibi des Täters widerlegen. Das mutmaßliche Motiv war Fremdenhass. Auch Politiker und Helfer von Flüchtlingen sind Ziel von Straftätern mit einer rechtsextremistischen Motivation. Besonders schwerwiegend war ein Angriff auf den Bürgermeister von Altena am 27. November 2017. Dieser wurde in einem Imbiss mit einem Messer attackiert und am Hals verletzt. Die Betreiber des Imbiss griffen ein und entwendeten dem Angreifer das Messer. Dieser äußerte bei seiner Tat, dass er die Flüchtlingspolitik des Kommunalpolitikers ablehne. Der Generalbundesanwalt erhob am 4. Dezember 2017 Anklage vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gegen Franco A. Dieser ist Oberstleutnant bei der Bundeswehr. Dem Angeschuldigten wird vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Laut der Anklageschrift plante er rechtsextremistisch motiviert Anschläge auf das Leben von Personen des öffentlichen Lebens. Zur Vorbereitung ließ er sich unter der fiktiven Identität eines syrischen Asylsuchenden registrieren. Damit wollte er die Ermittlungen nach den von ihm geplanten Anschlägen auf in Deutschland erfasste Asylbewerber lenken. Gegen zwei Beschuldigte aus Mecklenburg-Vorpommern ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben und ließ am 28. August 2017 die Wohnund Arbeitsräume durchsuchen. Die beiden Beschuldigten sollen die Auffassung vertreten haben, dass durch die Flüchtlingspolitik ein Krisenfall bevorstehe. Es bestehen Verdachtsmomente, dass sie diesen nutzen wollten, um Vertreter des politischen linken Spektrums festzusetzen und zu töten. 50 Rechtsterrorismus Die Sicherheitsbehörden orientieren sich bei der Verwendung des Begriffs Terrorismus am Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung (SS 129 a Strafgesetzbuch). Demnach handelt es sich bei Rechtsterrorismus um schwerwiegende rechtsextremistisch motivierte Gewaltdelikte, die im Rahmen eines nachhaltig geführten Kampfes durch arbeitsteilig organisierte und verdeckt operierende Gruppen planmäßig begangen werden. Am 15. März 2017 sprach das Oberlandesgericht München die vier Führungspersonen der Oldschool Society (OSS) wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung schuldig. Diese Gruppe hatte sich zum Ziel gesetzt, Anschläge gegen Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte zu verüben. Ein erster Anschlag war für Anfang Mai 2015 vorgesehen. Konkret war geplant, im Rahmen des zweiten Mitgliedertreffens vom 8. bis 10. Mai 2015 in der Nähe von Borna (Sachsen) einen Sprengstoffanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft zu begehen. Zur Verwirklichung der Anschlagsplanungen kam es nicht, weil am 6. Mai 2015 Durchsuchungsmaßnahmen bei den OSS-Mitgliedern erfolgten. Eine der Führungspersonen stammt aus Nordrhein-Westfalen. Gegen diesen verhängte das Gericht eine dreijährige Haftstrafte. Eine weitere Führungsperson, die inzwischen in Sachsen lebt, war vor einigen Jahren in der 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land aktiv. Im April 2017 wurde vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen zwei weitere Mitglieder der OSS Anklage erhoben. In Dresden begann im März 2017 der Prozess gegen die rechtsextremistische Gruppe Freital. Der Generalbundesanwalt hat gegen acht Personen Anklage erhoben wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung, außerdem wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen. Der Gruppe wurden fünf Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und politische Gegner zur Last gelegt, die sie im Zeitraum von Juli bis November 2015 begangen hatten. Das Oberlandesgericht Dresden sprach die acht Angeklagten am 7. März 2018 schuldig, unter anderem eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben und verhängte Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren. Ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung führte am 25. Januar 2017 zur Durchsuchung von zwölf Wohnungen in sechs Bundesländern. Die Führungsperson, die als "Druide" unter dem fiktiven Namen "Burgos von Buchonia" auftrat, war sowohl in rechtsextremistischen Organisationen als auch in der Reichsbürgerszene aktiv. Nach eingehenden Ermittlungen ließ sich der ursprüngliche Tatvorwurf nicht erhärten, allerdings wird weiterhin wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz sowie der Volksverhetzung ermittelt. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die begangenen oder geplanten schweren Straftaten weisen auf die Gefahr rechtsterroristischer Potenziale hin, die insbesondere im Kontext der flüchtlingsfeindlichen Agitation zu Tage treten. Dabei ist bemerkenswert, dass ein Teil der identifizierten Tatverdächtigen zuvor kaum oder überhaupt nicht durch rechtsextremistische Aktivitäten und Straftaten aufgefallen war. Auch wenn aktuell in Nordrhein-Westfalen keine konkreten Erkenntnisse zu bestehenden rechtsterroristischen Strukturen im Sinne des Strafrechts vorliegen, ist nicht ausschließen, dass sich rechtsterroristische Gruppen bilden. Daher bleiben die Verfassungsschutzbehörden besonders wachsam. 51 Subkulturell geprägter Rechtsextremismus Gründung / Bestehen seit Ende der 1960er Jahre in Großbritannien; seit circa Ende der 1970er Jahre in anderen europäischen Staaten Struktur / Repräsentanz In der Regel keine festen Strukturen; eine Ausnahme bilden die Hammerskins mit einem festen hierarchischen Aufbau Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 1.350 Anhänger (gleichbleibend) Veröffentlichungen Publikationen: sogenannte Fanzines mit Artikeln zur überwiegend subkulturell geprägten Skinhead-Musik-Szene, Interviews und Konzertberichten; CD Veröffentlichungen Web-Angebote: Bekanntmachungen von Konzerten über bestimme Foren; Veröffentlichungen von Videos über soziale Medien Kurzportrait / Ziele Der subkulturell geprägte Rechtsextremismus definiert sich hauptsächlich über eine spezifische Musik und den damit zusammenhängenden Lebensstil. Es geht darum, eine Erlebniswelt mit gemeinsamen Freizeitaktivitäten wie Musikveranstaltungen zu schaffen, in der die Ideologie nur eine nachrangige Rolle spielt. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten vertreten rassistische, fremdenfeindliche, nationalistische und antisemitische Positionen. Zudem befürworten sie Gewalt gegen als minderwertig angesehene Menschen. Rechtsextremistische Skinheads bilden immer noch die wichtigste Subkultur im Rechtsextremismus. Äußerlichkeiten wie Dresscode oder Haarschnitt lassen heutzutage kaum noch eine eindeutige Zuordnung zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene zu. Einerseits gibt es weitgehend unpolitische Jugendliche, die ein vermeintlich Skinhead-typisches Aussehen zeigen, ohne dem rechtsextremistischen Teil der Szene anzugehören. Andererseits verlieren die altbekannten Erscheinungsbilder seit einigen Jahren immer mehr an Bedeutung. Insbesondere für den rechtsextremistischen Teil der Skinhead-Szene ist es im Alltag einfacher, nicht durch offensichtliches Tragen von einschlägig bekannten Zeichen oder Haarschnitten eine politische Zuordnung zu ermöglichen. Finanzierung Rechtsextremistische Bands versuchen sich über Verkäufe von CD und Merchandise-Artikeln sowie über die Organisation und Durchführung von Musikveranstaltungen zu finanzieren. Oftmals erzielen sie jedoch maximal eine kostendeckende Durchführung von Konzerten. Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Subkulturell geprägte Rechtsextremisten vertreten rassistische, fremdenfeindliche, nationalistische und antisemitische Positionen gepaart mit einem hohen Gewaltpotential. Musik spielt hier eine herausragende Rolle zur Selbstvergewisserung, Politisierung und Rekrutierung der Szene. Deswegen gilt ein besonderes Interesse Bands, CDs und Konzerten. Gerade rechtsextremistische Musikveranstaltungen gehen oftmals mit menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Liedtexten sowie gelegentlich mit offenen Bekenntnissen zum Nationalsozialismus, wie dem Zeigen des "Hitler-Grußes", einher. 52 Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die wichtigsten international tätigen Skinhead-Organisationen, die Konzerte veranstalten, sind Blood and Honour und die Hammerskins. Die "Blood & Honour-Division Deutschland" wurde bereits im September 2000 in Deutschland verboten. Während diese Organisationen früher miteinander konkurrierten, haben sie sich in den letzten Jahren zunehmend angenähert und kooperieren punktuell bei Veranstaltungen miteinander. In Deutschland ist zudem seit 2013 eine Combat 18-Gruppierung aktiv, der auch Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen angehören. International ist Combat 18 eng mit dem Blood and Honour Netzwerk verbunden. Rechtsextremistische Musik hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten in verschiedene Musikstile ausdifferenziert. Zu den gängigsten Stilrichtungen zählen "Rechtsrock", der seinen Ursprung in der Skinhead-Szene hat, Balladen, "National Socialist Black Metal" und der in letzter Zeit aufgekommene "Nationale Rap". Weiterhin bleibt dabei "Skinheadoder Rechtsrock" die bedeutendste Stilrichtung. Diese zeichnet sich durch hart gespielte Aus Nordrhein-Westfalen sind unter anderem die Bands Oidoxie, Sleipnir, Division Germania, Sturmwehr und Smart Violence seit mehreren Jahren aktiv und verfügen über eine überregionale Szeneprominenz im Bereich Rechtsrock. Mit Makss Damage stammt einer der bekanntesten "Nationalistischen Rapper" aus NordrheinWestfalen. Konzerte sind ein wichtiges Element der "Erlebniswelt Rechtsextremismus", in der politische Agitation, Freizeitaktivitäten und unterhaltende Mittel verbunden werden und insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen sollen. Die Attraktivität der Veranstaltungen machen neben der Musik das Treffen Gleichgesinnter, der Konsum von Alkohol und das Zeigen rechtsextremistischer Symbolik sowie Slogans aus. Der besondere Reiz, gerade für jugendliche Teilnehmer, die über Konzerte in die Szene eingeführt werden, liegt üblicherweise darin, etwas Verbotenes oder sozial Unerwünschtes zu erleben. Darüber hinaus besteht auf den Konzerten die Gelegenheit, CDs und sonstige Merchandise-Artikel käuflich zu erwerben, gelegentlich sogar indizierte Artikel. Im Unterschied zu den vorwiegend rocklastigen, größeren Konzerten dienen Balladenoder Liederabende dazu, einen eher kleineren Teilnehmerkreis anzusprechen. Dabei spielt meistens ein Sänger mit Gitarre überwiegend ruhige Stücke. Derartige Veranstaltungen werden oftmals von Parteiverbänden oder Freien Kameradschaften mit dem Ziel organisiert, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Im Jahr 2017 fanden in Nordrhein-Westfalen insgesamt fünf Konzerte, acht Liederbeziehungsweise Balladenabende und 21 sonstige rechtsextremistische Veranstaltungen mit Livemusik statt. Zu den sonstigen Veranstaltungen zählen zum Beispiel parteiinterne Feste oder Geburtstagsfeiern, bei denen Musik Teil der Veranstaltung ist. Die Anzahl der festgestellten Musikveranstaltungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 27 auf 34 leicht erhöht. Als Veranstalter fungierten dabei Parteiverbände und in vielen Fällen Privatpersonen. In der Regel nahmen nicht mehr als 100 Personen teil. Ein weiteres wichtiges Veranstaltungsformat für die rechte Szene auch in Nordrhein-Westfalen sind Kampfsportveranstaltungen. So fand am 14. Oktober 2017 die fünfte, jährlich wiederkehrende, Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" diesmal in Kirchhundem (Kreis Olpe) statt. An der Veranstaltung nahmen 50 Kämpfer und 450 Zuschauer aus dem gesamten Bundesgebiet und zum Teil auch aus dem Ausland teil. Der Teilnehmerkreis setzte sich überwiegend aus Rechtsextremisten, Hooligans und Rockern zusammen. Konzeptionell soll der "Kampf der Nibelungen" eine explizite Gegenveranstaltung zu anderen unpolitischen Kampfsportveranstaltungen sein und durch subtile Bestätigung der ideologischen Überzeugungen die Vernetzung sowie den Zusammenhalt der Szene fördern. Außerdem erzielen die Veranstalter bei solchen Events über den Verkauf von Eintrittskarten, Erlöse aus Gastronomie und szenetypischen Verkaufsständen nicht unerhebliche Einnahmen, die zumindest in Teilen in die Szene zurückfließen. Der Kampf der Nibelungen" in Kirchhundem wurde maßgeblich von einem der führenden Protagonisten der rechtsextremistischen Szene Dortmunds und Mitglied der Partei Die Rechte organisiert Um Sicherheitsund Ordnungsbehörden keine Gelegenheit zu geben, Konzerte und andere Veranstaltungen zu verbieten oder einzuschränken, haben die Veranstalter zwei unterschiedliche Strategien entwickelt. Die erste Strategie setzt darauf, Veranstaltungen konspirativ zu organisieren und manchmal auch Räumlichkeiten im angrenzenden Ausland zu suchen. Diese Vorgehensweise weckt auch bei etlichen Szeneangehörigen die Neugier 53 und Abenteuerlust. In Nordrhein-Westfalen setzt die Szene vor allem auf diese Strategie. Bei den meisten Musikveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um Liederoder Balladenabende. Diese organisieren entweder Parteiverbände oder Einzelpersonen im Rahmen von Geburtstagsfeiern. Dies soll zum einen den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken und zum anderen zusätzliches Geld in die Parteikasse spülen. Insbesondere der Kreisverband Dortmund der Partei Die Rechte führt in regelmäßigen Abständen solche Veranstaltungen durch. Beispielsweise organisierte der Kreisverband am 4. November 2017 einen internationalen Kongress mit rechtsextremistischen Organisationen in Schwerte, bei dem zwei Liedermacher das Abendprogramm musikalisch gestalteten. In Nordrhein-Westfalen fanden zwei konspirativ organisierte Konzerte statt, die eine dreistellige Zahl von Personen besuchten. Bei der zweiten Strategie melden die Organisatoren die Veranstaltung als politische Kundgebung an. Indem sie einige Redner auftreten lassen, fällt das Konzert dann unter das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Sofern Versammlungsbehörden in Verbotsverfügungen auf den kommerziellen Charakter der Veranstaltungen abgestellt haben und sie verbieten wollten, sind sie damit in mehreren Fällen vor den Verwaltungsgerichten gescheitert. So war das thüringische Themar 2017 der Schauplatz von drei großen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen, die die Organisatoren alle auf einem Privat-grundstück durchführten und als politische Kundgebung mit Musikdarbietungen offiziell anmeldeten. Beim dortigen sogenannten "Rock gegen Überfremdung II" am 15. Juli 2017 nahmen ungefähr 6.000 Personen teil. Aus Nordrhein-Westfalen standen die Rechtsrock-Bands Division Germania und Sleipnir auf der Bühne. Bereits zwei Wochen später fand an gleicher Stelle das Rechtsrockfestival "Rock für Identität" statt, das in etwa 1.000 Besucher anlockte. Am 29. Oktober 2017 besuchten erneut ungefähr 1.000 Rechtsextremisten in Themar die Veranstaltung "Rock gegen Links - Musikund Redebeiträge gegen den Zeitgeist". Dabei traten auch die Dortmunder Rechtsrock-Band Oidoxie und als Redner der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Landesverbandes von Die Rechte, Sascha Krolzig, sowie die Führungsaktivistin der Identitären Aktion auf. Alle drei Veranstaltungen besuchten auch Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene gibt es Vorwürfe an einen der Hauptorganisatoren, mit den Veranstaltungen ausschließlich kommerzielle Interessen zu verfolgen und sich an der rechtsextremis-tischen Szene zu bereichern. Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Rapper Makss Damage befeuerte die Kritik an den Veranstaltern und verfasste einen sogenannten "Disstrack", in dem er dem Verantwortlichen mit einem bedrohlichen Unterton massive Vorhaltungen machte. Neben Konzerten im Inland haben 2017 auch wieder zahlreiche Musikveranstaltungen in anderen Ländern Europas stattgefunden. Unter anderem ist die Band Oidoxie am 11. März 2017 bei einem von der polnischen Sektion von Blood and Honour organisierten Konzert in Polen aufgetreten, Makss Damage am 14. Januar 2017 beim Unterstützungskonzert für die rechtsextremistische Partei PNOS in der Schweiz und die Band Sturmwehr am 9. September 2017 beim "Valhalla calling Vol. 1"-Festival in Schweden. Rechtsextremistische Tonträger und Devotionalien werden auf vielfältige Weise vertrieben. Überwie-gend erfolgt der Handel über das Internet, weiterhin über Verkaufsstände bei Veranstaltungen und in Szeneläden. Wirtschaftliche Interessen sind nach wie vor eine wichtige Motivation bei der Vermarktung von rechtsextremistischer Musik und Szene-Artikeln. Viele Inhaber rechtsextremistischer Musik-Vertriebe bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Szene-Produkten oder betrachten den Handel als einen lukrativen Nebenverdienst. Einige Vertriebe geben an, die Szene mit einem Teil ihrer Verkaufserlöse zu unterstützen. Sie stellen sich so als integraler Bestandteil der Szene dar und vermitteln Käufern das Gefühl, mit ihrem Kauf gleichzeitig die Bewegung zu unterstützen. Die Selbst-darstellung als Förderer der Szene wird dabei getragen von der Hoffnung auf erhöhte Absatzzahlen und einem kommerziellen Erfolg. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Subkulturen unterliegen einem ständigen Wandel. Die rechtsextremistische Skinhead-Szene befindet sich seit Jahren im Abschwung. Sie gilt bei immer mehr Jugendlichen als überholte und unattraktive Jugendkultur, so dass der Nachwuchs ausbleibt. Zudem verlassen immer wieder ältere Protagonisten die Skinhead-Szene. Sie legen dann zwar nicht umgehend ihre rechtsextremistischen Einstellungen ab, dennoch verliert die Skinhead-Szene dadurch an Größe. Dafür spricht auch die seit mehreren Jahren festzustellende Organisationsschwäche. Allein gelegentliche Konzerte in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Ländern beziehungsweise im angrenzenden Ausland schaffen vereinzelt Events, an denen sich die Szene ihrer selbst vergewissert. 54 Rechtsextremistische Musik ist zum einen ein Ausdrucksmittel einer Subkultur, die sich für Menschen-verachtung und Demokratiefeindschaft ausspricht. Zum anderen ist sie ein effektives Mittel rechtsextremistischer Strategen, ihre Propaganda Jugendlichen und jungen Erwachsenen nahe zu bringen. Daneben handelt es sich bei rechtsextremistischer Musik um ein kommerzielles Geschäft, an dem Bands, Konzertveranstalter und Vertriebe verdienen. Mit der Modernisierung der Erscheinungsformen des Rechtsextremismus hat sich auch deren Musik gewandelt. Die Vielfalt an Musikstilen hat zugenommen. Dies beinhaltete sogar ideologisch widersprüchlich erscheinende Entwicklungen wie "Nationaler Rap". Auch eine vielfältige Cover-Ästhetik und die Selbstinszenierung der Musiker spielen heute eine Rolle. Durch die digitale Revolution der letzten 20 Jahre haben sich die Vertriebsbedingungen für rechtsextremistische Musikstücke enorm verbessert, so dass es nun möglich ist, nahezu immer und überall solche Musik zum Download anzubieten. Nach einer über längere Zeit rückläufigen Entwicklung gewinnen rechtsextremistische Musikveranstaltungen seit 2014 wieder an Bedeutung. Es finden mehr Konzerte statt und seit 2016 mehren sich Großveranstaltungen mit über 1.000 Besuchern. Die Partei Die Rechte praktiziert in Nordrhein-Westfalen eine andere Strategie. Sie nutzt den Partei-status, um erlebnisorientierte Veranstaltungen inklusive Konzerten oder Balladenabende zu veranstalten. Bei diesen als Parteiveranstaltungen deklarierten Konzerten werden zwischen den Musikdarbietungen kurze politische Ansprachen gehalten, um den Charakter der Veranstaltung zu unterstreichen. So beispielsweise bei dem vom einem Kreisverband am 4. November 2017 organisierten internationalen Kongress mit rechtsextremistischen Organisationen in Schwerte. Hierbei verbindet sie gemeinschaftliches Freizeitangebot und politische Indoktrination miteinander, um möglichst viele Interessenten anzusprechen und zur Teilnahme zu animieren. 55 Reichsbürger und Selbstverwalter (Reichsbürgerbewegung) Gründung / Bestehen seit 1985 (Gründung der ersten Reichsbürgergruppierung Kommissarischen Reichsregierung (KRR) in Berlin) Struktur / Repräsentanz Die heterogene Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter besteht aus einer Vielzahl von Kleingruppierungen, die zum Teil miteinander kooperieren, zum Teil aber sich auch scharf voneinander abgrenzen. Neben kleinen, sektenartigen Gruppen mit hohem Organisationsgrad gibt es ebenso lose strukturierte Gruppierungen sowie Einzelpersonen, die nur im Internet aktiv sind oder sich an Behörden wenden. Die Szene unterliegt einem steten Wandel. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 rund 2.600 Anhänger (ansteigend). Bei der Mehrzahl der Reichsbürger und Selbstverwalter in NordrheinWestfalen ist keine feste Organisationsbindung erkennbar. Es handelt sich überwiegend um Einzelpersonen sowie Angehörige loser örtlicher Szenen. Veröffentlichungen Die einzelnen Gruppierungen verfügen meist über einen eigenen Internetauftritt, in dem umfangreiche Schriftsätze zum Download angeboten werden. Angeschlossen sind häufig entsprechende Diskussionsplattformen. Kurzportrait / Ziele Inhaltlicher Konsens in der organisatorisch zersplitterten Reichsbürgerbewegung sind die Behauptungen, dass erstens das Deutsche Reich in den Grenzen der 1930er Jahre weiterhin existiere und dass zweitens der Bundesrepublik Deutschland die rechtliche Legitimation fehle. Die Bundesrepublik sei deshalb nur eine GmbH und die Behörden seien nur "Scheinbehörden". Teilweise stellen sie auch die Behauptung auf, dass eine kommissarische Reichsregierung die Staatsgewalt ausüben würde und leiten daraus für sich hoheitliche Befugnisse ab. Die Selbstverwalter sind ein Sonderfall. Sie berufen sich auf ein selbst definiertes Naturrecht, wonach sie als Individuen staatliche Hoheitsrechte besäßen und sich in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend betrachten. Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, beziehungsweise deren Rechtsordnung ablehnen. Diese Auffassung hat zur Folge, dass Reichsbürger den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen und Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Überdies sind die Anhänger der Überzeugung, nach einem erklärten Austritt aus der angeblichen GmbH auch nicht weiter an bestehende Gesetze gebunden zu sein. Teile der Reichsbürger-Szene überschneiden sich mit der rechtsextremistischen Szene und vertreten rechtsextremistische Argumentationsmuster. So bezeichnet sich die Germaniten Partei aus Vlotho beispielsweise als "Arische Partei" und verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien. Im November 2017 wurden durch einen der Gruppierung zuzurechnenden selbsternannten "Internationalen Richter im Kriegsrecht" antisemitische Pamphlete an staatliche Institutionen versandt. Einige bekannte Rechtsextremisten, wie etwa Horst Mahler, versuchten in der Vergangenheit, die Reichsbürgerbewegung zu beeinflussen und gründeten eigene Gruppen. 56 Die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter lässt sich idealtypisch in drei Motivgruppen unterteilen: erstens Rechtsextremisten, zweitens Verschwörungstheoretiker und drittens Personen, die sich finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat entziehen möchten. Im jeweiligen Einzelfall können sich die Motive unterschiedlich mischen. Etliche Reichsbürger und Selbstverwalter haben sich der Szene innerhalb einer Lebenskrise zugewandt. Zudem handelt es sich bei der Reichsbürger-Szene um ein Agitationsfeld von Personen mit psychisch auffälligen Verhaltensmustern. Reichsbürger und Selbstverwalter stellen ein erhebliches Gewaltpotenzial dar. Besorgniserregend sind Gewaltdelikte und ein teilweise umfangreicher Waffenbesitz in der Szene. Gerichte, Polizei und Behörden werden in ihrer Arbeitsweise behindert und deren Mitarbeiter eingeschüchtert und bedroht. Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Reichsbürger und Selbstverwalter sind verfassungsfeindlich, da sie die freiheitliche demokratische Grundordnung negieren und Aktivitäten gegen die Rechtsordnung entfalten. Zu diesen Aktivitäten gehören unter anderem das Verweigern von Steuerzahlungen und Nichtanerkennen von behördlichen Bescheiden sowie das vermeintliche Errichten eigener "Staaten". Gerichten und Behörden gegenüber treten sie durch eine latent - mitunter auch offen - aggressive Verhaltensweise in Erscheinung. Darüber hinaus bestehen Schnittmengen mit der rechtsextremistischen Szene. Als gemeinsames ideologisches Fundament erweist sich ein gebietsund geschichtsrevisionistisches Weltbild. Die fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Gesetze und Institutionen bietet hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung, auch wenn diese Bestrebungen nur zum Teil einen eindeutig rechtsextremistischen Hintergrund haben. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die fortwährende organisatorische Neuorientierung der Szene schlug sich in Nordrhein-Westfalen vor allem in der Gruppierung Freistaat Preußen nieder. Bereits im August 2016 zerfiel diese nach einem Streit in zwei Gruppen, die sich gegenseitig die Berechtigung absprachen, den Freistaat Preußen zu vertreten. Diese gruppendynamische Zersplitterung ist in 2017 bestehen geblieben und zugleich auch exemplarisch für die Szene. Bei den weiteren im Jahr 2017 in Nordrhein-Westfalen in Erscheinung getretenen Gruppierungen handelt es im Wesentlichen um die Justiz-Opfer-Hilfe (auch Volksgruppe Germaniten/Staat Germanitien) in Löhne/Rinteln, den Verein für Bioenergetisches Leben in Hünxe und Bottrop, Indigenes Volk Germaniten in Bochum, die Verfassunggebende Versammlung/Bundesstaat Deutschland mit dem angeschlossenen medialen Sprachrohr ddb Netzwerk ("deutsche depeschen bild&tonagentur"), die Keltisch-Druidische Glaubensgemeinschaft mit Vereinssitz in Dormagen sowie die Agape-Vereine (Agape ist ein neutestamentliches und christliches Wort für die göttliche Liebe) in Gelsenkirchen, Essen und Dortmund. "Hoheitliche Befugnisse" Einige Reichsbürger und Selbstverwalter stellen die Behauptung auf, dass eine kommissarische Reichsregierung die Staatsgewalt ausüben würde und leiten daraus hoheitliche Befugnisse für sich selbst ab. Mitunter suggerieren sie, eigene Staaten zu bilden, für die sie eigene "Hoheitsgebiete" durch Fahnen oder ähnliche Symbole ausweisen, eine eigene Währung einführen oder eigene Pässe verwenden. Im Internet bieten verschiedene Gruppierungen unter Berufung auf pseudojuristische Argumentationsmuster sogenannte "echte staatliche Reichsdokumente", wie einen "Reichspersonenausweis" oder eine "Reichs-Fahrerlaubnis" an. In dem Selbstverständnis einen eigenen Staat zu bilden, schreiben Reichsbürger und Selbstverwalter auch ausländische Botschaften an und ersuchen, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Gelegentlich werden eigene KFZ-Kennzeichen genutzt, deren Verwendung auf öffentlichen Straßen eine Urkundenfälschung und damit eine Straftat darstellt. Dies gilt sowohl für Fantasiekennzeichen beispielsweise des Freistaats Preußen als auch für das stellenweise Überkleben des ursprünglich zugeteilten Kennzeichens mit Motivaufklebern des Deutschen Reiches. Behörden beschäftigen Reichsbürger und Selbstverwalter beschäftigen die Behörden mit obskuren Anliegen. Insbesondere fordern sie von Passund Meldeämtern nicht amtliche Dokumente oder verlangen eine Ausbürgerung. Zuweilen begehren sie behördliche Beglaubigungen selbst verfasster "Erklärungen unter Eid", in denen sie zum Beispiel die Verfassung 57 des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 ("Weimarer vom 30. November 1920 annehmen. Oftmals verlangen sie von Kommunen auch den sogenannten "Gelben Schein": Dieses amtliche Dokument ist der Staatsangehörigkeitsausweis der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird und das nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis hinausgehender Beleg der deutschen Staatsbürgerschaft benötigt wird. In der Reichsbürger-Szene kursiert hingegen die Behauptung, das Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig. Daher müsse man, um der Staatenlosigkeit und dem damit einhergehenden "Sklavenstatus" zu entkommen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. Als Antwort auf behördliche Bescheide, sind zunehmend Schadenersatzforderungen durch Reichsbürger und Selbstverwalter festzustellen. In solchen Schreiben wird mit "Vollstreckungsmaßnahmen", "Klagen aufgrund Amtsanmaßung, Urkundenfälschung, Nötigung, Betrug und Täuschung im Rechtsverkehr" sowie mit der Auferlegung von "Mehrkosten für diese Verwaltungsakte" gedroht, sofern ein entsprechender Betrag nicht bis zum Ablauf einer gesetzten Frist gezahlt wird. Auch Vollziehungsbeamte sind vielfach von Reichsbürger-Aktivitäten betroffen. Oftmals geht es den Reichsbürgern und Selbstverwaltern mit dem Verweis auf die Nicht-Existenz der Bundesrepublik Deutschland darum, Zahlungen zu verweigern oder Zwangsvollstreckungen zu verhindern. Letztlich verfolgen Reichsbürger mit diesen Aktivitäten das Ziel, Verwirrung zu stiften und Behördenmitarbeiter einzuschüchtern, um staatliche Stellen vom rechtlich gebotenen Handeln abzuhalten. Etliche Reichsbürger-Organisationen bestärken und mobilisieren ihre Anhänger und Sympathisanten zu renitentem Verhalten gegenüber den Behörden. Insbesondere finden sich auf zahlreichen Webseiten Musterschreiben an Behörden, in denen die Nutzer nur noch den Absender und den Empfänger eintragen müssen. Einige Organisationen bieten darüber hinaus Interessenten "Weiterbildungsmaßnahmen" an, mit denen sie ihre Anhänger für die Auseinandersetzung mit den Behörden befähigen wollen. In Einzelfällen findet auch eine diesbezügliche Beratung statt. Dabei spielt die Justiz-Opfer-Hilfe in der Szene eine wichtige Rolle. So bietet sie unter anderem im Internet verschiedene Seminare, Selbstverteidigungskurse und auch Rechtsbeistand an. Reichsbürger und Selbstverwalter versuchen ebenso die Arbeit der Justizbehörden zu behindern, indem sie Störaktionen im Rahmen von Verhandlungsterminen initiieren. Dabei stellen sie die Identität der Justizmitarbeiter und die Legalität des Gerichts in Frage und versuchen die Durchführung der Verhandlung zu torpedieren. Die Justiz-Opfer-Hilfe vertreibt auf ihrer Webseite sogenannte Lehrhefte, in denen Scheinargumente geliefert werden, mit denen man die rechtliche Legitimation der Richter entlarven könne. Politische Öffentlichkeit Klassische politische Beteiligungsformen nutzt die Reichsbürger-Szene eher selten. Die Organisation staatenlos.info, die weitgehend identisch ist mit der nordrhein-westfälischen Gruppierung Neue Ordnung Deutschland, hielt auch 2017 vor dem Kölner Hauptbahnhof sogenannte Mahnwachen ab, an denen jedoch nur wenige Personen teilnahmen. Größere Bedeutung für die Szene hat indes das Internet, wo sie in zahllosen Facebook-Gruppen und auf YouTube-Kanälen ihre Thesen verbreitet. Gewalt und Einschüchterung Im Umgang mit Behörden haben Reichsbürger und Selbstverwalter eine perfide Form der Einschüchterung von Behördenangehörigen mit Hilfe frei erfundener Schadensersatzforderungen entwickelt, die als "Malta-Masche" bezeichnet wird. Dabei wurde versucht, die unberechtigten Geldforderungen über ein maltesisches Inkassounternehmen durchsetzen zu lassen. Auch Vollziehungsbeamte und Polizisten aus Nordrhein-Westfalen waren von dieser Form der Einschüchterung betroffen. Das Ministerium des Innern des Landes NordrheinWestfalen hat deswegen unter anderem den Kommunen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der "MaltaMasche" gegeben. Da auch das Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt zur Verhinderung dieser Machenschaften in einen intensiven Dialog mit Malta und anderen Staaten eingetreten war, ist es der Szene nicht gelungen, die erfundenen Geldforderungen durchzusetzen. 58 Eine Besonderheit stellt der Verein Agape in Gelsenkirchen dar, dessen Mitglieder überwiegend dem Reichsbürgerspektrum zuzurechnen sind. Die Gruppierung ist 2017 dadurch bekannt geworden, dass Angehörige in betrügerischer Absicht massenweise elektronisch generierte Forderungen und SEPA-Lastschriften zum Nachteil der Finanzverwaltungen unter anderem in Nordrhein-Westfalen versandt haben. Mit einer vorgetäuschten Zustimmung im Lastschriftverfahren wurden die Behördenkonten mit hohen Summen belastet. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren ist anhängig. Reichsbürger und Selbstverwalter versuchen staatliche Mitarbeiter von Kommunen, Justiz und Polizei bei Amtshandlungen zu filmen, zu fotografieren oder heimliche Tonaufnahmen zu fertigen. Etliche auf diese Weise entstandene Videos und Audios werden unerlaubt im Internet verbreitet. Dabei schneiden die Reichsbürger und Selbstverwalter das Material oft so zurecht, dass die Behördenmitarbeiter inkompetent oder überfordert dargestellt werden. Diese Strategie zielt darauf ab, die Bediensteten einzuschüchtern und von ihrem Handeln abzuhalten. Darüber hinaus fielen sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter strafrechtlich durch passive Widerstandshandlungen bis hin zu Körperverletzungsdelikten auf. Insbesondere bedrohten Reichsbürger immer wieder Vollziehungsbeamte bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Aufgaben. Eine besondere Problematik hierbei ist eine in großen Teilen der Szene verbreitete Waffenaffinität. Als die Polizei einen Reichsbürger im Februar 2017 in Kleve festnehmen wollte, bedrohte dieser die Einsatzkräfte zunächst mit einer geladenen Waffe. Anlässlich einer Durchsuchung bei einem Reichsbürger in Herne im Juni 2017 stellte die Polizei diverse Schusswaffen, Munition und Chemikalien sicher. Bei einer Personenüberprüfung im August 2017 in Essen versuchte ein Reichsbürger, die Waffe eines Polizeibeamten gewaltsam an sich zu bringen. Diese Beispiele zeigen, dass die Nicht-Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland bei manchen Reichsbürgern und Selbstverwaltern mit der Nicht-Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols verbunden ist. So legen manche Reichsbürger und Selbstverwalter Wert auch auf eigene Bewaffnung, um nach eigenem Gutdünken für "Sicherheit" zu sorgen. 2016 kam es in zwei Fällen zum Schusswaffengebrauch von Angehörigen der Reichsbürger-Szene gegen Polizeibeamte in Sachsen-Anhalt und in Bayern. In Bayern starb ein Beamter durch die Schüsse, drei weitere Beamte wurden verletzt. Das Oberlandesgericht Nürnberg verurteilte den Täter am 23. Oktober 2017 wegen Mordes und versuchten Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Die Verteidigung kündigte an, gegen das Urteil Revision einzulegen. Der Täter machte im Prozess hingegen deutlich, dass er das Gericht nicht anerkennt. Vor diesem Hintergrund erfolgt in Nordrhein-Westfalen eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und den Polizeibehörden um bekannt gewordenen Reichsbürgern ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen. Diese schweren Straftaten werden in Teilen der Reichsbürger-Szene öffentlich gebilligt. So verbreitete eine Führungsperson aus Düsseldorf von Neue Ordnung Deutschland auf ihrem Facebook-Profil einen Spendenaufruf zugunsten des Reichsbürgers aus Sachsen-Anhalt, der in 2016 auf Polizisten geschossen hatte. In dem Aufruf heißt es: "Adrian ist ein echter Patriot. Er hat es uns vorgemacht und uns aufgeklärt dass alles was hier abläuft nicht auf rechtlichen Füßen steht. Adrian hat sich gegen das UNRECHT gewehrt und wurde niedergeschossen hat aber überlebt." Bewertung, Tendenzen, Ausblick Seit 2014 werden auch in Nordrhein-Westfalen zunehmend Vorfälle mit Reichsbürgern und Selbstverwaltern bekannt. Die Szene beschäftigt durch ihre Aktivitäten intensiv die Behörden. Insbesondere sind die Kommunen betroffen. Reichsbürger und Selbstverwalter versuchen, mit ihren absurden Anträgen Behördenmitarbeiter zu verwirren und behindern durch renitentes Verhalten eine zügige Bearbeitung von Vorgängen. Oftmals versuchen sie zum Beispiel Vollziehungsbeamte oder Mitarbeiter von Bürgerbüros einzuschüchtern oder zu bedrohen. Auch in 2017 hat sich diese Entwicklung nicht abgeschwächt. Insbesondere wegen der Tötung eines Polizeibeamten durch einen Reichsbürger bei der Zwangseinziehung von dessen Waffen Ende Oktober 2016 in Georgensmünd/Bayern gerieten die Aktivitäten der Reichsbürger und Selbstverwalter zunehmend in den Fokus auch der öffentlichen Wahrnehmung. Urkundsdelikte, Volksverhetzungen, passive Widerstandshandlungen und Körperverletzungsdelikte wurden 2017 vermehrt registriert. Besonders problematisch ist die in der Szene verbreitete Waffenaffinität sowie die Bereitschaft, Gewaltdelikte zu begehen. Die zuständigen Waffenbehörden 59 prüfen deshalb bei jedem bekannt gewordenen Anhänger der Reichsbürgerszene in Nordrhein-Westfalen den Entzug von etwaigen Waffenerlaubnissen. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich Aktionismus und Aggression in der Reichsbürger-Szene weiter verstärken und es zu Radikalisierungseffekten kommt. Deswegen bewertet der Verfassungsschutz die Reichsbürger und Selbstverwalter als Bestrebung mit erheblichem Gefahrenpotenzial. Die virale Verbreitung der Reichsbürger-Ideen im Internet wird sich fortsetzen und weitere Sympathisanten zu entsprechenden Aktivitäten mobilisieren. Andererseits zeigen sich bereits Ansätze, dass die repressiven Maßnahmen der Polizeibehörden bei Straftaten, die Aufklärung über Personen und Aktionen der Szene durch den Verfassungsschutz sowie konsequentes Vorgehen der kommunalen Behörden im Umgang mit Reichsbürgern und Selbstverwaltern zugleich zur Eindämmung des Phänomens beitragen. 60 Rechtsextremismus im Internet Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Bedeutung Das Internet ist mittlerweile zum wichtigsten rechtsextremistischen Propagandainstrument geworden. Rechtsextremisten greifen neue Möglichkeiten der Selbstinszenierung im Internet umgehend auf und verbreiten ihre Botschaften multimedial und optisch ansprechend. Dafür sind sie auf nahezu allen populären Plattformen und sozialen Medien, wie Facebook, Youtube oder Instagram, präsent. Oftmals ist der rechtsextremistische Inhalt nicht auf den ersten Blick zu erkennen, erst bei näherer Betrachtung offenbaren sich die extremistischen Botschaften. Damit versuchen rechtsextremistische Akteure eine möglichst große Gruppe von Personen anzusprechen, ohne diese mit allzu offensichtlicher extremistischer Propaganda zu verschrecken. Rechtsextremistische Organisationen erreichen auf diese Weise Sympathisanten, zu denen sie sonst nur schwer Zugang bekommen würden und erhöhen damit die Breitenwirksamkeit ihrer Propaganda. Beispielsweise hatten über 170.000 Personenprofile die Facebook-Seite der NPD der Mitgliederzahl der Partei, die bei lediglich rund 5.000 Personen bundesweit liegt. Gleiches gilt für die Identitäre Bewegung, die zwar insgesamt 64.000 Likes Ende des Jahres 2017 auf sich vereinen konnte, aber nur eine geschätzte Mitgliederzahl von bundesweit 500 Personen hat. So entsteht das verzerrte Bild einer vermeintlich großen Organisation, hinter der sich jedoch meist nur wenige Aktivisten verbergen. Neben der erhöhten Breitenwirksamkeit bringt die Propaganda im Internet noch einen weiteren Vorteil mit sich: die finanziellen Kosten, die die Organisationen dafür aufwenden müssen, sind im Vergleich zu herkömmlicher Propaganda, dem Drucken und Verteilen von Flyern oder die Ausrichtung von Veranstaltungen, verschwindend gering. Auf vielen rechtsextremistischen Webseiten, Blogs und Facebook-Profilen dominierte auch 2017 das Thema Kriminalität durch Migranten, insbesondere durch Flüchtlinge und Muslime. Mit einer selektiven Auswahl von Berichten über angebliche Straftaten von Angehörigen dieser Gruppen vermitteln die Betreiber der Medienkanäle den Eindruck, dass diese Gruppen besonders kriminell und brutal seien. Oftmals verlinkt man auch ausgewählte Artikel seriöser Nachrichtenportale, um eine eigene Seriosität vorzutäuschen. Ziel ist es dabei, mit einer verzerrten und vereinfachten Darstellung Angst vor Migranten zu schüren, sie pauschal negativ darzustellen und sie letztlich abzuwerten. In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Threema oder Telegram für die interne Vernetzung der rechtsextremistischen Szene enorm zugenommen. Hierüber mobilisiert die Szene für Demonstrationen, kündigt Konzerte an und kann sich kurzfristig zu Aktionen verabreden. Dabei bemühen sich die Aktivisten, bei ihrer Kommunikation auf verschlüsselte Messenger-Dienste zurückzugreifen, um sich dem Blick der Sicherheitsbehörden entziehen zu können. So gibt auch die rechtsextremistische Webseite "Sicherheit für Nationalisten" zahlreiche Hinweise, wie man mit dem Smartphone "im Geheimen" kommuniziert. Fake News Falschmeldungen, auch Fake News oder Hoaxes genannt, setzen Rechtsextremisten gezielt ein, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Seit Ende 2015 finden sich zahlreiche solcher Fake News zum Thema Flüchtlinge in der virtuellen Welt. Dabei wird versucht, an verbreitete Vorurteile und Ängste anzuknüpfen. Über soziale Medien und das mehrfache Teilen erzielen diese gefälschten und teilweise komplett erfundenen Nachrichten in einigen Fällen eine enorme Breitenwirksamkeit. Eine besonders perfide Fälschung wurde im August 2017 auf der Plattform homment.com veröffentlicht. Eine Person, die sich Niklas Pfeiffer nannte, behaupte für die Kölner Polizei zu arbeiten und veröffentlichte ein gefälschtes Schreiben des Ministeriums des Innern, in dem der Minister des Innern angeordnet haben soll, dass die Polizei Straftaten von Flüchtlingen oder Menschen mit Migrationshintergrund nicht verfolgen solle. Obwohl noch am selben Tag das Ministerium des Innern und der Minister klarstellte, dass es sich dabei um eine Fälschung handelt, wurde das gefälschte Schreiben auf den verschiedenen virtuellen Plattformen geteilt und als Beleg für die vermeintliche Vertuschung von Problemen mit Flüchtlingen oder Menschen mit Migrationshintergrund genutzt. 61 Hassrede Im Zuge der Flüchtlingsdiskussion verrohte im Internet zunehmend der Diskurs. Eine zunehmende Anzahl von Personen verbreitet menschenverachtende Kommentare, vor allem über Flüchtlinge und Muslime. Zunehmend betreffen solche Hasskommentare auch Personen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Diese werden per Mail oder auf ihren persönlichen Facebook-Profilen beschimpft und eingeschüchtert. Dazu zählten sowohl Mitarbeiter zivilgesellschaftlicher Organisationen als auch Politiker. Ein solcher Diskurs rechtfertigt auch Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. So griff im November 2017 ein Mann den Bürgermeister von Altena mit einem Messer an und verletzte den Kommunalpolitiker am Hals. Der Tatverdächtige begründete seine Tat mit der Flüchtlingspolitik des Bürgermeisters, der vor der Tat in verschiedenen sozialen Medien wegen seiner Politik verbal attackiert wurde. Repressive Maßnahmen Eine Möglichkeit, rechtsextremistische Aktivitäten im Internet vorübergehend zu beeinträchtigen, ist das Sperren von Domains. So wurde im August 2017 die Domain "Antisem.it" eines Dortmunder Versandhandels gesperrt. Inzwischen ist der Versandhandel wieder unter einem neuen Namen erreichbar und es wird versucht die neue Domain in der Szene bekannt zu machen. Nachdem im Januar 2016 das Bundesministerium des Innern Altermedia Deutschland, eine der wichtigsten virtuellen Plattformen für rechtsextremistische Propaganda, verboten hatte, wurden die Betreiber wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Laut Anklage sei der Zweck der Plattform gewesen, strafbare Volksverhetzung zu veröffentlichen. Im September 2017 begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Eine der Angeklagten stammt aus Nordrhein-Westfalen. Obgleich die Strafverfolgung von Volksverhetzungsdelikten im Internet oftmals schwierig ist, haben diesbezügliche Verurteilungen in den letzten beiden Jahren zugenommen. So wurde im September 2017 das Urteil einer 8- monatigen Bewährungsstrafe gegen einen 28-jährigen durch das Landgericht Münster bestätigt, der in einem Video den Holocaust verharmlost hatte. Für Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien oder Besuchern von Internetseiten bieten sich Möglichkeiten menschenverachtende Kommentare oder Inhalte zu melden. Über OnlineMeldestellen kann beispielsweise Strafanzeige erstattet werden. Dazu benötigt man einen Screenshot, idealerweise mit Zeit und Datumsstempel und den entsprechenden Link. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Rechtsextremisten werden weiterhin neue Möglichkeiten zur szeneinternen Kommunikation und Selbstdarstellung nach außen umgehend aufgreifen und für ihre Zwecke einsetzen. Repression ist diesbezüglich nur eine sehr begrenzt wirksame Strategie. Deswegen gilt es weiterhin vor allem präventiv die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu fördern und demokratische Überzeugungen zu stärken. Die sozialen Medien bieten dabei auch die Möglichkeit, sich mit demokratiefeindlichen Positionen auseinanderzusetzen und sich diesen aktiv entgegenzustellen. Dies kann mit Hilfe von gezielter "Gegenrede" durch Nutzung der Kommentarfunktion oder durch die Verbreitung von aufklärenden und sich gezielt mit diesen Positionen auseinandersetzenden OnlineInhalten, wie Videos oder Bildern, erfolgen. 62 Rechtsextremistische Zeitschriften Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Bedeutung Zeitschriften sind seit langem ein zentrales Handlungsfeld im Rechtsextremismus. Sie sind das Meinungsund Informationssystem, das diese Szene braucht, um gemeinsam aktionsund strategiefähig zu bleiben. Außerdem dienen sie der ideologischen Selbstvergewisserung. Diese Funktionen sind umso wichtiger, je mehr sich der Rechtsextremismus ausdifferenziert und von informellen Strukturen geprägt ist. Medien transportieren ideologische Elemente, aktuelle Kampagnenthemen und Begriffe in die vielfältigen Verästelungen des Rechtsextremismus. Sie halten die Szene auf dem Laufenden und binden die Anhänger ein. Das geschriebene, vor allem das gedruckte Wort hat auch symbolischen Wert: Es gibt rechtsextremistischen Botschaften scheinbares Gewicht, Substanz und Dauerhaftigkeit. Bis in die 1990er Jahre standen Zeitschriften im Vordergrund. Inzwischen haben Websites und vor allem das Social Web den Printmedien weitgehend den Rang abgelaufen. Insofern ist es bemerkenswert, dass in den letzten beiden Jahren mit der N.S. Heute und Reconquista zwei neue Ideologieorgane von Rechtsextremisten aus Nordrhein-Westfalen herausgebracht wurden. Zwei weitere rechtsextremistische Zeitschriften, Unabhängige Nachrichten und Recht und Wahrheit, stammen ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen und verfügen aufgrund ihrer jahrzehntelangen Geschichte über einen gewissen Ruf und Einfluss innerhalb des Rechtsextremismus. N. S. Heute Im März 2017 erschien die Erstausgabe der rechtsextremistischen Zeitschrift N.S. Heute im "SturmzeichenVerlag". Diese neue Publikation versteht sich als Beitrag zur Schulung der bundesweiten Neonazi-Szene, sie spiegelt ihre Ideologie und Erlebniswelt. Das Periodikum erscheint in einem Zyklus von zwei Monaten und umfasst ca. 60 Seiten. Im August veröffentlichte der Herausgeber anlässlich des 30. Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß eine Sonderausgabe. Verantwortlicher Schriftleiter und Herausgeber der Publikation (und Inhaber des "Sturmzeichen-Verlages") ist der Dortmunder Rechtsextremist Sascha Krolzig, der auch einer der zwei Vorsitzenden des Bundesvorstandes der Partei Die Rechte ist. Ihm gelingt es, Autoren aus verschiedenen Facetten des neonazistisch orientierten Rechtsextremismus als Autoren zu gewinnen. Überregional werben die Herausgeber mit Informationsständen auf rechtsextremistischen Veranstaltungen für ihre Zeitschrift. Die Finanzierung des Zeitschriftenprojektes erfolgt schwerpunktmäßig über Abonnements. Erschien die Erstausgabe von N. S. Heute noch in einer Auflage von 1000 Exemplaren, so wurde diese bereits ab der zweiten Ausgabe um 500 auf nunmehr 1500 Exemplare erhöht. Der Anteil an Abonnenten beziffert sich laut Aussage des Herausgebers auf über 500. Die Intention, die mit der Zeitschrift verfolgt wird, besteht nach Aussage des Herausgebers in der Vermittlung eines "ganzheitlichen nationalen und sozialistischen Weltbildes". Das Layout wirkt durchaus professionell und modern. Die verbreiteten Inhalte hingegen sind (neo-) nationalsozialistisch geprägt. So verkündet der Herausgeber auf der Homepage des Blattes: "N. S. Heute - Unser Name ist Programm". Es wird jedoch darauf geachtet, die Grenzen in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu überschreiten. So konzediert der Herausgeber: "Natürlich ist auch der Begriff 'Nationaler Sozialismus' nur ein Kompromiss, den wir eingehen mussten, um dem System keine Handhabe zu bieten, seinen Repressionsapparat gegen unser neues Magazin in Gang zu setzen". Daher werde man sich auch mit einer inhaltlichen Bewertung des "Dritten Reiches" sowie bestimmten damaligen Geschehnissen zurückhalten. Schließlich sei es aber auch gar nicht die Intention der Zeitschrift, "die Kämpfe von vorgestern neu auszufechten. Wir wollen einen modernen und zukunftsgewandten Nationalen Sozialismus vertreten, der auf alle Fragen der Gegenwart eine Antwort hat und der angetreten ist, die Existenz unseres Volkes zu sichern und seine Zukunft neu gestalten". Das Konzept der Publikation basiert auf den "drei Säulen Weltanschauung, Bewegung und Leben": Hinsichtlich der "Weltanschauung" werden Artikel zur rechtsextremistischen Ideologie veröffentlicht. Bei der Säule "Bewegung" 63 geht es dem Herausgeber um die "Entwicklung des Nationalen Widerstandes". Dies schlägt sich unter anderem in Artikeln zu Strategie und Taktik nieder, in Berichten zu Demonstrationen und Interviews mit rechtsextremistischen Aktivisten. Die Beiträge in der Säule "Leben" befassen sich mit Reisen, Sport und Geschichte, um "dem Ungeist des Regimes eine nationale Gegenkultur entgegen[zu]setzen! ". Reconquista Die rechtsextremistische Zeitschrift erscheint seit 2016 halbjährlich. Der Name spielt auf die Rückeroberung muslimischer Gebiete in Spanien im Mittelalter durch christlichen Herrscher an, die als "Reconquista" bezeichnet wird. Die Publikation beschäftigt sich mit den Themen Geschichte, Politik und Kultur. Der Herausgeber, ein seit vielen Jahren tätiger rechtsextremistischer Publizist, firmiert unter der Adresse des Dortmunder Kreisverbandes der Partei Die Rechte. Im Editorial der ersten Ausgabe 2017 behauptete der Herausgeber, dass die Aufgabe der Zeitschrift sei, über Demokratie als Teilhabe des Volkes aufzuklären. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe sei deshalb dem Thema "Volk" gewidmet. Dann verdeutlichte er, dass er ideologisch in der Tradition des völkischen Nationalismus stehe: "Bisher haben die Völker ihren biologischen und kulturellen Besitzstand von Generation zu Generation weitergegeben. Als Fortpflanzungs-Gemeinschaften. Wird das so weitergehen? Können wir als Volk überleben? " Weiterhin widmet sich die Zeitschrift historischen Themen, wobei in pseudowissenschaftlicher Manier nationalistische Mythen über Deutschland verbreitet werden. Bemerkenswert ist, dass die letzte Seite Attentatsphantasien über Bundeskanzlerin Merkel als vermeintlichen Witz präsentiert. Die zweite Ausgabe im Jahr 2017 beschäftigte sich mit Verschwörungstheorien und ließ sich dabei von der Frage leiten "Gibt es eine unsichtbare Hand, die unsere Politiker bei ihren großen Entscheidungen leitet. " Dies spielt auf die rechtsextremistische Verschwörungstheorie an, wonach die Juden heimlich die Geschicke leiten und das Volk ausbeuten würden. Unabhängige Nachrichten Bereits seit 1969 erscheint bundesweit die Monatszeitschrift Unabhängige Nachrichten, welche vom Oberhausener "Freundeskreis UN e. V. " herausgegeben wird. Die Herausgeber unterstellen, dass die deutsche Presselandschaft einseitig berichte und gleichgeschaltet wirke. Die Unabhängigen Nachrichten würden hierzu ein "Gegengewicht" darstellen. Der interessierte Leser müsse eine Zeitung bekommen, welche ihm nicht "den Einheitsbrei aus vorgefertigter Meinung und 'Political Correctness'" serviere. Daher werden in den Beiträgen der monatlich erscheinenden Publikation Minderheiten pauschal negativ und politische Probleme als Mangel des demokratischen Systems dargestellt. So wartete die Zeitschrift etwa im Rahmen ihrer Januarausgabe 2017 mit der Schlagzeile "Massenabschiebung statt Massenverblödung" auf. In der Regel nennt die Zeitschrift die Autoren nicht namentlich. Eine Ausnahme stellte die dritte Ausgabe 2017 dar, in der ein offener Brief eines Brigadegenerals außer Dienst an die Bundesregierung veröffentlicht wurde. In revisionistischer Manier stellte er Deutschland als Opfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs dar und kritisierte, dass die Wahrung der Menschenrechte ein zentrales Ziel der gegenwärtigen Politik sei. Recht und Wahrheit Die seit Mitte der 1980er Jahre erscheinende Zeitschrift Recht und Wahrheit wird seit 2009 vom langjährigen Rechtsextremisten Meinolf Schönborn in Ostwestfalen herausgegeben. Sie richtet sich vornehmlich an die Neonaziszene, aber auch an Reichsbürger, wie die Selbstdarstellung der Zeitschrift auf ihrer Webseite verdeutlicht: "Wir sind kein Verein, keine Partei, sondern durch den Reichsgedanken und durch den Willen zum Widerstand gegen Verwahrlosung, Landnahme durch Migranten und durch die über 66 jährige Fremdherrschaft zusammengefügte freiheitsliebende Deutsche, die noch Deutsche sein wollen." Die Publikation erschien 2016 lediglich einmal und 2017 gab es kein reguläres Heft. Anfang 2018 wurde wieder eine neue Ausgabe veröffentlicht. Aktivisten des neonazistischen Freundeskreis Rhein-Sieg bzw. der Identitären Aktion verteilten 2017 aber mehrfach eine Probezeitschrift in verschiedenen Städten im Rheinland. In dieser werden Migranten, insbesondere Muslime und Flüchtlinge pauschal negativ dargestellt und Ressentiments gegen diese Bevölkerungsgruppen geschürt. So werden Flüchtlinge in dem Artikel "Deutschland: Das verbotene Heimatland" zu Sündenböcken für sämtliche vermeintlichen Probleme abgestempelt: "Anders als ihren Eltern bleiben ihnen (deutsche Jugendliche, Anm. der Redaktion) keinerlei positive Vergangenheitserinnerungen, sie 64 müssen von Geburt an kämpfen, verrichten Dumpinglohnarbeit, können oftmals keine Familien gründen, dürfen jedoch zusehen, wie täglich Flüchtlingsströme sämtliche Stadtteile vereinnahmen. " Daneben betreibt die Zeitschrift eine Webseite und ein Facebookprofil, in denen die aktuelle Politik aus rechtsextremistischer Sicht kommentiert wird. Darüber hinaus versucht der Herausgeber, Teile des Publikums einzubinden und veranstaltete 2017 bundesweit mehrere Lesertreffen bzw. Stammtische, auf denen rechtsextremistische Publizisten referierten. Diese gehören unter anderen der NPD, der Partei Die Rechte und dem Arminius Bund an, außerdem wird bekannten notorischen Leugnern des Holocaust ein Forum geboten. Insofern dienen diese Treffen auch dazu, die rechtsextremistische Szene stärker zu vernetzen. 65 Linksextremismus Linksextremistische Parteien, Organisationen und Gruppen stellen weiterhin eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, weil sie diese revolutionär überwinden und durch eine sozialistische, kommunistische oder anarchistische Gesellschaftsform ersetzen wollen. In linksextremistischen Ideologien wird das Prinzip menschlicher Gleichheit über individuelle Freiheiten gestellt. Die meisten Linksextremisten verstehen sich zudem als Internationalisten und sehen in der Arbeiterklasse das "historische revolutionäre Subjekt". Die autonome Szene in Nordrhein-Westfalen ist insgesamt weiterhin eher weniger ideologiefixiert als aktionsorientiert. Gewalt stellt dabei ein grundsätzlich akzeptiertes Mittel im Kampf gegen den Staat und andere politische Gegner dar. Vor allem im Bereich des Hambacher Forstes übten Linksextremisten der autonomen Szene im Jahr 2017 Gewalt aus. Die Straftaten der Waldbesetzer-Szene richteten sich insbesondere gegen Kräfte der Polizei und Personal des Unternehmens RWE, für dessen Tagebau der Hambacher Forst gerodet werden soll. Daneben wurde bei den durch die Interventionistische Linke (IL) beeinflussten Großaktionen des Bündnisses Ende Gelände gegen den Braunkohleabbau zu Besetzungen und Blockaden aufgerufen. In diesem Zusammenhang kam es zu Straftaten wie Hausfriedensbrüche im Tagebau und Kraftwerksblockaden mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Diese Aktionen werden von den Beteiligten als "ziviler Ungehorsam" gerechtfertigt. Im Zuge der G20-Proteste sowie der Ende-Gelände-Aktionen sind überregionale und internationale Verflechtungen der linksextremistischen Szene in NRW offenbar geworden. Durch die Beteiligung an lokalen Protesten versuchte die IL, bürgerlich-demokratisches Protestpotenzial für eigene Zwecke zu nutzen, die Grenzen zwischen extremistischem und demokratischem Protest zu verwischen und sich als Teil einer legitimen Protestbewegung zu inszenieren. Ziel der IL ist es dabei, möglichst viele dieser Akteure zu radikalisieren, bis sie sich - so die ideologische Vorstellung - als "unterdrückte Minderheit zu einer aufbegehrenden Mehrheit" entwickeln. Dabei zielt die IL unter anderem mit prinzipieller Billigung gewalttätiger Handlungsoptionen sowohl auf die Herbeiführung kleiner Veränderungen in den lokalen Konflikten als auch auf den revolutionären Bruch mit dem System als Fernziel ab. Die Gegenproteste zum G20-Gipfel in Hamburg wurden in dieser Weise vorbereitet und durchgeführt. Von den im Verfassungsschutz-Verbund prognostizierten bis zu 80.000 Gipfelgegnern kamen 7.500 bis 8.000 aus dem autonomen gewaltbereiten Spektrum, davon wiederum 600 bis 800 aus NRW. Neben der IL waren aus NRW Autonome aus Antifa-Gruppen, anarchistischen Gruppierungen und von Young Struggle vertreten. Im Wahljahr 2017 richteten sich linksextremistische Protestaktionen darüber hinaus auch gegen die erstmals für den Landtag NRW und für den Bundestag kandidierende Partei AfD. Vor allem gegen den Bundesparteitag im April 2017 in Köln wurde massiv mobilisiert und im Rahmen von Blockaden versucht, die Veranstaltung zu verhindern. Dies wurde nur durch ein erhebliches Polizeiaufgebot vereitelt. Zu den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen zählen im Bereich Linksextremismus weiterhin die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Beide traten 2017 bei den Wahlen an. Lediglich die MLPD konnte einen Stimmenzuwachs verzeichnen. Sie trat bei der Bundestagswahl mit der im Vorjahr auf ihre Initiative hin und mit weiteren linken Organisationen/Parteien gegründeten Internationalistischen Liste an. Des Weiteren stehen einzelne Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE unter Beobachtung, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht einer linksextremistischen Bestrebung vorliegen. Die Partei selbst wird vom Verfassungsschutz nicht beobachtet. 66 Im Fokus: Hambacher Forst - gewalttätige Klimaproteste und deren Vernetzungen Der sogenannte Hambacher Forst, ursprünglich "Bürgewald", ist eine östlich von Jülich gelegene Waldfläche, die seit 1978 zugunsten der Vergrößerung des Braunkohlentagebaus Hambach kontinuierlich gerodet wird. Seit 2012 kam es wiederholt zu temporären Besetzungen der Restflächen des Waldes durch Aktivisten der Anti-KohlekraftBewegung. Diese hat sich mittlerweile in eine ständige Besetzung des verbliebenen Waldes und in ein an den Wald angrenzendes sogenanntes Wiesencamp gewandelt. Entwicklung im Berichtszeitraum In der ersten und zu Beginn der zweiten Jahreshälfte war eine überwiegend konstante Personenanzahl im mittleren zweistelligen Bereich im Hambacher Forst aufhältig, die sich nur anlassbezogen, zum Beispiel zum ersten Skill-Sharing-Camp im April und anlässlich des traditionell im Rheinischen Braunkohlerevier stattfindenden Klimacamps im August erhöhte. Dies änderte sich im Vorlauf des zweiten Skill-Sharing-Camps, das zu Beginn der jährlichen Rodungsperiode (ab 01.10.2017) stattfand: Es kam zu einem sprunghaften personellen Zulauf von Personen in das Wiesencamp, vor allem aber in die Waldbesetzungen. Bereits zu Beginn der Rodungsperiode verdoppelte sich das Personenpotenzial im Vergleich zum Jahresbeginn, bis zum Ende des Jahres 2017 vervierfachte sich die ansässige Personenanzahl (ca. 150 Personen) sogar. Die ideologischen Einstellungen, Hintergründe und Veröffentlichungen der Aktivisten machen deutlich, dass es sich um eine heterogene Szene handelt. Während in der Gesamtheit ein autonomer Personenzusammenschluss feststellbar ist, finden sich innerhalb der Gruppe vielfältige Einflüsse und Ausprägungen. Gerade in Veröffentlichungen tauchen mit Klimaund Umweltschutz sowie Antirepression typische Themenfelder auf, die von Linksextremisten auch mit dem Ziel besetzt werden, Anschlussfähigkeit an zivildemokratische Bündnisse und Netzwerke herzustellen. Darüber hinaus werden aber auch ideologisch dem Anarchismus zuzurechnende Utopien postuliert und propagiert. Auch bezogen auf die Ausübung von Gewalt durch Besetzer stellt der beschriebene Zulauf von Personen, vor allem im September 2017, eine Zäsur dar. Nach Gewaltanwendungen gegen Personal oder Sachen des Tagebaubetreibers war ab Ende September darüber hinaus eine zunehmende Gewalteskalation gegen vor Ort eingesetzte Polizeikräfte zu verzeichnen. Diese Entwicklung führte unter anderem auch zur Abwanderung einzelner alteingesessener, weniger gewaltbereiter aber kommunikationsbereiter Personen, deren ideologischer Fokus wohl eher dem Themengebiet Klimaund Umweltschutz zuzurechnen ist. Es handelt es sich bei den Besetzern nicht um eine lokale Szene. Die vor Ort festgestellten Personen stammen überwiegend nicht aus dem Rheinland oder aus NRW, sondern aus dem restlichen Bundesgebiet sowie dem europäischen Ausland. Einhergehend mit dem personellen Zulauf kam es auch zu einem Ausbau der Infrastruktur. Analog zur Personenanzahl ist eine Vervierfachung der Baumhäuser wie auch eine Zunahme von ebenerdigen Unterkunftsund Logistikstrukturen zu verzeichnen. Darüber hinaus wurden Tätigkeiten zum Bau, Errichtung und Erneuerung von Barrikaden intensiv fortgesetzt. Entscheidend für den Wandel der Szene im Hambacher Forst waren vor allem Entwicklungen in der zweiten Jahreshälfte 2017. Hierbei ist zuerst die im Juli von den Besetzern selbst durchgeführte "Hambacher Wald Mobi Tour" mit bundesweiten Veranstaltungen, die zum Aufenthalt im Hambacher Forst motivieren sollten, zu nennen. Schwerpunkte waren Städte, die für eine ausgeprägte linksextremistische Szene bekannt sind (u.a. Berlin, Hamburg, Leipzig). Im Hinblick auf den später festgestellten personellen Zulauf kann angenommen werden, dass diese Mobilisierungstour dazu beigetragen hat. Ein weiterer, wenn nicht der wesentlichste Faktor für eine veränderte Wahrnehmung der Thematik "Hambacher Forst "im Linksextremismus, sind die beiden vom AntiBraunkohleBündnis Ende Gelände (EG) durchgeführten sogenannten "Aktionstage". Die ersten Aktionstage von EG fanden als Abschluss des bereits erwähnten Klimacamps im Rheinischen Braunkohlerevier statt. Sie fokussierten vor allem auf die Blockade von Kohlekraftwerken mit räumlicher Nähe zum Tagebau Garzweiler. Die Hauptaktion der zweiten Aktionstage von Ende Gelände fand in direkter räumlicher Nähe zu den besetzten 67 Flächen des Hambacher Forstes statt. Bei Ende Gelände selbst handelt es sich um ein europaweites Sammelbündnis zivildemokratischer und linksextremistischer Organisationen, Bündnisse und Netzwerke. Es wird aufgrund der intensiven aktionsorientierten Einflussnahme und Mitwirkung der linksextremistischen Interventionistischen Linken (IL) als Scharnier zum zivildemokratischen Spektrum genutzt. Im Zuge der beiden Aktionstage kam es zu sogenannten Massenaktionen zivilen Ungehorsams mit einer Vielzahl von Straftaten wie Gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Zwischen der Besetzerszene des Hambacher Forstes und Ende Gelände war während der ersten Aktionstage eine Verquickung feststellbar: Besetzer agierten als Vortragende beim Klimacamp sowie bei Kleingruppenaktionen (z.B. Baggerbesetzung im Tagebau Inden). Im Zuge der zweiten Aktionstage anlässlich der Weltklimakonferenz (COP 23) in Bonn im November waren ebenfalls Kontakte zwischen Besetzern und Verantwortlichen von Ende Gelände feststellbar, und es kam zu direkter logistischer Unterstützung der Massenaktion am Tagebau Hambach. Die beschriebene Vernetzung führte insbesondere in der zweiten Jahreshälfte zu einer verstärkten Solidarisierung von Ende Gelände mit der örtlichen Besetzerszene und zu einer verstärkten Wahrnehmung von EG als Brücke auch in das zivildemokratische Spektrum. Neben dieser Entwicklung ist eine zunehmende europaweite und internationale Vernetzung festzustellen. Sowohl der ständige Zulauf ausländischer Personen in die Besetzerszene aber auch die weltweiten öffentlichen Solidaritätsbekundung belegen dies. Darüber hinaus besteht die lokale Vernetzung u.a. mit Bürgerinitiativen, Einrichtungen oder Einzelunterstützern aber fort. Ausblick Drei Faktoren werden auf die zukünftige Entwicklung im Hambacher Forst Einfluss haben. Der erste und wesentlichste Faktor ist, ob eine abschließende Entscheidung über die Fortsetzung des Braunkohleabbaus im Tagebau Hambach getroffen wird. Falls diese zugunsten einer Fortführung ausfällt, ist zweitens entscheidend, ob das ansässige Personenpotential, seine konfrontative Taktik, die zuletzt immer mehr auch Gewalt gegen Personen umfasste, weiter fortsetzt. Der dritte Faktor wird sein, ob der Bedeutungsgewinn der Thematik "Hambacher Forst" für die linksextremistische Szene zu weiterem personellen Zulauf und besseren finanziellen und logistischen Rahmenbedingungen für die Besetzer führt. Denn grundsätzlich ist festzustellen, dass ohne externe Unterstützung und Solidaritätsmaßnahmen eine wirkliche autonome Besetzung nicht aufrecht zu erhalten wäre. 68 Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE Sitz / Verbreitung "Antikapitalistische Linke (AKL)" : Berlin marx21: Berlin, Unterstützergruppe in Nordrhein-Westfalen: Duisburg Kommunistische Plattform (KPF): Berlin Linksjugend ['solid]: Bundesverband: Berlin, Landesverband: Düsseldorf und Essen Gründung / Bestehen seit "Antikapitalistische Linke (AKL)": 2006 marx21: 2007 Kommunistische Plattform (KPF): 1995 Linksjugend ['solid]: 1999 Struktur / Repräsentanz "AKL", marx21 und KPF sind Zusammenschlüsse beziehungsweise Teile der Partei DIE LINKE, die im Bundestag, in Landtagen und bundesweit in kommunalen Gremien vertreten ist. "Antikapitalistische Linke (AKL)": zunächst Strömung, seit 2013 anerkannter Zusammenschluss innerhalb der Partei DIE LINKE, sechs Bundessprecherinnen und ein Länderrat, in dem Delegierte aus jedem Bundesland sowie die sympathisierenden Parteivorstandsmitglieder vertreten sind marx21: trotzkistisches Netzwerk innerhalb des Zusammenschlusses "Sozialistische Linke (SL)" in der Partei DIE LINKE; lokale "Unterstützergruppen" in den Bundesländern Kommunistische Plattform (KPF): offen tätiger Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE Linksjugend ['solid]: Jugendorganisation der Partei DIE LINKE mit Bundesgeschäftsstelle, sechs Bundessprechern und 16 Landesverbänden Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 "Antikapitalistische Linke (AKL)": Bund: circa 840 marx21: nicht bekannt Kommunistische Plattform (KPF): circa 1.200 Linksjugend ['solid]: Bund: 3.150 aktiv / über 10.000 passiv Veröffentlichungen marx21: fünfmal jährlich erscheinendes Magazin "marx21" Kommunistische Plattform (KPF): "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE" (monatlich) Linksjugend ['solid]: regelmäßige Berichterstattung der Tageszeitung "junge Welt (jW)" über die politischen Strömungen innerhalb der Partei DIE LINKE. Web-Angebote zum Teil mit Länderbezug: "Antikapitalistische Linke (AKL)": antikapitalistische-linke.de 69 marx21: marx21.de, Magazin "marx21" (fünfmal jährlich) sowie Auftritt in den sozialen Netzwerken Kommunistische Plattform (KPF): die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform-der-parteidie-linke, Auftritt in den sozialen Netzwerken Linksjugend ['solid]: Bund: linksjugend-solid.de; NRW: linksjugend-solid-nrw.de sowie Auftritte in den sozialen Medien Kurzportrait / Ziele Gemeinsam ist - in unterschiedlicher dogmatischer Schärfe - den genannten Zusammenschlüssen nicht nur das Ziel, das "kapitalistische System" in der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden, sondern das Streben nach einer sozialistischen Staats-, Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung in Deutschland, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist. Finanzierung Kommunistische Plattform (KPF): Mittel der Partei DIE LINKE und Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Partei DIE LINKE verfolgt keine Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Partei DIE LINKE lässt allerdings innerparteilich Zusammenschlüsse zu und fördert diese teilweise sogar, bei denen entweder Anhaltspunkte für eine linksextremistische Bestrebung vorliegen oder zumindest den Verdacht begründen. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beobachtet daher nicht die Partei DIE LINKE als Ganzes, sondern nur die linksextremistischen beziehungsweise die im Verdacht einer linksextremistischen Bestrebung stehenden Zusammenschlüsse in der Partei DIE LINKE. Dies sind die "Antikapitalistische Linke (AKL)", das trotzkistische Netzwerk marx21, die Kommunistische Plattform (KPF) und die Linksjugend ['solid]. Die Linksjugend hat im Jahre 2017 zudem wie andere linksextremistische Organisationen aktiv auf Bundesaber auch auf Landesebene für die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg mobilisiert. Dabei wurde zur Teilnahme an den Aktionen des zivilen Ungehorsams am 7. Juli aufgerufen. Man beteiligte sich an der Organisation eines ['solid]-Jugendblock bei den Protesten am 8. Juli und am internationalen Bündnis "Jugend Gegen G20". Die Kommunistische Plattform strebt in der marxistisch-leninistischen Tradition die Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft an. marx21 setzt sich für eine sozialistische Revolution ein und versteht sich als "revolutionäre, sozialistische Organisation in der Tradition von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht". Sie verfolgt als Ziel die Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft trotzkistischer Prägung. Linksjugend ['solid] tritt für einen Kampf als "SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen ... für eine libertäre, klassenlose Gesellschaft jenseits von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat" ein. Weiter wird im Programm davon ausgegangen, dass gesellschaftliche Veränderungen "schwerpunktmäßig außerhalb der Parlamente" stattfinden. Dabei bilden für sie die "berühmten zwei Gräben Reform oder Revolution ... keinen Widerspruch". 70 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Sitz / Verbreitung Essen Gründung / Bestehen seit 1968 Struktur / Repräsentanz Vorsitz: Patrick Köbele Bezirke: Rheinland-Westfalen und Ruhr-Westfalen (Leitungsgremium von vier Personen) unterstützte Jugendorganisation: Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: rund 3.000; NRW: rund 800 Veröffentlichungen Publikationen: UZ - Unsere Zeit (wöchentlich), Marxistische Blätter (theoretische Schriftenreihe) Web-Angebote: eigene Homepage Kurzportrait / Ziele Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ist neben der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) eine Kernorganisation des orthodox-kommunistischen Linksextremismus. Die Partei versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), bekennt sich als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" zum Marxismus-Leninismus und strebt die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft an. Finanzierung überwiegend durch Mitgliedsbeiträge und Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Nach Vorstellung der DKP soll die Arbeiterklasse als maßgebende gesellschaftsverändernde Kraft durch einen klassenkämpferisch-revolutionären Akt die kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnisse, den Parlamentarismus und den politisch-gesellschaftlichen Pluralismus überwinden. Über die Zwischenstufe des Sozialismus wird eine klassenlose kommunistische Gesellschaft angestrebt, in der alle wesentlichen gesellschaftlichen Gegensätze, insbesondere der zwischen Kapital und Arbeit, aufgehoben sein sollen. Individualgrundrechte haben in diesem Konzept nur noch eine stark eingeschränkte Bedeutung. Damit richtet sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Wahlen Nach Erreichung der erforderlichen Unterstützerunterschriften beteiligte sich die DKP mit den beiden Bezirken Ruhr-Westfalen und Rheinland-Westfalen nach 1994 neben Direktkandidaturen erstmalig wieder mit einer eigenen Landesliste an einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Im Ergebnis erzielte sie 2.414 Erststimmen und 2.906 Zweitstimmen. 71 An der Bundestagsliste beteiligte sich die DKP in neun Bundesländern mit Landeslisten, darunter in NordrheinWestfalen. Im Ergebnis erhielt sie 7.514 Erststimmen und 11.713 Zweitstimmen. In Nordrhein-Westfalen betrug der Anteil der Erststimmen 1.279 und der Zweitstimmen 2.238. Zum 50-jährigen Bestehen der DKP und 100 Jahre nach Gründung der KPD wurde die Partei bei den Wahlen 2017 zum ersten Mal von der Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) an Stimmen übertroffen. Parteiinterne Auseinandersetzungen über den Charakter der DKP als eine reformerisch oder revolutionär ausgerichtete Partei haben seit dem 19. Parteitag zur Spaltungen innerhalb der Partei und auch zu Austritten geführt. Parteiintern wurde zudem die Wahlbeteiligung neben der Partei "Die Linke" kritisiert, da man nicht in Konkurrenz treten wollte. So wurde zum Beispiel im Rheinland durch Parteimitglieder dennoch offen zur Unterstützung der Partei "Die Linke" aufgefordert. Die parlamentarische Präsenz ist für die DKP nicht das Hauptziel. Ihre Funktion als Partei, die eine Alternative zum Kapitalismus anbietet, steht im Vordergrund. Als Bündnispartner im linksextremistischen Spektrum gewertet und wahrgenommen zu werden hat Priorität bei der Parteiarbeit. Der revolutionär ausgerichtete aktuelle Vorstand versteht die Wahlantritte vor allem als Zeichen der Existenz einer kommunistisch organisierten Kaderpartei mit revolutionärem außerparlamentarischem Anspruch. Sozialistische deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Festival der Jugend vom 2. bis 5. Juni 2017 in Köln Unter dem Motto "Selbstgemacht, unkommerziell, Gegenkultur, Zeit für Widerstand!" richtete die SDAJ das traditionell alle zwei Jahre zu Pfingsten stattfindende Festival im Jugendpark Köln am Rhein aus. Musikveranstaltungen und ein breites linksorientiertes politisches Programm sorgten nach eigenen Aussagen für einen Rekord von rund 2.000 Besucherinnen und Besuchern. In einer eigenen Veröffentlichung der SDAJ zur Vorbereitung des Festivals wurde ausdrücklich auf die maßgebliche Beteiligung der DKP hingewiesen. Dies entspricht dem Parteitagsbeschluss der DKP, unter personellem und finanziellem Einsatz von Parteimitgliedern linksorientierte Jugendliche zu einer zukünftigen Mitarbeit in der DKP zu motivieren und zu fördern. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Wahlergebnisse mit dem Einzug der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in den Landtag NordrheinWestfalen und in den Bundestag sowie die als staatliche Repression gewerteten Ereignisse bei den Protestveranstaltungen und deren Aufarbeitung im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg versteht die DKP als Rechtsruck. Daraus leitet sie das Ziel ab, politischen Widerstand zu leisten. Im Vordergrund steht diesbezüglich der für den 2. bis 4. März 2018 angesetzte 22. Parteitag der DKP in Frankfurt am Main. Leitanträge, die Offensive des Monopolkapitals zu stoppen, und Maßnahmen zur Stärkung der Partei sollen dies bekräftigen. Nach dem Willen des Parteivorstands soll der Parteitag vor allem die Einheit der Partei wiederherstellen und stärken. Parteitagsbeschlüsse sollen einer Kaderpartei entsprechend uneingeschränkt verbindlich für alle Strukturen der Partei gelten. Damit rechtfertigt der Parteivorstand den Ausschluss des Verbandes Süd-Bayern aus der Partei, der den reformerischen Aspekt einer sozialistischen Partei im Stil der Partei "Die Linke" verfolgte. Darüber hinaus will der Vorstand durch den Parteitag über Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen parteiinterne, nicht autorisierte Organisationsformen wie dem "kommunistischen Netzwerk" entscheiden lassen, um Spaltungstendenzen entgegenzuwirken. Die Wiederherstellung einer einheitlichen kohärenten Linie einer traditionellen kommunistischen Partei an der Spitze der Arbeiterbewegung ist das vorgegebene Ziel. Für den Zeitraum vom 7. bis 9. September 2018 plant die DKP das 20. Pressefest der Wochenzeitschrift Unsere Zeit (UZ) in Dortmund. Diese Veranstaltung ist im Jubiläumsjahr 50 Jahre DKP und 100. Jahrestag der Gründung der KPD für die Öffentlichkeitsund Bündnisarbeit der traditionellen kommunistischen Partei in Deutschland von hoher Bedeutung . Neben der durchaus auch parteilich gewollten wahlpolitischen Bedeutungslosigkeit kämpft die Partei um ihr Bestehen, vor allem bei der Neugewinnung und Mobilisierung aktiver Mitglieder. 72 Die DKP sieht ihre Schwerpunkte in der betrieblichen und gewerkschaftlichen Arbeit sowie in der Kommunalpolitik. Soziale und friedenspolitische Themen und Argumente bilden die von ihr so verstandene Basis einer verantwortungsvollen Parteiarbeit. Ziel ist es, eine höhere Resonanz in der Arbeiterschaft und damit gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erreichen. 73 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Sitz / Verbreitung Gelsenkirchen, bundesweite Verbreitung mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen Gründung / Bestehen seit 1982 Struktur / Repräsentanz Neben Nordrhein-Westfalen verfügt die Partei in sechs weiteren Bundesländern über einen Landesverband. Zahlreiche Gruppierungen mit nomineller Eigenständigkeit dienen der Partei als struktureller Unterbau, darunter als Nebenorganisation der Jugendverband Rebell mit der Kinderorganisation Rotfüchse, der "Frauenverband Courage e. V" und kommunale Wahlbündnisse wie "alternativ, unabhängig, fortschrittlich (AUF)". Vorsitz ab 1. April 2017: Gabi Fechtner(geborene Gärtner), bis 1. April 2017: Stefan Engel Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: 1.800 NRW: rund 650 Veröffentlichungen Publikationen: Rote Fahne Magazin, Revolutionärer Weg (RW) Web-Angebote: umfangreiche Internetpräsenz, Rote Fahne News als Online-Nachrichtenmagazin Kurzporträt / Ziele Die 1982 aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD)" hervorgegangene MarxistischLeninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr grundlegendes Ziel ist der revolutionäre Sturz der "Diktatur des Monopolkapitals" und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Die angestrebte Gesellschaftsordnung soll durch eine Revolution erreicht werden, in deren Verlauf sich die "Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei [Anmerkung der Redaktion: gemeint ist die MLPD] zum bewaffneten Aufstand erheben, [...] den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen, [...] die Diktatur des Proletariats errichten und [...] gegen die Konterrevolution verteidigen" müsse. In einem "17 Punkte Kampfprogramm" führt die Partei aus, dass die "Herrschaft der internationalen Monopole gestürzt und der Sozialismus aufgebaut" werden müsse. Dies beschränke sich nicht nur auf Deutschland, erklärt die MLPD und konkretisiert im eigenen Parteiprogramm: Der Sozialismus stelle eine "Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Kommunismus" dar und mit der "Diktatur des Proletariats organisiere die Arbeiterklasse den Klassenkampf im Sozialismus". Das gesamte Aktionspotenzial der MLPD fußt auf dem geschlossenen marxistischleninistischen Weltbild einer klassischen kommunistischen Kaderpartei. Das Hauptaugenmerk ihrer politischen Arbeit legt die Partei neben der Frauenund Jugendpolitik, die sie mit vermeintlich eigenständigen organisatorischen Gruppen bearbeitet, vorwiegend auf die Betriebsund Gewerkschaftsarbeit. Sie verbindet dies verstärkt mit einer "sozialistischen" Umweltpolitik und der Beteiligung an sozialen Protesten in einem internationalen sozialistischen Kontext. Dem Anspruch an Internationalität wird die MLPD durch die 2010 gegründete "Internationale Koordinierung revolutionärer Organisationen und Parteien (ICOR)", der sich seit Gründung weltweit 48 Gruppierungen angeschlossen haben, gerecht. 74 Da sich die MLPD in einer fortdauernden Verfolgungssituation durch den Staat und seine Organe wähnt, agiert sie auf kommunaler Ebene verdeckt. Hier unterstützt die Partei angeblich unabhängige Personenwahlbündnisse wie die Organisation "alternativ, unabhängig, fortschrittlich (AUF)", die zum Teil personell mit der MLPD verflochten sind. Finanzierung Überwiegend durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Einnahmen aus Vermögen Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die MLPD bekennt sich nach wie vor zu den Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tse-tung und verbindet nach eigener Aussage "den Kampf um die Forderungen der Arbeiterund Volksbewegungen mit dem Ziel der internationalen sozialistischen Revolution". Die Zielsetzungen der MLPD sind durch verfassungsfeindliche Aussagen geprägt und lassen sich in den drei Kernpunkten Revolution, Diktatur des Proletariats und Kommunismus zusammenfassen. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Wahlen in 2017 Im Oktober 2016 wurde in Berlin auf Initiative der MLPD zusammen mit den Organisationen/Parteien: - ADHF (Konföderation für demokratische Rechte in Europa), - AGIF (Föderation der Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V.) , - AKAB (Antikapitalistische Aktion Bonn) , - ATIF (Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa), - Demokratisches Komitee Palästinas e.V., - BElele (Frauenverein Elele e.V. Braunschweig), - LF (LINKES FORUM), - Sympathisanten der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas), - REBELL (Jugendverband REBELL), - SYM (Socialist Youth Movement), - Werkstatt Darmstadt im Werkkreis Literatur der Arbeit - Yasanacak Dünya - YDG / Neudemokratische Jugend und - Young Struggle ein Internationalistisches Bündnis gegründet. Das Bündnis nahm 2017 als "Internationalistische Liste/MLPD" an der Bundestagswahl und an der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen teil. Spitzenkandidatin war jeweils Gabi Fechtner, die ab dem 1. April 2017 den Vorsitz der Partei von Stefan Engel übernommen hatte. 75 Damit vollzog die MLPD den zum Parteitag des Vorjahres angekündigten Generationenwechsel an der Parteispitze. Wahlen Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen erhielt die Internationalistische Liste/MLPD 2.496 Erststimmen und 7.712 Zweitstimmen. Bei den vorherigen Landtagswahlen 2010 und 2012 war die Partei nicht angetreten. Bei der Bundestagswahl im September erzielte die Internationalistische Liste/MLPD insgesamt 35.835 Erststimmen und 29.928 Zweitstimmen, darunter 10.520 Erstimmen und 6.455 Zweitstimmen aus NordrheinWestfalen. Im Vergleich zu dem Ergebnis der Bundestagswahl 2013 mit 12.904 Erststimmen und 24.219 Zweitstimmen bundesweit und 4.599 Erststimmen und 4.600 Zweitstimmen in NRW konnte die MLPD 2017 einen erheblichen Wählerzuwachs verzeichnen. Durch das Wahlergebnis sieht sich die Partei in ihrer Politik gegen den Imperialismus und den Rechtsruck in der Gesellschaft gestärkt. Beide Wahlkämpfe waren durch intensive Plakatierungsmaßnahmen und eine hohe Mobilisierung der Parteimitglieder gekennzeichnet und spiegeln die großen finanziellen Ressourcen der MLPD wider. Sie besitzt bundesweit Liegenschaften und kann auf eine außergewöhnlich hohe Spendenbereitschaft ihrer Mitglieder vertrauen. In der Vergangenheit wurden Spendensummen in Millionenhöhe bekannt. Während des Bundestagswahlkampfes forderten Vertreter anderer Parteien das Verbot der Internationalistischen Liste/MLPD . Streitpunkt war, dass die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) eine der 16 Trägerorganisationen der Internationalistischen Liste/MLPD war, die wenn auch nicht in Deutschland aktiv als terroristisch einzustufen sei. Nach eigenen Angaben erwirkte die MLPD am 20. September 2017 vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen weitere entsprechende Äußerungen zum terroristischen Charakter der PFLP als Teil der Internationalistischen Liste/MLPD. Darüber hinaus wurde nach Mitteilung der MLPD im November 2017 gegen einen Journalisten sowie gegen die Jerusalem Post eine weitere einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg erwirkt. In dieser wurde den Antragsgegnern untersagt, weiter Äußerungen zu Spendensammlungen für die PFLP, zum Antritt zur Bundestagswahl auf einer gemeinsamen Liste und zu der Tatsache, dass für den Wahlkampf 4,17 Millionen Euro zur Verfügung gestanden hätten, vorzunehmen. Sich daran anschließende Kündigungen der Geschäftskonten der Partei am 16. November 2017 durch ihre Hausbanken versteht die MLPD als Folge dieser Anschuldigungen und interpretiert diese als politischen Boykott. 18. internationales Pfingstjugendtreffen in Gelsenkirchen vom 3. bis 4. Juni 2017 Traditionell eröffnete der Jugendverband Rebell mit seiner Kinderorganisation Rotfüchse das turnusmäßig alle zwei Jahre stattfindende Treffen mit einer "Zukunftsdemonstration" in Essen. Unter dem Motto: "Gegen den Rechtsruck der Regierung, Trump, AfD und Co. - für internationale Solidarität!" wurde das 18. Pfingstjugendtreffen in Gelsenkirchen an den beiden Tagen mit rund 2.500 Besucherinnen und Besuchern fortgesetzt. Im Sinne der MLPD wurde der internationalistische Anspruch und die antikapitalistische, antiimperialistische Ausrichtung der Partei mit Hilfe von Konzertund Sportveranstaltungen und Podiums-Diskussionen bestärkt. Die MLPD kann bei ihrer Nachwuchsarbeit auf die Unterstützung ihr nahestehender Organisationen vertrauen, Dazu zählen unter anderem der Frauenverband Courage e. V., die Mitglieder der Umweltgewerkschaft, lokale Wählerinitiative (AUF, Alternativ-Unabhängig-Fortschrittlich) und das zu den Wahlen neukonstituierte "Internationalistische Bündnis" mit seinen Trägerorganisationen. Internationales Seminar 100 Jahre Oktoberrevolution vom 27. bis 29. Oktober 2017 in Bottrop Die Großveranstaltung zu theoretischen und praktischen Lehren der Oktoberrevolution das Jahrhundertereignis aus Sicht der Partei wurde durch die "Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen 76 (ICOR)" ausgerichtet und von Stefan Engel, 37 Jahre lang Vorsitzender der MLPD und Mitbegründer der "ICOR", moderiert. Die MLPD spricht von 1.050 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 60 Organisationen und 30 Ländern.. Am 28. Oktober 2017 fand darüber hinaus in Gelsenkirchen ein internationales Kulturfest mit 1.400 Besucherinnen und Besuchern statt. Im Übrigen organisierte die MLPD über das Reisebüro "people-to-people" Anreisen nach St. Petersburg vom 6. bis 9. November 2017 zu der zentralen Demonstration am 7. November am Ort des Beginns der Revolution in Russland. Ausblick Mit "...eine neue Kraft betritt die politische Bühne" kommentierte die MLPD die Wahlergebnisse ihrer Partei und sieht ein Potential für eine sozialistische Alternative gegen den "Rechtsruck der Regierung und der bürgerlichen Parteien". In ihrer Bewertung der Lage sieht sich die Partei durch Mitgliederzuwächse bestätigt. In 2018 soll "der Erfolg des Sieges" gesichert werden. Schwerpunkte sind dabei die Konsolidierung der Mitgliederzahlen, die Fortführung des innerparteilichen Generationenwechsels und die internationale Ausrichtung der Partei. 77 Autonome Linksextremisten Mitglieder/Anhänger/Unterstützer NRW: 970 Kurzportrait / Ziele Die autonome linksextremistische Szene wird vor allem durch die Bereitschaft geprägt, zur Durchsetzung politischer Ziele Gewalt gegen Personen und Sachen auszuüben. Diese wird stets als Gegengewalt zur behaupteten strukturellen Gewaltausübung im Kapitalismus legitimiert. Neben dem politischen Gegner ist die Polizei als Vertreter der staatlichen Ordnung regelmäßig betroffen von entsprechenden Übergriffen. NordrheinWestfalen verfügt mit dem Widerstand gegen den Tagebau im Rheinischen Braunkohlerevier über einen Brennpunkt für Aktivitäten der autonomen Klimaschutzszene, bei denen der Schulterschluss mit dem Umweltprotest demokratischer Gruppen gesucht wird. Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Insbesondere die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols durch die linksautonome Szene bei gleichzeitiger Befürwortung des Gewalteinsatzes zur Erreichung der eigenen politischen Ziele ist nicht vereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Aktionstage von "Ende Gelände" Verschiedene Umweltund Klimaschutzinitiativen hatten im August 2017 zum traditionell stattfindenden "Klimacamp" im Rheinischen Braunkohlerevier aufgerufen. Analog zum Jahr 2015 beteiligte sich die überregionale Kampagne "Ende Gelände" mit sogenannten Aktionstagen zum Abschluss des Klimacamps. Zusätzlich fand im November 2017 die UN-Klimakonferenz in Bonn (COP23) statt, die ebenfalls von "Ende Gelände" als Anlass zu Aktionstagen genutzt wurde. Im Zentrum dieser Aktionstage standen geplante Massenaktionen des so bezeichneten "zivilen Ungehorsams". Wie im Vorjahr im Braunkohlerevier in der Lausitz wurden Aktionen sowohl unmittelbar im Tagebau (Eindringen mit größeren Personengruppen) als auch im Bereich der Kraftwerke und Kohlebahnen (überwiegend Besetzung von Förderinfrastruktur) durchgeführt, um dort die Betriebsabläufe zu stören. Sowohl die Beteiligung des linksextremistischen Bündnisses Interventionistische Linke selbst, die Teilnahme von Personen mit linksextremistischem Hintergrund als auch die Aktionsformen bestätigten eine linksextremistische Beeinflussung der Kampagne. Augenfällig war die auch bei Protesten gegen Gipfelveranstaltungen angewendete "Fingertaktik" mit anschließenden Geländebesetzungen. Nach vorübergehender Auflösung von Demonstrationsblöcken umgingen miteinander in Kontakt stehende Kleingruppen die Absperrungen und Polizeilinien, um danach die Infrastruktur des Tagebaus zu blockieren und zu stören. Beleg für die linksextremistische Beeinflussung sind auch die im Zuge der Aktionen massenhaft begangenen und für die Szene typischen Straftaten: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, gefährliche Eingriffe in Straßenund Bahnverkehr sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Darüber hinaus wurden die sogenannten Aktionstage von "Ende Gelände" durch die Kampagne "Zucker im Tank", ein durch Personen der Besetzerszene des Hambacher Forstes initiiertes, anlassbezogen agierendes Bündnis, begleitet. An deren Kleingruppenaktionen beteiligten sich vor allem Besetzer aus dem Hambacher Forst selbst. Beide Kampagnen standen dabei in einer engen Wechselbeziehung: "Ende Gelände" propagierte die aktionsorientierte Solidarisierung mit den Waldbesetzern, während diese die Aktionstage personell und materiell unterstützten. Waldbesetzung im Hambacher Forst Wie bereits in den Vorjahren kam es im Bereich des Tagebaus Hambach beziehungsweise des Hambacher Forstes regelmäßig zu gewalttätigen Aktionen und Straftaten mit wiederum steigender Gewaltausübung. Neben 78 dem unmittelbar neben dem Waldstück und auf Dauer angelegten Wiesencamp der Tagebau-Gegner wurden die im Hambacher Forst vorhandenen Baumbesetzungen fortgeführt, neue Baumhäuser konstruiert und vorhandene ausgebaut. Während die Anzahl der Besetzer im Verlauf des Jahres deutlich anstieg, kam es zu einem personellen Austausch des vor Ort ansässigen Personenpotentials und aufgrund der Abwanderung eher gemäßigter Personen zu einer zunehmenden Radikalisierung. Diese resultierte maßgeblich aus dem Zulauf von Personen des autonomanarchistischen Spektrums im Inund Ausland. Diese Personen traten vor allem Mitarbeitern von RWE und den vor Ort eingesetzten Polizeikräften gegenüber deutlich aggressiver auf und scheuten körperliche Auseinandersetzungen nicht. Die den Besetzern zuzuordnenden Delikte reichten von niedrigschwelligen Regelverstößen bis hin zu Straftaten, bei denen sowohl Schädigungen des eigenen Leib und Lebens als auch schwerste Verletzungen Anderer billigend in Kauf genommen werden. Gerade gegen Ende des Berichtsjahres konnte hier eine neue Eskalation verzeichnet werden, die sich in gezielten persönlichen Drohungen und Angriffen insbesondere gegen Polizeibeamte widerspiegelte. Die Waldbesetzer betrachten sich selbst als "Outlaws", die für ihre moralisch stark aufgeladene Idee einer "besseren Welt" kämpfen, und sehen in Werksbeschäftigten und der Polizei willfährige Vollstrecker des kapitalistischen Systems und somit potentielle Kampfgegner. Im Gegensatz zu den klassischen Aktionsfeldern der autonomen Szene wie Antifaschismus, Antirassismus und Antirepression ist jedoch der Widerstand gegen den Braunkohleabbau kein Themenschwerpunkt, auf den sich lokale Antifa-Gruppen oder Hausbesetzer beziehen. NRW-Beteiligung am G20-Komplex Das beherrschende Thema für die autonome Szene in Nordrhein-Westfalen war die Mobilisierung für Aktivitäten gegen den G20-Gipfel am 6. und 7. Juli 2017. Etwa 30 bis 40 Veranstaltungen, die sich gänzlich oder teilweise diesem Thema widmeten, fanden zur Information und Vorbereitung mit linksextremistischer Beteiligung in Nordrhein-Westfalen statt. Autonome Gruppierungen aus Nordrhein-Westfalen beteiligten sich ebenso an den großen Konferenzen zur Planung der Gegenaktionen vor Ort in Hamburg wie auch an der Organisation der Anreisen. Neben Busanreisen aus vielen Städten Nordrhein-Westfalens hielt unter anderem ein speziell für Gipfelgegner gemieteter Sonderzug in Köln und Dortmund. Die größten Aktivitäten bei der Mobilisierung in Nordrhein-Westfalen entfalteten die lokalen Ortsgruppen des linksextremistischen Bündnisses Interventionistische Linke. Diese warben insbesondere für die von ihnen propagierte "Fingertaktik", mit der zu Beginn und während der Gipfelveranstaltung versucht wurde, die Fahrtstrecken der Staatsgäste zu blockieren. Im Zusammenhang mit den Blockadeversuchen entwickelten sich mehrfach gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den durch farbige Kleidung gekennzeichneten Protestblöcken und der Polizei. In einem Fall wurde ein Demonstrationsblock, an dem sich auch schwarz vermummte Aktivisten beteiligt hatten, unmittelbar nach dem Bewurf von Einsatzkräften mit Steinen und Feuerwerkskörpern festgesetzt. Die Festnahmen führten im November 2017 zu einer Reihe von Hausdurchsuchungen deutschlandweit und in Nordrhein-Westfalen, deren Ergebnis noch aussteht. Neben den Blockadeaktionen wurden sowohl bei der Demonstration "Welcome to Hell" am 6. Juli, in deren Verlauf es ebenfalls zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, als auch bei der Großdemonstration am 8. Juli Personen aus Nordrhein-Westfalen festgestellt. Es liegen demgegenüber jedoch keine Erkenntnisse über eine wesentliche oder steuernde Beteiligung nordrhein-westfälischer Autonomer an den massiven Zerstörungen und Übergriffen im Schanzenviertel oder in Altona vor, bei denen Geschäfte zerstört und geplündert und ganze Straßenzüge parkender Autos in Brand gesetzt wurden. Protest gegen AfD-Wahlkampf Auf lokaler Ebene waren es im letzten Jahr die öffentlichen und internen Veranstaltungen der Partei Alternative für Deutschland (AfD), die autonome Antifa-Gruppierungen auf den Plan riefen. Vor allem die AfD-Parteitage und die Wahlkämpfe der AfD für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai und die Bundestagswahl im September nutzten autonome Antifa-Gruppierungen zu Störaktionen und in Einzelfällen zur Gewaltausübung an Wahlkampfständen. Allerdings fiel es autonomen Gruppen mitunter schwer, sich dabei vom demokratischen Protest gegen die AfD öffentlichkeitswirksam abzusetzen. Nach einer bundesweiten Mobilisierung gegen den AfD-Bundesparteitag in Köln am 22. und 23. April 2017 und einer nicht geringen Anzahl zugereister Antifa-Aktivisten aus anderen 79 Regionen kam es zu mehreren Blockadeaktionen, deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aber vor dem Hintergrund des gesamten Protestgeschehens eher gering war. Trotz des am Ende schwachen Wirkungsgrades der Einzelaktionen stärkten die Bemühungen um eine Mobilisierung gegen die Bundesparteitage in Köln und Hannover die Vernetzung der autonomen Antifa-Szene. Die überregionalen Treffen zur Vorbereitung und Planung von Gegenaktivitäten bauten die Kennverhältnisse zwischen den lokalen Antifa-Gruppierungen weiter aus und vertieften sie. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Insbesondere die genannten Großereignisse mit Protesten gegen den G20-Gipfel und den Braunkohleabbau waren willkommene Anlässe für die autonome Szene, den Prozess themen-, raumund ideologieübergreifender Vernetzung und das Nebeneinander verschiedener Aktionsformen bei demonstrativen Veranstaltungen voranzutreiben. Die Handlungsoptionen reichten von friedlichen Demonstrationen über die aggressive Störung von Veranstaltungen und den Einsatz von Gewalt gegen Sachen und Personen bis hin zur Inkaufnahme schwerster Verletzungen von Polizisten. Die Hemmschwelle zum Gewalteinsatz sinkt dabei stetig. Autonome Gewalttäter aus Nordrhein-Westfalen fielen allerdings meistens bei den genannten demonstrativen Ereignissen außerhalb Nordrhein-Westfalens auf. In Nordrhein-Westfalen selbst ist trotz der Störaktionen von Veranstaltungen der AfD oder Aufmärschen der rechtsextremistischen Szene im Jahr 2017 kein wesentlicher Anstieg des Gewaltpotentials bei Aktionen autonomer Antifa-Aktivisten festzustellen. Insbesondere die Anzahl der von den Besetzern im Hambacher Forst ausgehenden Straftaten blieb jedoch weiterhin auf hohem Niveau. Da der Widerstand der Waldbesetzer andauert, ist keine Entspannung dieser Situation zu erwarten. Nicht zuletzt mit Blick auf die Gewaltbereitschaft der autonomen Szene und die Versuche, den demokratischen Protest für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, werden neben repressiven Maßnahmen künftig die Präventionsmaßnahmen durch intensivere Sensibilisierung gesellschaftlicher Akteure sowie die Einführung eines Aussteigerprogramms Linksextremismus ausgebaut. 80 Auslandsbezogener Extremismus Im nicht-islamistischen auslandsbezogenen Extremismus werden vom Verfassungsschutz Bestrebungen beobachtet, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten oder durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Im Jahr 2017 spielte dabei insbesondere ein sprunghafter Anstieg von Demonstrationen mit Türkeibezug und hohen Teilnehmerzahlen eine wichtige Rolle. Sowohl die in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als auch die verbotene Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) und die "Ülkücü-Bewegung" (sogenannte "Graue Wölfe") haben im Jahr 2017 eine Vielzahl von Aktivitäten, durchgeführt. Die Agitation und das darin teilweise zu verzeichnende Gewaltpotential, insbesondere beim Aufeinandertreffen nationalistischer türkischer Gruppierungen mit der auch linksextremistisch geprägten PKK, sind dabei abhängig von den politischen Entwicklungen in der Republik Türkei. Auslöser für die Aktivitäten der PKK waren im Jahr 2017 zunächst das im Frühjahr in der Türkei durchgeführte Verfassungsreferendum sowie die Kampfhandlungen zwischen dem türkischen Militär und den Guerillaeinheiten der PKK in Gebieten mit überwiegend kurdischer Bevölkerung. Seit Beginn der militärischen Auseinandersetzung um das nordsyrische Afrin im Januar 2018 hat das Thema Kampfhandlungen in Kurdisch besiedelten Gebieten noch erheblich an Bedeutung gewonnen.Zugleich sind die Haftsituation und der Gesundheitszustand Abdullah Öcalans Auslöser für Demonstrationen, bei denen ein hohes Mobilisierungpotenzial unter der PKK-Anhängerschaft zu verzeichnen war. Nachdem im Internet im Oktober 2017 Gerüchte über eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Abdullah Öcalan kursierten, kam es zu bundesweiten, offenkundig von der Organisation initiierten Demonstrationen. Diese Entwicklungen führen tendenziell zu einem Anstieg des ohnehin bestehenden hohen Konfliktpotentials "ÜlkücüBewegung". Zusätzlich ist die linksextremistische DHKP-C in Nordrhein-Westfalen nach wie vor aktiv. Auch wenn die DHKP-C Deutschland und Westeuropa eher als Rückzugsraum bewertet, kam es Anfang 2017 nach der Verhaftung des mutmaßlichen Europaleiters des DHKP-C im Dezember 2016 anschließend zu einem sogenannten "Langen Marsch". In dessen Rahmen fanden zahlreiche Demonstrationen im Bundesgebiet und im europäischen Ausland statt. 81 Im Fokus: Der Kampf um Afrin Mit Beginn der Militäroffensive der Türkei in der syrischen Region Afrin haben Anhänger der PKK am Wochenende des 20./21. Januar 2018 eine Protestreihe gegen die militärische Intervention gestartet. Bereits nach den ersten Ankündigungen einer solchen militärischen Intervention in Afrin hat das "Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurdinnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) zu Protesten gegen das Vorgehen des türkischen Militärs aufgerufen. Zeitgleich kam es durch den "Gesellschaftskongress demokratischer Menschen in Kurdistan in Europa" (KCDK-E) zur Ankündigung europaweiter Proteste. Bei Afrin handelt es sich um einen von drei Kantonen im nordsyrischen Kurdengebiet, die von der PKKSchwesterorganisation "Partei der Demokratischen Union" (PYD) und deren Miliz, den "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), im Wesentlichen dominiert wurden. Afrin war also ein symbolträchtiges Aushängeschild für die von der PKK angestrebte kurdische Autonomie in Nordsyrien. Die Angriffe auf Afrin waren in besonderer Weise geeignet, eine hohe Emotionalisierung bei PKK-Anhängern in Deutschland und Europa auszulösen. Zugleich führte das Thema Afrin, im ohnehin bestehenden Konfrontationsverhältnis zwischen türkisch-nationalistisch orientierten und kurdischen Gruppierungen, zu einem weiteren Anstieg der Spannungen. Auch in der deutschen linken Szene wurden die Angriffe auf kurdische Gebiete in Nordsyrien thematisiert. Im Internet wurde beispielsweise auf den Seiten von "fight4afrin" zu Aktionen bis hin zu Bedrohungen aufgerufen. Diese Aufrufe richteten sich vorrangig gegen Einrichtungen und Unternehmen, die für Rüstungsexporte in die Türkei verantwortlich gemacht wurden. Mit den zunehmenden militärischen Erfolgen bis zur Einnahme Afrins verschärfte sich die Tonlage der Aufrufe noch.So riefen die Ciwanen Azad (Jugendorganisation der PKK ) unter der Internetpräsenz Nuce Ciwan europaweit zu radikalen Aktionen gegen türkische Einrichtungen und staatliche Institutionen auf sowie dazu, "den Krieg nach Europa zurückzutragen". Bereits zu Beginn der Militäroffensive am 20. Januar 2018 wurde deutlich, dass es in Folge dieser Kampfhandlungen zu einer Protestwelle und in diesem Zusammenhang zu vermehrtem Demonstrationsund Aktionsgeschehen sowie zu möglicherweise gewalttätigen Angriffen auf deutsche und türkische Einrichtungen kommen könnte. Bereits am 22. Januar 2018 warfen vier Täter Steine in insgesamt fünf Fensterscheiben des Vereinsheims der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Minden e.V.. Außerdem wurden an den Fensterscheiben und an der Hausfassade Graffitis unter anderem mit dem Schriftzug "Afrin" festgestellt. Eine später im Internet feststellbare Tatbekennung deutet auf Täter aus dem Bereich der Ciwanen Azad hin. Bis Ende April 2018 wurden bundesweit 1.314 Veranstaltungen (Stand 23.April 2018) angemeldet. Zudem kam es bundesweit zu 54 Straftaten gegen türkische Einrichtungen sowie zu 43 Straftaten gegen deutsche Einrichtungen. Die über 400 in NRW angemeldeten Veranstaltungen verliefen letztlich überwiegend friedlich. Allerdings fand am 27. Januar 2018 eine von NAV-DEM angemeldete, zumindest teilweise unfriedliche Großdemonstration in Köln statt, an der 13.000 Personen teilnahmen. Nachdem die Demonstrationsteilnehmer wiederholt zahlreiche Fahnen mit verbotenen Symbolen gezeigt hatten, löste die Polizei die Versammlung vorzeitig auf. Neben der Beschlagnahme der Fahnen kam es zu zahlreichen Straftaten, unter anderem Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte sowie Landfriedensbruch. An der Demonstration nahmen auch Gruppierungen aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum, namentlich die Interventionistische Linke (IL) und die MarxistischLeninistische Partei Deutschlands (MLPD), teil. Zusätzlich gab es deutschlandweit seit dem Wochenende des 10./11. März 2018 täglich zahlreiche - auch unangemeldete - Demonstrationen mit Teilnehmerzahlen im unteren bis mittleren dreistelligen Bereich. Bei diesen Veranstaltungen oder im Veranstaltungskontext kam es zudem zu Auseinandersetzungen zwischen 82 nationalistischen Türken und Anhängern der PKK .Die größte dieser Veranstaltungen fand am 11. März 2018 in Köln mit 1.000 Teilnehmern statt. Schon wegen der zeitlichen Synchronität der unangemeldeten Demonstrationen ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um spontane Versammlungen gehandelt hat, sondern dass diese zentral initiiert wurden. Bewertung Die beschriebene Situation zeigt, dass Ereignisse und krisenhafte Entwicklungen in der Türkei oder in kurdischen Siedlungsgebieten unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und Nordrhein-Westfalen haben. Wegen des hohen türkischen und kurdischen Bevölkerungsanteils in Nordrhein-Westfalen entsteht auch hier eine innenpolitische Polarisierung zwischen pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppierungen. Diese Entwicklung bedarf insbesondere hinsichtlich einer möglichen weitergehenden Tendenz zur Anwendung von Gewalt als Mittel zu politischen Auseinandersetzungen der intensiven nachrichtendienstlichen Beobachtung. 83 Ülkücü-Bewegung (Graue Wölfe) Sitz / Verbreitung Die "Föderation der Türkischen Idealistenvereine e.V. (ADÜTDF)" mit Sitz in Frankfurt ist in Deutschland der größte Dachverband der "Ülkücü-Bewegung". In Nordrhein-Westfalen organisieren sich unter der "ADÜTDF" circa 70 Vereine mit ungefähr 2.000 Mitgliedern. Gründung / Bestehen seit Ihre Ursprünge hat die "Ülkücü-Bewegung", auch als "Graue Wölfe" bezeichnet, in den ersten Jahrzenten des 20. Jahrhunderts und geht aus der Turkistenbeziehungsweise Turanisten-Bewegung hervor. In den 1970er-Jahren kam neben der nationalistischen Ideologie der Islam als prägendes Element hinzu und die "Ülkücü-Bewegung" wurde zu einem Träger der sogenannten "türkisch-islamischen Synthese". Während dieser Zeit organisierte sich die Bewegung erstmalig in Form einer politischen Partei, der "Partei der Nationalistischen Bewegung" -MHP. Die zunächst als Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. 1978 in Frankfurt am Main gegründete Organisation benannte sich 2007 in die heutige "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF)" um. Sie ist die Deutschlandorganisation der MHP. Struktur / Repräsentanz MHP und "ADÜTDF" sind Kernorganisationen der "Ülkücü-Bewegung", die sich ideologisch an den Lehren des Journalisten und Buchautoren Nihal Atsiz, des Staatsgründers Kemal Atatürk und des MHP-Gründers Alparslan Türkes orientieren. Neben diesen Dachverbänden formiert sich die "Ülkücü-Bewegung" auch in nicht organisierten Strukturen. Eine Vernetzung findet dort überwiegend über die sozialen Medien statt, in denen häufig durch das Veröffentlichen von extremen Bildern und Worten die ganze Bandbreite der vertretenen Ideologie offenbart wird. Seit 2015 ist zu beobachten, dass sich neben den traditionellen "ADÜTDF"-Vereinen rockerähnliche Gruppierungen gründen. Dazu gehört unter anderem der Verein "Turan e. V. ", dessen Schwerpunkt in NordrheinWestfalen liegt. Je nach Ausrichtung der jeweiligen Organisationen stehen islamische, ultranationalistische oder rassistische Inhalte im Vordergrund. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 "Ülkücü-Bewegung": nicht bezifferbar Vereinsgebundene "ADÜTDF"-Mitglieder: Bund: circa 7.000 NRW: circa 2.000 Veröffentlichungen Publikation: "Bülten (Bulletin der Türkischen Föderation)" Web-Angebot: türkischsprachige Homepage der "ADÜTDF" (www.turkfederasyon.com), einzelne Beiträge auch in deutscher Sprache veröffentlicht Verbreitung der Ideologie der sogenannten "Grauen Wölfe" auf verschiedenen Plattformen wie sozialen Netzwerken und Videoportalen. Intensive Verlinkung der Web-Angebote untereinander Kurzportrait / Ziele Die Ideologie der "Ülkücü-Bewegung" hat ihre Wurzeln im Panturkismus/Turanismus. Sie ist geprägt von der Forderung nach einer "Wiedervereinigung" aller Turkvölker in einem Staat. Dieser Anspruch ist einem übersteigerten Nationalbewusstsein geschuldet, das die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als überlegen ansieht. 84 Innerhalb der "Ülkücü-Bewegung" herrschen drei ideologische Ausrichtungen vor: Zum einem existiert eine überwiegend auf dem Alt-Türkentum basierende Strömung mit einer sehr stark rassistischen Orientierung. Daneben verfolgte eine weitere Strömung im Wesentlichen die Ziele der Partei Milliyetci Hareket Partisi (MHP) und verherrlicht das Türkentum. Im Ausland verfügt diese Strömung über Massenorganisationen wie die "ADÜTDF". Eine dritte Ausrichtung orientiert sich an der in der Türkei aktiven "Büyük Bilik Partisi (BBP)" und ist stark am konservativen Islam ausgerichtet. Aktuell sind zudem wechselnde Aktivitäten türkisch-rechtsextremistischer Rockergruppierungen zu verzeichnen. Obgleich sich diese Gruppierungen nach außen hin als türkisch-nationale Bruderschaft darstellen, sind insbesondere bei dem schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen vertretenen "Turan e. V." rechtsextremistische Inhalte erkennbar. Das wichtigste Erkennungszeichen der Bewegung ist der graue Wolf (Bozkurt). Der graue Wolf hat seinen Ursprung in der türkischen Mythologie, wo er als Retter der Turkvölker und Garant des Sieges beschrieben wird. Von den Anhängern der "Ülkücü-Bewegung" wird daher die zum Wolfsgruß geformte Hand als Gruß und als gegenseitiges Erkennungszeichen, aber auch als Provokation politischer Gegner benutzt. Eine weitere symbolische Bedeutung haben die drei weißen Halbmonde auf rotem Grund. Sie sollen an die osmanische Kriegsflagge erinnern. So sind die drei Halbmonde auf dem Logo der türkischen Partei MHP zu finden, die sich für eine nationalistische Ausrichtung der türkischen Gesellschaft und Politik einsetzt, zieren aber ebenso das Emblem der "Turan e. V". "Turan e. V." verfolgt die rassistische Ideologie des Turanismus. Diese umfasst die Errichtung eines Großreiches "Turan", eines (fiktiven) ethnisch homogenen Staats unter der Führung der Türken, welcher die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst. Diese reichen je nach Auslegung vom Balkan bis nach Westchina oder sogar Japan. Zitate eines der Vordenker der "Ülkücü-Bewegung", Nihal Atsiz, werden regelmäßig verbreitet und auch die verwendete Ikonografie lässt eine derartige ideologische Verortung zu. Die politische Ausrichtung wird von der Gruppierung offen über zum Beispiel Facebook kommuniziert, wird aber auch wie zuvor beschrieben bei öffentlichen Veranstaltungen gelebt. Damit einhergehend ist eine rassistische Feindbildorientierung insbesondere gegen Kurden, Armenier, Griechen und Juden zu finden. Generell wird jeder zum Feindbild deklariert, der eine abweichende Meinung zu türkischen Interessen hat. Ein autoritäres und antipluralistisches Gesellschaftsverständnis, gepaart mit einem extremen Nationalismus und Führerkult münden in der Theorie einer generellen Überlegenheit der "türkischen Rasse". Dieser Führerkult offenbart sich zum einen in der Verehrung des Alparslan Türkes, dem Gründer der MHP als ewigem Führer (Basbug), als auch in einer streng hierarchischen Struktur. Kurden werden undifferenziert als PKK-Anhänger, Verräter und Terroristen bezeichnet, obgleich sich die Dachverbände der Ülkücü-Bewegung, insbesondere die "ADÜTDF", nach Außen um ein gesetzeskonformes Verhalten bemühen. Folgt man dem ideologischen Verständnis, sind Kurden ein seinem Ursprung nach entfremdetes, turk-stämmiges Volk, dessen Bekämpfung gerechtfertigt ist. Ihren Ausdruck findet dies sowohl in verbaler Hetze im Internet als auch in körperlichen Auseinandersetzungen oder bei gewalttätigen Konfrontationen bei Demonstrationen. Die Dachverbände tragen als Ideologieträger dazu bei, das Konfliktpotential zwischen Kurden und Türken zu schüren, auch wenn von ihnen selbst keine Bekenntnisse oder Aufrufe zur Gewalt ausgehen. Musik ist ein grundlegender Bestandteil der "Ülkücü"-Kultur. Dabei bedienen sich die "Ülkücü-Anhänger" verschiedener Musikrichtungen, um ihren Ideen und Idealen einen Ausdruck zu geben. Die Musik wird unabhängig vom jeweiligen Musikstil, der von türkisch-traditionell über mystische Klänge bis zum Hip-Hop und Rap reicht, mit Gedichten, Texten und Sprechgesängen versehen, die oft einen pathetischen Charakter haben. In Deutschland entstand Ende der 1990er-Jahre eine Musikszene rund um den deutsch-türkischen Rap, der hauptsächlich jugendliche" Ülkücü"-Anhänger anzieht. Die in den einschlägigen Videoportalen zu findenden 85 Songs sind häufig mit Bildern symbolträchtiger Gebäude, türkischer Soldaten und Fahnen sowie den Kennzeichen der "Ülkücü"-Bewegung hinterlegt. Mit den Songs werden überwiegend diverse Männlichkeitsklischees bedient, indem die jugendlichen Protagonisten als besonders "abgehärtete Männer " dargestellt werden, die ihre Feinde und Gegner niedermachen. Finanzierung Mitgliedsbeiträge aus zugehörigen Vereinen, Spendengelder und Sponsoring Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Durch ihr extrem nationalistisches Gedankengut bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die "Ülkücü-Bewegung" Ziele verfolgt, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung beziehungsweise gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten und zugleich gegen den im Grundgesetz garantierten Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Sie erfüllt damit die Voraussetzungen zur Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden (SS 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VSG NRW). Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Öffentlichkeitswirksam präsentierte sich "Turan e. V." am 15. Januar 2017 mit einer Demonstration unter dem Motto "Gedenkmarsch für die Opfer von Terroranschlägen in der Türkei" in Dortmund. Etwa 430 Teilnehmer konnten mobilisiert werden, die gegen den Terror - vor allem der PKK - in der Türkei und für die "Einheit des Vaterlandes" protestierten. Hier wurden vielfach Fahnen und Symbole der "Ülkücü-Bewegung", insbesondere der Wolfsgruß, gezeigt. Weitere Veranstaltungen der "Ülkücü-Bewegung", insbesondere der "ADÜTDF", fanden in kleinerem Umfang in geschlossenen Räumen statt und hatten einen eher kulturellen oder sportlichen Aspekt. Größere Veranstaltungen wie der jährlich am 3. Mai gefeierte "Tag der Turkisten" oder der Jahreskongress wurden nicht durchgeführt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Betreiber größerer Hallen durch eine aktive Aufklärungskampagne nicht mehr ihre Räumlichkeiten für derart gelagerte politischen Veranstaltungen zur Verfügung stellen. Das im April 2017 in der Türkei durchgeführte Verfassungsreferendum wurde innerhalb der "Ülkücü"-Szene mit nur wenig Resonanz thematisiert. Lediglich vereinzelt kam es offen zu Äußerungen der mitunter kritisch eingestellten "Ülkücü"-Anhänger mit traditionell kemalistischer Orientierung. Dies dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass sich die Parteispitze der MHP für eine Zustimmung zur Verfassungsänderung eingesetzt hatte und einen "Pro-Erdogan"-Kurs einschlug. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Zu beobachten ist -insbesondere seit dem Putschversuch im Juli 2016 - eine Art Schulterschluss der "Ülkücü"Szene mit der türkischen Regierung und der Regierungspartei AKP. Dies gilt insbesondere für den die ADÜTDF unterstützenden Personenkreis, da dessen Mutterpartei, die MHP, zum Mehrheitsbeschaffer für die AKP geworden ist. Allerdings gibt es in dortigen Reihen auch Anhänger, die mit dem Anlehnungskurs an die AKP nicht einverstanden sind. Am 24. Juni 2018 findet die vorgezogene Parlamentswahl in der Türkei und somit der Übergang zum Präsidialsystem statt. Der Vorsitzende der MHP, Devlet Bahceli, hat bereits verkündet, dass er keine eigene Kandidatur anstrebe, sondern die AKP unterstützen wolle. Inwiefern der weiterhin vollzogene Schulterschluss mit der AKP, Auswirkungen auf die "Ülkücü"-Szene, insbesondere auf den Dachverband "ADÜTDF", hat, bleibt abzuwarten. 86 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi - DHKP-C) Sitz / Verbreitung Türkei, weltweite Verbreitung mit Schwerpunkt Europa Gründung / Bestehen seit 1994, hervorgegangen aus der 1978 gegründeten revolutionären Linken (-Sol) Struktur / Repräsentanz Generalsekretär, Zentralkomitee sowie länderund gebietsverantwortliche Funktionäre Nach dem Tod von Dursun Karatas im Jahr 2008 wurde offiziell noch kein Nachfolger für das Amt des Generalsekretärs bestimmt. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: 650 NRW: 200 Veröffentlichungen Publikationen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke, unregelmäßiges Erscheinen) und Yürüyüs (Der Marsch) Web-Angebot: mehrsprachiger Internetauftritt Kurzportrait / Ziele Die in der Türkei und in Deutschland verbotene Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi - DHKP-C) verfolgt das Ziel, das bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen, um ein sozialistisches System zu errichten. Auf der ideologischen Grundlage des Marxismus-Leninismus propagiert die DHKP-C einen bewaffneten Volkskampf unter ihrer Führung. Die Organisation tritt damit für eine revolutionäre Zerschlagung der türkischen Staatsund Gesellschaftsordnung ein. Hierzu führt sie in der Türkei auch terroristische Aktionen durch. In Deutschland kann die DHKP-C aufgrund des Verbotes nicht offen agieren. Sie handelt daher über Vereine, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur Organisation zulassen oder deren Verbindungen zur DHKP-C nur schwer nachweisbar sind. Finanzierung Spenden und Erlöse aus dem Verkauf von Publikationen Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Mit ihrem Bestreben gefährdet die DHKP-C sowohl die innere Sicherheit als auch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland (SS 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 VSG NRW). Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der in der Bundesrepublik Deutschland seit 1983 verbotenen Devrimci Sol. Seit dem Verbot 1983 werden politische Aktivitäten konspirativ fortgesetzt. Die DHKP-C selbst ist in Deutschland seit dem 1. Februar 2000 rechtskräftig verboten. Im Mai 2002 hat der Rat der Europäischen Union die DHKP-C auf die europäische Liste der Terrororganisationen gesetzt. 87 Der politische Flügel der DHKP-C gibt sich selbst den Namen Revolutionäre Volksbefreiungspartei (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - DHKP), während sich der militärische Arm der DHKP-C als Revolutionäre Volksbefreiungsfront (Devrimci Halk Kurtulus Cephesi - DHKC) bezeichnet. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die Festnahme des Europaleiters im Dezember 2016 in Hamburg hat zu mehreren Protesten der Anhängerschaft geführt. Am 31. Dezember 2016 wurde ein sogenannter "Langer Marsch" in Hamburg gestartet, an dem sich etwa 100 Aktivisten beteiligten. Der "Lange Marsch" wurde am 17. März 2017 in Berlin beendet. In diesem Zusammenhang fanden Proteste in NRW in den Städten Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Bielefeld, Oberhausen und Hamm statt. Weiterhin wurden Proteste in der Schweiz und in Frankreich durchgeführt. Die Aktionsform "Langer Marsch" wurde von der Organisation bereits wiederholt veranstaltet, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen. Am 25. Januar 2017 verschafften sich unbekannte Täter Zugang zum Gelände der Zentrale der Union EuropäischTürkischer Demokraten (UETD) in Köln. Sie zerschlugen dort Fensterscheiben und beschädigten das Haus mit Farbschmierereien. Im Nachgang zu dieser Tat veröffentlichte die Jugendorganisation der DHKP-C, die Föderation der revolutionären Jugend der Türkei (Dev-Genc), auf der Internetplattform "Halkin Sesi TV" eine Selbstbezichtigung. Demnach sei die Aktion als Reaktion auf den Tod von Guerillakämpfern der DHKP-C in der Türkei gedacht. Diese waren im Dezember 2016 von türkischen Sicherheitskräften erschossen worden. Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung wurde die türkische Staatsangehörige Latife C.-A. vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht gelangte zu der Auffassung, dass die Angeklagte als Vorsitzende der "Anatolischen Föderation", einer Tarnorganisation der DHKP-C, für die terroristische Organisation tätig war. Wegen eingelegter Rechtmittel ist das Urteil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts noch nicht rechtskräftig geworden. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Festnahme des Europaleiters in Hamburg und die Verurteilung der ehemaligen Vorsitzenden der Anatolischen Föderation haben gezeigt, dass der Fahndungsdruck weiterhin hoch ist und die Organisation unter der ständigen Gefahr von Festnahmen und Durchsuchungen steht. Aus diesem Grund verhalten sich die hochrangigen Kader der DHKP-C konspirativ und leben verdeckt in der Illegalität. Aus dieser Konspiration heraus versuchen sie die Anhänger zu mobilisieren und rufen insbesondere zu Spenden und Kundgebungen auf. Über bestehende Kontakte zu deutschen linken Gruppen wird versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen und die eigenen Themen in die Gesellschaft zu tragen. Trotz vereinzelter Störaktionen bleibt die Organisation weiterhin beim selbst verordneten Gewaltverzicht in Deutschland. Kundgebungen und Protestaktionen mit geringer Teilnehmerzahl werden zu gegenwärtigen Themen regelmäßig organisiert. Weiterhin wird versucht, mit Hilfe der Musikgruppe Grup Yorum Gelder zu generieren und Anhänger zu mobilisieren. Durch den verstärkten Druck der Sicherheitsund Ordnungsbehörden ist es jedoch im vergangenen Jahr nicht mehr gelungen, Konzerte als Großveranstaltungen mit bis zu 10.000 Besuchern zu organisieren. Vielmehr musste die Gruppe auf die Stammbesetzung verzichten, da weiterhin Einreiseverbote bestehen. Konzerte konnten oftmals nur noch im Rahmen von politischen Veranstaltungen durchgeführt werden. Damit ist auch künftig zu rechnen, da die Gruppe weiterhin über eine große Anhängerschaft verfügt. 88 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL) und unterstützende Organisationen Sitz / Verbreitung Nord-Irak, in Europa durch wenige weisungsberechtigte Funktionäre mit wechselnden Aufenthaltsorten vertreten durch CDK Koordinasyon Civata Ekolojik - Demokratik a Kurd Li Ewropa Gründung / Bestehen seit November 1978 Struktur / Repräsentanz Höchste Entscheidungsgremien: Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) mit dem Präsidenten Abdullah Öcalan und den Vorsitzenden Cemil Bayik und Bese Hozat, Generalversammlung der Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL) mit den Vorsitzenden Hacer Zagros und Remzi Kartal Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: 14.000 NRW: 2.200 Veröffentlichungen Publikationen: unter anderem "Serxwebun (Unabhängigkeit)" (monatlich), "Sterka Ciwan (Stern der Jugend)" (monatlich), "Newaya Jin (Erlebnisse der Frauen)" (monatlich), "Kurdistan-Report" (Auflage bis zu 15.000 Exemplaren), "Yeni Özgür Politika" (täglich) Fernsehen: aktuell "NUCE TV"; "RONAHI TV" und "Mednuce" Internet: Zahlreiche Internetauftritte verschiedener regionaler Organisationen und Gruppierungen, mediale Präsenz in den unterschiedlichsten Sozialen Netzwerken mit intensiven Verlinkungen untereinander Kurzportrait / Ziele Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die heute unter der Bezeichnung Volkskongress Kurdistans (KONGRAGEL) agiert, strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen Nationalstaat an, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nordirak, Teile des westlichen Iran und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Obwohl seitens der PKK immer wieder betont wird, man habe die früheren separatistischen Ziele aufgegeben, bemüht sie sich weiterhin um einen länderübergreifenden Verbund aller Kurden im Nahen Osten. Im Jahre 1993 erließ das Bundesministerium des Innern ein Betätigungsverbot für die PKK und ihrer Nebenorganisationen. Die PKK ist zudem auf der EU-Terrorliste verzeichnet. Bis Ende 2013 vertrat die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM)" nach ihrem Selbstverständnis unter anderem die politischen Interessen der PKK in Deutschland. Sitz der "YEK-KOM" war Düsseldorf. Aufgrund einer bereits im Juli 2013 durch den Dachverband des "Kongresses der kurdischdemokratischen Gesellschaft in Europa (KCD-E)" beschlossenen Neustrukturierung bildeten sich in vielen deutschen Städten kurdische Gesellschaftszentren, welche die bisher agierenden örtlichen "YEK-KOM"-Vereine ersetzten. Der Vereinsname lautet seitdem "Demokratisch-kurdisches Gesellschaftszentrum (DKTM)". Auf dem 20. Jahreskongress der "YEK-KOM" im Juni 2014 wurde die Umbenennung der "YEK-KOM" in das "Demokratischkurdische Gesellschaftszentrum Deutschland (NAV-DEM)" beschlossen. 89 Die PKK hat Deutschland in Regionen und Gebiete eingeteilt. Für die Umsetzung von Vorgaben nutzt die PKK überwiegend die örtlichen kurdischen Vereine, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Als Dachverband der Vereine fungiert das NAV-DEM. Die PKK versucht, ihre Politik mithilfe sogenannter Massenorganisationen zu popularisieren. Darin organisiert sie ihre Anhänger nach sozialen Kriterien oder nach Berufsund Interessensgruppen. Besonders hervorzuheben sind die Jugendorganisation "Komalen Ciwan "/"Ciwanen Azad", die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (AKKH/TJKE)sowie der "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK). Zu erwähnen sind weiterhin die Organisationen "Union der Journalisten Kurdistans" (YRK), "Union der kurdischen Lehrer" (YMK), "Union der Juristen Kurdistans" (YHK), die "Union kurdischer Familien" (YEK MAL) sowie die Religions-gemeinschaften "Islamische Gemeinde Kurdistans" (CIK), "Föderation der demokratischen Aleviten e.V." (FEDA) und "Föderation der yezidischen Vereine e.V." (FKE). Finanzierung Jährliche Spendensammlung bei den Anhängern der PKK, Erlöse aus Zeitschriftenund Devotionalienverkäufen sowie Eintrittsgelder bei Großveranstaltungen Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit In Westeuropa ist seit Ende März 1996 ein Kurswechsel zu weitgehend gewaltfreiem Verhalten erkennbar. Die PKK stellt jedoch wegen ihrer fortwährenden Bereitschaft, zu aktionsorientiertem und gewaltbereitem Verhalten zurückzukehren, nach wie vor eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Dies begründet ihre Beobachtung gemäß SS 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW. Ihre Ziele verfolgt die PKK in den Kampfgebieten, aktuell insbesondere in Syrien sowie auch in der Türkei, nach wie vor mit Waffengewalt. Damit gefährdet die Organisation die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, so dass auch aus diesem Grund eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG NRW erforderlich ist. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die Organisation versucht sich in Nordrhein-Westfalen durch Aktionen darzustellen, die auf möglichst große mediale Aufmerksamkeit angelegt sind, um eine Anerkennung ihrer politischen Forderungen zu erreichen. Gewalttätig agieren die PKK und ihre bewaffneten Guerillaverbände vor allem in den kurdischen Siedlungsgebieten. Neben der Türkei gehören dazu die nordirakische Grenzregion und kurdische Gebiete in Syrien (auch "Rojava" = Westkurdistan genannt). Der bereits am 15. Juli 2016 gescheiterte Umsturzversuch in der Türkei durch Teile des Militärs und die darauf folgende innenpolitische Polarisierung durch die türkische Regierung belastete das Verhältnis zwischen türkischnationalistischen und kurdischen Anhängern im Jahr 2017 weiter. Dachverbände und örtlichen Vereine riefen nahezu wöchentlich zu regionalen oder überregionalen Kundgebungen auf. Auch im Jahr 2017 wurden die Aktivitäten der PKK-nahen Organisationen in Deutschland und NRW durch verschiedene inund ausländische Ereignisse beeinflusst. Wichtigste Ereignisse Das türkische Verfassungsreferendum im April 2017 Hier war man bemüht, Wahlberechtigte der in Deutschland lebenden kurdischstämmigen Bevölkerung zu einer Stimmabgabe gegen die Verfassungsänderung zu bewegen, um die Erweiterung der Machtbefugnisse des türkischen Staatspräsidenten zu verhindern. Befürchtet wurde eine Verschärfung der bereits bestehenden Verfolgungsmaßnahmen gegen die PKK oder deren Sympathisanten. Der aus Sicht der PKK negative 90 Ausgang des Referendums führte innerhalb der PKK-Anhängerschaft in NRW allerdings zu keinen nennenswerten Reaktionen und Auseinandersetzungen. Das im September durchgeführte Referendum für ein "Freies Kurdistan". Die Sorge um die Haftsituation und den Gesundheitszustand ihres inhaftierten Organisationsgründers Abdullah Öcalan. Meldungen in den sozialen Netzwerken im Oktober 2017 über eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum angeblichen Tod Öcalans führten zu einer Vielzahl von spontanen Demonstrationen in unterschiedlichen Größenordnungen. Die Protestwelle dauerte mehrere Wochen in NRW und ganz Europa an. Neben den in der überwiegenden Mehrzahl friedlichen Protesten kam es vereinzelt zu gewalttätigen Übergriffen. Die Verschärfung des Kennzeichenverbotes durch das Bundesministerium des Innern (BMI). Im März 2017 wurde das PKK-Kennzeichenverbot durch das BMI konkretisiert und verschärft. Grundlage dieser Maßnahme ist das bereits im Jahr 1993 ausgesprochene Betätigungsverbot. Inhaltlich umfasst das Betätigungsverbot auch das öffentliche Zeigen von Symbolen der PKK sowie ihrer Unterund Teilorganisationen. Das verschärfte beziehungsweise konkretisierte Verbot war Thema bei unzähligen Demonstrationen und gipfelte in einer Großdemonstration am 4. November 2017 in Düsseldorf. Großveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen 25. März 2017, Düsseldorf: circa 2.500 Teilnehmer, 1. Juli 2017, Dortmund: 13. Zilan-Frauenfestival, circa 2.500 Teilnehmer 26. August 2017, Köln: Kurdisches Kulturfestival für ein unabhängiges Kurdistan, circa 15.000 Teilnehmer 16. September 2017, Köln: 25. Internationales Kurdisches Kulturfestival, circa 14.000 Teilnehmer. Der im Vorfeld des Festivals stattfindende Marsch der Jugendlichen von Dortmund nach Köln verlief weitgehend ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich vereinzelt kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit türkischnationalistischen Anwohnern entlang der Marschroute. 4. November 2017, Düsseldorf: Großdemonstration gegen das durch das Bundesministerium des Innern (BMI) konkretisierte PKK-Kennzeichenverbot, circa6.000 Teilnehmer. Es kam im Laufe der Demonstration zu gewalttätigen Angriffen auf die eingesetzten Polizeibeamten. Mehrere Beamte wurden verletzt, unter anderem durch einen Zwillenbeschuss. Weitere Eskalationen und Übergriffe konnten durch das konsequente Vorgehen der Einsatzkräfte unterbunden werden. Im Laufe der Demonstration wurden rund 1.000 verbotene Fahnen und Gegenstände durch die Polizei sichergestellt. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Der verhinderte Putsch im Jahr 2016, die innenpolitischen Repressionen gegen Regierungsgegner in der Türkei, das Verfassungsreferendum in der Türkei im Frühjahr 2017, das Unabhängigkeitsreferendum für einen freien kurdischen Staat im September 2017 und die damit verbundenen Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien entfalten ihre Auswirkungen bis in die Städte Nordrhein-Westfalens. Es muss genau beobachtet werden, welchen Resonanzboden die Wechselwirkungen zwischen türkischen Nationalisten und kurdischen Aktivisten innerhalb Deutschlands erzeugen und welche Randerscheinungen, wie etwa rockerähnliche Strukturen, sich weiter etablieren. Das künftige Demonstrationsgeschehen sowie Aktionsverhalten der PKK-Anhänger in Nordrhein-Westfalen wird ganz wesentlich von der weiteren Entwicklung in den Krisengebieten in Syrien und dem Nordirak und von der innenpolitischen Lage in der Türkei abhängen. Aktuell werden die Aktionen der PKK-Anhängerschaft durch den Einmarsch türkischer Truppen in Syrien maßgeblich beeinflusst. 91 Noch ist offen, wie die PKK-Anhängerschaft mit der Konkretisierung des PKK-Kennzeichenverbotes bei Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen umgeht. Gegen 2018 in Köln und Düsseldorf gegen den Veranstalter NAV-DEM verhängte Versammlungsverbote geht die Organisation mittlerweile auf dem Klageweg. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die PKK-Anhängerschaft wieder zu medienwirksamen Aktionsformen wie zum Beispiel in der Vergangenheit durchgeführte Besetzungsaktionen von Fernsehanstalten, Flughäfen, Parteienbüros oder Schiffen zurückkehrt. Auch die direkte gewaltsame Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gehört zum Aktionsspektrum insbesondere der PKK-nahen Jugend und muss anlassbezogen in Betracht gezogen werden. 92 Islamismus Im Jahr 2017 wurde der territoriale Niedergang des sogenannten Islamischen Staates (IS) eingeleitet, der in der ersten Jahreshälfte 2018 weitgehend seinen Abschluss gefunden hat. Aus einem semi-staatlichen Gebilde mit quasi-Ministerien und Versorgungsstrukturen ist er in eine Rolle als Untergrundbewegung gedrängt worden. Territoriale Kontrolle übt der IS zurzeit nur noch in kleinen Gebietsstreifen im östlichen Syrien bzw. dem westlichen Irak aus. Der Niedergang wurde durch eine massive Propaganda-Kampagne begleitet, die der IS im Laufe des Jahres 2017 noch orchestriert hat. Dabei ging es im Wesentlichen um das Anstiften von Einzelattentätern in westlichen Staaten und dem Mobilisieren der eigenen Anhänger in der Region. Schließlich wurden auch Frauen und Kinder aufgefordert, sich aktiv am Jihad zu beteiligen. Die Resonanz auf die Propaganda war im Vergleich zu den Vorjahren schwächer. In Deutschland gab es im Sommer 2017 in Hamburg einen tödlichen Angriff durch einen Flüchtling, der als islamistisch-motiviertes Attentat gewertet werden kann. Eine Attentatsserie vergleichbar mit dem Jahr 2016 ist - glücklicherweise - ausgeblieben. Durch den Rückzug und die Verluste des IS stockt mittlerweile auch die Propaganda-Maschine, die ehemals aufwändig produzierte Propaganda-Produkte auch in den deutschsprachigen Raum gebracht hat. Der extremistisch-salafistischen Szene in Deutschland ist ein wichtiges Narrativ - der IS als Heimat und Ausreiseort, der Jihad als erfolgreiches Projekt der Staatsgründung - zu großen Teilen abhandengekommen. Dazu kommt, dass bedeutende Hauptakteure der Szene durch Vereinsverbote (z.B. Lies!) oder Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden (z.B. das Abu-Walaa-Netzwerk) ein Vakuum hinterlassen haben. Die Anhänger der extremistisch-salafistischen Szene machen daher zurzeit einen eher orientierungslosen Eindruck. Die Strukturen sind fragmentiert, sollten neue Strukturen entstehen, so meiden sie vorerst die Öffentlichkeit. Für die nächste Zeit ist im Bereich gewaltorientierter Islamisten bzw. Salafisten von den folgenden Entwicklungen auszugehen: Radikalisierungsprozesse in Justizvollzugsanstalten aufgrund des sich dort befindlichen Anhängerpotenziales, insbesondere durch vormalige Hauptakteure und Syrien-Rückkehrer Rückkehrer aus Krisengebieten, aktuell vor allem Frauen und Kinder bzw. Minderjährige Radikalisierungspotenzial unter Flüchtlingen, insbesondere den männlichen Personen Weitergehende Radikalisierungsprozesse in den bereits bestehenden extremistisch-salafistischen Szenen als Resonanzboden für Einzelattentäter Neben den Aktivitäten jihadistischer Protagonisten versuchen auch Netzwerke weiterhin aktiv eine Anhängerschaft zu binden. Als großes Netzwerk mit Schwerpunkt in Nordrhein Westfalen - bei gleichzeitiger bundesweiter Vernetzung - ist Ansaar International zu nennen. Die Sicherheitsbehörden werden beide Bereiche - den gewaltorientierten, wie auch den politisch/legalistischen Extremismus im Blick behalten und weiter aufklären. Nur durch eine umfassende Beobachtung können neue Entwicklungen und Strukturen und die daraus resultierenden Gefahren für die innere Sicherheit rechtzeitig erkannt werden. Dies bildet sowohl die Grundlage für repressive und präventive Maßnahmen, als auch für die Sensibilisierung von Politik und Gesellschaft. 93 Im Fokus: Flüchtlinge im extremistischen Salafismus Anwerbeversuche durch Salafisten Mit Beginn der verstärkten Migrationsbewegungen nach Europa im Jahr 2015 hatten bekannte salafistische Netzwerke und Einzelakteure Missionierungsaktivitäten im Umfeld von Flüchtlingen aufgenommen und kurzzeitig erheblich verstärkt. Zielsetzung war die frühzeitige Anwerbung und Einbindung dieser Flüchtlinge in die Strukturen der extremistisch-salafistischen Szene in NRW. Die Anzahl der durch den Verfassungsschutz beobachteten Anwerbeversuche in Nordrhein-Westfalen erreichte im Jahr 2015 mit insgesamt 100 Sachverhalten ihren Höhepunkt. In den Jahren 2016 und 2017 konnten insgesamt weniger als 20 Hinweise auf derartige offensichtliche Aktivitäten registriert werden. Auch wenn eine höhere Dunkelziffer anzunehmen ist, kann man davon ausgehen, dass diese Anwerbeversuche weitestgehend eingestellt wurden. Für diesen Rückgang sind mehrere Gründe ausschlaggebend. Insbesondere durch die fortlaufende Sensibilisierung der Mitarbeiter an den Flüchtlingseinrichtungen und die breite öffentliche Diskussion wurden die Agitationsmöglichkeiten der extremistisch-salafistischen Szene erheblich erschwert. Stattdessen werden Flüchtlinge vermehrt außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angesprochen und "betreut". So zum Beispiel durch die Einladung zu gemeinsamen Gebeten, Islamunterricht, Festivitäten, Spendenaktionen, arabischen Sprachkursen, die Versorgung mit Hilfsgütern und die Unterstützung bei Behördengängen sowie das Dolmetschen. Aus der extremistisch-salafistischen Szene heraus, wird Hilfe in jeglichen Lebenslagen angeboten. Dabei handelt es sich - soweit erkennbar - nicht um eine gezielte Strategie, sondern vielmehr um den Versuch, das Personenpotenzial der Flüchtlinge zu umwerben. Die vermittelten Botschaften werden dabei vielfach der Lebenslage lebensjüngerer entwurzelter Menschen in einer für sie fremden Umgebung angepasst. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Deutschland weiterhin dem Einfluss der salafistischen Szene ausgesetzt sind. Jihadistisch-motivierte Personen unter Flüchtlingen Seit Beginn des Jahres 2015 wurden Hinweise zu jihadistisch motivierten Personen unter Flüchtlingen durch nordrhein-westfälische Behörden zusammengetragen und bewertet. In diesem Zusammenhang wurden von Januar 2015 bis Dezember 2017 rund 260 Hinweise erfasst. Vielfach konnte der Verdacht auf eine jihadistische Intention durch eingeleitete Ermittlungen entkräftet werden. Nur in knapp zehn Prozent der Fälle führten die Ermittlungen zu einer Verdichtung der Hinweise, so dass weitergehende nachrichtendienstliche Maßnahmen oder strafrechtliche Ermittlungsverfahren durch die Polizeibehörden eingeleitet wurden. In den anderen Fällen lagen Namensverwechslungen, Fehlmeldungen oder sogar gezielte Verleumdungen vor. Gemessen an der Gesamtzahl der in NRW untergebrachten Flüchtlinge ist der bisher bekannte Anteil an salafistisch-extremistisch motivierten Personen weiterhin gering. Derzeit entstammen 5 - 10% der dem Verfassungsschutz bekannten Extremisten in Nordrhein-Westfalen dem Personenpotenzial der Flüchtlinge. Die weitaus wichtigere Personengruppe ist nach wie vor die sogenannte "home-grown"-Szene, die sich aus Personen zusammensetzt, die zumeist in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und in rund 2/3 aller Fälle auch im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sind. Flüchtlinge im Fokus des sogenannten Islamischen Staates (IS) In den Jahren 2016 und 2017 traten einzelne Flüchtlinge als jihadistische Attentäter in Erscheinung. Drei der fünf in 2016 durchgeführten Anschläge wurden durch Flüchtlinge begangen. So auch der Anschlag von Anis AMRI auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidtplatz in Berlin im Dezember 2016 und das Messer-Attentat in Hamburg im 94 Jahr 2017. Hinzu kommen weitere Fälle, in denen Vorbereitungshandlungen von Einzelpersonen durch die Intervention der Sicherheitsbehörden rechtzeitig erkannt und verhindert werden konnten. Dies veranschaulicht, dass Flüchtlinge in der Vergangenheit für die jihadistische Propaganda empfänglich waren und von radikalisierten Einzelpersonen eine terroristische Bedrohung ausgeht. Die Flüchtlinge im extremistischen Salafismus können derzeit in drei Gruppen unterteilt werden: Die erste Gruppe besteht aus Personen, die dem IS oder anderen terroristischen Organisationen im Ausland angehören und im Zuge der Flüchtlingsbewegungen ab dem Jahr 2015 nach Europa bzw. Deutschland gekommen sind. Diese Personen sind als hochgradig radikalisiert zu bewerten und dazu angeleitet, in Europa Anschläge zu begehen. Die zweite Gruppe besteht aus Personen, die in ihren Heimatländern bereits islamistisches Gedankengut verinnerlicht hatten, aber ohne Anleitung und Agenda gekommen sind. Diese Personen sind leicht empfänglich für die Botschaften islamistischer Organisationen und Netzwerke. Die dritte Gruppe besteht aus Personen, die sich erst in Deutschland der islamistischen Szene zuwenden und vorher kaum Affinitäten zum extremistischen Salafismus hatten. Die Gründe für diese Radikalisierungen sind vermutlich in gescheiterten Integrationsbemühungen zu suchen. Ausblick Auch mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen werden Aufklärung und Beobachtung extremistischer Aktivitäten im Zusammenhang mit Flüchtlingen unvermindert fortgeführt und intensiviert. 95 Im Fokus: Frauen und Kinder Von den 3000 Anhängern der salafistischen Szene in NRW sind 12% Frauen. Der Frauenanteil unter den 255 Ausgereisten aus NRW in die jihadistischen Kampfgebiete Syriens und des Irak beträgt 28%. Frauen im extremistisch-salafistischen Spektrum - Ausgereiste, Rückkehrerinnen und auch in Deutschland verbliebene Frauen - sind zunehmend gewaltbejahend und gewaltbereit. Frauen spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Vernetzung der salafistischen Szene und beim Transfer der Ideologie an andere Frauen und an die Kinder in salafistischen Ehen. Sie formen dadurch eine neue Generation des Salafismus. Frauen sind von der extremistisch-salafistischen Ideologie überzeugt und nehmen nicht eine häufig kolportierte Opferrolle ein. Strukturen Frauen der extremistisch-salafistischen und jihadistischen Szene interagieren und vernetzen sich zunehmend in der realen und virtuellen Welt. Dem Verfassungsschutz NRW sind gegenwärtig zwischen 40 und 50 aktiv netzwerkende Frauen bekannt. Diese Frauen tauschen sich u.a. in Angelegenheiten einer ihrer Ideologie angepassten Lebensführung aus: Zur Umsetzung einer "halal-konformen" Lebensweise werden Dienstleistungen vom Bekleidungsshop bis hin zur Eheanbahnung angeboten. Darüber hinaus verbreiten weibliche Szeneangehörige Anleitungen zur Kindererziehung, sind in der "Gefangenenhilfe" aktiv und bieten Unterricht an. Somit verbreiten sie extremistischsalafistische Propaganda und Ideologie in allen Bereichen des alltäglichen Lebens. Rollenbild Die Gruppe der Frauen im extremistisch-salafistischen Spektrum ist nicht homogen. Sowohl sogenannte "Geburtsmusliminnen" der zweiten und dritten Migrantengeneration als auch Konvertitinnen schließen sich der Szene an. Es finden sich hier sowohl Personen aus bildungsfernen und sozial schwachen Milieus als auch gut ausgebildete Frauen. In der extremistisch-salafistischen Szene wird eine äußerst rigide Geschlechterideologie propagiert. Die Rolle der Frau wird auf den häuslichen Bereich begrenzt, ihre Aufgaben umfassen vor allem die der Ehefrau und Mutter; die Polygynie 1 ist ebenfalls ein propagiertes Ideal, das vor allem in den sozialen Netzwerken von Frauen aus der Szene aktiv beworben wird. Zu betonen ist aber auch die hohe Gewaltaffinität und Gewaltbereitschaft von Frauen innerhalb der Szene. Beispielhaft dafür ist der Messerangriff von Safia S. im Jahr 2016 sowie die positive Resonanz auf diesen Anschlag innerhalb der weiblichen Szene. Dies spiegelt sich auch in der Verbreitung gewaltaffiner Propaganda in den sozialen Netzwerken wieder, die gezielt Frauen anspricht. Betätigungsfelder Über die der Frau zugeschriebenen häuslichen Pflichten hinaus betätigen sich die weiblichen Szeneangehörigen im Rahmen organisierter Treffen in Privaträumen und Moscheen zur Vermittlung von religiösen Lerninhalten, die der Rekrutierung einer weiblichen Anhängerschaft dienen. Weibliche Aktivitäten in der extremistischsalafistischen Szene sind jedoch vor allem in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten zu beobachten. Hier 1 Eheform, die es dem Mann gestattet, mehrere Frauen zu heiraten 96 spielen sie bei der Verbreitung salafistischer Propaganda eine entscheidende Rolle, die bislang häufig unterschätzt wurde. Online-Unterrichte zum Koranstudium, zum Erlernen der arabischen Sprache sowie religiöse Schulungen werden von Frauen für Frauen angeboten. So finden sich in Stundenplänen sogenannter "Online-Kursräume" - die hauptsächlich für eine männliche Klientel konzipiert sind - auch Unterrichtsangebote speziell von Frauen für Frauen. Darüber hinaus werden szenetypische ideologische und religiöse Texte ins Deutsche übersetzt und verbreitet. Frauen aus der salafistischen Szene treten hierbei als "Ideologieproduzentinnen" auf und leisten dem eigenen Selbstverständnis zufolge "ihren Beitrag" an der da'wa für die islamische Gemeinschaft. Spendensammlungen, der Austausch über eine der eigenen Ideologie angepasste Kindererziehung und deren mögliche Umsetzung, Vermarktung einer "halal"-konformen Lebensweise sowie der Verkauf der dazugehörigen Produkte, Bekleidungsshops, Ausreise-Gruppen und Gruppen zur Eheanbahnung (auch zur Mehrehe) bilden das Spektrum der Aktivitäten von Frauen in der extremistisch-salafistischen Szene. Die Initiierung und Vertiefung von Radikalisierungsprozessen geschieht nicht nur im Internet, sondern wird durch Mentoren oder eine peer-group in der Realwelt begleitet und gefördert. Eine ausschließliche Radikalisierung über das Internet ist seltener zu beobachten, selbst bei Jugendlichen. Die innerhalb der Szene gebildeten Familienstrukturen verfestigen sich durch die Geburt von Kindern. Nach ihrer Ausreise - einhergehend mit dem militärischen Druck auf den IS ein insgesamt stagnierendes Phänomen - waren Frauen in den jihadistischen Kampfgebieten vor allem in den sozialen Netzwerken aktiv, um von ihrem "Leben im Kalifat" zu berichten. Zwar sind diese Berichte nicht als belastbare Quellen über das Alltagsleben im Gebiet des IS zu werten, da sie nicht verifizierbar sind. Sie erfahren jedoch eine entscheidende Relevanz in Wahrnehmung und Aufnahme durch Frauen und Mädchen, die noch im Prozess der Radikalisierung begriffen sind. Die in diesen Schriften propagierten Ideale und Utopien, die das Leben in einer vermeintlich moralischen Gesellschaft ohne Schranken von Herkunft oder sozialer Zugehörigkeit idealisieren, bieten ein Gegenmodell zu den im Rahmen des Radikalisierungsverlaufs verstärkten Demütigungsund Opfererfahrungen. Die Rolle von Frauen bei einer ideologisch angeleiteten Kindererziehung Einem strikten zweigeteilten Rollenbild entsprechend nehmen Frauen sowohl in der extremistisch-salafistischen als auch in der jihadistischen Szene eine entscheidende Rolle bei der Kindererziehung ein. In ihrer Rolle als "Ideologieproduzentinnen" vermitteln sie spezifische ideologische Inhalte auch für Kinder. Familiengründung und die Erziehung der Kinder erfolgen nach den ideologischen Vorstellungen der Szene. Im jihadistischen Diskurs umfasst dies die Motive des Heranziehens einer neuen Generation der "Umma" bzw. des Kalifats, die u.a. als "Junglöwen" oder auch "Schlächter von morgen" im Kampf geschult und dementsprechend indoktriniert werden. Die propagierten Erziehungsmethoden beinhalten beispielsweise religiöse Schulung, Kampftraining, die Bereitstellung von Kriegsspielzeug und die Ablehnung von Kinderliedern. Im Rahmen der jihadistischen Propaganda wird Bildmaterial von Kindersoldaten, Kamptraining von Kindern sowie fingierter und auch tatsächlich durchgeführter Exekutionen von Gefangenen durch Kleinstkinder bereitgestellt. Anleitungen zur "richtigen" Erziehung von Kindern werden in Form von pdf-Dateien, Kanälen in Messengerdiensten, Homepages und im direkten Austausch verbreitet. Hierbei wird unter anderem die Frage nach Möglichkeiten einer "islam-konformen Kindertagespflege" diskutiert. Bereits im vergangenen Jahr wurden Apps für Kinder durch den IS auch auf dem deutschen Markt verbreitet. Diese Apps sind kindgerecht aufbereitet und eindeutig gewaltund kriegsverherrlichend. Sie wurden vom ISeigenen Himma-Verlag (maktabat al-himma) produziert. Hierbei handelte es sich um eine du'a-App (zum Erlernen von Bittgebeten) und eine App zum Erlernen der arabischen Schrift, die gewaltverherrlichende Inhalte aufzeigten. 97 Frauen als Rückkehrerinnen Vor allem im Zusammenhang mit Ausreisen in jihadistische Kampfgebiete ist die hohe Zahl von Frauen auffällig. Durch die zunehmende militärische Zurückdrängung des IS ist damit zu rechnen, dass vor allem die Zahl der Frauen, die zurückkehren bzw. von staatlichen Stellen aus der Region nach Deutschland überführt werden, steigen wird. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass vor allem Frauen aus den Kriegsgebieten nach Deutschland zurückkehren, wobei ein Großteil dieser Frauen nach bisherigen Erkenntnissen die extremistisch-salafistische Ideologie weiterhin verinnerlicht hat. Der Generalbundesanwalt (GBA) leitet im Fall der Rückkehr von Jihadisten aus Kampfgebieten konsequent Strafverfahren ein, soweit strafbare Handlungen im Ausland nachweisbar sind. Doch liegen nicht immer - vor allem bei Frauen - gerichtsfeste Beweise vor. Rückkehrerinnen, die bereit sind, sich von der Ideologie loszusagen und den Weg in unsere Gesellschaft zurückfinden wollen, werden z.B. durch das "Aussteigerprogramm Islamismus (API)" des Verfassungsschutzes unterstützt. Prognose Nach dem Wegfall einer größeren Anzahl von Männern innerhalb der Szene durch repressive Maßnahmen seitens der Sicherheitsbehörden, ist die Stärkung der Rolle von Mädchen und Frauen wahrscheinlich. Bereits deutlich wahrnehmbar ist ein Anstieg der Aktivitäten von Frauen vor allem in den sozialen Netzwerken. Darüber hinaus sind inzwischen durch die Geburt von Kindern Familienverbünde entstanden: Hieraus wird die gesamtgesellschaftliche Herausforderung erwachsen, mit einer "zweiten Generation von Salafisten", die nicht im Laufe ihrer Pubertät oder als junge Erwachsene radikalisiert wurden, umzugehen. 98 Im Fokus: Gefangenenhilfe im extremistischen Salafismus Netzwerke zur Gefangenenhilfe Die Anzahl der Ermittlungsverfahren, Gerichtsprozesse und verurteilten Personen aus dem extremistischsalafistischen Spektrum ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Dies resultiert aus Ausreiseund Rückreisesachverhalten in und aus jihadistischen Kampfgebieten seit dem Jahr 2012 sowie finanziellen oder logistischen Unterstützungshandlungen für jihadistische Organisationen aus Deutschland heraus (insbesondere für den sogenannten Islamischen Staat und al-Qaida-nahe Organisationen). Ebenso führt die Verfolgung von Propaganda-Delikten zu einer steigenden Zahl von Ermittlungsverfahren. Als Reaktion hierauf haben sich innerhalb der extremistisch-salafistischen Szene Unterstützungsnetzwerke gebildet. Zielsetzung dieser Netzwerke ist die Betreuung von Personen im Rahmen von Strafprozessen und die Begleitung in der Haft. Sie betreiben damit eine "Gegen-Resozialisierung". Die Beobachtung solcher Netzwerke obliegt dem Verfassungsschutz. In Nordrhein-Westfalen sind derzeit zwei Organisationen im Bereich der salafistischen Gefangenenhilfe aktiv und werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Der ehemalige Linksterrorist Bernhard Falk widmet sich nach seinem Übertritt zum Islam seit mehreren Jahren dem Thema. Er macht in sozialen Netzwerken Propaganda für diese Gefangenenhilfe, unterstützt Angehörige und Inhaftierte und besucht Gerichtsprozesse. In Solingen besteht ein Netzwerk namens "al-Asraa" (dt. "die Gefangenen"). Hier geht es primär um den Austausch mit den Inhaftierten, insbesondere durch Briefkorrespondenzen in die Justizvollzugsanstalten und durch Spenden für die Islamisten in der Haft. Im Jahr 2015 ist bereits das extremistisch-salafistische Gefangenenhilfsnetzwerk "Ansaarul Aseer" (dt. "die Unterstützer des Gefangenen") mit Sitz in Solingen verboten worden. Besonderes Problem: Rückkehrer Innerhalb von vier Jahren - bis 2017 - sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 970 Personen aus Deutschland mit einer jihadistischen Intention ausgereist, davon 255 aus Nordrhein-Westfalen. Über 300 Personen sind bereits zurückgekehrt, davon 75 nach Nordrhein-Westfalen. Seit Anfang des Jahres 2018 hat es weitere Rückkehrer gegeben. Der Anschluss an eine terroristische Organisation stellt eine Straftat dar. Sofern diesbezüglich ein Nachweis geführt werden kann, werden solche Personen nach ihrer Rückkehr angeklagt. In den Strafverfahren konnten regelmäßig genügend Beweise erbracht werden, so dass die meisten Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Dadurch steigt die Zahl der radikalisierten Personen des extremistisch-salafistischen Spektrums an, die sich in Justizvollzugsanstalten befinden. Sowohl Rückkehrer als auch Rückkehrerinnen aus jihadistischen Kampfgebieten, stellen eine besondere Sicherheitsrelevanz dar. Diese resultiert daraus, dass sie in der Regel einen kompletten Radikalisierungsprozess durchlaufen haben, vertiefte Kennverhältnisse zu anderen Radikalisierten besitzen und Kampferfahrungen oder zumindest Kenntnisse im Umgang mit Waffen in einem Krisengebiet erlernen konnten. Zudem kehrt ein Teil der Rückkehrerinnen und Rückkehrer in die extremistisch-salafistische Szene zurück. Ihre jihadistische Ideologie haben sie also nach wie vor verinnerlicht. Ausblick Durch die hohe Anzahl an laufenden Strafverfahren und Verurteilungen von Anhängern der extremistischsalafistischen Szene wird der "Gefangenenhilfe" in Zukunft eine noch wachsende Bedeutung zukommen. Von einer zunehmenden Einflussnahme durch Personen der extremistisch-salafistischen und jihadistischen Szene in Justizvollzugsanstalten ist derzeit auszugehen. 99 Das Justizministerium NRW hat im Frühjahr 2018 eine Zentralstelle zur Terrorismusbekämpfung ("ZenTer NRW") eingerichtet, die die Aufgaben bei der Bearbeitung von Gefährdern in Nordrhein-Westfalen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf zentralisiert. Im Jahr 2017 wurde in Essen ein Kompetenzzentrum der Justiz zur Bekämpfung von Radikalisierungsprozessen in Justizvollzugsanstalten gegründet. Ziel ist die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz im Umgang mit radikalisierten Häftlingen und eine Fallberatung. Daneben ist auch das Aussteigerprogramm Islamismus des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen in diesem Umfeld aktiv und betreut Fälle von Rückkehrern in Justizvollzugsanstalten. Der hohe Grad der Radikalisierung macht eine langfristige Laufzeit der Programme nötig, um eine nachhaltige Wirkung zu entfalten. 100 Extremistischer Salafismus Sitz / Verbreitung Alle Regionen Nordrhein-Westfalens, Schwerpunkte in den Ballungszentren des Rheinlands und des Ruhrgebiets Gründung / Bestehen seit Ursprung salafistischer Bestrebungen: Historische islamische Strömungen vor allem Saudi-Arabiens und Ägyptens. Die ideologischen Grundlagen basieren in großen Teilen auf dem sogenannten "Wahhabismus". Ursprung jihadistischer Bestrebungen: Mujahidin-Bewegung der 1980er Jahre in Afghanistan. Nordrhein-Westfalen: ab etwa 2003 erste gezielte deutschsprachige Aktivitäten Struktur / Repräsentanz Die extremistisch-salafistische Szene in Nordrhein-Westfalen setzt sich aus Vereinen, Netzwerken und Hauptakteuren zusammen. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gab es zum Jahresende 2017 rund 70 salafistisch-beeinflusste Moscheevereine, sieben größere Netzwerke und 32 Hauptakteure der Szene in NordrheinWestfalen. Es existiert in Deutschland bisher weder ein Dachverband salafistischer Strukturen, noch eine politische Repräsentanz, wie beispielsweise eine Partei. Entsprechende Vorstöße sind bislang regelmäßig gescheitert und stoßen auf ideologische Vorbehalte innerhalb der Szene. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bekannte extremistische Salafisten: NRW: 3.000 davon eher politisch: rund 2.200 eher gewaltorientiert: 800 Veröffentlichungen Verbreitung der Ideologie über eigene Web-Angebote, Blogs und soziale Netzwerke, Informationsstände, Vereinsaktivitäten und Vortragsveranstaltungen beziehungsweise Seminare Kurzportrait / Ziele Der extremistische Salafismus teilt sich ideologisch in zwei Grundströmungen auf: eine politische und eine gewaltorientierte / jihadistische Richtung. Politische Salafisten vertreten eine anti-demokratische und damit verfassungsfeindliche Ideologie: Diese basiert auf religiösen Versatzstücken, die der islamischen Religion entlehnt sind. Sie streben die Errichtung eines vermeintlich "authentisch-islamischen Staatssystems" an. Ihre Hauptaktivität besteht in der Missionierungsarbeit und dem langfristigen Aufbau von Strukturen. Gewaltorientierte Salafisten, die auch als Jihadisten bezeichnet werden können, stellen den Jihad im Sinne eines bewaffneten militärischen Kampfes in den Mittelpunkt ihrer Ideologie. Sie sind gewillt, ihre Vision von einem "islamischen Staat" auch mit Waffengewalt umzusetzen. Der Übergang zwischen den beiden ideologischen Strömungen ist fließend. Finanzierung Spenden (teilweise aus dem Ausland), wirtschaftliche Betätigung, Kriminalität Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit 101 Anhänger der extremistisch-salafistischen Szene verstehen die islamische Religion als Ideologie und die Scharia als gottgegebenes Ordnungsund Herrschaftssystem. Dieser Ideologie folgend wird Demokratie als eine falsche "Religion" und die Teilnahme an Wahlen somit als ein "Götzendienst" angesehen. Es gilt das Prinzip der "göttlichen Souveränität": Gesetze können der salafistischen Ideologie folgend nur von Gott ausgehen, aber niemals vom einem gewählten Gesetzgeber gemacht werden. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung sei demnach unvereinbar mit dem extremistischen Salafismus. Die salafistische Ideologie propagiert eine Lösung aller gesellschaftlichen Probleme durch die uneingeschränkte Anwendung von Koran und Sunna (prophetische Tradition). Hierzu zählt die konsequente und buchstabengetreue Anwendung der "Scharia" nach salafistischer Auslegung (in diesem Sinn ein ganzheitliches Regelwerk, das alle Aspekte des Lebens eines Muslims umfasst). Die Umsetzung der beschriebenen Vorschriften umfasst auch das Privatleben: So wird eine rigide Trennung von Mann und Frau nicht nur in der Moschee, sondern insgesamt im öffentlichen Raum gefordert. Eine gemeinsame schulische Erziehung von Jungen und Mädchen ebenso wie die Berufstätigkeit von Frauen wird grundsätzlich abgelehnt. Frauen sind diesem Wertebild zufolge nominell gleichwertig, aber nicht gleichberechtigt. Darüber hinaus propagieren gewaltorientierte Salafisten offen den "Jihad" im Sinne eines bewaffneten Kampfes ebenso wie das "Märtyrertum". Die salafistische Ideologie widerspricht somit in wesentlichen Aspekten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Aus der ablehnenden und offen feindseligen Haltung gegenüber der übrigen Gesellschaft und der teilweise hohen Gewaltaffinität resultiert ein großes Konfliktpotenzial, welches das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben gefährdet. Extremistische und jihadistische Propaganda hat in der Vergangenheit vielfach Radikalisierungsprozesse gefördert. Es geht insbesondere von gewaltorientierten Salafisten eine tatsächliche Gefährdung für die innere Sicherheit in Deutschland aus. Sie sind bereit, zur Umsetzung ihrer Ziele auch in Deutschland schwerste Gewalttaten und Anschläge zu verüben und schrecken auch vor vielfachem Mord nicht zurück. Die Utopie eines "islamischen Staates" steht in diametralem Widerspruch zur politischen und gesellschaftlichen Ordnung in Deutschland und Europa. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Entwicklungen im Bereich "Missionierung / Rekrutierung" Das Betätigungsfeld "Straßenmissionierung" ist im Jahr 2017 weitgehend zum Erliegen gekommen. Dies ist eine unmittelbare Folge des Vereinsverbotes gegen die Lies!-Kampagne im November 2016. Die derzeit einzig legale Missionierungskampagne - We love Muhammad - entfaltet nur wenige Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen. Lies! Die gegen das Verbot des Vereins Die wahre Religion erhobenen Klagen zweier Vereinsmitglieder, darunter des Gründers des Vereins, sind am 19. Dezember 2017 zurückgenommen worden. Da der Verein selbst nicht gegen das Verbot geklagt hatte, ist die Verbotsverfügung bestandskräftig geworden. Aktivitäten des Vereins bzw. von Nachfolgeorganisationen bleiben damit in Deutschland verboten. Koranverteilungen unter diesem Label finden nicht mehr statt. We love Muhammad Seit der Gründung des Projektes We love Muhammad im Jahr 2016 wurden insbesondere in Großstädten vereinzelte Verteilaktionen im Berichtsjahr festgestellt. Neben den Initiatoren Bilal Gümüs und Pierre Vogel sind auch die Teilnehmer dem extremistisch-salafistischen Personenspektrum zuzurechnen. Im Rahmen der mobilen Aktionen werden neben der Mohamed-Biografie weitere Broschüren zur Verbreitung der extremistisch102 salafistischen Ideologie kostenfrei verteilt. Das gesamte Informationsmaterial ist darüber hinaus auch online erhältlich. Die öffentliche Präsenz dieses Projektes ist im Vergleich zur damaligen Lies!Aktion als verschwindend gering zu bezeichnen. Da die Teilnehmer und Organisatoren jedoch in der Szene des extremistischen Salafismus zu verorten sind, steht das Projekt weiterhin unter Beobachtung. Entwicklungen im Bereich "Hilfsorganisationen" Anders als im Bereich der Straßenmissionierung, haben sich einzelne Vereine im Bereich der Hilfsorganisationen erheblich weiter entwickelt und zusätzliche Aktivitäten entfaltet. Auch dies könnte eine Folge des Lies!-Verbots sein, da salafistische Aktivisten nunmehr in andere Betätigungsfelder ausweichen und sich in diesen Vereinen engagieren. Ansaar International Der Verein Ansaar International e.V. ist im Jahr 2012 unter dem Namen Ansaar Düsseldorf e. V. (bis 2014) gegründet worden und deutete damit auf seinen Ursprungsort hin. Vordergründig verfolgt Ansaar den Zweck, humanitäre Hilfe für Muslime weltweit (beispielweise in Syrien, Somalia, Marokko, Burma etc.) zu leisten. Neben dem Sammeln von Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen, erschließt sich der Verein immer weitere Einnahmequellen. Insbesondere seit dem Jahr 2017 ist in Nordrhein-Westfalen - aber auch bundesweit - eine beträchtliche Zunahme der Aktivitäten zu erkennen. Im Laufe des Jahres wurde in Düsseldorf ein Ladenlokal mit dem Namen "Ummashop" eröffnet, wo u.a. auch die Kleidung der neuen Marke von Ansaar namens "Ansaar clothing", vertrieben wird. Ferner wurde die Blck Stone GmbH gegründet. Blck Stone bietet Muslimen die Möglichkeit, im Rahmen eines All-Inclusive-Pakets die Umra (kleine Pilgerfahrt) bzw. die Haddsch (Pilgerfahrt) durchzuführen. Des Weiteren wurden ein Restaurant sowie ein Second-Hand-Shop für gebrauchte Kleidungsstücke eröffnet. Laut eigenen Angaben fließen die Gewinne dieser Geschäftsfelder zu 100 Prozent in die Projekte von Ansaar. In den Fokus ist in diesem Zusammenhang auch der Verein "WWR-Help e.V." (World Wide ResistanceHelp e.V.) gerückt. Dieser im August 2014 gegründete Verein mit Sitz in Neuss bezeichnet sich als Hilfsverein zur Unterstützung und Förderung von Kriegsopfern, Kriegshinterbliebenen, Kriegsgefangenen sowie hilfsbedürftigen und notleidenden Menschen in Kriegsund Krisengebieten. Im Vordergrund seiner Aktivitäten steht die Hilfe der Betroffenen im Gazastreifen. Der Verein führt seine Spendenkampagnen hauptsächlich auf seinem eigenen Internetauftritt (www.wwr-help.org) und über Social Media-Plattformen durch. Es besteht eine enge Verbindung des Vereins zu Ansaar. So sind verwandtschaftliche und organisatorische Verknüpfungen zwischen den beiden Vereinen erkennbar. Aufgrund der engen Verflechtung muss davon ausgegangen werden, dass WWR-Help e. V. sämtliche Handlungen und Einstellungen Ansaars billigt und gutheißt. Durch diese enge organisatorische Verknüpfung wird WWR als Teilorganisation von Ansaar International eingeschätzt. Auch wenn Ansaar öffentliche Veranstaltungen mit bekannten extremistischen Salafisten vermeidet, ist keine Abkehr des Vereins von extremistisch-salafistischen Bestrebungen zu erkennen, da stattdessen intensive Kooperationen mit anderen Personen der extremistisch-salafistischen Szene erfolgen. Auffällig ist hierbei, dass es beim Personenkreis mittlerweile einige Überschneidungen zwischen diesem Verein und dem mittlerweile verbotenen Verein Die Wahre Religion/Lies! gibt. Dies deutet darauf hin, dass Ansaar International in der extremistischen Szene ein Vakuum füllt, das durch das Lies!-Verbot hinterlassen wurde. Helfen in Not Der im Jahr 2013 gegründete Verein Helfen in Not (HiN) bezeichnet sich als Hilfsverein zur Unterstützung notleidender Muslime. Im Vordergrund seiner Aktivitäten steht die Hilfe für vom Bürgerkrieg betroffene Menschen in Syrien. HiN liefert medizinische Güter und Kleidung nach Syrien und Bangladesch (vor dem Hintergrund des Rohingya-Konflikts). Im Berichtsjahr 2017 wurde festgestellt, dass auch ein niederländischer Ableger des Vereins existiert. Eine wesentliche Änderung hinsichtlich handelnder Personen und der Aktivitäten war im Jahr 2017 nicht erkennbar. Bei allen Aktivitäten des Vereins in Nordrhein-Westfalen und im übrigen Bundesgebiet zeigt sich jedoch 103 nach wie vor die feste Einbindung in die extremistisch-salafistische Szene, in der auch der "Kampf gegen die Feinde des Islams" gutgeheißen wird. Medizin mit Herz Der Verein Medizin mit Herz wurde im Sommer 2013 gegründet und hatte seinen letzten Sitz in Hennef. Der Verein sammelt Hilfsgüter und Krankenwagen für vordergründig humanitäre Zwecke in Syrien. Durch seine Aktivitäten hat er Bezüge über die Region Bonn hinaus auch in andere Bundesländer. Akteure, die für den Verein tätig sind und für ihn werben, können der extremistisch-salafistischen Szene im Raum Bonn zugerechnet werden. Auf dieser Grundlage werden der Verein und seine Aktivitäten durch den Verfassungsschutz NordrheinWestfalen beobachtet. Eine wesentliche Änderung hinsichtlich handelnder Personen und der grundsätzlichen Ausrichtung war im Jahr 2017 nicht erkennbar. Berichte auf den Webseiten des Vereins und in den sozialen Netzwerken belegen, dass Medizin mit Herz seine Aktivitäten - wenn auch in vermindertem Umfang - im Berichtsjahr weiter fortführte. Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen zwei Beschuldigte wegen des Verdachts der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra (JaN) wurden am 8.Februar 2017 mehrere Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Nordrhein-Westfalen und Großbritannien durchsucht. Die beiden Beschuldigten sollen die JaN bereits seit mehreren Jahren unterstützt und Spenden gesammelt haben sowie an der Organisation und Durchführung von Hilfskonvois beteiligt gewesen sein. Afrikabrunnen Der Verein Afrikabrunnen e. V., der sich mittlerweile in "Blue Springs LTD" umbenannt hat, hat seine deutsche Niederlassung in Dortmund. Der Verein stellte sich anfangs als rein humanitäre Organisation im salafistischen Spektrum dar. Sein Zweck war lange Zeit vorrangig humanitäre Aufbauhilfe in Afrika. Zielsetzung der Vereinsaktivitäten war eigenen Angaben zufolge, die Sicherstellung der Grundversorgung mit Wasser auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Bei Veranstaltungen traten regelmäßig salafistische Prediger aus dem Umfeld der beobachteten Missionierungsnetzwerke auf. Sie wurden von den Verantwortlichen über soziale Netzwerke beworben. Der bisherige Hauptakteur des Vereins hielt sich im Jahr 2017 im Ausland auf. Entwicklungen im Bereich "Gefangenenhilfe" Eine inhaltlich zunehmende Bedeutung hat das Thema Gefangenenhilfe für die salafistische Szene. Durch Propagandaund Unterstützungstätigkeiten für den sogenannten Islamischen Staat und andere jihadistische Organisationen hat sich die Anzahl von Straftaten unter den Salafisten in den vergangenen Jahren vervielfacht. Auch Rückkehrer aus Kampfgebieten werden strafrechtlich verfolgt und erhalten oftmals mehrjährige Haftstrafen. Der Themenkomplex "Rückkehr" hat nach dem militärischen Niedergang des sogenannten Islamischen Staates an Bedeutung zugenommen. Ehemals in jihadistische Kampfgebiete ausgereiste Männer, aber auch viele Frauen, befinden zurzeit im Irak oder im türkisch-syrischen Grenzgebiet in Internierungslagern oder in Haft. Personen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit werden perspektivisch in der kommenden Zeit sukzessive nach Deutschland zurückkehren. Die hohe Zahl an Personen, die derzeit angeklagt oder bereits verurteilt sind, wird von Netzwerken betreut, die sich gezielt der "Gefangenenhilfe" widmen. In Nordrhein-Westfalen sind derzeit zwei Organisationen in diesem Bereich tätig. Bernhard FALK Wie bereits in den vorangegangenen Jahren widmete sich Bernhard FALK, alias Muntasir billah (deutsch: "siegreich durch Gott"), auch weiterhin intensiv der Gefangenenhilfe. Er vertritt die Ansicht, dass die Bundesrepublik Deutschland einen Kampf gegen "den Islam" betreibt und steht für den nach seinem Empfinden zwingend erforderlichen "Islamischen Widerstand gegen den Imperialismus der USA, der BRD und Israels". Die gestiegene Zahl der Strafverfahren gegen Angehörige der extremistisch-salafistischen Szene führte Falk quer durch das Bundesgebiet. Er wohnte den Hauptverhandlungen bei, unterhielt nach eigenem Bekunden enge Kontakte zu den Strafverteidigern und berichtete in sozialen Netzwerken über die Prozessverläufe. Daneben ruft er 104 die "Geschwister" zur Kontaktaufnahme mit den "muslimischen politischen Gefangenen der BRD" und zu Spendenzahlungen auf. Nach wie vor äußert sich Falk positiv zu al-Qaida-Gruppierungen, die zum ursprünglichen Netzwerk des Aiman alZawahiri gezählt werden können. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gefangenen unterscheidet er aber nicht zwischen Anhängern dieser Gruppierungen und denen des sogenannten Islamischen Staates. Hier ist vielmehr der Kampf gegen westliche Werte und Weltanschauungen gemeinsamer Nenner, so dass er auch diesen die uneingeschränkte Unterstützung zuteilwerden lässt. Dieser Umstand und ein offen in den sozialen Netzwerken ausgetragener Disput mit dem salafistischen Prediger Pierre Vogel rückt Falk zumindest ideologisch in den Bereich des jihadistischen Salafismus. In der extremistisch-salafistischen Szene wird der Gefangenenbetreuung eine bedeutende Aufgabe zuteil. Neben der bloßen Darstellung der Geschehnisse soll insbesondere die Verbundenheit innerhalb der Szene gestärkt und eine Abkehr von der salafistischen Ideologie, d.h. eine Resozialisierung, verhindert werden. Dieses versucht Falk mit seiner Berichterstattung über angebliche Unterdrückung und Diffamierung der Muslime zu erreichen. Gefangeneninitiative "Al Asraa - Die Gefangenen" Die 2015 gegründete salafistische Vereinigung Al Asraa - Die Gefangenen hat sich auf die Betreuung von inhaftierten Personen sowie ihren Angehörigen spezialisiert. Zentrales Aufgabenfeld ist die persönliche Betreuung von Häftlingen in Justizvollzugsanstalten. So werden Inhaftierte und ihre Angehörige in Deutschland durch "seelische und finanzielle Zuwendungen" unterstützt. Diese Zuwendungen erfolgen vorwiegend durch das Versenden von handgeschriebenen Briefen, selbstgemalten Bildern - auch von Kindern - oder Büchern von islamistischen Ideologen an Inhaftierte. Daneben werden sogenannte "Patenschaften" vermittelt, um einen dauerhaften persönlichen Kontakt zu Inhaftierten aufzubauen. Insbesondere die öffentliche Berichterstattung über das vermeintliche "Leid muslimischer Gefangener" sowie der Verlauf von Gerichtsprozessen nehmen einen hohen Stellenwert in der Öffentlichkeitsarbeit von Al Asraa - Die Gefangenen ein. Als Begründung für die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen wird öffentlich erklärt, dass diese "Arbeit" eine "religiöse Verpflichtung" darstelle, die mit der Hoffnung "auf den Lohn bei Allah" verbunden sei. Über soziale Netzwerke findet ein interaktiver Austausch mit potentiellen Unterstützern und Spendern statt. Anfang August 2017 erweitere Al Asraa - Die Gefangenen seine Organisationsstruktur und etablierte den sog. "Al Asraa Basaar". Hierüber sollen - ähnlich einer Auktion - Gegenstände über soziale Netzwerke veräußert werden. Der daraus entstandene Erlös solle dann Inhaftierten und ihren Familien zugutekommen. Die Vereinigung Al Asraa - Die Gefangenen versucht stetig, Personen in ihrer salafistischen Ideologie zu festigen. Sie greift auf Zitate und Quellen der jihadistischen Ideologie zurück, die in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Inhaftierung oder von Gerichtsurteilen findet nicht statt. Für Al Asraa - Die Gefangenen ist bloß die religiöse Ausrichtung des Menschen relevant. Nur wer nach ihren Vorstellungen "muslimisch" ist, gehört zur Gemeinschaft und muss vor "schädlichen" Einflüssen bewahrt werden. Inhaftierte Muslime werden nicht nur glorifiziert, sondern als wahre Muslime präsentiert, die aufgrund ihrer Religiosität in Gefängnissen große Opfer der "Ungläubigen" erleiden müssen. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Der extremistische Salafismus nimmt weiterhin einen hohen Stellenwert in der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ein. Obwohl die Anzahl der Anschläge im Jahr 2017 in Deutschland zurückgegangen ist, stellen gewaltorientierte Salafisten und Rückkehrer aus jihadistischen Kampfgebieten auch weiterhin eine große Gefahr für die innere Sicherheit dar. Die extremistisch-salafistische Szene in Nordrhein-Westfalen befindet sich derzeit in einem Umbruch. Staatliche Maßnahmen wie Strafverfahren und das Verbot von Die Wahre Religion/Lies! zeigen Wirkung und führen zu einer Fragmentierung der Szenestrukturen. Bisherige Hauptakteure befinden sich in Haft, andere treten öffentlich kaum oder gar nicht mehr in Erscheinung. Dieses Vakuum wird von anderen Personen nach und nach gefüllt. So 105 ist eine Stärkung der Rolle von Mädchen und Frauen erkennbar, insbesondere in den Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Schwerpunkte haben sich verschoben: Während 2016 noch Straßenmissionierungskampagnen im Vordergrund standen, ist die Bedeutung von sogenannten Hilfsorganisationen gestiegen. Diese agieren weniger im öffentlichen Raum, binden aber ebenso ein großes Anhängerpotenzial und generieren Gelder für die Szene. Weitere Umbrüche sind zu erwarten. Bislang gehören dem beobachteten salafistischen Spektrums in Nordrhein-Westfalen weniger als 10% Personen an, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Es ist jedoch festzustellen, dass drei von sechs Anschlägen in Deutschland in den Jahren 2016 und 2017 von dieser Personengruppe ausgeführt wurden. Diese Entwicklung muss intensiv beobachtet und ihr mit entsprechender repressiver und präventiver Arbeit begegnet werden. Die Auswirkungen des militärischen Niedergangs des sogenannten Islamischen Staates sind spürbar: Die Ausreisewelle in die Jihad-Gebiete aus Nordrhein-Westfalen ist vollkommen zum Erliegen gekommen. Propagandaaktivitäten in den sozialen Netzwerken liefen zeitweise kaum weiter; da die Medienproduktionsstätten des IS zwischenzeitlich nicht mehr handlungsfähig waren. Zum Jahreswechsel 2017/18 nahm die Verbreitung von Propagandaprodukten wie Bildern, Audiodateien und Videos, größtenteils über die Plattformen der sozialen Medien wieder zu Der IS ist nach wie vor nicht endgültig geschlagen. Im Ausland existieren funktionierende Ableger, Zellen und sogenannte Provinzen des IS. In Nordrhein-Westfalen ist eine Sympathisanten-Szene nach wie vor existent und aktiv. In 2018 ist mit einer signifikanten Zunahme von Rückkehrern aus dem Kriegsgebiet in Syrien und dem Irak zu rechnen. Viele männliche Ausgereiste sind vor Ort zu Tode gekommen, jedoch stehen insbesondere Frauen und deren Kinder vor einer Wiedereinreise nach Deutschland. Darauf stellen sich neben den Sicherheitsbehörden auch die Jugendbehörden ein. Es ist mit einer sukzessiven Rückkehr von Personen aus jihadistischen Kampfgebieten zu rechnen. Dieser Rückfluss in die Szene wird in den kommenden Jahren das Radikalisierungspotenzial im Salafismus auf einem hohen Niveau halten. Frauen - insbesondere Rückkehrerinnen - werden zukünftig eine größere Rolle als Multiplikatorinnen innerhalb der Szene einnehmen und versuchen, Gleichgesinnte zu radikalisieren. Die beschriebene Gemengelage aus Szene-Aktivitäten in Deutschland, Rückkehrern aus jihadistischen Kampfgebieten und dem Radikalisierungspotenzial unter Flüchtlingen wird die Agenda der Sicherheitsbehörden in den kommenden Monaten bestimmen. Der Umgang mit jihadistischen Familienverbünden wird darüber hinaus auch andere Behörden wie Jugendämter beschäftigen - und eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellen. 106 Hamas Sitz / Verbreitung Hauptsitz der Vereinsstrukturen in Berlin, Aktivitäten auch in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern Gründung / Bestehen seit 1987 Struktur / Repräsentanz In Deutschland repräsentiert durch die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD). Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 NRW: 75 Veröffentlichungen Englischund arabischsprachiges Web-Angebot der Hamas-Kernorganisation; zeitweise deutschsprachige Seite der PGD in den sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Die sunnitische Hamas (Arabische Abkürzung für: "Bewegung des islamischen Widerstandes") hat sich aus dem palästinensischen Teil der Muslimbruderschaft entwickelt und wurde mit Beginn der ersten Intifada im Jahr 1987 aktiv. Das vorrangige politische Ziel der Hamas ist die "Befreiung" Gesamtpalästinas und damit die Auflösung Israels als eigenständiger Staat. Das Existenzrecht Israels wird nicht anerkannt, auch wenn moderate HamasPolitiker dies in der Vergangenheit unter bestimmten Bedingungen bei Verhandlungen in Aussicht stellten. Finanzierung In Deutschland: Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Hamas ist eine terroristische Organisation, verfügt aber neben ihrem paramilitärischen Arm, den Izzedin AlQassam-Brigaden, über eine Partei und ein soziales Hilfswerk. Sie ist für zahlreiche Selbstmordattentate und Raketenangriffe auf israelisches Gebiet verantwortlich. Die Feindschaft gegenüber Israel wird begleitet von einem virulenten Antisemitismus, der auch in der Charta der Hamas deutlich zum Ausdruck kommt. Als weiteres Ziel verfolgt die Hamas Muslimbruderschaft. Da sich diese Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, unterliegen sie nach SS 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Im Mai 2017 veröffentlichte die Hamas ein neues Grundsatzdokument. Es stellt jedoch keine wesentliche Abweichung gegenüber der ursprünglichen Hamas-Charta von 1987 dar. Die Organisation zeigt sich in dem neu verfassten Dokument einerseits grundsätzlich dazu bereit, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 hinzunehmen und betont, dass sich ihr Widerstand nicht gegen die jüdische Religion, sondern ausschließlich gegen den Staat Israel richte, gleichzeitig wird jedoch an einer vollkommenen Befreiung Palästinas vom "Jordan bis zum Mittelmeer" und am bewaffneten Widerstand festgehalten , wobei der "zionistischen Entität" jegliche Anerkennung zu verweigern sei. Am 15. April 2017 fand in Rotterdam/Niederlande die 15. Europakonferenz des Hamas-nahen Palestinian Return Center (PRC) statt. Mit circa 5.000 Personen war gegenüber 2016 eine 107 verringerte Teilnehmerzahl (17.000 in Malmö) zu verzeichnen. Aus Deutschland nahmen bis zu 1000 Personen teil. Hauptorganisator der Konferenz war das PRC London mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD).Die Konferenz stand unter dem Motto"100 Jahre, eine siegreiche Nation und unzerbrechliche Entschlossenheit". Am 26. Juli 2017 verkündete der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sein Urteil zur Listung der Hamas auf der "EU-Terrorliste". Die Große Kammer des EuGH hob die Entscheidung der vorherigen Instanz, dem Gericht der Europäischen Union (EuG), aus dem Jahr 2014 auf, in der die Listung der Hamas aus formellen Gründen für nichtig erklärt worden war. Der fortwährende Nahost-Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen beherrschte im Berichtszeitraum weiterhin die Aktivitäten der Hamas. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels am 6. Dezember 2017 durch den US-Präsidenten Donald Trump führte zu zahlreichen und harschen Reaktionen aus der arabischen und islamischen Welt. Hamas-Führer Ismail Hanija nahm die Anerkennung zum Anlass, eine neue Intifada 2 auszurufen. Bei den in Deutschland lebenden Palästinensern löste die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels Wut und Empörung aus, insbesondere unter den Hamas-Anhängern. Daraufhin folgten zahlreiche Demonstrationen in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen, die teilweise durch Hamas-Anhänger organisiert und mit Unterstützung der PGD und anderer Organisationen durchgeführt wurden. Die Kundgebungen in Düsseldorf, Köln, Bonn, Hagen und Recklinghausen verliefen hochemotional, vereinzelt kam es zu antisemitischen Vorfällen.. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Deutschland und NRW dienen den hier lebenden Hamas-Anhängern weiterhin als Rückzugsraum. Die Organisation konzentriert sich hierzulande darauf, Spendengelder zu generieren, die Anhängerschaft zu vergrößern und ihre Propaganda zu verbreiten. An einem gewaltsamen Auftreten haben sie daher grundsätzlich kein Interesse, was auch bei den genannten Kundgebungen deutlich wurde. Noch ist nicht abzusehen, wie sich die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA, die nachfolgend ausgerufene Intifada und der im Oktober 2017 gestartete Versöhnungsprozess zwischen den verfeindeten Palästinenserorganisationen Fatah (Westjordanland) und Hamas (Gazastreifen) auf den Nahostkonflikt auswirken werden. Eine Zuspitzung des israelisch-palästinensischen Konfliktes kann zukünftig zu weiteren Demonstrationen gegen israelische, jüdische oder auch amerikanische Einrichtungen führen. Eine Gewaltentfaltung durch stark emotionalisierte junge Palästinenser kann nicht ausgeschlossen werden. Zu gezielt gesteuerten Gewaltaufrufen von der Hamas nahestehenden Organisationen und Vereinen in Deutschland liegen keine Erkenntnisse vor. 2 Intifada bezeichnet die zwei Aufstände der Palästinenser in den Jahren 1987 und 2000 gegen Israel. Bei der letzten starben ca. 3000 Palästinenser und 1000 Israelis. 108 Hizb Allah (Partei Gottes) Sitz / Verbreitung Zentren in Münster und Hamburg Gründung / Bestehen seit 1982 Struktur / Repräsentanz Seit über 20 Jahren ist das Islamische Zentrum (Imam-Mahdi-Zentrum) in Münster eine Plattform und Begegnungsstätte für Hizb Allah-Anhänger in Nordrhein-Westfalen und im Westen Deutschlands. Weitere Schwerpunkte: Raum Essen / Bottrop, Dortmund und Bad Oeynhausen. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: 950 NRW: 105 (nur leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr) Veröffentlichungen Mehrsprachiges Web-Angebot Kurzportrait / Ziele Die paramilitärische schiitische Hizb Allah formierte sich 1982 als Reaktion auf den Einmarsch israelischer Truppen im Libanon. Die Organisation profitierte dabei vor allem von der iranischen Intervention während des libanesischen Bürgerkriegs. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Mit finanzieller und logistischer Unterstützung durch den Iran strebte die Hizb Allah in den ersten Jahren die Errichtung eines islamischen Gottesstaates nach iranischem Muster auf libanesischem Boden an. Sie wurde zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten, die über ein umfangreiches Waffenarsenal - einschließlich schweren Kriegsmaterials - verfügt. Die Organisation hat sich im weiteren Verlauf auf eine pragmatische, auf die Festigung ihres Einflusses bedachte Linie hin ausgerichtet. Die Hizb Allah ist mittlerweile gesellschaftlich und politisch ein bedeutender Akteur im Libanon. Im Gegenzug musste sie jedoch Teile ihres extremistischen Forderungskataloges aufgeben. Mit ihrer erfolgreichen Teilnahme an den libanesischen Parlamentswahlen und ihrer Integration in den politischen Prozess gelang es der Hizb Allah, sich in der Wahrnehmung der libanesischen Öffentlichkeit als legalistische Organisation zu verstetigen. Ihre Maximen einer Vernichtung des Staates Israel sowie die Errichtung einer "islamischen Herrschaft" über Jerusalem sind allerdings bis heute unverändert. Um diese Ziele zu erreichen, bedient sich die Hizb Allah auch terroristischer Mittel. Seit Jahren ist sie für Anschläge im nördlichen Israel verantwortlich und stellt damit eine unmittelbare Bedrohung für den Staat Israel dar. Bei der Hizb Allah handelt es sich weiterhin um eine international gut vernetzte terroristische Organisation, die aufgrund ihrer gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Aktivitäten vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz auf der Grundlage des SS 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW beobachtet wird. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum 109 Durch den syrischen Bürgerkrieg ist die Hizb Allah derzeit auf den Einsatz von Kämpfern auf Seiten der syrischen Regierungstruppen fokussiert. Neben der Unterstützung Syriens und des Irans in der Region binden die Sicherung der Grenzgebiete im Libanon und die Versorgung der eigenen Anhänger einen Großteil der Ressourcen. Deutschland stellt für die Organisation einen Operationsraum dar, der für logistische Unterstützungsleistungen, wie u. a. die Generierung von Finanzmitteln und die Rekrutierung neuer Mitglieder, genutzt werden kann. Sollten sich die aktuellen Hinweise auf Waffenbeschaffungsaktivitäten der Hizb Allah auch für den deutschen Raum bestätigen, würde dies die Annahme bestätigen, dass auch weiterhin Anschläge der Hizb Allah im europäischen Raum möglich sind. Dennoch liegen dem Verfassungsschutzverbund momentan keine konkreten Erkenntnisse zu einer von der Hizb Allah ausgehenden Bedrohung für israelische und westliche Interessen in Deutschland vor. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Hizb Allah-Anhänger in Deutschland halten sich weiterhin mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen zurück. Eine Änderung dieses Verhaltens in Deutschland kann auch im Hinblick auf die aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten (insbesondere in Syrien) bislang nicht festgestellt werden. 110 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) Sitz / Verbreitung Regionale Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht erkennbar Gründung / Bestehen seit 1952 Struktur / Repräsentanz In der Bundesrepublik Deutschland ist die HuT in verschiedene Regionen aufgeteilt; in diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zellen), die sich durch ein äußerst konspiratives Verhalten auszeichnen. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 35 Veröffentlichungen Mehrsprachiges Web-Angebot Kurzportrait / Ziele Die Hizb ut-Tahrir (HuT) wurde 1952 von dem Rechtsgelehrten Scheikh Taqi al-Din al-Nabhani, einem ehemaligen Mitglied der ägyptischen und palästinensischen Muslimbruderschaft, gegründet. Es handelt sich um eine pan-islamistische Bewegung, die sich an alle Muslime richtet. Vorrangige Ziele der Organisation sind die Wiedereinführung des 1924 durch die Republik Türkei abgeschafften Kalifats und die Errichtung eines islamischen Staats unter Führung eines Kalifen. Dieser soll die Scharia als Grundlage und Maßstab staatlichen Handelns im Kalifat durchsetzen. Säkulare Staatsformen stehen hierzu im Widerspruch und werden bekämpft. Islam und Demokratie sind für die HuT nicht miteinander vereinbar. Zur Durchsetzung ihrer Ziele versucht die HuT vor allem einflussreiche Persönlichkeiten und Akademiker zu rekrutieren, die ihre herausgehobene gesellschaftliche Position zur gezielten Einflussnahme im Sinne der HuT instrumentalisieren sollen. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die HuT unterliegt in Deutschland einem Betätigungsverbot. Am 19. Juni 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Klage der HuT gegen das vom Bundesminister des Innern im Januar 2003 ausgesprochene Betätigungsverbot für unzulässig erklärt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die HuT dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen habe. Sie habe den Sturz von Regierungen in islamisch ausgerichteten Staaten gefordert. Diese sollen durch ein auf den Regeln der Scharia basierendes Kalifat ersetzt werden. Diese Ziele der HuT laufen den Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention zuwider. Die Organisation konnte sich bei ihrer Klage nicht auf das in Art. 11 EMRK bestimmte Recht auf Versammlungsund Vereinigungsfreiheit berufen. Die HuT kennzeichnet ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus. Juden, aber auch Christen, gelten entgegen der mehrheitlich von islamischen Gelehrten vertretenen Meinung als Ungläubige. Ihre Lebensform sei 111 abzulehnen. Mit ihnen sollte möglichst kein Kontakt gehalten werden, da sie ein Bündnis mit dem Ziel eingegangen seien, den Islam zu zerstören. Grundlage für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist nach SS 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW die Agitation gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Öffentliche Veranstaltungen der HuT sind im Berichtszeitraum nicht durchgeführt worden. Das Betätigungsverbot wurde dahingehend eingehalten. Von konspirativen Treffen in Kleingruppen wird weiterhin ausgegangen. Darüber hinaus ist eine Verlagerung von Aktivitäten in die sozialen Netzwerke zu beobachten. Dass die HuT weiterhin Deutschland im Blick behält, verdeutlicht eine im August 2017 veröffentlichte Stellungnahme des im Libanon ansässigen Medienbüros der HuT zur Verurteilung des Salafisten Sven Lau durch das Oberlandesgericht Düsseldorf. Darin findet sich der Vorwurf, dass Sven Lau aufgrund einer unzulänglichen Beweislage verurteilt worden sei und die Entscheidung des Gerichts ausschließlich politisch motiviert sei. Dahinter stehe das Ziel, die "islamische Revolution in Syrien" zu kriminalisieren und die innermuslimische Solidarität zu vernichten. Die HuT ruft dementsprechend zum Kampf gegen "säkulare Diktatoren" in der islamischen Welt auf, von dem man sich nicht durch weltliche Gerichte abhalten lassen dürfe. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Nutzung sozialer Netzwerke wird immer wichtiger für die Verbreitung des Gedankengutes der HuT und zur Gewinnung neuer Anhänger. Diese Verlagerung könnte ein Indiz dafür sein, dass eine Abkehr von der bisherigen Strategie der Elitenrekrutierung stattfindet, obwohl weiterhin von einer Mitgliederwerbung an Hochschulen auszugehen ist. 112 Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) Sitz / Verbreitung Vereinsstrukturen sind verboten, früherer Hauptsitz in Köln Gründung / Bestehen seit 1984 Struktur / Repräsentanz Keine offen erkennbaren Strukturen, aber mehrere islamische Gemeinden, die sich weiterhin der Ideologie des Kalifatsstaats verpflichtet fühlen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 220 in NRW Veröffentlichungen Muhacirun (Auswanderer) Mehrere Web-Angebote Kurzportrait / Ziele Im Jahre 1984 gründete Cemaleddin Kaplan (1926 - 1995) nach Loslösung von der Milli-Görüs-Bewegung den Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB) in Köln. Der Kalifatsstaat war eine am Führerprinzip orientierte und streng hierarchisch gegliederte Organisation. Ziel der Organisation war die Weltherrschaft des Islam unter dem Kalifat seines letzten Anführers Metin Kaplan. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Der Kalifatsstaat wurde im Jahr 2001 wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung sowie Gefährdung der inneren Sicherheit in Deutschland durch den Bundesminister des Innern verboten. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Öffentliche Veranstaltungen sind für den Kalifatsstaat nicht festzustellen, die Anhänger kommen jedoch nach wie vor an einschlägigen Treffpunkten zusammen und berufen sich dabei in unterschiedlicher Intensität auf die Ideologie des Kalifatsstaats. Unklar ist immer noch, welche Folgen die Haftentlassung Metin Kaplans im Jahr 2016 auf die Anhänger in Deutschland haben wird. Bisher ließen sich keine erfolgreichen Reorganisationsbestrebungen und auch keine nennenswerte Intensivierungen der Aktivitäten feststellen Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Fraktionierung der Anhängerschaft ist nach wie vor erkennbar, ebenso die Abwanderungstendenzen in den Salafismus. Ob Metin Kaplan diesen beiden Entwicklungen von der Türkei aus entgegenwirken kann, bleibt abzuwarten, erscheint jedoch zunehmend fraglich. 113 Muslimbruderschaft (unter anderem IGD) Sitz / Verbreitung Hauptsitz in Köln Gründung / Bestehen seit 1928, in Deutschland seit den 1960er Jahren Struktur / Repräsentanz Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) gehört zu den Gründungsmitgliedern der Föderation islamischer Organisationen in Europa (FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der Muslimbruderschaft in Europa gilt. Seit Ende 2010 hat die IGD ihren Sitz in Köln. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 65 Veröffentlichungen Verschiedene Internetseiten und Auftritte in sozialen Netzwerken (auch deutschsprachig). Kurzportrait / Ziele Die 1928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft (MB) ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des modernen politischen Islam. Als pan-islamisch ausgerichtete Organisation ist sie nicht nur in allen arabischen Staaten, sondern nach eigenen Angaben in 70 Ländern weltweit vertreten. Sie verfolgt das Ziel, einen islamischen Staat zu gründen beziehungsweise bestehende Staatssysteme durch Unterwanderung zu übernehmen und in ihrem Sinne umzugestalten. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Ziel der MB ist die Umgestaltung der Länder mit islamischer Mehrheitsbevölkerung in Staaten mit islamistischem Regierungssystem auf der Grundlage der Scharia sowie der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Gewalt wird zur Durchsetzung dieses Ziels nicht ausgeschlossen, ist aber kein vorrangiges Mittel. Die MB lehnt säkulare demokratische Staatssysteme ab, beziehungsweise akzeptiert sie nur als Übergangslösung. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgt aufgrund der Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung auf SS 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VSG NRW. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum In Nordrhein-Westfalen betreibt die IGD in verschiedenen Städten Vereine mit angeschlossenen Moscheen. Dazu kommen Einrichtungen, die eine Nähe zur Ideologie der Muslimbruderschaft aufweisen. Die Finanzierung generiert sich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen sowie dem Verkauf von Publikationen. Die IGD tritt zumeist nur bei größeren Veranstaltungen öffentlich wirksam auf, wobei sich stets auf Verfassungskonformität berufen wird. Von Verbindungen zur MB distanziert sich die IGD. Vertreter der 114 Organisationen weisen immer wieder öffentlich darauf hin, dass sich hier lebende Muslime vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren und die Gesetze des Gastlandes zu beachten haben. Bewertung, Tendenzen, Ausblick In Ägypten ist die Muslimbruderschaft seit dem 23. September 2013 durch Gerichtsbeschluss verboten. Die Regierung hält an ihrer Einstufung der Organisation als Terrororganisation fest und reagiert mit massiver Repression auf deren Aktivitäten. Bei den Präsidentschaftswahlen im März 2018 wurde der bisherige Präsident alSisi im Amt bestätigt. Die Lage der Muslimbruderschaft in Ägypten dürfte sich somit nicht verändern. Auch in anderen islamischen Ländern besteht Verfolgungsdruck gegenüber Anhängern der jeweiligen nationalen Ableger der MB. Die IGD ist in Deutschland bemüht, für Politik, Behörden und Sozialpartner als Ansprechpartner eines gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Vor dem Hintergrund der politischen Situation im Ursprungsland der MB muss die weitere Entwicklung der IGD im Blick behalten werden. 115 Milli Görüs-Bewegung Sitz / Verbreitung Türkei / Deutschland Gründung / Bestehen seit ca. 1969 Struktur / Repräsentanz Parteistrukturen der Saadet Partisi mit Zentrale in Köln. Darüber hinaus weiteres Anhängerpotenzial, das sich im Organisationsgrad unterscheidet. Der Milli Görüs-Bewegung sind darüber hinaus die Erbakan Vakfi (Erbakan Stiftung) sowie die Organisation Bielefeld Sultan Fatih Genclik zuzurechnen. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 250 in NRW Veröffentlichungen Mehrere Web-Angebote Kurzportrait / Ziele Die ideologischen Wurzeln der Milli Görüs-Bewegung gehen auf die ideologischen Ausarbeitungen und Ideen des am 27. Februar 2011 verstorbenen türkischen Politikers und ehemaligen Ministerpräsidenten der Türkei Prof. Dr. Necmettin Erbakan zurück. Die Kerngedanken dieser Ideologie sind die Schlüsselbegriffe "Milli Görüs" (Nationale Sicht) und "Adil Düzen" (Gerechte Ordnung). Nach der von Erbakan entwickelten Ideologie ist die Welt zweigeteilt: Einerseits in die auf dem Wort Gottes fußende religiös-islamische gerechte Ordnung (Adil Düzen), andererseits in die von Menschen entworfene westliche Ordnung mit angeblicher Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung (Batil Düzen - Nichtige Ordnung). Zum "Wohl der Menschheit" soll diese Zweiteilung überwunden und die westliche Ordnung durch die "gerechte Ordnung" ersetzt werden. Dabei ist das erste Ziel der "Mission" von Milli Görüs, diese "gerechte Ordnung" in der Türkei durchzusetzen. Das Land soll dadurch in jeder Hinsicht erstarken und danach die "Mission" in die Welt hinausgetragen werden. Trotz eines zum Teil martialischen Vokabulars hat die Milli Görüs-Bewegung innerhalb und außerhalb der Türkei ihre Ziele stets ausschließlich mit politischen Mitteln verfolgt. Finanzierung Spenden und Mitgliedsbeiträge Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Umsetzung des "Adil Düzen"-Konzepts als Ziel der politischen Bewegung Milli Görüs ist mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Darüber hinaus treten antisemitische Einstellungen sowohl in "Adil Düzen" als auch bei Äußerungen Necmettin Erbakans und einiger Milli Görüs-Funktionäre deutlich zu Tage. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum 116 Unterschiedliche Verbände der Saadet Partisi (SP) laden immer wieder zu Vortragsveranstaltungen ein, bei denen einschlägig bekannte Referenten auftreten. Höhepunkt war in diesem Jahr eine Großveranstaltung am 07.10.2017 in Leverkusen, bei der sich eine größere Zahl von SP-Anhängern aus ganz Europa versammelte und auch die Parteispitze aus der Türkei anreiste. Darüber hinaus sind aus der Milli Görüs-Bewegung und ihrem Umfeld immer wieder auch antisemitische Töne zu vernehmen. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Saadet Partei verfügt mittlerweile über schwach ausgebildete, aber funktionsfähige Strukturen, wobei die einzelnen regionalen Ableger unterschiedliche Aktivitäten entfalten. Die Anhänger der Partei zeigen sich darum bemüht, die Ideen Erbakans weiterzutragen, was sich auch in entsprechenden Veranstaltungen widerspiegelt. 117 Islamistische nordkaukasische Szene (INS) Sitz / Verbreitung Einzelmitglieder in Deutschland Gründung / Bestehen seit 1991 als international nicht anerkannte Tschetschenische Republik Itschkerien, seit 2007 Kaukasisches Emirat Struktur / Repräsentanz Keine gefestigten Strukturen in Nordrhein-Westfalen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 70 Veröffentlichungen Einzelne Veröffentlichungen im Internet, Austausch in sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Mit dem Zerfall der UdSSR 1991 und im Zuge der Unabhängigkeit der südkaukasischen Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgien entstand im nördlichen Kaukasus, vor allem in Tschetschenien, eine separatistische Bewegung mit dem Ziel einer Loslösung von Russland. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Das Kaukasische Emirat hat das Ziel, die russische Armee mit Gewalt zum Rückzug aus Tschetschenien zu zwingen und im Nordkaukasus einen Islamischen Staat zu errichten. Dabei werden auch terroristische Mittel eingesetzt. Im Juni 2013 wurde das Kaukasische Emirat durch das Bundesministerium der Justiz als ausländische terroristische Vereinigung eingestuft und eine Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung ausgesprochen. Deutschland dient den Anhängern der Bewegung primär zur Akquirierung finanzieller und logistischer Unterstützung. Da die Strukturen des Kaukasischen Emirates zerfallen und in Deutschland eine sehr heterogene Szene zu beobachten ist, wird in der Berichterstattung des Verfassungsschutzes von der Islamistischen nordkaukasischen Szene (INS) gesprochen. Die INS betreibt in Nordrhein-Westfalen Propaganda für die Bewegung im Nordkaukasus. Sie verfügt hier über keine festen Strukturen. Einzelne, zum Teil herausragende Personen der INS sind in Nordrhein-Westfalen jedoch für die Organisation in überregionalen Zusammenhängen aktiv. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beobachtet das Kaukasische Emirat auf der Grundlage des SS 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG NRW, da die Bestrebung die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung von Gewalt und darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gefährdet. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die nordkaukasische islamistische Szene hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verändert. Es zeigt sich gerade unter der jüngeren Generation der Tschetschenen, dass die Unterstützungsleistungen für das 118 Kaukasische Emirat kaum noch wahrnehmbar sind. Bis 2015 stand die ideelle und materielle Unterstützung separatistischer Bestrebungen und Aktivitäten im Nordkaukasus im Vordergrund. Seit dem Treueeid der meisten Emire des Kaukasischen Emirates im Juni 2015 auf Abu Bakr al-Baghdadi, den Emir des sogenannten Islamischen Staates (IS), ist eine spürbare Hinwendung zu global-jihadistischen Organisationen, insbesondere zum sogenannten Islamischen Staat (IS), und außerhalb des Nordkaukasus liegenden Jihad-Gebiete zu beobachten. Eine Orientierung der Anhänger zum Salafismus ist deutlich erkennbar. Diese beteiligen sich beispielsweise an Koranverteilungen wie der mittlerweile verbotenen Lies!-Kampagne, an Islamseminaren und Spendensammlungen. In Nordrhein-Westfalen kommt es im Umfeld von tschetschenischen Führungsfiguren immer wieder zu Radikalisierung junger Männer und jihadistisch motivierten Ausreisen. Durch die anhaltende Schwäche des sogenannten Islamischen Staat (IS) nahmen seit 2016 die Ausreisen von Tschetschenen aus Nordrhein-Westfalen in die Jihad-Gebiete deutlich ab. Die Zukunft des Kaukasischen Emirates ist seit dem Tod seines letzten Emirs Magomed Suleymanov (AliasName: Abu Usman Gimrinski) im August 2015 ungewiss. Es gilt seitdem als führungslos. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Aufgrund fehlender Führungspersönlichkeiten sind sowohl beim Überbleibsel des Kaukasischen Emirates als auch bei der im Juni 2015 gegründeten administrativen Einheit "Provinz Kaukasus" des sogenannten IS keine klaren Strukturen erkennbar. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Durch die anhaltende Schwäche und den Machtverlust des sogenannten Islamischen Staates (IS) in den JihadGebieten Syrien und Irak, die Situation in Tschetschenien und den unmittelbaren Nachbarländern im Kaukasus sowie das im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2018 in Russland zu erwartende verstärkte repressive Vorgehen dortiger Sicherheitsbehörden ist mit einem Anwachsen der tschetschenischen Diaspora in Deutschland zu rechnen. Ein erhöhtes Radikalisierungspotenzial von Teilen der extremistischen tschetschenischen Szene in Nordrhein-Westfalen ist nicht auszuschließen. Die Verbindungen zu jihadistischen salafistischen Netzwerken werden dadurch voraussichtlich noch enger. 119 Türkische Hizbullah (TH) Sitz / Verbreitung Türkei Gründung / Bestehen seit Struktur / Repräsentanz Mehrere Gemeinden in NRW, die sich jedoch nicht offen zur TH bekennen Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 100 in NRW Veröffentlichungen Publikationen: Yeni Müjde (Neue Frohe Botschaft), (Warnung), Dogru Haber (Richtige Nachricht), Kelhaamet (Prächtiges Diyarbakir), Kendi Dilinden Hizbullah (Die Hizbullah in eigenen Worten); Mehrere Web-Angebote Kurzportrait / Ziele Anfang der 1980er Jahre bildeten sich unter sunnitischen Kurden in der Türkei Gruppierungen heraus, die für die Errichtung einer auf strikter Befolgung von Koran und Scharia gegründeten "islamischen Herrschaft" eintraten und sich gegen den säkularen türkischen Staat wandten. Aus einer dieser Gruppierungen entwickelte sich die Hizbullah (Partei Gottes), die vor allem seit Beginn der 1990er Jahre zur Erreichung ihrer politischen Ziele gegen interne Abweichler, gegen die kurdische Separatistenorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), gegen liberale Journalisten und gegen Vertreter des türkischen Staates Gewalt anwendete. Im Januar 2000 wurde Hüseyin Velioglu, der Anführer der sogenannten Türkischen Hizbullah, in Istanbul bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet. Dieser Vorfall und weitere Exekutivmaßnahmen der türkischen Polizei, bei denen mehrere Funktionäre der Organisation und zahlreiche Mitglieder festgenommen und inhaftiert wurden, führten zu einer empfindlichen Schwächung der Hizbullah. Zugleich wurde aus Papieren und Videoaufzeichnungen, die in ihren Archiven gefunden wurden, deutlich, in welch großem Ausmaß die Organisation Entführungen, Morde und andere Gewalttaten verübt hatte. Zahlreiche Aktivisten der TH setzten sich daraufhin nach Europa und insbesondere nach Deutschland ab. Finanzierung Spenden Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit In der 2004 erschienenen Schrift Kendi Dilinden Hizbullah stellt ihr Verfasser, ein Funktionär der Türkischen Hizbullah, die Verbrechen der Organisation als Akt der Selbstverteidigung dar. Der Autor beschreibt zwei Entwicklungsphasen: Die erste Phase habe von 1979 bis 1991 gedauert. Es stand die Propagandatätigkeit, Anhängergewinnung, Strukturierung und Schulung im Vordergrund. Eine zweite Phase folgte von 1991 bis 2000. Sie zeichnete sich durch den bewaffneten Kampf gegen die PKK, interne Abweichler und den türkischen Staat aus. 120 In ihrer Zielsetzung verbindet die Türkische Hizbullah eine islamistische mit einer kurdisch-nationalen Agenda. Im ideologischen Hauptwerk Kendi Dilinden Hizbullah sind die Grundprinzipien der TH dargelegt. Die Türkische Hizbullah sieht die Uneinigkeit der islamischen Welt und die Herrschaft nicht-islamischer Regime als Ursache aller Probleme an. Ihr erklärtes Ziel ist es, dies zu ändern und den Islam zur Herrschaft zu bringen. Zu ihren Feindbildern gehören neben den internen Abweichlern, der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Republik Türkei auch die "imperialistischen" und "zionistischen Mächte", also die westliche Staatengemeinschaft und Israel. Sie werden für die Unterdrückung der Muslime verantwortlich gemacht. Hauptziel der TH ist die Beseitigung des laizistischen Staatssystems in der Türkei und langfristig die Errichtung eines islamistischen Regimes. Im Januar 2012 veröffentlichten TH-nahe Internetseiten ein Manifest, das die Gruppe auf eine neue ideologische Grundlage stellte. Darin wird unter anderem klargestellt, dass man die anvisierten Ziele nur noch gewaltfrei und auf legalem Wege erreichen wolle. Eine "Schädigung der Muslime" oder die Besetzung "islamischen Bodens" wolle man jedoch nicht hinnehmen und werde in solchen Fällen vom legitimen Recht der Selbstverteidigung Gebrauch machen. Zentrales Ziel der TH bleibt jedoch nach wie vor eine islamische Herrschaftsordnung, weshalb in dem erwähnten Manifest auch jene Regierungen, die dem Islam - aus Sicht der TH - nicht im gebotenen Umfang Geltung verschaffen, als unislamisch bezeichnet werden. Das Manifest kann somit als offizielle Abkehr von den gewaltsamen Aktivitäten der 1990er-Jahre gedeutet werden und belegt insofern einen faktisch bereits lange vorher vollzogenen Strategiewandel. Zugleich wird aber auch sehr deutlich, dass damit keine Abkehr von der extremistischen Zielsetzung einhergeht. Die Beobachtung der TH stützt sich wegen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung auf SS 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VSG NRW. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum TH-nahe Vereine entfalten ihre Aktivitäten, ohne dabei Bezüge zur Organisation nach außen zu tragen. Ihre Anhänger bleiben dabei weitestgehend unter sich, eine nennenswerte Außenwirkung ist nicht feststellbar. Dementsprechend zeigt die Organisation keine Ambitionen auf eine intensivere Mitgliederwerbung und eine damit einhergehende Expansion. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die TH agiert in Deutschland weiterhin im Verborgenen. Sie ist darum bemüht, ihre Aktivitäten so weit wie möglich zu verschleiern. In der Türkei tritt die TH mittlerweile wieder offener auf und verfügt dort bereits über einen gewissen Bewegungsspielraum. Seit Ende 2012 existiert mit der Hür Dava Partisi (Hüda Par) in der Türkei eine politische Partei, der nachgesagt wird, der TH nahe zu stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings nicht erkennbar, dass sie diese Strategie auch in Europa oder Deutschland verfolgt. 121 Furkan-Gemeinschaft Sitz / Verbreitung Zentrale: Adana (Türkei) Deutschland: Zentren in Dortmund und Hamburg Gründung / Bestehen seit 1994 - Gründung der Furkan Vakfi (Furkan Stiftung) in der Türkei, in NRW seit etwa 2011 vertreten 2015 - Gründung des Furkan Kulturund Bildungszentrums e.V. in Dortmund Struktur / Repräsentanz Hierarchische Gliederung, an deren Spitze die Führung in der Türkei steht. Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 rund 40 Veröffentlichungen Zeitschrift Furkan Nesli Dergisi (Magazin der Generation Furkan) Verbreitung von Inhalten über die eigene Internetpräsenz, über Videoplattformen und in sozialen Netzwerken Kurzportrait / Ziele Die Furkan Stiftung für Bildung und Dienstleistungen () wurde durch den türkischen Bauingenieur Alparslan Kuytul gegründet. Er ist bis heute ihre charismatische Führungsfigur. Die Organisation verfolgt das Ziel, eine "Islamische Zivilisation" (Islam Medeniyeti) zu begründen, die wesentlich durch das islamische Recht geprägt sein soll und im Widerspruch zu sämtlichen anderen Zivilisationsmodellen stehe. Zur Umsetzung bemüht sich die Bewegung um die Ausbildung und Schulung einer "Vorreiter Generation" (Öncü Nesil). Sie soll als gesellschaftliche Avantgarde auf das Ziel hinwirken. Finanzierung Mitgliedsbeiträge, Spenden, Eintrittsgelder, Erlöse aus Veranstaltungen Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die Anhänger der Furkan-Gemeinschaft orientieren sich auch in Deutschland vor allem an den Lehren Alparslan Kuytuls, der in den Medienangeboten der Bewegung omnipräsent ist. Sein zentrales Anliegen ist die Rückkehr zu einer "Islamischen Zivilisation". Diese soll sich ausschließlich an Koran und Sunna (prophetische Tradition) orientieren und Gott das ihm zustehende Recht zur Herrschaft einräumen. Dieses Religionsverständnis kollidiert mit bestehenden Strukturen staatlicher Ordnung. Die Furkan-Gemeinschaft geht davon aus, dass die Demokratie die Rechte Allahs vereinnahme, und die Teilhabe am politischen Prozess zu Kompromissen zwinge, die im Widerspruch zu Gottes Gesetzen stünden. Diese dürften keinesfalls eingegangen werden. Aus dieser Auffassung resultiert eine prinzipielle Ablehnung der Demokratie, die sich auch im Verbot der Teilnahme an Wahlen widerspiegelt, während zugleich der "Westen" zum Feindbild stilisiert wird. Als religiöse Erneuerungsbewegung richtet sich die Furkan-Gemeinschaft zunächst vor allem an Muslime. Sie ruft diese dazu auf, ihren Glauben aktiv zu leben und aus einer religiösen Motivation heraus als "Vorreiter-Generation" 122 zu wirken, indem sie auf die Verwirklichung der "Islamischen Zivilisation" hinarbeiten. Zu diesem Zweck solle nicht nur das Wissen über die Religion vertieft werden, sondern es sollen auch modernste wissenschaftliche Erkenntnisse geläufig sein. Den Einsatz von Gewalt verneint Kuytul nicht prinzipiell, schließt ihn zum jetzigen Zeitpunkt jedoch aus. Ihm erscheine die Anwendung von Gewalt im Augenblick lediglich für die Befreiung "muslimischer Länder" gerechtfertigt. Als Bewegung, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, unterliegt die FurkanGemeinschaft nach SS 3 Abs.1 Nr. 1 VSG NRW der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Die Furkan-Gemeinschaft ist weiterhin darum bemüht, ein umfassendes Bildungsangebot zur Verfügung zu stellen um die von ihr propagierte "Vorreiter-Generation" zu schulen. Die bisher jährlich stattfindende Konferenz wurde am 14.05.2017 ausgerichtet, fiel jedoch bescheidener aus als in den Vorjahren. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Alparslan Kuytul nicht persönlich nach Deutschland reiste, sondern lediglich einen Vertreter aus der türkischen Mutterorganisation entsandte. Im Berichtszeitraum ist zudem eine deutliche Positionierung der türkischen Regierung gegen die FurkanGemeinschaft erkennbar, die zunehmend Maßnahmen gegen die Organisation ergreift. Diese gipfelten Ende Januar 2018 schließlich in der Verhaftung Alparslan Kuytuls. Auch unter den in NRW aufhältigen FurkanAnhängern bildet seitdem die Kritik an der Inhaftierung Kuytuls und ein Eintreten für seine Freilassung ein wichtiges Betätigungsfeld. Bewertung, Tendenzen, Ausblick Die Furkan-Gemeinschaft in NRW zeigt sich weiterhin bestrebt, ihren Expansionskurs fortzusetzen und bemüht sich intensiv um die Rekrutierung neuer Anhänger. Die Gruppierung zeigt weiterhin eine starke Fokussierung auf die Person Alparslan Kuytuls, der auch für die hiesigen Anhänger die maßgebliche Referenz darstellt. Darüber hinaus ist eine enge Anbindung an die Mutterorganisation und deren Zentrale im türkischen Adana zu beobachten. Von Relevanz für die weitere Entwicklung wird die Frage sein, wie die Furkan-Gemeinschaft auf die repressiven Maßnahmen des türkischen Staates reagiert und ob ihre Strukturen durch diese nachhaltigen Schaden nehmen. 123 Scientology Organisation (SO) Sitz / Verbreitung Zentrale der Scientology Organisation (SO): Los Angeles (USA) Bundesweit: Niederlassungen unter anderem in Berlin, München, Hamburg, Hannover, Frankfurt NRW: Scientology Kirche Düsseldorf und Celebrity Center Gründung / Bestehen seit Die Church of Scientology wurde 1953 durch Lafayette Ron Hubbard (LRH) in den USA gegründet; erste deutsche Niederlassung 1970 in München, Niederlassungen in Düsseldorf seit den 80er Jahren Struktur / Repräsentanz Strikter hierarchischer Aufbau und Strukturen mit totalitärem Anspruch; Steuerung durch David Miscavige (Nachfolger von Hubbard) aus den USA; Unterstützung durch Finanzmittel und politische Einflussmöglichkeiten innerhalb der USA; diverse kontinentale Verbindungsbüros zur Kontrolle der Arbeit in den einzelnen Ländern; Vorsitzender in Deutschland ist Helmuth Blöbaum Mitglieder / Anhänger / Unterstützer 2017 Bund: ca. 3.500 ((Pfeile gleichbleibend)) NRW: ca. 420 ((Pfeile gleichbleibend)) SO gibt die Zahl ihrer Anhänger in Deutschland selbst mit rund 12.000 Personen an Veröffentlichungen Internationale Publikationen: unter anderem Impact, Scientology News, Celebrity, Source, Freewinds, OTUniverse, The Auditor, Advance Deutschsprachige Publikation: Freiheit. In Nordrhein-Westfalen verbreitete Publikation: Kompetenz Kurzportrait / Ziele Die Ziele der SO wurden durch den Gründer LRH festgelegt. Nach der Ideologie der SO sind seine Lehren unabänderlich und bindend. Eines seiner formulierten Ziele ist "Clear Planet". Dies bedeutet, dass alle Menschen der scientologischen Gesellschaft angehören sollen. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass die SO so etwas wie eine Weltherrschaft anstrebt. Scientologen teilen die Gesellschaft in "Nichtabberierte" und "Abberierte" (Nicht-Scientologen) auf. Letztere sind nach ihren Vorstellungen in einzelnen Menschenrechten einzuschränken. Eines der großen Themen in der SO ist die Expansion, auf welche die Mitglieder kontinuierlich eingeschworen werden und zu deren Erreichung SO versucht, Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu nehmen. Dabei tritt SO nicht immer offen auf, sondern verbirgt sich häufig bei ihren Aktivitäten hinter einer ihrer zahlreichen Tarnorganisationen. Zu diesen Tarnorganisationen gehören unter anderem Der Weg zum Glücklichsein, Jugend für Menschenrechte und Sag nein zu Drogen. Mit professionellen Internetpräsenzen und Themen wie zum Beispiel Drogen und Menschenrechte sprechen sie insbesondere Jugendliche an und nutzen das Internet, um außerhalb der Einflussmöglichkeit der Erziehungsberechtigten mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Die Zugehörigkeit einer Tarnorganisation zur SO ist nur schwer erkennbar. Deren hochwertig gestaltete Broschüren werden verteilt beziehungsweise an gut zugänglichen Stellen wie Beratungsbüros, Geschäften und Praxen auch mit Zustimmung der Verantwortlichen, die den Zusammenhang mit SO nicht erkennen, ausgelegt. 124 Finanzierung Durchführung von kostenpflichtigen Kursen und Vertrieb von Kursmaterialien im Zusammenhang mit der Verbreitung der Scientology-Ideologie; Spendengelder. Insoweit wird oft ein erheblicher Druck auf Mitglieder ausgeübt. Grund der Beobachtung / Verfassungsfeindlichkeit Die SO ist seit 1997 Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Die Lehre der SO stellt eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Konsequenzen der Lehre sind Einschränkungen wesentlicher Grundund Menschenrechte (wie Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung), zudem wird eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiche Wahlen angestrebt. Zur Erreichung ihrer Ziele versucht die Organisation zumeist verdeckt Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu beeinflussen. Mit der Entscheidung des OVG Münster vom 12. Februar 2008 ist die Rechtmäßigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz festgestellt worden. Das Gericht bestätigte die Auffassung des Verfassungsschutzes, dass die Lehre der Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) und der Scientology Kirche Berlin e.V. (SKB) eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellt. Ereignisse und Entwicklungen im Berichtszeitraum Nach wie vor haben die Schriften des Gründers L. Ron Hubbard zur Schaffung einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen Gültigkeit. Sie werden von der SO in Deutschland auch weiterhin vertrieben und vermittelt. Die Steuerung in das Bundesgebiet übernimmt der als Dachverband fungierende SKD mit Sitz in München. Die SO unternimmt somit weiterhin Anstrengungen, eine gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen und in Deutschland zu expandieren. Im Jahr 2017 konnte sie ihrem Ziel, die scientologische Gesellschaft in Deutschland zu etablieren, jedoch erneut nicht näher kommen. Die allgemeinen Mitgliederzahlen in Deutschland stagnieren bei rund 3.500 Personen, auch in Nordrhein-Westfalen ist keine abweichende Entwicklung erkennbar. Bewertung, Tendenzen, Ausblick An der Gefahreneinschätzung zur Organisation, die durch das OVG Münster im Jahr 2008 formuliert wurde, hat sich nichts geändert. Die SO wendet nach wie vor die gleichen Mittel zur Erreichung ihrer Ziele an. Insbesondere die Umwerbung Jugendlicher unter dem Deckmantel von guten Taten (Aufklärung über Menschenrechte, Förderung von Toleranz und Frieden, Kampf gegen Drogen) ist perfide durchdacht. Über die Vergabe von Stipendien versucht die SO junge Sportler für ein Studium an ihrer Clearwater International Academy in den USA zu begeistern. Es muss davon ausgegangen werden, dass dies mit dem Ziel geschieht, die Sportler im Laufe dieses Studiums für die Organisation als solche zu werben. Die Kontaktaufnahme von Jugendlichen erfolgt einfach und direkt. Es reicht oftmals eine E-Mail, eine Chatanfrage oder das Ausfüllen eines Online-Kontaktformulars. In NRW versuchte die SO über diesen Weg Sportler mit einem Stipendium zu ködern, insbesondere deutsche Footballspieler. Zur eigenen Imagepflege und zur Mitgliederwerbung nutzt die SO vermehrt gängige soziale Netzwerke. Dabei dient das Internet grundsätzlich als Werbeund Propagandaplattform. Durch den leichten Zugang und kostenlose Online-Angebote versucht die SO insbesondere junge Menschen zu erreichen und als Interessenten zu gewinnen. Ziel ist, diese zu einem späteren Zeitpunkt an kostenintensive Kurse heranzuführen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung der SO im Bereich moderner Kommunikationsmedien weiter vorangetrieben wird. Weiterhin versucht die SO ihre Einflussmöglichkeiten durch Unterwanderung der Wirtschaft zu vergrößern. Hierzu nutzt sie den eigenen Wirtschaftsverband World Institute of Scientology Enterprises (WISE) sowie eigene Organisationsund Managementstrategien. Durch geschicktes und verdecktes Marketing nähert sie sich Firmen, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen. Auf diese Weise soll sukzessive die Infiltration der Wirtschaft voranschreiten und der Einfluss der Organisation ausgebaut werden. 125 Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz Ausländische Nachrichtendienste zeigen weiterhin großes Interesse an Informationen zu Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Einen großen Stellenwert nimmt zudem auch die Ausspähung von in Deutschland lebenden Oppositionellen ein. So ist die Aufklärung und Ausspähung Oppositioneller beispielsweise eine der vorrangigen Hauptaufgaben des türkischen Nachrichtendienstes (MIT) im Ausland. Dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz NRW lagen vier Listen vor, in denen Personen, Vereine und Institutionen benannt werden, die von der türkischen Regierung mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Umfang und Inhalt der Listen belegen, dass der MIT systematisch Informationen über mutmaßliche Gülen-Anhänger zusammenträgt. In 2017 bestand nach wie vor weiterhin ein Interesse mehrerer Staaten am Erwerb von proliferationsrelevanten Gütern in Nordrhein-Westfalen. Dabei handelt es sich um sogenannte Dual-Use-Produkte, die neben ihrer zivilen Bestimmung auch Verwendung in Programmen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen finden können. Damit der eigentliche Empfänger unerkannt bleiben kann, werden solche Beschaffungen üblicherweise durch ein auf mehrere Länder verteiltes Netzwerk aus Tarnfirmen und Strohmännern getarnt. Die Gefahr Opfer von Wirtschaftsspionage zu werden ist in 2017 weiter angewachsen. Ein Grund dafür ist die immer weiter fortschreitende Digitalisierung in der Wirtschaft und die zunehmende Verzahnung industrieller Produktion mit modernster Informationsund Kommunikationstechnik. Hierdurch wachsen neben ökonomischen Chancen die möglichen Angriffsziele für Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen. Dabei sind nicht nur große, börsennotierte DAX-Unternehmen potentielle Ziele von Angreifern. Häufig werden kleine und mittlere Unternehmen Opfer von Spionage. Dies gilt insbesondere für Firmen, die nicht selten in ihrer Branche auf dem Weltmarkt eine Vorreiterstellung innehaben. Jeder vierte deutsche Weltmarktführer stammt aus Nordrhein-Westfalen. Ihr hohes besonderes technisches Know-how und die hoch innovativen Produkte sind genauso Ziel von Wirtschaftsspionage wie Kalkulationen, Kundenlisten oder andere sensible Daten. Der Schutz gegen Spionage und Sabotage darf sich nicht alleine auf die Sicherung von Informationsund Kommunikationstechnik beschränken. Der Mensch bleibt weiterhin die größte Sicherheitslücke. Awareness zu schaffen, ist daher ein wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie, die Technik, Organisation und Personal beinhalten muss. Der Verfassungsschutz hat im Jahr 2017 seine intensive Beratungsund Sensibilisierungsarbeit mit zahlreichen Vorträgen und Veranstaltungen bei Unternehmen, Verbänden und Organisationen fortgeführt. Auf 80 Veranstaltungen wurden etwa rund 3.100 Beschäftigte im Management und in Fachabteilungen sowie Manager, Mitarbeiter oder beispielsweise Wissenschaftler erreicht. 126 Spionage - Auftraggeber, Ziele und Methoden Im politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder militärischen Wettbewerb nutzen Regierungen Spionage, um sich einen Informationsvorsprung zu verschaffen. Sie versuchen Zugang zu Informationen zu erhalten, mit denen sich politische Positionen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des ausspionierten Staates besser einschätzen lassen. Von Interesse sind zudem Angaben zur militärischen Leistungsfähigkeit gegnerischer Bündnisse. Wegen seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung ist Deutschland im besonderen Blick ausländischer Nachrichtendienste. Sie zielen auf einem unautorisierten Transfer wissenschaftlich-technischen Know-hows ab und sind interessiert an Informationen über politische Vorhaben, Krisenmanagement und Handlungsstrategien. Wegen seiner Bedeutung innerhalb der Bundesrepublik beziehen sich diese Bemühungen insbesondere auch auf Nordrhein-Westfalen. Im Land sind 70 Universitäten und Fachhochschulen sowie mehr als 50 Technologiezentren angesiedelt. Es steht für eine herausragende Innovationsund Wirtschaftskraft. Methoden der Spionage Fast neunzig Prozent der für Nachrichtendienste interessanten Informationen lassen sich offen über das Internet und andere Medien, durch den Besuch von Messen, bei gegenseitigen Delegationsbesuchen sowie durch geschickte Gesprächsführung mit Informationsund Wissensträgern erlangen. Dazu müssen nicht einmal aufwändige nachrichtendienstliche Operationen durchgeführt werden. An die verbleibenden rund zehn Prozent versuchen Nachrichtendienste mit verdeckten Methoden zu gelangen. Das Spektrum reicht von der Herbeiführung und Kultivierung zunächst unverdächtiger Kontakte mit dem Ziel einer direkten oder indirekten Abschöpfung der Kontaktpersonen bis hin zu einer konspirativen Vorgehensweise, bei der Personen beispielsweise mit falschem Namen und Angaben zum eigenen Lebenslauf (sogenannte Legende) aktiv sind. Es kommt dabei in der Regel nicht auf die Hierarchieebene der Zielpersonen an. Manchmal geht es lediglich darum, Zugang zu einem interessanten Bereich zu erhalten. In einigen Fällen zielen Nachrichtendienste darauf ab, einen belastenden Umstand - ein sogenanntes Kompromat - zu schaffen, mit dem der jeweilige Informationsund Wissensträger erpressbar gemacht werden soll. Diese Methode wird vorrangig im Ausland, beispielsweise bei Geschäftsreisenden, angewendet. Nachrichtendienste nutzen zur Spionage aber auch die vielfältigen Möglichkeiten, die sich durch die rasanten Entwicklungen in der Informationsund Kommunikationstechnologie sowie durch die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung ergeben. Elektronische Angriffe auf Rechnersysteme mit hochsensiblen Daten bieten hohe Erfolgsaussichten und lassen sich mit geringem Entdeckungsrisiko durchführen. Typische Angriffsmethoden über IT-Systeme Schadhafte E-Mail-Anhänge verdecktes Einschleusen von Schadsoftware (Trojanern) über E-Mails Drive-by-downloads Anbieten von Links auf Webseiten und in E-Mails, die zu manipulierten Downloads führen Präparierte Datenträger Ausstattung von USB-Sticks, CD-ROM oder Speicherkarten mit Schadsoftware, die bei einer Nutzung automatisch ausgeführt wird Umweg über private Geräte 127 Angriff von häufig weniger geschützten privaten Geräten, die von Mitarbeitern beruflich genutzt werden ("Bring-your-own Devices", beispielsweise USB-Sticks, Smartphones, Tablets). Außenstehenden gelingt es auf diesen Wegen, in Systeme einzudringen und Daten zu entwenden oder Systeme zu manipulieren. Mit dem digital operierenden "Spion 4.0" lässt sich zudem bereits seit längerem eine neue Qualität in der Spionage feststellen. Der Mensch stellt jedoch stets die größte Sicherheitslücke dar. Diese lässt sich selbst durch eine noch so ausgefeilte materielle Absicherung über Firewalls, Anti-Viren-Programme, Passwortschutz und Zugangsregelungen nicht schließen. Nachrichtendienste setzen über sogenanntes "Social Engineering" an dieser Stelle an. Sie versuchen das Vertrauen eines Unternehmensangehörigen zu gewinnen, um über diesen Kontakt Zugang zu Systemen zu erhalten. Erkenntnisse belegen, dass aber auch der Spion am Kopierer und mit der Kamera am Zielobjekt weiterhin im Einsatz ist. Wachsamkeit sollte daher auch in dieser Hinsicht weiter bestehen. Die Zahl nachrichtendienstlichen Personals in sogenannten Legalresidenturen im Bundesgebiet ist auch im europäischen Vergleich anhaltend hoch. Dies verdeutlicht und belegt das hohe Interesse an Informationen aus Deutschland. Legalresidenturen sind getarnte Stützpunkte ausländischer Nachrichtendienste, insbesondere in den diplomatischen und konsularischen Vertretungen, bei staatsnahen Unternehmen oder bei Medienagenturen. Von dort aus entwickelt das nachrichtendienstliche Personal über eigens bereitgestellte Tarndienstposten die geheimdienstlichen Aktivitäten. Der Einsatz von sogenannten Illegalen dient ebenfalls der Verschleierung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten. Dabei handelt es sich um Personen, die als Nachrichtendienstoffiziere von der Zentrale des ausländischen Nachrichtendienstes unter einer Falschidentität eingeschleust werden und häufig über viele Jahre in Deutschland unauffällig leben. Unter diesem Deckmantel führen sie teilweise aufwendige nachrichtendienstliche Operationen aus. Erkenntnisse der Spionageabwehr Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet mit einem 360-Grad-Blick eine Vielzahl hier tätiger ausländischer Nachrichtendienste. Besondere Bedeutung haben wegen ihrer Aktivitäten die Nachrichtendienste der Russischen Föderation, der Volksrepublik China, der Islamischen Republik Iran und der Türkei. Im Berichtszeitraum konnten weiterhin zahlreiche Versuche ausländischer Nachrichtendienste beobachtet werden, Kontakte mit Gesprächspartnern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft aufzunehmen. Dabei wurden verstärkt soziale Netzwerke genutzt. Die nordrhein-westfälische Spionageabwehr führt Sensibilisierungsgespräche mit Personen, die als potenzielle Gesprächspartner erkannter Nachrichtendienstoffiziere in Frage kommen, beziehungsweise bei denen bereits Gesprächskontakte zu diesen bestehen. Gesprächspartnern, die selbst den Verdacht eines nachrichtendienstlichen Hintergrunds vermuten, wird dringend geraten, sich an die Spionageabwehr zu wenden. Russische Föderation Die russischen Nachrichtendienste haben nach wie vor ein großes Ausforschungsinteresse an Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Sie sind wesentliche Elemente der russischen Sicherheitsarchitektur und einbezogen in die Vorbereitung und Realisierung politischer Vorhaben im Inund Ausland. Die Informationsbeschaffung durch die russischen Nachrichtendienste erfolgt aus offen zugänglichen Quellen, über menschliche Quellen und über elektronische Angriffe auf Behörden und Wirtschaftsunternehmen. Es werden gezielt Kontakte zu Wissensträgern aus Politik, Wirtschaft und Behörden aufgebaut und schützenswerte Informationen abgeschöpft. Dies geschieht unter anderem bei Urlaubsaufenthalten, beim Besuch von Messen und Fachkongressen oder bei gegenseitigen Delegationsbesuchen. Im Jahr 2017 hat es in Nordrhein-Westfalen weitere Hinweise auf derartige Kontaktversuche gegeben. Es wurde zudem bekannt, dass Polizeibeamte bei Urlaubsreisen an der Grenze zur Russischen Föderation befragt wurden. Von einem nachrichtendienstlichen Hintergrund ist auszugehen. Die Vorfälle wurden zum Anlass genommen, den Polizeibehörden sowie den übrigen Behörden des Landes "Allgemeine Sicherheitsund Reisehinweise insbesondere für Reisen in Staaten mit besonderem Sicherheitsrisiko" an die Hand zu geben. 128 Die russischen Nachrichtendienste sind gegliedert in einen Inlands-, einen Auslandsund einen militärischen Nachrichtendienst, wobei sich die Zuständigkeiten im Einzelfall überschneiden. Die folgenden Dienste sind auch in Deutschland aktiv: Inlandsnachrichtendienst - FSB Der FSB ist unter anderem für die zivile und militärische Spionageabwehr sowie für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität zuständig. Ziviler Auslandsnachrichtendienst - SWR Der SWR ist vorrangig für die Aufklärung in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Militärischer Auslandsnachrichtendienst - GRU Aufgabe des GRU ist die Aufklärung des gesamten militärischen Bereichs. Neben der NATO gehört dazu auch die deutsche Bundeswehr. Volksrepublik China Die chinesische Regierung ist nach wie vor bestrebt, das das eigene Land an weltpolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt und sich als führende Wirtschaftsmacht der Welt etabliert. Zur Durchsetzung dieser Ziele nutzt der chinesische Staat in vielfältiger Weise die Arbeit seiner Nachrichtendienste. Nordrhein-Westfalen steht dabei mit seinen hochinnovativen kleinen und mittleren Unternehmen sowie seinen zahlreichen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Technologieund Gründerzentren im besonderen Fokus nachrichtendienstlicher Aktivitäten. Wie Russland und Iran nutzt auch China die klassische Methode, Angehörige des eigenen Nachrichtendienstes mit Hilfe von diplomatischen und konsularischen Vertretungen zu tarnen. China bedient sich für den illegalen Wissenstransfer teilweise aber auch der Hilfe hier dauerhaft lebender Chinesen oder von Gastwissenschaftlern, Studenten und Praktikanten, die sich vorübergehend in Deutschland aufhalten. Darüber hinaus konnten im vergangenen Jahr umfangreiche Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste in sozialen Netzwerken festgestellt werden. Dabei wurden beispielsweise im Karrierenetzwerk LinkedIn zahlreiche gefälschte Profile erstellt, mit denen Kontakt zu Mitarbeitern aus Ministerien, Behörden und Hochschulen gesucht wurde. Sie sollten für eine Zusammenarbeit mit der chinesischen Seite gewonnen werden. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat daraufhin seine Bemühungen zur Sensibilisierung möglicher Zielpersonen weiter verstärkt. Der Machterhalt der Kommunistischen Partei sowie die Wahrung der territorialen Integrität Chinas stehen darüber hinaus im Mittelpunkt der Staatsführung. Diese sieht sich in erster Linie durch die sogenannten "Fünf Gifte" bedroht. Gemeint sind damit die Demokratiebewegung, Anhänger eines unabhängigen Taiwan sowie eines unabhängigen Tibet, Falun-Gong-Anhänger und turkstämmige (muslimische) Uiguren. Angehörige dieser Bestrebungen und Vereinigungen werden sowohl im In-, als auch im Ausland verfolgt. Islamische Republik Iran In Nordrhein-Westfalen, wie im gesamten Bundesgebiet, gehen die nachrichtendienstlichen Aktivitäten des Iran vor allem vom "Ministry of Information and Security" (MOIS) aus. Beim MOIS handelt es sich um den zivilen Inund Auslandsnachrichtendienst der islamischen Republik Iran. Dieser beobachtet schwerpunktmäßig im Exil agierende Oppositionskräfte, insbesondere die in Nordrhein-Westfalen stark vertretene "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) und deren politischen Arm, den "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI). Das MOIS versucht, die Exilopposition durch Infiltration zu überwachen und durch gezielte Propaganda zu diskreditieren. Darüber hinaus spielen für den Iran klassische Spionageziele wie Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft eine bedeutende Rolle. In Nordrhein-Westfalen, wie auch bundesweit, wurden verstärkt Aktivitäten der sogenannten "Quds Force Brigade" (QF) festgestellt. Bei den QF handelt es sich um eine Spezialeinheit der Revolutionsgarden, die über eine eigene nachrichtendienstliche Abteilung, einen Sicherheitsdienst und eine Spionageabwehr verfügen. Die QF betreibt unter anderem Informationsbeschaffung im Ausland. Ein Hauptaugenmerk liegt in der Ausspähung von israelischen und pro-israelischen Institutionen, hier lebenden Staatsangehörigen des Staates Israel sowie 129 Personen jüdischen Glaubens. Dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen liegen Erkenntnisse vor, dass es im Berichtsjahr Ausforschungsaktivitäten der QF in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Türkei Der türkiscals auch die Auslandsaufklärung zuständig. Er ist mit Exekutivbefugnissen ausgestattet. Die Befugnisse und Aufgaben des MIT wurden im Zuge der Reformen der vergangenen Jahre weiter ausgeweitet. Der MIT unterhält in Deutschland Legalresidenturen in offiziellen Repräsentanzen. In Nordrhein-Westfalen befinden sich insgesamt vier der 13 türkischen Generalkonsulate auf deutschem Boden (Düsseldorf, Essen, Hürth und Münster). Als einer der weltweiten Schwerpunkte der türkischen Diaspora gilt Nordrhein-Westfalen als Operationsgebiet des türkischen Nachrichtendienstes. Die Aufklärung und Ausspähung Oppositioneller ist eine der Hauptaufgaben des MIT im Ausland. Neben den kurdischen Gruppierungen wie der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), linksextremistischen Organisationen wie die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) und die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) gilt die nach dem Prediger Fetullah Gülen benannte "Gülen-Bewegung" als oppositionell. Dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz lagen im Berichtszeitraum vier Listen vor, die durch die türkische Regierung an die Bundesregierung übergeben wurden. In diesen Dokumenten sind Personen sowie Vereine und Institutionen benannt, die von der türkischen Regierung mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Umfang und Inhalt der Listen belegen, dass der MIT systematisch Informationen über mutmaßliche GülenAnhänger zusammenträgt. Alle Personen und Institutionen aus Nordrhein-Westfalen wurden von der nordrheinwestfälischen Polizei über den Umstand informiert, dass sie auf den Listen geführt werden. Sie wurden zudem auf sich daraus möglicherweise ergebende Konsequenzen, etwa bei Einreisen in die Türkei, hingewiesen. Kostenloses Angebot des Verfassungsschutzes Zur Sensibilisierung vor den Gefahren nachrichtendienstlicher Tätigkeit führt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz auf Wunsch und auch unabhängig von konkreten Verdachtsfällen Informationsveranstaltungen für interessierte Unternehmen und Organisationen durch. Im Einzelfall berät er vertraulich, wenn sich Anhaltspunkte für den Verdacht eines Angriffs durch einen fremden Nachrichtendienst ergeben. Anfragen mit der Bitte um Kontaktaufnahme können an kontakt.verfassungsschutz@im1.nrw.de gerichtet werden. 130 Aufklärung und Abwehr von Proliferation Bis heute ist es Staaten wie Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan nicht gelungen, die zur Weiterentwicklung der eigenen Waffenprogramme erforderlichen Güter ausschließlich im eigenen Land herzustellen. Nordrhein-Westfalen als starker Wirtschaftsstandort mit einer Vielzahl relevanter Unternehmen und Forschungseinrichtungen stand daher im Jahr 2017 weiterhin im Fokus proliferationsrelevanter Beschaffungsstellen. Proliferation Unter Proliferation wird die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte verstanden. Dazu gehören entsprechende Waffenträgersysteme und das für deren Betrieb erforderliche Know-how. Bei proliferationsrelevanten Staaten steht zu befürchten, dass Massenvernichtungswaffen in Konflikten eingesetzt oder als politisches Druckmittel genutzt werden. Proliferationsrelevante Güter und Beschaffungswege Staaten, die Proliferation betreiben, interessieren sich in der Regel für sogenannte Dual-use-Güter. Das sind Produkte, die sich sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich verwenden lassen. Bei entsprechenden Anfragen wird gegenüber Herstellern oder Händlern anstatt der tatsächlich vorgesehenen Endverwendung eine angeblich angestrebte zivile Nutzung vorgegeben. Das eigentliche Ziel der Lieferung wird verschwiegen und eine Lieferadresse in einem auf den ersten Blick unverdächtigen Land vorgeschoben. Im vergangenen Jahr nutzten die Proliferationsstaaten erneut umfangreiche Beschaffungsnetzwerke, bestehend aus Tarnfirmen und Strohmännern in unterschiedlichen Staaten. Für diese Umgehungslieferungen können entsprechende Einkäufer jedes beliebige Land nutzen. Häufig liegen "Umgehungsstaaten" jedoch in geographischer Nähe zum Zielland. Aufklärung durch den Verfassungsschutz Die Spionageabwehr des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes bemüht sich um eine kontinuierliche Ausweitung der Aufklärungsbemühungen im Bereich der Proliferation. Sie sensibilisierte im Jahr 2017 erneut zahlreiche Unternehmen mit Vorträgen und Einzelberatungen, mit Erfolg für die Proliferationsbekämpfung. Die Gesprächspartner in den Unternehmen werden auf Gefahren illegaler Lieferungen sowie die einschlägigen Beschaffungsmethoden hingewiesen. In konkreten Einzelfällen bietet der Verfassungsschutz eine individuelle und vertrauensvolle Beratung, bei der Probleme und Fragen der Unternehmen stets vertraulich behandelt werden. Eine erhöhte Sensibilität in der Wirtschaft führt zu einer Zunahme von Hinweisen auf mögliche Anbahnungen mit Proliferationshintergrund und letztlich zu einem Anstieg der Fälle, in denen Beschaffungsnetzwerke identifiziert und geplante Proliferationsgeschäfte rechtzeitig verhindert werden können. Entwicklungen im Berichtsjahr Mit dem Inkrafttreten des Atomabkommens mit dem Iran im Jahr 2016 war ein starker Rückgang entsprechender iranischer Beschaffungsversuche zu verzeichnen. Wegen der Nachfrage nach relevanten Gütern für seine Raketenprogramme stellt der Iran dennoch weiterhin den Bearbeitungsschwerpunkt in der Proliferationsabwehr dar. Es konnte darüber hinaus eine steigende Anzahl pakistanischer Beschaffungsversuche festgestellt werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgte jedoch keine Auslieferung der jeweiligen Waren. Der Verfassungsschutz konnte die betroffenen Unternehmen rechtzeitig warnen und bereits sensibilisierte Firmen erkannten verdächtige Anfragen und bedienten diese nicht. 131 Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. Unter Konkurrenzoder auch Industriespionage wird die Ausspähung von Unternehmen durch ein konkurrierendes Unternehmen verstanden. Für das Jahr 2017 gehen Expertenschätzungen von einem Schaden in Höhe von 55 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft durch Wirtschaftsspionage aus. Aktuelle Umfragen belegen, dass statistisch jedes zweite Unternehmen von einer zielgerichteten Attacke betroffen war. Dabei sind sich nach einschlägigen Studien 76 Prozent der Unternehmen dieser Bedrohungslage nicht bewusst. Vor dem Hintergrund einer immer weiter fortschreitenden Digitalisierung und entsprechender Entwicklungen, die sich unter dem Schlagwort "Industrie 4.0" zusammenfassen lassen, gleichen sich Methoden, Techniken und Angriffsmöglichkeiten von Nachrichtendiensten und Cyberkriminellen immer mehr an. Deshalb wird es immer wichtiger, dass sich die Unternehmen mit umfassenden Sicherheitskonzepten gegen Spionage, Sabotage und Datendiebstahl schützen. Hierbei unterstützen die Wirtschaftsschutzexperten des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. In Sensibilisierungsvorträgen stellen Sie die Bedrohungen dar, denen Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen in der heutigen Zeit durch Wirtschaftsspionage ausgesetzt sind. Zusätzlich wird über die wichtigsten, aktuellen Angriffsstrategien informiert und es werden wirksame Schutzstrategien für Unternehmen vorgestellt. Der Verfassungsschutz besucht Unternehmen auf Wunsch vor Ort, um praktische Hilfestellung bei der Erstellung eines Sicherheitskonzeptes zu geben und die Sicherheitsverantwortlichen in einem vertraulichen Gespräch über die aktuellen Bedrohungen zu informieren. Im Jahr 2017 führten die Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes 80 Beratungen und Vorträge durch. Damit wurden rund 3.100 Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht. Zudem wurden auf dem ITSicherheitstag der IHK NRW sowie bei Messen in Neuss und Bonn die dortigen Aussteller und Besucher über die Gefahren der Wirtschaftsspionage und das Beratungsangebot des Verfassungsschutzes informiert. Im Bereich geheimschutzbetreuter Unternehmen haben darüber hinaus gesonderte Einzelfallberatungen und Sensibilisierungsgespräche stattgefunden. Diese Unternehmen sind mit Aufträgen und Projekten befasst, die als Verschlusssachen eingestuft sind. Da bei diesen Firmen von einer erhöhten Bedrohung durch Spionageaktivitäten ausgegangen werden muss, kooperieren der Verfassungsschutz und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in besonderem Maße bei der Betreuung dieser Unternehmen. Potenzielle Angreifer Im Fokus der Spionageabwehr stehen insbesondere Staaten wie die Volksrepublik China, die Islamische Republik Iran und die Russische Föderation. Darüber hinaus ist das Know-how innovativer deutscher Unternehmen auch für weitere - auch westliche - Staaten von großem Interesse. Teilweise gibt es einen gesetzlichen Auftrag für ausländische Nachrichtendienste, deutsche Wirtschaftsunternehmen auszuspionieren, um die Wirtschaft im eigenen Land zu unterstützen. Häufige Angriffsmethoden Die häufigste Angriffsvariante bestand im Jahr 2017 weiterhin darin, einer E-Mail Schadsoftware anzuhängen. Dabei handelte es sich in der Regel um sogenannte Trojaner, die sich im Unternehmensnetzwerk festsetzen und anschließend Unternehmensdaten an den Angreifer übertragen. Dies birgt für Unternehmen gerade in der Industrie 4.0 besondere Gefahren. Setzt ein Unternehmen auf die Verzahnung der Produktionsmittel mit modernster Informationsund Kommunikationstechnik, erhöht sich die Zahl der Angriffsmöglichkeiten erheblich. Es lassen sich einzelne Maschinen in einer Fabrik angreifen sowie Produktionsabläufe von außen über das Internet sabotieren und manipulieren. Professionelle Spionageangriffe werden oftmals überhaupt nicht oder erst sehr spät erkannt. Die durchschnittliche Zeit zwischen Infizierung und Entdeckung beträgt derzeit rund 250 Tage. In dieser Zeit können wichtige Geschäftsgeheimnisse verloren gehen und ein Unternehmen in eine existenzielle Bedrohungslage geraten. 132 Social Engineering als beliebte Methode Fremde Nachrichtendienste haben auch in 2017 versucht, mit Hilfe von Social Engineering Zugang zu Unternehmen zu erhalten. Sie versuchen Menschen so zu manipulieren, dass durch ihr Fehlverhalten auf fremde IT-Netzwerke zugegriffen werden kann. Dafür werden bewusst menschliche Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Gutgläubigkeit und Naivität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgenutzt. E-Mails werden beispielsweise unter vermeintlich bekannten Namen versendet. Der Inhalt einer Nachricht wird dabei häufig gezielt auf den jeweiligen Beschäftigten des Unternehmens angepasst. Anknüpfungspunkt kann beispielsweise ein Hobby der jeweiligen Zielperson sein. Sie wurde dafür im Vorfeld gezielt beispielsweise in sozialen Netzwerken ausspioniert, auch unter Zuhilfenahme von gefälschten Benutzerprofilen. Der Empfänger einer solchen Nachricht hegt häufig wenig Misstrauen, was die Erfolgsaussichten eines Angriffs erhöht. Die mit einem Trojaner versehene Anlage in einer E- Mail des Angreifers oder ein Link zu einer mit Schadsoftware präparierten Internetadresse werden sorglos geöffnet. Ein Firmennetzwerk kann auf diese Weise mit wenig Aufwand infiltriert werden. Schutzsoftware wird laufend weiterentwickelt und macht es Angreifern schwer. Daher rückt der Faktor Mensch in den Mittelpunkt der Bemühungen, einen unberechtigten Zugang zu einem gut gesicherten IT-Netzwerk zu erhalten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden weiterhin persönlich angesprochen und ausgehorcht, beispielsweise auf Messen oder Fortbildungen. Reisen ins Ausland In vielen Unternehmen gehören Dienstreisen zum Arbeitsalltag. Sie bieten Angreifern zahlreiche Ansätze, um wichtige Daten auszuspähen. Unternehmen sollten sich daher im Vorfeld genau über die Rechtsund Sicherheitslage in Zielländern informieren. Reisen Firmenangehörige beispielsweise mit verschlüsselter Hardware selbst in bestimmte europäische Staaten, drohen ihnen Haftstrafen, wenn sie sich weigern, bei einer Überprüfung die Daten auf dem Rechner zu entschlüsseln. In einer solchen Drucksituation gerät der Einzelne schnell in einen Loyalitätskonflikt. Gibt er das Passwort preis, verstößt er wohlmöglich gegen Regelungen in seinem Arbeitsvertrag. Dies kann als zusätzliches Druckmittel zur weitergehenden Kooperation gegen den Mitarbeiter eingesetzt werden. Eine Lösung kann der Einsatz eines separaten Smartphones oder Notebooks sein, das nur die für die jeweilige Reise notwendigen Daten enthält. Der Verlust dieser Daten würde zwar immer noch das spezifische Projekt gefährden. Es gäbe jedoch keinen Zugriff auf die Infrastruktur des Unternehmens mit darüber hinausgehenden Geschäftsgeheimnissen. Ganzheitliches Sicherheitskonzept Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz rät allen Unternehmen, sich auf der Grundlage eines ganzheitlichen Sicherheitskonzepts zu schützen. Unternehmenssicherheit ist dabei mehr als IT-Sicherheit. Sie gehört in professionelle Hände und sollte von einer eigenen Organisationseinheit (Corporate Security) bearbeitet werden, die alle Sicherheitsprozesse in einem Unternehmen verantwortet und verzahnt. Sicherheit selbst ist zwar kein wertschöpfender Vorgang, sie flankiert aber erfolgreich die Gewinnerzielung und stellt somit einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar. Bei einem einzigen professionellen Angriff kann ein Großteil des Know-how eines Unternehmens abfließen. Unternehmen sollten sich daher sehr frühzeitig mit dem Thema Sicherheit auseinandersetzen. Innovative "Start-Ups" sollten dies beispielsweise schon in der Gründungphase ihres Unternehmens berücksichtigen. Kontakt zum Wirtschaftsschutz Der Verfassungsschutz steht nordrhein-westfälischen Firmen mit einem breiten Sensibilisierungsund Beratungsangebot zur Seite. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen werden dabei unterstützt, sich besser vor Spionageversuchen fremder Nachrichtendienste zu schützen. Für eine Kontaktaufnahme ist das E-Mail-Postfach wirtschaftsschutz@im1.nrw.de eingerichtet. Telefonisch sind die Experten des Wirtschaftsschutzes unter 0211 871 2821 erreichbar. 133 Broschüre für Unternehmen Die neue Broschüre "Wirtschaftsspionage - So schützen Sie Ihr Unternehmen" des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes gibt einen Überblick über die vielfältigen Gefahren der Spionage und schlägt jeweils entsprechende Lösungsansätze vor. Sie kann über die Internetseite www.im.nrw.de/wirtschaftsschutz bestellt und heruntergeladen werden. 134 Präventionsarbeit und Aussteigerprogramme Islamismus und Rechtsextremismus waren im Jahre 2017 weiterhin die Kernbereiche, auf die sich der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen im Bereich der Prävention fokussiert. Die Präventionsarbeit wurde auf allen Ebenen weiter intensiviert, um extremistischen Aktivitäten frühzeitig entgegenzuwirken. Die Programme sind im Laufe des Jahres weiter ausgebaut und die zahlreichen Arbeitsfelder personell verstärkt worden. Die positive Resonanz des seit 2014 laufenden Fortbildungsprojektes VIR (Veränderungsimpulse setzen bei Rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen) ist durch ein Gutachten der Bundeszentrale für politische Bildung gestützt worden. Im Berichtsjahr sind weitere Trainerinnen und Trainer ausgebildet worden, und das VIR-Konzept wurde weiter in die Fachöffentlichkeit getragen. Das Präventionsprogramms Wegweiser ist weiter ausgebaut worden. Ziel ist ein flächendeckendes Angebot von niedrigschwelliger Beratung durch Anlaufstellen vor Ort in ganz Nordrhein-Westfalen. Der Ausbau wird daher in 2018 weiter fortgesetzt. Die beiden beim Verfassungsschutz angesiedelten Aussteigerprogramme Spurwechsel (Rechtsextremismus) und API (Islamismus) verzeichneten in 2017 eine weiterhin hohe Nachfrage. Ein Aussteigerprogramm für den Bereich des Linksextremismus befindet sich im Aufbau. Der Verfassungsschutz verfolgt in der Prävention einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. Dieser Ansatz wird beispielsweise bei speziellen Angeboten für Schule und Jugendarbeit deutlich, die das Ministerium des Innern mit dem Ministerium für Schule und Bildung zusammengestellt hat und finanziert. Die Resonanz auf die im Jahr 2017 vermittelten unterschiedlichen Module wie ein Theaterstück, Autorenlesungen und ein Comic-Workshop war sehr positiv. Die gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführte Tagung "Einstiegsprozesse in den Rechtsextremismus und gewaltbereiten Salafismus" wurde 2017 erneut erfolgreich durchgeführt. Im Rahmen von drei Fachtagungen wurden knapp 300 pädagogische Fachkräfte erreicht. Die ganzheitliche Präventionsarbeit stützt sich auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern. Im Berichtsjahr wurden das "Integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus für NordrheinWestfalen" und die Interministerielle Arbeitsgruppe Salafismusprävention weitergeführt. In beiden Bereichen werden die Aktivitäten und konkreten Projekte - getragen von Staat und Zivilgesellschaft - auch in Zukunft weiterentwickelt. Das Projekt "Kommunen gegen Extremismus", bei dem Sicherheitsbehörden eng mit Kreisen, Städten und Gemeinden zusammenarbeiten, wurde im Berichtsjahr weiterhin erfolgreich angenommen. Eine weitere Ausweitung ist angestrebt. Im Jahr 2017 hat der Verfassungsschutz 410 Veranstaltungen mit insgesamt rund 17.600 Teilnehmenden zur Information und Sensibilisierung für verschiedene Bereiche der Gesellschaft durchgeführt oder war an ihnen beteiligt. Einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die "Erlebniswelt Rechtsextremismus" leistet die gleichnamige Veröffentlichung, die 2017 in mittlerweile fünfter Auflage erschienen ist. 135 Übergreifende Konzepte Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz nutzte auch im Jahr 2017 seine Erkenntnisse zu den Extremismusbereichen Islamismus und Rechtsextremismus, um präventive Maßnahmen langfristig zu entwickeln, durchzuführen und fortzusetzen. Er wendet sich aber auch gemeinsam mit allen relevanten Akteuren gegen den Extremismus. Ein Präventionsansatz aus Vernetzung und konkreten Maßnahmen verspricht den größten Erfolg. Der Verfassungsschutz ist daher unter anderem in ressortübergreifenden Arbeitsgruppen der Landesregierung aktiv, unterstützt in Kooperation mit der Wissenschaft neue Forschungsprojekte und intensiviert die Zusammenarbeit mit den nordrhein-westfälischen Kommunen. Interministerielle Arbeitsgruppe Rechtsextremismus Die Landesregierung hat am 12. Dezember 2017 beschlossen, dass eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern aller Landesministerien weiterhin die Umsetzung des "Integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus für Nordrhein-Westfalen" begleiten soll. Der Verfassungsschutz NordrheinWestfalen beteiligt sich wie bisher aktiv an dieser interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG): Er gehört darüber hinaus seit langer Zeit dem Landesnetzwerk gegen Rechtsextremismus an. Das Handlungskonzept mit 166 Einzelmaßnahmen war am 10. Mai 2016 verabschiedet worden. Es soll bis zum Jahr 2019 umgesetzt werden. Erarbeitet wurde das Konzept mit Unterstützung einer interministeriellen Arbeitsgruppe. Diese wird unter der Federführung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft die Umsetzung begleiten und gegebenenfalls notwendige Anpassungen erörtern. Die Umsetzung des Handlungskonzepts wird von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus gesteuert. Sie ist bei der Landeszentrale für politische Bildung angesiedelt. Vorrangige Ziele werden die Abstimmung der Aktivitäten aller Landesressorts und der zahlreichen zivilgesellschaftlichen Stellen sein, die sich in Nordrhein-Westfalen gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, sowie die Förderung der weiteren Vernetzung. Ein Instrument des Handlungskonzepts ist unter anderem auch die in 2017 angelaufene Vergabe von Fördermitteln des Landes an Kreise und kreisfreie Städte. Damit können vor Ort passgenaue Handlungskonzepte entwickelt werden. Interministerielle Arbeitsgruppe Salafismusprävention Am 20. März 2017 wurde dem nordrhein-westfälischen Landtag der erste Zwischenbericht zum ganzheitlichen Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus vorgelegt. In der 2016 eingerichteten unbefristeten Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) zum Thema "Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe" sind die zuständigen Ministerien vertreten. Sie hat ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus entwickelt. Dieses Konzept orientiert sich an der Lebensbiografie eines Heranwachsenden und dem ihn jeweils begleitenden Lebensumfeld. Neben gefährdeten Personen sollen auch die Akteure in ihrem Umfeld durch konkrete Maßnahmen gestärkt und gegen "verführende" Botschaften und Anwerbungen durch die islamistische Szene immunisiert werden. Unter Einbindung wissenschaftlicher Expertise und von Erfahrungen aus der zivilgesellschaftlichen Praxis wurden 27 konkrete Projekte entwickelt und im Zwischenbericht dargestellt. Sie beziehen sich auf die Bereiche Sozialräume, Schule, Justizvollzug, Einbeziehung von Muslimen als Akteure, Medien, Propaganda sowie Frauen und Mädchen. Dem Leitgedanken des Handlungskonzeptes folgend wird bei der Umsetzung der Projekte ein großes Augenmerk auf die Bündelung der Einzelmaßnahmen und die Vernetzung der beteiligten Partner gelegt. Die Mitglieder der IMAG haben die Umsetzung der in ihrer Verantwortung liegenden 27 Projekte über 2017 hinaus vorangetrieben. Außerdem wurde mit der Betrachtung von weiteren Themenschwerpunkten und der Entwicklung von entsprechenden konkreten Projekten begonnen. Die Erstellung eines weiteren Berichtes der IMAG ist für die zweite Jahreshälfte 2018 vorgesehen. Kompetenznetzwerk CoreNRW Das Kompetenznetzwerk CoreNRW (Connecting Research on Extremism NRW) wurde im Jahr 2017 durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft und das Ministerium des Innern weiter aufgebaut. Neben den Ministerien wird das Netzwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen aus Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen sowie von Akteuren der Prävention getragen. Es setzt auf bedarfsorientierte Forschung und gezielten Wissenstransfer im Bereich des extremistischen Salafismus. 136 Koordinierungsstelle des Netzwerkes ist das Institut für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, das innerhalb des Netzwerkes unter anderem Steuerungs-, Vernetzungsund Vermittlungsfunktionen wahrnimmt sowie Forschungsbedarfe zusammenstellt. Die ersten Forschungsprojekte sind bereits angelaufen. Sie werden durch Haushaltsmittel des Wissenschaftsministeriums gefördert, Das Netzwerk stellt eine Basis für die notwendige Vernetzung von Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und Prävention dar. Projekt "Kommunen gegen Extremismus" Seit 2014 führt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz zusammen mit dem polizeilichen Staatsschutz des jeweils zuständigen Polizeipräsidiums das Projekt "Kommunen gegen Extremismus" durch. Im Zentrum steht die Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden sowie Kreisen, Städten und Gemeinden auf der Grundlage vertrauensvoller Zusammenarbeit. Durch gegenseitigen Informationsaustausch soll jeder Art von Extremismus im Vorfeld der Entstehung entgegenwirket werden. Das Projekt wurde als Pilot im Kreis Mettmann gestartet. In den folgenden Jahren ist es auf den Rhein-Kreis Neuss, den Rhein-Erft-Kreis, den Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Mönchengladbach ausgedehnt worden. Zuletzt haben sich der Kreis Paderborn mit seinen kreisangehörigen Kommunen sowie die kreisfreie Stadt Remscheid angeschlossen. Es gibt zudem Kontakte zu verschiedenen weiteren Städten in Nordrhein-Westfalen. Eine Erweiterung des Projekts auf bisher nicht beteiligte Landkreise und Städte ist beabsichtigt. Prävention auf allen Ebenen In den Bereichen Islamismus und Rechtsextremismus bringt der Verfassungsschutz NRW seine Erkenntnisse gezielt in alle drei grundlegenden Felder der Prävention ein. In Wissenschaft und pädagogischer Praxis wird üblicherweise zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden. Eingeteilt wird nach den Zielgruppen, an die sich die Präventionsmaßnahmen richten. Die primäre Prävention zielt auf die demokratische Öffentlichkeit ab ("Verfassungsschutz durch Aufklärung"). Bei der sekundären Prävention sind es Personengruppen, die eine Nähe zum extremistischen Denken und Handeln haben. Im Bereich des Rechtsextremismus werden diese Personen beispielsweise häufig als "rechtsorientiert" oder "rechtsaffin" bezeichnet. Entsprechende Jugendliche befinden sich meist in einer Annäherungsphase an extremistische Szenen. Tertiäre Prävention richtet sich an Personen, die fest in der Szene verankert und in ihr aktiv sind. Maßnahmen der tertiären Prävention sind insbesondere Aussteigerprogramme. Die Übergänge zwischen diesen drei Präventionsbereichen sind fließend, die Unterscheidung ist aber wichtig, weil wirksame Präventionsmaßnahmen passgenau auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet sein müssen. 137 Präventionsprogramm Wegweiser Wegweiser ist ein wesentlicher Baustein der Frühintervention vor allem bei jungen Menschen, die bereits mit der salafistischen Szene sympathisieren oder in diese abzurutschen drohen. Das im Jahr 2014 vom Innenministerium ins Leben gerufene Präventionsprogramm richtet aber auch an das soziale Umfeld dieser Personengruppe. Nach dem Motto "Ausstieg vor dem Einstieg" bietet es konkrete Beratungsangebote für Betroffene und ist auf lokaler Ebene für alle ansprechbar, die Fragen zu den Themen extremistischer Salafismus und Radikalisierung haben oder Unterstützung in konkreten Einzelfällen benötigen. Der Zugang zum Programm ist so niedrigschwellig wie möglich gestaltet. Kostenlose Beratung und Betreuung findet in 13 Anlaufstellen vor Ort (Stand: Ende 2017) statt. Diese werden von lokalen Trägerorganisationen unterhalten. Träger sind Organisationen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich (rund zwei Drittel) und kommunale Einrichtungen (rund ein Drittel). Breites Angebot zur individuellen Hilfe Es gibt vielfältige mögliche Auslöser für eine Radikalisierung. Daher ist Wegweiser breit aufgestellt und kann auf ein großes Netzwerk unterschiedlicher örtlicher Akteure und Einrichtungen zurückgreifen (unter anderem Vereine, Sozialverbände, kommunale Ämter, Familienberatungsstellen, Jobcenter, Moscheegemeinden, Polizei). Die Netzwerkpartner wurden von Anfang an, das heißt bereits im Implementierungsverfahren, verantwortlich und verbindlich in die Beratungsstruktur mit eingebunden. Die Wegweiser-Beraterinnen und -Berater arbeiten somit nicht allein. Sie greifen bei multiplen Problemlagen der Betroffenen das vorhandene Regelsystem auf und flankieren es, indem sie vorhandene Möglichkeiten aktivieren und einbinden sowie Betroffene beraten und unterstützen. Sie bleiben ansprechbare Helfer über die gesamte Dauer eines Prozesses. Die Wegweiser-Beratungsangebote sind für jedermann zugänglich. Sie richten sich vor allem an Angehörige, die auf Radikalisierung hindeutende Veränderungen bei jungen Menschen wahrnehmen. In drei Vierteln der Fälle werden pubertierende Jugendliche oder Kinder erreicht. Sie befinden sich in einer von Ambivalenz und von sprunghaften Verhalten geprägten Phase, sind in der Regel einer Vielzahl von Problemlagen ausgesetzt und sind daher für die einfachen Antworten der salafistischen Verführer auf die komplexen Fragen dieser Lebensphase besonders empfänglich. Das Programm wird darüber hinaus insbesondere aus dem Schulbereich und dem entsprechenden Umfeld nachgefragt. Dort werden Veränderungen besonders häufig bemerkt. Ausbau des Programms Die Nachfrage nach Beratungen und Vorträgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wegweiser war auch im Berichtszeitraum weiterhin hoch. Von Beginn des Programms bis zum Ende des Jahres 2017 wurden über 600 direkt betroffene Jugendliche und Kinder beraten. Davon haben sich in über 250 komplexen Fällen längerfristige Betreuungen durch das Wegweiser-Programm ergeben. In der überwiegenden Anzahl (80 bis 90 Prozent) haben diese Beratungsfälle einen positiven Verlauf genommen. Die bedeutet, dass offensichtlich extremistische Verhaltensweisen und Einstellungen bei den betroffenen jungen Menschen nicht mehr handlungsleitend waren und neue Perspektiven für sie erarbeitet werden konnten. Darüber hinaus wurden bis zum Ende des Berichtsjahrs nahezu 11.000 Umfeldberatungen und rund 1.800 Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt. Der Ausbau des vollständig vom Ministerium des Innern finanzierten Wegweiser-Programms wurde im Jahr 2017 konsequent fortgeführt. Neben zehn bereits in Betrieb befindlichen Beratungsstellen wurde die Arbeit im Laufe des Jahres 2017 an den Standorten Aachen, Bielefeld/Herford und Essen aufgenommen. Die Landesregierung verfolgt die Ziele, landesweit allen Betroffenen eine entsprechende Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen und Aufklärungsund Sensibilisierungsarbeit zum Thema gewaltbereiter Salafismus in allen Teilen NordrheinWestfalens durchführen zu können. Daher sollen auch in 2018 weitere Wegweiser-Beratungsstellen eingerichtet werden. In der Phase der Implementierung befinden sich Beratungsstellen in Oberhausen/Mülheim an der Ruhr, Gelsenkirchen, Recklinghausen/Bottrop, Hagen/Ennepe-Ruhr-Kreis/Märkischer Kreis und Rhein-Kreis Neuss. Zusätzlich sind sieben weitere Standorte in Nordrhein-Westfalen geplant. Mit dann insgesamt 25 Anlaufstellen sowie zusätzlichem Personal an sechs bereits bestehenden Standorten soll Ende 2018 eine landesweite Abdeckung mit dem Wegweiser-Beratungsangebot erreicht werden. 138 Kontakt zu Wegweiser Eine Übersicht der Wegweiser-Beratungsstellen vor Ort mit Kontaktinformationen bietet die Webseite www.wegweiser.nrw.de. Dort sind zudem Antworten auf häufige Fragen rund um das Programm zu finden. Das Ministerium des Innern unterhält eine Wegweiser-Hotline unter der Rufnummer 0211 / 871-2728. Hier können sich Ratsuchende aus ganz Nordrhein-Westfalen von Montag bis Freitag, jeweils von 8:00 bis 18:00 Uhr, vertrauensvoll Hilfe bei geschulten Beraterinnen und Berater holen. Die E-Mail-Adresse lautet info@wegweiser.nrw.de. Die zentrale Hotline vermittelt auf Wunsch Ansprechpartner vor Ort. 139 Aussteigerprogramme des Verfassungsschutzes Aussteigerprogramme haben einen großen Stellenwert bei der Extremismus-Prävention. Sie bieten Angehörigen extremistischer Szenen eine Möglichkeit, in die demokratische Gesellschaft zurückzukehren. Die ist häufig mit einer langjährigen Begleitung verbunden. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen betreibt bereits seit Jahren Aussteigerprogramme in den Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus. Derzeit richtet er ein weiteres Aussteigerprogramm für Szeneangehörige des Linksund auslandsbezogenen Extremismus ein. Damit bietet der Verfassungsschutz bei der tertiären Prävention nun Unterstützungsangebote in allen Extremismus-Feldern an. Personelle Verstärkung Aussteigerprogramme sollen dabei helfen, mögliche einschlägige Straftaten zu verhindern und das extremistische Personenpotential zu reduzieren. Ein wesentliches Element der Ausstiegsarbeit ist die Aufarbeitung der extremistischen Vergangenheit und Ideologie. In persönlichen Gesprächen werden Einstiegsprozesse beleuchtet und undemokratische Denkmuster hinterfragt. Voraussetzungen für eine Teilnahme am Programm sind Freiwilligkeit und ein klar formulierter Ausstiegswille. Speziell ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten den Ausstieg. Sie verfügen über besonderes Fachwissen zur jeweiligen extremistischen Szene. Die Teammitglieder verfügen über berufliche Vorerfahrungen und Kenntnisse aus den Bereichen Polizei, Verfassungsschutz, Justiz, Islam-, Rechtsund Politikwissenschaft sowie Psychologie, Pädagogik und soziale Arbeit. Dies schafft eine Grundlage für passgenaue Methoden der Deradikalisierung und der sozialen Stabilisierung. So können beispielsweise eigens auf die jeweiligen Extremismen bezogene Anti-Aggressivitätsund Anti-Gewalt-Trainings oder eine zielgerichtete Haftbetreuung angeboten werden. Die im Jahr 2016 begonnene personelle Verstärkung der Programme ist im Jahr 2017 fortgeführt worden. Eine weitere personelle Aufstockung ist für das Jahr 2018 geplant. Damit können der Aufbau des neuen Aussteigerprogramms für die Bereiche Linksextremismus und auslandsbezogener Extremismus realisiert, die weiterhin steigende Nachfrage in allen Programmen bedient sowie eine noch intensivere und an den jeweiligen Bedürfnissen der Klienten ausgerichtete Unterstützung und Begleitung angeboten werden. Ausstiegswillige Personen sehen sich in der Regel mit vielfältigen Problemlagen konfrontiert. Sie sind unter anderem geprägt durch Arbeitslosigkeit, finanzielle Schwierigkeiten, erhebliche Suchterkrankungen mit verstärkter psychischer Labilität wie Drogenund Alkoholabhängigkeiten, Persönlichkeitsstörungen, psychischen Beeinträchtigungen oder die Herausforderung, den Alltag plötzlich ohne die "einfachen" und strukturgebenden Antworten extremistischer Ideologien bewältigen zu müssen. Die Aussteigerprogramme des Verfassungsschutzes NRW leisten daher neben der ideologischen Aufarbeitung auch vielfältige Hilfestellungen zur Bewältigung und Unterstützung des Alltags der Teilnehmenden. Ein enger Austausch zwischen den beteiligten Akteuren unter anderem aus den Bereichen Justiz und Polizei ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Arbeit der Aussteigerprogramme. Das gilt insbesondere für die Koordination der Begleitung von inhaftierten Personen während einer Haftzeit oder in Fällen, in denen die Polizei mit Hinweisen auf mögliche ausstiegswillige Personen an die Aussteigerprogramme herantritt. Die Vernetzung von Präventionsakteuren reicht über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus. Sie wird durch einen regelmäßig stattfindenden länderübergreifenden Erfahrungsaustausch verstetigt und weiter ausgebaut. Das Themenspektrum reicht von der Information über Entwicklungen der jeweiligen Programme hin zur Erarbeitung gemeinsamer Standards für die Ausstiegsarbeit. Neben dem intensiven Austausch mit Behörden sind die Programme in allen wesentlichen Hilfesystemen vernetzt. Dies ermöglicht eine konkrete und individuelle Hilfe beispielsweise bei der Arbeitsplatzsuche, bei der Eingliederung in Qualifizierungsmaßnahmen sowie in Fällen der Schuldneroder Suchtberatung. Im Vordergrund steht stets, die eigenen Ressourcen der Klienten zu mobilisieren und so "Hilfe zur Selbsthilfe" zu leisten. Näher an die Zielgruppen heran Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz erweitert seine Öffentlichkeitsarbeit zu den Aussteigerprogrammen mit dem Ziel, noch näher an die Zielgruppen der Programme heranzukommen und damit die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Erste Schritte entsprechender Kampagnen sind die Einrichtung von Facebook-Seiten für das 140 Aussteigerprogramm Rechtsextremismus "Spurwechsel" und das Aussteigerprogramm Islamismus "API" im Jahr 2017. Die Seiten geben Einblicke in die Angebote und die Arbeit der Programme. Sie verdeutlichen zudem die negativen Auswirkungen, die extremistische Einstellungen und ein entsprechendes Verhalten auf die Betroffenen selbst und auf Dritte haben. Ausstiegswillige Personen haben über die Angebote die Möglichkeit, sich jederzeit und bei Bedarf auch in zunächst anonymisierter Form mit ihren Fragen und Anliegen an die Programme zu wenden. Dort stehen virtuelle Ausstiegsbegleiter für einen niederschwelligen Erstkontakt zur Verfügung. Dahinter stehen Mitarbeiter der Programme, die für diesen Zweck speziell zu Online-Beratern ausgebildet worden sind. Einen neuen Zugang zur Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichte die Teilnahme des Verfassungsschutzes an der weltweit größten Computerund Videospiele-Messe Gamescom im August 2017 in Köln. Auf einem eigenen Stand wurden auch die Aussteigerprogramme als Teil der Präventionsarbeit der Landesregierung im Bereich des Extremismus präsentiert. Ein vom Verfassungsschutz produzierter Virtual-RealityFilm (VR) zum Thema Islamismus weckte das Interesse der zahlreichen Standbesucher. Mit entsprechenden VRBrillen konnten sich die Jugendlichen am Stand in der virtuellen Szenerie umsehen. Ein Bildschirmquiz zum Extremismus gab den Anlass für viele, teilweise intensive Gespräche. Weitere Elemente der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit werden unter anderem der kontinuierliche Ausbau von Aktivitäten in den sozialen Medien, onund offline sichtbare Werbungen sowie für die Zielgruppen optimierte Websites sein. Eine Einbeziehung des Aussteigerprogramms Linksextremismus ist in Vorbereitung. Aussteigerprogramme NRW bei Facebook API: www.facebook.com / api.nrw Spurwechsel: www.facebook.com / spurwechsel.nrw Neben der erneuten Teilnahme beim Deutschen Präventionstag in Hannover waren die Aussteigerprogramme im Jahr 2017 verstärkt mit eigenen Ständen, Workshops und Vorträgen bei weiteren bewährten Formaten des Präventionsbereichs vertreten. Sie beteiligten sich beispielsweise an Veranstaltungsreihen der Landeszentrale für politische Bildung und der Tagung "Grenzenloser Salafismus - Grenzenlose Prävention?" der Bundeszentrale für politische Bildung im Dezember 2017 in Mannheim. Stärkere Ausrichtung auf Frauen Die Aussteigerprogramme des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes haben in den zurückliegenden Jahren überwiegend männliche Extremisten betreut, obwohl sich das Angebot zu keinem Zeitpunkt nur an Männer richtete. Es stellte sich daher die besondere Herausforderung, Frauen zu erreichen und zu einer Distanzierung von der jeweiligen extremistischen Szene zu bewegen. Dieser Herausforderung ist der Verfassungsschutz mit einer gezielten Einstellung weiblicher Ausstiegsbegleiterinnen sowie einer auf Frauen und Mädchen gerichteten Akzentuierung der Ansprache begegnet. Weibliche Klientinnen sind in der Ausstiegshilfe zwar nach wie vor unterrepräsentiert, ihr Anteil ist jedoch mittlerweile auf knapp 20 Prozent angestiegen. Ausstiegsbegleiterinnen werden von weiblichen Aussteigerinnen gut angenommen. Das API spricht gezielt und aktiv islamistische Frauen wie beispielsweise Rückkehrerinnen aus Syrien und dem Irak an. Damit wird frühzeitig eine intensive Begleitung im ideologischen Distanzierungsprozess möglich. Das Konzept zur zielgerichteten Ansprache und Begleitung extremistischer Frauen und Mädchen wurde auch im Jahr 2017 in der Ausstiegsarbeit berücksichtigt und auf der Grundlage gewonnener Erkenntnisse fortgeschrieben. Spurwechsel - Aussteigerprogramm Rechtsextremismus 180 Personen haben bis zum Ende des Jahres 2017 die rechtsextremistische Szene über das Programm Spurwechsel dauerhaft verlassen. Dabei wurden wie in den Vorjahren parallel stets zwischen 40 und 50 Personen aktiv begleitet. Die im Jahr 2015 durch Prof. Dr. Kurt Möller von der Hochschule Esslingen und Prof. Dr. Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein vorgestellten Evaluationsergebnisse und die damit verbundenen Empfehlungen wurden im Jahr 2017 weiter aufgegriffen. In einer wissenschaftlich begleiteten internen Projektgruppe wurden unter anderem die Dokumentation sowie Prozesse der Klientenbetreuung überarbeitet und angepasst. In 2017 wurde das 141 Programm methodisch weiterentwickelt, und interne Projektgruppen erarbeiten fortlaufend neue Themenschwerpunkte wie beispielsweise die Verstärkung der Social-Media-Nutzung und die besondere Ausrichtung der Programme auf Frauen und Mädchen. Spurwechsel verstärkt weiter seine Bemühungen, möglicherweise ausstiegswillige Menschen eigeninitiativ anzusprechen. Auf diesem Wege konnten bereits Klienten zu einer Teilnahme am Programm und damit zu einer Abkehr von der Szene bewegt werden. Im Jahr 2017 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Programms Spurwechsel an verschiedenen Fachtagungen und Fortbildungen teilgenommen, wie die Bundesarbeitstagung der staatlichen Ausstiegshilfen und verschiedene Veranstaltungen ziviler und staatlicher Programme im Rechtsextremismus. API - Aussteigerprogramm Islamismus Mit dem API unterbreitet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz seit 2014 stark radikalisierten und in die islamistische Szene fest eingebundenen Personen ein Angebot, die extremistische Szene zu verlassen. Das Programm steht zudem Rückkehrern aus Kriegsgebieten und wegen entsprechender politischer Straftaten verurteilten Inhaftierten offen. Voraussetzung ist, dass sie die Bereitschaft haben, sich aus der Szene zu lösen. Bei rund 130 Personen ist das API bis Ende 2017 tätig geworden. Bis zu 50 Fälle wurden und werden gleichzeitig aktiv bearbeitet. 14 Fälle sind nach Überprüfung durch das API an andere Hilfesysteme übergeben worden. Drei Fälle sind abgeschlossen, weil eine Deradikalisierung mit Hilfe des API zügig erreicht werden konnte. In einigen Fällen wurde die Zusammenarbeit jedoch abgebrochen. Die Ausstiegsabsichten möglicher Klienten waren nicht oder nicht ausreichend vorhanden, um eine Aufnahme in das Programm zu rechtfertigen. Das API hat von Beginn an eine aktive Fallakquise betrieben. Es hat viele Extremisten proaktiv kontaktiert und auf einen Ausstieg hingearbeitet. Dieses Vorgehen führt naturgemäß zu einer höheren "Ausfallquote" als eine primär reaktive Arbeitsweise. Etwa dreißig Prozent der durch das API begleiteten Klienten wurden proaktiv durch das Programm angesprochen. Wie bei Rechtsextremisten dauert ein Deradikalisierungsprozess im Islamismus zwischen drei und fünf Jahre. In etwa 25 Fällen konnte das API bei aktuellen Klienten eine nachhaltige und mutmaßlich dauerhafte Distanzierung von der extremistischen Szene erreichen. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Entwicklungen wird die Begleitung dieser Personen weiter fortgesetzt. Das Programm wird innerhalb der Szene zunehmend bekannter. Die Anzahl der eigeninitiativen Kontaktaufnahmen beispielsweise inhaftierter Extremisten steigt kontinuierlich an. Die zeigt, dass das API von der Zielgruppe gut angenommen wird. Um diese Entwicklung weiter zu fördern, wurden im Jahr 2017 die Werbung für das API verstärkt sowie Veranstaltungen und Fortbildungen bei potentiellen Multiplikatoren durchgeführt. Das API wird ebenfalls Tagungen beispielsweise für den polizeilichen Staatsschutz und die Justiz durchführen. left - Aussteigerprogramm Linksextremismus Im Laufe des Jahres 2018 wird das dritte Aussteigerprogramm des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes seine Arbeit aufnehmen. Das Programm left wird sich an zwei Personengruppen richten. Dies sind zum einen Linksextremisten, beispielsweise Personen aus dem autonomen Spektrum, und zum anderen Mitglieder auslandsbezogener extremistischer Gruppierungen wie der PKK, der DHKP-C oder der Ülkücü-Bewegung. Das Jahr 2017 wurde genutzt für die Konzepterstellung, Personalauswahl und Qualifizierung. left greift bei der Arbeitsmethodik und Infrastruktur auf die Erfahrungen der bereits bestehenden Aussteigerprogramme des Verfassungsschutzes zurück. Die linksextremistische Szene ist durch eine oftmals besondere Ideologisierung und eine regelmäßig explizit ablehnende Haltung dem Staat gegenüber geprägt. Dies kann das Programm left vor besondere Herausforderungen stellen. Das Programm wird daher einen besonderen Schwerpunkt auf die Identifizierung von und den Austausch mit Multiplikatoren legen. Es wird zudem versuchen, über zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit und Ansprache der Szene Hemmnisse und Befürchtungen abzubauen. Erste Erfahrungen zeigen, dass in der linksextremistischen Szene ebenfalls mit Unterstützungsbedarf zu rechnen ist, auch wenn die Fallzahlen niedriger ausfallen dürften als bei den beiden bereits etablierten Programmen Rechtsextremismus und Islamismus. 142 Fachtagungen und Kongresse Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen bringt seine Erkenntnisse regelmäßig in Fachtagungen und - kongresse ein. Diese Veranstaltungen bieten wichtige Gelegenheiten zum Dialog mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft beispielsweise zu speziellen Fragen des politischen Extremismus, aber auch zu Erfahrungen und Ansätzen im Bereich der Prävention. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beteiligt sich überwiegend auf Einladung der Veranstalter an Fachtagungen. Er richtet sie aber auch immer wieder selbst gemeinsam mit Partnerorganisationen aus. Tagungsreihe "Einstiegsprozesse in den Rechtsextremismus und gewaltbereiten Salafismus" Was motiviert junge Menschen, sich islamistischen oder rechtsextremistischen Szenen anzuschließen? Kristallisieren sich typische Einstiegsmuster heraus? Und im Vergleich dieser Gruppierungen - fallen Parallelen ins Auge oder vor allem Unterschiede? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem genauen Blick auf solche Lebenswege für die Präventionsarbeit? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der Informationsreihe "Einstiegsprozesse in den Rechtsextremismus und gewaltbereiten Salafismus", die die Landeszentrale für politische Bildung NRW und der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz gemeinsam konzipiert und durchgeführt haben. Sie umfasste drei Fachtagungen am 17. Oktober, 28. November und 5. Dezember 2017 in Bochum, Bielefeld und Wuppertal. Knapp 300 pädagogische Fachkräfte aus der schulischen und außerschulischen Arbeit mit Jugendlichen nahmen daran teil. Die Veranstaltungen griffen neben Erkenntnissen der biographischen Forschung die Erfahrungen von Aussteigern und Aussteigerprogrammen auf. Vier Aussteiger aus islamistischen und rechtsextremistischen Gruppierungen sowie aus dem Bereich der türkisch-nationalistischen "Grauen Wölfe" berichteten über Motive, Aktivitäten, Ideologien und Gefühle, die sie mit diesen Szenen verbunden haben. Im jeweils abschließenden World Cafe erörterten die Teilnehmenden Konsequenzen und Impulse für die Prävention. Die Referenten des Vormittags sowie weitere Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus Netzwerken und Initiativen standen an acht Thementischen für Gespräche zur Verfügung. Die Reihe fand eine sehr positive Resonanz und wird 2018 in Münster, Siegen und Aachen fortgesetzt. Fachtag "Erlebniswelt Rechtsextremismus - Hintergründe und Methoden für die Präventionsarbeit" Mit welchen Angeboten und Botschaften wenden sich Rechtsextremisten an Jugendliche? Welche Rolle spielt das Internet? Wie können praktische Formen aussehen, um Inszenierungen und Inhalte des Rechtsextremismus in Bildungsveranstaltungen mit Jugendlichen aufzugreifen und ihre Wachsamkeit zu stärken? Der Fachtag "Erlebniswelt Rechtsextremismus. Hintergründe und Methoden für die Präventionsarbeit" am 1. Dezember 2017 in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin ging diesen Fragen nach. Er begleitete das Erscheinen der Neuauflage des Bandes "Erlebniswelt Rechtsextremismus", den jugendschutz.net und der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz gemeinsam veröffentlicht haben. Beide Einrichtungen haben den Fachtag veranstaltet. Praktische Impulse standen im Mittelpunkt. Neben zwei Fachvorträgen wurden im Plenum Aufklärungsprojekte zu den Themen "Fake News" und "Rechtsextremismus und Sport" präsentiert. In einem Open Space stellten sich 15 Projekte vor, die einen weiten Fächer von Ansätzen und Methoden repräsentieren: Vertreten waren zum Beispiel die Fußball-Fanprojekte in NRW, das Ronsdorfer Rockprojekt aus Wuppertal, das intensiv mit Jugendbands arbeitet und CDs gegen Rassismus veröffentlicht hat, das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Hamm, das einen aufwändigen, regelmäßig stattfindenden Studientag "Erlebniswelt Rechtsextremismus" für Lehramtsanwärter/innen präsentierte, und das Schlosstheater Moers, das seit Jahren die Moerser Jugendkongresse für Demokratie und gegen Extremismus mitveranstaltet. Fortbildungstagung "Extremistische Bewegungen: aktuelle Gefährdungen für unsere Demokratie?" Gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Landesverband der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) hat der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen am 13. Dezember 2017 zum zweiten Mal die Fortbildungstagung "Extremistische Bewegungen: aktuelle Gefährdungen für unsere Demokratie?" veranstaltet. 143 Teilnehmende waren Lehrkräfte, Fachkräfte der Lehrerausbildung und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in der außerschulischen Bildungsarbeit tätig sind. Im Mittelpunkt standen Impulsvorträge über Rechtsextremismus und Islamismus als aktuelle Gefährdungen für die Demokratie. Ein Musiklehrer aus Köln stellte eine vom ihm konzipierte Unterrichtsreihe zum Thema "Rechtsextremistische Musik" vor. Darüber hinaus bestand Gelegenheit, mit einer Aussteigerin aus dem Rechtsextremismus in ein intensives Gespräch zu kommen. Eine Fortsetzung dieses Tagungsformates ist geplant. Herausforderung extremistischer Salafismus - Angebote für Schule und Jugendarbeit Der extremistische Salafismus bleibt eine aktuelle Herausforderung auch für Lehrkräfte an Schulen sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit. Wie kann man Jugendliche erreichen, mit ihnen ins Gespräch kommen und sie sensibilisieren? Das Ministerium des Innern hat in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Schule und Bildung Angebote zusammengestellt, die im Unterricht und in der außerschulischen Arbeit mit jungen Menschen helfen sollen, über extremistischen Salafismus aufzuklären. Schulen und Jugendeinrichtungen konnten 2017 vier kostenfreie Module online anfordern: ein Theaterstück, Autorenlesungen zweier Jugendbücher und einen Comic-Workshop. Die konstant hohe Nachfrage bestätigte den großen Bedarf an Unterstützung insbesondere an Schulen. 2017 wurden über 100 Veranstaltungen durchgeführt und mehr als 9.000 Jugendliche erreicht. Die Resonanz sowie die per Feedback-Bogen gezielt abgefragten Rückmeldungen der veranstaltenden Schulen waren durchweg positiv. Für das Jahr 2018 ist das Angebot auf acht Module zur kreativen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Salafismus erweitert worden. Die folgenden Angebote wurden bei einer Informationsveranstaltung für Lehrkräfte und Beschäftigte in der Jugendarbeit am 13. Dezember 2017 im Jungen Schauspiel Düsseldorf vorgestellt: das Theaterstück "Dschihad One-Way" des Jungen Theaters Hof das Theaterstück "Paradies" des Jungen Schauspiels Düsseldorf eine Lesung des Romans "Dschihad Calling" durch den Autor Christian Linker ein fachlich begleiteter Comic-Workshop mit dem Zeichner Peter Schaaff und der Expertin für Kinderund Jugendarbeit Sinem Aslan das Klassenzimmer-Theaterstück "321 EXIT" des Jungen Theaters Hof der Workshop "Cool und radikal?! Eine Analyse islamistischer Internetpropaganda" mit Dr. Josephine B. Schmitt und Julian Ernst von der Universität zu Köln eine Vorführung des Kinofilms "Der Himmel wird warten" mit begleitendem Seminar des Instituts für Kino und Filmkultur in Wiesbaden Lehrmaterialien des Vereins ufuq.de in Berlin. Die Angebote sind abrufbar über die Webseite www.im.nrw.de/salafismus-praevention Gamescom Entertainment-Messe in Köln Im August 2017 war der Verfassungsschutz NRW erstmals mit einem eigenen Stand auf der Gamescom Entertainment-Messe in Köln vertreten. Mit rund 500.000 Besuchern aus 106 Ländern ist sie die weltweit größte Messe für Computerund Videospiele. Extremistische Propaganda verbreitet sich rasant in sozialen Netzwerken und anderen Online-Welten. Sie kann dazu führen, junge Menschen ideologisch zu beeinflussen und zu radikalisieren. Die Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten ("Spurwechsel") und Islamisten (API) sowie das Präventionsprogramm "Wegweiser" präsentierten sich dem internationalen Publikum und klärten auf. Die durch 144 plakative Bildelemente auffallende Standgestaltung erreichte die junge Zielgruppe. Multimediale Angebote wie ein interaktiver Virtual Reality-Film, ein Extremismus-Quiz und umfassendes Informationsmaterial stießen auf großes Interesse und Offenheit bei den Jugendlichen. Sie boten einen sehr guten Einstieg, um mit medienaffinen jungen Menschen sowie mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ins Gespräch zu kommen und häufig lebhaft zu diskutieren. 22. Deutscher Präventionstag in Hannover Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat sich im Juni 2017 in Hannover zum dritten Mal mit einem eigenen Stand am Deutschen Präventionstag beteiligt. Extremismusprävention hat sich bei dem größten europäischen Fachkongress im Bereich Prävention zu einem zunehmend relevanten Thema entwickelt. Die vielfältigen Präventionsangebote des Verfassungsschutzes sind daher auf ein großes Interesse beim nationalen und internationalen Fachpublikum gestoßen. Am Stand fanden Gespräche zu konkreten Einzelfällen statt, in denen auf Hilfsund Beratungsangebote hingewiesen wurde. Der Präventionstag bot zudem die Möglichkeit, sich mit Vertreterinnen und Vertretern aus Praxis und Wissenschaft intensiv über zukünftige Herausforderungen der Präventionsarbeit auszutauschen. 145 VIR - Veränderungsimpulse setzen bei rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen Zum fünften Mal wurden im Jahr 2017 Trainerinnen und Trainer ausgebildet, um pädagogische Fachkräfte und andere Interessierte nach dem VIR-Konzept fortzubilden. VIR-Fortbildungen richten sich an Personen, die beruflich oder ehrenamtlich mit rechtsorientierten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen im Kontakt sind, also mit jungen Menschen, die sich der rechtsextremistischen Szene annähern, aber noch nicht fest in ihr verankert sind. Der VIRAnsatz verfolgt das Ziel, Impulse in Alltagssituationen zu setzen, die zur Veränderung des eigenen Denkens und Handelns motivieren. Trainer/innen-Ausbildung in Bielefeld Der Steuerungskreis des VIR-Projekts bildet in der Regel einmal jährlich Trainerinnen und Trainer aus. Sie werden damit vorbereitet, anschließend selbst dreitägige Fortbildungen in Zweierteams durchführen zu können. Teilnehmende sind überwiegend pädagogische Fachkräfte, die zum Teil langjährige Erfahrungen aus der Jugendhilfe sowie aus Präventionsund Bildungsprogrammen mitbringen. Die fünfte VIR-Ausbildung fand vom 25. bis 28. September 2017 in Bielefeld statt. Die neu ausgebildeten Trainerinnen und Trainer arbeiten beispielsweise in Fußball-Fanprojekten, in Ausstiegshilfen für Rechtsextremisten, in der Bewährungshilfe und der offenen Jugendarbeit. Insgesamt wurden bisher rund 80 VIR-Trainerinnen und -Trainer lizensiert, die überwiegend in Nordrhein-Westfalen tätig sind. Weitere sind in Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ansässig. Nach dem Schneeballeffekt sollen VIR-Fortbildungen an möglichst vielen Orten zur Verfügung stehen. Ausgebildete Trainerinnen und Trainer haben 2017 eigene VIR-Fortbildungen unter anderem im Oberbergischen Kreis, in Oldenburg, an der Universität Rostock und an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (Bochum) durchgeführt. Elemente des VIR-Konzepts wurden zudem in andere Fortbildungsformate wie beispielsweise Deeskalationstrainings integriert. Gutachten bestätigt "sehr gut durchstrukturierte Methodik" Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die Trainerausbildung 2017 begleitet. In ihrem Auftrag nahm der Kölner Politikwissenschaftler Hans-Georg Lützenkirchen an der Veranstaltung in Bielefeld teil. Sein Gutachten kommt unter anderem zu dem Ergebnis: "Die VIR-Fortbildung bietet eine bewährte und sehr gut durchstrukturierte Methodik, die geeignet ist, in der sozialen, sozialpädagogischen, präventiven oder beratenden Arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen Veränderungsprozesse anzuregen und zu entwickeln." Der Bericht entwirft darüber hinaus Anregungen, um Inhalte und Methoden des VIR-Projekts enger mit der politischen Bildung zu verzahnen. Reflexionsund Vernetzungstreffen in Dortmund Alle seit 2014 ausgebildeten VIR-Trainerinnen und -Trainer hatten beim zweiten Reflexionsund Vernetzungstreffen in Dortmund am 12. Dezember 2017 Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszutauschen. Im Mittelpunkt standen zudem aktuelle Informationen zur rechtsextremistischen Musik-Szene und das intensive Gespräch mit einer Aussteigerin. VIR auf Kongressen und Tagungen Das VIR-Konzept und seine Grundlagen wurden 2017 weiter in Fachkreisen vorund zur Diskussion gestellt. Dies geschah beispielsweise in einer Themenarena und einer Projektpräsentation auf dem Deutschen Kinderund Jugendhilfetag am 30. März in Düsseldorf. VIR stand auch auf der Agenda der Tagung "Kulturelle Bildung und Rechtspopulismus?! Perspektiven und Widersprüchlichkeiten einer lebensweltorientierten Kulturarbeit mit rechten Jugendszenen" am 12. Juni in der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid. Im Juni 2018 stellt sich VIR in einem Projektspot auf dem Deutschen Präventionstag in Dresden vor. 146 VIR im Überblick VIR ("VeränderungsImpulse setzen bei Rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen") ist ein Fortbildungskonzept, das zehn Bausteine umfasst, darunter Übungen zur Motivierenden Gesprächsführung, ein Modell, das Veränderungsphasen widerspiegelt (Transtheoretisches Modell der Veränderung, TTM) und Grundlagen zum Thema Rechtsextremismus (Rechtslage, "Erlebniswelt Rechtsextremismus", Einund Ausstiegsprozesse). Präventionsansatz VIR-Fortbildungen geht es um die Kommunikation mit Zielgruppen, die skeptisch sind, ob sie ihr Verhalten ändern möchten. Intensive Beratungsprozesse sind daher zunächst aussichtlos. VIR setzt auf Kurzinterventionen; dies sind "Tür und Angel"-Gespräche oder Kurzberatungen mit einer Dauer von zehn bis 60 Minuten. Typische Situationen sind Pausengespräche in der Schule, Gespräche im Jugendzentrum oder zwischen Strafgefangenen und Beschäftigten in einer Justizvollzugsanstalt. Akteure Im VIR-Projekt arbeiten staatliche und zivilgesellschaftliche Stellen eng zusammen: Es wird gemeinsam getragen vom Arbeitskreis der Ruhrgebietsstädte gegen rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen (AK-Ruhr), der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz NRW und dem Verfassungsschutz NordrheinWestfalen (Aussteigerprogramm "Spurwechsel"). VIR wird fachlich begleitet durch das LWL-Landesjugendamt Westfalen. Die ginko Stiftung für Prävention in Mülheim an der Ruhr, an deren Fortbildungskonzept MOVE (Motivierende Kurzintervention) sich VIR anlehnt, hat das Projekt unterstützt. Informationen zum Projekt Weitere Informationen zum VIR-Projekt und Kontaktmöglichkeiten zu Trainerinnen und Trainern sind unter www.vir.nrw.de abrufbar. 147 Vorträge und Fortbildungen Aufklärung und Sensibilisierung erhöhen die Wachsamkeit der Menschen. Sie schützen vor extremistischen Bestrebungen und stärken demokratische Grundhaltungen in der Gesellschaft. Entsprechend seines gesetzlichen Auftrags informiert und sensibilisiert der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen im Rahmen von Veranstaltungen und Fortbildungen über Ideologien, Erscheinungsformen, Anwerbestrategien und Propagandaaktivitäten politischer Extremismen. Er klärt über deren Auswirkungen sowie über die Gefahren für das demokratische Miteinander auf. Der Verfassungsschutz erhält Anfragen aus allen gesellschaftlichen Bereichen wie beispielsweise Schulen, Fortund Weiterbildungseinrichtungen für Lehrkräfte, Polizei, pädagogischen Fachkräften unterschiedlicher Arbeitsfelder, Justiz und anderen Behörden wie zum Beispiel Jugendämtern. Großes Interesse an Aufklärungsveranstaltungen besteht nach wie vor bei politischen Einrichtungen und Stiftungen, Volkshochschulen sowie hauptund ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Flüchtlingseinrichtungen. Darüber hinaus wurden in 2017 über 60 Vorträge zum Wirtschaftsschutz und der Spionageabwehr gehalten (siehe Kapitel "Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz"). Schwerpunkte Rechtsextremismus und Islamismus Das Interesse an Vorträgen und Fortbildungen über Extremisten, deren Netzwerke und Agitationsformen war in 2017 weiter hin sehr hoch. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat in diesem Jahr bei rund 320 Veranstaltungen mitgewirkt. Landesweit konnten damit rund 14.300 Menschen über den Rechtsextremismus und über den Islamismus informiert werden. Die Aufklärungsund Sensibilisierungsveranstaltungen richteten sich hauptsächlich an Multiplikatorinnen und Multiplikatorinnen. Sie tragen ihr Wissen weiter und sorgen damit für einen hohen Wirkungskreis. Schulen in Nordrhein-Westfalen haben ebenfalls viele Vorträge angefragt. In Unterrichtseinheiten und an Projekttagen konnten zahlreichen Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über politische Extremismen und ihre Erscheinungsformen vermittelt werden. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen verfolgt einen ganzheitlichen Aufklärungsund Präventionsansatz. Das Erreichen einer möglichst breiten Zielgruppe verspricht den größten Erfolg. Eine Vernetzung und Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden in der Prävention ist deshalb wichtig. In vielen Fällen laden zivilgesellschaftliche Träger den Verfassungsschutz ein, um die eigenen Fachkräfte weiterzubilden. Interessierte Bürgerinnen und Bürger profitieren ebenfalls bei Veranstaltungen von der Expertise des Verfassungsschutzes. Die Kooperationsveranstaltungen mit der Landeszentrale für politische Bildung haben sich bewährt. Mit der Veranstaltungsreihe "Einstiegsprozesse" konnten verschiedene Zielgruppen erreicht werden (siehe Abschnitt Fachtagungen). Der Verfassungsschutz unterstützt zudem die Veranstaltungsreihe "Vielfältiger Islam und gewaltbereiter Salafismus", die sich insbesondere an pädagogische Fachkräfte richtet. Sie wird in Kooperation der Landeszentrale für politische Bildung mit dem Ministerium des Innern, dem Ministerium für Schule und Bildung und dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration durchgeführt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes arbeiten im fachlichen Steuerungskreis mit und wirken als Referentinnen und Referenten bei den Veranstaltungen mit. Die Kooperationsveranstaltung des Qualifizierungsprojektes "Starke Moscheegemeinden - Starke Jugend: Für Demokratie - Gegen gewaltbereiten Salafismus" für Imame und Multiplikatoren in Moscheegemeinden wurde fortgeführt. In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung sowie dem Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen fanden die Präventionstage "Für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" für Schülerinnen und Schüler statt. Die Präventionstage klären vor allem über zwei Facetten des Rechtsextremismus auf, die für Jugendliche besonders wichtig sind: die Musiklandschaft dieser Szene sowie ihre Aktivitäten in sozialen Medien und auf anderen Online-Plattformen. Zum Thema Rechtsextremismus fanden erneut zahlreiche Vorträge und Workshops für Jugendliche statt. Die meisten Veranstaltungen richteten sich aber an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, etwa an Lehrkräfte oder andere pädagogische Fachkräfte. Besonderes Interesse bestand im Jahr 2017 bei Kommunalverwaltungen mit 148 einem speziellen Augenmerk auf Reichsbürger und Selbstverwalter. Inhaltlich nahmen die Veranstaltungen zudem Mittel und Strategien in den Fokus, mit denen junge Menschen für diese Szene gewonnen werden sollen ("Erlebniswelt Rechtsextremismus"), sowie die Agitation gegen geflüchtete Menschen, die die rechtsextremistische Propaganda in jüngster Zeit besonders prägt. Der Verfassungsschutz beteiligte sich 2017 beispielsweise mit Beiträgen zum Rechtsextremismus und Islamismus am Moerser Jugendkongress am 22. November 2017, an einer Fortbildung für Fachkräfte der Goethe-Institute am 10. Oktober 2017 sowie an einer Kooperationsveranstaltung mit dem Bündnis "Respekt und Mut/Düsseldorfer Appell" und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit am 16. Oktober 2017. Extremistische Salafisten nutzen professionelle Propaganda und Werbestrategien sowie Netzwerke, um vor allem junge Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen. Der Verfassungsschutz informiert daher zum Islamismus in zahlreichen Veranstaltungen auf allen Ebenen über Netzwerke, Aktivitäten und Wirkungsweisen der Ideologie, beleuchtet die Hintergründe und schafft Handlungssicherheit im Umgang mit dem Phänomen. Es bestand weiterhin hohe Nachfrage nach Informationen über das Präventionsprogramm Wegweiser und das Aussteigerprogramm Islamismus sowie deren Beratungsexpertise. In zahlreichen Fällen konnten an den Veranstaltungen teilnehmende Ratsuchende direkt in Beratungsprogramme und Hilfesysteme vor Ort vermittelt werden. Ziel der Aufklärungsarbeit ist, Informationslücken und weit verbreitete Unsicherheiten im Umgang mit dem Phänomen und Unkenntnis über bereits vorhandene Beratungsangebote und Präventionsnetzwerke abzubauen. Nachfragende waren 2017 vor allem Bürgerinnen und Bürger, Beschäftigte in Behörden, insbesondere der Sozialarbeit, Angehörige der Zivilgesellschaft, Schulen, die Justizverwaltung, politische Stiftungen sowie Gremien und weitere Beratungsstrukturen. Durch die breit angelegte Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes wird die Gesellschaft gegen extremistisches Gedankengut und entsprechende Strömungen gestärkt. Informierte können frühzeitig auf "Signale" reagieren und so zügig niedrigschwellige Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Damit werden Einzelfälle frühzeitig in Präventionsnetzwerken aufgefangen und Radikalisierungsbiographien verhindert. Aussteigergespräche In über 70 Veranstaltungen berichteten Aussteigerinnen und Aussteiger aus unterschiedlichen Bereichen des politischen Extremismus über ihre Erfahrungen und standen für Gespräche zur Verfügung. Rückmeldungen der Teilnehmenden bestätigen, dass diese Veranstaltungen sehr direkte Einblicke in Lebenswege und Motive geben, die zur Annäherung an den Extremismus geführt haben. Sie zeigen besonders deutlich die Gefahren auf, die von diesen Szenen ausgehen, und geben Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Impulse für die Prävention. Diese Gespräche werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Aussteigerprogramme vorbereitet und moderiert. Eine Voraussetzung ist, dass die Begegnung mit Aussteigern in einen didaktischen Kontext eingebettet ist, sodass das Gespräch vertieft und reflektiert wird. Gespräche mit Aussteigern aus dem Islamismus, dem Rechtsextremismus und dem auslandsbezogenen Extremismus ("Graue Wölfe") fanden 2017 beispielsweise im Rahmen der Informationsreihe "Einstiegsprozesse in den Rechtsextremismus und gewaltbereiten Salafismus" für pädagogische Fachkräfte statt (siehe Abschnitt Fachtagungen). Sensibilisierungsveranstaltungen im Umfeld von Flüchtlingseinrichtungen Der Verfassungsschutz bietet seit 2014 Sensibilisierungsveranstaltungen für Betreiber von Flüchtlingseinrichtungen, deren Beschäftigte und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer an. Die Veranstaltungen verfolgen das Ziel, über den extremistischen Salafismus aufzuklären sowie die Beratungsangebote des Verfassungsschutzes auf allen drei Ebenen der Prävention vorzustellen. Die Teilnehmenden sollen in die Lage versetzt werden, besonders auffälliges Verhalten, Wesensveränderungen oder gar eine Radikalisierung erkennen und einzuordnen zu können. Bisher wurden in 60 Sensibilisierungsveranstaltungen insgesamt 5.900 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren informiert. 149 Veröffentlichungen Aufklärung über Ideologien, Strategien, Erscheinungsweisen und Strukturen im politischen Extremismus stärkt die Sensibilität und Wachsamkeit der Gesellschaft. Insofern ist sie ein wichtiger Beitrag zur wehrhaften Demokratie. Informationen und Analysen stellt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz im Internet sowie in Broschüren und anderen Veröffentlichungen zur Verfügung. Hinzu kommen Informationsmaterialien wie Plakate, Faltblätter und Visitenkarten, die beispielsweise auf Kontaktmöglichkeiten zu den Aussteigerprogrammen und zum Präventionsprogramm Wegweiser hinweisen. Interessierte erhalten diese Publikationen unter anderem bei Vortragsveranstaltungen. Einige Titel können zudem über die Website www.im.nrw.de/verfassungsschutz online bestellt werden. Die folgenden Veröffentlichungen sind im Jahr 2017 neu erschienen. Broschüre "Reichsbürger und Selbstverwalter" In Nordrhein-Westfalen gibt es eine zunehmende Anzahl von Vorkommnissen mit sogenannten Reichsbürgern. Ein konsequentes Vorgehen der Behörden ist geboten. Im September 2017 hat der Verfassungsschutz NordrheinWestfalen die Broschüre "Reichsbürger und Selbstverwalter - Erkennen, einordnen, richtig handeln" veröffentlicht. Sie richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden und sonstigen öffentlichen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere des kommunalen Bereichs. Leserinnen und Leser erhalten einen Überblick über die Szene und konkrete Handlungsempfehlungen im Umgang mit "Reichsbürgern". Publikation "Erlebniswelt Rechtsextremismus" In vollständig aktualisierter fünfter Auflage ist im September 2017 der Sammelband "Erlebniswelt Rechtsextremismus. modern - subversiv - hasserfüllt. Hintergründe und Methoden für die Praxis der Prävention" erschienen. Das Buch ist mit einem Online-Angebot verbunden. Es ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen mit jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für Jugendschutz im Internet. Beide Stellen geben die Publikation gemeinsam heraus, beigetragen haben mehr als 30 Autorinnen und Autoren aus Schule und außerschulischer Jugendarbeit, Wissenschaft, Jugendmedienschutz sowie des Verfassungsschutzes. Die Publikation legt einen Schwerpunkt auf optische Modernisierungsprozesse im Rechtsextremismus und hat vor allem die OnlinePräsenzen dieser Szene im Blick. Neunzehn Projektskizzen erläutern Methoden und Ansätze, um in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen über Rechtsextremismus aufzuklären. Der Band steht unter anderem in den Publikationsprogrammen der Bundeszentrale für politische Bildung und der EU-Initiative Klicksafe bundesweit zur Verfügung. Der Band "Erlebniswelt Rechtsextremismus" kann kostenlos oder gegen eine geringe Bereitstellungspauschale unter anderem über folgende Websites bezogen werden: Klicksafe. Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, www.klicksafe.de/bestellung Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/shop Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, www.politische-bildung.nrw.de/print/ Pädagogische Handreichung zu Wegweiser Unter Einbindung von Fachexpertinnen und -experten haben das Präventionsreferat des Verfassungsschutzes NRW sowie Anlaufstellen des Programms Wegweiser eine pädagogische Handreichung zur WegweiserBeratungsarbeit erarbeitet. Der inhaltliche Fokus der Broschüre liegt auf der Darstellung der pädagogischen Ansätze des Präventionsprogramms, exemplarisch beschrieben von Wegweiser Bochum. Es werden die in der Beratung auftretenden Problemlagen und Radikalisierungshintergründe sowie die Herangehensweise der Beraterinnen und Berater veranschaulicht. Die Handreichung wird durch allgemeine Informationen zu Hintergründen und zur Jugendkultur des Salafismus komplettiert. Die im Laufe des Jahres 2018 erscheinende Broschüre richtet sich an alle Interessierten, insbesondere Akteure aus den Bereichen Sozialarbeit, Bildungseinrichtungen, Jugendhilfe und Prävention. 150 Aufsätze in Fachpublikationen In Fachpublikationen wie beispielsweise wissenschaftlichen Sammelbänden und Zeitschriften bringen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen regelmäßig Analysen zu speziellen Fragen des Extremismus ein. Dies fördert den Informationsund Gedankenaustausch zwischen Verfassungsschutz und akademischer Forschung. Seit einigen Jahren gewinnt das extremistische Phänomen der "Reichsbürger" an Bedeutung. Die Szene behauptet, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere, und bestreitet die Legitimität der staatlichen Behörden. Vor allem kommunale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mit Personen zu tun, die mit solchen Argumenten rechtmäßiges staatliches Handeln behindern wollen. Ein Aufsatz aus dem Verfassungsschutz NRW gibt einen Überblick über diese Szene, ihre Aktivitäten und das Gefahrenpotenzial. Die Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit "Reichsbürgern" werden beleuchtet. Der Beitrag ist erschienen in der Loseblattsammlung "Praxis der Kommunalverwaltung" im Kommunalund Schul-Verlag. "Wir lieben das Fremde - in der Fremde": Die Zeile stammt aus einer Musik-CD, die Neonazis kostenlos an Kinder und Jugendliche verteilen wollten ("Projekt Schulhof"). Ihr liegt das Diskursmuster des Ethnopluralismus zugrunde, im Vergleich zur inhaltlich eng verwandten Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" klingen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in einem moderaten Ton an. So soll die Aussage auch jenseits rechtsextremistischer Kreise Akzeptanz finden. Mit diesem Zitat ist ein Aufsatz aus dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz überschrieben, der in fünf Fallskizzen Ethnopluralismus als Diskursmuster und -strategie im Rechtsextremismus in den Blick nimmt. Er geht auf einen Vortrag am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen zurück und ist in dem Band "Großerzählungen des Extremen" enthalten, den Jennifer Schellhöh, Jo Reichertz, Volker M. Heins und Armin Flender herausgegeben haben. Ein weiterer Aufsatz verdeutlicht Hintergründe, Struktur und Ansatz des Präventionsprogramms Wegweiser. Er gibt unter anderem Einblicke in die konkrete Fallarbeit der Beratungsstelle in Bochum. Der Beitrag liefert einen umfassenden Überblick über das Programm Wegweiser und verdeutlicht den niedrigschwelligen, ganzheitlichen Ansatz des Programms. Der Einblick in die Fallarbeit zeigt, wie komplex Beratung und Begleitung in diesem Kontext sein kann. Der Aufsatz geht auf einen Vortrag bei der Tagung "Kulturkonflikt und Identität" im April 2017 in Zürich zurück. Er ist in der Schriftenreihe "10. Zürcher Präventionsforum" des Europa Instituts Zürich erschienen, die von Christian Schwarzenegger und Rolf Nägeli herausgegeben wird. Weitere Beiträge aus dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen sind im Jahr 2017 unter anderem erschienen in der Zeitschrift "Musikforum" des Deutschen Musikrats ("Musik als politische Waffe. Konzerte, Bands und Stile der rechtsextremistischen Szene", Heft 3/2017), im "Jugendhilfereport" des Landschaftsverbands Rheinland ("Präventionsprogramm Wegweiser: gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus", Heft 3/2017) und in "Thema Jugend", die die Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz NRW herausgibt ("Gemeinschaft - Action - Anerkennung. Was motiviert Jugendliche, gegen die Demokratie zu denken und zu handeln?", Heft 2/2017). 151 Über den Verfassungsschutz Verfassungsschutz ist nach dem Grundgesetz eine Aufgabe der Länder und des Bundes. Nordrhein-Westfalen verfügt deshalb wie alle Länder der Bundesrepublik Deutschland über eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Das Ministerium des Innern ist Verfassungsschutzbehörde. Die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr. Die Verfassungsschutzbehörden der einzelnen Bundesländer sind gesetzlich dazu verpflichtet, untereinander und mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu kooperieren. Dabei übernimmt das Bundesamt die Aufgaben einer Zentralstelle auf Bundesebene. Mit Blick auf die weiterhin angespannte Gefährdungslage in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung beschlossen, den Verfassungsschutz weiter personell zu verstärken. Dementsprechend wurde der Verfassungsschutz im Jahr 2017 um 115 zusätzliche Stellen verstärkt, so dass für die Abteilung insgesamt 507 Stellen zur Verfügung standen. Ergänzend dazu wurden die Sachund Investitionsmittel auf 10,21 Millionen Euro erhöht. Aufgaben Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, bereits im Vorfeld von konkreten Gefährdungslagen Informationen zu extremistischen Bestrebungen oder Organisationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten. Dazu gehören Aktivitäten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen. Des Weiteren betrifft dies Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind oder die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht darstellen. Dabei verfolgt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln eine Dreifachstrategie aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe. Es ist seine Aufgabe, frühzeitig problematische Entwicklungen zu erkennen und Politik und Gesellschaft zu informieren und zu sensibilisieren. Da eine effektive Bekämpfung von Extremismus neben den konkreten Aufgaben von Sicherheitsbehörden auf gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen basiert, geht der Verfassungsschutz in die Gesellschaft hinein, klärt auf und bietet alle beteiligten Akteuren eine Zusammenarbeit an. Dabei liegen die aktuellen Schwerpunkte der nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbehörde weiterhin in der Aufklärung und Bekämpfung des Rechtsextremismus und des gewaltbereiten extremistischen Salafismus. Eine zunehmende Bedeutung für die nachrichtendienstliche Bearbeitung nehmen sicherheitsgefährdende Aktivitäten türkischer Organisationen sowie der gewaltorientierte Aufklärungsund Sensibilisierungsarbeit sowie Präventionsund Aussteigerprogramme verhindern dabei den Einstieg in die jeweilige extremistische Szene beziehungsweise ermöglichen die Loslösung darin eingebundener Personen.. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde sind im Verfassungsschutzgesetz (VSG NRW) definiert. Zugleich ist dort geregelt, durch wen und wie ihr Handeln kontrolliert wird, denn eine rechtliche und politische Kontrolle von Verwaltung sind konstitutive Merkmale des Rechtsstaates. Dies gilt natürlich auch für den Verfassungsschutz. Da die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes aufgrund ihrer besonderen Geheimhaltungsbedürftigkeit in der Regel nicht öffentlich im Parlament oder seinen Ausschüssen beraten werden können, existieren für die Kontrolle besondere Stellen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG). Der Landtag Nordrhein-Westfalen bestimmt zu Beginn jeder Wahlperiode die Anzahl der Mitglieder des PKG und wählt diese aus seiner Mitte. Das PKG überwacht umfassend die Tätigkeit des Verfassungsschutzes. 152 Verarbeitung personenbezogener Daten Zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben dürfen Verfassungsschutzbehörden unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen personenbezogene Daten erheben und verarbeiten. Die Verfassungsschutzbehörde NordrheinWestfalens nutzt dazu eigene Dateien sowie das "Nachrichtendienstliche Informationssystem und Wissensnetz" (NADIS WN), auf das die Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes gemeinsam Zugriff haben. Erfasst werden Daten zu Personen, über die Erkenntnisse im Zusammenhang mit politischem Extremismus vorliegen. Getrennt davon werden Daten gespeichert zu Personen, die wegen ihres Umgangs mit Verschlusssachen oder ihrer Tätigkeit in einem sicherheitsempfindlichen Bereich einer Sicherheitsüberprüfung unterliegen. Die Durchführung solcher Überprüfungen erfolgt mit Zustimmung der Betroffenen und macht rund 90% aller NADIS-Einträge aus Nordrhein-Westfalen aus. Evaluation der bis zum 1. Juni 2018 befristeten Befugnisse des Verfassungsschutzes Im Mai 2017 hat die Verfassungsschutzbehörde dem Landtag einen umfangreichen wissenschaftlichen Evaluationsbericht zu Befugnissen des Verfassungsschutzes vorgelegt, deren Geltung gesetzlich bis zum 1. Juni 2018 befristet war. Im Einzelnen handelte es sich dabei um die Befugnisse zum Beobachten zugangsgesicherter Internetkommunikation auf dem technisch hierfür vorgesehenen Weg, zur Erhebung von Auskünften über Beteiligte am Zahlungsverkehr und über Geldbewegungen und -anlagen sowie um die Befugnisse zur Erhebung von Auskünften über Telekommunikationsverbindungsund Nutzungsdaten von Telemedien. Die Evaluation erfolgte entsprechend der Vorgaben des Verfassungsschutzgesetzes unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Sachverständigen. Im Einvernehmen mit dem Landtag wurde dazu Prof. Dr. Wolff von der Universität Bayreuth beauftragt. Der dem Landtag fristgerecht am 15. Mai 2017 vorgelegte Bericht (Vorlage 16/5009) empfahl - umfassend begründet - die Beibehaltung und unbefristete Verlängerung aller evaluierten Befugnisse. Dieser Empfehlung folgte der Landtag dann bei seiner Entscheidung im Jahr 2018. Öffentlichkeitsarbeit Eine informierte, aufgeklärte Öffentlichkeit ist Grundvoraussetzung, um die Gesellschaft vor extremistischen Bestrebungen zu schützen. Daher versteht der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen den Leitspruch "Verfassungsschutz durch Aufklärung" als einen wesentlichen Arbeitsauftrag. Damit die Bevölkerung, Politik und Medien Anzeichen für Extremismus frühzeitig erkennen können, leistet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz eine intensive Aufklärungsarbeit und bietet eine breite Palette verschiedener Informationsmittel an. Dazu gehören Vorträge und Tagungen, Broschüren und ein Informationsangebot im Internet. Einen umfassenden Aufklärungsbeitrag, der alle verfassungsschutzrelevanten Themen umfasst, liefert der jährliche Verfassungsschutzbericht. Die Jahresberichte dienen Gerichten und Behörden als Nachschlagewerk zum Extremismus in NRW. Sie werden den Mitgliedern des Landtags zur Unterrichtung über Entwicklungen vorgelegt und auch von der Öffentlichkeit stark nachgefragt. Informationen zu aktuellen Schwerpunktthemen finden sich in Berichten und Broschüren, die über die Internetseite des Ministeriums des Innern unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz abrufbar und kostenfrei bestellbar sind. 153 Liste der Bestrebungen und Organisationen A F "AKARAM" Advance Falk News Afrikabrunnen (heute Blue Springs LTD) "Föderation der Türkisch-Demokratischen Agape e. V. Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF)" al-Asraa (Die Gefangenen) "Föderation der Yezidischen Vereine Kurdistans al-Qaida (FKE, früher YEK)" Altermedia Deutschland Föderation islamischer Organisationen in Europa (FIOE) "alternativ, unabhängig, fortschrittlich (AUF)" "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland Ansaar Düsseldorf e.V./Ansaar International (YEK-KOM)" Ansaarul Aseer (Die Unterstützer der Gefangenen) "Frauenverband Courage e.V." "Antikapitalistische Linke (AKL)" Freewinds Antisem Versand Freier Widerstand Oberhausen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Freies Netz Stolberg Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL) Freies Netz Süd ARMINIUS-Bund des deutschen Volkes Freiheit Autonome Linksextremisten "Freiheitsfalken Kurdistans (TAK)" Autonome Nationalisten (AN) Freistaat Preußen Freundeskreis Rechts Freundeskreis Rhein-Sieg B Furkan Nesli Dergisi (Magazin der Generation Furkan) Furkan Kultur und Bildungszentrum Bielefeld Sultan Fatih Genclik (BSFG) Furkan Stiftung für Bildung und Dienstleistungen Blck Stone Blickpunkt Furkan-Gemeinschaft Blood and Honour "Blue Springs LTD. (ehem. Afrikabrunnen)" -Stiftung) "Bülten (Bulletin der Türkischen Föderation)" G C Gemeinschaften Kurdistans (KCK) Germaniten Scientology Germaniten Partei Celebrity Center "Grup Yorum" Church of Scientology Combat 18 H D Hamas Hammerskins "Demokratisch-kurdisches Helfen in Not (HiN) Gesellschaftszentrum (DKTM)" Hizb Allah - Partei Gottes "Demokratisch-kurdisches Gesellschaftszentrum Hizb ut-Tahrir - Islamische Befreiungspartei (HuT) Deutschland (NAV-DEM)" Der III. Weg Der Weg zum Glücklichsein I Deutsche Kommunistische Partei (DKP) "Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH)" Identitäre Aktion (IA) Deutsche Stimme (DS) Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) Devrimci Sol Imam-Mahdi-Zentrum DHKP-C Impact Die Rechte "Internationale Koordination Revolutionärer Die Wahre Religion (DWR) Parteien und Organisationen (ICOR)" Division Braune Wölfe Interventionistische Linke (IL) Division Germania Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) Dogru Haber (Richtige Nachricht) Islamischer Staat (IS) dortmundecho.org Islamistische nordkaukasische Szene (INS) Ismail Aga Cemaati (IAC) E J "eedhesam.com" Erbakan Vakfi (Erbakan Stiftung) Izzedin Al-Qassam-Brigaden Jabhat al-Nusra (JaN) Jugend für Menschenrechte Junge Nationaldemokraten (JN) Justizopferhilfe Löhne 154 K R Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) Rebell Kaukasisches Emirat (KE) Recht und Wahrheit Kelhaamet (Prächtiges Diyarbakir) Reconquista Keltisch-Druidische Glaubensgemeinschaft Reichsbürger und Selbstverwalter Kendi Dilinden Hizbullah (Die Hizbullah in eigenen Worten) Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (DHKP-C) Köln für deutschen Sozialismus Revolutionärer Weg (RW) KÖLN UNZENSIERT Rote Fahne Magazin Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Rote Hilfe Kommunistische Plattform (KPF) Rotfüchse Kompetenz Koordination der kurdischen ökologisch-demokratischen S Gesellschaft in Europa (CDK) Saadet Partisi (SP) L Sag nein zu Drogen Salafistische Szene / Bestrebungen (Salafismus) Landser Scientology Kirche Berlin e.V. (SKB) Lies! (-Kampagne) Scientology Kirche Deutschland e.V. (SKD) Linksjugend ['solid] Scientology Organisation (SO) Lunikoff "Serxwebun (Unabhängigkeit)" Siegel der Propheten M Skinhead-Szene Sleipnir Makss Damage Smart Violence marx21 Source Marxistische Blätter Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Marxistische Linke "Sozialistische Linke (SL)" Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) staatenlos.info Medizin mit Herz (ehem. Medizin ohne Grenzen) "Sterka Ciwan (Stern der Jugend)" "Mednuce TV" Sturmwehr Milli Görüs-Bewegung Syndikat 52 Miscavige, David Mitteilungen der Kommunistischen Plattform T Muhacirun (Auswanderer) Muslimbruderschaft (MB) The Auditor "Turan e.V" N Türkische Hizbullah (TH) "tyo-germany.com" Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Nationaler Widerstand Duisburg U Nationalisten Kreis Gütersloh Neonazi-Szene "Ülkücü-Bewegung" ("Graue Wölfe") Neue Ordnung Deutschland Ums Ganze. Kommunistisches Bündnis "Newaya Jin" Unabhängige Nachrichten Nordkaukasisches Emirat Unsere Zeit (UZ) NRW UNZENSIERTZeitung der Bürgerbewegung Pro NRW V N. S. Heute Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. O "Verein Anatolische Förderation" Oidoxie Verein Medizin mit Herz / vormals Oldschool Society (OSS) Verfassungsgebende Versammlung/Bundesstaat OT-Universe Deutschland Volkshilfe e.V. P Volksverteidigungskräfte (HPG) Palästinensische Gemeinschaft in W Deutschland e.V. (PGD) Palestinian Return Center (PRC) We love Muhammad "pathivu.com" World Institute of Scientology Enterprises (WISE) PKK World Wide Resistance - Help (WWR - Help) Pro Deutschland Pro Köln e.V. Y Pro NRW Pro-Bewegung Yeni Müjde (Neue Frohe Botschaft) Pro-Organisationen "Yeni Özgür Politika" Yürüyüs 155 Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen Friedrichstraße 62 - 80 40217 Düsseldorf Telefon: 0211/871 - 01 Telefax: 0211/871 - 3355 poststelle@im.nrw.de www.im.nrw.de